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Komm, wir gehen ins Kino!

Endlich wieder große Leinwand

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Wir können wieder ins Kino. Ins Autokino Aschheim, ins Autokino Fürstenfeldbruck, zum Open-Air-Kino am Olympiasee. Die Breitwand Kinos in Gauting haben wieder offen, Theatiner und Werkstattkino spielen am Wochenende. Die Kuchenreuther Kinos schließen sich demnächst an. Spätestens zum 1. Juli wollen alle wieder dabei sein. Was gibt’s? Klassiker, Repertoire, Filme aus dem letzten Jahr. Und neue Filme, Oscargewinner und Blockbuster.

Also Thomas Winterbergs feuchtfröhliche Buddy-Tragikomödie Der Rausch mit Mads Mikkelsen. Der spielt Martin, einen ausgebrannten Lehrer, von dem Eltern wie Schüler hoffen, dass er bald das Handtuch wirft. Aber dann wagen Martin und seine Lehrer-Kollegen Tommy (Thomas Bo Larsen), Nikolaj (Magnus Millang) und Peter (Lars Ranthe) ein Experiment: Mit einem ständigen Blutalkoholwert von 0,5 Promille lassen sich Arbeit und Leben vermutlich leichter bewältigen. Gesagt, getan – zwei Schnäpse zum Frühstück beflügeln den Unterricht, und, ja, wecken die erloschene Leidenschaft zu seiner Frau Trine (Marie Bonnevie). Aber wie lang kann das gut gehen? Erinnerungen an freie, wilde, unbeschwerte Zeiten, eine absolut grandiose Schlussszene – Glücksgefühle beim Verlassen des Kinos sind garantiert. (Oscar für den besten internationalen Film, und Europäischer Filmpreis: Bester Film).

Um Kindheit, Familie und den amerikanischen Traum dreht sich Lee Issac Chungs autobiographisch fundierter, berührend schöner Film Minari – Wo wir Wurzeln schlagen. Jacob (Steven Yuen) und Monica Yi (Yeri Han) immigrieren in den 1980er Jahren mit ihren Kindern Anne und David aus Südkorea in die Vereinigten Staaten. Anfangs leben sie in Kalifornien, ziehen dann aber weiter nach Arkansas, wo Jacob den Traum von einer eigenen Farm verwirklichen will. Hier scheiterte schon der Vorbesitzer, und Jacob und Monica sind bald am Ende ihrer Kräfte. Doch Soonja (YuhJung Youn), die kluge, schlagfertige Großmutter, ist ihnen aus Südkorea nachgereist und schafft es, zusammen mit ihrem Enkel David, die Familie zusammenzuhalten. Tolle Schauspieler! Voller präziser Beobachtungen, Humor und magischer Momente. (Oscar für Yuh-Jung Youn als Beste Nebendarstellerin; Golden Globe für den Besten internationalen Film; Jury- und PublikumsAward in Sundance).

Demon Slayer – The Movie: Mugen Train ist der schon jetzt erfolgreichste Film der japanischen Kinogeschichte! Auf den ersten Blick ein schlichtes, actionreiches Manga-Fantasy-Abenteuer. Autor Koyoharu Gotouge und Regisseur Haruo Sotozaki erzählen aber mitreißend vom Kampf ums eigene Seelenheil. Tanjiro, Nezuko, Zenitsu und Inosuke sind Dämonenjäger. Im Mugen-Zug wollen sie den mächtigen Schwertkämpfer Rengoku treffen. Dem Quartett stellt sich der böse Emmu entgegen, der sie in einen tiefen Schlaf versetzt. Tanjiro merkt, dass er träumt, muss seinen tiefsten Wünschen widerstehen und versuchen, aufzuwachen, um Rengoku helfen zu können … Grellbunt, rasant, ein atemloses Abenteuer. (Es gab 23 MangaBände in Folge, dann eine 26-teilige Animationsserie, und im Herbst 2020 den Kinofilm – mit unglaublichen 27 Millionen verkauften Tickets). Dream Horse ist ein Komödie von Euros Lyn, die auf wahren Begebenheiten beruht. Die Walliserin Jan (Toni Collette) arbeitet im Supermarkt, in einer Bar und als Putzfrau. Ihr Mann Brian (Owen Teale) verbringt sein Leben vor dem Fernseher. Als einer ihrer Gäste in der Bar, der Steuerberater Howard (Damian Lewis) von seiner – wenig erfolgreichen – Beteiligung an einem Rennpferd erzählt, hat Jan eine Idee. Wenn das Dorf zusammenlegt, könnten sie doch selbst ein Rennpferd züchten, dass es dann in die Elite schaffen könnte. Kaum einer hat Ahnung, aber der Enthusiasmus ist groß. Das Fohlen „Dream Alliance“ macht sich. Steigt tatsächlich in den Ranglisten immer weiter auf, bis die Dörfler mit ihrem Pferd eines Tages beim großen Rennen um die nationale Meisterschaft dabei sind. Ein komödiantisches Feelgood Movie! hermann barth

KURZ BELICHTET Viaggio in Italia

Zwei Reihen mit italienischen Filmen

— Das Circolo Cento Fiori e.V. – Cento Fiori Cinema startet mit einem Filmwochenende im Gasteig am 12./13. Juni. Sfaccettature di solitudine / Facetten der Einsamkeit vereint vier Filme: Nour von Maurizio Zaccaro basiert auf dem Buch „Salztränen. Mein Leben als Arzt auf Lampedusa“ von Pietro Bartolo. Der Film schildert Bartolos Begegnung mit der 10-jährigen Nour, die allein, ohne Eltern die Flucht aus Syrien übers Meer überlebt hat und deren Schicksal Bartolo besonders berührt ... Das einfühlsame Drama Caos Calmo / Stilles Chaos von Antonello Grimaldi erzählt von Pietro (Nanni Moretti), der sich, nach dem plötzlichen Tod seiner Frau, für eine Zeit der Einsamkeit entscheidet. Kollegen, Freunde und Verwandte aber kommen, um ihn beredsam zu trösten. Volevo Nascondermi / Ich wollte mich verstecken von Giorgio Diritti dreht sich um Leben und Leiden des Künstlers Anto-

Außenseiter: VOLEVO NASCONDERMI – ICH WOLLTE MICH VERSTECKEN Nicht normal: ORECCHIE – OHRENSAUSEN

nio Ligabue, dargestellt von Elio Germano, der für seine Rolle bei der Berlinale 2020 prämiert wurde. Antonio lebt, als Außenseiter verlacht, in bitterer Armut am Ufer des Po, bis er einem Künstler begegnet, der ihn darin bestärkt, Maler zu werden. Orecchie / Ohrensausen von Antonello Aronadio ist eine burleske Tragikomödie um einen Mann, der an Ohrensausen und Vergesslichkeit leidet, und sich während eines turbulenten Tages immer öfter fragt, ob er spinnt oder die anderen nicht ganz bei Trost sind. Das Filmmuseum eröffnet wieder mit einer Reihe, die dem Filmemacher Vittorio De Sica gewidmet ist. Ladri di biciclette (Fahrraddiebe) ist ein Klassiker des italienischen Neorealismus, die Darstellung des unverfälschten Lebens und Leidens. De Sicas Werk aber ist uneinheitlich, stilistisch und thematisch heterogen. Was, so fragt sich Kurator Ernst Schreckenberg, verbindet eine Burleske wie Ieri, oggi, domani (Gestern, heute und morgen) mit der SartreVerfilmung Die Eingeschlossenen von Altona über die nationalsozialistischen Verstrickungen einer Hamburger Reeder-Familie in Wirtschaftswunderland BRD? Hier Commedia, da tragische, neorealistische Stoffe. Stars: Helmut Berger und Dominique Sanda in Der Garten der Finzi Contini, Shirley MacLaine in Woman Times Seven, Faye Dunaway mit Marcello Mastroianni in Amanti, Peter Sellers in Caccia alla volpe (Jagt den Fuchs), Richard Burton an der Seite von Sophia Loren in Il Viaggio (Die Reise nach Palermo) – internationale Erfolge, Oscars, großes italienisches Kino.

Gefährliche Zeitreisen

Underground Railroad, Loki, Lupin und StartUp – diese Serien sollte man nicht verpassen

Bildgewaltiges Drama: THE UNDERGROUND RAILROAD

The Underground Railroad ist eine Rassismus-Dramaserie von Barry Jenkins nach dem Bestseller von Colson Whitehead mit Thuso Mbedu und Aaron Pierre in den Hauptrollen: Cora und ihr Freund Caesar schuften zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs als Sklaven auf Baumwollplantagen und müssen die Launen ihrer grausamen Gutsherren ertragen. Als Cora von einem unterirdischen Zug erfährt, der Richtung Norden in die Freiheit führen soll, entschließt sie sich zu fliehen. Zusammen mit Caesar macht sie sich auf den Weg, verfolgt von dem Sklavenfänger Ridgeway (richtig fies: Joel Edgerton). Für den ist die Jagd nach Cora eine persönliche Angelegenheit, denn einst entkam ihm ihre Mutter – die einzige Sklavin, die es je aus seinen Fängen geschafft hat ... (Amazon Prime, läuft seit Mai)

Loki, der „Gott des Schabernacks“, verschied eigentlich in „Avengers: Infinity War“. Die eigene Serie ermöglicht ihm nun die Wiederauferstehung: Mithilfe des Raumsteins soll der nordische Gott Loki durch die Menschheitsgeschichte reisen und dabei wichtige Ereignisse ändern. Das bringt ihn auf Konfrontationskurs mit der sogenannten Time Variance Authority (TVA), einer Organisation, die das Multiversum überwacht und darauf achtet, dass einzelne Zeitlinien und Dimensionen nicht durcheinandergeraten. Mit seinem Chaos ist Loki der TVA natürlich ein Dorn im Auge und sie stellt ihn vor die Wahl: Entweder er hilft ihnen, eine noch größere Bedrohung auszuschalten – oder Loki wird aus der Realität gelöscht. Hinter der Serie steht der „Rick and Morty“-Autor Michael Waldron, neben Tom Hiddleston spielt auch Owen Wilson. (Disney+, ab 9. Juni)

Die Thriller-Serie StartUp von Ben Ketai mit Martin Freeman und Adam Brody zeigt, was geschieht, wenn eine ebenso brillante wie umstrittene Technologie von den falschen Leuten unterstützt wird. Um Geld für das Kryptowährungs-Start Up „GenCoin“ aufzubringen, sind die Gründer auf das schmutzige Geld einer haitianischen Gang angewiesen. Schon bald wird aus der zwielichtigen finanziellen Investition ein Kampf ums Überleben, in den sich am Ende natürlich auch das FBI einschaltet. (Netflix, ab 1. Juni)

In Frankreich ist die Serie Lupin ein absoluter Renner, was natürlich auch an dem sympathischen Hauptdarsteller liegt: Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“) schlüpft hier in die Rolle einer neuen Version des Gentleman-Gauners Arsène Lupin in Gestalt des Diebs Assane Diop, Sohn eines Immigranten aus Senegal. Sein Vater, eines Diebstahls beschuldigt, den er nicht begangen hat, erhängt sich im Gefängnis und lässt Assane allein in Paris zurück. Zwanzig Jahre später zieht Assane los, sich an der reichen und skrupellosen Familie zu rächen, die für den Tod seines Vaters verantwortlich ist. (2. Staffel, Netflix, ab 11. Juni) rainer germann

Krypto-Thriller in Miami: STARTUP

Eindrucksvolles Kino aus Griechenland und die Stimme des schwarzen Amerikas

Das griechische Kino der letzten Jahre hat uns tolle Filme wie Giorgos Lanthimos‘ Utopie „The Lobster“ und sein Psychodrama „Killing Of A Sacred Deer“ oder den Thriller Noir „Mittwoch 04:45“ von Alexis Alexiou beschert. All The Pretty Little Horses (goodmovies/EuroVideo) von Michalis Konstantatos reiht sich eher ein in den Kanon der Beziehungsdramen – und doch brodelt subtiler Horror unter der Oberfläche schöner Bilder, bis es unweigerlich zu einer Eruption kommt. Aliki (großartig: Yota Argyropoulou), Mitte 30, hat wohl als Anästhesistin in einem Athener Krankenhaus bei einer Operation versagt und muss gemeinsam mit ihrem Ehemann Petros (auch gut: Dimitris Lalos) und ihrem kleinen Sohn Panagiotis die Hauptstadt verlassen, um in einer griechischen Provinzstadt als Krankenpflegerin zu arbeiten. Petros, normalerweise im Finanzwesen tätig, nimmt einen Job als Hausmeister in einer luxuriösen Villa an. Da ihnen ihr kleines Apartment wenig standesgemäß und zu eng vorkommt und die Besitzerin des Anwesens samt ihrer beiden Schäferhunde wenig zu Hause ist, verbringt die Familie immer mehr Zeit am Pool. Aus einer Gewohnheit wird Sucht und die Villa zu einem Raum voller Hoffnung auf ein besseres Leben, am besten wieder in Athen, wo sie anscheinend ein ähnliches Haus bewohnten. Doch die Beziehung des Paares bekommt Risse und Aliki beginnt schon bald unter den jähzornigen Übergriffen Petros‘ zu leiden. Als die Hausbesitzerin überraschend zurückkommt und bemerkt, dass die „Hausmeisterfamilie“ in ihrer Villa wohnt, eskaliert die Situation. Es sind klug inszenierte subtile Untertöne, die Konstantatos‘ Film ausmachen – eine lauernde emotionale Bedrohung, die auch durch die finanzielle und berufliche Unzufriedenheit des Paares den Zuschauer ergreift.

Billie Holiday, war neben Ella Fitzgerald und Nina Simone die wohl wichtigste Sängerin der Jazzgeschichte und wohl die schwärzeste Stimme Amerikas. Ihr raues Timbre klang mehr nach Booze und Dope wie das der männlichen Kollegen, ihre verzogenen Phrasierungen diverser Blues- und Jazz-Standards lassen die große Ella fast zu sauber und Nina Simone eher intellektuell erscheinen. Im wahren Leben und in dem Film The United States vs. Billie Holiday (Capelight) von Lee Daniels hat es die US-Regierung auf die Sängerin abgesehen, weil diese sich nicht davon abbringen lässt, den Song „Strange Fruit“ zu singen. Das erschreckend poetische Lied über die „seltsamen Früchte“, die Leichen von Schwarzen, die nach Lynchmorden in den Bäumen des Südens hingen, war in Holidays Version ein erster Soundtrack der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Da man sie auch auf dem Höhepunkt ihrer Karriere nicht wegen des Singens eines Liedes verhaften konnte, setzte der Chef der Drogenbehörde einen Fahnder auf die heroinsüchtige Sängerin an und brachte diese 1947 vor Gericht, ein Jahr Gefängnis, danach Entzug der Auftrittslizenz. Daniels dichtet um und dazu, sein Biopic ist in fast schon zu klischeehafte Bilder gegossen. Wäre da nicht die großartige Hauptdarstellerin Andra Day, die alles selbst singt und für den Oscar nominiert wurde. Was für eine Entdeckung, was für ein Leben, was für ein Lied.

RAINER GERMANN

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