Februar 2011
Medizin von morgen
Innovationen für ein langes Leben TELEMEDIZIN
ALTERSKRANKHEITEN
ZAHNERSATZ
Erste Präzedenzfälle Seite 3
Neue Forschungszentren geplant Seite 6
Fokus Implantologie Seite 12
»Medizin von morgen« ist eine unabhängige Publikation des in|pact media Verlags und liegt der Gesamtauflage des Handelsblatts bei.
GRUSSWORT
in|pact media Verlag
Liebe Leserinnen, liebe Leser, keiner kann medizinische Durchbrüche voraussehen. Doch schon heute lässt sich absehen, dass uns die Medizin morgen weit besser helfen wird als heute. Und das hat drei Gründe: Die Medizin wird präventiver: Es ist besser, eine Krankheit zu verhindern oder schon im Frühstadium »abzufangen«, als mühsam die Folgeschäden der Krankheit zu therapieren. Beispiel Diabetes: Spätfolgen dieser Krankheit wie Nierenschäden oder Sehstörungen sind sehr belastend und für das Gesundheitssystem teuer. Prävention, Frühdiagnose und Dr. Wolfgang Plischke, die bestmögliche Therapie der Frühstadien, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu Vorstandsvorsitzender des Verbands der verhindern, zahlen sich folglich aus. Oder, um ein weiteres wichtiges Krankheitsgebiet forschenden PharmaUnternehmen vfa unserer älter werdenden Gesellschaft anzusprechen: Krebs ist früh diagnostiziert oftmals heilbar. Mehr Möglichkeiten zur Früherkennung sind deshalb ein Schlüssel zu großen Fortschritten. Deshalb arbeiten Diagnostika- und Pharmaunternehmen heute intensiv an besseren Mitteln zur Prävention. Die Medizin wird personalisierter: Künftig werden Medikamente und andere Therapieformen immer öfter nach individuellen Patientencharakteristika ausgesucht, insbesondere anhand von Gentests. Patienten erhalten dann auf sie zugeschnittene, ausgewählte Behandlungen, die ihnen mit hoher Zuverlässigkeit helfen und von ihnen gut vertragen werden. Kostenträger werden es schätzen, kaum noch für Therapien zu zahlen, die nicht anschlagen oder wegen Unverträglichkeit abgebrochen werden mussten. Die Medizin wird vernetzter: Wiederholte Untersuchungen, weil ein Arzt nicht weiß, was ein anderer schon diagnostiziert hat; oder Wechselwirkungen zwischen Medikamenten, weil ein Arzt nicht wusste, was der andere verordnet hat – künftig muss es so etwas nicht mehr geben. Denn die Medizin der Zukunft wird elektronisch vernetzt sein und auf diese Weise das Potenzial des medizinisch Verfügbaren effizient nutzen. Und das Beste: Bei allen diesen Trends hat die Zukunft schon begonnen!
INHALT
Seite 3 Telemedizin erobert den ländlichen Raum
Seite 8 Innovationen in der Medizintechnik
Seite 14 Stand der Krebsforschung
Erste Präzedenzfälle
Neuheiten und Erfindungen
Prof. Otmar Wiestler (DKFZ) im Interview
Seite 4 Therapie mittels Information
Seite 10 Reform der Beitragserhöhungen
Seite 15 Ernährung, Bewegung, Entspannung
E-Patient im Fokus
Folgen der Gesundheitsrefom
Gesunder Dreiklang
Seite 4 Mehr Integrierte Versorgung
Seite 11 Weg von Papier und Bleistift
Modell mit Zukunft
IT-Logistik könnte Milliarden sparen
Seite 6 Der Kampf gegen die Alterskrankheiten
Seite 12 Knochenersatz ist zwar einfacher, aber risikoreicher
Sechs neue Forschungszentren geplant
Prof. Fouad Khoury über Zahn-Implantologie
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Medizin von Morgen
Telemedizin erobert den ländlichen Raum Bei Diabetes, Risikoschwangerschaften oder Herzinsuffizienz ist eine telemedizinische Betreuung auf Krankenschein absehbar
Philipp Grätzel von Grätz / Redaktion
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enn der Herzspezialist Professor Friedrich Köhler von der Charité Berlin bei seinen Patienten Hausbesuche macht, dann lehnt er bequem im Schreibtischstuhl. Am Bildschirm kann sich der Kardiologe im telemedizinischen Zentrum seiner Universitätsklinik Körpergewicht, Blutdruck und andere wichtige Parameter ansehen, während der Patient, um den es geht, hundert Kilometer weiter nördlich in der Uckermark trotz seiner chronischen Herzschwäche seinem Alltag nachgeht. Viel tun muss der Patient nicht für die telemedizinische Betreuung: Er muss einmal am Tag seine Werte übertragen, das ist alles. Modernes telemedizinisches Equipment erledigt das praktisch automatisch. »Wir haben mit der Technik auch bei alten Menschen sehr gute Erfahrungen gemacht«, betont Köhler. »Da gibt es nach oben wirklich keine Altersgrenze.« Solange alles in Ordnung ist mit den Werten, lassen die Ärzte den Patienten komplett in Ruhe. Nur wenn irgendwo etwas aus dem Ruder läuft, schlägt das System Alarm. Meist lässt sich das Problem vor Ort durch den betreuenden Haus- oder Facharzt lösen. Die Spezialisten an der Berliner Universitätsklinik übernehmen nur die BackupFunktion. Sie werden nachts oder am Wochenende aktiv, wenn der Arzt vor Ort nicht erreichbar ist. Manchmal informieren sie auch den Notarzt, wenn es wirklich einmal kritisch sein sollte. suboPTIMALe DATENLAGE Patienten mit chronischer Herzschwäche (»Herzinsuffizienz«) sind nicht die einzigen Patienten, bei denen zunehmend auch telemedizinische Überwachung eingesetzt wird. Und Nordbrandenburg ist nicht die einzige Region in Deutschland, in der Patienten versorgt werden. Erst vor wenigen Monaten fiel beispielsweise am Carl Thiem-Klinikum in Cottbus der Startschuss für ein vom Brandenburgischen Gesundheitsministerium gefördertes Telemedizinprojekt. Den Anfang macht auch hier die Herzinsuffizienz. Doch dabei soll es nicht bleiben: »Wir können uns gut vorstellen, künftig beispielsweise Frauen mit Risikoschwangerschaften telemedizinisch zu betreuen. Auch für Diabetes-Patienten ist das Telemonitoring eine Option«, betont Chefarzt Dr. Jürgen Krülls-Münch. Im
Raum Stuttgart hat die Robert-Bosch-Klinik in den letzten Jahren mehrere hundert Patienten telemedizinisch betreut. Das Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen leistet sich eine eigene telemedizinische Abteilung. Die Liste ließe sich fortsetzen. Obwohl sich viel tut, kann ein Patient noch immer nicht ohne Weiteres zu seinem Arzt gehen und sich eine telemedizinische Betreuung verordnen lassen. Denn die »Telemedizin auf Krankenschein« gibt es noch nicht. Nur wer in der richtigen Region lebt, bei der richtigen Krankenkasse versichert ist und auf den richtigen Arzt trifft, hat derzeit eine Chance, mit der Telemedizin in Berührung zu kommen. »Einer der Gründe dafür ist, dass die Datenlage zur Telemedizin lange Zeit nicht optimal war«, so Köhler. Zumindest für die chronische Herzschwäche hat sich das jetzt aber geändert. Köhler und seine Kollegen haben nämlich im November vergangenen Jahres die Ergebnisse der »Partnership for the Heart«Studie vorgestellt, mit insgesamt 710 Patienten eine der größten Telemedizinstudien überhaupt. Bei der Studie handelte es sich um eine randomisiert-kontrollierte Studie, also jene Art von Studien, die auch für die Zulassung neuer Medikamente nötig sind. »Damit haben wir jetzt sehr robuste Daten, die uns auch mit Blick auf die Erstattung durch die Krankenkassen weiterhelfen sollten«, so Köhler.
jetzt Versorgungsverträge auflegen, die die neuen Erkenntnisse berücksichtigen«, betont Köhler. Gelingt das, könnte zumindest die Telemedizin bei chronischer Herzschwäche bald einem breiteren Kreis von Patienten zur Verfügung stehen. Tatsächlich gibt es seit Anfang 2011 sogar einen Präzedenzfall im deutschen Gesundheitswesen, bei dem die Telemedizin tatsächlich regulär erstattet wird, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Rede ist von der telemedizinischen Versorgung von Patienten mit Schlaganfall. Bei dieser Form der Telemedizin werden Patienten, die mit einem Schlaganfall in ein Krankenhaus ohne eine rund um die Uhr besetzte Neurologie eingeliefert werden, mit Hilfe von modernem Video konferenzequipment den Experten in einer auf Schlaganfälle spezialisierten Klinik vorgestellt. Gemeinsam wird dann per Datenleitung besprochen, was das beste Vorgehen bei dem individuellen Patienten ist. Der Pionier dieser Art von Versorgung ist das bayerische TEMPiS-Netz, bei dem sich 15 regionale Kliniken in Bayern mit zwei spezialisierten Schlaganfallkliniken in München und Regensburg elektronisch zusammengeschlossen haben. Mittlerweile gibt es zahlreiche derartige Verbünde. Derzeit wird beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern ein solches Netz aufgebaut. Auch die Schlaganfall-Telemedizin existierte lange Jahre nur auf Basis von Sondervereinbarungen zwischen Krankenkassen und den regionalen Netzen. Das hat sich jetzt geändert. Denn seit 2011 ist sie offizieller Bestandteil des Abrechnungskatalogs für Krankenhäuser, des so genannten OPS-Katalogs. Kliniken, die diesen Service anbieten möchten, können dafür je nach Ausgestaltung 1.000 bis 2.200 Euro extra abrechnen. »Das ist eine realistische Größenordnung, mit der ein Krankenhaus hinkommen dürfte, wenn es etwa 300 Schlaganfallpatienten im Jahr versorgt und sich dabei telemedizinisch unterstützen lassen möchte«, so TEMPiS-Gründer Professor Heinrich Audebert, mittlerweile Charité Berlin.
»Die SchlaganfallTelemedizin ist seit 2011 Bestandteil des OPSKatalogs für Krankenhäuser.«
Richtige Auswahl entscheidet Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass es beim Einsatz von Telemedizin bei Patienten mit Herzschwäche entscheidend auf die Auswahl der Patienten ankommt. Über die gesamte Gruppe hinweg gab es nämlich keinen Unterschied zwischen der telemedizinischen Betreuung und der normalen Betreuung. Patienten allerdings, die schon einmal wegen ihrer Herzschwäche im Krankenhaus waren und bei denen die Herzschwäche nur mittelgradig ausgeprägt ist, profitieren deutlich: Sie werden weniger häufig ins Krankenhaus eingewiesen und sterben seltener an HerzKreislauf-Erkrankungen. »Die Krankenkassen sollten
Philipp Grätzel von Grätz ist freier Journalist und Autor mit Schwerpunkt Gesundheitswesen.
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Therapie mittels Information Europäische Healthcare-Firmen sollten die Einführung internetbasierter Disease Management Programme vorantreiben
Alexander Schachinger / Redaktion
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u Gesundheitsthemen recherchieren im Netz 80 Prozent aller deutschen Internet-User Auf Gesundheitsportalen und in Foren informieren sich die so genannten »E-Patienten«, sie tauschen sich aus, helfen sich gegenseitig und lernen sehr personalisiert von Patienten, die über Jahre Erfahrung innerhalb einer bestimmten chronischen Erkrankung gesammelt haben. Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass der Austausch unter »patients like me«, zu deutsch: unter Patienten mit der gleichen Erkrankung, eine Informationsquelle im Leben mit der Erkrankung darstellt, welche von den E-Patienten als hilfreicher wahrgenommen wird als die durchschnittliche Gesprächszeit beim Arzt pro Quartal. Darüber hinaus entstehen im nord- und westeuropäischen Raum sowie in Nordamerika erste Ansätze, die freie, digitale Internetwelt mit den Strukturen des Gesundheitssystems und ihrer Leistungserbringer zu verbinden. Die onkologische Schwerpunktklinik St. Margaret in Toronto etwa bietet ihren zukünftigen, aktuellen und nachbehandelnden Patienten internetbasierte Be-
gleitprogramme in Form von Video-Chats, Terminplanung, videobasierte E-Learning- und ComplianceProgramme, welche die Compliance, die Heilungsrate und die Patientenzufriedenheit deutlich verbessern. Donald Kemper prägte in Zusammenarbeit mit Healthcare Think Tanks in den USA vor zirka zwei Jahren den Begriff »Information Therapy«. Der Ansatz besteht darin, dem Patienten im Rahmen seiner Behandlung oder seines Disease Management Programmes, die auf ihn zugeschnittenen und basierend auf seinem Vorwissen abgestimmten Informationen und Inhalte internetbasiert zukommen zu lassen. Dies kann eine zeitlich auf den Behandlungspfad abgestimmte E-Mail, ein PDF, eine Animation oder ein E-Learning Video sein. Im Laufe der Diagnose, Therapie und Rehabilitation durchläuft ein Patient sehr unterschiedliche Phasen, in denen sein Informationsbedarf sich grundsätzlich ändert. Der Umgang und das Leben mit einer bestimmten Erkrankung, die Medikamenteneinnahme, die Anwendung von medizintechnischen Mess- oder Applikationhilfen bedürfen auf die kognitive sowie soziale Lebenssituation des Patienten abgestimmte Inhalte und
Darstellungsformen (Text, Video, Feedbackkanäle). Ein Austausch unter »patients like me« hilft dabei wesentlich. Im deutschsprachigen Raum werden solche Innovationen immerhin schon auf Entscheiderebene der Leistungserbringer wahrgenommen und thematisiert. Zu ersten Piloten und Umsetzungsszenarien ist es aufgrund der heterogenen Partialinteressen und verkrusteten Machtund Regulierungsstrukturen ein leider noch langer Weg. Clayton Christensen, Autor des Buchs »The Innovators Prescription – A Disruptive Solution for Healthcare«, vermutet daher, dass diese Innovationen nicht aus dem eigentlichen Gesundheitssystem sich entwickeln, sondern aus der Privatwirtschaft sich Stück für Stück in das System integrieren werden. Die Kooperation mit Siemens Healthcare und der patientenzentrierten Gesundheitsakte von Microsoft, sowie die Aussage der Telekom sowie Vodafone, dass Healthcare das mobile Wachstumsfeld Nummer Eins darstellt, mögen erste Zeichen für diese Entwicklung sein. Alexander Schachinger ist Gründer von healthcare42.com. Er ist aktiv als Forscher und Berater zu Health 2.0 für Leistungserbringer auf EU-Ebene.
Mehr Integrierte Versorgung Hand in Hand erfüllen Mediziner und Therapeuten individuelle Patientenbedürfnisse
Dr. Ulrike Schupp / Redaktion
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atienten, die wir in die Integrierte Versorgung (IV) aufnehmen, werden zu »Privatpatienten«, verspricht das Gefäßzentrum Regensburg. Bei Projekten der Integrierten Versorgung kooperieren verschiedene Sektoren wie beispielsweise Ärzte, Krankenhäuser oder Physiotherapeuten. Die Krankenkassen schließen hierfür mit den Leistungserbringern entsprechende Verträge. In der Praxis sieht das dann so aus: Patientin Regina K. geht mit ihrem Venenproblem erstmal zum Hausarzt. Der Befund wird später in die Therapieplanung mit einbezogen. Stressige Doppel- oder Mehrfachuntersuchungen entfallen. Frau K. wird vom ersten Kontakt an bis zur Entlassung aus der Nachsorge ausschließlich von einem der Chefärzte des Gefäßzentrums behandelt. Sollte ein Eingriff erforderlich sein, übernimmt so weit möglich wieder der Hausarzt die Voruntersuchungen. Für die Patientin verkürzen sich dadurch die Wartezeiten vor der OP im Krankenhaus. Und auch die Übergänge von ambulanter, stationärer oder rehabilitativer Versorgung lassen sich ihren Bedürfnissen entsprechend gestalten. Für die stationäre Versorgung ist das Kreiskrankenhaus
Wörth zuständig. Die Nachsorge in der Gefäßsportgruppe übernimmt ein weiteres qualifiziertes Team. Alle Sektoren haben Zugriff auf die in der Regel elektronisch verfügbare Krankengeschichte. Projekte wie diese gibt es inzwischen viele. Eingeführt wurde die Integrierte Versorgung schließlich schon im Jahr 2000. Über 6.400 Verträge und ein Umsatzvolumen von 800 Millionen Euro erreichte sie im Jahr 2008. Danach ging es mit dem Auslaufen der Anschubfinanzierung für das neue Versorgungsmodell erstmal bergab. Einer Studie des Competence Centers E-Commerce der FU Berlin zufolge ist jedoch die Mehrheit der Krankenkassen davon überzeugt, dass die Bedeutung der IV weiter wächst. Bei der Befragung unter Leitung von Professor Dr. Martin Gersch antworteten 17 gesetzliche Krankenversicherungen sowie drei BKK-Landesverbände, die zusammen knapp 50 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten repräsentieren. Bereits für 2011 und 2012
planen die Kassen einen Ausbau der Budgets für die Integrationsversorgung. Bewährt hat sich die IV bislang vor allem bei der Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf, Fettleibigkeit, Depressionen oder Bandscheibenerkrankungen. Sie gilt als patientenfreundlich und ist gleichzeitig kostensparend. Krankenkassen gewähren für die Teilnahme an den Programmen oft sogar Boni, erlassen ihren Versicherten beispielsweise die Praxisgebühr. Doch auch der Blick ins Ausland lohnt sich. In den USA wurden 2006 zwei Drittel aller Amerikaner und 90 Prozent der Berufstätigen in Management Care Organizations über Versorgungsnetze betreut. Als besonders effizient erwiesen sich dann zusätzliche Gesundheitscoachings, die Patienten stärker einbeziehen. Durch sie konnten Kosten weiter reduziert und die stationäre Einweisungsrate bei einigen Chroniker-Gruppen deutlich gesenkt werden. Ein Trend, den hierzulande beispielsweise die KKH Allianz aufgreift. Das Coaching umfasst persönliche Beratung und Information, Entscheidungsfindung und Monitoring. Ziel ist der mündige Patient, der oft Einiges dazu beitragen kann, den Krankheitsverlauf zu verbessern. Dr. Ulrike Schupp ist freie Medizin-Journalistin.
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Medizin von Morgen
— Unternehmensbeitrag Janssen-Cilag GmbH —
Forschen für Medizin und mehr Neue Versorgungskonzepte und Partnerschaften gefragt
Nervenzellen in Aktion. Auch bei einer möglichst optimalen Versorgung kommt es auf das Zusammenspiel der verschiedenen Beteiligten an.
Kris Sterkens, Vorsitzender der Geschäftsführung, Janssen-Cilag GmbH
»Medizin von morgen« verlangt nach Veränderungen. Auch wir als forschendes Pharmaunternehmen müssen und wollen umdenken. Keine Frage, es besteht noch genug Handlungsbedarf bei Medikamenten. Dank des medizinischen Fortschritts haben sich die Behandlungsmöglichkeiten von lebensbedrohlichen Krankheiten wie z.B. Krebs und HIV/AIDS erheblich verbessert; Schmerzen können individueller gelindert werden als noch vor zehn Jahren und Menschen mit Epilepsie trauen sich eher, am »normalen« Leben teilzunehmen, weil sie weitgehend frei von Anfällen sind – um nur einige Beispiele zu nennen. Aber immer noch gibt es nicht für alle bekannten Krankheiten Therapien und optimale Versorgungsprozesse. Forschung ist in beiden Bereichen gefragt. Eine Forschung, deren Ergebnisse nachvollzieh- und nachprüfbar sind. Gerade bei den chronischen Erkrankungen beschränkt sich der Bedarf nicht auf die klassische Forschung zur Entdeckung und Entwicklung neuer Medikamente. Uns ist heute klar, dass nicht jeder Patient gleichermaßen von Behandlungsansätzen profitiert. Daher geht es auch um Versorgungsforschung, d.h. darum zu erforschen, welche speziellen Versorgungselemente – seien es Medikamente, seien es nichtmedikamentöse oder begleitende Maßnah-
men – bei bestimmten Patientengruppen besondere Effekte erzielen. Ziel ist es, auf die sogenannte »personalisierte Medizin« hinzuarbeiten. Ein zweiter Aspekt der Versorgungsforschung ist der Versor gungsprozess. Hier geht es um die Frage, wie der Patient am besten durch das Versorgungssystem begleitet werden kann. Das richtige Medikament und die maßgeschneiderte Behandlung für den richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt – so lässt sich die personalisierte Medizin kurz umschreiben. Ärzte und weitere an der Gesundheitsversorgung Beteiligte gehen präzise auf die spezifischen Bedürfnisse einzelner Patienten ein. Janssen forscht beispielsweise an einer Möglichkeit, Patienten mit einem bestimmten Typ von Hepatitis C, einer schwerwiegenden Lebererkrankung, zu behandeln, die auf bisherige Therapien schlecht ansprechen. Einer passgenauen Behandlung geht im Idealfall eine passgenaue Diagnose voraus. Moderne Methoden ermöglichen bereits die Bestimmung und Kontrolle der Viruslast und des Virus-Genotyps von HIV und Hepatitis C. Ein weiteres Beispiel sind neue Bluttests, um einzelne Krebszellen unter Milliarden Zellen besser identifizieren und betroffene Patienten entsprechend behandeln zu können. Der Erfolg eines Medikaments hängt nicht nur von der richtigen Diagnose und dem zielgerichteten Einsatz ab, sondern auch von der medizinischen Betreuung insgesamt. Diese ist bei uns derzeit sehr arbeitsteilig geregelt, das heißt, es sind – je nach Erkrankung – verschiedene Berufsgruppen beteiligt, zum Beispiel Krankenhausärzte, Pflegepersonal, niedergelassene Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten, Soziotherapeuten etc. Bei komplexen Erkrankungen macht es Sinn, Patienten zu helfen, durch ihre Behandlung zu »navigieren«, ihnen eine Art »Lotsensystem« an die Seite zu stellen. Dadurch können beispielsweise doppelte Untersuchungen, (unnötige) kritische Wartezeiten bei der Weiterbehandlung nach einem Kranken
hausaufenthalt und Therapieabbrüche vermieden werden. Von einer individuell erstellten Diagnose, einer passgenau ausgerichteten Therapie und dann auch einer personalisierten Nachsorge haben alle Beteiligten etwas: Der Patient profitiert von einer für ihn optimalen Behandlung, der Behandelnde hat sehr gute Chancen, dass sein Tun erfolgreich ist und die Krankenkassen können Millionenbeträge einsparen beziehungsweise besser investieren. Janssen engagiert sich schon seit vielen Jahren für Versorgungsforschung und innovative Versorgungskonzepte für die Behandlung psychiatrischer und anderer Erkrankungen, die über den Einsatz von Medikamenten hinausgehen. Das ist ein wichtiger Baustein, um unsere Unternehmensphilosophie »Zukunftsarbeit« umzusetzen. Seit letztem Jahr gehen wir dabei einen ganz neuen Weg: Mit dem Institut für Innovation und Integration im Gesundheitswesen (I3G; www.i3g-gmbh. de) GmbH haben wir ein unabhängiges Tochterunternehmen gegründet, das sich ausschließlich mit Integrierter Versorgung und Versorgungsforschung beschäftigt. Aktuell setzt es gemeinsam mit der AOK Niedersachsen und der medizinischen Gesellschaft Care4S die Integrierte Ver-
Seit 1994 gibt Janssen die Delphi-Studienreihe zur Zukunft des Gesundheitswesens heraus und stellt die Ergebnisse zur Diskussion, z.B. anlässlich des Zukunftskongresses.
sorgung Schizophrenie in Niedersachsen um. Ziel ist eine möglichst wohnortnahe Behandlung und Begleitung der Patienten und ihrer Angehörigen nach den wissenschaftlichen Leitlinien der Fachgesellschaften und der Welt-GesundheitsOrganisation (WHO). Sie baut auf zum Teil bereits vorhandene Vernetzungen zwischen Ärzten, Fachpflegern und anderen Beteiligten auf. Gemeinsam mit allen Mitgliedern des Behandlungsteams, v.a. aber in Absprache mit dem Patienten, erfolgt die Festlegung des individuellen Behandlungsplans. Im Notfall stehen dem Patienten oder den Angehörigen rund um die Uhr Ansprechpartner zu Verfügung. Der Arzt behält in der Integrierten Versorgung die volle Therapiefreiheit für die Behandlung seiner Patienten. Die AOK Niedersachsen hat sich nach öffentlicher Ausschreibung für die I3G GmbH als Vertragspartner mit dem überzeugendsten medizinischen und wirtschaftlichen Konzept entschieden. Die I3G trägt die Gesamtverantwortung für den Aufbau und die Umsetzung der Integrierten Versorgung Schizophrenie inklusive der Budgetverantwortung. Der Erfolg wird anhand von Qualitätsindikatoren – wie zum Beispiel der Krankheitsschwere oder der Häufigkeit von Rückfällen – beurteilt, die unabhängige Experten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes entwickelt haben. Die europaweit ausgeschriebene unabhängige wissenschaftliche Evaluation startet in diesem Jahr. Qualitätsberichte der Integrierten Versorgung Schizophrenie erscheinen jährlich. Neue Ansätze wie die der personalisierten Medizin und die Integrierte Versorgung sind möglich, wenn wir uns vom Selbstverständnis her vom forschenden Pharmaunternehmen zum forschenden Gesundheitsunternehmen entwickeln – und hierfür die adäquaten Rahmenbedingungen bestehen.
www.janssen-cilag.de
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Der Kampf gegen die Alterskrankheiten Sechs neue Zentren sollen an besseren Diagnosen und Therapien zur Erforschung der Volkskrankheiten arbeiten
Angelika Friedl / Redaktion
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ie jungen Alten machen es vor: Wer Sport treibt und sich vernünftig ernährt, hat beste Aussichten, auch mit 65 und 70 Jahren noch einige gesunde Jahre vor sich zu haben. Doch ab 80 ist Altern nichts mehr für Feiglinge. Dann nimmt das Krankheitsrisiko extrem zu, wie eine im vergangenen Jahr im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichte Untersuchung nachweist. In einigen Jahrzehnten werden in Deutschland zehn Millionen Menschen leben, die älter als 80 Jahre alt sind. Für 2050 rechnen Wissenschaftler mit wahrscheinlich 2,2 Millionen Demenzkranken, zurzeit sind es noch knapp über eine Million. Die Anzahl der Herzinfarkte steigt dann um 75 Prozent, die der Schlaganfälle um 62 Prozent, schätzt das Fritz-Beske-Institut für Gesundheits-SystemForschung in Kiel. Auch andere typische Alterskrankheiten wie hochgradige Sehbehinderungen, Makuladegeneration, Schwerhörigkeit, Arthrose und Osteoporose werden dann viel weiter verbreitet sein als heutzutage. Je älter ein Mensch wird, desto schwerer krank ist er in der Regel. Die Erforschung der Volkskrankheiten hat daher oberste Priorität. Sechs neue Zentren sollen an besseren Diagnosen und Therapien arbeiten. Zwei existieren bereits – das Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen und das Zentrum für Diabetesforschung. Folgen sollen noch Zentren für Krebs-, Infektions-, Lungen- sowie für Herz-Kreislauferkrankungen. Die Idee: die Fachkompetenz der besten Wissenschaftler bündeln. So sind zum Beispiel am Zentrum für Diabetesforschung in München fünf Partner beteiligt: das Helmholtz Zentrum München, das Deutsche Diabeteszentrum Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke, die Universität Tübingen und das Universitätsklinikum Dresden. Gerade das Beispiel der Zuckerkrankheit zeigt die Dimensionen der finanziellen Lasten, die das Gesundheitssystems in Zukunft stemmen soll. Während vor 50
Jahren knapp eine Million Menschen erkrankt waren, sind es heute fast achtmal so viele. Fehlende Bewegung und veränderte Ernährungsgewohnheiten trugen zu dem dramatischen Anstieg bei. Und aktuelle Prognosen der International Diabetes Federation stimmen noch pessimistischer. In den kommenden Jahren wird die Zahl der Diabetes-Kranken wohl noch schneller wachsen als bisher. Schon in zehn Jahren werden die Kassen über neun Milliarden Euro für die Behandlung zahlen müssen, das ergab eine Hochrechnung des Institutes für MedizinÖkonomie und Medizinische Versorgungsforschung an der Rheinischen Fachhochschule Köln. Das sind 3,3 Milliarden Euro mehr als heute. Kein Wunder, dass angesichts der drohenden Kostenexplosion mit Hochdruck geforscht wird. Ein Hoffnungsträger sind zum Beispiel sogenannte Glukose-abhängige Transporter, die in naher Zukunft den Kranken helfen sollen. Mit ihnen gewinnt der Körper Zucker aus dem Urin zurück. Werden sie blockiert, könnte man Glukose verstärkt über den Urin abführen und den Blutzuckerspiegel dadurch senken. In der Alzheimer-Forschung mühen sich weltweit 25.000 Wissenschaftler, die Ursachen des rätselhaften Leidens zu entschlüsseln. Im Vergleich zu Krebs, Aids oder Herz-Kreislauferkrankungen stehen sie aber noch ziemlich am Anfang. Fast täglich werden jedoch Meldungen verbreitet, die Hoffnungen schüren. So entdeckten Wissenschaftler vom Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen kürzlich, dass ein Diabetes-Medikament vielleicht Alzheimer stoppen könnte. Zumindest in den Nervenzellen von Mäusen. Denn das Medikament Metformin schützt das Zellstrukturprotein Tau vor der Zerstörung. Unklar ist noch, ob die Amyloid-Plaques, die Eiweißablagerungen im Gehirn, die Ursache oder die Folgen der Krankheit sind. Vielleicht sind die Wucherungen in der grauen Hirnsubstanz aber nur das Ergebnis einer überschießenden Immunreaktion. Eine andere Theorie bringt die Umwelt als möglichen Verursacher mit in das Spiel. Danach nimmt der Mensch bestimmte Stoffe aus der Umwelt auf, die letztlich im Gehirn die Bildung der Plaques beschleunigen.
»In der AlzheimerForschung mühen sich weltweit 25.000 Wissenschaftler, die Ursachen zu entschlüsseln.«
Viele Forscher hoffen, eines Tages Stammzellen einsetzen zu können, die Gehirnzellen retten beziehungsweise neue Zellen produzieren sollen. Steigende Krankheitskosten In der Krebsforschung heißt die Zukunft: maßgeschneiderte Therapie. Sie setzt an den Veränderungen in den Krebszellen an, die für die Entstehung eines Krebes verantwortlich sind. Die Therapie soll für einen einzelnen Patienten individuell zusammengestellt werden, so dass sie speziell bei ihm wirkt. Andere Wissenschaftler forschen dagegen nach Möglichkeiten, wie sich der Körper selbst vor Tumoren schützen kann. Denn wild wuchernde Krebszellen verhindern die natürliche Immunreaktion, die sonst quasi automatisch abläuft. Strittig ist, ob ältere Menschen häufiger als jüngere an Depressionen erkranken. Dagegen ist die Anfälligkeit für Suizide bei ihnen deutlich höher als im Mittel aller Altersgruppen. Das ergab die Untersuchung »Gesundheit und Krankheit im Alter« des Statistischen Bundesamtes, des Robert-Koch-Institutes und des Deutschen Zentrums für Altersfragen. Psychische Störungen wie Depressionen, Suchterkrankungen oder Schizophrenie seien leider nicht im Fokus von Politik und Öffentlichkeit, kritisierte Andreas Meyer-Lindenberg, der Direktor des Zentralinstitutes für Seelische Gesundheit in Mannheim, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie verursachen aber 44 Prozent der Krankheitskosten, also fast so viel wie alle körperlichen Erkrankungen zusammen genommen. Meyer-Lindenberg fordert daher für sein Fachgebiet ebenfalls ein zentrales Institut, ein Deutsches Zentrum für psychische Störungen. Wie die ständig steigenden Krankheitskosten bezahlt werden sollen, steht jedoch nach wie vor in den Sternen. Das umlagenfinanzierte System der gesetzlichen Krankenkassen stößt an seine Grenzen. An Kassandrarufen, die den Kollaps des derzeitigen Gesundheitssystem voraussagen, fehlt es nicht. Schlagwörter wie Rationalisierung und Zwei-Klassen-Medizin machen vielen Menschen Angst. Es sei daher wichtig, die Probleme des Gesundheitswesen offen zu diskutieren, sagt der Deutsche Ethikrat und stellt klar: »Jede Form einer verdeckten Rationierung medizinischer Leistungen ist abzulehnen«. Angelika Friedl ist freie Journalistin.
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Medizin von Morgen
Akten auf der Überholspur Krankenhäuser, Krankenkassen und sogar Reisemediziner entdecken elektronische Akten
Philipp Grätzel von Grätz / Redaktion
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s hätte so schön sein können: Alle Krankenversicherten in Deutschland werden mit Smartcards ausgestattet. Diese elektronischen Signaturkarten verschaffen Zugang zu wichtigen Patientendaten in elektronischen Patientenakten. Das war die noch von SPDGesundheitsministerin Ulla Schmidt geprägte Vision der elektronischen Gesundheitskarte. Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat Ulla Schmidts Vision entrümpelt. Zum Jahreswechsel ließ er eine Rechtsverordnung fertigstellen, die die Krankenkassen für 2011 zur Ausgabe von Karten an zehn Prozent ihrer Versicherten zwingen will. Doch diese neuen Karten à la Rösler sind reine Verwaltungsinstrumente. Von elektronischen Akten oder elektronischen Rezepten spricht niemand mehr. In anderen Ländern ist das anders: Die Niederlande, die skandinavischen Länder und seit wenigen Wochen auch Frankreich haben landesweit elektronische Patientenak-
ten eingeführt. Österreich und die Schweiz sind dabei. Auch in Deutschland gibt es zunehmend elektronische Akten. Doch sie sind weitgehend losgelöst von den Aktivitäten der Bundesregierung. Treiber sind Krankenkassen, Krankenhäuser und ambulante Versorgungsnetze. Beispiel Uniklinikum Aachen: Das in Sachen IT-Vernetzung ausgesprochen fortschrittliche Klinikum bietet seit einiger Zeit elektronische Patientenakten, so genannte Fallakten, an. »Niedergelassene Ärzte in der Region können dort direkt auf Befunde ihrer Patienten im Klinikarchiv zugreifen«, betont IT-Leiter Volker Lowitsch. Beispiel Bottrop: Im dortigen Versorgungsnetz der Knappschaft gibt es ebenfalls eine elektronische Akte für derzeit 10.000 Patienten, bei der sich die Patienten sogar mit einer Chipkarte ausweisen. »Wir wollen mit der elektronischen Akte in unseren Versorgungsnetzen die Zusammenarbeit weiter vertiefen«, sagt Projektleiter Christian Bauer von der Knappschaft. Aber: Auch hier handelt es sich derzeit um ein rein regionales Projekt – mit Versicherten nur einer einzigen Krankenkasse. Ihre Position noch finden hingegen müssen die mittlerweile zahlreichen
elektronischen Gesundheitsakten. Anders als bei den von Ärzten kontrollierten Patientenakten sind Gesundheitsakten von Patienten kontrollierte »Internettresore« für persönliche Daten. Für Krankenkassen kann das reizvoll sein: Die Versicherten können Daten einstellen, die die Kassen natürlich nicht einsehen können. Die Kassen erhalten dafür aber einen Kommunikationskanal zum Versicherten. Auf breiter Front durchgesetzt haben sich diese Lösungen bisher aber nicht: Die Nutzerzahl dürfte deutschlandweit im unteren sechsstelligen Bereich liegen. Ein neuer Anbieter im Bereich Gesundheitsakten ist das Centrum für Reisemedizin Düsseldorf, das gemeinsam mit dem Thieme-Verlag eine Gesundheitsakte mit angeschlossener Notfallkarte aus Papier speziell für Reisende anbietet. Dazu kommt noch eine Mobilfunkapplikation, die zwanzig Sprachen beherrscht. Angestrebt werden über 50.000 Kunden im ersten Jahr. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit Gesundheitsakten erscheint das ehrgeizig. Philipp Grätzel von Grätz ist freier Journalist und Autor mit Schwerpunkt Gesundheitswesen.
— Unternehmensbeitrag Deutsche Telekom AG —
AAL: Individuelle Versorgung statt Technik von der Stange Im Bereich Ambient Assisted Living bieten sich für einen Telekommunikationskonzern interessante Perspektiven und vielfältige Möglichkeiten für Geschäftsmodelle
Auf dem Touchpanel lassen sich individuell vereinbarte Dienst- und Serviceleistungen darstellen.
Der demographische Wandel wird unsere Gesellschaft fundamental verändern. Besonders augenscheinlich ist das bei der medizinisch-pflegerischen Versorgung, wo Alten- und Pflegeheime den wachsenden Versorgungsbedarf älterer Menschen auf Dauer nicht komplett abdecken können. Der Ausweg ist naheliegend: Mehr ältere Menschen sollten länger in ihren eigenen vier Wänden, ihrem sozialen Umfeld bleiben. Informations- und Kommunikationstechnik kann dazu beitragen: IKT schafft die technischen Voraussetzungen für innovative Notrufsysteme und für
häusliche Betreuung. IKT hat aber vor allem eine soziale Komponente: Sie unterstützt die Kommunikation mit Angehörigen und kann alltagsunterstützende Dienstleistungen »barrierefrei« zur Verfügung stellen. Ambient Assisted Living oder AAL, wie dies Konglomerat aus ITK-gestützten (Alters-)Dienstleistungen heute meist genannt wird, ist ein Sektor, in dem Akteure nur gemeinsam agieren können. Die Deutsche Telekom kann für eine sichere, leistungsfähige Infrastruktur und für nutzerfreundliche Endgeräte sorgen, und sie kann Serviceplattformen bereit stellen, über die Partner – ähnlich wie in einem AppStore – AAL-Dienste anbieten. Damit wird deutlich, dass AAL ein Wachstumsmarkt mit vieldimensionalen Geschäftsmodellen ist, bei dem Endkunden, Krankenkassen, Wohnungswirtschaft oder Sozialdienste mögliche und unter Umständen gleichberechtigte Kunden sein können. Technisch sind AAL-Szenarien kein Hexenwerk. Was geht, zeigt die Deutsche Telekom in zahlreichen AAL-Projekten, nicht zuletzt in ihrer T-City in Friedrichshafen. Schon realisiert wurde beispielsweise
das innovative Notrufsystem derBUTLER®. Im Gegensatz zu anderen Systemen ist es nicht an die Wohnung gebunden und steht für zusätzliche Services wie einen Medikamenten-Recall zur Verfügung. Neu ist das gemeinsam mit der Fränkel AG umgesetzte T-City-Projekt »Selbstbestimmtes Leben«, bei dem 19 Wohnungen mit Touchscreen-Terminals ausgestattet wurden. Die Terminals stellen beispielhaft AAL-relevante Services zur Verfügung, darunter Essen auf Rädern, einen Kanal für die Bildkommunikation sowie einen Arzneimittel- und Hausmeister-Service. Ergänzt werden könnte das durch pflegerische und telemedizinische Dienstleistungen. So könnten stark gebrechliche Personen von einem Sensorumfeld profitieren, das Stürze registriert, wie die Deutsche Telekom es mit der Stiftung Liebenau umgesetzt hat. Oder die Infrastruktur wird für die Übertragung von Vitaldaten in Telemedizinszenarien genutzt. Die Technik ersetzt bei all diesen Beispielen nicht den Menschen, sondern hält ihn in seinem sozialen Netz. Die Beispiele machen auch deutlich, dass nicht jeder alle
AAL-Angebote benötigen wird. AAL ist nicht Technik von der Stange, sondern individuell zugeschnittene Versorgung mit Diensten, die das tägliche Leben erleichtern. Die Deutsche Telekom mit ihren Netzen und ihrer Erfahrung im Betrieb von sicheren Infrastrukturen und Datenbanken ist hier ein natürlicher Partner für private Kunden, für die Wohnungswirtschaft und für den professionellen medizinisch-pflegerischen Komplex.
www.telekom.com
Dr. Axel Wehmeier, Leiter Konzerngeschäftsfeld Gesundheit Deutsche Telekom
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Innovationen in der Medizintechnik Das Zeitalter der großen Erfindungen ist noch lange nicht vorbei. In der Medizintechnik werden regelmäßig bahnbrechende Neuheiten entwickelt. Wir stellen einige von ihnen vor
V i b r ationsth e r a pi e
V e r b e ss e r t e künstli c h e L u ng e
Der Heimtrainer »Galileo« soll nicht nur in der Internationalen Raumstation ISS die Übungen der Astronauten auf dem Laufband ersetzen. Während bisher Astronauten im All bis zu drei Stunden am Tag auf dem Laufband oder auf dem Ergometer trainierten, kann das Vibrationstraining innerhalb von vier Minuten so viele Muskelzyklen wie bei einem 10.000-Meter-Lauf erzeugen. Mit diesem Vorbild entwickelte Professor Eckhard Schönau, Ärztlicher Leiter der Kinderrehabilitation an der Uniklinik Köln, mit seinem Team ein Rehabilitationskonzept für Kinder und Jugendliche, die nicht selbstständig stehen und gehen können. Bei jungen Patienten mit spastischen oder neuronal bedingten Bewegungsstörungen, Glasknochenkrankheit und offenem Rücken (Spina bifida) kam es zu deutlichen Verbesserungen der motorischen Funktionen beim Sitzen, Stehen und Gehen. Auch bei Muskel- und Knochenmasse konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden. Durch die Vibrationen können Muskeln stimuliert und aufgebaut werden. Etliche Krankenkassen bieten inzwischen ihren Versicherten das Kölner Reha-Konzept »Auf die Beine« an. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen auch in die Behandlung von Patienten mit Osteoporose und Querschnittslähmung einfließen. www.medizin.uni-koeln.de
Die erste künstliche Lunge wurde 1972 eingesetzt. Das alte System, das mit der so genannten »Extra-corporalen Membran-Oxygenation« arbeitete, hatte den Nachteil, dass es Blutschädigung und Thromboseneigung verursachen konnte. Ein Maschinenbauer der RWTH Aachen hat nun eine effektive und schonende Ersatzlunge entwickelt. Der miniaturisierte »Oxygenator« von Giorgio Cattaneo garantiert einen verbesserten Gasaustausch, ohne das Risiko von Blutschädigung und Thrombosen zu erhöhen. Der Vorteil von Cattaneos Erfindung geht auf zwei Effekte zurück. Erstens werde durch das Membranfaserbündel das Blut gefördert, beschreibt Cattaneo den Vorteil seiner Erfindung. »Zweitens führt die Rotation zu einem vermehrten Blut-Faser-Kontakt. Es findet ein erhöhter Gasaustausch statt.« Auf eine zweite Pumpe könne verzichtet werden, gleichzeitig verringere die geringere Blutkontaktoberfläche die Gefahr von Thrombose und Blutzellschädigung. Die Medizintechnikfirma Novalung lässt den Oxygenator nun im Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik zur Marktreife weiterentwickeln. www.hia.rwth-aachen.de
P r e isw e r t e M i c r o a r r ay s
I mpl a ntat z u r Bl u td r u c km e ss u ng
In der »personalisierten Medizin« wird die Behandlung auf jeden Patienten individuell zugeschnitten. Um die Vielzahl an Untersuchungen zu beschränken und dem Patienten nicht literweise Blut abnehmen zu müssen, kommen so genannte »Microarrays« zum Einsatz. Das sind vorgefertigte Platten mit Hunderten kleiner Vertiefungen, in denen sich bereits Chemikalien für die Untersuchung befinden. Die zu untersuchende Flüssigkeit sowie weitere Reagenzien werden dann automatisch hinzu gefüllt. Diese Tröpfchen haben ein Volumen von wenigen Milliardstel Litern, sie sind so groß wie Staubkörner und mit dem bloßen Auge gerade noch zu erkennen. Die Scienion AG vertreibt als einzige Firma der Welt die Technik, um diese Microarrays am Fließband zu produzieren. Erst mit der Massenproduktion wird das Verfahren bezahlbar und damit interessant für die medizinische Diagnostik. www.scienion.de
Ebenfalls Forscher der RWTH Aachen haben ein Blutdruckmesssystem entwickelt, das schonend implantiert, gut positioniert und fixiert werden kann. Bei Bluthochdruck ist oftmals eine Langzeitmessung des Blutdrucks zur Diagnostik und Therapieüberwachung unentbehrlich. Üblicherweise wird der Blutdruck über eine Gummimanschette am Oberarm gemessen. Nachteil: Die sich automatisch alle 15 Minuten aufblasende Blutdruckmanschette raubt den Patienten den Schlaf. Zudem ist das mit ihr verbundene Gerät kaum unter der Kleidung zu verbergen. Bei der alternativen, invasiven Methode wird eine Arterie punktiert und ein Katheter mit Drucksensor eingebracht. Hier besteht das Risiko einer Blutung aus der Gefäßwand, der Katheter stellt ein Infektionsrisiko dar. Das neue, implantierbare System besteht aus einem Sensortip-Katheter, der ins Blutgefäß implantiert wird, und einer damit verbundenen Transpondereinheit, die außerhalb des Gefäßes im subkutanen Fettgewebe positioniert wird. Alle Komponenten sind auf dem Katheter vormontiert. Die Vorrichtung ist zum Patent angemeldet und wird von PROvendis vermarktet. www.provendis.info
M a gn e tg e st e u e r t e s Endoskop
Z e llmol e kül u nd K ath e t e r
Statt der unangenehmen Magenspiegelung per Schlauch wird der Patient künftig auf das von Siemens Healthcare-Mitarbeiter Rainer Kuth entwickelte System zurückgreifen können. Er muss nur eine magnetisierte Kapsel schlucken. Die wird von variierenden Magnetfeldern angetrieben, die von außen per Joystick gesteuert werden können. Eine eingebaute HD-Kamera liefert Echtzeit-Bilder. Der Patient muss nur einen Tag lang fasten und vor der Behandlung so viel trinken, dass der Magen mit Wasser gefüllt ist. Kuth hatte vor seiner Erfindung an der Entwicklung der Magnetresonanztomographen (MRT) mitgearbeitet und ist Experte in der Anwendung von Magnetfeldern. Der von Siemens Healthcare und Olympus Medical Systems Corporation gemeinsam entwickelte Prototyp wurde im vergangenen Herbst an mehr als 50 Personen erfolgreich getestet. Sein Einsatzgebiet wird groß sein: Täglich werden in Europa rund 250.000 Patienten wegen Beschwerden im oberen Verdauungstrakt untersucht. www.siemens.com
Im November 2010 wurden auf der Medizintechnik-Messe MEDICA zwei Neuheiten der Universitätsmedizin Mainz präsentiert. Dr. Dirk Prawitt zeigte ein patentiertes Zellmolekül, das die Insulinzufuhr bei erhöhtem Blutzucker regelt. Damit lassen sich neue diagnostische und therapeutische Ansätze bei Diabetes erschließen. Das Zelloberflächenmolekül bewirke die angemessene Insulinausschüttung, so Dr. Prawitt. Ein Einsatz im klinischen Bereich erscheine vielversprechend. Univ.-Prof. Dr. Michael Tchirikov stellte einen neuartigen Katheter vor, mit dem sich das Risiko von Fehlgeburten minimieren lässt. Der so genannte Amnioinfusion Catheter von Prof. Tchirikov dient zur Behandlung eines vorzeitigen Blasensprungs vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche. Der Vorteil der neuen Methode gegenüber der bisher angewandten Behandlung ist eine ununterbrochene Amnioinfusion, wodurch sich die Verkleinerung der Lunge und damit der neonatale Tod des Kindes verhindern lässt. www.unimedizin-mainz.de
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Medizin von Morgen
— Unternehmensbeitrag MED-O-CARD AG —
Die völlig andere Gesundheitskarte High-Tech für das Wichtigste im Leben
Martin Lemmer, Vorstandsmitglied der Med-O-Card AG
Martin Lemmer ist Vorstandsmitglied der Med-O-Card AG. Mit einer neuen Gesundheitskarte will er dem Patienten helfen, Herr über seine medizinischen Daten zu werden – und damit Leben retten.
Sie werben mit der Med-O-Card als »die völlig andere Gesundheitskarte«. Welche Revolution wollen Sie anstoßen?
Med-O-Card ist ein Gesundheits- und Lifestyle-Dienst für die moderne Gesellschaft. Sie bietet bestehenden Arzt- und Krankenhausinformationssystemen eine kostenlose Schnittstelle zur Datensynchronisation an, funktioniert jedoch auch völlig eigenständig, wenn diese Kooperation nicht gewünscht wird. Die EPA (elektronische Patientenakte) ist dabei zwar das Zentrum für die Datenkommunikation, aber nur ein, wenngleich wichtiger, Bestandteil des Ganzen. Das Speichern von Diagnosen, Medikamenten, Arztbriefen oder Radiologiebildern ist bei Med-O-Card
Selbstverständlichkeit und hängt nicht von Genehmigungen oder Anschlüssen an unterschiedlichste Systeme ab. Diese Emanzipation des Patienten erlaubt dem Karteninhaber in einer völlig neuen Art und Weise, mit seinen eigenen Daten umzugehen. Den Patienten so in den Mittelpunkt zu stellen und ihm eigenständiges Handeln nicht nur zuzugestehen, sondern auch abzuverlangen, ist neu – nicht nur in Deutschland.
Das heißt, der Patient muss sie selbst bezahlen …
Was unterscheidet die Med-O-Card von der elektronischen Gesundheitskarte der Bundesregierung?
Und was genau ist der Club Medicus?
Die Med-O-Card kann alles, was die elektronische Gesundheitskarte kann. Sie speichert die Daten allerdings direkt auf der Karte und funktioniert auch ohne spezielle Kartenlesegeräte und schnelles Internet. Ob Blutgruppe, Impfpass, Organspendeausweis oder Patientenverfügung – der Patient hat immer und überall seine Daten parat, auch im Ausland. Das kann ihm im Extremfall das Leben retten. Wollen Sie die elektronische Gesundheitskarte also überflüssig machen?
Keineswegs. Wir möchten ihre limitierten Funktionen nur ergänzen. Der Patient kann wählen, welche Karte er bevorzugt.
Das ist die eine Möglichkeit. Aber wir sind gerade dabei, die Med-O-Card in das deutsche Gesundheitssystem zu integrieren. Technikbegeisterten können wir schon in wenigen Wochen ein spannendes Einstiegspaket anbieten, das wir zusammen mit dem Club Medicus geschnürt haben.
Ein moderner, Lifestyle-orientierter Gesundheitsclub, der von einer Vielzahl von sozialpolitischen Organisationen unterstützt wird. Der Club Medicus bietet die neusten Apple iPads mit speziellen Gesundheitsfunktionen, die von der Med-OCard und anderen Gesundheitsdiensten geliefert werden, an. Wer Mitglied wird, erhält die Med-O-Card als einen multifunktionellen Clubausweis. Er kann sich von seinen Ärzten alle Daten auf die Karte spielen lassen und bekommt zusätzlich die Praxisgebühr zurückerstattet.
sen. In den kommenden Wochen werden diese beginnen, ihren Patienten die MedO-Card ausgeben. Und auch in der medizinischen Forschung (z.B. AMNOG) ist die Karte im Testlauf. Patientenakten sind hochpersönlich. Wie steht es um die Sicherheit der Daten?
Die ist leichter zu gewährleisten als bei zentralen Serversystemen, wie sie die elektronische Gesundheitskarte vorsieht. Eine einzelne Med-O-Card kostet den Hacker genauso viel Zeit, wie ein Großrechner. Die Ausbeute ist allerdings nur ein Datensatz. Sicherer als in der eigenen Hosentasche sind Patientendaten wohl nirgends. Und was passiert, wenn die Karte verloren geht oder geklaut wird?
Gibt es schon Patienten, die die Med-OCard testen?
Dafür gibt es selbstverständlich sehr einfach durchzuführende Backups, auf dem eigenen Rechner oder bei einem Online-Dienst. Und selbst wenn ein Dieb das Passwort kennt: Durch ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem können neben dem Patienten selbst nur autorisierte medizinische Leistungserbringer die Daten auslesen.
Wir haben kürzlich die ersten größeren Tests in Krankenhäusern abgeschlos-
www.med-o-card.de
— Unternehmensbeitrag karl storz —
Harmonie im Operationssaal Operationssaal-Ressourcen zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Integrierter Operationssaal OR1™: Einbindung aller Peripherie-Geräte und Steuerung über einen zentralen Touch-Screen direkt aus dem Operationsfeld.
Moderne Medizintechnik soll anspruchsvolle Fragestellungen aus dem Alltag des Mediziners lösen. Dieser medizinische Alltag ist zunehmend durch höhere Komplexität und vielfältige Anforderungen seitens Arzt und Patient gekennzeichnet. Der Anspruch des Unternehmens KARL STORZ ist es, dem Arzt genau das Werkzeug an die Hand zu geben, das seine Arbeit erleichtert und den Patienten mehr Sicherheit gibt. Aus diesem Grund bietet KARL STORZ nicht nur Produkte für
22 humanmedizinische Fachdisziplinen – von Kopf bis Fuß – sondern vollständige Prozessketten an. Von der Diagnose bis zum Ressourcenmanagement, der Bewirtschaftung des Operationsinstrumentariums bis hin zur endoskopischen Ausstattung der Operationssäle. KARL STORZ ist somit nicht nur einer der führenden Endoskopiehersteller, sondern setzt mit dem Operationssaalkonzept OR1™ neue Standards bezüglich telemedizinischer Anwendungen und Prozessoptimierun gen rund um den Operationssaal. Was macht das Operationssaalkonzept OR1™ einzigartig? Ein wichtiger Punkt ist die Arbeitserleichterung des Personals aufgrund der intuitiven Gerätebedienung sowie die verkürzten Rüst- und Wechselzeiten durch vordefinierte Geräteeinstellungen. Zudem lassen sich sämtliche patientenbezogenen Text- und Bilddaten schnell, komfortabel und sicher generieren und speichern.
Ein anderer Punkt ist die Integration neuer Kommunikationstechnologien: Externe Fachleute können ihr Wissen auf einfache Weise einbringen, denn der Austausch technischer und chirurgischer Informationen kann in sekundenschnelle erfolgen und das direkt aus dem sterilen Bereich, z.B. aus dem Operationssaal direkt ins Chefarztzimmer. Auch außerhalb des Operationssaals kann diese Kommunikationstechnologie genutzt werden. So kann sich beispielsweise der Arzt vor einer komplexen Operation interdisziplinär mit seinen Kollegen austauschen und Ratschläge einholen und Studenten wird mit Live-Übertragungen chirurgischer Eingriffe direkt aus dem Operationssaal eine noch nicht dagewesene Möglichkeit des interaktiven Lernens gegeben. Zuletzt ist noch das effiziente Operationssaal-Management zu nennen, das auf einer erfolgreichen Harmonisierung aller Prozesse und integrierter Komponenten basiert. Das Software Modul KARL STORZ ORchestrion ermöglicht einen reibungslosen Informationsfluss zwischen dem Operationssaal und dem Krankenhausin-
formationssystem und hilft bei der Planung und Koordination aller relevanten Operationssaal-Ressourcen mit dem Ziel, bestmögliche Qualität für den Patienten zu gewährleisten und dabei eine optimale Operationssaal-Auslastung zu erreichen. Das hat auch die Studie »Das Einsparpotenzial innovativer Medizintechnik im Gesundheitswesen 2010« des Industrieverbandes SPECTARIS bestätigt. Die Lokalisierungs- und Prozesssteuerungslösung SLM, ein Modul des KARL STORZ ORchestrion wurde als eines der fünf besten Produktinnovationen 2010 ausgezeichnet. Der Einsatz dieser modernen Technologie ermöglicht Kosteneinsparungen für das deutsche Gesundheitssystem durch die Meidung von Leerzeiten und verbessert die Versorgungsqualität der Patienten, da sich der Arzt und das Personal ganz auf die medizinische Versorgung konzentrieren können.
www.karlstorz.com
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in|pact media Verlag
Reform der Beitragserhöhungen Die Gesundheitsreform setzt den Hebel vor allem bei den Versicherten an
Axel Novak / Redaktion
V
ielen Krankenkassen hätte 2011 die Insolvenz gedroht, ist sich Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler sicher. Die Gesundheitsreform der Regierung, die zu Jahresbeginn in Kraft getreten ist, habe dies verhindert. Zudem seien die Gesundheits kosten von den Lohnkosten abgekoppelt und das gesamte System besser ausgerichtet – ohne Leistungskürzungen. Tatsächlich geht es Deutschlands 156 unterschiedlichen Kassen zum Großteil wieder gut. Statt eines Milliarden schweren Defizits sprudeln die Beiträge, vor allem aufgrund der Konjunktur. Der Gesundheitsfonds, der rund 178,9 Milliarden Euro einsammelt und wieder an die Kassen ausschüttet, wird 2011 einen Überschuss von 2,7 Milliarden Euro erwirtschaften können. Für die Opposition sind solche Zahlen jedoch ein Beleg dafür, dass die ganze Reform in die falsche Richtung ging. »Wir haben von Anfang an den Verdacht geäußert, dass diese Beitragserhöhung nur beschlossen wurde, um
sicherzustellen, dass keine einzige zusätzliche Krankenkasse dieses Jahr Zusatzbeiträge erheben muss«, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Statt struktureller Änderungen habe die Regierung die Beitragszahler zur Kasse gebeten. Tatsächlich hat die Bundesregierung den Hebel vor allem beim Versicherten angesetzt. Neben dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) – es soll durch strukturelle Auflagen für die Pharmaindustrie pro Jahr rund zwei Milliarden Euro einsparen – führt das Finanzierungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherung vor allem zu höheren Beiträgen der Versicherten. So zahlen seit Jahresbeginn Arbeitnehmer 8,2 statt wie bisher 7,9 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens an die gesetzliche Krankenkasse. Der Anteil der Arbeitgeber wird bei nun 7,3 Prozent eingefroren. Insgesamt sechs Milliarden Euro Mehreinnahmen macht das aus. Zusatzbeiträge hingegen sind nicht verboten, sondern im Gegenteil nun in unbegrenzter Höhe möglich. Neben speziellen Gesundheitsleistungen sind sie vor allem ein Argument im Wettbewerb und verscheuchen die Mit-
glieder. So hat die DAK nach eigenen Angaben in einem Zeitraum von zwölf Monaten etwa sieben Prozent ihrer Mitglieder verloren, die KKH Allianz muss sogar einen Verlust von neun Prozent der Mitglieder hinnehmen. Die Barmer GEK dagegen erhebt keinen Zusatzbeitrag und konnte sich über 100.000 neue Mitglieder freuen. Die Techniker Krankenkasse gewann sogar 340.000 Kunden hinzu. Völlig ungeklärt ist aber die Pflegeversicherung. Zwar zahlen auch hier die Versicherten höhere Beiträge: 1,95 bis 2,2 Prozent ihres Einkommens. Doch schon in drei Jahren, schätzen Experten, wird die Pflegeversicherung in ein Defizit rutschen, weil immer weniger Beitragszahler für immer mehr Pflegebedürftige aufkommen müssen. Im Gesundheitsministerium denkt man daher über eine private Pflichtzusatzversicherung nach. Allerdings fehlen zunehmend die Fachkräfte in dieser Branche. Von etwa 50.000 Pflegekräften spricht der Deutsche Pflegerat. Für ihn ist das schon der Pflegenotstand. Axel Novak ist freier Journalist.
— Unternehmensbeitrag BKK Bundesverband —
Die Wahl der richtigen Krankenkasse Ohne Wettbewerb und Markt keine Qualität und attraktiven Angebot
Seit drei Jahren besteht in Deutschland die Krankenversicherungspflicht für alle. Die weit überwiegende Zahl der Arbeitnehmer ist pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und erhält für ihre Beiträge einen umfassenden Versicherungsschutz. Seit mittlerweile 15 Jahren können Versicherte ihre Krankenkasse frei wählen. Dies hat den Wettbewerb gefördert. Vergleiche über Printmedien oder Internetportale bieten eine Fülle von Informationen zum individuellen Service der Krankenkassen. Bonusleistungen, Wahltarife oder innovative medizinische Versorgungskonzepte bieten Versicherten differenzierte und attraktive Angebote. Seit Beginn des Kassenwettbewerbs konnten wir Betriebskrankenkassen unseren Marktanteil nahezu verdoppeln. Allerdings hat sich die Zahl der Krankenkassen erheblich reduziert – allein bei den BKK von 700 auf derzeit 121. Heute vertrauen 13 Millionen Versicherte
auf »ihre« BKK. Neben den 20 größten Unternehmen setzen auch viele kleinere und mittlere Betriebe auf die firmennahe Betriebskrankenkasse. Gesetzlich Krankenversicherte prüfen vermehrt den Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung (PKV). Die Möglichkeit des Wechsels betrifft vor allem gut verdienende freiwillig versicherte Mitglieder. Der Schritt in die PKV sollte allerdings gut überlegt sein. Vorteile der GKV werden – gerade bei der Werbung »guter Risiken« – oft vergessen. Unstrittig, die GKV hat für Familien unschlagbare Vorteile: Von der kostenfreien Mitversicherung der Kinder über diverse Vorsorgeuntersuchungen für die Kleinen bis hin zur Absicherung berufstätiger Eltern durch das Kinderkrankengeld. Bei den gesetzlichen Kassen gilt: Sofortiger Versicherungsschutz für den gesamten Leistungskatalog ab dem 1. Tag der Mitgliedschaft, private Kassen haben in der Regel eine dreimonatige Wartezeit.
Bereits 2002 sind die BKK mit dem Deutschen Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung gestartet. Dies ist für Unternehmen interessant, die ihren Fachkräften gesunde Arbeitsplätze bieten möchten. Denn Prävention zur richtigen Zeit erspart enorme Kosten. Studien zeigen, dass jeder eingesetzte Euro, der in die Gesunderhaltung der Mitarbeiter investiert wird, mindestens 2,30 Euro Ersparnis hervorbringt. Gerade Betriebskrankenkassen haben langjähriges know how, das betriebliche Gesundheitsmanagement zu fördern. Sie können so verlässliche Partner in Sachen Gesundheit für Betriebe und Versicherte sein.
waltungskosten und schlanken Strukturen. Wir Betriebskrankenkassen setzen auf Wettbewerb, denn wie in der Wirtschaft sichern auf dem Markt der Krankenversicherer kleine und mittlere Unternehmen Angebot und Vielfalt.
www.bkk.de
Mein Fazit: Betriebskrankenkassen sind eine attraktive Option. Sie sind durch ihre Überschaubarkeit und Flexibilität näher am Kunden und punkten gegenüber den »großen Tankern« mit günstigen Ver-
Heinz Kaltenbach, Geschäftsführer des BKK Bundesverbandes
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Medizin von Morgen
Weg von Papier und Bleistift Moderne IT-Logistik könnte in den Krankenhäusern Milliarden einsparen
Axel Novak / Redaktion
D
ie Beträge sind erklecklich: »Wir verlieren im Gesundheitswesen jährlich halb so viel Geld, wie die UBS mit schlechten US-Hypotheken – einmalig – in den Sand gesetzt hat«, stellte Dr. Leo Boos, der ehemalige Direktor des Schweizer Spitals Limmattal in der NZZ kürzlich nüchtern fest. Hochgerechnet auf Europa könnten einige Milliarden Euro im Gesundheitswesen eingespart werden. In der Bundesrepublik zum Beispiel sieht Martin Fuchs, Geschäftsführer des IT Dienstleisters InterComponentWare Deutschland AG & Co. KG, bis zu 1,5 Milliarden Euro Einsparpotenzial, wenn allein die Kliniken modernere IT-Lösungen einsetzen würden. Auch veraltete logistische Strukturen führen häufig zu hohen Kosten. So kümmern sich die Mitarbeiter von Klinikapotheken zu 35 Prozent um die Logistik – viel zu viel, stellte Holger Hennig, Präsident Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. im vergangenen Jahr fest.
Einige Krankenhäuser machen es anders. Die Klinik Logistik Eppendorf GmbH (KLE), eine 100-prozentige Tochter des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zum Beispiel. Sie versorgt rund 70.000 stationäre und 260.000 ambulante Patienten und führt dafür 13.200 verschiedene Medizinprodukte im Bestand. Nun hat KLE die Beschaffungsprozesse und Materialflüsse für OP-Zubehör deutlich verbessert – und ist dafür im Februar 2011 vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) ausgezeichnet worden. Die Hamburger setzen so genannte Fallwagen ein, die 16 zentrale OP-Säle Justin-Time mit Produkten versorgen. Jährlich 40.000 Euro spart das Unternehmen, weil eine neue Software im Sterilgutlager und ein bestandsgeführtes Lager Materialverbrauch und Kosten einzelnen Patienten zuordnet – und mit den Kassen abrechnet. Doch vor allem beim wohl kostbarsten Gut des Menschen zeigt sich, wie wichtig kontrollierte Lieferketten sind: bei Blutkonserven. Laut Deutschem Roten Kreuz werden in Deutschland im Jahr rund fünf Millionen Blutkonserven benötigt. Weil es häufig weniger Spender
als Empfänger gebe, ist eine vollständige Dokumentation der Kühlkette wichtig, um ausreichend Blut zur Verfügung zu haben. Blutkonserven dürfen eine Temperatur von zehn Grad nicht überschreiten. Das Universitätsklinikum Erlangen setzt daher auf intelligente Funkchips, die ab der Blutbank laufend die Temperatur an das Krankenhaus übermittelt. Dadurch können ungenutzte Konserven aus dem OP erneut eingesetzt werden, statt sie wie bisher zu entsorgen, weil der Arzt nicht sicherstellen konnte, dass die Maximal-Temperatur nicht überschritten wurde. Gegen Angriffe sind allerdings auch Hightech-Kliniken nicht immer gefeit. Schon vor zwei Jahren mussten drei Londoner Krankenhäuser ihre Computer und Netzwerke aufgrund eines Computervirus abschalten. Der gutartige Computerwurm richtete kaum Schäden an, zwang die Hospitäler aber zum Notbetrieb. Statt zum Scanner und Schalter mussten Ärzte und Verwaltung wieder zu Papier und Bleistift greifen. Axel Novak ist freier Journalist.
— Unternehmensbeitrag Medco Celesio B.V. —
Die beste Pille nutzt nichts, wenn der Patient sie nicht nimmt Höhere Therapietreue als Schlüssel zu einer besseren Versorgung chronisch Kranker
Herr Griffin, Medco Celesio möchte den Gesundheitszustand von chronisch Kranken verbessern. Warum ist das wichtig?
Die Zahl der Menschen mit chronischen Krankheiten nimmt rapide zu. Brian T. Griffin, Vorsitzender der In Europa verurGeschäftsführung Medco Celesio B.V. sachen chronische Krankheiten bereits mehr als drei Viertel der gesamten Kosten im Gesundheitswesen. Allein in Deutschland leidet rund ein Drittel der Bevölkerung beispielsweise an Diabetes, Herzkreislauf- oder Atemwegserkrankungen. Aus Untersuchungen wissen wir: Viele chronisch Kranke sind mit ihrer Arzneimitteltherapie überfordert und brechen die Einnahme der ihnen verordneten Medikamente ab. Die beste Pille nutzt aber nichts, wenn man sie nicht nimmt.
Was ist also zu tun?
Was ist neu an Ihrem Programm?
Wir müssen die Therapietreue erhöhen. Also dafür sorgen, dass chronisch kranke Menschen ihre vom Arzt verordneten Medikamente rechtzeitig und regelmäßig einnehmen. Genau dafür haben wir ein spezielles Versorgungsprogramm entwickelt.
Wir erkennen anhand von Versichertendaten, die uns von der Krankenkasse mit Zustimmung des Versicherten übermittelt werden, beispielsweise, ob ein chronisch kranker Patient seine Arznei wie vom Arzt verordnet einnimmt. Dies war in Deutschland bislang nicht nachvollziehbar. Auch mögliche Wechselwirkungen zwischen Medikamenten können zukünftig in größerem Umfang erkannt werden.
Dieses Programm bieten Sie in Kooperation mit Krankenkassen an, beabsichtigen aber auch niedergelassene Ärzte und Apotheker einzubeziehen. Warum ist das wichtig?
Wir wollen dazu beitragen, das Informationsdreieck von Patient, Arzt und Apotheker zu schließen. Im Moment fehlt eine Institution, die Untersuchungen koordiniert, wichtige Patientendaten wie Verordnungen und Diagnosen analysiert und außerdem dem Patienten hilft, seine Medikamente richtig einzunehmen. Genau das bieten wir mit unseren Krankenkassenpartnern an.
Wie kann beispielsweise ein Diabetiker von Ihrem Service profitieren?
Wenn wir erkennen, dass ein DiabetesPatient seiner Medikamententherapie nicht vollständig folgt, nimmt ein Apotheker aus unserem Service-Center mit ihm telefonisch Kontakt auf und erkundigt sich nach den Gründen dafür. Gibt es Nebenwirkungen? Hat der Patient Bedenken wegen des Beipackzettels? Idealerweise nimmt der Patient nach der Beratung seine Medikamente wieder wie verordnet ein. Damit beugen wir Folgekomplikationen und
vermeidbaren Krankenhausbehandlungen vor. Plakativ gesprochen: Durch unsere Beratung erhalten die Patienten mehr Service und es geht ihnen besser. Die Krankenkassenbeiträge sind gerade gestiegen. Kosten neue Programme wie Ihres den Beitragszahler nicht noch mehr?
Im Gegenteil. Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände reduziert beispielsweise eine zehnprozentige Steigerung der Therapietreue bei Typ-2Diabetikern die Versorgungskosten um mindestens 8,6 Prozent. Wir sparen dem Gesundheitssystem also sogar Geld.
Medco Celesio B.V. Medco Celesio B.V. ist ein Joint Venture der deutschen Celesio AG und der amerikanischen Medco Health Solutions, Inc. und seit 2011 in Deutschland operativ tätig.
www.medcocelesio.com
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in|pact media Verlag
Knochenersatz ist zwar einfacher, aber risikoreicher Interview mit Prof. Dr. Fouad Khoury über den Stand der Zahnimplantologie
Mirko Heinemann / Redaktion
Herr Prof. Khoury, welche Fortschritte sind in den letzten Jahren im Bereich der zahnärztlichen Implantologie gemacht worden?
Noch Anfang der 1980er Jahre mussten wir dankbar sein, wenn ein Implantat überhaupt einheilt. Wir konnten dem Patienten damals eine fifty-fifty-Chance einräumen. Bereits zehn Jahre später waren wir schon viel weiter, und heute haben wir dank der umfangreichen Forschung der letzten Jahre eine Erfolgswahrscheinlichkeit bei Zahnimplantaten von über 95 Prozent. Vor der eigentlichen Implantation muss stets Knochenaufbau betrieben werden. Ist es dabei unerheblich, ob etwa Parodontose oder ein Unfall Ursache ist?
Auch bei einem Unfall geht mit dem Zahn Knochen verloren, dann eben nicht auf entzündlichem, sondern
auf traumatischem Weg. Im Kiefer gibt es zwei Knochenarten: den Kieferknochen selbst und den Alveolarknochen, der den Zahn umfasst. Dieser Alveolarknochen oder Zahnknochen wächst mit den Zähnen mit. Sobald der Zahn gezogen ist, bildet sich auch der Zahnknochen zurück. Man muss ihn wieder herstellen. Dabei ist der Knochenaufbau selbst keine neue Methode; Knochenverpflanzungen werden seit rund 150 Jahren wissenschaftlich dokumentiert. Dabei wird in der Regel eigener Hüftknochen verwendet. Das ist aber ein relativ schwerer Eingriff, obwohl er immer noch bei vielen Indikationen seine Berechtigung hat. Wir haben in den letzten 20 Jahren minimal-invasive Verfahren zur Gewinnung und Verarbeitung von Knochen aus dem Kieferbereich entwickelt. Die Knochenentnahme ist ambulant und in örtlicher Betäubung möglich, der Patient leidet nicht unter einer Gehbehinderung, und die Schwellung ist nach einigen Tagen abgeheilt.
Viele Hersteller werben für den Einsatz von Knochenersatzmaterial. Was ist davon zu halten?
Die Forschung ist zum Ergebnis gekommen, dass es bei manchen Indikationen durchaus Sinn macht. Aber es bleibt ein minderwertiger Ersatz für den eigenen Knochen. Das Ersatzmaterial besteht aus Mineralien die auch im Knochen vorhanden sind. Knochen aber bestehen nicht nur aus Mineral, sondern außerdem aus Wachstumsproteinen und lebendigen Zellen. Das Knochenersatzmaterial kann gut funktionieren, wenn es in ein Lager eingesetzt wird, das über ein hohes Regenerationspotenzial verfügt. Das Problem ist: Wir haben keine Möglichkeiten, dies vorher herauszufinden. Im schlimmsten Fall wird das Material nicht anwachsen. Wer ohne eingehende Prüfung und Indikation zu Knochenersatz greift, wählt den einfachen, aber falschen Weg. Mirko Heinemann ist Chefredakteur dieser Ausgabe.
Welche Komplikationen können auftreten?
Theoretisch können Infektionen auftreten. Wir Implantologen arbeiten in einer Region des Körpers, in der viele Bakterien vorhanden sind. Dazu kommt ein sehr feuchtes Klima in der Mundhöhle. Im Gegenzug haben wir eine außerordentlich gute Durchblutung, weshalb auch das Immunsystem sehr aktiv ist. Aus diesem Grund funktioniert der Knochenaufbau im Kiefer so gut – trotz der vielen Bakterien. Ein höheres Risiko besteht aber für Patienten mit reduzierter Durchblutung. Dazu gehören etwa Raucher.
Prof. Dr. Fouad Khoury
ist Chefarzt der Implantologieklinik Schloss Schellenstein in Olsberg (NRW) und Experte für die Verpflanzung körpereigenen Knochens. Er lehrt an der Universität Münster, hat die modernen minimal-invasiven Verfahren mitentwickelt und ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und Bücher, unter anderem »Augmentative Verfahren in der Implantologie«, Quintessenz Verlag 2009, Kontakt: www.implantologieklinik.de
— Unternehmensbeitrag bredent medical GmbH & Co KG —
Heilender Laserstrahl – ohne Schmerzen Infektionen im Mund effektiv und schonend behandeln
Bakterienanfärbung und Laserbelichtung führt zur Zerstörung krankheitsverursachender Bakterien – die HELBO-Therapie
Die Mundhöhle ist Bestandteil des Verdauungssystems und es finden sich hier über 500 verschiedene Bakterien und auch Pilze in einem natürlichen Gleichgewicht, sie kontrollieren sich selbst. Je nach allgemeinem Gesundheitszustand und dem Zustand des Zahnsystems kann es aber zu akuten oder chronischen Infektionen kommen, bei denen dann das Gleichgewicht der Bakterien und Pilze
gestört ist. Krankheitserregende Bakterien gewinnen die Oberhand und führen zu Entzündungen, in Folge entsteht zum Beispiel eine Parodontose, eine Karies oder auch eine schmerzhafte Schleimhautreizung. Auch Wurzelbehandlungen und Entzündungen um künstliche Zahnwurzeln (Implantate) sind durch krankmachende Bakterien verursacht. Die Situation ist heute besorgniserregend. In der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen sind zum Beispiel fast 73 Prozent von der fortgeschrittenen Parodontose, also dem massiven Abbau des Zahnhalteapparats betroffen – Tendenz steigend. Die Folge: Zahnfleischbluten, Mundgeruch, Zahnlockerung – Zahnverlust! Die Behandlung ist schwierig und mit konventionellen Methoden kaum zufriedenstellend möglich. Ein neues Verfahren gewinnt in der fortschrittlichen Zahnmedizin seit Jahren immer mehr an Bedeutung: die HELBO-Therapie. Hierbei werden
infizierte Bereiche, z.Bsp. Zahnfleischund Knochentaschen oder Wurzelkanäle zunächst professionell gereinigt, um die Beläge und krankes Gewebe bestmöglich zu entfernen. Danach werden die Bereiche und damit die Mikroorganismen mit Hilfe einer Farbstofflösung angefärbt und schließlich mit einem Niedrigenergielaser belichtet. Die Folgereaktion führt zur Bildung von aggressivem Sauerstoff, der die Bakterien zerstört. Die Entzündung bessert sich innerhalb weniger Tage. Das innovative Verfahren ist schmerz- und nebenwirkungsfrei. Überdies hilft es in vielen Fällen, chirurgische Interventionen oder die Verabreichung von Antibiotika zu vermeiden – Therapien, deren Erfolge bestenfalls kurzfristig möglich und dabei mit starken Nebenwirkungen verbunden sind. Die Wirksamkeit des Verfahrens in der Zahnmedizin ist wissenschaftlich erforscht und durch viele Studien belegt. www.helbo.de
Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer, Dozent an der Zahnklinik der Universität Köln bringt es auf den Punkt: »Die HELBO-Therapie ist die effektivste und minimalinvasive Alternative zu den bekannten pharmakologischen und chemischen Dekontaminationsverfahren zur Prophylaxe und Therapie von Infektionen im Mundraum, wie z.B. Parodontitis, Periimplantitis, Wurzelbehandlung, Wundheilungsstörung und Knochenentzündung.«
PD Dr. Jörg Neugebauer, Fachzahnarzt für Oralchirurgie in der Praxis Dres. Bayer, Kistler, Elbertzhagen, Landsberg am Lech, sowie Lehrtätigkeit an der Zahnklinik der Universität zu Köln
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Medizin von Morgen
— Unternehmensbeitrag Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH —
Stammzellen für den Kieferaufbau Körpereigene Zellen für natürliche und schonende Knochenneubildung Dr. Thomas Braun, ist Geschäftsführer der Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft. Gemeinsam mit der Universität Freiburg und der USamerikanischen Firma Harvest TechDr. Thomas Braun, nologies haben die Geschäftsführer der Geistlich Biomaterials Baden-Badener ein Vertriebsgesellschaft Verfahren entwickelt, das Patienten mit Kieferknochenverlust eine schonendere Regeneration ermöglicht.
Bisher ist der Goldstandard für die Regeneration großer Kieferknochendefekte der Eigenknochen. Das BMACVerfahren könnte diesen Standard nun ablösen. Was macht Ihr Verfahren anders?
Statt kompletten Knochen aus Hüfte, Wadenbein oder Schulterblatt zu transplantieren, nutzt das Verfahren den lebenden Anteil des Knochens, das körpereigene Knochenmark. Das gewinnen wir durch eine Punktion am Becken, ein vergleichsweise risikoarmer Eingriff vergleichbar mit einer Blutentnahme. Die mineralische Matrix für den Volumenerhalt wird durch Knochenersatz erreicht.
Wie lange dauert die Heilung im Vergleich zur Defektbehandlung mit Eigenknochen?
Verglichen mit Hüftknochentransplantaten verläuft die Regeneration etwa gleich schnell. Außerdem ersparen wir den Patienten eine Knochenentnahme und reduzieren das Komplikationsrisiko an der Entnahmestelle. Nebenbei verkürzt sich dadurch die Operationszeit. Der Arzt kann das Knochenmark während der OP aufbereiten lassen. Knochenabbau hat verschiedene Ursachen. Kommt das BMAC-Verfahren für alle Patienten gleichermaßen infrage?
Für die Masse der kleineren Knochendefekte gibt es etablierte Verfahren mit
Knochenersatzmaterialien. Bei sehr großen Knochendefekten werden Knochentransplantate noch lange der Goldstandard sein. Da wir uns vorsichtig an die Grenzen des Möglichen herantasten, gibt es noch keine Studien mit Risikopatienten. Wissenschaftlich nachgewiesen ist der Vorteil bisher im Knochenaufbau in der Kieferhöhle. Jetzt testen wir den Einsatz bei Patienten mit komplexeren Knochendefekten. Erste Ergebnisse lassen hoffen, dass künftig viele Patienten auf eine Knochenentnahme verzichten können. www.geistlich.de
— Unternehmensbeitrag Astra Tech —
Von der Natur lernen Zwei von drei Deutschen halten ein Lächeln mit schönen Zähnen für besonders attraktiv – sagt das Forschungsinstitut TNS Emnid. Doch wahrscheinlich wird jeder Mensch irgendwann einmal mit einem Zahnverlust konfrontiert.
Ein Astra Tech Implantat versorgt mit einer Zahnkrone
Herkömmliche Brücken und Teilprothesen galten lang als Standard beim Zahnersatz, trotz oft nicht zufriedenstellender Ästhetik und der Tatsache, dass Nachbarzähne abgeschliffen werden. Vor rund 40 Jahren begann man, Zahnimplantate für den dauerhaften Zahnersatz zu entwickeln. Aussehen und Funktion natürlicher Zähne sollten perfekt imitiert werden. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet ist das Unternehmen Astra Tech, das seit 25 Jahren innovative und hochwertige Lösungen für die zahnärztliche
Implantologie entwickelt. Dabei wird ein ganzheitlicher Forschungsansatz verfolgt, bei dem sich das Design eines Implantates den Regeln der Natur unterordnet. Heute zählt das Astra Tech Implantat-System zu den führenden weltweit. Der erste Schritt zum Implantat ist immer die Beratung. Es folgt eine Röntgendiagnose, die Aufschluss über den Zustand des Knochens gibt, und eine exakte Behandlungsplanung. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, wird das Zahnimplantat, das einen oder mehrere fehlende Zähne ersetzen soll, im Kieferknochen verankert. Nachbarzähne werden dabei nicht beschädigt. Das Implantat besteht aus Titan und sieht aus wie eine kleine Schraube. Es dient im Kieferknochen gewissermaßen als neue »Zahnwurzel«. Jedes Implantat wird mit einem fest verschraubten Aufbau (Abutment) versehen. Das Abutment sorgt für eine sichere Verbindung zwischen Implantat und individuell hergestelltem Zahnersatz. Wurden Abutments früher einheitlich vorproduziert, kann man heute die Möglichkeiten der CAD/CAM-Technologien (Computer Aided Design/Computer Aided Manufacturing) nutzen, um sie für je-
den Patienten genau passend herzustellen. Diese computergestützte Gestaltung und Fertigung erlaubt die Herstellung zahntechnischer Produkte schnell, präzise und in bester Qualität. Da der Zahnersatz in der farblichen Gestaltung der natürlichen Zahnreihe angepasst wird, kann er sich nahtlos einfügen und alle Aufgaben eines natürlichen Zahnes übernehmen. Interview mit dem Fachzahnarzt Dr. Robert Nölken, Lindau Wohin gehen heute die Trends in der Implantologie?
Patienten wünschen sich einen Zahnersatz, mit dem sie das Essen wieder genießen, natürlich lächeln und sich sicher fühlen können. Implantate sind ideal für Patienten, die einen Zahnersatz wollen, der höchsten ästhetischen Ansprüchen über viele Jahre hinweg genügt. Neuentwicklungen müssen diesen langfristigen Anspruch berücksichtigen. Zum Beispiel durch einen ganzheitlichen Forschungsansatz, der den Erhalt des Knochens und des Zahnfleisches ermöglicht. Neuent-
wicklungen müssen sich der Natur anpassen und nicht andersherum. Was würden Sie einem Freund empfehlen, der mit dem Gedanken spielt, sich ein Implantat setzen zu lassen?
Implantologie ist mehr als das Ersetzen von Zähnen, sondern bringt verlorengegangene Lebensqualität zurück. Implantate sind aber Vertrauenssache. Jeder sollte sich gut informieren und eine ausführliche Beratung einfordern.
www.astratechdental.de
Dr. Robert Nölken, Fachzahnarzt
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in|pact media Verlag
»Jeder zweite Patient wird geheilt« Interview mit Prof. Dr. Otmar Wiestler, Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums, über Fortschritte in der Krebstherapie
Angelika Friedl / Redaktion
Herr Professor Wiestler, seit einigen Jahren ist die »maßgeschneiderte Therapie« in aller Munde. Was bedeutet der Begriff ?
Maßgeschneiderte Therapie ist eine Behandlung, die für einen einzelnen Patienten individuell zusammengestellt wird, so dass sie bei genau diesem Patienten wirken kann. Bisher konnten wir Patienten mit einer bestimmten Krebsart nur eine Behandlungsart anbieten. Kranke mit einer bestimmten Form von Lungenkrebs bekommen die gleiche Bestrahlung und die gleiche Chemotherapie, obwohl wir wissen, dass nur einige auf diese Behandlung ansprechen. Maßgeschneidert nennt man die Therapie auch deshalb, weil sie sich gegen Veränderungen in den Krebszellen richtet, die für die Entstehung der Krebserkrankung verantwortlich sind. Um Veränderungen zu erkennen, braucht man einen Gentest des Patienten?
Ja, wobei aber nur das Erbgut der Krebszellen untersucht wird. Anhand solcher Veränderungen lässt sich bestimmen, welche Behandlung beim einzelnen Patienten eine große Erfolgschance hat. Welche Rolle spielt dabei das Internationale Krebs Genom Konsortium?
Das ist ein sehr ehrgeiziges Projekt, das einen ähnlichen Umfang hat wie das Humane Genomprojekt. Ziel ist, bei 25.000 Krebspatienten weltweit das komplette Erbgut der Krebszellen zu lesen. Hier wurden bereits enorme Fortschritte erreicht. Vor zehn Jahren hat die Entschlüsselung eines Erbguts mit 31.000 Genen noch ein halbes Jahr gedauert, heute erhalten wir das Ergebnis nach drei Tagen. In zwei, drei Jahren haben wir es in sechs Stunden. Wir wollen hier in Heidelberg im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen bis zum Jahre 2015 jedem Patienten eine Erbgutanalyse anbieten. In anderen Zentren auf der ganzen Welt hat man ähnliche Pläne. Für die neue Therapie benötigen die Mediziner ganz spezielle Medikamente. Welche Vorteile bringen sie den Kranken?
Die neuen Medikamente können Veränderungen in den Krebszellen direkt angreifen. Die Behandlung trifft wirklich nur die kranke Zelle und nicht die gesunde. Dadurch erleiden die Kranken weniger Nebenwirkungen. Bisher behandeln wir den Krebs ja mit relativ einfachen Mitteln, mit einer Operation, eventuell mit einer Strahlentherapie oder mit Zytostatika, also mit Zellgiften. Diese
Behandlungen haben zwei Nachteile. Der eine ist, dass es auch in sehr bösartigen Krebsgeschwülsten einzelne Zellen gibt, die gerade ruhen und nicht erreicht werden können. Der zweite Nachteil ist, dass auch gesunde Zellen getroffen werden, was nicht selten zu schweren Nebenwirkungen führt. Welche der neuen Medikamente sind besonders erfolgreich?
Ein Beispiel ist Herceptin gegen Brustkrebs. Dieser Antikörper erkennt ein Eiweiß auf der Oberfläche von Krebszellen, das den Zellen das Signal gibt, dass sie sich teilen müssen. Herceptin hat einen weiteren Vorteil. Weil wir wissen, gegen welche Veränderungen in der Krebszelle sich das Medikament richtet, kann man an Gewebeproben der Patientinnen prüfen, ob die Veränderungen in der Zelle überhaupt vorhanden sind. Bei Brustkrebs findet man sie nur bei jeder vierten Patientin. Die Behandlung mit Herceptin macht also nur dann Sinn, wenn man die Veränderungen nachweisen kann. Ein weiteres erfolgreiches Medikament ist Glivec gegen die chronische myeloische Leukämie. Wie viele derartige Medikamente gibt es inzwischen?
Die Zahl steigt kontinuierlich an. Zurzeit gibt es etwa 25, aber Hunderte sind in der Prüfung. Was sagen Sie zur Kritik, dass viele Medikamente, die beim Lungenkarzinom eingesetzt werden, einerseits sehr teuer sind, andererseits die Lebenserwartung nur um einige Monate verlängern?
So pauschal kann man die Aussage nicht stehen lassen. Sicher sind einige Medikamente sehr teuer. Aber Glivec schenkt dem Patienten zum Beispiel viele Jahre. Bei Glivec ist das Problem, dass es häufig zu einem Rückfall kommt, wenn man es nach zwei oder drei Jahren wieder absetzt. Die Wissenschaftler in unserem Zentrum haben die Ursache entdeckt. Es gibt bei diesem Krebs Stammzellen, die nicht auf das Medikament ansprechen, weil sie in einer Art Ruhezustand verharren, und dann später zu einem Rückfall führen können. Bei Herceptin war es anfangs auch so, dass man den Eindruck hatte, es bringt nur wenige Monate mehr Lebenszeit. Dann haben wir aber gelernt, dass man das Medikament sehr viel früher einsetzen muss und nicht erst in einem fortgeschrittenen Stadium.
nehmen diese Kosten wieder hereinbekommen. Aber die maßgeschneiderte Therapie ist ein grundlegender Wandel in der Behandlung von Krebs. Das ist der Weg, den jede Behandlung einer Krankheit einschlagen sollte. Vor welchen Aufgaben steht die Forschung in den nächsten Jahren?
Krebs ist eine sehr komplizierte Krankheit, weil es über 200 verschiedene Krebsarten gibt. Die Forschung muss daher eine große Anzahl von Medikamenten entwickeln, die an unterschiedlichen Veränderungen angreifen können. Wir müssen bei jedem Patienten feststellen, wo liegt der Kern des Problems in seinen Krebszellen und welches Medikament kommt für ihn oder für sie in Frage. Gibt es Fortschritte bei anderen Behandlungsmethoden?
Ja, zum Beispiel bei der Strahlentherapie können wir die Bestrahlung viel besser kontrollieren als früher. Dank bildgebender Verfahren wie der Computer-, der Magnetresonanz- sowie der Positronen-Emissions-Tomographie kann man die zu bestrahlenden Tumorregionen exakt abbilden und genau berechnen, welche Regionen mit welchen Dosen bestrahlt werden müssen. Hier helfen auch präzise Bestrahlungsgeräte wie die neuen Linearbeschleuniger. Wir versprechen uns auch viel von der Schwerionen- und Protonentherapie, die wir seit kurzem am Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum nutzen. Die Ionen erreichen drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit und wirken dadurch sehr stark auf einen tief im Körper liegenden Krebs. Wo sehen Sie die Krebsbehandlung in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren?
Es gibt überhaupt keinen Grund pessimistisch zu sein, wenn man bedenkt, dass heutzutage jeder zweite Patient geheilt werden kann. Das ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zu der Zeit vor 30 Jahren. In Zukunft wird Krebs eine chronische Krankheit sein, mit der Patienten einige Jahre gut leben können. Angelika Friedl ist freie Journalistin.
Der Aufwand lohnt sich also trotz der hohen Kosten?
Man muss anerkennen, dass die Entwicklung der Substanzen enorm kostenintensiv ist. Für ein klassisches Medikament liegen die Kosten etwa zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro. Natürlich wollen die Unter-
Prof. Dr. Otmar D. Wiestler
ist seit 2004 Vorsitzender und wissenschaftliches Mitglied vom Stiftungsvorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.
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Medizin von Morgen
— Unternehmensbeitrag CEBIT —
TeleHealth 2011 Die Leitmesse für die digitale Medizin am Puls der Zeit Die derzeitigen Entwicklungen beim Umgang mit Computern machen auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Im Rahmen der TeleHealth wird der Gesundheits-IT erneut ein eigener Ausstellungsbereich auf der CeBIT 2011 gewidmet. Vom 1. bis 5. März präsentieren in Halle 8 Hersteller, Dienstleister und Anbieter von IT-Technologien ihre Produktneuheiten, Konzepte und Lösungen aus der Welt der IT-gestützten Medizin. Neben telemedizinischen Technologien wie beispielsweise Videokonferenzsysteme für Telekonsultationen stehen Anwendungen aus den Bereichen Healthcare Management und eHealth im Vordergrund.
TeleHealth 2010
Auch das Thema Tele-Homecare wird wieder eine wesentliche Rolle spielen. Ein besonderes Highlight stellt der Gesundheitsparcour »FutureCare« dar, den
die Deutsche Messe AG gemeinsam mit dem IT-Branchenverband BITKOM realisiert. Am Beispiel lebensnaher Situationen wird dort der Fortschritt der digitalen Medizin demonstriert. Besucher können auf verschiedenen Themenrundgängen Einblicke in die aktuellen Entwicklungen des Gesundheitsbereiches gewinnen. Zur Eröffnung der TeleHealth am 1. März 2011 wird der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik, John Dalli, sprechen. Sein Auftritt unterstreicht die besondere Bedeutung der TeleHealth für den europäischen Gesundheitsmarkt sowie ihre internationale Ausrichtung insgesamt. Auf dem
TeleHealth-Kongressforum in Halle 8 werden dazu mehr als 200 Teilnehmer erwartet. Mit ihrer Angebotspalette ist die TeleHealth die führende Dialogplattform zwischen Politik, Wirtschaft und Anwendern von IT-Lösungen im Gesundheitssektor. Das Zusammenspiel aus Fachforum, Ausstellungsbereich und dem Gesundheitsparcour »FutureCare« bietet der Branche einen optimalen Treffpunkt zum Erfahrungsaustausch und zur Anbahnung von Geschäftskontakten.
www.cebit.de
Ernährung, Bewegung, Entspannung Gesunde Ernährung wird immer wichtiger, Fachberater sind gefragt
Dr. Ulrike Schupp / Redaktion
J
e der Zweite ist übergewichtig, jeder Sechste viel zu dick. Fettleibigkeit hat in den Industrienationen besorgniserregende Ausmaße angenommen und macht auch vor Kindern nicht halt. Mit die meisten Schwergewichte leben der aktuellen Studie der Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) zufolge in den USA, Mexiko und Deutschland. Seit Jahrzehnten steigt der Anteil der Übergewichtigen kontinuierlich und mit ihm das Risiko der Betroffenen an Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Beschwerden zu erkranken. Die Gesundheitskosten seien um mindestens 25 Prozent höher als bei Patienten mit Normalgewicht. Eine fundierte
Ernährungsberatung ist gefragt, am besten schon vorbeugend. Information zu gesundem Essverhalten liefert beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) www.dge.de. Ihr zufolge helfen schon fünf 100 Gramm-Portionen Gemüse am Tag dabei gesund zu bleiben. Der Umgang mit Fett kann hier gelernt werden ebenso wie »Ernährung für Schulkinder«. Sowohl bei der DGE als auch beim Verband der Ökotrophologen www. vdoe.de sind qualifizierte Ernährungsberater vernetzt. In der Hamburger Zentrale für Ernährungsberatung www.zeb-hh.de beschäftigen sich Absolventen der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Ökotrophologen mit gesundem Essverhalten. »Ernährung darf nicht isoliert betrachtet werden«, sagt Ernährungsberaterin Susanne Kirsch von der ZEB. »Wichtig ist der Dreiklang
Ernährung, Bewegung und Entspannung.« Kirsch kritisiert das ständige Zuviel an Zucker, das den Stoffwechsel ungünstig beeinflusst. Bei Fett kommt es darauf an, wie es verteilt ist. Gefährlich ist der »Rettungsring« um die Taille. Bauchfett ist stoffwechselaktiv und begünstigt beispielsweise koronale Herzerkrankungen. »Ein Trend für die Zukunft ist Food Literacy«, sagt Susanne Kirsch. »Menschen sollen die Fähigkeit gewinnen, sich selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und genussvoll ernähren«. Sie lernen dabei auch regionale und saisonale Produkte zu verwenden, die die Umwelt weder durch teuren Transport noch durch ihre Herstellung zusätzlich belasten. Dr. Ulrike Schupp ist freie Medizin-Journalistin.
— Unternehmensbeitrag BITkOM —
E-Health bietet enormes Sparpotenzial Interview mit BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer Welche Rolle spielt IT im Gesundheitssystem der Zukunft?
Die steigenden Kosten aufgrund der demografischen Entwicklung stellen das Gesundheitssystem vor enorme Herausforderungen. IT kann hier maßgeblich dazu beitragen, milliardenschwere Effizienzreserven zu heben. Unter dem Oberbegriff E-Health wird mittlerweile ein ganzer Katalog von Lösungsansätzen zusammengefasst. Viele von ihnen sind auf der CeBIT zu sehen. Wo sehen Sie besonderes Effizienzpotenzial?
Das deutsche Gesundheitssystem hat bei Vernetzung verglichen mit anderen Branchen einen Rückstand von mindestens zehn Jahren. Ärzte und Kranken-
schwestern verbringen viel zu viel Zeit mit der Beschaffung von Informationen über ihre Patienten. Das ist nicht nur teuer, sondern auch unsicher. Wie könnten Lösungen aussehen?
Ein Kernelement der Vernetzung im Gesundheitswesen ist und bleibt die elektronische Gesundheitskarte. Jeder zehnte gesetzlich Krankenversicherte soll noch in diesem Jahr eine solche Karte erhalten. Auch wenn sie neben den Versichertenstammdaten, einschließlich eines Fotos, zunächst lediglich einen Notfalldatensatz speichert, jedoch auf die elektronische Patientenakte und das elektronische Rezept verzichtet, sind wir froh, dass hier zumindest ein Anfang gemacht ist.
Wo gibt es weiteres Sparpotenzial?
Auf der CeBIT-Sonderschau FutureCare zeigen wir unter anderem, über welche Potentiale die Telemedizin bei der Volkskrankheit Nummer Eins, Diabetes, verfügt. Sensoren am Patienten erfassen beispielsweise Vitalparameter wie Blutdruck und senden diese an ein telemedizinisches Zentrum, das den Patienten so laufend betreuen kann. Und das ist nur ein Beispiel für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Die entsprechenden Produkte sind mittlerweile ausgereift. Sie werden aber leider bisher vorwiegend in Pilotversuchen eingesetzt. Hier ist Handlungsbedarf auch für die Politik. Sie sollte den Einsatz dieser Technologien dringend als Alternative zur Behandlung im Krankenhaus
fördern und vor allem in die Regelversorgung aufnehmen.
www.bitkom.org
Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer Präsident BITKOM