Kunst wird Marke Eine Fallstudie aus Kรถln
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Kunst wird Marke Eine Fallstudie aus Köln Von Alexander Rauch
Der Künstler Merlin Bauer hat „Kölns schönsten Spruch” geschaffen. Nun ist sein Projekt weitgehend abgeschlossen. Hat er nebenbei eine Marke aufgebaut? Globale Marken prägen das Bild unserer Städte Weltweit erleben wir bereits seit vielen Jahren, wie sich Wachstum und Entwicklung auf die großen Städte konzentrieren. Vergleicht man die Großstädte der etablierten westlichen Volkswirtschaften mit denen in Ländern und Regionen der „Emerging Markets” oder in der sogenannten Dritten Welt, erkennt man ganz unterschiedliche Gründe für das gleiche Phänomen; und jeder Reisende bemerkt die großen Unterschiede zwischen den zahlreichen Metropolen dieser Welt – die großen Unterschiede zwischen den Kulturen, die durch die großen Unterschiede in Bezug auf die Entwicklung, Erziehung und Werte entstehen. Und dennoch – es gibt ein Phänomen, das diese Städte verbindet und immer ähnlicher macht: Das Phänomen der globalen Marken, das die Wahrnehmung des öffentlichen Raums in den Großstädten weltweit prägt, auf riesigen Marken-Installationen an den Flughäfen, Kunst wird Marke | Eine Fallstudie aus Köln
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Billboards in den Innenstädten, und künftig auch digital, als „Augmented Reality”. Diese Marken heißen Apple, Nike oder Toyota, und es kann keinen Zweifel daran geben, dass diese Marken auch das Bewusstsein und das Verhalten der Menschen in den Großstädten prägen. Denn die fortwährende Präsenz einer Marke, die für die meisten Menschen zugleich mit relevanten Inhalten und Werten verbunden ist, übt – meist unbewusst – Einfluss auf das urbane Leben aus.
Eine neue Marke in Köln? In diesem Punkt unterscheidet sich Köln nicht von anderen Großstädten. Reisende werden an Bahnhof und Flughafen zunächst nicht von der rheinischen Herzlichkeit, sondern von vertrauten Marken begrüßt, und die Präsenz dieser Marken setzt sich beim Stadtbummel nahtlos fort. Soweit alles ganz vertraut – nur beim Befahren einer der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt, der NordSüd-Fahrt, wird man aufmerksam: Denn dort prangt, in riesigen Einzelbuchstaben, auf einer Breite von mehr als 25 Metern, vier Meter hoch, der Schriftzug Liebe deine Stadt – ein Auftritt, ganz so wie der einer
internationalen Marke. Nur: Liebe deine Stadt kann man nicht im Supermarkt kaufen. Und Liebe deine Stadt gibt es nur in Köln. Aber worum geht es überhaupt?
Was ist Liebe deine Stadt? Liebe deine Stadt ist der Name und das Leitmotiv eines mehrjährigen Projekts des Künstlers Merlin Bauer, geprägt von zahlreichen Veranstaltungen u.a. mit Beteiligung der Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, des Ägyptologen Jan Assmann, des Ästhetikprofessors Bazon Brock, des Museumsdirektors Kasper König, der Fotokünstlerin Candida Höfer oder des Architekten Peter Zumthor. Auf den ersten Blick ging es bei diesem Projekt um die Wahrnehmung der Architektur der Nachkriegsmoderne in Köln; es ist auch das Verdienst Merlin Bauers, die Öffentlichkeit für den architektonischen und historischen Wert zahlreicher Gebäude in Köln sensibilisiert zu haben. Dies gilt nicht zuletzt für Oper, Opernterrassen und Schauspielhaus – zu Recht verweist Merlin Bauer darauf, dass dieses Ensemble, gestaltet von Wilhelm Riphahn, eine architektonische Marke der Nachkriegszeit ist, Interbrand | S. 1
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„Ausdruck einer gesellschaftlichen Neuorientierung”. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es Merlin Bauer nicht nur um Architektur in Köln geht, sondern auch um die Entwicklung und Führung des kulturellen Lebens dieser Stadt, um offensichtliche Missstände in Politik und Verwaltung. Merlin Bauers Appell ist kalkulierte Provokation. Das „Buch zum Projekt”, erschienen 2009, gibt auf fast 500 Seiten Einblick in die Arbeit des Künstlers und markiert zunächst den vorläufigen Abschluss des Projekts. Allerdings zeigt sich, dass sein Thema weiterhin Resonanz erzeugt – ebenso wie die entsprechende Skulptur, der Schriftzug eben, der zu einem prägenden Element des Stadtbilds geworden ist, ja man darf sagen: geradezu zu einem Wahrzeichen über die Grenzen Kölns hinaus.
Mehr als Kunst: Marke? Obwohl Merlin Bauers Projekt breite (und überregionale) Resonanz gefunden hat – übertreffen die Bekanntheit und vor allem aber die Sympathie, die der Schriftzug Liebe deine Stadt seit der Installation erreicht hat, gewiss alle Erwartungen. Dies zeigt sich nicht nur im Einsatz der regionalen Boulevard-Zeitung für den Erhalt von „Kölns schönstem Spruch”, sondern insbesondere in zahllosen kommerziellen Nutzungen, zum Beispiel Poster, T-Shirts oder Postkarten, die allerdings nicht vom Urheber autorisiert worden sind. Dass auch die Fans des chronisch krisengeplagten Fußball-Clubs 1.FC Köln den Schriftzug für ein Riesen-Banner nutzen, ist eher sympathische Randnotiz. Deutlich wird jedoch, dass „die Kölner” (und nicht nur die) den Schriftzug gerne vereinnahmt haben – ihn jedoch inhaltlich nicht mehr nur mit dem ursprünglichen Diskurs verbinden, sondern ihn stattdessen wörtlich nehmen: zur Identifikation mit „ihrer” Stadt, zur Selbstvergewisserung, hier am richtigen Ort zu sein. Offensichtlich ist der Appell für viele Menschen relevant, glaubwürdig und differenzierend – und genau das macht auch starke Marken aus: Sie sind wichtig für den Alltag von Menschen, sie halten ihr Versprechen, und sie unterscheiden sich im Wettbewerb. Hat Merlin Bauer
eine Marke geschaffen? Und wenn ja: Was kann, was sollte er mit dieser Marke tun?
Der Markenbegriff Der Begriff „Marke” ist bereits seit einigen Jahren in aller Munde. Für Unternehmen gehören ihre Marken zu den wichtigsten Werttreibern: Während die Marke ursprünglich dazu diente, Herkunft und Qualität eines Angebots zu garantieren, generiert sie heute emotionalen und sozialen Mehrwert für den Kunden. Starke Marken haben nicht nur gesellschaftliche Relevanz, sie sind wahre Sinnstifter für viele Menschen. Entsprechend lag es nahe, den Markenbegriff auszudehnen: Fußball-Clubs werden als Marken bezeichnet, Länder und Städte ebenso, politische Parteien, sogar Menschen – von Angela Merkel bis Giorgio Armani. Ergibt das Sinn? Aus ökonomischer Sicht ist klar, dass erst die wirtschaftliche Nachfrage eine Marke ausmacht, und zugleich gilt: Marken werden gestaltet, entwickelt, gemacht – kompromisslos in der konsistenten Umsetzung. Sie folgen rigoros den Anforderungen und Wünschen ihrer Zielgruppen. Sie werden bewertet und gesteuert, von Inhabern oder vom Management. Deshalb ist Giorgio Armani eine starke Marke, und sie existiert neben, aber durchaus symbiotisch mit dem Menschen Giorgio Armani. Deshalb ist Angela Merkel keine Marke. Wie ist es mit der Kunst? Auch hier beobachten wir, wie Marken wirtschaftlichen Wert schaffen, wie Marken den Kunst- und Sammlermarkt prägen (und stabilisieren) und so erst „Marktwerte” ermöglichen. Jeff Koons oder Damien Hirst haben erfolgreiche Marken geschaffen, die ihren Namen tragen (nicht zuletzt weil sie verstehen, wie Marken im Allgemeinen entwickelt und weiterentwickelt werden). Entsprechend werden auch die Arbeiten dieser Künstler zu Markenprodukten – drei Basketbälle „im Equilibrium”, oder ein Hai in Formaldehyd. Unabhängig von Form und Inhalt des jeweiligen Werks vermittelt die Marke dem Sammler Vertrauen in die Investition.
Weitergedacht ergibt sich die Frage: Kann Kunst, die auch Marke ist, aufhören Kunst zu sein – um nur noch Marke zu sein?
Liebe deine Stadt als Marke Auch Merlin Bauer versteht viel von Markentechnik. Denn er hat konsequent die Bausteine der Markenentwicklung genutzt, um seinem künstlerischen Anliegen Gehör zu verschaffen. Deshalb ist Liebe deine Stadt auch nicht offensichtlich als Kunst im öffentlichen Raum erkennbar, im Gegensatz zu anderen Werken, die ebenfalls Wahrzeichencharakter entwickeln, wie zum Beispiel „Mae West” von Rita McBride oder „Hammering Man” von Jonathan Borowsky. Dass Merlin Bauer damit Menschen für etwas begeistert, das er so nicht unmittelbar gemeint hat, war ihm klar. Dass er damit so viele Menschen erreicht, vielleicht nicht. Im Kunstmarkt ist Liebe deine Stadt längst bekannt und etabliert, so dass sich regelmäßig entsprechende Marktwerte ergeben – zum Beispiel für Multiples und für Fotografien und auch für die Skulptur an der Nord-Süd-Fahrt selbst. Die Stärke der Marke im Kunstmarkt ist entsprechend auch Treiber künftiger Erträge im Sinne des Markenwerts. Aber diese Marke hat auch das Potenzial, über den Kunstmarkt hinaus wertvoll zu werden, Wert für Kundschaft außerhalb der Kunstszene zu schaffen: Denn Liebe deine Stadt ermöglicht Menschen Identifikation, eine Aussage über sich selbst; deshalb erwerben sie T-Shirts und Postkarten. Für den Inhaber der Marke allerdings ergibt sich jenseits des Kunstmarkts (noch) kein ökonomischer Wert, das hat nicht zuletzt rechtliche Gründe: Denn der Künstler musste sich das Recht auf die exklusive kommerzielle Nutzung seines Werks erst vor Gericht erstreiten. Der maßgebliche Grund dafür, dass Liebe deine Stadt heute noch keine kommerziell erfolgreiche Marke jenseits des Kunstmarkts ist, liegt allerdings darin, dass dies gar nicht in der Absicht des Künstlers lag. Nun aber muss sich Merlin Bauer fragen, wie es mit dieser Marke weitergehen kann. Ihm bieten sich verschiedene Optionen:
Liebe deine Stadt schafft Wert für die Kundschaft: Dieser Slogan ermöglicht Menschen Identifikation. Kunst wird Marke | Eine Fallstudie aus Köln
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Werbung für die Bühnen Köln
Im Stadion: Fans des 1.FC Köln
Bühnenbild Schauspiel Köln
Option 1: Die Marke dehnen und ihr volles Potenzial nutzen Es besteht kein Zweifel, dass das Signet Liebe deine Stadt aufgrund seiner Präsenz, Sympathie und Relevanz eine Marke mit großem Potenzial ist, besonders in Köln und der Region. Grundsätzlich wäre eine umfassende kommerzielle Nutzung durch den Markeninhaber möglich, beispielsweise im Wege der Lizensierung der Marke. Voraussetzung für die Schaffung von höherem ökonomischen Wert wäre die Dehnung der Marke zur Kennzeichnung von kommerziell nutzbaren Produkten oder Services. Hier sind auch entsprechende Kooperationen denkbar. Die Lizenzraten sollte sich dabei vor allem am Markenwert ausrichten – also an den künftigen Erträgen, die durch (und nur durch) die Marke realisiert werden können. Der tatsächliche ökonomische Wert der Marke lässt sich allerdings nur kalkulieren, wenn künftige Nutzungen und damit verbundene Einzahlungsströme zu ermitteln sind. Dass die Installation weiterhin am festen Platz in der Nähe des Riphahn-Ensembles bleibt, wäre dabei sicher wünschenswert, aber keine Voraussetzung: Denn die Marke kann sich durch temporäre Be-
spielung von (digitalen) Medien im öffentlichen Raum die gleiche Präsenz sichern.
jedem Fall dürfte hierbei beträchtliches Potenzial zur Wertschöpfung vernichtet werden.
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Option 2: Die Marke verkaufen Merlin Bauer hat den Slogan Liebe deine Stadt geschaffen – sein Projekt ist nahezu abgeschlossen, und er ist Künstler, kein Marken-Manager. Entsprechend liegt es nahe die Marke vollständig zu verkaufen. An Interessenten dürfte wohl kaum Mangel bestehen. Auch in diesem Fall gilt: Der Markenwert sollte Maßstab für den Preis sein. Option 3: Die Marke „beenden” Ein künstlerisches Projekt, das vor seinem Abschluss steht, und eine Marke, die sozusagen nebenbei entstanden ist. Sollte man dann dieser Marke nicht ein Ende bereiten, zumal die kommerzielle Nutzung naturgemäß immer mit unternehmerischen Risiken verbunden ist? Die Antwort ist klar: Wer eine Marke besitzt, der kann damit machen was er will, zum Beispiel die Markenrechte verschenken oder einfach die Nutzung einstellen. Wobei oftmals besonders von Künstlern ein derartiges – ökonomisch wenig sinnvolles – Vorgehen erwartet wird. In
Fazit Liebe deine Stadt ist nicht nur ein herausragendes künstlerisches Projekt, sondern hat auch als Marke großes Potenzial. Wie groß das Potenzial ist, und wie wertvoll diese Marke werden kann, hängt von Strategie, Kreativität und Konsequenz der zukünftigen Markenführung ab. In jedem Fall aber zeigt Liebe deine Stadt, dass Kunst und Marke einiges gemeinsam haben: Sie gründen auf Bedürfnissen, die sie beantworten, auf Wünschen, die sie schaffen – und manchmal auf Provokationen, die Menschen zum Nachdenken bringen.
www.liebe-deine-stadt.de Bildnachweis: FC-Stadion © Boyz Köln alle anderen Bilder © Merlin Bauer / VG Bild-Kunst, 2012
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Ihr Experte bei Interbrand
Alexander Rauch Strategy Director, Interbrand Central and Eastern Europe, Köln Alexander Rauch lebt bereits seit mehreren Jahren in Köln – und das (fast) immer gern. Darüber hinaus ist er erfahrener Berater für strategische Markenführung und Markenentwicklung und betreut Unternehmen wie Bayer, BMW, Deutsche Telekom, SAP und Salamander. Er ist seit 2004 bei Interbrand und Mitglied des Management Teams am Standort Köln. Zuvor war Alexander Rauch als Produktmanager in der Markenartikelindustrie und als Managementberater tätig.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Philipp Mokrohs Senior Consultant Business Development Telefon +49 221 95 172 137 Mail Philipp.Mokrohs@interbrand.com
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