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Traditionelles aus der Südtiroler Küche DER ZEIT UNSERER GROSSELTERN
WOLKENSTEIN: ERINNERUNGEN AUS DER ZEIT UNSERER GROSSELTERN
Wir wohnten in Mailand, und ich erinnere mich noch an die erste Alarmsirene, mit der die Bevölkerung vor dem Bom bardement gewarnt wurde, welches schließlich die halbe Stadt zerstören sollte. Es war im Jahr 1940, der Krieg hatte gerade erst begonnen. Auf der Su che nach einem sicheren Zufluchtsort kauften meine Eltern in Wolkenstein ein Haus in herrlicher Lage direkt am Weg zur Regensburgerhütte, unweit des alten Ortszentrums. Ich besuchte die zweite Klasse der Grundschule,
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Auf dem Foto bin ich der größere Bruder neben meinem Vater
während mein Vater in Dalmatien, der ursprünglichen Heimat meiner Fami lie, kämpfte. Wir verließen Wolkenstein erst 1943, als wir beschlossen, zu meiner Großmutter in ihr Haus am Co mer See zu ziehen. Ab dem Jahr 1946 kehrten wir in den Schulferien jeden Sommer und Winter nach Wolkenstein zurück, bis das Haus schließlich 1965 verkauft wurde. Nach Wolkenstein gelangte man da mals mit einem schnaufenden kleinen Zug, der den Bahnhof nach einer kur zen Anlaufstrecke durch die Wiesen, die die Kirche umgaben, erreichte. Rotbäckige Kinder winkten, die Fahr gäste sahen aus dem Fenster und winkten zurück. In der Ferne tobte der Krieg mit seinem Getose und seiner Zerstörung. Es waren die Vierzigerja hre, und Wolkenstein war für mich eine wunderbare und friedliche Welt, in der es noch jede Menge zu entdecken gab. Die Bewohner sprachen Ladinisch, eine mysteriöse Sprache, und lebten noch wie ihre Ahnen Jahrhunderte zu vor. Die Erde brachte Roggen, Rüben und Heu für die Tiere hervor. Abends
kehrten die Kühe, Ziegen und Schafe mit einem Konzert aus Kuhglocken und dem Peitschengeknalle der Hirten aus dem herrlichen Langental zurück, und instinktiv fand jedes Tier in seinen Stall. Im Herbst flogen die Krähen am Himmel und im Tal hallte das Klopfen der Dreschflegel wider, mit denen der Roggen gedroschen wurde. Und wenn es gewitterte und der Donner an den Felsen des Sellastocks abprallte und noch lauter widerhallte, rannte der Mesner Anselm zur Kirche, ob Tag oder Nacht, und läutete die Kirchen glocken, um das Dorf vor den Blitzen zu „schützen“. Die Schule befand sich im zweiten Stock, über dem Rathaus. Sie bestand aus zwei Klassenzimmern, einem für die ersten drei Klassen und einem für die vierte und fünfte. An der Wand hingen neben dem Kruzifix ein Bild von König Viktor Emanuel III. in Ge neralsuniform mit Medaillen, eines von Mussolini mit ausladendem Kiefer und eines von Papst Pius XII., mit uner gründlichem Blick und seinem weißen Häubchen auf dem Kopf. Zum Unter richtsbeginn wurden fürchterliche faschistische Lieder im Chor gesungen. Die Lehrerin kontrollierte, ob wir uns die Hände gut gewaschen hatten. War dies nicht der Fall, wurde man zum Brunnen vor der Kirche geschickt, um sie im eiskalten Wasser, oder im Win ter mit Eiszapfen, zu waschen. Mein Schulfreund war Konrad Seno ner, der später Priester und dann Pfarrer wurde – erst in St. Christina und später in einem kleinen Dorf oberhalb von Salurn. Mit ihm lief ich nach der
Schule nach Hause. Wir beschimpften uns gegenseitig auf Ladinisch: „ tën la musa pitl mut ”, was so viel bedeutete wie „Halt die Klappe, Dummerchen“, ein wirklich mildes Schimpfwort, sel bst für damalige Zeiten. Konrad war der dritte Sohn von Christian und Elisabeth. Sein Vater hatte nur noch wenige Zähne im Mund und sprach vorwiegend über das Wetter: „Fönef Wetter heut… ja, ja…“ oder „Gräfflichef Wetter heut… ja, ja…“. Die Mutter hat te ebenfalls Zahnprobleme, war aber gesprächiger. Von ihnen bekamen wir unsere Milch. Sie wohnten ganz oben auf einem Hügel gleich hinter unserem Haus. Brot, Zucker, Nudeln, Kaffee und Fleisch waren rationiert und wurden mit der „Lebensmittelkarte“ gekauft, die man von der Gemeinde bekam. Aus der Karte löste der Verkäufer nach und nach die einzelnen Lebensmittelmar ken heraus.
Im Juni und September wurde das Gras gemäht. Auf allen Wiesen bewegten sich die Männer Schritt für Schritt mit der Sense vorwärts, gefolgt von den Frauen und älteren Menschen, die mit Heugabeln das Gras verstreuten. Die Luft war voll vom Duft frisch gemähten Grases und dem Zischen der Sensen. Wenn die Glocken läuteten, unterbra chen die Männer ihre Arbeit, und die Frauen bekreuzigten sich. Wir Kinder rannten los, um den Zug zu begrüßen, der erschöpft am Bahnhofshäuschen ankam, wo er die Fahrgäste ausstei gen ließ und kurz verschnaufte, um schließlich den Endspurt in Richtung der Endstation in Plan anzutreten. Anton Mussner und Batista Demetz, zwei echte Meister auf dem Schnee, waren kurz nach Kriegsende meine Skilehrer. Im Sommer kehrten sie zu ihren Berufen zurück: Der eine war Holzschnitzer, der andere kümmerte sich wieder um sein Vieh, das im Val de Chedul weidete. Beide sind wegen ihrer Authentizität, Freundlichkeit und liebevollen Geduld zwei unvergesslich Menschen für mich. In ebenso schön er Erinnerung ist mir der Anblick der Berge bei Sonnenuntergang geblieben, wenn Langkofel, Sella und die Cirspit zen erst in schier unglaublichem Rosa und dann nach und nach in herrlichem Violett erstrahlen.
PINOCCHIO
Seit Dezember vergangenen Jahres ist eine Geschichte wieder im Kino zu sehen, die ganze Ge nerationen begeistert hat und noch heute in zahlreichen Sprachen rund um den Globus erzählt wird. Gemeint ist die Geschichte von Pinoc chio, der berühmten Marionette, die sich vom schlitzohrigen Spitzbuben in einen wohlerzogenen und strebsamen Jungen verwandelt. Die größte Überraschung ist aber, dass der Protagonist der neuen Filmversion von Matteo Garrone, ausgerechnet aus Gröden kommt! Die Marionette, die Roberto Benigni – in der Rolle des Geppetto – aus Holz schnitzt, ist nämlich ein Werk des Grödner Künstlers Bruno Walpoth, dessen Hände sogar einen Moment lang bei der Arbeit zu sehen sind. Regisseur Matteo Garrone, der bei der Auswahl sehr penibel und präzise
vorgeht, hat sich – nach ausgiebiger Recherche über auf Skulpturen mit stark menschlichen Zügen spezialisier te Künstler – für Bruno Walpoth entschieden, und darauf ist der Grödner mächtig stolz. Als Baumaterial für Pinocchio wurde Eichenholz gewählt, das im Alpen vorland wächst und sich durch seine braune Färbung auszeichnet, die in Richtung Gelb tendiert – so, wie man es auch im Film sehen kann. Und so wird also Gröden wiederum ein Stück berühmter – diesmal mit einer neuen Version von Pinocchio. Die neue Fassung ist zwar moderner, bleibt dem Original aber dennoch treu und enthält eine oft vergessene, aber nach wie vor aktuelle Botschaft: Irgendwann im Leben sollte man aufhören, eine Ma rionette zu sein und zum echten Menschen werden.
Ludovica Pineider
PILAT-PISTE – AUF SKIERN VON DER SEISER ALM NACH ST. ULRICH
Die alte Piste, die von der Seiser Alm bis ins Zentrum von St. Ulrich führt, wird wieder in Betrieb genommen. Die Instandset zungsarbeiten haben im Herbst 2019 begonnen. Die Piste führt von der Ber gstation der Seiser Alm abwärts und über die Skipisten Ronc und Palmer bis ins Dorf. Das vom Tourismusve rein St. Ulrich vorgestellte und von der Gemeindeverwaltung unterstützte Projekt ist von der Landesregierung abgesegnet worden. Die neue Piste folgt dem Verlauf der alten, die seit einigen Jahrzehnten sich selbst überlassen worden war. Bis auf einen kurzen Abschnitt in der Mitte wird man auf den Hängen der Original strecke fahren, auf der schon Generationen von einheimischen Skifahrern den Sport kennengelernt haben. Das Projekt bedeutet eine Aufwertung die
ses Gebiets und eine weitere Entwicklung des Skiangebots in St. Ulrich. Dies wird gleichzeitig auch das Image des Wintersportorts stärken. Entlang der 3900 Meter langen Piste werden sieben Brücken mit einer Gesamtlänge von 700 Metern gebaut. Die Kosten für die Erneuerung der Pilat dürften ohne Beschneiungsanlage insgesamt circa sieben Millionen Euro betragen. Die Neuigkeit findet bei den Förderern und der gesamten Skifahrergemein schaft großen Anklang. Für sie bedeutet die Wiedereröffnung der Pilat-Piste einen wichtigen Schritt, um auch die zukünftigen Generationen für den Ski sport zu begeistern. Die Eröffnung der neuen Piste ist für die Wintersaison 2022 vorgesehen.