Intro #243: Jetzt online lesen

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#243 Juni 2016 gratis www.intro.de

Müssen wir politischer werden? Pop und Politik in Zeiten von AfD und Pegida. Der Roundtable mit Megaloh, Sookee, Gudrun Gut sowie Musikern von AnnenMayKantereit, K.I.Z und Feine Sahne Fischfilet

Die Heiterkeit—Boys Noize—The Kills—Flume—Idris Elba—Pantha Du Prince

—Andra Day—Café Belgica—Peter Bjorn And John— Nachhaltige Mode

#Pop #Kultur #Life #Style



#Intro Editorial

#Intro

Manchmal muss man eben laut werden! Wenn einem etwas so am Herzen liegt wie die Titelstory dieser Ausgabe zum Beispiel. Deshalb wollten wir mal ganz polemisch in die Welt schreien, warum es in letzter Zeit oft so scheiße leise blieb, während die Pegida-Deppen und AfD-Altherren immer lauter wurden. Dabei geht es gar nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen: Ich selbst blieb oft genug mit dem Arsch zuhause, während irgendwo das rechte Pöbelvolk aufmarschierte. Und ich sparte mir selbst oft genug eine Diskussion mit einem rechtsdrehenden Familienmitglied, um den Burgfrieden zu wahren. Dann muss man sich eben nicht wundern, wenn sich die Falschen im Aufwind wähnen. Als ich mich dann aber am 7. Mai plötzlich neben Rentnern, Touristinnen, Antifa-Kids und einem radelnden Ehepaar Mitte 40 in Berlin an der Demo-Route des sogenannten »Nationalen Widerstand« wiederfand und wir diesen Gestalten laut brüllend beide Mittelfinger entgegenstreckten, dachte ich: Das sollte man viel öfter machen! Aus diesen Erfahrungen und zahlreichen Gesprächen innerhalb der Redaktion wuchs dann der Wunsch, mal mit Musikerinnen und Musikern zu besprechen, was Pop in Deutschland eigentlich tun kann und muss, wenn die Stimmung kippt. Das aufschlussreiche Gespräch und natürlich alle Neuigkeiten aus #Pop, #Kultur, #Life und #Style findet ihr in diesem Heft. Viel Spaß beim Lesen!

Die Goldenen Zitronen »Turnschuh«

Daniel Koch (im Namen der Redaktion)

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Das Leben der Anderen

DAS LEBEN DER ANDEREN

Es ist immer wieder eine Freude, mit jungen Kreativen zusammenzuarbeiten: Für unsere Style-Strecke über nachhaltige Mode holten wir uns diesmal die 23-jährige Spanierin Alva Galim an Bord, deren Collagen wir auf Instagram entdeckten. »Ich liebe es, mit Formen zu spielen, sie zu dekonstruieren und neu zu verbinden, bis sie wieder eine gewisse Harmonie ausstrahlen«, erklärte sie uns im Interview, das ihr auf intro.de unter #Alva Galim findet.

Yes, wir können endlich in Rente gehen! Das höchste aller Ziele im Journalismus ist erreicht: einmal von der Titanic verarscht zu werden. Die sonst nicht gerade zimperlichen Frankfurter haben diesmal allerdings recht liebevoll agiert und unsere AnnenMayKantereit-Titelstory für ihr eigenes Bandprojekt Haulihützschri nachgebaut. Der nächste logische Schritt ist schon in Planung: Wir interviewen Haulihützschri. Aber ob das für den Titel reicht?

Aus der Redaktion Carsten: »Kind, geh ins Internet – die haben da alles!« Wolfgang: »Bevor ich jedes Mal nachgucke, ob da jetzt Kohlenhydrate drin sind oder nicht, esse ich abends einfach gar nicht mehr.«

Eine etwas förmliche Kulisse zu einem ernsten Thema: Im eher funktionalen Konferenzraum des Berliner Intro-Büros kam der Roundtable zusammen, an dem wir für unsere Titelstory über die filigrane Verbindung von Pop und Politik sprachen. An den Gesichtern kann man erkennen, dass die Runde zum Zeitpunkt des Fotos bereits zwei Stunden zusammensaß.

Modestrecke zum zweiten: Bevor die bereits erwähnte Künstlerin die Bilder für ihre Collagen verwenden konnte, trafen sich #StyleRedakteurin Frederike, Bildredakteurin Frederike (ja, es ist verwirrend), Fotograf Patrick und Model Luisa zum Shooting in einem Ehrenfelder Studio. Und wie man sieht: Spaß hatten sie durchaus dabei.

Senta: »Hach, seitdem ich bei Facebook mit Pumuckl befreundet bin, ist das Leben noch ein bisschen schöner geworden.« Christian H: »Senta, was’n mit deinen Haaren los? Sieht aus, als hätten zwei Eichhörnchen drin gefickt.«


Inhalt

INHALT #Intro Bilder von: Martin Parr, Olaf Breuning, Steph Wilson

#Pop 8

Andra Day: Danke, Stevie Wonder! 12 Stabil Elite: Ein Popmusik-Entwurf 14 Familienbande: Colin Hanks Auftakt mit: Kratzen & Beißen, Ebbot Lundberg, Highasakite, Beth Orton, Egon Forever, Kristin Kontrol, Gold Panda

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Ein bisschen Krawall: Boys Noize

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Arthur Beatrice: Spagat mit Spektakel 38 Kein Hauch von Abgefucktheit: Flume 40 The Kills: Trennungen und Fremdgänge 42 Cover-Welten: Kronen 44 Die Heiterkeit: Zwiespalt und Ambivalenz 46

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Wie man oben mitmischt: Peter Bjorn And John 48 Pantha Du Prince: Mit Leinenhose und Schlappen 50

#Kultur Felix von Groningen über »Café Belgica« 56 »Green Room«: Wie man Nazis klatscht 58 Idris Elba über »Bastille Day« 60 Neue Filme: Im Kino und auf dem Sofa 64 Games: Uncharted 4, Battleborn, Star Fox Zero u.a. 72

#Life Titelthema: Pop & Politik in Deutschland

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Reportage: Virtual Reality als Therapie 78 Rezepte der Popkultur: Pizza aus »Breaking Bad« 82 First World Problems: Körpergeruch 84

#Style Modestrecke: »Nachhaltige Mode« 86 Leihen statt kaufen: Kleiderei Köln 90 Technik: Mini-Cams 92

#Review

Love A »Brennt alles nieder«

Platten vor Gericht 96 Neue Platten: Radiohead, James Blake, Beyoncé, Drake, Gold Panda, Die Heiterkeit, The Kills, Jessy Lanza, Melvins, Minor Victories, Moop Mama, Mourn, Oracles, Stabil Elite und viele mehr 100 Impressum / Dein Intro 6 Abo 13 Katz & Goldt / Demnächst 130

#Preview Intro empfiehlt 120 Kalender 122

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#Intro Dein Intro

DEIN INTRO Und wo warst du im Juni 2006? Intro #139

Covergeschichte: Auf dem Cover kommen die Meltmeister

zur Sprache: Pet Shop Boys, Herbert, Justine Electra, The Streets und Mocky. Es gibt ja schließlich auch ein Leben neben der Fußball-WM! Storys: The Streets, Sonic Youth, Keane, Wolfmother, Mocky, Pet Shop Boys, Justine Electra, Herbert, Die Goldenen Zitronen, Built To Spill, Peeping Tom, Señor Coconut & Nouvelle Vague, Scritti Politti Wichtige Alben: Gnarls Barkley »St. Elsewhere«, Amusement Parks On Fire »Out Of The Angeles«, Gonzales »From Mayor To Minor«, Justine Electra »Soft Rock«, Fire In The Attic »I’ll Beat You, City«, Herbert »Scale«, Mocky »Navy Brown Blues«, Udo Lindenberg »Damenwahl«, Midlake »The Trials Of Occupanther«, Mobb Deep »Blood Money«, The New Amsterdams »Story Like A Star«, Portugal, The Man »Waiter: ›You Vultures!‹«, The Raconteurs »Broken Boy Soldiers«, Wolfmother »Wolfmother« Platten vor Gericht: Sieger: Señor Coconut – 7,71 / Letzter: Mariannenplatz – 2,41 Besondere Vorkommnisse: Wohin man auch blättert: Fußball! Sogar in der Modestrecke, einer Art Foto-Love-Story, nur mit Fußball statt mit Love – was für viele ja das Gleiche ist: Ein Flitzer wird auf seinem Weg ins Stadion begleitet. Schlagzeile des Monats: Am 9. Juni beginnt die WM / Drafi Deutscher stirbt / Mit der Galápagos-Riesenschildkröte Harriet stirbt eins der weltweit ältesten Tiere

IMPRESSUM Verlag Intro GmbH & Co. KG, Oppenheimstraße 7, 50668 Köln Fon +49 221 94993-0, Fax +49 221 94993-99 verlag@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de Herausgeber & Geschäftsführer Matthias Hörstmann Chefredakteur Daniel Koch (V.i.S.d.P.) Stellv. Chefredakteur Wolfgang Frömberg Artdirector Holger Risse Projektleitung Martin Lippert Redaktion Senta Best (#Life), Wolfgang Frömberg (#Kultur), Daniel Koch (#Pop), Christian Steinbrink (#Review), Frederike Ebert (#Style), Frederike Wetzels, Nadine Schwickart (Foto), Kristina Engel (Lektorat), Sermin Usta (Volontariat) Redaktionsassistenz Alexandra Heckel Live-Redaktion Carsten Schumacher, Julia Brummert, Thomas Lorber, Dominik Bruns Layout Jörn C. Osenberg (osi) Online- & News-Redaktion (news@intro.de) Philip Fassing (Leitung Digitale Medien & Produktentwicklung), Bastian Küllenberg (Leitung Digitale Medien & Social Media), Christian Fernandes Ferreira Terminredaktion termine@intro.de Texte Lena Ackermann, Aida Baghernejad, Hannah Bahl, Emanuel Bergmann, Kristof Beuthner, Alex Bohn, Jan Bojaryn, Annett Bonkowski, Andreas Brüning, Dominik Bruns, Cay Clasen, Doc Intro, Elisabeth Eberhardt, Valentin Erning, Lars Fleischmann, Lisa Forster, Boris Fust, Nina Gierth, Steffen Greiner, Claudius Grigat, Elisabeth Haefs, Henrik Hamelmann, Nils Herrmann, Mark Heywinkel, Leopold Hutter, Christian Ihle, Ulf Imwiehe, Paula Irmschler, Sebastian Jegorow, Madleen Kamrath, Kerstin Kratochwill, Mario Lasar, Julia Maehner, Konstantin Maier, Nadja Neqqache, Sarah Neuhaus, Katja Peglow, Kerstin Petermann, Olaf Radow, Verena Reygers, Henje Richter, Sven Riehle, Martin Riemann, Felix Scharlau, Christian Schlodder, Simone Schlosser, Michael Schütz, Hanno Stecher, Till Stoppenhagen, Thorsten Streck, Gabriele Summen, Karola Szopinski, Klaas Tigchelaar, Jan Tölva, Stephan Uersfeld, Nisaar Ulama, Daniel Voigt, Linus Volkmann, Benjamin Walter, Timo Weber, Jan Wehn, Liz Weidinger, Michael Weiland, Holger Wendt, Kai Wichelmann, Katrin Wiegand, Gregor Wildermann, Sebastian Witte, Peter Wittkamp, Fabian Wolff, Marius Wurth, Louisa Zimmer, Menachim Zwartmann Cover Holger Risse Illustrationen Peter Hoffmann, Alexandra Ruppert Fotos Carmen Catuti, Christian Debus, Patrick Essex, Michael Obenland, Katharina Poblotzki, Alena Schmick, Florian Schüppel, Märta Thisner, Christoph Voy, Paula Winkler, Getty Images und Pressebildfreigaben Personal & Organisation Rebecca Wast (Leitung), Anika Winter PraktikantInnen Angela Klein, Sophia Sailer, Kira Schneider, Maja Stock Vertrieb Dominik Raulf (Leitung – Fon +49 221 94993-41) Abo Moritz Tontsch (abo@intro.de) Brandmanagement Eike Wohlgemuth Public & Media Relation Claudia Davis (claudia.davis@gemeinsame-sache.net) Vermarktung Director Sales & Marketing Oliver Bresch (Fon +49 221 94 993-13) (Marken & Media) Head of Sales Intro Martin Lippert (Fon +49 221 94 993-17) (Musik, Film, Marken) Büro Köln Fon +49 221 94 993-Durchwahl: David Winter -63 (Head of Digital Sales / Marken & Media), Sabrina Esser -33 (Marken & Media), Kathrin Marion Fischer -75 (Digital Sales) Büro Berlin Fon +49 30 4036705-Durchwahl: Sebastian F. Dudey -11 (Live Entertainment & Kleinanzeigen), Frank Straessner -20 (Marken, Media & Musik) Auftragsannahme & Administration Eva Sieger (Leitung) -14, Florian Schuster -16 Fax +49 221 94 993-88 Aktuelle Anzeigenpreisliste: Mediadaten 2016 (Nr. 26 aus 11/2015) Download Mediaunterlagen hoerstmann.de/mediadaten Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G., BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900

Sehr amüsiert haben wir uns über diesen Post von OK KID, mit dem sie Drake mitteilten: »OK! Sich Raffi Balboa als Vorbild nehmen: Verständlich! Aufmerksam das Intro Magazin lesen, in dem Raffis Foto (Ende März) veröffentlicht wurde: Voll OK! Aber so krass zu biten und kopieren, ist zu offensichtlich.« Eine Antwort von Drake steht noch aus.

Jeden Monat das gleiche Spiel, aber im veröffentlichungsreichen Juni passierte es noch ein wenig früher: Heft voll und noch ein Haufen toller Themen auf dem Tisch. Deshalb exklusiv auf intro.de unter #Interview unser Gespräch mit Kompakt-Act The Field (Foto) und unser Treffen mit der MogwaiEditors-Slowdive-Supergroup Minor Victories.

Termine für Nr. 244 / Juli/August 2016. Redaktionsschluss: 03.06.2016; Termin- & Anzeigenschluss: 10.06.2016; Druckunterlagenschluss: 14.06.2016; Erscheinungstermin: 27.06.2016 Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen IVW-geprüfte Auflage & Verbreitung I. Quartal 2016 Druckauflage: 84.979 / verbreitete Auflage: 82.662 (Durchschnittszahlen) Bezugsquellen Erhältlich an 1.236 Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet sowie im Abonnement Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, 100% Altpapier. Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos!


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»Es gibt viele KollegInnen, die es in den Krieg zieht. Ich habe nichts dagegen. Mich aber zieht es in den Supermarkt um die Ecke, weil ich die Wirklichkeit dort zeigen möchte«, beschreibt der britische Fotograf Martin Parr die Beweggründe seiner Arbeit. Dort, im versinnbildlichten Alltag, traf er wohl auch auf diese dezent gebräunte Dame. Eine Retrospektive mit seinen Werken ist aktuell im Kunst Haus Wien zu sehen.


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Das Leben ist nicht immer einfach, und deshalb begegnet ihm Olaf Breuning mit einer gehörigen Portion Ironie. Dabei spielen Pop und Medien eine ebenso große Rolle wie Konsum und Kitsch, Täuschung und Künstlichkeit. Eine Retrospektive des vielseitigen schweizerischen (Multimedia-)Künstlers läuft noch bis Ende August im NRW-Forum Düsseldorf. Begleitend hat Alan Bieber eine erste große Breuning-Monografie herausgegeben.


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Wir Frauen schrubben und pulen und zupfen und rasieren und sprühen und waschen unsere Körper, weil uns irgendwann mal wer gesagt hat, dass sich das so gehört. Scarlett Carlos Clarke und Luisa Le Voguer Couyet sind es leid und zeigen in ihrem Hate Zine (hatezine.com) Körper und die daraus hervorgehenden Flüssigkeiten, wie sie sind, setzen sie in einen anderen Kontext und spielen damit. Die erste Ausgabe von »Hate« ist bereits vergriffen, die zweite mit diesem Foto von Steph Wilson gerade erschienen.


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#Pop #Andra Day

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Andra Day

WONDER WOMAN #Pop — 15 Jahre sind eine lange Zeit. Einzig und allein das Release des eigenen Debüts kann diese Dauer von einem Augenblick auf den anderen vergessen machen – oder besser: dokumentieren. Andra Day hat lange auf eine Chance hingearbeitet und sie mit »Cheers To The Fall« nun erhalten. Man kann Gott, äh, Stevie Wonder danken, dass er ein enges Verhältnis zu seinen Ex-Ehefrauen pflegt. Foto: Paula Winkler

ls im Februar die Grammy Awards in Los Angeles verliehen wurden, gehörte ihr Auftritt zu den Highlights. Andra Day teilte sich die Bühne mit Ellie Goulding, die von Day mal eben mit ihrem Song »Rise Up« in den Schatten gestellt wurde. Obwohl sie als Newcomerin gilt, haftet der 31-Jährigen schon jetzt die Gelassenheit einer erfahrenen SoulDiva an. In San Diego geboren, sang Day im Kirchenchor, lernte an ihrer Highschool Tanz und Musik und versuchte es mit Anfang 20 in ihrer Wahlheimat Los Angeles als Straßenmusikerin. Nicht allein wegen ihres klassischen Erscheinungsbildes fällt es leicht, in ihr das Mädchen zu sehen, das von Kindesbeinen an im Schaukelstuhl wippend Ikonen wie Billie Holiday, Nina Simone, Etta James, Lauryn Hill und Janis Joplin hörte, während ihre Familie nebenan Football schaute. Aber erst mit dem Wissen, dass Stevie Wonder die Sängerin entdeckte, nachdem dessen Ex-Ehefrau Kai Millard Morris ihm Live-Aufnahmen von Day zugespielt hatte, wird das Bild der leidenschaftlichen Sängerin »Wenn man komplett. Wenn Motown-Le- jung ist und gende Stevie Wonder Karriere fragt: »Isn’t she lovely?«, ist das rheto- machen risch gemeint und möchte, ist im selben Augenblick man geneigt, Gesetz. Ein ErfolgsLeuten zu erlebnis und Befreiungsschlag zugleich. vertrauen, die Denn wie viele Künst- einem vieles ler vor ihr hat auch versprechen, Day schlechte Erfahaber am Ende rungen mit dem Musikgeschäft gemacht: wenig davon »Wenn man jung ist halten.« und Karriere machen möchte, ist man geneigt, Leuten zu vertrauen, die einem vieles versprechen, aber am Ende wenig davon halten. « Nachdem Day sich aus den Fängen ihres alten Managements befreien konnte, stellte Wonder ihr Adrian Gurvitz vor, der unter anderem für den Soundtrack von »Bodyguard« verantwortlich zeichnet. Mithilfe von Gurvitz, Produzenten wie Raphael Saadiq und Roots-Schlagzeuger ?uestlove feilte Day an ihrem musikalischen Stil. Mit ihrem Debüt ist ihr nicht nur ein wunderbarer GenreRitt durch Pop-, Soul- und Jazz-Landschaften gelungen, sie widmet diese auch ganz nach Wonder’scher Tradition: der Liebe. Eine Reife, die Andra Day auch im Umgang mit den ständigen Vergleichen mit Amy Winehouse und Adele lebt. Schließlich ist Gelassenheit immer noch die schönste Form des Selbstbewusstseins und »Cheers To The Fall« ein Debüt, das vermeintliche Konkurrentinnen ganz sicher vor Neid erblassen lässt. Sermin Usta — Andra Day »Cheers To The Fall« (Warner / VÖ 15.04.16)


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#Pop #Stabil Elite

Welt schickt. »Pack den Tabak ein, du bist frei«, das ist der Tod. Du hast es geschafft. »Gefallen dir deine Worte«, meint: Gefällt dir, was du gemacht hast in deinem Leben, bist du damit zufrieden?

Stabil Elite

Ein bisschen musste ich bei den neuen Songs an italienische SchmonzettenSoundtracks denken. LC: Na klar, »<3« ist schon irgendwie ein Schla-

DAS BISSCHEN SCHLAGER

ger. Das ist aber wirklich auch der einzige. MS: Finde ich nicht, für mich ist »Spumante« noch mehr Schlager. NS: Ich meine, es gibt ja auch guten Schlager. Wie oft müsst ihr eure Texte erklären? Und: Also nicht mehr, aber in den 70ern.

#Pop — Statt kühler NewWave-Beats und Krautrock erklingt auf dem zweiten Album von Stabil Elite aus Düsseldorf softpornoesk angehauchter Italo-Disco-Pop. Die Texte bleiben kryptisch. Senta Best hat Nikolai Szymanski, Lucas Croon, Martin Sonnensberger und Timo Hein getroffen. Foto: Frederike Wetzels

wurden wir komischerweise mehr dazu befragt, obwohl es da weniger Text gab. Bisher ging es in Interviews eher um die Ästhetik, die Musik und das Drumherum. Ich glaube, manche trauen sich auch nicht so richtig, nach den Texten zu fragen, weil sie die nicht verstanden haben.

Nervt das? NS: Es geht eigentlich. Bei der alten Platte

Könntet ihr euch vorstellen, irgendwann musikalisch in Richtung Schlager zu gehen? Alle: Neee. NS: Ich glaub nicht. Wir spielen ja mit Assozi-

ationen und Bildwelten, das macht uns Spaß. Aber ich glaub, die nächste Platte wird wieder ganz anders. Dieses Glattgebügelte ist jetzt ein bisschen durch. Man hat immer was vor Augen und will das verwirklichen, und danach Gutes Stichwort. Ich frage trotzdem. In »For- ist auch gut. Dann muss man sich wieder neue mula« heißt es: »Ich bin dabei, eine Idee zu Ufer erkämpfen. verlieren, und packe zu, doch sie schüttelt LC: Für mich ist es eher ein Entwurf von Popsich.« Was meint ihr damit? musik als Schlager. NS: Das ist eins der ältesten Stücke auf der Plat- Lust auf ganz andere Sachen – was denn? te, und es geht um einen künstlerisch erhöhten Wissenschaft- »Dieses Glattgebügelte ist jetzt ein lertypus, der in der Krise steckt. bisschen durch. Man hat immer was vor Er versucht, einen Gedanken zu Augen und will das verwirklichen, und fassen, kriegt den aber nicht so danach ist auch gut.« richtig ausformuliert. LC: Man kann das auch ein bisschen allgemeiner sehen. Wenn man vielleicht NS: Keine Ahnung. Vielleicht eine Noise-Amgerade in einem kreativen Prozess ist und eine bient-Platte und danach ‘ne Techno-Platte. Die Idee hat und versucht, die umzumünzen in Leute, die sich mit unserer Musik befassen, Musik oder in Text oder so, und man weiß sehen, dass da unheimlich viele Querverweise eigentlich schon genau, wie das aussehen soll, drinstecken. Bei uns ist schon immer alles ein kann es aber noch nicht formulieren. bisschen konstruiert. Das soll aber so sein. Einer noch, aus »Rave Maria«: »Gefallen dir deine Worte? Die sibirische Eskorte«? NS: Das ist vom alten Album, eine Art Begräb-

nisrede, wenn man jemanden in eine andere

— Stabil Elite »Spumante« (Italic / Rough Trade) — Auf Tour vom 09. bis 16.07. — Das komplette Interview findet ihr auf intro.de


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14.15.16.17 July 2016 Ferropolis, Germany

Disclosure, Deichkind, Tame Impala, Jamie xx, Two Door Cinema Club, Chvrches, M83, Solomun, Boys Noize (live), Maceo Plex, Ben Klock, Modeselektor (DJ-Set), Skepta,

Acid Arab, Andy C, Andy Stott (live), Benjamin Damage, Black Coffee, Black Cracker, Blind Observatory, Bob Moses, Bomba EstĂŠreo, Boris, Circa Waves, Coma, Cormac, Cosmin TRG, Damian Lazarus, Dekmantel Soundsystem, Digitalism, DJ Koze, DJ Phono, Dr. Rubinstein, Drangsal, Ed Davenport, Ellen Allien, Fatima Yamaha (live), Floating Points (live), Freddy K, Fritz Helder, George FitzGerald, Gold Panda, Graham Candy, Gunjah, Hard Ton, Heidi, Helena Hauff, Hi Fashion, Ho99o9, Honey Dijon, Horse Meat Disco, Illesnoise, Isolation Berlin, Jamie Woon, JD Samson, Josh Wink, Kim Ann Foxman, Klyne, Kobosil, Kode9, Kollektiv Turmstrasse (live), Kuriose Naturale, Kytes, La Fleur, Lady Leshurr, Laurel Halo, Lea Porcelain, Leon Vynehall, Liss, Magdalena, Makam, Mano Le Tough, Marco Resmann, Matthias Meyer, Maya Jane Coles, Mind Against, Motor City Drum Ensemble, Muallem, Mura Masa, Niko Schwind, Noah Kin, Oddisee & Good Company, Oliver Koletzki, Pan-Pot, Partok, Peaches, Peak & Swift, Peggy Gou, Pev & Kowton (Livity Sound), Renato Ratier, Roosevelt, Sango, Sarah Farina, Say Yes Dog, Several Definitions, SG Lewis, Shed, Shifted, Sleaford Mods, Sophie, Stephan Bodzin (live), Still Parade, Stimming (live), The Black Madonna, Tiga (live), Tijana T, Tom Trago, Vater&Sohn, Vessels, Virginia (live) feat. Steffi & Dexter, Vril (live), Woman, Zed Bias, Zomby, Ă˜ [Phase]


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#Kultur #Colin Hanks

Colin Hanks

BERÜHMTE VÄTER UND EINE KAPUTTE FAMILIE #Kultur — Colin Hanks ist längst aus dem Schatten seines Vaters Tom getreten. Vor allem in TV-Serien hat er sich einen Namen als Schauspieler gemacht – etwa in »Roswell«, »Dexter« und »Fargo«. Lars Fleischmann sprach mit ihm über sein Regie-Debüt, den Dokumentarfilm »All Things Must Pass – The Rise And Fall Of Tower Records«, in dem es um den einst größten Platten­laden weltweit geht. Foto: Jeff Vespa / Getty Images Bist du Musik-Liebhaber?

Ja, ich bin seit 15 Jahren Vinyl-Sammler.

Woher rührt dein besonderes Interesse für Tower Records, den einst größten Plattenladen der Welt mit 200 Filialen in 30 Ländern?

Ich komme aus Sacramento, wo Tower Records entstanden ist. Als Kind habe ich viele Stunden dort verbracht. Nachdem der Laden schließen musste, fand ich heraus, dass der Gründer Russ Solomon aus einer TanteEmma-Laden-Familie kommt. 1960 eröffnete er Tower Records und »erfand« damit den Die Standarderzählung lautet, dass Napster Plattenladen. und MP3 Tower Records gekillt haben. Im

Aber das ist nicht die ganze Wahrheit?

Gespräche mit ihnen?

Nachdem Russ sich wegen eines Herzinfarkts zurückziehen musste und sein Sohn Michael die Nachfolge antrat, reagierten viele von Russ’ alten Weggefährten ablehnend. Du weißt, wie es ist, Sohn eines sehr bekannten Vaters zu sein. Empfindest du besondere Sympathie für diese Bürde?

Es gab hausgemachte Probleme bei Tower Records. Man expandierte weltweit, in Länder, die einfach keinen vierstöckigen Plattenladen brauchten. Jahrelang lebte man davon, dass die Leute immer wieder ihre alten Platten kauften – nur halt auf neuen Medien: Platte, Kassette, CD. Aber es gab keinen physischen Du lässt Zeitzeugen sprechen. Wie liefen die Film verweigerst du dich dieser Deutung. Nachfolger für die CD. Dann kam die Flaute. Was war wirklich das größte Problem?

Wenn du mit einem so offenen Menschen wie Russ meinte, dass man eine Generation KunRuss Solomon zu tun hast, ist alles einfach. den verloren habe, als die Musikindustrie nur Aber auch alle anderen wollten die Geschichte von Tower Records »Russ meinte, dass man eine Generation erzählen – und zwar die ganze! Kunden verloren habe, als die Musik­ Viele Mitarbeiter hatten Jahrzehnte in der Firma verbracht, bevor sie 2006 Bankrott ging. Alle verloren ihren Job.

industrie nur noch Alben verkaufte und Ich kann beide Seiten verstehen – Michaels das Geschäft mit den Singles einstellte.« und die Gegenseite. Die muss damit leben,

Deswegen wollten sie darüber reden. Mein Film ist keine Wirtschaftsdokumentation. Im Vordergrund steht die Tower-Records-Familie, die zusammenwächst und wieder auseinandergerissen wird.

dass jemand aufgrund seines Namens über noch Alben verkaufte und das Geschäft mit den sie gestellt wird. Aber Schauspiel und EinzelSingles einstellte. Die Plattenläden blieben leer. handel sind unterschiedliche Felder. Wenn du 18 Dollar für das eine Lieblingslied ausgeben sollst, suchst du Alternativen. Diese — »All Things Must Pass – The Rise And Fall Of Tower Lücke haben Napster und P2P besetzt. Records« (USA 2015; R: Colin Hanks; auf DVD, Universal)


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#Pop #Style

Manchmal muss man eben Glück haben: Als Juliette Lewis am 27. April mit ihrer Band The Licks im Docks in Hamburg gastierte, schmetterte sie einige Fotoanfragen namhafter Zeitungen ab. Die Anfrage des Fotografen Dennis Dirksen für unsere Rubrik »Vorher/Nachher« weckte ihr Interesse jedoch augenblicklich. Erst sagte sie »Cool concept!« – und dann zu. Die Sängerin und Schauspielerin ist aber auch einfach die perfekte Wahl: Wer sie einmal schreien, singen, über die Bühne kriechen, von Boxen springen oder auf dem Publikum hat laufen sehen, weiß, was damit gemeint ist.


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SUMME

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FESTIVAL AM HOCHOFEN 17.–19.6.2016 LANDSCHAFTSPARK DUISBURG NORD

Air Tocotronic Patrice Moop Mama Dinosaur Jr Ásgeir Fünf Sterne Deluxe Goat Turbostaat Matt Simons Augustines Kelvin Jones Gloria Jochen Distelmeyer / Razz / Mine / Bernd Begemann & Die Befreiung / Spain / Meute / Milliarden / Grandbrothers / Charlie Cunningham / I Have A Tribe / Christian Kjellvander / Neufundland / Sarah And Julian / Hein Cooper / u.a.

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HAUPTSPONSOR


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#Pop #Life

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Ebbot Lundberg & The Indigo Children

»DIE BESTE BAND, DIE ICH JE HATTE« #Pop — Der ehemalige Sänger von The Soundtrack Of Our Lives (TSOOL) und Union Carbide Productions hat kürzlich sein folkiges, psychedelisches Soloalbum »For The Ages To Come« veröffentlicht. In diesem Monat tourt er mit seiner Begleit-Band The Indigo Children durch Deutschland. Daniel Koch telefonierte nur zu gerne mit dem Schweden.

Mach’s dir selbst #12 Innere Leere vermarkten #Life — Überall und auf so gut wie jedem Gebiet wird Scheiße zu Gold gemacht. Warum also nicht die ab und an aufkommende Depression a.k.a. innere Leere an Großkonzerne verkaufen? Das einzige Problem dabei: Ist das blöde Gefühl einmal da, fehlt meist der Vermarktungsantrieb. Und fehlt das Scheißgefühl, hat man eben keine passende Werbefläche. Aber in der Theorie ist es ganz einfach, guck: Idee & Illustration: Peter Hoffmann

er Ebbot Lundberg einmal zu TSOOLZeiten in Aktion erleben durfte, wird diesen Anblick nicht vergessen haben. Seine mal hauchende, mal brüllende Stimme, die massige Präsenz, das mönchsgleiche Charisma und der hin und wieder durchscheinende Irrsinn machten ihn zu einer speziellen Bühnenfigur. Nach einem Instrumentalwerk und einem Live-Album klingt »For The Ages To Come« wie TSOOL nach einer Frischzellenkur. »Ich vermisse das Bandleben keineswegs«, brummt Ebbot ins Telefon, »aber man hört sicher, dass einige Songs an damals anknüpfen.« Er schätze es eben, Songwriting und Produktion in seinen Händen zu haben. Dazu holte er sich mit The Indigo Children eine junge schwedische Band ins Studio, die er nun mit auf Tour nimmt. »Die Jungs haben schon als Teenager bei uns im Vorprogramm gespielt und mich umgehauen. Als sie im Studio meinen ersten Song spielten, dachte ich: ›Perfekt! Genau so soll er klingen!‹ Sie sind die beste Band, die ich je hatte.« Autsch. Das wird die alten Weggefährten schmerzen. Es ist generell kein schlechter Moment für Ebbot, mit solch eingängigen Songs wiederzukehren. In seiner Heimat muss er oft für Selfies posieren, seit er beim schwedischen Pendant zu »Sing meinen Song« teilgenommen hat. »Als die Produzenten anriefen, konnte ich nicht Nein sagen. Eine der Teilnehmerinnen war eine Folksängerin aus den 1960ern, in die ich als Junge verliebt war. Sie hat damals sogar mal mit den Bee Gees aufgenommen.« — Ebbot Lundberg & The Indigo Children »For The Ages To Come« (Haldern Pop / Cargo) — Drei exklusive Release-Shows: 06.06. Berlin, Kantine Berghain — 07.06. Hamburg, Nachtasyl — 08.06. Köln, King Georg


#Pop

Kristin Kontrol

EIN GRÖSSERES STÜCK VON MIR #Pop — Sie wollte einen neuen Sound finden und dafür nicht nur Garage-Rock abbilden, sondern auch die Wailers und R’n’B: Kristin Welchez a.k.a. Dee Dee von den Dum Dum Girls goes solo – und verdankt ausgerechnet ihrem Exfreund – dem »Scheiß-Idioten« – ihren kraftvollen Bandnamen. Text: Steffen Greiner

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igentlich muss man zunächst erzählen, wie aus Kristin Welchez Kristin Kontrol wurde, weil es viel über die Musikindustrie dieser Tage aussagt – und natürlich genauso viel über die Künstlerin selbst. Denn dass die Musik, die ihr nach dem letzten Album der Dum Dum Girls vorschwebte, unter jenem Label nicht laufen konnte, war ihr früh klar – zu sehr schränkte sie, trotz der konstanten Weiterentwicklung des Sounds, die Assoziation der Band mit Instagram-Filter-Rock und dunklem Leder ein. Diesmal wollte sie all ihre Einflüsse abbilden, und dazu gehören eben nicht nur Garage-Rock und Blondie, sondern auch die Wailers und R’n’B. Ihr Label Sub Pop war not amused. Ein Projektname musste trotzdem gefunden werden. Nach vielen Verwürfen – mal

ISABELLE HUPPERT

GABRIEL BYRNE

JESSE EISENBERG

wegen zu niedriger Googlebarkeit, mal aufgrund zu großer Nähe zum Dum-Dum-GirlsNamen – fand sich die Lösung schließlich an Heiligabend in ihrer alten Stammkneipe. Man tauschte Anekdoten aus – die ersten Dates, die alten Partys – und landete bei der Story, wie Kristins frisch verlassener Ex-Freund diese in einem Mimimi-Moment mit einem beleidigten »Oh, du bist so cool jetzt, mit deinen neuen Freunden, Kristin Kontrol!« angegangen war: »Und ich so: ›Du bist ein Scheiß-Idiot – und, wow, das ist ein großartiger Name!‹ Das ist seitdem meine Mailadresse. Und während ich über die Geschichte lachte, wurde klar: Das ist genug ich selbst und gleichzeitig genug Statement.« Und passt genau zu dieser Sammlung

von Songs, die Rumi und Eno zitieren, R’n’BVorbilder feministisch neu deuten, aber trotzdem und vor allem, so Welchez, »der perfekte Hybrid« sein wollen, so einfach und kraftvoll wie Lou Reeds »Perfect Day« und zugleich abseitig wie Kate Bush. »X-Communicate« ist Blaupausen-Pop – im allerbesten Sinne. — Kristin Kontrol »X-Communicate« (Sub Pop / Cargo)

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#Pop #Life

3 Fragen an

BETH ORTON #Pop — Für ihr neues Album verlernte die britische Künstlerin Beth Orton ihre Musik-Skills, experimentierte in Gesellschaft von Andrew Hung von den Fuck Buttons in einem Gartenstudio in L.A. mit alten Keyboards und nahm die dort entstandenen Loops als Basis. Das Ergebnis heißt »Kidsticks« und führt – wie so oft in Ortons Schaffen – elektronische Musik mit klassischem Songwriting zusammen. Interview: Michael Schütz

In deinem Album finden sich viele Naturmetaphern, die Sounds sind sehr weich, der Tonfall nachdenklich. Kurz: Es klingt eigentlich so gar nicht, wie ich mir ein in L.A. entstandenes Album vorstellen würde. Warum also diese Stadt?

Mein Mann ist Amerikaner. Wir wollten mit unseren Kindern eine Weile in den Staaten leben. In L.A. hatten wir schon einige Freunde, deshalb sind wir dorthin. Geplant war es nicht unbedingt. Aber einer dieser Freunde hat ein Studio im Garten. Dort entstand die Grundlage für »Kidsticks«. Dort hast du mit Andrew Hung von den Fuck Buttons gearbeitet. Warum er?

Er wollte unbedingt mal mit mir arbeiten, und ich wusste nicht so recht, wie ich das Album beginnen sollte. Also kam er vorbei, und wir experimentierten gemeinsam. Ich schrieb die Melodien auf dem Keyboard, ein Instrument, das ich kaum beherrsche. Schon lustig: Nachdem ich zehn Jahre gebraucht habe, um mit meinem Gitarrenspiel zufrieden zu sein, warf ich dort alles über Bord und spielte wie ein neugieriges Kind mit Sounds und Loops. Dennoch klingt das Album auch sehr organisch, nach klassischer Singer/SongwriterInstrumentierung. Warum das?

Nach zehn Tagen reiste Andrew nach London, und ich arbeitete alleine weiter und schickte ihm immer mal wieder Material. So richtig glücklich war ich mit den Ergebnissen nicht. Aber dann stellte ich meine Band zusammen, und auf einmal lief es. Ich fühlte mich, als hätte ich Wasser in der Wüste gefunden. Es kommt also nicht von ungefähr, dass ich auch als Produzentin genannt werde: Andrew war wichtig für den Prozess, aber ich war der Kapitän, ich habe das Schiff gesteuert und die Crew zusammengestellt. — Beth Orton »Kidsticks« (Anti- / Indigo) — Albumstream und komplettes Interview auf intro.de unter #Beth Orton


#Kratzen & Beißen

Gegen 360°-Eltern

Illustration: Alexandra Ruppert

#Life — Manche Eltern können einem tatsäch­ lich die Lust auf Kinder versauen. Denn in den meisten Fällen nerven nicht die Kleinen, sondern deren offensichtlich komplett fern­ge­ steuerte große Anhängsel, findet Senta Best. »Kinder zu haben ist super, allerdings sollte man andere Eltern meiden!« Solche und ähnliche Sätze höre ich in den letzten Jahren immer wieder. Oder wahlweise diesen: »Bitte sag Bescheid, wenn ich so werden sollte wie XY! Aber ehrlich jetzt!! Ich bin dann auch nicht sauer.« Und dann? Wenige Monate später ist das Kind in den Brunnen gefallen beziehungsweise auf die Welt gekommen, und ratzfatz war Schluss mit Bescheid. Der Gaga-Faktor oder Hormone oder was auch immer hatte sich schneller ins Sprach- sowie Handlungszentrum gefressen, als du Maxi-Cosi sagen kannst. Gilt Bescheid in Textform?? Bescheid!! Bescheid!!! Mündlich klappt es einfach nicht – immer quakt ein Kind oder das dazugehörige Elternteil dazwischen. Was passiert eigentlich in euren vor der Hormondusche doch ganz brauchbaren Hirnen, wenn diese plötzlich Kindern ausgesetzt sind? Dass das ein einschneidendes Erlebnis ist, das erst mal alles auf den Kopf stellt – alles völlig verständlich und bestimmt total super! Aber woran liegt es, dass sich circa 87 Prozent aller Eltern über Jahre hinweg völlig gaga verhalten – auch wenn sie vorher genau das an anderen Eltern bemängelt haben und doch alles anders machen wollten? Unser aller Leben wäre so viel entspannter, wenn ihr möglichst schnell wieder aus eurem Elternschneckenhaus gekrochen kämet und minimal die eigenständigen Personen von vorher würdet. Es ist äußerst bedenklich, dass so gut wie jeder in meinem erweiterten Freundeskreis über all die Idioten in der Kita, auf dem Spielplatz und – vielleicht die Wurzel allen Übels – im Elternkindcafé schimpft. Kriegen etwa nur Idioten Kinder? Was ist mit den normalen Leuten? Oder denen, die es mal waren? Benimmt sich ab dem Zeitpunkt der Entbindung vielleicht jeder automatisch idiotisch? Wahrscheinlich wird man das erst analysieren können, wenn man selbst zum Idioten geworden ist. Beides keine schönen Aussichten. Liebe Eltern, erst wenn eure Kinder nicht mehr ganz so süß sind und euch auf dem Kopf rumtanzen, weil ihr sie zu kleinen Narzissten erzogen habt, werdet ihr feststellen, dass man liberale Erziehung, 360°-Betüddelung und komplette Selbstaufgabe nicht essen kann. Bis dahin habt ihr allerdings euren Freundeskreis komplett gewechselt – und einen Tross an Kita-Idioten-Eltern an der Backe. Und spätestens dann beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn wer Idioten sät, wird Trottel ernten.


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#Pop

»Mir ist bewusst, dass Radiohead in England nicht eine schlechte Review bekommen werden. Ich schätze, wenn Thom Yorke in eine Glühbirne scheißen und reinpusten würde wie in eine leere Bierflasche, hätte das Mojo Magazine auch noch 9 von 10 Punkten für ihn.« Noel Gallagher in einem Interview mit Esquire

Highasakite

DER KLANG DER KRISE #Pop — Vom Trondheim Jazz Konservatorium in die Charts und jetzt ab auf die Selbstreflexions­tanzfläche. Mit ihrem dritten Album zeigen Highasakite, dass sie remixfähig und elektronisch genug für lange Clubnächte sind und trotzdem auch politische Töne nicht auslassen. Hannah Bahl hat sich mit der Band in Berlin getroffen, um über ihr drittes Album zu sprechen.

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er Albumtitel ist schon ein Statement: »Camp Echo« ist nämlich eines von sieben Gefangenenlagern in Guantanamo Bay, das noch immer nicht von den Amerikanern geschlossen wurde. Highasakite vertonen so auf ihrem neuen Album den gesamtgesellschaftlichen Weltschmerz und würzen kräftig mit politischen Referenzen. Da taucht ein Zitat von George W. Bush in »My Name Is A Liar« auf, und ein amerikanischer Soldat wird zum Irakkrieg mit »We started lighting up the city like you wouldn’t believe« zitiert. Auf die Frage, wie wichtig ihnen als Band ein politisches Statement sei, wird allerdings schnell klar, dass Sängerin Ingrid Helen Håvik für ihre Fans nicht das Denken übernehmen möchte: »Ich würde schon irgendwie gerne die Stimme meiner Generation sein, aber wir haben als Band keine Mission, außer gute Musik zu machen. Die Dinge, über die wir schreiben und singen, sind einfach Themen, die uns betreffen oder beunruhigen.« Highasakite gelingt es auf dem neuen Album, so ein Generationskrisengefühl zum

Klingen zu bringen, das von der verlorenen Sicherheit durch die 9/11-Anschläge über die Sehnsucht nach echter Liebe bis hin zu Tschernobyl reicht. Mit dem EDM-Sythesizer-Sound passen sie dabei außerdem perfekt zum derzeitigen 90er-Jahre-Revival. Der neue Klang des Albums war dabei eine ganz natürliche Entwicklung, wie Schlagzeuger Trond Bersu erklärt: »Ich hoffe, dass man bei dem elektronischen Sound immer noch hört, dass wir als Band gemeinsam im Studio etwas geschaffen haben, das nicht nur nach einer Person am Computer klingt.« — Highasakite »Camp Echo« (Propeller / H’Art) — Auf Tour vom 24. bis 29.06.

#Redaktionstipp

Paper Girls Wer mit »Saga« durch ist, kann sich direkt Brian K. Vaughns neuestem Streich »Paper Girls« widmen (Image Comics). Die Geschichte einer Gruppe Zeitungsausträgerinnen, der in der Halloween-Nacht mysteriöse Dinge widerfahren (Zeitreisende? Außerirdische?), ist verflixt spannend, subtil lustig und schlicht cool. Gezeichnet wurde das Ganze von Cliff Chiang, der auch schon gemeinsam mit Brian Azzarello Wonder Woman zu einem großartigen Auftritt verholfen hat. Ich bin längst nicht der einzige Fan von »Paper Girls«: Die Reihe wurde vor Kurzem für zwei EisnerAwards nominiert. Julia Brummert (Volontärin Festivalguide)


#Style

Home

Bar 1

Bar 2 Bar 3

WTF

Club

#App des Monats

Bimble

#Style — Wenn man wieder mal sonntags verkatert im Bett liegt und nicht genau weiß, ob die höllischen Kopfschmerzen oder das Nachmittagsprogramm im TV die tränenden Augen zu verantworten haben, fangen die Gedanken irgendwann an zu wandern: Wo

waren wir eigentlich gestern alles? Warum fehlt Agatha ab ungefähr zwei Uhr auf sämtlichen Gruppenselfies? Wie bin ich eigentlich nach Hause gekommen? Und warum kommt gerade ein Hund aus der Küche, ich hab doch gar keinen Hund? Fragen über Fragen. Hier könnte Bimble ins Spiel kommen. Wer weiß, was ein Jogging-Tracker ist, wird auch das Prinzip von Bimble sofort verstehen: Über GPS verfolgt die App, in welchen Locations man sich des Abends aufhält, und misst mithilfe von Sensoren im Smartphone sowohl den Grad der Aktivität, die man dort an den Tag gelegt hat, als auch den Grad der Betrunkenheit – leugnen hilft da nicht mehr. Mit diesen Daten erstellt die App den sogenannten Morning-After-Report, der schonungslos vor Augen führt, welche Eskapaden man sich geleistet hat. Was sich die Macher dabei gedacht haben, könnt ihr auf intro.de unter #Bimble im Interview mit ihnen nachlesen. Da gibt’s auch den Download.

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#Redaktionstipp

Meme: Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter Ich gestehe: Lange Zeit schwirrte der Begriff »Meme« in meinem Umfeld umher, ohne dass ich wirklich wusste, worum es sich dabei genau handelte. Eine Darstellung aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel liefert die an der Universität von Jerusalem lehrende israelische Kulturwissenschaftlerin Limor Shifman seit Herbst 2014 mit diesem Suhrkamp-Bändchen. Die Autorin behandelt das Thema genauso anschaulich wie tiefgründig und brachte damit sogar Internet-Dummies wie mich auf den aktuellen Stand. Auch jetzt kann ich das Buch noch bedenkenlos empfehlen. Christian Steinbrink (Redakteur Musik)

Enjoy responsibly.

DAS IST NICHT RETRO, DAS GEHÖRT SO.

YES, WE ARE NUTS! #YesWeAreNuts yeswearenuts.de


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#Pop

TOP 7 OBSZÖNE BANDNAMEN Kürzlich erreichte uns das neue Album von Alte Sau und kitzelte mal wieder unsere pubertäre Freude an Bandnamen hervor, die manch einen rot werden lassen. Deshalb gibt es diesmal in unseren Top 7 eine kleine Auswahl an heimischen und internationalen Klassikern. Foto: Florian Schüppel

01 Blumen am Arsch der Hölle

Eigentlich hätte man diese Liste komplett mit den Namen von Jens Rachuts zahlreichen Bands füllen können. Und auch wenn uns seine neueste – besagte Alte Sau – auf die Idee brachte, so muss doch der äußerst vulgärpoetische Name seiner zweiten Band nach Angeschissen diese Liste anführen. Schöngeist und die im Punk weit verbreitete Analfixierung trieben nie schönere Blüten.

02 The Slits

03 Pisse

04 Perfect Pussy

Damit dieses Spiel nicht reine Männerhumorsache bleibt: Auch die Slits – was übersetzt, äh, Die Scheiden heißt – sorgten für rote Wangen, als sie Mitte der Siebziger auf der ersten Punkwelle ritten und so was wie die Vorläufer der Riot Grrrls wurden. Sängerin Ariane Forster alias Ari Up war zur Zeit der Bandgründung übrigens erst 14 Jahre alt. Kürzlich ist auch die Biografie der Slits-Gitarristin Viv Albertine, »A Typical Girl«, auf Deutsch erschienen. Muss man lesen!

Gar nicht so kacke sind auch Pisse. Im Gegenteil: Die 2012 in Hoyerswerda gegründete Punkband ist vielleicht sogar mit das Beste, was Punk dieser Tage zu bieten hat. Eine Aussage, die sie hassen werden – vor allem, weil sie im Intro steht und nicht im Ox. Ihr aktuelles Album »Mit Schinken durch die Menopause« gefällt jedenfalls ungemein – dank Hits wie »Nervenheilanstalt«, »Szeneprinz« und »Scheiß DDR«.

Und wir sind immer noch – oder schon wieder – unterhalb der Gürtellinie und bei Acts, die mit ihrem Schaffen und ihrem Spirit zeigen, dass nicht nur Typen den Unterleib feiern dürfen. Die New Yorker um Meredith Graves sind bekennende Sleater-Kinney-Fans, musikalisch aber im Vergleich eher härter unterwegs. Kein Wunder: Graves stammt aus der Hardcore-Szene und fühlte sich von dem dort immer noch grassierenden Chauvinismus angefeuert.

05 Eisenpimmel

06 Arab Strap

07 Kackschlacht

Die Freunde der filigranen Wortkunst aus Duisburg tragen einen Namen, der sich nicht nur prächtig auf Bandshirts oder als Unterleibstattoo macht, sondern einem mit dem Holzhammer, pardon: Eisenpimmel einprügelt, dass man den Satire-Faktor ihrer Musik nicht unterschätzen sollte. Legendär bis heute: das Boxset ihres Albums »Füße hoch, Fernsehen an, Arschlecken« inklusive Bierdeckel, Bestellkarte »Pizzeria Spacko« und der einzigen Ausgabe von »TV Pimmel« mit der wichtigen Ratgeberstory »So schützen Sie sich vor Abzocke in der Trinkhalle«.

Die vielleicht schwermütigsten in diesem erlesenen Kreise: Aidan Moffat und Malcolm Middleton grummelten bis zur Auflösung 2011 alkoholschwangere, poetische und auch mal versaute Geschichten und benannten sich nach einer Konstruktion aus Lederbändern und Metallringen, die vor allem in Bondage-Kreisen zum Einsatz kommt und zur Sextoy-Familie der Penisringe zählt. Ein Album von Belle And Sebastian heißt übrigens »The Boy With The Arab Strap« – der Titel wurde von der Band inspiriert, nicht vom Sextoy – unfreiwillig komisch ist er trotzdem.

Noch einmal Jetztzeit, noch einmal Deutschpunk: Kackschlacht aus Braunschweig sind eines dieser Gitarre/ Schlagzeug/Gesang-Duos. Die Songs des 2015er-Albums »Kackschlacht« kratzen selten an der Eine-MinuteZeitmarke und können als feinster Pöbelpunk bezeichnet werden. Der besondere Gag bei Kackschlacht: Die beiden sind Altenpfleger und werden den Bandnamen möglicherweise beim Rekapitulieren eines saftigen Arbeitstages ausgewählt haben.


DER FESTIVALSOMMER MIT JANINA UHSE Los geht‘s mit der Festivalsaison 2016! GZSZ-Star Janina Uhse fährt auch in diesem Jahr wieder zu Rock am Ring und freut sich schon auf Sonne, Musik, viel Spaß und Action! Im Interview verrät sie, was beim Festival nicht fehlen darf und welchen Song sie beim Seat CAR-A-OKE am liebsten singt. Janina, welches ist dein Lieblingsfestival und wieso? Ich war bisher nur auf drei verschiedenen Festivals: Rock am Ring, Rock’n’Heim und Coachella. Beim Coachella war ich in diesem Jahr zum ersten Mal und das war schon etwas ganz besonderes. Es ist nicht vergleichbar mit den deutschen Festivals. Es ist mehr ein Happening als ein Festival, wo gefeiert wird. Die Feierkultur in den USA ist ganz anders. Es geht dort viel um Fashion und Trends und ein schönes Gesamtbild. Gibt es einen Gegenstand oder ein Accessoire, das für dich beim Festival niemals fehlen darf? Bequeme Schuhe. Das ist das A und O bei einem Festival. Und die Festival-Saison liegt ja immer im Sommer, daher sollte die Sonnenmilch auch niemals fehlen.

Im vergangenen Jahr warst du mit SEAT bei Rock am Ring, was hat dir dort am besten gefallen? Ich war das erste Mal 2013 mit SEAT bei Rock am Ring. Und obwohl ich nicht unbedingt der extreme Rock-Fan bin, hat mich das ganze Festival in seinen Bann gezogen. Live ist Rock eine ganz andere Nummer. Ich war geflasht von den Eindrücken dort. Die Konzerte von den Toten Hosen und Deichkind waren meine absoluten Highlights. Hast du auch beim SEAT CAR-A-OKE mitgemacht? Na klar habe ich mitgemacht, obwohl ich die schlechteste Sängerin auf Erden bin. Aber wenn es spät wird und dunkel ist, interessiert es eh niemanden mehr, wie man singt. Und im Endeffekt geht es ja um den Spaß. Ich singe immer den gleichen Song: »Mädchen« von Lucilectric. Da bin ich wenigstens textsicher. In diesem Jahr bist du auch wieder dabei. Gibt es etwas, worauf du dich ganz besonders freust? Ich freue mich riesig auf die SEAT Parcours-Strecke. Da kann ich wieder mal unter Beweis stellen, dass an mir eine Profi-Rennfahrerin verloren gegangen ist. Die Festivalbesucher können sich von Motorsport-Profis in einem Renntaxi durch den Parcours kutschieren lassen, ein großer Spaß. Welche Festivals stehen sonst noch in deinem Kalender? Dieses Jahr ist tatsächlich mein Festival-Jahr. Ich war im April beim Coachella und möchte im Juni nach dem Rock am Ring noch zum Sonar Festival und Lollapalooza im Spätsommer. Am liebsten würde ich auch noch zum Tomorrowland, Melt!, Fusion und auch zum Burning Man. Aber das wird zeitlich wahrscheinlich nicht klappen. Irgendwann muss man ja auch arbeiten.


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#Pop

Gold Panda

DIE GEISTER, DIE ICH RIEF #Pop — Derwin Schlecker alias Gold Panda ist mit seinem neuen Album »Good Luck And Do Your Best« zurück und hat sich in Berlin mit Hannah Bahl über Japan und den Mut zum Glücklichsein unterhalten.

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erwin packt gerade die Vinyl-Testpressung von »Good Luck And Do Your Best« aus, als wir uns zum Interview treffen. Auf dem Cover: das Foto eines tristen japanischen Stundenhotels, das im krassen Kontrast zum positiven Titel der neuen Platte steht. »Dass sie jetzt so heißt, war reiner Zufall. Ich bin in Hiroshima Taxi gefahren, und der Taxifahrer

hat mir zum Abschied auf Japanisch ›Good luck and do your best‹ gewünscht. Dieser Satz hat mich dann auch für die weiteren Tracks inspiriert.« Derwin, der eher für filigrane Melancholie als für vor Freude sprühende Songs bekannt geworden ist, schlägt mit seinem dritten Album einen neuen Sound-Weg ein: »Irgendwie war es mir am Anfang fast peinlich, dass meine Musik jetzt plötzlich so glücklich klingt und voller positiver Momente ist. Ich bin selbst meistens nicht sehr positiv und dachte immer, dass es bestimmt nicht so schlau ist, happy Popmusik zu machen, aber am Ende habe ich beschlossen, mich nicht dagegen zu wehren.« Für diese neue Einstellung ist wahrscheinlich auch Derwins verstorbener DJ-Freund Phil Wells verantwortlich, dem er den Track »Song For A Dead Friend« gewidmet hat. »Phil hat das Leben unfassbar geliebt und wollte immer, dass ich das mit der Musik ernsthaft weiterverfolge. Immer, wenn ich jetzt über etwas zu viel nachdenke oder vor einem großen Auftritt Schiss habe, auf die Bühne zu gehen, kommt mir Phil mit seiner positiven Lebenseinstellung in den Sinn.« — Intro empfiehlt: Gold Panda »Good Luck And Do Your Best« (City Slang / Universal) — Auf dem Puls Open Air am 10.06. & auf dem Melt! am 15.07.

AB 9. JUNI AUF BLU-RAY UND DVD. BEREITS JETZT DIGITAL ERHÄLTLICH! © 2016 Warner Bros. Entertainment GmbH. All rights reserved.


#Style

#Tech-Talk

WEVAL ÜBER DIE FORMEL FÜR IHR DEBÜT #Style — Das Electro-Duo Weval aus Amsterdam veröffentlicht Mitte Juni das gleichnamige Debütalbum auf Kompakt. Für diese Rubrik verrieten Harm Coolen und Merijn Scholte Albers die Formel oder vielmehr das technische Setting, das den Sound ihres Debüts prägt.

Für unser erstes Album wollten wir unseren Sound noch rauer klingen lassen. Wir fanden einen Weg, indem wir mit dem Bass-Sound eines Korg Trident in Kombination mit einem Roland Chorus Echo 301 und einem digitalen Plug-in namens Decapitator experimentierten. Der Bass wird zunächst vom Chorus Echo gestaucht und dann im Computer vom Decapitator komplett zerschossen. Heraus kommt ein großer, schmutziger Bass-Sound, was zum

Teil an dem tonnenschweren Noise liegt, den das analoge Signal verursacht. Als wir diesen Klang entdeckten, dachten wir: »Das ist der Kern des Albums!« Man kann ihn sehr gut in den Songs »I Don’t Need It« und »You’re Mine« hören.

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#Kultur #Pop

#Pop #Wer wir sind

I HAVE A TRIBE

Herkunft Dublin, Irland Genre Verträumter Folk Mitglieder 1 Besondere Vorkommnisse Patrick

O’Laoghaire alias I Have A Tribe verlor einst seinen Job als Pianist in einem Hotel. Mutmaßlich, weil er das gleiche Mozart-Stück in Dauerschleife gespielt hatte, um ein schreiendes Baby zu beruhigen. Sicher ist er sich dessen aber nicht. Aktuelles Album »Beneath A Yellow Moon« (Grönland) Du nennst dich I Have A Tribe – wer ist denn dein Stamm?

Ich habe das Wort Tribe auf einer Plakatwand gesehen, und es hat sofort Sinn ergeben und führte eine besondere Wärme mit sich. Wer mein Stamm ist, ist eine schöne Frage. Es ist das Gefühl, wenn du eine Person triffst und mit ihr eine Art von Verständnis oder ein Lächeln teilst oder dich verliebst oder jemandem eine Zigarette anbietest oder jemand dich aufbaut oder so zum Lachen bringt, dass du Bauchschmerzen bekommst. Manchmal passiert es in deinem nahen Umfeld und manchmal mit völlig Fremden.

Comic: »Mezolith«

Im Vergleich zu deinen vorherigen Veröffentlichungen sind viele Songs auf dem Album auf Klavier, Gitarren und deine Stimme reduziert. Wie kam diese künstlerische Entscheidung zustande?

#Kultur — Eigentlich verdient Adam Brockbank seine Brötchen als StoryboardZeichner und Production-Designer für Hollywood-Hochkaräter wie die »Harry Potter«-Filme oder »Star Wars – Rogue One«. In »Mezolith« transportiert er seine Kunst zusammen mit dem Performance-Storyteller Ben Haggarty in die Steinzeit. Text: Bastian Küllenberg

Was ist deiner Meinung nach die wichtigste Message deines Albums?

STEINZEIT JUNIOR Brockbank erschafft bildgewaltige Urzeit-Landschaften, in denen sich die Bewohner vom Stamm der Kansa zurechtfinden und den Naturgewalten trotzen müssen. Im Zentrum der in abgeschlossenen Kurzgeschichten erzählten Handlung steht der junge Poika und dessen Heranwachsen und Initiation zum vollwertigen Stammesmitglied. Historisch akkurate Jagdszenen mischen sich mit Mythen voller übersinnlicher Wesen und uralter Überlieferungen zu einer unterhaltsamen prähistorischen Coming-of-Age-Geschichte.

Ich denke, ich wollte ein bisschen mit der Stille spielen, mit kleinen Fehlern. Dafür mit Produzent Paul Savage zusammenzuarbeiten, war wunderbar: Wir haben verschiedene Instrumente ausprobiert – dazu gehörte auch mal der Feuerlöscher in der Ecke oder das Trommeln auf einer Kaffeetasse. Es gibt eine Yoga-Lehrerin in Dublin, die Erwachsene das Spielen lehrt. Daraus habe ich viel gelernt – es ist eine besondere Art von Freiheit. Und definitiv etwas, das ich für die Aufnahmen mitgenommen habe. Das Singen wird zum Spielen. Kira Schneider


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#Redaktionstipp

Podcast: »Doomian«

Als Kind hatte man saublöde Spiele zu ertragen: Duplosteine, Domino, Barbie, Topfschlagen, Plumpsack – und Quartett. Ständig sorgten die unverständlichen Werte auf den Karten für Zoff. War ein großer Hubraum jetzt gut oder schlecht? Was war mit dem Spritverbrauch? Und womit war man besser beraten: mit viel oder wenig PS? Nachdem die Quartett-Qual seit Jahren vorbei ist, flattert – Bingo! (huch, das fehlt ja fast in obiger Liste) – ein Kartenspiel in die Redaktion. Absender ist der Regensburger Verein Sublime, der zum Zehnjährigen ein Musik-Quartett aus den eigenen Playlisten gebastelt hat. Zu den Kategorien zählen BandGründungsjahr, Anzahl der Fans, Noise/Effects und Sublime-Faktor. Den Gewinn streicht außerdem ein, wer die meisten Quartette gesammelt hat. Fazit: Schickes Ding – Gewinner wurscht! Vermutlich gibt’s also auch keinen Zoff.

Sendungsbewusste Spinner und objektophil veranlagte Menschen haben Domian. Wer sich hinsichtlich seltsamer Speichersysteme oder des Reizes von Tanzspielen etwas von der Seele reden möchte, melde sich dagegen besser bei »Doomian«. Alle zwei Wochen lädt Stephan »Fabu« Günther, Gründer und selbst ernannter Head of Shoulders des IndieGame-Magazins Superlevel.de, unter diesem Titel zur telefonischen Therapiestunde für Videospiel-Neurotiker und mitteilungsbedürftige Enthusiasten. Das ist nicht nur sehr unterhaltsam, sondern auch eine willkommene Abwechslung zu all den Monologe führenden Service-Podcasts da draußen. Hört man auf soundcloud.com/doomiancast.

Senta Best (Textchefin)

Philip Fassing (Online-Redakteur)

#Redaktionstipp

Musik-Quartett

Sennheiser MOMENTUM

KOPFHÖRER DES JAHRES.

zu nehmen, sie mit diese Reise: die Musik „Mein MOMENTUM ist s meines Erwachsensein en meiner Kindheit und den Klängen und Emotion en.“ seh zu t Wel die ihre Wirkung auf weiterzuentwickeln und ger 2014

iker, Grammy-Preisträ

Gregory Porter, Jazzmus

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duct“ von 50 führenden . Gewählt zum „Best Pro Sennheiser MOMENTUM Ländern. Inspiriert von 20 ie-Magazinen aus über log ritt hno Tec en isch opä eur uns für alle, die einen Sch definieren. Gebaut von nd. Stellt sich Sou en Künstlern, die Klang neu end rag aus her bereit sind für weiter gehen wollen und at’s your MOMENTUM? Wh ge: Fra e ein h noc nur .com sennheiser-momentum Bereit, wenn du es bist:


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#Pop

#Pop #Wer wir sind

ASTRO­ NAUTALIS

#Pop #Wer wir sind

RIOT OF COLOURS

#Pop #Wer wir sind

LOLA MARSH

Herkunft Mannheim / Oxford Genre Britpop/Indie Mitglieder 5 Besondere Vorkommnisse »Dieser mit-

schwingende Beatles-Vibe fühlt sich sehr intensiv an«, erzählt Steffen Foshag, Sänger von Riot Of Colours. Den Schwung fing die Band sich am richtigen Ort ein – Teile des Albums entstanden in den Abbey Road Studios. Aktuelles Album Deep Coal Grey (ROC Record) Herkunft Minneapolis Genre Conscious-Indie-Rap mit Seele Mitglieder 1 Besondere Vorkommnisse Bevor er sein

In eurem Pressetext steht nicht viel über euch – was sollten wir dennoch wissen?

Dass wir eine richtige Band sind, die aus Freunden besteht. Wir sind kein Projekt einer Hochschule oder eines Labels oder so, sondern selbstgemacht und echt. Ich denke, es fehlt vielen Künstlern an Authentizität – von der unsere Band lebt.

Herkunft Tel Aviv Genre Ver- und Entliebungspop Mitglieder Gil Landau, Yael Shoshana Co-

hen + 3

Besondere Vorkommnisse Die Band um Gil und Yael, die diese Fragen beantwortete, hat sich zuletzt im Vorprogramm von AnnenMayKantereit in unsere Herzen gespielt. »Wir fühlten uns bei ihnen wie zuhause«, schwärmte Yael später – und coverte auf Englisch »Oft gefragt«. dern wie diesen orientiert oder hattet ihr Aktuelles Album »You’re Mine« EP (Virgin/ In der Danksagung des Albums steht der eine andere Inspiration? Universal)

fünftes Album anging, nahm Charles Andrew Bothwell alias Astronautalis ein Album namens »De Oro« mit dem Projekt Jason Feathers auf – mit dabei waren die Bon-Iver-Mitglieder Sean Carey und Justin Vernon. Britpop, Coldplay, Oasis … – Referenzen, die Aktuelles Album »Cut The Body Loose« im Zusammenhang mit euch bestimmt oft (Cargo Records) fallen. Habt ihr euch tatsächlich an VorbilOrt, an dem du es aufgenommen hast - die April Base Studios in Fall Creek, Wisconsin, die Justin Vernon gehören. Warum?

Wie war es auf Tour mit AnnenMayKantereit? Immerhin standet ihr vor ziemlich großem Publikum.

Ich war im April 2010 zum ersten Mal dort und entschied, in die Region zu ziehen. Dieser Ort ist magisch.

Yael: Die Jungs sind großartig und haben echte Starqualitäten. Wir hatten eine tolle Zeit. Ihr Publikum ist faszinierend. Die Menschen sind freundlich und wie hypnotisiert – und haben uns warm empfangen.

In deinen Lyrics geht es viel um Konflikte, Kämpfe, Eskapismus – es schimmert aber auch wütende Hoffnung durch. Oder?

Wie würdest du eure Heimatstadt be­ schreiben?

Die Einschätzung teile ich. Sie ist hoffnungsvoll, aber es geht auch um Katharsis und Akzeptanz. Dank der heu- Wir tummeln uns zwar mit Bands wie diesen in tigen Technik ist es einfacher denn je, sich einem Genre, doch innerhalb der Band bringt bewusst zu machen, wo es auf der Welt krankt. jeder von uns ganz unterschiedliche Einflüsse Also ist die Welt noch nicht am Arsch? mit: Vom Jazz-Studenten bis zum ElektroHaha, nein, das glaube ich nicht. Ich glaube Liebhaber ist bei uns alles vertreten. Auch daran, dass wir es bei all dem Krieg und Elend meine UK-Wurzeln schlagen sich in unserer trotzdem geschafft haben, das Leben besser zu Musik nieder. Aber auch unsere Heimat hier in machen, als es vor 100 Jahren war. Ich denke, Deutschland hat uns maßgeblich beeinflusst. dass die Richtung trotz etwaiger Rückschläge Euer Debüt habt ihr auf eigene Faust prostimmt – und wir uns gaaaanz langsam auf duziert, Angebote von Labels bisher immer eine bessere Welt zubewegen. abgelehnt – warum? Werden die Wahlen in deinem Heimatland Wir wollten einfach unser ganz eigenes Tempo dabei helfen? gehen und uns nicht reinpfuschen lassen, was Oh Gott, nein! Die werden gar nichts ändern. mit einem Label nur selten vereinbar ist. Bisher Egal, wer gewinnt. Keiner von denen repräsen- hat uns noch kein Angebot so richtig überzeugt tiert mich, keiner von denen wird die Herzen und ehrlich gesagt: Es ist nicht gerade einfach, in Deutschland an gute Deals zu kommen. der Amerikaner gewinnen. Daniel Koch

Sophia Sailer

Sie ist immer wach, immer lebendig. Es gibt tolles Essen, der Strand ist einmalig, die CoffeeShops und Clubs sind großartig, die Shops und Märkte ebenso. Du merkst, ich gerate ins Schwärmen. Die Kunst- und Musikszene ist ebenfalls spannend und generell habe ich das Gefühl, Tel Aviv zieht viele schöne, nette Menschen an. Allerdings könnte es im Sommer ein wenig kühler sein. Seit wann kennst du Gil?

Vor fünf Jahren trafen wir uns durch gemeinsame Freunde auf Gils Geburtstagsparty. Wir hörten uns gegenseitig singen und Musik machen und wussten gleich, dass wir mal zusammen was aufnehmen sollten. Wir starteten als Duo, schrieben alle Songs gemeinsam – und fanden danach unsere drei Bandmitglieder. Wir würden sehr gerne ein komplettes Album von euch hören …

Ja, wir auch – im Herbst wird es soweit sein! Daniel Koch


Mit Mazda zum Tomorrowland! Es gibt sie, diese Festivals, die jedes Jahr in Rekordzeit ausverkauft sind, kurz nachdem der Vorverkauf begonnen hat. Eines davon ist das mythische Tomorrowland im belgischen Boom, Traum- und Märchenland von Fans elektronischer Musik. Ihr habt schon Tränen vergossen, weil ihr keine Karten mehr bekommen habt? Na, dann aufgepasst: Gemeinsam mit Mazda schicken wir zwei glückliche »Sound Of Tomorrow«-Fans zum ausverkauften Tomorrowland nach Belgien! Auf geht’s in die Märchenwelt der elektronischen Musik. Feiert zu Musik von Tiësto, Steve Aoki, Lost Frequencies, Paul Kalkbrenner, Robin Schulz und vielen, vielen mehr. Als »Special Guest« erlebt ihr das Festival noch dazu im ganz besonderen Rahmen – dank Mazda – des exklusiven Automobilpartners vom Tomorrowland. Mazda sucht den »Sound Of Tomorrow« und lädt kreative DJs aus ganz Europa nach Belgien ein, damit auf der Mazda-Stage Träume wahr werden. Und ihr könnt dabei sein: Mit einem Mazda CX-3 geht es ab Leverkusen nach Boom in Belgien, wo ihr über die drei Festivaltage im Dreamville untergebracht seid. Dort steht euer bestens ausgestattetes Zelt inklusive Stromanschluss und Schließfach für Wertsachen. Derart bequem und luxuriös wird der Festivalbesuch wahrscheinlich nie wieder. Alle Infos zum Gewinnspiel findet ihr auf festivalguide.de/soundoftomorrow. Viel Glück!


jeden Monat neu: Teilnahme unter intro.de/Quiz

DAS QUIZ #243 Das Titelthema des Heftes ist gleichzeitig immer auch Hauptthema unseres monatlichen Quiz-Spaßes. Diesmal dreht sich alles um Pop und Politik – da machen wir mit. Aus welchen Songs stammen die folgenden Textzeilen? 1. »Ich habe einen grünen Pass mit ’nem goldenen Adler drauf«?

3. »Max Mustermann zündet ein Flüchtlingsheim an«?

A »Fremd im eigenen Land«

W »Sascha … Ein aufrechter Deutscher«

P »Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt«

U »Adriano (Letzte Warnung)«

O »Arsch huh, Zäng ussenander«

T »Beate Zsychäpe hört U2«

2. »Es gibt Frontex und push-backs«?

4. »Wer stand bereit, als der Mob getobt hat?«

A »Keine Macht für Niemand«

A »Diktatur der Angepassten«

N »Grenzen«

I

C »Polizei/SA/SS«

D »Schrei nach Liebe«

»2015«

Die Gewinne

28 Black × Pop Art

Tasche »Alex« von Gusti Leder nature

28black.com/de

gusti-leder.de

Die farbenfrohen Limited Edition Mini-Kühlschränke von 28 Black im Pop Art Look gibt es nirgendwo zu kaufen, aber mit etwas Glück gleich zwei mal bei uns zu gewinnen. Natürlich gefüllt mit jeweils 24 Limited Edition Dosen von 28 Black, dem veganen Energydrink.

Das Rostocker Startup setzt auf hohe Qualität, ökologische Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen – im Sortiment finden sich alles von Reisetasche über Smartphone-Hülle bis hin zum Unikat. Wir verlosen vier Mal die Laptop-Tasche »Alex« passend für 17“-Rechner.

»Anomalisa« × Teufel »AIRY«

Wilkinson »Hydro 5 Sensitive«

30 Jahre »Bum Bum« Kühlbox

uphe.de / teufel.de

wilkinson.de/hydro5

facebook.com/NestleSchoeller

Zum DVD- & Blu-ray Start (ab 2. Juni) des vielfach ausgezeichneten Stop-MotionMeisterwerks von »Being John Malkovich«-Regisseur Charlie Kaufman verlosen wir eine Blu-ray und einen Teufel »AIRY« – ein Bluetooth-Kopfhörer mit hochqualitativem Klang.

Der neue Wilkinson »Hydro 5 Sensitive« verfügt über ein innovatives Gel-Reservoir, das sich während der Rasur wie ein Schutzfilm über die Haut legt. Die dermatologisch getestete Formel erhält den Feuchtigkeitsgehalt der Haut während der Rasur. Wir verlosen fünf Stück.

Die Kombination aus Eis mit roter Zuckerkremglasur und Kaugummi-Stiel ist auch heute noch unverkennbar. Das KultEis unserer Kindheit spendiert zum 30-jährigen Jubiläum eine Kühlbox, natürlich bis zum Rand gefüllt mit »Bum Bum«. Yum yum!

Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben das Lösungswort, das ihr bitte mit dem Betreff »Das Quiz« an verlosung@intro.de schickt. Teilnahme ab 18 Jahren, Einsendeschluss ist der 30. Juni. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


#Pop

#Pop

Ton Steine Scherben »Keine Macht für Niemand«

Auf den Folgeseiten werden natürlich eher Töne als Steine und Scherben verhandelt. Mal sind es knarzende von Boys Noize, mal fluffige von Flume und Arthur Beatrice, mal dreckige von The Kills, mal gepfiffene von Peter Bjorn And John, mal traurige von Die Heiterkeit und mal geradezu erleuchtete von Pantha Du Prince. Gibt also genug zu lesen – mindestens bis zum nächsten Junimond.

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#Pop #Boys Noize

Boys Noize

NIE GENUG TECHNO Er macht Musik, sobald die Sonne untergegangen ist, würde nie bei einem Major-Label unterschreiben und verschanzt sich in Clubs am liebsten hinter dem DJ-Pult: Alexander Ridha a.k.a. Boys Noize ist immer noch einer der wichtigsten DJs und Produzenten aus Berlin. Auf seinem Album »Mayday« zieht er alle Register, um den Dancefloor zu füllen. Annette Walter hat ihn in Berlin getroffen. Foto: Christoph Voy


#Pop #Boys Noize

S

chon lustig: Alexander Ridha verbringt so viel Zeit hinter den Turntables, geht selbst aber kaum in Clubs. Bis auf gelegentliche Sonntagnachmittagsbesuche im Berghain. »Wenn ich ausgehe, dann in Bars, um mich zu besaufen«, sagt Ridha und lacht. Er ist eben keiner, den man auf der Tanzfläche findet, sondern hinter dem DJ-Pult: »Der Ort hinter den Plattenspielern ist der sicherste«, grinst der gebürtige Hamburger. Der 32-Jährige sitzt im Dachgeschoss seiner PR-Firma in der Nähe des Kottbusser Tors und ist wie meistens komplett schwarz gekleidet samt Hoodie und Doc-Martens-Stiefel. Dass dieser besonnene Mensch ein paar Tage später mit Hunderten Menschen das Kreuzberger MyFest vor dem Club Musik und Frieden mit einem energetischen DJ-Set feiern wird, bis die Polizei einschreiten muss, kann man sich kaum vorstellen. Ridha ist niemand, der laut auftritt und Statements herausposaunt, sondern ein Gesprächspartner, der lieber einen Moment zögert, bevor er eine Antwort gibt. Sein viertes Album »Mayday« vereint diverse Stile ­– wie oft bei Boys Noize. Es erinnert an frühe Rave-Platten, an die Anfänge der Chemical Brothers und von The Prodigy und ist deutlich von der Industrial- und EBM-Bewegung der 1980er-Jahre beeinflusst. »Als Leitmotiv wollte ich verschiedene Tempi ausprobieren, etwa den 4/4-Beat brechen. Ich versuche eben ständig, neue Sounds zu benutzen. Die Herausforderung ist für mich, immer bei Null anzufangen.« Für die Arbeit am Album hat er sein Studio mit neuem Equipment vollgepackt. Ridha geht es stets darum, eine Vielfalt an Genres zu versöhnen: Indie, Punk, House und Techno sind für ihn ebenbürtige Referenzpunkte. Keine Gegensätze, sondern Musikstile, die sich gegenseitig bereichern. Das hat ihn auch bei »Mayday« inspiriert, weshalb es neben der Kollaboration mit üblichen Verdächtigen wie Hudson Mohawke, TEED, Benga oder Spank Rock auch den prägnanten Song »Starchild« gibt, einen Track, auf dem Ridhas Wunschkandidatin, Poliça-Sängerin Channy Leaneagh, zu hören ist. Ein weiterer Gewinn auf seiner langen Liste spannender Zusammenarbeiten mit Künstlern wie Chilly Gonzales, Skrillex, Snoop Dogg, Erol Alkan und Jarvis Cocker und Remixen für Depeche Mode, N*E*R*D, Daft Punk, Marilyn Manson, Feist und David Lynch. Im Video zu »Starchild« wandelt Leaneagh in einem nudefarbenen Body und transparenten Mantel verloren durch Miami, quasi wie ein Alien, das auf einem fremden Planeten gelandet ist, erklärt Ridha. Die Existenz als Außenseiter – das ist das Leitmotiv von »Mayday«. Es geht um den Umgang mit Vorurteilen (»Was ist erlaubt in unserer Gesellschaft und was nicht?«), aber auch darum, sich selbst in der Musikszene zu reflektieren: »Wenn man meine Musik betrachtet, war ich immer der Außenseiter: nie genug Techno, nie genug Mainstream, nie in den Charts oder im Radio.« Der Kontakt zu Poliça entstand kurioserweise über BonIver-Mastermind Justin Vernon, den Ridha nach einem Gig

in Minnesota kennengelernt hatte. »Es stellte sich raus, dass Justin der krasseste Boys-Noize-Fan ist und ich wiederum Bon-Iver-Fan. Justin ist ein cooler Punkrock-Typ. Mit ihm und seiner Band hab ich viel abgehangen.« Und weil Vernon das erste Poliça-Album produziert hatte, ergab sich die Connection. »Channy und ich haben in L.A. drei Tage im Studio gejammt, sie hat gefreestylt, und ich habe die besten Parts zusammengeschustert«, erzählt Ridha. »Es ist schön, wie sich Poliça von der Industrie fernhalten und ihr Ding durchziehen.« Eine Haltung, die auch ihn antreibt. Angebote von Major-Labels lehnt er konsequent ab. »Am Ende ist es eine Plattenfirma, die Geld ausgibt und das Geld wieder reinhaben will. Der Kreislauf funktioniert erst, wenn man tut, was sie wollen.« Ein System, das ihm absolut widerstrebt: »Man lässt sich unbewusst in eine Richtung drängen.« Seine Konsequenz daraus: ein eigenes Label. Mit 17 wurde er mit seinem Bandprojekt Kid Alex von Universal unter Vertrag genommen. »Beim ersten Album war alles cool. Beim zweiten Album haben sie versucht, mich mit Songwritern ins Studio zu setzen. Ich habe gesagt: ›Ey, sorry, ich präsentiere nichts, was nicht von mir kommt‹ und habe zu allem Nein gesagt. Das hat mir für meinen Weg geholfen. Warum soll ich Musik fürs Radio schreiben? Das ist nicht meine Natur.« Allerdings bietet seine Musik durchaus Andockpunkte für andere Ausspielmedien: So finden sich zwei seiner Tracks in dem Berliner Coming-of-Age-meets-HorrorFilm »Der Nachtmahr«. Außerdem arbeitete Ridha am Soundtrack von Oliver Stones neuem Film »Snowden« mit. Sein Wohnort half ihm dabei, sich bei der Auswahl seiner Projekte treu zu bleiben: »Berlin macht es einem einfach, das zu tun, was aus einem rauskommt, und nicht die ganze Zeit abgelenkt zu werden vom Kapitalismus, der uns umgibt.« Und warum verschlug es ihn in den letzten Wochen ausgerechnet nach L.A.? Dort verbrachte Ridha kürzlich einen Monat, um seine neue Live-Show für die Festivals Sonar Der Nachtmahr und Melt! zu entwickeln. Mittlerweile hat er Der Film von Regisseur in der kalifornischen Metropole eine Clique, Akiz Ikon startet Ende Mai in den deutschen Kinos und mit der er an der amerikanischen Westküste handelt von der 17-jährigen »eine richtige Berlin-Techno-Szene« etablieren Tina (Carolyn Genzkow), will: Sus Boy (»ein supertalentierter Künst- die in ihrer heilen Berliner Schülerinnen- und Partyler«) und Lil Internet gehören dazu, die das welt plötzlich ein monsArtwork des neuen Albums gestaltet haben, tergleiches Wesen sieht. »Video-Nerds, eben eine coole Crew, die fast Nerd-Fact: Kim Gordon von Sonic Youth spielt in alle in Downtown leben«. dem Film eine Lehrerin. Die Neue Bands in L.A. zu entdecken und zu Filmbesprechung gibt’s auf fördern – das ist sein Ding. »Die Kids dort Seite 62. haben alle noch kein Label und kennen sich untereinander nicht mal. Der Punkvibe, den Skid Row ich mit Techno verbinde, ist für die auch neu.« Eine Gegend in Downtown Neulich hat er eine Warehouse-Party zum Los Angeles, die eine der höchsten ObdachlosenAlbum in Skid Row organisiert, einem der quoten in ganz Amerika ärmsten Stadtteile von L.A., in dem Musiker aufweist. Im Großraum verlassene Fabrikhallen für illegale Partys nut- L.A. haben aktuell circa 47.000 Menschen keine zen, eine »Industrial Area, nur Warehouses und Bleibe – fast sechs Prozent Zäune, da will niemand wohnen«. Auch wenn mehr als noch 2015. Lokal­ die Atmosphäre dort anders als in Berlin ist: politiker sprechen von einer Obdachlosen-Krise, »Es gibt keine Nachtkultur, alle Clubs und Bars andere verwenden den schließen um zwei. Damit entfällt ein großes Be­­griff einer »Zone der Stück unserer elektronischen Musikkultur. ge­scheiterten Humanität« für das Viertel. Mittlerweile Wir haben trotzdem bis sechs Uhr gefeiert.« erlaubt die Stadtverwaltung — Boys Noize »Mayday« (Boysnoize / Rough Trade) — Auf Tour vom 03.06. bis 28.08. – auf dem Melt! am 15.07.

deshalb sogar, dass Menschen auf Gehsteigen oder in Autos schlafen dürfen.

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#Pop #Arthur Beatrice

Arthur Beatrice

SPEKTAKEL MIT SINN Die Jugendfreunde um Sängerin Ella Girardot suchen auf ihrem zweiten Album »Keeping The Peace« das große Spektakel. Meistens werden sie fündig. Lisa Forster besuchte die Band bei einem ganz besonderen Konzert in London und traf sie wenig später noch einmal zum Interview in Berlin. Foto: Mustafah Abdulaziz

I

m Zentrum von London herrscht an diesem Februarabend eisige Kälte. Arthur Beatrice spielen im Institute of Contemporary Arts. Die Show ist lange ausverkauft. »Sie waren 2014 eine der ›bands to watch‹ im NME, und ich verfolge sie schon von Anfang an«, schwärmt ein aufgeregter Typ Mitte 20. Seine Freunde stimmen lautstark zu. Auf der Bühne werden Arthur Beatrice von einem Streichquartett und Bläsern begleitet. Zwischendurch wird die Show von einem Kostümwechsel der Sängerin Ella Girardot unterbrochen. Das alles scheint erst einmal sehr ehrgeizig. Bis man genauer hinsieht: Ellas Bewegungen wirken manchmal sympathisch unsicher, so, als würde sie sich selbst beim Tanzen beobachten. Sie wirft die Haare theatralisch nach vorne, verbiegt die Hände wie Madonna zu ihren besten »Shanti Ashtangi«-Zeiten. Die FrontfrauRolle ist neu für Girardot, früher sang sie gemeinsam mit


#Pop #Arthur Beatrice

ihrem Bandkollegen Orlando und saß hinter dem Piano. »Es ist eine Sache des Selbstbewusstseins«, gibt sie nach der Show zu. »Ich komme aber langsam an einen Punkt, an dem ich mich dabei wohlfühle.« Spannend ist auch, wie die Band ihre schon ziemlich perfekten Popsongs immer wieder aufbricht: Während »Midland«, der dunkel flirrenden Single vom ersten Album, fangen die Trompeter plötzlich wild zu improvisieren an. »Mein Lieblingsalbum ist gerade ›Bitches Brew‹ von Miles Davis«, erklärt später Elliot, Drummer und Texteschreiber der Band. »Während des Konzerts sagte ich zu unseren Trompetern: ›Spielt das Album!‹ Und das hat ziemlich gut geklappt. Es war die freieste Performance, die wir je hatten.« Berlin. Einige Wochen später. Ein Konferenzraum im Hause Universal. Arthur Beatrice sind auf Promotion-Tour, müssen ein paar Tage nur reden statt spielen. Aber auch

das tun sie mit Euphorie und Stolz. Und völlig zu Recht: »Keeping The Peace«, ihr zweites Album, ist genau das Spektakel, das sie wollten. Es hat technisch makellose, große Popmelodien, es gibt ein professionelles Orchester und einen Chor. »Wir wollten das beste Album machen, das wir uns vorstellen können«, sagt Sängerin Ella. Was bei anderen Acts schnell zur Floskel verkommt, klingt hier ausnahmsweise mal glaubhaft. Immerhin nahmen Arthur Beatrice in London sogar Teilzeitjobs an, um sich die Ausgaben für das Album leisten zu können. Die Band hat Großes vor, das merkt man. Aber wer sich dermaßen reinwirft, darf das auch. Elliot und Harnish Barnes, Ella Girardot und Orlando Leopard machen Indie-Pop für die großen Bühnen – ein Spagat, der nur selten glückt. Sie sind professionell, ohne abgeklärt zu wirken. Das hat sich bei ihrem Gig in London gezeigt, und das zeigt sich nun auch im Gespräch. Der Anfang von Arthur Beatrice liegt etwa sechs Jahre zurück. Sie sind alle gemeinsam in Buckingham zur Schule gegangen und machen Musik seit ihren Teenagerjahren. Viele der Songs ihres Debüts sind introspektiv und melancholisch, erinnern an London Grammar und The xx. Das neue Album ist nun, wie Elliot sagt, »viel direkter«. Und: »größer, offener, ehrlicher«. Man könnte auch sagen: Auf »Keeping The Peace« haben sich die Wolken ein wenig gelichtet. Jetzt falten sich die Hooklines auf wie leuchtende Blüten. Funky Gitarren umtänzeln Ellas Gesang, der mal opernhaft schrillt und mal tief und sinnlich klingt. Die Melancholie scheint nur noch in den Texten durch. Es geht immer noch um Zweifel an sich und der Welt und um das Verlassen-Werden. Ist »Keeping The Peace« also ein Break-up-Album? »Ja und nein«, sagt Elliot. »Tatsächlich gab es in meinem Leben eine Trennung, aber genauso enthält das Album auch Songs über Eltern oder Freunde. Was als Geschichte einer Trennung anfängt, handelt am Ende vielleicht eher allgemein von Angst und anderen Dingen.« Arthur Beatrice singen oft von der Lebensunsicherheit, die einen mit Mitte 20 befallen kann. Elliot beschreibt dieses Gefühl, dem man gerne das Etikett Quarter-Life-Crisis gibt, als eine Angst da- Institute of vor, »dass viele Dinge schon hätten passieren Contemporary Arts müssen. Unsere neue Single ›Real Life‹ han- Seit 1947 werden in dem delt davon, dass deine Eltern in deinem Alter Gebäude in der jedem Tourie bekannten Straße schon verheiratet waren. Ellas Mutter bekam The Mall, wie der Name sie, als sie 24 war. Sollten wir uns nicht schon schon sagt, Ausstellungen zeitgenössischer britischer viel mehr bereit für all das fühlen?« Künstler gezeigt. Neben Wie viele Performer der aktuellen Popmu- den Ausstellungsräumen sik – seien es Adele, Drake oder Frank Ocean finden sich dort auch ein – inszenieren Arthur Beatrice ihre Musik als Theater, zwei Kinos, ein Restaurant und eine Bar. persönlich und emotional. Teilen sie den Eindruck, dass Pop gerade wieder intimer wird? Ella stimmt zu: »Vielleicht hat es etwas damit ›Bitches Brew‹ zu tun, dass wir heutzutage alle isolierter von- Das Album der 1991 ver­ einander sind. Viele Leute leben durch das storbenen Jazz-Legende Miles Davis erschien im Internet. Da fühlt man sich schnell fernab von ­August 1970 auf Columbia der Realität und schottet sich von anderen Records. Inzwischen gilt es Menschen ab. Deshalb ist es nachvollzieh- als Meilenstein, weil Davis den bereits mit dem Vorbar, dass Leute beim Musikhören nach emo- gänger »In A Silent Way« tionalem Anschluss suchen.« Eine druckreife eingeschlagenen Weg, Antwort. Sie zögert kurz, dann fragt sie: »Ich Jazz- und Rockelemente zu vereinen, hier noch konseweiß nicht, macht das überhaupt Sinn?« Ja, quenter fortführte. Passend macht es. Und am liebsten hätte man noch dazu war auch das Verhalnachgeschoben: Bitte bewahrt euch wenigs- ten von Davis, das eher dem eines Rockstars glich. tens ein bisschen von diesem sympathisch Unperfekten ... — Arthur Beatrice »Keeping The Peace« (Vertigo Berlin / Universal) — Auf Tour vom 29.05. bis 04.06.

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#Pop #Flume

Tatsächlich aber begann seine Liebe zu elektronischer Musik noch früher: Schon mit acht Jahren stürzte er sich auf Trance-Tracks, die er bei der damals gerade online gegangenen Musiktauschbörse Napster fand: »Happy Hardcore«! Von dort aus entwickelte sich alles. »I don’t know. Music’s great, man!« Spuren davon trägt sein Werk bis heute: »Irgendwie schlug das in mir die richtige Saite an. Diese typischen Akkordfolgen faszinieren mich heute noch genauso. Als Genre ist Trance mittlerweile abgestanden, ich mag die Klangfarbe nicht und auch nicht unbedingt die Geschwindigkeit, aber ich liebe manche Elemente, und die findet man in meiner Musik wieder.« Vielleicht fällt es der Musik des 25-Jährigen gerade wegen dieser etwas kirmeshaften Knallbuntheit auch schwer, in Deutschland Fuß zu fassen – während er in Australien und Amerika große Festivals bespielt, ist er hierzulande bislang fast ausschließlich Spürnasen bekannt: »Mein Sound ist ungefähr das Gegenteil von dem, was deutsche Elektronik ausmacht, alles ist Während er andernorts als Weltstar fungiert, gilt Flume hierzulande eher Techno und 4/4-Minimalismus. als Geheimtipp. Steffen Greiner sprach mit dem sympathischen früheren Ich bin HipHop-beeinflusst, das funktioniert überall, doch nicht Electro-Wunderkind, das auf seinem Zweitwerk glamourösen Wahnsinn in Berlin. Aber Deutschland hat und Reife bestens miteinander verbindet. Foto: Katharina Poblotzki gerade auch eine große Rapszene, oder? Vielleicht ändert sich dann auch was für meine Musik.« ustralien: Fünf Millionen giftige Spinnen, aber Vielleicht muss ein solcher Mentalitätswechsel aber auch Harley Edward Streten aus Sydney, besser bekannt gar nicht sein. Ein Song wie das großartig betitelte »Wall als Flume, hat noch nie von der tödlichen Wirkung Fuck« schrubbt hart experimentell ins Trappige – they’re des Fingerhuts gehört. Dabei prangt die verfüh- certainly not going to love this at Panorama Bar. Aber auch rerische Blume herrlich psychedelisch auf dem ohne Abfuck-Signifikanten: Mit »Skin« legt Streten ein Cover seines zweiten Albums »Skin«. »Davon wusste ich Album vor, das von der ersten Sekunde des atemberaunichts. Fingerhut ist giftig, jetzt wirklich?« Na, come on! bend dräuenden Openers »Helix« an ähnlich verführerisch Fingerhut ist die Mutter aller giftigen Pflanzen. Fingerhut wirkt wie der Fingerhut auf dem Cover. Denn auch ohne hat nicht einmal, wie Fliegenpilz oder Engelstrompete Gift und Halluzinogen, zufällig ist das Bild nicht gewählt: und wie sie alle heißen, irgendwelche guten halluzino- »Wenn man von oben auf die Blütenblätter schaut, wirgenen oder psychoaktiven Eigenschaften – stattdessen ken sie metallisch; aber wenn sie fallen, sieht man, dass reichen schon 0,3 Gramm getrocknete Blütenblätter, um es organische Stoffe sind. Das mag ich am Fingerhut. Da bei Erwachsenen letale Herzstillstände herbeizuführen. reflektiert das Kunstwerk meine Musik: Mir ist es sehr Napster Kinder, die Blütendämpfe einatmen, können Vergiftungs- wichtig, viele organische Elemente, Klänge aus der Natur, Das größte Ding im Inter- symptome erleiden. Flume: »That’s amazing. That’s great. Klänge, die mich umgeben, mit harten, synthetischen zunet, als man noch Wände That’s so cool!« In dieser Sackgasse endet der Versuch, sammenzubringen.« Es ist Flume deutlich anzumerken, mit AOL-CD-Roms tapezieren konnte: Von 1999 bis dem australischen Producer einen Hauch Dunkelheit und dass er trotz seiner Faszination für Tanzrhythmik eher auf zur Abschaltung 2001 war Abgefucktheit anzudrehen: Selbst die tödlichste Flora ist der Seite von Melodie und Klangtextur steht. Wie etwa: die Musiktauschbörse, die einfach nur ein großäugiges »Wow«. Steine, die ein Metallrohr hinabrutschen – sein liebster auf die damals revolutioIrgendwas ist anders an dieser Generation elektronischer Klang auf dem Album: »Es ist ein wahnsinniger Sound, näre Peer-to-peer-Technik setzte, ein reger Ort zum Musiker. Weder das Dunkle, Beton-Ruinöse noch das den ich auf vielen Tracks verwende. Online gefunden, Entdecken neuer Musik Nerdig-Tüftlerische, das bislang die Szene dominierte, sind Tausende Samples durchgehört, und dann entdecke ich und, freilich illegalem, Kapern der altbekannten. jenen Acts zu eigen, die 2011, 2012 ihren Durchbruch fei- das: Steine in Röhre.« erten und vom »Goldenen Zeitalter der sozialen Medien«, Man hört dem Album die Arbeit kaum an, die dahinterwie Streten es ausdrückt, profitierten – seien es nun Flume, steckt. Auch nicht den Druck, den Flume deutlich spürte, Happy Hardcore Baauer oder AlunaGeorge. Im Gegenteil: Am anderen Ende nachdem sein selbstbetiteltes Debüt ihn Down Under zum Ja, auch für Scooter und der Leitung beim Telefoninterview, im sonnigen Kalifor- Superstar gemacht hatte. Neben Killer-Tracks und den sexy Blümchen gibt es eine nien, sitzt der nicest guy aller Zeiten. Ein sympathischer, Sounds, die zwischen Pop und Experiment oszillieren, Genrebezeichnung! Die »fröhliche« Variante des reflektierter, witziger Junge von nebenan, der bei Facebook schenken auch die Stargäste dem Album den anziehenden Hardcore Techno entstand mal eben von über einer Million Menschen geliked wird Glamour, den es ausstrahlt: etwa Little Dragon und Vic in der Mitte der 1990er- und dessen Erfolg einherging mit dem passenden Mythos: Mensa, Raekwon und Beck. Dennoch: »›Skin‹ bleibt für Jahre in Großbritannien und zeichnete sich durch hohe Seine Faszination für das Beats-Basteln begann mit einem mich fremdartig, skurril, ein wenig eklig auch, aber es ist Geschwindigkeit von bis Sound-Programm, das in Form einer Gimmick-CD-Rom zugleich intim und sehr menschlich. So soll meine Musik zu 180 bpm, Highspeed- aus einer Schachtel Cornflakes gepurzelt war. So jedenfalls sein: ein bisschen ungemütlich, aber mit Herz.« Klavier-Hooklines und hochgepitchte weibliche berichtete es beim Erscheinen seines Debüts begeistert Vocals beziehungsweise jeder Text über den jungen Producer, da lag das Stigma — Flume »Skin« (Transgressive / Coop / PIAS / Rough Trade) Pop-Samples aus. »Wunderkind« natürlich nahe. — Intro empfiehlt die Tour vom 09. bis 13.11.

Flume

»MUSIC’S GREAT, MAN!«

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#Pop #Flume

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#Pop #The Kills

The Kills

ÜBER DIE ANGST, GEWÖHNLICH ZU SEIN

Viel ist in den Jahren zwischen dem letzten und dem neuen The-Kills-Album passiert: Jamie Hince trennt sich von Kate Moss und verliert fast einen Finger, Alison Mosshart geht musikalisch mit Jack White fremd und veröffentlicht als The Dead Weather drei Alben in sechs Jahren. Wie sich all das auf dem fünften Album von The Kills niederschlägt, erfährt Mihaela Gladovic im Interview mit Hince. Foto: Carmen Catuti

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iese knarzenden, nackten, runtergestrippten, klickernden Drumbeats! Dieses mal perkussive, mal leiernde Gitarrenspiel von Jamie Hince! Und dazu Alison Mossharts ennuigetränktes, laszives Hauchen und rohe Rotzen! Keine Frage, mit dieser Mischung trafen die 2000 gegründeten The Kills den Nerv der Zeit. Ihre 2002er Debüt-EP »Black Rooster« sowie das ein Jahr später folgende Debütalbum »Keep On Your Mean Side« wurden von allen Seiten gefeiert. Mit »No Wow« bewies die Band, dass sie keine Eintagsfliege war oder gar das Produkt eines Managers mit Dollarzeichen in den Augen, der die The-Band-Kuh melken wollte. Und spätestens seit Album No. drei, »Midnight Boom«, durften Alison und Jamie ganz oben mitmischen, ein Status, den sie mit »Blood Pressures« 2011 noch einmal zementierten.


#Pop #The Kills

Seite an Seite mit dieser anderen minimalistischen Mann/ Frau-Combo auf dem Indie-Olymp der frühen Zweitausender waren The Kills Projektionsfläche und Katalysator für die Post-90er-Coming-of-age-Generation, die übersättigt war von Cola, Plastik und Britney Spears. Für die Gymnasiasten, denen der Anarcho-Aufnäher auf den löcherigen Hosen irgendwann zu albern wurde, nachdem sie im Internet ein bisschen mehr Rockmusikhistorie konsumiert und Blues für sich entdeckt hatten, die ihre gelangweilte und genervte Fuck-the-system-Attitüde aber trotzdem nicht ablegen wollten. Dabei wollten Hince und Mosshart genau das eigentlich nie sein. Sie wollten nicht in die Schublade passen, die sie mit ihren ersten Veröffentlichungen so trefflich bedienten. »Eigentlich wollten wir immer diese mysteriöse Band sein, von der man glaubte, sie sei schon lange tot und irgendjemand habe diese Platten aus den 70ern ausgegraben«, erzählt Hince, während er seinen Keks mit einem Schluck schwarzem Kaffee runterspült. »Ich dachte, das sei cool und innovativ. Ich mochte einfach die Idee, etwas Geheimnisvolles zu sein. Und was passiert? Wir bringen die erste Platte raus, und Boom! Sofort gehören wir zur New Wave of Garage ... White Stripes und der ganze Scheiß. Plötzlich waren wir in allen Magazinen Teil dieses neuen Dings. Das hat mich in den verdammten Wahnsinn getrieben.« Ob es anders ausgegangen wäre, wenn sie auf das »The« im Bandnamen verzichtet hätten? Für Hince, den detailverliebten Geräte-Nerd, der stets mit allen Möglichkeiten aktueller Soundgadgets herumspielen muss und der gleichzeitig ein wandelndes Musiklexikon aller möglichen Genres ist, war die Produktion von »Blood Pressures« schließlich ein Wendepunkt. Er kam zu der Erkenntnis, nicht zu diesen Bands gehören zu wollen, die aus ihrer Liebe zu den 60ern und 70ern nicht herauswuchsen. »Ich liebe diese Bands, die sich treu bleiben und eigentlich immer das Gleiche machen. The Cramps, The Bad Seeds ... Man erkennt ihren Sound immer wieder. Aber so wollte ich selbst nie sein. Ich wollte eine Band, die sich immer verändert und neu erfindet. Ich glaube, das liegt an meiner Angst, gewöhnlich zu sein. Der Angst, nicht mithalten zu können in dieser schnelllebigen Welt.« Schon immer beteuerten The Kills ihre Aversion gegenüber dem Gleichbleiben ihrer Kunst. Und damit ist nicht nur Musik gemeint. Zwischen Albumproduktion und Tour werden schnell auch mal Fotoausstellungen aus dem Boden gestampft. Hince nimmt seine Kamera überall mit hin. Eine analoge, versteht sich. Und obwohl The Kills stets in verstaubten Kisten vergangener Zeiten graben, haftet ihren Produkten selbst nie dieser Staub an. So solle laut Hince auch jedes ihrer Alben stets neu klingen, man wolle Experimente wagen. Mit »Ash & Ice« ist ihnen das bisher am besten gelungen. Was zu großer Wahrscheinlichkeit allerdings auch damit zusammenhängt, dass man sich in seiner Gitarrenlastigkeit gezwungenermaßen einschränken musste, nachdem Hince in einer Londoner Notaufnahme die Diagnose bekommen hatte, dass er seinen entzündeten Finger wahrscheinlich innerhalb der nächsten 24 Stunden verloren hätte. Das war nach dem Abschluss der »Blood Pressures«-Tour. »Ich hatte zuvor eine Spritze wegen etwas ganz anderem bekommen, war dann im Urlaub in Marokko, und meine Hand begann so höllisch zu schmerzen. Es wurde immer schlimmer, und ich konnte nicht schlafen. Das war der schlimmste Schmerz, den ich je hatte. Dann bin ich zurück nach London, und man sagte

mir, ich habe eine Knochenentzündung, die Diese andere schon meine Sehnen angegriffen hatte. Die minimalistische musste man dann von hier bis hier entfernen«, Mann/Frau-Combo erzählt Hince und zeigt dabei erst auf seinen Klar: die White Stripes. Mittelfinger und dann an den unteren Rand Hört man da etwa ein wenig Unmut heraus? seiner Handinnenfläche. Während er diese Vielleicht. Gemeinsam mit Geschichte erzählt und sich abwechselnd Kek- deren Mastermind Jack se und Kaffee reinstellt, hat man nicht einen White, Raconteurs-Bassist Jack Lawrence und dem Moment lang den Eindruck, als habe das ir- Queens-Of-The-Stonegendwie zu einer depressiven oder existenziell Age-Gitarristen Dean verzweifelten Phase seiner Musikerkarriere Fertita gründete Alison Mosshart 2009 die Supergeführt. group The Dead Weather, »Was ich aus dieser Geschichte vor allem die seitdem bereits drei gelernt habe, ist, wie positiv ich eigentlich Alben veröffentlicht hat. bin. Klar war das schockierend, und es gab Phasen, wo ich Panik hatte, nie wieder Gitarre New Wave spielen zu können. Aber das Erste, was ich of Garage nach dieser Diagnose gedacht habe, war: Okay, Auf diese Bezeichnung dann lerne ich jetzt besser, ohne diesen Finger könnte Hince ein Patent anmelden. Damit ist das zu spielen.« Automatisch hat das den Sound von zahlreichen Bands mit der Band verändert. Hince begann mehr mit einem »The« im Namen anStudio-Equipment zu arbeiten und legte sich geführte Revival des Garage-Sounds gemeint. Neben letztendlich ein kleines, mobiles Studio zu, The Kills, The Strokes und das sich leicht in zwei Flightcases verpacken The White Stripes drehte und überallhin mitnehmen ließ. Das erlaub- sich der Hype auch um Bands wie The Hives, The te ihm plötzlich, auch mit anderen Genre- Von Bondies, The Vines, Einflüssen zu spielen und Inspirationen wie The Subways und The jamaikanischen Dancehall oder Dub in den Libertines. Doch auch ohne Artikel kam man in diesen Sound einfließen zu lassen. Kreis, was zum Beispiel Jet Dennoch ist es ein wenig enttäuschend, dass und die Yeah Yeah Yeahs das dreckige New-Garage-Pärchen zumindest bewiesen. soundmäßig etwas von seinem unzüchtigen Image eingebüßt hat. Während die Vorgängeralben nach kaputtgerockten Hotelzimmern klingen, in denen zerfeierte Musiker zwischen Scherben und Kippenstummeln auskatern und es nach Whisky, kaltem Qualm und Sex stinkt, hat »Ash & Ice« leider ein bisschen was von Champagner an der Theke eines 5-Sterne-Hotels. Typischer Fall von »überproduziertem Album«? Vielleicht ein wenig. Brav geworden? Auch. Vor allem der Opener »Doing It To Death« mutet ebenso wie die Folgetracks trotz elektronischen Gefrickels und einiger Off-Beat-Sets etwas zu poppig an. Wo ist der Sex in Mossharts Stimme? Unverkennbar bleibt der Sound aber nach wie vor. Der geduldige Hörer, der »Ash & Ice« nicht gleich nach den ersten zwei Songs abschreibt, sondern in seiner Gänze genießt, wird mit der zweiten Hälfte des Albums belohnt. Mit Songs wie »Hum For Your Buzz«, »Siberian Nights« oder »Impossible Tracks« wird es doch wieder düsterer – und auch jeder Zweifler merkt: The Kills sind noch immer alles andere als gewöhnlich. — The Kills »Ash & Ice« (Domino / GoodToGo / VÖ 03.06.16) — Auf Tour vom 22. bis 26.10.

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#Pop #Cover-Welten

Cover-Welten

KRONEN

Frei nach dem Motto »Wenn ich schon ein Land regieren muss, dann wenigstens mit ein bisschen Blingbling auf dem Haupt« haben wir diesmal Cover mit Kronen gesammelt. Sieht man vom gleichnamigen Zirkus einmal ab, ist eine Krone auch nicht viel mehr als eine Kopfbedeckung für besonders gut Betuchte. Angesichts der vielen Cover offensichtlich ein lang gehegter Traum vieler Musiker. Was für ein Zirkus!


#Pop #Cover-Welten

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#Pop #Die Heiterkeit

Die Heiterkeit

SOUVERÄN IM DUNST Statt dem Leben ständig Euphorie abzuringen, machen Die Heiterkeit es sich im Zwiespalt gemütlich. Und gehen damit weiter als die meisten anderen Bands ihrer Zunft. Der Chanson-Pop ihres dritten Albums »Pop & Tod I+II« ist auch deshalb der große Wurf nach vorne. Verena Reygers traf sie in Hamburg. Foto: Alena Schmick


#Pop #Die Heiterkeit

M

an kann das Leben drehen und wenden, wie man will – am Ende wartet immer der Tod. Allen Unkenrufen zum Trotz ist alleine der Pop unsterblich. Und diesen nach eigenen Regeln zu gestalten macht ihn noch langlebiger. Genau in diesem Sinne handeln Die Heiterkeit. Zum Missfallen vieler. Denn seitdem die Band um Songschreiberin und Frontfrau Stella Sommer vor vier Jahren mit »Herz aus Gold« debütierte, unterstellt man der in wechselnder Besetzung agierenden Formation Arroganz, Gelangweiltheit und – klar, sind ja schließlich Mädchen an Dilettantismus Instrumenten – spaßbefreiten Dilettantismus. Von Anfang an mussten Sonderlich kratzen tut es Stella Sommer sich Die Heiterkeit mit den nicht. Nicht mit dem zweiten Album »MonteVorwürfen herumschlagen, sie beherrschten die Regeln rey« und erst recht nicht mit »Pop & Tod I+II«, des Pop nicht und ihre At- das als Doppelalbum all denen den Mittelfinger titüde sei bloß behauptete zeigt, die der Meinung sind, Die Heiterkeit Coolness. Purer Sexismus, denn auch Frauen machen sollten sich doch bitte bedeckt halten. »Im Musik, wie es ihnen gefällt. Zwiespalt sitze ich bequem« heißt es wohl auch deshalb auf einem der 20 neuen Songs. Es ist die Ansage, Ambivalenzen aushalten Plattenfirma zu können. Ja, sie sogar zu begrüßen. »Dort, Nach zwei Albumveröffent- wo es ambivalent ist, will man hin«, greift lichungen im Staatsakt- Stella Sommer das Stichwort beim Interview Kosmos wechselte die Band zum Hamburger im Konferenzraum ihrer Plattenfirma auf. Label Buback (Die Golde- »Mich nerven diese saturierten Menschen, nen Zitronen, Jan Delay, die den Stillstand pflegen. Es muss doch etJa König Ja). Zum einen aus dem Wunsch nach was in dir sein. Etwas, an dem man sich zerVeränderung, zum anderen, reibt. Denn wenn das nicht passiert, ist man um zumindest noch eine ja niemand mehr.« Verbindung zu Sommers Die Hamburgerin zerreibt sich unter Wohnort Hamburg zu haben, da die Band inzwi- anderem daran, fürs Musikmachen zu brenschen in Berlin probt und nen, aber nicht davon leben zu können: »Es ist ins Studio geht. Wahnsinn, wie viel Zeit man in so eine Band steckt, ohne dass finanziell viel dabei rumkommt. Es ist zu viel Energie, um es nebenbei zu machen, aber zu wenig Geld, um es hauptberuflich zu machen.« Und während Sommer als Kopf und Herz der Band ausharrt, wechseln ihre heiteren Mitstreiter und Mistreiterinnen zum wiederholten Male. Live-Keyboarderin Sonja Deffner ist nun fest mit an Bord, während Gründungsmitglied Rabea Erradi von Hanitra Wagner und Philipp Wulf abgelöst wurde. Letztere sind musikalisch nicht unbefleckt: Wagner steht bei den Ωracles am Keyboard und Mikrofon, Wulf trommelt bei Messer. Zur Heiterkeit passen beide gut. Wo »Monterey« vor allem auf Stimmung setzte, nimmt sich »Pop & Tod I+II« zurück. Der Reduktion verpflichtet, weben Klavier, Streicher und Synthies einen meist unaufdringlichen Klangteppich, der – verstärkt von ätherischen Backgroundgesängen – Sommers sonore Stimme weich einbettet. Den Sound-Dunstschleier durchbrechen gezielt gesetzte Effekte wie das unvermittelt

einsetzende Schlagzeug im Opener »Die Kälte« oder das sich zum Punkbrett wandelnde »Komm mich besuchen«. Der Band Einfallslosigkeit oder gar Dilettantentum zu unterstellen ist nicht nur deshalb Blödsinn, weil Sommer jahrelang Klavier- und Cellounterricht genommen hat, sondern auch, weil sich hinter den lakonischen Oberflächen auf »Pop & Tod I+II« diverse Abgründe auftun. Ob man sich dort hineinstürzen möchte oder sich lieber zurücklehnt und erst mal abwartet, bleibt jedem selbst überlassen. Tatsächlich aber verleiten Die Heiterkeit mit ihrem dritten Album zum wundersamen Nichtstun. Einfach nur dasitzen, zuhören und sich einwickeln lassen. Sommer jedenfalls empfindet den Eindruck der gepflegten Lethargie als Kompliment: »Es ist wie ein Strudel, in den man hineingezogen wird. Aber man muss sich eben auch drauf einlassen.« Sich einzulassen impliziert, intellektuell zu kapitulieren, nicht wirklich schlau zu werden aus Textzeilen, aus Geschichten, die mehr verschweigen als erzählen. Songs, die souverän im Dunst der Uneindeutigkeit schweben. »Betrüge mich gut«, singt Sommer so doppeldeutig, dass offen bleibt, wer hier eigentlich wen betrügt. In »Dunkelheit wird niemals« bleibt unklar, was willkommener ist: der Anbruch des Tages oder das Fortbestehen der Nacht. Und »Komm mich besuchen« verweigert sich entgegen dem Titel der Außenwelt. »Man will niemanden sehen, aber dann irgendwie doch«, erläutert Sommer vage den Hintergrund des Songs. So richtig weiß sie selbst oft nicht, auf was eine Textzeile anspielt. Sommer schreibt Songs, seitdem sie 13 ist. In ihrem Notizbuch sammelt sie wahllos alles, was ihr unter Augen und Ohren kommt. Mit dem Ergebnis, dass sie ein paar Monate später keine Ahnung mehr hat, woher dieser oder jener Einfall gekommen ist. Klarer dagegen ist, in welchem Zeitraum gewisse Dinge entstanden sind. So ist »Pop & Tod I+II« auch von der leichten Depression geprägt, die Sommer regelmäßig überfällt. »Nicht super-depressiv«, betont sie, »mehr so wie postnatale Depressionen, nachdem man ein Album rausgebracht hat oder auf Tour war und denkt: Was mache ich denn jetzt bloß?« Sie macht keinen Hehl aus Gefühlen wie Isolation und Stagnation. Dass ein Lächeln von Mitgliedern der Heiterkeit so selten ist wie ein Sonnentag in Hamburg, stößt dagegen vielen negativ auf. Egal, ob in ihren Videos, auf Fotos oder bei Live-Auftritten: Spröde geguckt wird immer. Das steht so ziemlich im Gegensatz zum Interview, in dem die Künstlerin sehr viel zugänglicher ist, als ihre Musik erwarten lässt. Sommer glaubt, dass dieser Eindruck auch daher komme, weil sie in keine Schublade passe. »Riot Grrrls sind rotzig, und Gitarrenmädchen stehen mit zittriger Stimme auf der Bühne. Bei uns aber fühlen sich die Leute schnell provoziert, weil wir weder das eine noch das andere sind und sich auch keine andere Schublade öffnen will.« Na, Gott sei Dank! Denn sich konsequent dem Schubladendenken zu verweigern nennt man geradlinig. »Und was ist geradliniger als wir?« stellt Sommer fest – und lacht. Den Tod bezwingen Die Heiterkeit so zwar nicht, aber ein ausdauerndes Stück Musik haben sie mit »Pop & Tod I+II« – den Unkenrufen zum Trotz – allemal geschaffen. — Intro empfiehlt: Die Heiterkeit »Pop & Tod I+II« (Buback / Indigo / VÖ 03.06.16) — Auf Tour vom 09. bis 21.09.

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#Pop #Peter Bjorn And John

Peter Bjorn And John

IN INGRIDS ARMEN Peter Morén, Björn Yttling und John Eriksson sind viel mehr als diese Band, die fröhlich pfeifend die »Young Folks« zum Schunkeln brachte. In ihrer Heimatstadt Stockholm zeigen sie mit ihrem bestens vernetzten Kollektiv INGRID, wie man sich heute im Popmarkt etabliert und bei den ganz Großen mitmischt. Daniel Koch hat Peter Bjorn And John kurz vor dem Release ihres neuen Albums »Breakin' Point« in Stockholm besucht. Fotos: Märta Thisner

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Beim Bier nach der Show erzählt Björn: »Früher haben in diesen Räumen ABBA aufgenommen. Und ich habe hier oft mit Lykke Li auf dem Boden gesessen und gemeinsam Demos eingespielt.« Yttling ist, wie viele aus dem Kollektiv, weit mehr als bloßer Musiker. Er teilt die SongwriterCredits mit Lykke Li auf all ihren Alben, half Bobby Gillespie von Primal Scream bei der Bobby Gillespie von letzten Platte, komponierte für Robin Schulz Primal Scream und Anna Ternheim, schuf Streicher-Arran- Mr. Gillespie hält große gements für Madrugada, spielte Klavier für Stücke auf den Einfluss von Björn Yttling, der neben GilRobyn und arbeitete an den Soundtracks für lespie und Primal-Screamden Film »The Fault In Our Stars« oder die Gitarrist Andrew Innes Serie »Grey’s Anatomy«. INGRID ist ihm dabei als Ko-Produzent für das letzte Album »Chaosmosis« ebenso eine Herzensangelegenheit wie seine fungierte. Dafür verlagerte Hauptband. »Anfangs haben wir eigentlich nur Gillespie die Produktion Lagerräume und Studios gemeinsam genutzt. extra nach Stockholm: »Wir wohnten in einem sehr Nach und nach wurden wir Freunde, lernten netten Hotel, das Benny von voneinander, teilten Equipment, Ideen und ABBA gehört. In meinem sogar Jobs. Inzwischen begreifen wir uns als Zimmer hing sogar ein großes ABBA-Porträt«, erzählte Team.« John Eriksson, der neben Peter Bjorn er im Intro-Interview. »Mit And John auch bei Moneybrother und Lykke Björn zu arbeiten war ein Li spielt und das Dance-Projekt Hortlax Cob- echter Gewinn. Er ist ein netter Kerl und hat einen ra betreibt, ergänzt: »Es gibt im Pop und auf sehr guten Blick auf Lyrics der Welt so viele Einzelkämpfer. Dabei fühlt und Songstrukturen.« es sich doch viel besser an, Teil von etwas Größerem zu sein.« Und Peter Morén, der drei wundervolle Folk-Soloalben aufgenommen hat, stellt klar: »Obwohl wir einige kommerziell sehr erfolgreiche Acts in unseren Reihen haben, spielte das nie eine Rolle: Wir kommen wegen der Musik zusammen. Die Liebe zu guten Songs eint uns.« Sätze wie diese mögen ein wenig pathetisch klingen, wer aber einen Nachmittag in INGRIDs Gesellschaft verbringt, spürt diesen Spirit durchaus. Gleiches gilt für Peter Bjorn And John: Die drei musizieren miteinander, seit sie 19 sind, und wenn man ihnen gegenübersitzt, merkt man gleich, wie gut sie sich kennen – mit allen Risiken und Nebenwirkungen. »Unser Album heißt nicht umsonst ›Breakin' Point‹. Es gab diesen

er sich an einem sonnigen Tag vor das Café Mellqvist am Bysistorget im Stadtteil Södermalm unter die Kirschbäume setzt, hat gute Chancen, Lykke Li, Miike Snow, die Songwriterin Amanda Bergman Södermalm oder eben Peter Bjorn And John zu treffen. Die Wer böse ist, könnteilen sich mit dem hippen Café nämlich den te diesen zentralen Stadtteil als Prenzlauer Eingangsbereich zu ihrem Studio, einem von Berg Stockholms abtun, zweien, das sie in Stockholm für ihr Kollektiv immerhin nahm er eine INGRID nutzen. Wie passend, denn genau ähnliche Entwicklung vom rauen Arbeiterkiez zum hier im Mellqvist hatte man vor fünf Jahren Szeneviertel. Im Vergleich die Idee, sich unter diesem Namen lose zu zum »Prenzlberg« ist vernetzen, woraus sich 2012 auch ein Label Södermalm aber noch nicht weggenickt, sondern gründete. Im offiziellen Gründungsstatement zugepflastert mit hippen heißt es: »Wir fragten uns, ob da nicht mehr Cafés und Geschäften. ist im Leben als Welttourneen, Indie-Ruhm Platten kaufen kann man dort am besten bei Pet und leere Taschen.« Sounds im Skånegatan 53 Es ist also auch kein Zufall, dass Peter Morén, – hier ist vor allem das sehr Björn Yttling und John Eriksson Freunde, Weg- gut sortierte SchwedenRegal zu empfehlen. begleiter und ein paar Pressenasen in dieses Studio geladen haben, um eine Handvoll Songs ihres neuen Albums »Breakin' Point« live zu spielen. Und obwohl sie »Dominos«, »Do Si Do« und die StockholmHymne »In This Town« zum ersten Mal vor Publikum präsentieren und noch den einen oder anderen Part versemmeln, oder mal eine Textzeile ablesen, tut das der Stimmung keinen Abbruch.


#Pop #Peter Bjorn And John

Stadt fast zu spüren. Trotzdem sei der Song bitte nicht als reine Nostalgie zu verstehen, meint Peter: »Natürlich ist er Stockholm gewidmet. Wir verdanken dieser Stadt alles. Björn und ich kamen aus kleinen, öden Käffern aus dem Norden, als wir 19 oder 20 waren. John war schon eine Weile hier und als Studiomusiker etabliert. Wir setzten alles auf diese Musikerkarte, und diese Stadt hat uns ermöglicht, damit durchzukommen.« Björn ergänzt: »Wir alle fühlten uns in unseren Heimatdörfern völlig fehl am Platze. Das geht uns jetzt noch so, wenn wir dort unsere Verwandten besuchen. Ich will dann immer gleich wieder weg.« Und John, der oft das letzte, gut überlegte Wort einer kollektiven Antwort findet, sagt: »Deshalb ist INGRID hier zu Hause, auch wenn wir manchmal mit internationalen Größen arbeiten.« So schließt sich der Kreis zu der Runde, die sich hier im Studio neben dem Mellqvist versammelt hat, um mit Peter Bjorn And John zu feiern. Und als hätte man nicht schon jetzt geschnallt und gespürt, dass hier in INGRIDs Armen Freundschaften am Werk sind, erzählt Rob Andersohn, ein Amerikaner, der die Konzerte, -Partys und -Treffen des Kollektivs mit seiner Videokamera dokumentiert, noch einmal mit leuchtenden Augen: »Hey Mann, genau wegen

Punkt, an dem wir nicht mehr weiter wussten, uns im Kreis drehten und nach und nach auf die Nerven gingen«, gibt Björn unumwunden zu. »Wobei wir es erst ›Drama Club‹ nennen wollten. Passt ja auch«, grinst John, und Peter erklärt: »So entstand die Idee, mal Produzenten von außen an Bord zu holen. Wir schrieben unsere Wunschliste auf und waren dann sehr überrascht, dass die meisten von ihnen zusagten.« Die Produktionscredits kann man dann wohl tatsächlich als Beweis lesen, wie geschätzt sie in der Pop-Elite sind. Am Ende waren beteiligt: Patrick Berger (Icona Pop, Robyn), Paul Epworth (Florence + The Machine, U2, Paul McCartney), Greg Kurstin (Sia, Adele), Emile Haynie (Lana Del Rey, FKA Twigs, Kanye West), Pontus Winnberg (Miike Snow) und Thom Monahan (Wild Nothing, Devendra Banhart). »Das war schon verrückt«, erinnert sich Björn. »Am Ende war es normal, dass man ins Studio geht und plötzlich U2 oder Paul McCartney trifft.« Am wichtigsten war jedoch, so John: »Sobald ein Vierter im Raum war, dessen Arbeit wir schätzten, benahmen wir uns besser: Anstatt in alte Rollen zu verfallen, schauten wir auf den Kern der Songs und konzentrierten uns auf unser Handwerk.« Dabei hatten sie sich, wie Peter erklärt, gewisse Vorgaben gesetzt: »Das Ziel war immer ein klassischer Popsong mit einem modernen Twist. Klassische Struktur, nicht zu lang, große Refrains, Tempo eher medium, gute, simple Lyrics, Melodien, die dich packen.« Die zwölf Songs auf »Breaking Point« erfüllen allesamt diese Auflagen, wobei manche fast ein wenig zu süßlich geraten sind. Saugut sind Peter Bjorn And John dann, wenn die Melancholie Einzug hält, im Trennungssong »A Long Goodbye« zum Beispiel oder bei »In This Town« – einer Hymne, die sicher in vielen Städten, hier in Stockholm aber besonders gut funktioniert. Im Refrain singen alle drei: »Tonight I don’t wanna go home / I want to go back to when it started«, und man glaubt die Liebe zu ihrer

solcher Nachmittage mach ich das! Und ich liebe diesen Raum! Ich werde nie vergessen, wie ich hier mal reinkam und Lykke und Björn auf dem Boden saßen. Er spielte Akustikgitarre, und sie sang dazu. Das war so rein, Mann, so groß, ich hatte Gänsehaut von den Zehen bis zur Stirn!« — Peter Bjorn And John »Breakin’ Point« (Ingrid / Rough Trade / VÖ 10.06.)

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#Pop #Pantha Du Prince

Pantha Du Prince

DIE AUFLÖSUNG Hendrik Weber war als Pantha Du Prince zuletzt mit dem großen Glockenzirkus »The Bell Laboratory« unterwegs. Zu seinem neuen Album »Triad« verliert er sich dagegen in kleinen Dreiergruppen, in alten Maschinen und philosophischen Gedanken, wie Henje Richter erfahren hat. Foto: Frederike Wetzels


#Pop #Pantha Du Prince

I

n Leinenhose und Schlappen sieht Pantha Du Prince aus wie der hippeste Prophet, der je vom Berge gestiegen ist. Nur um an diesem Tag in einem Szenehotel in Berlin auf dem Sofa lümmelnd Empfang zu halten. Seine längeren offenen Haare und die große Sonnenbrille tragen ihr Übriges zu dem Verkündervergleich bei; und wie sich sofort zeigt, täuscht dieser Eindruck auch nicht: »Musik sucht sich jemanden, der in der Lage ist, sie in die Entstehung zu bringen.« Das ist eine der leichter zu verstehenden Wahrheiten, die Pantha Du Prince in diesem oft in höhere Ebenen abdriftenden Interview von sich geben wird. »Musik ist eine Form der Abstraktion, eine frequenzmäßige Auflösung, die über die eigene konkrete Erfahrung hinausgeht. Es geht mir darum, zuzulassen, dass sich die Welt als Klang manifestieren darf.« Ui, Philosophie. Besser erst mal einen Schritt zurücktreten. Hendrik Weber spielte Bass bei der Hamburger Band Stella, macht aber seit knapp 15 Jahren elektronische Musik unter dem Namen Pantha Du Prince – bislang hat der 40-Jährige unter diesem Pseudonym fünf Soloalben und unzählige Liveauftritte hinter sich. Umso mehr erstaunt es, wie tastend, wie suchend er das Interview an vielen Stellen bestreitet. Er haut zwar steile Thesen in langen Sätzen raus, versieht aber alles mit einem Fragezeichen, einem Anheben seiner weichen Stimme am Satzende. Und er nutzt gerne das Wort »man«, als könne er den Satz danach besser aus einiger Entfernung betrachten. »Man fängt mit sehr niederen Beweggründen an, Musik zu machen. Damit meine ich nicht Geld und Ruhm, sondern das Überleben an sich. Das ist die Urkraft: Festzustellen, dass man etwas tun kann, um zu überleben.« Man nimmt Sätze wie diesen erst einmal hin, lässt sich einlullen, weil Pantha Du Prince so einnehmend ist und sie sehr wahr klingen. Und später, wenn man leider nicht noch mal bei ihm nachbohren kann, fragt man sich: Was will er eigentlich genau damit sagen? Dass man erst mal die Miete zahlen können muss und danach erst die Kür kommen kann? Man weiß es nicht. Zum Glück sind andere Aussagen klarer: »Mittlerweile beginne ich zu verstehen, dass man nicht derjenige ist, der die Musik macht, sondern sie macht sich selbst, und sie sucht sich jemanden dazu. Man selbst ist nicht so wichtig.« Für das aktuelle Album hat Pantha Du Prince mit Thilo Kuhn vom Musikkollektiv Metabolismus mithilfe des alten Analog-Synthesizers EMS Synthie 100 aus den 70erJahren gearbeitet. »Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit der Riesenmaschine zu arbeiten. Das war wie ein Raumschiff, in das du erst mal eindringen musst, um dich mit ihm in Beziehung zu setzen. Man merkt dann, dass so eine Maschine dankbar ist für Momente, in denen sie sich selber zeigen darf.« Pantha Du Prince ging es auf »Triad« letztlich darum, in der Musik und in den Instrumenten aufzugehen, sie durch seine Person entstehen zu lassen. »Man sitzt dann da, und die Geräte knattern so vor sich hin, und dann dreht man irgendwie an ein paar Knöpfen und dann an immer mehr. Die müssen halt bedient werden! Man selbst löst sich in dem Moment ein Stück weit auf. Das ist ein archaischer Moment von ›Geschehen-Lassen‹.« Die Triade oder Dreiecksbeziehung hat er deshalb als Albumtitel genommen, weil es die einfachste Form ist, in der man sich selbst verlieren kann, wie er sagt. Two’s company, three’s a crowd. Der Beginn von Gesellschaft, wie Georg Simmel sagte. Oder: »3 is ne Party«, wie Fettes

Brot sangen. Egal, ob im Studio auf der Schwäbischen Alb mit Joachim Schütz und Thilo Kuhn oder in Berlin mit Bendik Kjeldsberg und Scott Mou, immer wurde zu dritt an dem Album gearbeitet. »Ein Albumtitel fasst zusammen, was im Studio genau los war. Diesmal ging es darum, wie sich etwas mithilfe von Dreier-Kombinatorik selbst zerstören und wieder aufrichten kann.« Georg Simmel Diese Selbstauflösung lebt Weber auch aus, … lebte von 1858 bis 1918 indem er sein Alter Ego Pantha Du Prince über- und gilt als einer der Begründer der Soziologie nehmen lässt. »Pantha, das bin nicht ich«, sagt in Deutschland. Er war er mit ernster Betonung. »Das ist ein Orga- der Auffassung, dass die nismus, der mich übernimmt. Ich werde dann Triade die kleinste Einheit ist, in der der Einzelne echt dieser andere Typ, nicht mehr Hendrik aufgehen kann. Weber. Jetzt sitze ich hier, und du fragst mich was, und ich bin dieser Pantha. Du würdest mit mir sicherlich andere Gespräche führen als mit Ernst Bloch Pantha.« Der Interviewer ist an dieser Stelle … lebte von 1885 bis 1977 auch kurz davor, sich in der Triade zu verlieren, und verband die Ideen von Karl Marx mit der Metaphyoder ist es doch nur der Wahnsinn, von dem sik, also Fragen nach dem Pantha Du Prince dann weiter spricht: »Ich Sein und Sinn der Welt. schaue, wo die Musik ihren eigenen Raum Sein utopisches Hauptwerk heißt »Das Prinzip hat, in dem sie von dem ganzen Wahnsinn Hoffnung«. erzählen kann, der uns so radikal erscheint, dass wir ihn nicht verstehen wollen.« Der Wahnsinn, das ist für Pantha Du Prince die Tatsache, dass wir immer noch für Wasser und Elektrizität bezahlen müssen. »Es kann doch nicht sein, dass wir die ganze Zeit in diesem monetären System festhängen. Was soll das eigentlich, dass ich für die U-Bahn bezahlen muss? Es muss doch möglich sein, dass wir in unserem jetzigen zivilisatorischen Stadium einfach so auf die Straße gehen und überleben können!« Pantha Du Prince bezeichnet das als »konkrete Utopie«, ein Begriff von Ernst Bloch. Man könnte auch klares politisches Statement dazu sagen. »Pantha ist abstrakt angelegt, und deshalb ist die Botschaft auch abstrakt. Aber es geht mir um eine konkrete Utopie: Dass der Zuhörer genau das bekommt, was er gerade braucht.« Gute Musik erzeuge das Gefühl, einen Platz in ihr zu haben, und schaffe die Möglichkeit, sich in ihr aufgehoben zu fühlen. »Ich habe die Idee, dass die Musik einen Raum schaffen kann, in dem die Menschen sich aus ihren Verflechtungen und Konfusionen lösen und in einen Urzustand zurückkommen können. Es ist ja auch bei mir so, dass ich durch die Musik Dinge verstehen darf.« Und wenn man scheitere, die Dinge zu verstehen, sei das auch gut. Hauptsache, man habe es versucht. Immerhin versucht. — Pantha Du Prince »The Triad« (Rough Trade / Beggars / Indigo) — Auf Tour am 24.09.

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#Kultur

#Kultur

Tocotronic »Aber hier leben, nein danke«

Wer daheim auf dem Sofa zu oft an dieses Zitat denkt, sollte sich ein wenig Eskapismus gönnen und entweder im Kinosessel oder im Flachbildschirm versinken. Für beide Varianten haben wir Empfehlungen: Idris Elba erzählt von seinem »Bastille Day«, wir feiern eine Nacht im von Soulwax beschallten »Café Belgica« und am Ende schauen wir ein wenig Nazischlachten. Passt ja gut zu dieser Ausgabe.

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#Kultur #Kino #Felix van Groeningen #Café Belgica

Felix van Groeningen über seinen Film »Café Belgica«

WIE EINE DURCHZECHTE NACHT Kreuzberger Nächte mögen lang sein, Genter Nächte sind länger. Jedenfalls in Felix van Groeningens Tragikomödie »Café Belgica«. Der belgische Filmemacher erzählt die Geschichte zweier Brüder, die nicht nur ihr Erfolg als Gastronomen in einen Rausch versetzt. Sermin Usta sprach mit van Groeningen über nächtliche Eskapaden und den ganz speziellen Soundtrack von Soulwax.


#Kultur #Kino #Felix van Groeningen #Café Belgica

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ent hat viele Gesichter. Die zweitgrößte Stadt Flanderns ist zum Beispiel Studentenstadt und Ort nächtlicher Exzesse. Die Alkoholkurve verläuft dank des günstigen Bierpreises unverhältnismäßig zur Bewohnerzahl. Für Regisseur Felix van Groeningen ist Gent Heimatstadt und Quelle seines kreativen Schaffens. Ob es um seinen ersten Erfolg »Die Beschissenheit der Dinge« oder das Drama »Broken Circle« geht – den Stoff lieferte die Stadt. Mit seinem neuen Film setzt van Groeningen nun seiner Jugend in Gent ein filmisches Denkmal. »Café Belgica« ist die Geschichte der beiden Brüder Jo (Stef Aerts) und Frank (Tom Vermeir) – Geschwister, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der schmächtige und einäugige Jo liebt Musik und seine eigene Bar, das Café Belgica. Eines Nachts besucht ihn sein großer Bruder Frank, der mit Frau und Kindern in der Vorstadt lebt. Es dauert nicht lange und die Brüder machen die Bar gemeinsam zum Untergrund-SzeneLokal – aus dem kleinen abgewrackten Café Belgica wird der Geheimtipp Gents. Für eine Weile ist das Leben der beiden ein einziger Rausch aus Drogen, Sex und Rock’n’Roll. Dann holt die Realität den Hedonisten Frank und den gutmütigen Jo ein: »Jo ist zu Beginn ganz der kleine Bruder, der zu Frank aufsieht und dessen Bestätigung sucht«, erklärt Felix van Groeningen im Gespräch. »Im Verlauf des Films scheint sich das Verhältnis der beiden umzukehren. Welche Situation das Fass zum Überlaufen bringt, kann ich nicht sagen. Das weiß selbst ich nicht genau.« Jo emanzipiert sich von seinem Bruder und trifft am Ende eigene Entscheidungen. Der Regisseur kann das gut nachvollziehen: »Jeder sollte mal eine Phase haben, in der er sich auslebt. Auch in meinem Leben gab es eine solche Zeit. Wichtig ist, dass es ein Ende findet.« Der Filmemacher weiß, wovon er spricht. Einen Großteil seiner Teenager-Zeit verbrachte er im Laden seines Vaters. Dessen Kneipe wurde Ende der 1980er-Jahre zur Anlaufstelle für Gents lokale Musikszene. Felix half hin und wieder aus. Auch die Brüder Stephen und David Dewaele – besser bekannt als Soulwax oder 2ManyDJ’s – standen dort schon auf der Bühne. Da passt es, dass sie The Shitz, Charlotte, den Soundtrack zu van Groeningens Film kom- Kursat 9000 ponierten: »Musik kann entscheidend für den Extra für »Café Belgica« Zusammenhalt einer Geschichte sein. Deshalb ist komponierten Soulwax 16 Songs, gesungen und die Reihenfolge der Songs im Film nicht zufällig eingespielt von 15 fiktiven gewählt. Sie ist ein wichtiger Bestandteil dessen, Bands. The Shitz dürfen was in der Bar und mit den Figuren passiert.« gleich zwei Lieder beisteuern: »Diese Indie-Band Nacheinander treten fiktive Acts wie die Indie- ist eigentlich viel zu groß Band The Shitz, Popsängerin Charlotte und der türkische Acid-Folk-Sänger Kursat 9000 auf

für das Belgica. Doch ihre Show ändert alles, denn mit ihnen wird der Ort plötzlich cool«, lassen sich Soulwax zitieren. Der Orient-Pop der Band Kursat 9000 zeigt auf aberwitzige Weise, wie man elektronischen Sound mit türkischer Folklore mixt. Der Opener »The Best Thing«, gesungen von Charlotte, wird zur Hymne des Films.

die Bühne des Café Belgica. 15 Acts, die Soulwax selbst konzipiert haben. Anspielungen auf die reale Popmusikhistorie der Stadt dürfte es in diesem Line-up viele geben. Schließlich haben die Brüder im echten Leben die Musik-Szene Gents entscheidend mitgeprägt. Der Film, der ein Gemisch aus Ekstase, Rausch und Melancholie ist, fühlt sich dank seines Soundtracks und der Erlebnisse der Hauptfiguren an wie eine durchzechte Nacht. Gerade, weil sie intensiv war, wird man sie so schnell nicht vergessen. Oder, um es mit Felix van Groeningens Worten zu sagen: »Gent ist eine heftige Stadt. Da sind David, Stephen und ich uns einig. Und wenn es jemand wissen muss, dann wir.« — »Café Belgica« (B/F 2016; R: Felix van Groeningen; D: Stef Aerts, Tom Vermeir; Kinostart: 23.06.16; Pandora) — Intro empfiehlt: Soulwax »Belgica – O.S.T.« (PIAS / Rough Trade)

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#Kultur #Kino #Jeremy Saulnier

Jeremy Saulnier über seinen Film »Green Room«

DAS HANDWERK DES NAZISCHLACHTENS Eine Punkband sitzt in einer Skinhead-Bar fest, als sie Zeuge eines Mordes wird. Das bleibt nicht die einzige Bluttat in diesem feinen Slasher-Horror. Patrick Heidmann sprach mit Regisseur Jeremy Saulnier über Punk, Neonazis und die Segnungen der Reagan-Ära.

Hast du solche Brutalität wie in deinem Film in der Szene erlebt?

Die Stimmung veränderte sich, als Anfang der 1990er-Jahre Skins und Neonazis zum Bestandteil der PunkWie kam es zu der Geschichte des Duells Szene wurden. Da lag Gewalt in der Luft. Das Punks gegen Nazi-Skins? sorgte für eine ganz eigene Stimmung und Die Punk-Szene war wichtig für mich. Ich bin Energie bei den Konzerten. Später kam es oft in den langweiligen Vororten von Washington zu Schlägereien. D.C. aufgewachsen, und als ich mit Punk in Hattest du manchmal Angst? Berührung kam, fing ich sofort Feuer. Es muss Vor etlichen Neonazis habe ich immer noch 1985 gewesen sein, da hörte ich ein Album der Angst. Deswegen gab ich mir große Mühe, Dead Kennedys. Eine Woche später überredete dass sich die Gruppe in »Green Room« nicht ich meine Mutter, mit mir zu einem Platten- einer bestimmten realen Neonazi-Fraktion laden zu fahren, um eine Sex-Pistols-Kassette zuordnen lässt. Man weiß ja nie ... zu kaufen. Gibt es viele Neonazis in den USA? Punk war fester Teil deiner Sozialisation? Oh ja. Für eine Weile schienen sie fast verJa, später wurde ich Skate-Punk, und durch schwunden. Doch seit Obamas Präsidentschaft die älteren Jungs lernte ich weitere Bands ken- haben Hass-Gruppen und rechtsextreme Ornen. Als ich einen Führerschein hatte, ging es ganisationen leider enormen Zulauf. Plötzlich ständig nach D.C., wo es eine ziemlich lebhafte agieren sie wieder sichtbar. Vielerorts feiern Punk-Szene gab, aus der Hardcore geboren sie unbehelligt Partys, auf denen sie Kreuze wurde. Meine Freunde und ich hatten am verbrennen – und sie veranstalten Konzerte. Wochenende nur zwei Dinge im Kopf: Entwe- »Green Room« ist realistischer, als mir lieb ist. der wir spielten auf Punk-Konzerten oder wir Davon abgesehen ist der Film auch sehr drehten blutige Zombie-Filmchen. komisch.

Den Schauspielern durfte nicht allzu sehr bewusst werden, wie lustig er letztlich sein würde. Natürlich kannten alle das Drehbuch und wussten, worum es mir geht. Aber es war essenziell, dass sie ihren Job mit völliger Ernsthaftigkeit angehen, sonst hätte der Humor aufgesetzt gewirkt. Für mich als Drehbuchautor und Regisseur war das eine ziemliche Herausforderung. Würdest du »Green Room« als Hommage an die Filme der 1980er- und 90er-Jahre beschreiben?

Um Gottes willen, nicht an die 90er! Aber das mit den 80ern haut ästhetisch hin. Ich liebe die Zeit, in der Roboter nicht am Computer entstanden, sondern mittels Stop-Motion zum Leben erweckt wurden. Und man denke nur an das Action-Kino der Reagan-Ära. Da war natürlich Propaganda im Spiel, aber visuell waren die Filme etwas Besonderes. Düster und brutal – und statt auf Tricktechnik und CGI kam es auf Handwerk an. Daran habe ich mich ein wenig orientiert. — »Green Room« (USA 2015; R: Jeremy Saulnier; D: Anton Yelchin, Imogen Poots, Patrick Stewart; Kinostart: 02.06.16; Universum)


#Kultur #Kino

Everybody Wants Some!!

NORMALER STYLE Nach einem Van-HalenSong benannt und auf den Spuren des Films »Dazed And Confused«: Richard Linklaters neues Jugend-Porträt ohne Handlung ist einer seiner Geniestreiche.

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ichard Linklater hat eine besondere Stärke: Er kann Geschichten ohne Handlung erzählen. In »Before Sunrise« folgte er Julie Delpy und Ethan Hawke in einem Endlos-Gespräch durch das Wiener Nachtleben, in »Boyhood«, verfolgt er über zwölf Jahre das Coming of Age von Mason, dessen Kindheit und Jugend an Durchschnittlichkeit kaum zu übertreffen sind: Harry Potter, erste Liebe, Coldplay, Herzschmerz. Es ist gerade diese Normalität, die Linklaters Kino auszeichnet. Als Filmemacher ist er ein brillanter Beobachter, da stimmt jede Wandtapete, jede Geste, jeder Song. »Boyhood« endet vor der Kulisse eines von Kakteen gesäumten staubigen Highways in Texas – auch bekannt als Linklater-Land.

Und genau dort beginnt »Everybody Wants Some!!«. Allerdings spielt der Film 1980, der Pick-up ist ein Oldsmobile Coupé, und aus dem Kassettenrecorder klingt »My Sharona«. Hauptfigur Jake (Blake Jenner) ist kein KunstNerd wie Mason, sondern der Star-Pitcher des Highschool-Teams. Zusammen mit seiner Plattenkiste bezieht er ein Zimmer in der heruntergekommenen Residenz des BaseballTeams. Wohnraum ist knapp an diesem College, weshalb die Jungs außerhalb des Campus’ untergebracht sind. Offiziell herrscht Alkoholverbot, aber wen interessiert das schon? Es geht schließlich um das erste Wochenende am College. Das heißt konkret: tagsüber Dosenbier und Tischtennis, abends Cocktails und Disco.

Viel mehr passiert nicht. »Everybody Wants Some!!« ist ein Baseball-Film ohne Baseball und ein College-Film ohne College. Doch Cast, Musik und Outfits machen ihn zum besten Jugend-Porträt seit »Dazed And Confused«, dem Richard Linklater zufolge »spirituellen Vorgänger« von »Everybody Wants Some!!«. Damit ist wohl alles gesagt!! Simone Schlosser — »Everybody Wants Some!!« (USA 2016; R: Richard Linklater; D: Blake Jenner, Tyler Hoechlin; Kinostart: 02.06.16; Constantin)

»Stolz und Vorurteil und Zombies« (USA/GB 2016; Kinostart: 09.06.16; Universum) basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Seth Grahame-Smith. Der Film verbindet Jane Austen mit George Romero – zumindest mit jenem Leinwandgeschöpf, an dessen Entwicklung zum PopkulturKlassiker der Regisseur maßgeblich beteiligt war. Erprobte Horrorfans werden es ahnen: Wirklich furchterregend sind die Zombies in dieser Actionkomödie nicht. Stattdessen dienen sie als schmuckes Beiwerk für das aus dem Originaltext bekannte Spiel mit Rollenklischees und gesellschaftlichen Regeln. Dass der bunte Mix aus altmodischer Etikette, postmodernem Sprücheklopfen und Tarantino’esk toughen Mädels nicht im Genre-Mittelmaß versinkt, liegt am tollen britischen Cast. Allen voran Lily James als Elizabeth Bennet und ihr Counterpart Sam »Control« Riley alias Mr. Darcy. Gemessen an Filmen mit ähnlich simpler Prämisse, macht der Rom-Com-erprobte Regisseur Burr Steers einiges richtig.

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#Kultur #Kino #Idris Elba #Bastille Day

Idris Elba über »Bastille Day«

»FATBOY SLIM HAT MICH ÜBERREDET« Der aus »Luther« bekannte Serien-Star Idris Elba spielt die Hauptrolle in der kommen­den Verfilmung von Stephen Kings Opus magnum »Der dunkle Turm«. Zudem halten sich hartnäckig Gerüchte, er werde der neue James Bond. Als DJ tauchte er schon im Vorprogramm von Madonna auf. Patrick Heidmann traf das britische Multitalent und ließ sich erklären, warum Elba im Action-Film »Bastille Day« die meisten Stunts selbst gemacht hat – und weshalb er jetzt auch noch singt.


#Kultur #Kino #Idris Elba #Bastille Day

»Bastille Day« spielt am französischen Nationalfeiertag in Paris, und die Geschichte beginnt mit einem Bombenattentat ...

In »Bastille Day« ist kaum etwas so, wie es anfangs scheint. Mehr sollte man über den Plot nicht verraten. Natürlich sind sich alle Beteiligten der Sensibilität des Themas bewusst, allerdings gibt es keinen Bezug zu den wahren Terroranschlägen von Paris. Der Film war sogar schon vor dem »Charlie Hebdo«-Attentat abgedreht. Wie kam es dazu, dass man dich im Abspann singen hört?

Singen ist zu hoch gegriffen, Sprechgesang trifft es besser. Regisseur James Watkins war der Soundtrack sehr wichtig. Also habe ich bei Fatboy Slim angeklopft, der großer KinoFan ist. Wir wollten schon länger zusammenarbeiten, und »Bastille Day« bot die ideale Gelegenheit. Dass ich mein mangelndes Gesangstalent zur Schau stelle, war zunächst nicht geplant, aber am Ende hat er mich überredet. Normalerweise stehst du eher am DJ-Pult als am Mikrofon. Was bedeutet dir das DJing?

Wenn man seine Sache gut macht und die richtige Chemie herstellt, bringt man jede einzelne Person im Raum zum Tanzen. Als Schauspieler kennt »Point Blank« man so eine unmittelbare Erfahrung höchstens John Boormans Film aus dem Jahr 1967 aus dem Theater. Welche Musik legst du auf?

House, mitunter mit Techno-Einschlag. Ich bin öfter auf Ibiza, in großen Clubs wie dem Pacha. Und kürzlich war ich sogar beim legendären Glastonbury Festival am Start. Aber zu Hause in London lege ich öfter auch in deutlich kleineren Locations auf.

Vergangenen Herbst gab es ein Wiedersehen mit »Luther«. Die Serie kehrte für zwei letzte Folgen zurück. Arbeitest du lieber für TV- oder für Kinoproduktionen? Meine Rollen in »Luther« und »The Wire«

gilt als der ultimative Rache-Gangsterfilm. Die Handlung ist einfach: Der Hafenarbeiter Walker wird nach einem Überfall von seinem Komplizen angeschossen und um den Anteil geprellt. Walker heftet sich an dessen Fersen. Lee Marvins stoische Performance als Rächer steht im Kontrast zu Boormans experimenteller Regie.

»Luther« und

waren das Beste, was mir und meiner Karri- »The Wire« ere passieren konnte. Ich will keine Sekunde In der HBO-Serie »The missen. Aber wenn du mich so direkt fragst, Wire« spielt Elba Russell »Stringer« Bell, einen gebe ich der großen Leinwand den Vorzug. Aufsteiger im Milieu der Kino ist einfach die Königsklasse. Wobei es Drogenkriminalität von beim Fernsehen und gerade im Bereich Serien Baltimore, der die Geschäfte am liebsten wie inzwischen unglaublich viele tolle Möglich- ein seriöser Unternehmer keiten gibt. führen würde und Wirt-

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m Action-Kino kommt mittlerweile ein Großteil der Bilder aus dem Computer. Wie sehr warst du in »Bastille Day« an den Stunts beteiligt?

Und als Konsument?

schaftskurse belegt. In der BBC-Produktion »Luther«

Da verwischen die Grenzen ja immer mehr, glänzt er als superschlauer, oder? Ich muss gestehen, dass ich seit zwei unkonventioneller Detective Jahren nicht mehr im Kino war. Aber auch John Luther. Für diese Rolle wurde er mit dem Golden die familiäre Verabredung abends um 20 Uhr Globe ausgezeichnet. vor dem Fernseher gibt es ja kaum noch. Wir alle sind einfach so viel unterwegs und haben so verrückte Lebensrhythmen. Deshalb finde ich Netflix und andere Streamingdienste sehr praktisch.

Regisseur James Watkins verfolgte einen fast altmodischen Ansatz. Er konnte zwar nicht komplett auf CGI verzichten, deshalb kam hier und da ein Stuntman zum Einsatz. Aber viele Action-Szenen habe ich selbst gespielt. Entsprechend standen vor den Dreharbeiten sechs Wochen Training an. Für mich kein Problem, ich habe Erfahrung Magst du noch ein paar Worte zu den Diskussionen sagen, ob du der nächste James-Bond-Darsteller wirst? mit Martial Arts. Stimmt es, dass für Watkins der Action-Klassiker »Point Ach, lassen wir das lieber, okay?! Ich habe keine Lust mehr, Blank« mit Lee Marvin die wichtigste Referenz war? mich dazu zu äußern. Es gibt auch nichts Konkretes, wozu Zumindest im Hinblick auf meine Figur. Seine erste Anwei- ich etwas sagen könnte. Das sind alles bloß Hypothesen sung an mich lautete: »Guck dir den Film an!« Tatsächlich in den Medien. kannte ich »Point Blank« peinlicherweise noch nicht. Super Film! Das Stoische, das Lee Marvin in seiner Rolle an den — »Bastille Day« (F/GB 2016; R: James Watkins; D: Idris Elba, Richard Madden, Kelly Reilly; Kinostart: 23.06.16; StudioCanal) Tag legt, wollte ich auch bei »Bastille Day« einbringen.

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#Kultur #Kino

Outside The Box

GEISELN DES SYSTEMS Vier Business Consultants, ein Team­building-Event und eine etwas andere Geiselnahme. Spielfilm von Philip Koch (»Picco«) über den Irrsinn der kapitalistischen Leistungsgesellschaft.

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as Beratungsunternehmen Bickstein steckt in einer tiefen Publicity-Krise. Um den guten Ruf der Firma wiederherzustellen, werden vier hauseigene Angestellte zu einer außergewöhnlichen PR-Aktion geladen: der »Bickstein Experience«. Doch anstelle eines erholsamen Outdoor-Ausflugs erwartet das karrieregeile Quartett – Frederick (Volker Bruch), Yvonne (Vicky Krieps), Michael (Stefan Konarske) und Marco (Sascha Alexander Gersak) – ein strapazierendes Bootcamp. Vor laufenden

Der Nachtmahr

MYSTERIÖSER BESUCHER Regisseur Akiz vermischt in »Der Nachtmahr« Versatz­ stücke aus »E.T.«, »Eraserhead« und »Donnie Darko« – mit ­Boys-Noize-Soundtrack.

Kameras und den kritischen Augen der Presse werden die erfolgsverwöhnten Consultants an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit getrieben. Eine inszenierte Geiselnahme, die von zwei erfolglosen Schauspielern durchgeführt wird, soll das Highlight dieses eigenwilligen Team-Events sein. Das bankrotte Schauspiel-Duo wittert aber die Lösung seiner finanziellen Probleme und lässt kurzerhand aus Fiktion Realität werden. Auf humoristische Weise porträtiert Regisseur Philip Koch in

»Outside The Box« den modernen Leistungswahn und gewährt Einblicke in die grotesken Mechanismen der Businesswelt. Pointierte Kritik an einem System, dessen Haltbarkeitsdatum schon lange überschritten ist. Nils Herrmann — »Outside The Box« (D 2015; R: Philip Koch; D: Volker Bruch, Vicky Krieps; Kinostart: 26.05.16; Wild Bunch)

ihrem Verstand zu zweifeln. Ein Hinweis zu Beginn des Films legt dem Zuschauer nahe, den Ton möglichst laut aufzudrehen. Hämmernde Beats und Stroboskop-Licht in den Party-Szenen machen ihn zu einer eindringlichen Erfahrung und liefern einen Kontrast zu den ruhigen, beklemmenden Momenten. Dabei gleitet die Geschichte nie wirklich ins Horror-Genre ab, vom Nachtmahr selbst geht keine echte Gefahr aus. Dennoch stellt sich ein konstantes Gefühl der Anspannung und des Unwohlseins ein. Auch weil der Film extrem offen in seiner Interpretierbarkeit bleibt. Ist der Nachtmahr echt oder Einbildung? Was repräsentiert er? Das geringe Budget von nur 100.000 Euro sieht man Akiz’ »Nachtmahr« nicht an. Besonders eindrucksvoll ist die Figur des Monsters selbst, die von bis zu acht Pupie 17-jährige Tina (Carolyn Genzkow) penspielern bedient wird und eine Präsenz hat, wird nach einem Rave von einem klei- die mit CGI schwer zu erreichen gewesen wäre. nen hässlichen Wesen heimgesucht. Der Dominik Bruns Nachtmahr, eine Mischung aus E.T. und Gollum, erscheint ihr regelmäßig nachts, andere — »Der Nachtmahr« (D 2015; R: Akiz; D: Carolyn Genzkow, Wilson Gonzales Ochsenknecht; Kinostart: 26.05.16; können ihn aber offenbar nicht sehen. Tinas Koch Media) Freunde und Eltern beginnen langsam, an

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#Kultur #DVD

Anomalisa

LIEBE IN ZEITEN DER DEPRESSION Charlie Kaufman lässt die Puppen nicht gerade tanzen. In seinem Stop-Motion-Film »Anomalisa« geht es um einen traurigen Helden, für den sich die Welt als deprimierender Einheitsbrei darstellt. Bis er einen Menschen trifft, der offenbar einzigartig ist.

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ichael Stone ist Autor eines Ratgebers für Service-Mitarbeiter. Er hat Erfolg, aber auch ein schwerwiegendes Problem: Für ihn sind alle Menschen gleich. Sie haben das gleiche Gesicht, und sie sprechen mit der gleichen Stimme, nicht mal seine Frau und seinen Sohn kann er am Telefon voneinander unterscheiden. Erst als Michael im Rahmen eines Kongresses Lisa kennenlernt, sieht er in ihr eine eigenständige Person – mit besonderem Antlitz und eigener Note. Michael nennt sie »Anomalisa«. Regisseur Charlie Kaufman bietet eine Interpretation für Michaels Zustand an: Er könnte unter dem »Fregoli-Syndrom« leiden, bei dem die Betroffenen glauben, dass sich Menschen in ihrem Umfeld plötzlich komplett verändern. Das Skript veröffentlichte Kaufman jedenfalls unter dem Namen Francis Fregoli. Andererseits spricht die generelle Einstellung Michaels für eine »schlichte« Depression. Charlie Kaufmans zweite Regiearbeit (zusammen mit Duke Johnson) nach »Synecdoche, New York« ist die filmische Umsetzung eines Theaterstücks aus dem Jahr 2005. Die in der

Theaterfassung agierenden Schauspieler David Thewlis, Jennifer Jason Leigh und Tom Noonan sind im Kino wieder mit am Start. Während Thewlis den in der Verwirrung gefangenen Michael mimt und Leigh die Service-Angestellte Lisa, übernimmt Noonan alle weiteren Rollen. Der Clou: »Anomalisa« ist ein Puppenspiel, das im Stop-Motion-Verfahren gedreht wurde. Die Figuren, denen die Schauspieler ihre Stimmen leihen, kommen allzu menschlich rüber, obwohl es sich um Barbie-große Akteure handelt. Sie rauchen, trinken Martinis und werden körperlich. Sehr körperlich sogar. Wie schon in den vorherigen Filmen, die auf Drehbüchern Kaufmans basieren, geht es um kognitive Unklarheiten – das Spiel mit der Realität und dem sogenannten Anormalen. Ob er in den Kopf eines Weltstars schaut (»Being John Malkovich«), Erinnerungen auslöscht (»Vergiss mein nicht!«) oder einen eigenen Zwillingsbruder erfindet (»Adaption«) – Kaufman zeigt, was »schief laufen« kann im Gehirn. Natürlich könnte man eine biografisch-psychologisierende Deutung vornehmen. Interessanter ist jedoch, dass seine Filme in einer

Zeit entstehen, in der die Neurowissenschaften als Heilsbringer gefeiert werden – trotz ihres permanenten Scheiterns an befriedigenden Erklärungsmustern und Theorien über das Denken. Gleichzeitig steigen die Zahlen der Therapiebedürftigen wegen Depressionen und Burn-out-Erkrankungen. Das ist das Klima, in dem »Anomalisa« angesiedelt ist, die Hauptfigur Michael verkörpert diese triefende Tristesse. Nicht ohne Grund wird Charlie Kaufman nachgesagt, seine Arbeit trage etwas »Woody-Allen’eskes« in sich. Doch während es bei Allen um Neurosen geht, reden wir bei Kaufman über die große Leere der Depression. Lars Fleischmann — Intro empfiehlt: »Anomalisa« (USA 2015; R: Charlie Kaufman, Duke Johnson; VÖ 02.06.16; Paramount)

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#Kultur #Kino #DVD

»Imagine Waking Up Tomorrow And All Music Has Disappeared« heißt dieser Dokumentarfilm über ein Projekt des KLF-Haudegens Bill Drummond. Der verbrannte einst mit seinem Band-Kollegen Jimmy Cauty eine Million Britische Pfund und sorgte dafür, dass der Backkatalog der erfolgreichen Band nicht in neuen Auflagen verbreitet wird. Seine Kritik am Musik-Business packt Drummond mittlerweile in einen Chor, der aus Zufallsmitgliedern besteht und nur für sich singt, jault und klatscht. Unter der Prämisse, dass es keine vorgefertigten Songs gibt, an denen man sich orientieren kann, lediglich von Drummond (oder Schulkindern) erfundene Scores, die von den Passanten aufgeführt werden sollen. Niemand außer den Sängern darf die fertige Aufnahme hören, die Drummond während seines Trips zusammenstellt. Auch die Filmzuschauer nicht. Vielleicht die schönste Antiklimax überhaupt. Und eine Reise durch die Zeit sowie gegen den Mainstream. Intro empfiehlt den Film des deutschen Regisseurs Stefan Schwietert (Real Fiction).

Dope A$ap Rocky gibt in Rick Famuyiwas intelligenter Komödie »Dope« den Drogendealer, auf dessen Party sich der Nerd Malcolm (Shameik Moore) verirrt. Natürlich nicht einfach so, sondern von den Hormonen geleitet. Der Harvard-Aspirant aus einem kalifornischen Problemviertel ist mit seinen Kumpels nur auf dem Gangsta-Rave gelandet, um Nakia (Zoë Kravitz) zu beeindrucken. Regisseur Famuyiwa driftet nicht in Albernheiten ab, aber so lustig kommt die Komplexität gesellschaftlicher Brennpunkte selten rüber. Sehr cool. — Intro emfiehlt: »Dope« (USA 2015; R: Rick Famuyiwa; D: Shameik Moore, Zoë Kravitz; VÖ 19.06.16; Sony)

Blow Out Regisseur Brian De Palma ist kein unumstrittener Meister des psychologischen Thrillers. Vor allem die Filme seiner frühen und mittleren Phase sind sehenswert und diskussionswürdig – schwer von Hitchcock inspiriert und doch sehr eigen. In »Blow Out« spielt John Travolta einen Toningenieur, der anhand seiner Aufnahmen einen tödlichen Autounfall rekonstruiert. Wie ein Puzzle setzen sich das Bild eines möglichen Mordes und das einer Verschwörung zusammen. Eine verdammt spannende Idee, virtuos umgesetzt. — Intro emfiehlt: »Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren« (USA 1981; R: Brian De Palma; D: John Travolta; VÖ 09.06.16; Koch Media)


#Kultur #DVD

The Big Short

TOP, DIE WETTE GILT … Vor beinahe zehn Jahren platzt die US-amerikanische Immobilienblase. Einige Trader sehen das voraus und wetten auf den Zusammenbruch des Systems. Mit Erfolg.

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n Adam McKays Verfilmung des gleichnamigen Buches über die letzte große Immobilien-, Banken- und letztlich Weltwirtschaftkrise spielt das politische Erbe von Armutserzeugern wie Ronald Reagan, Margaret Thatcher oder Gerhard Schröder keine Rolle. Der Siegeszug des Neoliberalismus ist längst in einer unveränderlichen Wirklichkeit aufgegangen, in der sich nicht nur an der Wall Street unglaubliche Dinge abspielen. Jenes undurchsichtige Spekulationsspektakel, das die Hypothekenblase in den USA platzen lässt und Fantasiesummen verbrennt – mit realen Folgen für die Betroffenen, die nicht wie Banken auf Rettungspakete hoffen dürfen –, wird allerdings genüsslich seziert. Es scheint kompliziert, ist aber einfach. Schließlich geht es um Millionenwetten, der Markt ist ein beschissenes Spielcasino. Die Story entwickelt sich wie ein Thriller, in dem das Star-Ensemble um Christian Bale nicht nur die Realisierung des Film-Projekts garantiert, sondern auch furios spielt – neben einigen Gast-Stars, die das Börsenchinesisch auf unterhaltsame Art erklären. Ein Film über die sogenannte Realität. Wolfgang Frömberg — Intro emfiehlt: »The Big Short« (USA 2015; R: Adam McKay; D: Brad Pitt, Christian Bale, Ryan Gosling; VÖ 02.06.16; Paramount)

Midnight Special

AUF SPIELBERGS SPUREN Michael Shannon, ein kleiner Seher und ein großer Spannungsbogen. Jeff Nichols weiß, was zu einem guten Mystery-Thriller gehört.

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lfred Hitchcocks Thriller-Methode bestand darin, dem Publikum einen Wissensvorsprung gegenüber seinen Filmfiguren einzuräumen. Das sorgte für die sogenannte Suspense. Auch andersherum wird ein Schuh draus. Wenn man nämlich eine Fährte aus ominösen Informationsbröckchen legt, um sie mit suggestiven Bildern nach und nach zu erhellen. Jeff Nichols (»Take Shelter«) ist ein Meister darin, Filme zu drehen, die man in etwa 20 Etappen spoilern könnte und die trotzdem nichts von ihrem Magnetismus

einbüßen. In »Midnight Special« geht es um einen kleinen Jungen, dessen seherische Fähigkeiten eine eigene Sekte ins Leben und die Aufmerksamkeit des Geheimdienstes auf den Plan gerufen haben. Weil sein Vater bei der Geschichte auch noch ein Wörtchen mitreden möchte, sieht er sich dazu genötigt, das eigene Kind zu entführen. Der Film beginnt mit einer nächtlichen Autofahrt mit abgestellten Scheinwerfern und dringt in der Folge tiefer in Spielberg’sches Territorium vor als Epigonen wie »Super 8« oder die Mystery-Experimente

eines M. Night Shyamalan. An den richtigen Stellen fährt »Midnight Special« spektakuläre Effekte auf. Doch der emotionale Punch wird dem Hauptdarsteller Michael Shannon überlassen. Alexander Dahas — Intro emfiehlt: »Midnight Special« (USA 2016; R: Jeff Nichols; D: Michael Shannon, Kirsten Dunst; VÖ 23.06.16; Warner)

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#Kultur #DVD

L’Chaim

DAS LEBEN DANACH Chaim Lubelski war Schach-Genie und Textilhändler, Habenichts und Millionär. Mit über 60 Jahren kümmert sich der dauerkiffende Lebenskünstler um seine Mutter, die die Shoa überlebt hat. Elkan Spillers intimes Porträt zeigt, wie das Trauma Generationen überdauert.

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it dem Leben von Chaim Lubelski könnte man locker mehrere Dokumentation bestreiten: Als junger Hippie bereiste er die Welt, als passionierter Schachspieler nahm er es mit den ganz Großen des Sports auf, in New York verdiente er Millionen mit dem Export von Levis-Jeans, um das Geld dann wieder an der Börse zu verspielen. Doch das Porträt, das Elkan Spiller von seinem Cousin zeichnet, ist keine klassische Biografie und erst recht nicht die Feel-Good-Doku, die man aus dem wilden Leben hätte schneidern können. Statt seinen Protagonisten oberflächlich als schrulligen Lebenskünstler zu inszenieren, der viel gewonnen und auch viel verloren hat, interessiert sich Spiller vor allem für einen bestimmten Aspekt von Chaims Leben – für seine Erfahrungen als Kind von ShoaÜberlebenden: Mutter und Vater haben das KZ überlebt und ihre eigenen Familien verloren – sie blieben Zeit ihres Lebens gezeichnet von dem Leid, das ihnen widerfahren ist. Die mal eher subtilen, dann wieder deutlich identifizierbaren Spuren dieses Leids untersucht Spiller – selbst Kind von Shoa-Überlebenden –, indem er die innige Beziehung von Chaim zu seiner Mutter Nechuma porträtiert, welche der inzwischen 63-Jährige im hohen Alter aufopferungsvoll pflegt.

Jane Got A Gun

COWBOY D NATALIE Feministischer Western oder einfach ein guter Genre-Film mit Natalie Portman in der Hauptrolle? Sergio Leone könnte noch was lernen.

Für sie ist der rastlos durch die Weltgeschichte getingelte Cowboy sesshaft geworden und nach Antwerpen gezogen – ein Ort, den er nicht besonders leiden kann, steht er doch für die Stagnation seines Lebens. Dort lebt er mit seiner Mutter in einem sehr einfachen Apartment, wo er rund um die Uhr Joints raucht, sich mit dem jüdischen Glauben beschäftigt und sein Bestes gibt, um der Mutter einen respektvollen Lebensabend zu ermöglichen. Die

er Western dürfte das einzige Filmgenre sein, in dem Frauenrollen in etwa dieselbe Vielfalt aufweisen wie die Fellfarbe der Pferde. Altmeister wie Sergio Leone oder Sam Peckinpah waren berüchtigt für ihre objektifizierenden Porträts. Weiblich dominierte Filme des Genres wie »Bad Girls« (1994) oder »Bandidas« (2006) waren nur in dem Maße erfolgreich, wie sich das Komödiantische darin einschlich. Natalie Portman

Perspektivlosigkeit eines Menschen, der die Freiheit schätzt, macht Spillers Porträt immer wieder extrem bedrückend. Doch weil sowohl Chaim als auch seine Mutter nicht nur über viel trockenen Humor, sondern auch über eine gute Portion Pragmatismus verfügen, verfällt »L’Chaim« nie in übertriebene Trübseligkeit oder gar Kitsch. Stattdessen ist der Film eine teils abstrus komische, teils todtraurige Reflexion über den Umgang mit Trauma und Verlust, über Altern, Familie und Religiosität. Hanno Stecher — Intro emfiehlt: »L’Chaim – Auf das Leben!« (D/NL/ IL/F/B 2014; R: Elkan Spiller; VÖ 10.06.16; Mindjazz)

fällt es in »Jane Got A Gun« zu, mit diesem Missstand aufzuräumen. Sie spielt Jane Hammond, die Frau eines ehemaligen Gangsters, der vom langen Schatten seiner Vergangenheit eingeholt zu werden droht, seit sein ehemaliger Boss (Ewan McGregor) sein Versteck ausfindig gemacht hat. Mit dem Rücken zur Wand muss sich Jane gegen eine brutale Bande von Revolverhelden zur Wehr setzen. Sie tut es mit

zähneknirschender Entschlossenheit. Inwiefern ein Film als feministische Standarte taugt, der seine Heldin vor allem mit den Insignien männlicher Dominanz ausstattet, wird in »Jane Got A Gun« nicht abschließend beantwortet. Der naturalistische Zugriff, die harten Bandagen und die endlosen Scharmützel im Dunkeln sorgen aber zumindest für den nachhaltigen Eindruck, dass etwas auf dem Spiel steht, das Clint Eastwood nicht besser ausdrücken könnte. Alexander Dahas — Intro emfiehlt: »Jane Got A Gun« (USA 2015; R: Gavin O’Connor; D: Natalie Portman, Joel Edgerton; Universum)


Sumé – The Sound Of A Revolution

ETWAS IST LAUT IM STAATE DÄNEMARK Doku über eine Rock-Band, die bei den Grönländern in den 1970ern Heimatgefühle und ein hohes Maß an Fan-Identifikation auslöste.

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rönland hat ungefähr 50.000 Einwohner. Angeblich besitzt rund ein Fünftel davon eine Platte der Rockband Sumé. Deren großer Erfolg hängt damit zusammen, dass die Musiker ihr erstes Album 1972 in ihrer Muttersprache einsangen und damit einem nationalen Selbstbewusstsein auf die Beine halfen, das sich bis dahin von der dänischen Zentralregierung gegängelt gefühlt hatte. Passend dazu zeigte das Cover ihrer ersten LP die Zeichnung eines Grönländers, der gerade einen Wikinger erlegt hat – ein Motiv, nach dem sich Slayer heute die Finger lecken würden. Die Unabhängigkeitsbestrebungen in Grönland, so weiß dieser charmante Dokumentarfilm zu berichten,

koinzidierten nicht nur mit ähnlichen Bewegungen weltweit, sondern waren auch eine Domäne der Jugend. Sumé spielten eine robuste Variante vom damals angesagten Psychedelic Rock, lange Haare und bunte Hemden waren Ehrensache. Aufschlussreicher als die Archivaufnahmen und die Interviews mit den Musikern sind die O-Töne ihrer alten Fans: Die Erkenntnis, dass eine Rockband einen so großen Teil der eigenen Identität ausmachen kann, kommt einem aus heutiger Sicht beneidenswert und frivol vor. Gerade, weil sie den Protagonisten eine solche Verantwortung aufbürdet. Alexander Dahas — Intro empfiehlt: »Sumé – The Sound Of A Revolution« (GL/DK/N 2014; R: Inuk Silis Hoegh; VÖ 27.05.16; Mindjazz)

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Tribute: Deadpool Wir haben Marvel Comics ja einiges zu verdanken – und dem Marvel Cinematic Universe sowieso. Aber mit Deadpool kommt ein ganz besonderer Freak im Ganzkörperkostüm daher – nach einem irren Experiment entstellt, aber mit dem Selbstbewusstsein, unschlagbar zu sein. Die große Fresse von Wade Wilson, so der bürgerliche Name des Supersöldners, kann eh kein Wissenschaftler im Zaum halten. Und so backt er lieber großmäulig Pfannkuchen (die besten der Welt!) als kleine Brötchen – und gibt den Bösewichten Saures, wenn er die Vierte Wand durchstößt. Dabei steht er auf »Gilmore Girls« und Chimichangas. Als Klatschpappe im lustigen Mutantenstadl sieht er sich nicht. Dafür macht er zu gerne Witze über Wolverine und Spiderman. Tim Miller setzt ihm in seinem actionreichen, augenzwinkernden Blockbuster ein Denkmal. Wir gehen mal davon aus, dass da noch mehr kommt. — »Deadpool« (USA 2016; R: Tim Miller; D: Ryan Reynolds; VÖ 23.06.16; Fox)

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#Kultur #Games

Battleborn

Urlaub im Farbeimer

Es gibt viele Gründe, Egoshooter zu spielen – die Story gehört selten dazu. Zeit mit Freunden zu verbringen dafür umso häufiger. Aus diesem Grund gibt es »Battleborn«. Nicht dass wir uns falsch verstehen – es gibt auch eine Geschichte in »Battleborn«, doch die wird mit leichtem Desinteresse abgetan. Jeder schlechte Spruch ist wichtiger als der hirnverbrannte Science-Fantasy-Plot mit irgendwie ausgeknipsten Sternen und einer letzten Sonne, um die herum sich ein bunter Mix der Lebensformen gegenseitig über den Haufen schießt. Es wird schwerpunktmäßig geballert. Allein oder in kleinen Teams treten die Helden zu Missionen oder Mehrspielerduellen an. Die Macher des Spiels landeten bereits mit der »Borderlands«-Serie einen großen Hit. »Battleborn« ist zwar bunter und chaotischer, aber die Nase hat der Spross eindeutig von seinem Vater. Das ist auch das Problem dieser endlosen Schlachtplatte: So ähnlich wurde sie schon öfter aufgetischt. Charaktere leveln sich mitten im Gefecht hoch, Mehrspielerduelle besitzen ausgefeilte Spielmodi, die Auswahl der Helden ist mit 25 sehr groß. Aber diese Ideen haben derzeit viele Spiele. Warum es solche wie »Battleborn« geben muss, wird nicht ganz klar. Wer jedoch ein paar Freunde und zehn bis 200 Stunden totzuschlagen hat, muss sich die Frage ja glücklicherweise gar nicht erst stellen. Jan Bojaryn — »Battleborn« für PC, Playstation 4 und Xbox (2K Games / Gearbox Software)

Star Fox Zero

Tunnel ohne Blick Eine Warnung gleich vorweg: Wer zu den Personen gehört, die wegen ihres Smartphones unter Nackenstarre leiden, sollte gleich die Finger von »Star Fox Zero« lassen. Der Remix des N64-Klassikers von 1997 setzt nämlich alles auf den sogenannten »Second Screen«. Es klingt eigentlich ganz einfach: »Star Fox Zero« nutzt den Bildschirm des Wii U Gamepads für die Cockpit-Ansicht, während auf dem Fernseher die klassische Third-PersonPerspektive beibehalten wird. Da die Flüge durch die 20 verschiedenen Locations weitgehend vorprogrammiert sind, bleibt eigentlich genügend Zeit für die Meisterung der Manöver. Und doch hat man in den ersten Stunden immer das Gefühl, im Arwing-Raumschiff von Fox McCloud zu den Bruchpiloten zu gehören. Es wirkt seltsam, dass einen der wesentlich kleinere Bildschirm mit visuellen Eindrücken überflutet, wo doch gerade hier Klarheit im Kampf um das Lylat-System gefragt wäre. Wie schon beim Original ergibt sich der böse Spaß des Spiels aus all den verpassten Chancen, die man in Form von nützlichen Items immer wieder links liegen lässt. Ein silberner Ring für den Schadenausgleich, ein goldener Ring für die Möglichkeit einer Wiederholung. Mist, schon wieder zu spät. Doch zum Trost sei erwähnt, dass nach beendetem Story-Modus der Arcade-Modus freigeschaltet wird und ab da der eigentliche Schweinehund im Weltraum bekämpft werden kann. Gregor Wildermann — »Star Fox Zero« für Wii U (Nintendo / PlatinumGames)

Uncharted 4 – A Thief’s End

VORSORGE FÜR ABENTEURER Es gibt sie also doch noch: Abenteuergeschichten für Videospiel-Konsolen, bei denen man nach dem Abspann vor lauter Begeisterung vergisst, den Controller aus der Hand zu legen. Nach einem Jahrzehnt zeigt der Abschluss der »Uncharted«-Serie, mit welchem Anspruch der Begriff Unterhaltung definiert werden kann.

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s schien so, als hätten sich alle damit abgefunden: Kaum ein Konsolenspiel, das aufgrund hastiger Programmierung nicht wöchentliche Updates brauchte oder gleich nur noch in Einzelkapiteln erschien. Auch beim Entwicklerstudio mit der Adresse 1601 Cloverfield Blvd dürfte man von solchen Problemen schon mal gehört haben. Jedoch haben viele sich schon vor längerer Zeit entschieden, es besser zu machen. Viel besser: Die Firma Naughty Dog aus dem kalifornischen Santa Monica führt ihre stilbildende Abenteuerreihe mit »Uncharted 4 – A Thief’s End« nun zu einem würdigen Ende. Während andere Entwickler ihre Spiele gerne als eine Art lückenhaftes Puzzle veröffentlichen, ist dieses Abenteuer wie ein großes 3D-Panorama, das sich in 23 Kapiteln entrollt und genau das liefert, von dem andere höchstens in ihren Trailern sprechen: glaubhafte Charaktere, griffige Spielmechaniken und eine Inszenierung, die schnell vergessen lässt, dass hier Figuren aus Pixeln über den Bildschirm laufen. Scheuchte einen die Handlung in den ersten Teilen der Serie vielleicht etwas zu

oft von einem Schusswechsel zum nächsten, hat Naughty Dog den Kinosessel nun noch etwas mehr nach hinten gelehnt und nimmt sich Zeit für die Geschichte von Nathan Drake, der mit seiner Weggefährtin Elena mittlerweile verheiratet ist und eigentlich nie wieder auf Schatzjagd gehen wollte. Überflüssig zu erwähnen, dass der Stein der Versuchung alsbald wieder ins Rollen gerät. Umso schöner für uns, denn nie war es einfacher, ein Spiel einfach nur verdammt gut zu finden. Gerade dadurch wird allerdings auch klar, wie mangelhaft viele Spiele immer noch in Konkurrenz zu anderen Medien daherkommen. Dass es zum Glück auch anders geht, wird mit »Uncharted 4 – A Thief’s End« noch einmal in großen Lettern ausbuchstabiert. Gregor Wildermann — »Uncharted 4 – A Thief’s End« für Playstation 4 (Sony Computer Entertainment / Naughty Dog)


#Kultur #Games

Dark Souls 3

GEH STERBEN! Sterben ist der Anfang in diesem Spiel. Und der Mittelteil. Aber ist es auch das Ende? Das weiß nur, wer fleißig bis dahin durchstirbt.

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in gefallener Abenteurer erwacht. Auf einem Friedhof. Dort warten untote Kreaturen auf ihn. Sie wollen ihn töten. Hat er sie überwunden, stößt er auf einen erstarrten Ritter. Der will ihn auch töten, und das gelingt in aller Regel sogar mehrfach. Danach fängt das Spiel eigentlich erst an. Die Demütigung des wiederholten Todes gehört zum Tutorial. Wenn der Tod des Helden das Ende wäre, wären die Spiele der »Souls«-Reihe verdammt kurz. Sein Schicksal ist das ständige Wiederaufwachen am Lagerfeuer, das Zurückgeworfen-Werden in eine Welt, in der alle Gegner wieder an der alten Stelle warten. Sie sieht ausgewaschen aus, freudlos, feindselig. Ein Sausen und Brummen liegt in der Luft, gelegentlich unterbrochen von fernem Kreischen oder nahem Zischen. »Dark Souls 3« ist ein düsteres ActionRollenspiel in einer fantastischen Albtraumwelt. Eine mehrtägige Gartenparty bei H.R. Giger auf LSD. Es ist schwer auszuhalten, aber

nicht unbedingt ein schwieriges Spiel. Dass die »Souls«-Spiele besonders schwierig seien, ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Sie sind vor allem freudlos und mehr Konzentrationsübung als Spaß. Wenn man genau zuschaut, sich vorsichtig bewegt und die Verhaltensmuster aller Gegner studiert, dann kommt man beständig weiter. Zwangsläufig muss man immer wieder sterben, um zu lernen: Wie verhält sich ein Gegner? Einfach mal reinlaufen

und sich zerfleischen lassen. Dann sieht man es. Es gehört dazu, zehnmal gegen denselben Boss zu laufen und zu sterben. Einzig: Mitsamt Spin-offs und Ahnen ist das hier nun das fünfte »Souls«-Spiel. So langsam reicht es. Sogar einige Fans zeigen sich des Sterbens müde. Normale Spieler mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Popkulturjournalisten freuen sich einfach, wenn dieser durchgezogene Käse fortan nicht jedes Jahr in der Konsole liegt. Jan Bojaryn — »Dark Souls III« für PC, Playstation 4 und Xbox One (Bandai Namco / From Software)

Keine Skills am Controller aber La Paloma pfeifen

Illustration: Alexandra Ruppert

Die Ersti-Sause der ignoranten WG von nebenan bringt dich mal wieder um den Schlaf? »Party Hard« lässt dich ihre Drinks vergiften, die Boxen in Brand setzen und Sportwagen durch den lärmenden Mob vor der Haustür pflügen. Videospiel-Laie Carsten Schumacher musste für uns die Party sprengen – und wurde innerhalb einer Stunde nur 28 Mal verhaftet.

leider arg in Grenzen. Immerhin: Meine unangenehmen Tanzeinlagen treiben die Gäste vor lauter Fremdscham von der Tanzfläche in die Küche, wo ich vorsorglich den Gasherd schon mal auf Anschlag gedreht habe. Mit welcher Taste biete ich noch gleich eine Zigarette an? Aber ernsthaft: Diese morbide Eigenheimbesitzer-Fantasie ist aufgrund ihres eingeschränkten Handlungsspektrums schon Spitze, keine fünf Minuten auf der Party, und irgend- eine richtige Geduldsprobe. Um mit diesem Gedankenspiel wer hat schon ein Pferd entführt und auf die Tanz- wirklich Spaß zu haben, muss man das Ordnungsamt oft fläche geschmuggelt. Schade, dass ich die gute zu vorgerückter Stunde bemühen. Laune als Quoten-Psycho nun trüben muss. Ich Protokoll: Philip Fassing kann mich nur noch nicht entscheiden, wer zuerst dran glauben muss: die weggetretenen — »Party Hard« für PC, Xbox One, Playstation 4, iOS, Android, Linux (Pinokl Games / tinyBuild Games) Schnapsnasen in der Sofaecke oder das knutschende Paar auf dem Klo – sofern ich sie in diesem pixeligen Retro-Wimmelbild überhaupt finde. Aus welcher Fielmann-Filiale haben wir das Spiel noch gleich? Egal! Schön, dass ich hier und da ein paar »unglückliche Unfälle« arrangieren kann. Nur hält die kreative Freiheit sich dabei

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#Life

#Life Dieser feingeistige Satz stammt aus dem Song »Ali« der Bots. Der fand sich 1980 auf ihrem ersten deutschsprachigen Album und war eine bissige Satire auf einen Mann, der gegen türkische Gastarbeiter wetterte. Der Hass, den AfD und Pegida heute in die Welt schreien, ist also nicht neu. Was man gegen ihn tun kann, diskutieren wir auf den folgenden Seiten, bevor wir uns in virtuelle Realitäten flüchten.

Bots »Ali (Kümmeltürke)«

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#Life #Pop & Politik

Roundtable: Pop und Politik

Das politische Klima in Deutschland ist gerade alles andere als schön. Erst die Schreihälse von Pegida, dann der Erfolg der AfD, ein Seehofer, der beide immer mal wieder rechts überholen will, Stimmungsmache gegen Flüchtende und eine daraus resultierende härtere Asylregelung unserer Regierung. Kurz gesagt: Deutschland ist gerade in vielen Punkten ganz schön scheiße und hässlich. Doch was bedeutet das für die hiesige Popmusik? Wie können und müssen Kulturschaffende sich positionieren? Welche Möglichkeiten gibt es, als Künstlerin oder Künstler politisch zu wirken, und wo liegen die Risiken? Das diskutierten wir mit Henning May (HM) von AnnenMayKantereit, Rapper Megaloh (Me), Musikerin, Produzentin und Labelbesitzerin Gudrun Gut (GG), FeineSahne-Fischfilet-Sänger Jan »Monchi« Gorkow (Mo), Rapperin und Netzwerkerin Sookee (So) sowie Maxim (Ma) von K.I.Z. Interview: Daniel Koch, redaktionelle Mitarbeit: Sermin Usta, Fotos: Michael Obenland


#Life #Pop & Politik

Megaloh, wenn es dieser Tage politische Songs zur Lage in Deutschland gibt, findet man die meistens im HipHop. Dein Album »Regenmacher« schaffte es auf Platz 2 der Charts, thematisiert Identität und Entwurzelung. In »Wohin« versuchst du, dich lyrisch in die Lage eines Flüchtenden zu versetzen. »Sie sagen, ich bin illegal hier / Ich habe kein Recht / Ich such nur ’nen Platz, um zu leben / Ich habe kein Recht«, heißt es darin zum Beispiel. Wie kam es zu dem Song? Megaloh: Er ist 2014 entstanden. Das Thema bekam be-

reits mediale Aufmerksamkeit, beherrschte die Nachrichten aber noch nicht so, wie es dann 2015 war. Trotzdem spürte ich schon viele Ressentiments und störte mich an der Berichterstattung, die es darauf ansetzte, Angst zu schüren und Menschen, die vor Krieg und Armut flüchten, als Bedrohung zu inszenieren. Das hat mich traurig und wütend gemacht. Als Musiker hat man die Möglichkeit und vielleicht sogar die Verantwortung, gesellschaftsprägende Themen anzusprechen, deshalb habe ich diesen Song geschrieben. Außerdem konnte ich die Erfahrungen meiner Familie einfließen lassen. Meine Mutter musste damals aus Nigeria fliehen. Gab es Reaktionen darauf? Henning: Morddrohungen? Me: Bisher hab ich nur Positives gehört. Da muss ich ein

Lob an meine Fans aussprechen: Ich glaube, es gibt wenige, die zugleich meine Musik mögen und diese Angstmache mitmachen oder dieses Abschottungsverhalten propagieren. Gudrun, du kamst Mitte der Siebzigerjahre nach Westberlin und hast kurz bei den Einstürzenden Neubauten und in Bands wie DIN A Testbild, Mania D und später Malaria! gespielt. War es damals nicht fast schon ein politisches Statement, dort zu wohnen und Musik zu machen? Glaubst du, damals war es leichter, Pop und Politik zusammenzubringen? Gudrun: Berlin war in der Tat eine superpolitische Stadt.

uns. Als Punks im nicht gerade linken MecklenburgVorpommern unterwegs, den Verfassungsschutz als PR-Maschine im Rücken, bekennende Antifaschisten, nicht gerade schüchtern, wenn es um Konfrontation geht. Mir imponiert allerdings am meisten, wie selbstverständlich das für euch zu sein scheint. Es kam mir nie wie Gehabe vor. Was ist passiert, dass du so selbstverständlich vorne mit dabei bist? Monchi: Das hat sich zwangsläufig ergeben.

Die erste politische Musik, die ich hörte, war Landser. In meiner Jugend war das völlig normal. Die Nazis waren die Coolen. Die waren Türsteher in der Disco und verteilten auf dem Schulhof CDs mit Nazimucke. Das war mir lange scheißegal. Mit 14 oder 15 ging ich dann oft zu Hansa-Rostock-Spielen und lernte coole Leute kennen, die sich zwar beim Fußball aufs Maul hauten, aber auch Punkmucke hörten. Monchi Mein erstes Konzert war Terrorgruppe, glaub Heißt eigentlich Jan Gorkow und ist Sänger ich. Das reichte schon, um in der Stadt als Ze- der Punkband Feine Sahne Fischfilet aus cke zu gelten. Ich sah mich nie so und hatte es Mecklenburg-Vorpommern. Ihr letztes Alauch gar nicht mit der Antifa, und trotzdem bum »Bleiben oder Gehen« verhandelt vor allem das Thema, das auch seine Beiträge gab’s immer aufs Maul. Da wurde mir dann zur Diskussion prägt: Was bleibt, wenn all klar, was für Arschlöcher Nazis sind. Ich ging die coolen Leuten in der Provinz dem Ruf nicht mehr auf die Stadtfeste, die ja bei uns der Großstadt folgen? Ausgerechnet der Verfassungsschutz ihrer Heimat ist der oft von Nazis organisiert werden. treuste PR-Partner der Band, indem er sie Mit der Band war es ähnlich: In unserer immer wieder in seinen Bericht aufnimmt. Gegend ist der einzige Club zum Abhängen Feine Sahne sind beim Label Audiolith zu Hause – einem der zuverlässigsten Liefemanchmal die Bushaltestelle. Also machst du ranten für Musik mit Haltung. ’ne Band, wenn du was machen willst. Uns ging es anfangs eher ums Saufen. Wir spielten überall in Mecklenburg-Vorpommern und hatten viele Faschos im Publikum, weil die eben auch gern saufen und feiern. Wenn dann der Punkt kommt, dass die ständig abhitlern und das feiern, musst du dich eben irgendwann positionieren und sagen, dass du die Typen erbärmlich findest. So kam das. Wenn ich irgendwo anders aufgewachsen wäre – keine Ahnung, ob das auch so wäre. Mein Vater saß im CDU-Stadtrat, ich hab beim Krippenspiel in der Kirche mitgemacht. Ob das für eine Politisierung gereicht hätte? Haha …

Rentner, Studentinnen, Künstlerinnen – alle diskutierten über Kommunismus, alternative Formen des Zusammenlebens, die Rolle der Frau. Wir wollten eher das Gegenteil: Nicht mehr diskutieren, machen! Kein feministisches Söckchenstricken, sondern eine Punkband gründen! Damit waren wir natürlich politisch, hätten das aber nie so Maxim, als K.I.Z im vergangenen Jahr das Nr.1-Album »Hurra die Welt geht unter« und die genannt. Hat sich das inzwischen geändert? Dein Name kam uns bei dem Thema recht schnell in den Sinn: Du bist Musikerin, Produzentin, Labelbesitzerin, du bist in Künstlerinnen-Netzwerken aktiv – das hat ja schon eine politische Dimension. GG: Nee, es passiert mir nicht so oft, dass ich politische

Künstlerin genannt werde. Aber irgendwie ist es schon richtig. Mich interessieren eher die Strukturen und Produktionsbedingungen von Kunst. Mir war es wichtig, selbst produzieren zu können, zu entscheiden, wann ich was veröffentliche, und mich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Explizit politische Musik finde ich oft anstrengend. Wobei ich mich eher für internationale Musik interessiere und nicht so auf Deutschland fixiert bin. Aber bei Rockmusik zum Beispiel ist es für mich schon so zum Klischee geworden, dass sie nichts Revolutionäres mehr in sich hat. Und wenn ich sehe, wie sich ein Bono inszeniert, finde ich das eher nervig. Pop in Verbindung mit Politik ist für mich ein ganz fragiles Gebilde.

Single »Boom Boom Boom« rausbrachten, war ich ehrlich überrascht. Im Song gibt es die Zeilen »Ihr Partypatrioten seid nur weniger konsequent als diese Hakenkreuz-Idioten / Die geh’n halt noch selber ein paar Ausländer töten / Anstatt jemand zu bezahl’n, um sie vom Schlauchboot zu treten«. Diese Wut auf Doppelmoral und dieses zynische Sezieren davon passte sehr gut in die damalige und heutige Stimmung. Warum wurden K.I.Z plötzlich so explizit politisch? Gudrun Gut Maxim: Viele Bands, die unseren Stil kopierten,

waren sehr erfolgreich damit. Deshalb wollten wir uns verändern und dachten, ein ernsthaftes Album zu machen sei eine krasse Idee. Es ist ja auch nicht so, dass nur politische Songs drauf sind, es gibt zum Beispiel auch ein ernst gemeintes Trennungslied. Wir dachten, dieser Move sei ein Risiko. Aber dann hatten wir Monchi, deine Geschichte und damit die von Feine Glück, weil es auf einmal kurz en vogue war, Sahne Fischfilet ist schon oft erzählt worden, auch von »Refugees welcome!« zu schreien. Zwei Jahre

Sie spielte in der Gründungsbesetzung der Einstürzenden Neubauten, war Mitglied von Bands wie Mania D und Malaria!, ist inzwischen DJ, Produzentin, Moderatorin, Solomusikerin und Labelbesitzerin von Moabit Musik und Monika Enterprise. Demnächst erscheint ihr Remix-Album »Vogelmixe«, auf dem sie »Heimatlieder aus Deutschland« remixt, Lieder von Einwanderern aus zum Beispiel Marokko, Serbien, Kuba, Rumänien, die in Deutschland täglich gesungen werden.

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#Life #Pop & Politik

früher oder auch jetzt hätte das kommerziell sicher nicht so gut funktioniert. GG: Und damit wart ihr auf Platz 1? Wow, schön, dass so was noch passiert. Aber es war ja kein reiner Karriere-Move – die Themen scheinen euch vorher schon am Herzen gelegen zu haben. Ma: Ja, wir hatten das Bedürfnis, darüber zu

Maxim Der in Kreuzberg aufgewachsene Maxim Drüner ist einer von drei Rappern von K.I.Z, die im vergangenen Sommer unser Cover zierten. Das sonst nur auf Provokation setzende Quartett überraschte Fans und Nachahmer mit einem eher ernsten Album, das auch politische Themen aufgriff und Platz 1 der Charts erreichte. In der Single »Boom Boom Boom« attackierten K.I.Z die Doppelmoral der Deutschen und sahen im Titeltrack, der Hitsingle »Hurra die Welt geht unter«, die Apokalypse als Chance.

schreiben. Und mittlerweile vielleicht auch den Mut oder die Reife, das machen zu können. Wobei ich mich nach wie vor daran störe, wenn mir jemand sagt, wir seien »politisch« geworden. Seltsames Lob, das Wort ist mittlerweile komplett inhaltsleer. Landser sind politisch, Xavier Naidoo ist politisch. Das heißt noch lange nicht, dass die Musik gut ist, die Texte überzeugende Argumente liefern oder eine Haltung, in der ich mich wiederfinde. Für mich muss Musik erst einmal etwas Ehrliches erzählen, um gut zu sein. Ich würde mich nie mit dem Ziel hinsetzen, einen politischen Song schreiben zu wollen.

Ein guter Übergang zu dir, Sookee. Du hast schon mehrfach gesagt, dass es dein erklärtes Ziel ist, politische Songs zu schreiben. Gleichzeitig bist du als Aktivistin bekannt, sprichst auf Panels oder vor Schulklassen, bist in diversen Netzwerken unterwegs und veranstaltest mit dem Kollektiv TickTickBoom Zeckenrap-Galas, die linken Rap ohne Mackertum auf die Bühne bringen. Was klappt besser: ein guter politischer Song oder aktive Basisarbeit? Sookee: Ich kann das nicht trennen, ich mache ja bei-

des. In einem Song legst du dich natürlich mehr fest und wirst in eine Form gezwungen. Hier oder auf einem Panel kann ich drauflosquatschen. Ein Lied muss dagegen musikalisch funktionieren, entertainen und im besten Fall auch noch Klicks oder Verkäufe generieren. Das ist keine einfache Aufgabe, und ich scheitere auch oft daran. Ich knabbere in schwachen Momenten immer noch daran, dass mich Noisey mal als rappendes Soziologie-Grundstudium gedisst hat. Aber ich bin trotzdem sehr froh, dass ich mich dafür entschieden habe. Klar gibt es, was Popmusik angeht, fluffigere Varianten als mich, und das ist auch alles cool. Sollen doch andere entertainen. HM: Darf ich fragen, welche Aufgabe genau du dir gegeben hast? So: Mein Wunsch ist es, Musik zu machen, die was will, die dokumentiert, kommentiert, sich einmischt und ein bisschen die Gegenwart begleitet. Also gesellschaftspolitische GegenSookee wartsbegleitung auf einer symbolischen Ebene. Nora Hantzsch alias Sookee ist zu gleichen Ich glaube an den Satz, dass alles politisch ist. Teilen Rapperin wie Aktivistin. Auf Panels HM: Ich weiß, worauf du hinauswillst, wenn du kämpft sie gegen Homophobie und Sexismus im HipHop und zeigt Wege auf, Musik sagst: »Ich will Musik machen, die was will.« und politisches Handeln zu verbinden. Als Aber das ist doch ein wenig allgemein gefasst. Teil des TickTickBoom-Kollektivs veranDas will ich ja auch. staltet sie zudem die »Zeckenrap Galas«, denen wir in Intro #221 eine Reportage GG: Das will jeder. widmeten. Mit Tracks wie »Vorläufiger So: Ich will tatsächlich in meiner Musik poliAbschiedsbrief«, »Links Außen« und »Pro tische Themen behandeln und sie aus meiner Homo« beweist sie, dass Politrap und Entertainment auch zusammen eine gute Position und meiner eigenen Betroffenheit Figur machen. angehen. Zum Beispiel kann ich über Rassismus anders sprechen als über Sexismus. Weil ich

von Sexismus direkt betroffen bin, von Rassismus nicht. Natürlich habe ich ein Unbehagen, das ich einfach rausschreibe. Ich werfe aber niemandem vor, keine politische Musik zu machen. Aber meine Weltsicht ist tendenziell so. Und an vielen Stellen fehlt mir die Politisierung in der Gesellschaft und ein politisches Selbstverständnis. Ich zähle mich tendenziell zu denen … HM: … die das ändern wollen. So: Genau. Die Interesse daran haben, dass da mehr ist als die da oben und ich da unten. Die zeigen wollen, dass es ein politisches Selbstverständnis gibt, das darüber hinausgeht, wen ich wähle. Dass Politik eigentlich viel größer ist als das, was der Parlamentarismus uns anbietet, und dass wir viel mehr Spielraum haben. Sei es als Künstlerin oder Privatperson.

Henning, du warst der Erste, der für dieses Gespräch zugesagt hat. Dabei scheint es gerade im Pop-Feuilleton Volkssport zu sein, deine Band AnnenMayKantereit wahlweise als Symptom oder Soundtrack einer entpolitisierten braven Jugend zu bezeichnen, wie sie in der kürzlich veröffentlichten Sinus-Studie genannt wurde. Da wurde sogar das fürchterliche Wort »Neo-Biedermeier« für euch rausgekramt. Ich fand das ziemlich daneben. Vor allem, weil sich mittelalte Männer mit Festanstellung in ihren Kulturredaktionen Urteile über die »Jugend von heute« anmaßen. Wie hast du diese Kritik aufgenommen? HM: Erst mal habe ich mich gefreut, dass wir – als in

meiner Wahrnehmung unwichtige Band – plötzlich für das Feuilleton so eine Relevanz haben, dass man uns ankreidet, nicht gesellschaftskritisch genug zu sein. Sind wir nach unserem Debütalbum schon so wichtig für die? Wow! Trotzdem ist es völlig sinnfrei, von einem Musiker so einen Themenkatalog einzufordern, bloß weil er eine gewisse Reichweite hat. Dennoch habe ich als jemand, der in der Öffentlichkeit steht, natürlich die Verantwortung, ein bisschen besser darüber nachzudenken, was ich sage. Und auch wenn wir es in unseren Liedern bisher nicht tun, heißt das doch nicht, dass wir uns dieser Verantwortung nicht bewusst sind und sie nicht nutzen werden. GG: Es gibt ja auch in der Popmusik genug Beispiele von Künstlern, die nicht ständig über Politik singen, sich aber stark engagieren. Nimm Prince zum Beispiel: Der hat Unmengen an Geld ausgegeben für Projekte, die er unterstützenswert fand, ist damit aber nie hausieren gegangen, wie es beispielsweise U2 machen. Und wie willst du diese Verantwortung nutzen, Henning? Wegen Fragen wie dieser haben wir uns schließlich hier versammelt. HM: Genau deshalb war es für mich wichtig, zu kommen.

Weil ich mit euch genau darauf Antworten finden will. Um es mal auf mich zu beziehen: Ich bin kein Mensch, der Parolen singen will. Ich würde es nicht übers Herz bringen, »Nazis raus!« in einen Refrain zu quetschen. Musik hat für mich eine andere Funktion. Aber vielleicht sollten wir als Band unseren Fans zeigen, dass wir uns abseits der Musik für gesellschaftliche Entwicklungen interessieren und diese bisweilen mit Sorge betrachten. Teilweise machen wir das mithilfe unserer Social-Media-Reichweite, indem wir zum Beispiel die Quellen teilen, die wir gerne mögen. Die Zeitungen, denen wir vertrauen. Oder Bands, deren Einstellung wir teilen. Als Feine Sahne auf Facebook vor ein paar Wochen eine Meinung zur aktuellen Lage rausgehauen habt, haben wir das über unseren TwitterAccount geteilt. Außerdem engagieren wir uns als Band


#Life #Pop & Politik

zum Beispiel für ein Inklusionsprojekt und für Pro Asyl. Wenn du als Musiker im Fokus stehst, gibt es immer Fans, die auch deine Interessen adaptieren. Deshalb hat man dort eine gute Chance, zu signalisieren, wo man steht und was man bewegen möchte, ohne das zwangsläufig in der Musik zu tun. Und ich finde, dieser popkulturelle Rahmen, in dem wir hier sitzen, sollte es sich zum Ziel machen, gerade jungen Menschen zu vermitteln, dass es nicht nur wichtig, sondern vielleicht auch cool oder hip ist, sich für Politik zu interessieren und Einfluss zu nehmen. Ich finde zum Beispiel, Feine Sahne Fischfilet und du, Monchi, ihr bekommt das sehr gut hin. Du belehrst nicht, du erklärst nicht, wo es langgeht, du benutzt linkes Vokabular, aber auch mit einer gewissen Selbstironie. Mo: Danke! Was mir persönlich bei dieser Frage wichtig ist: Die Leute, die was machen wollen, sollten aufhören rumzuheulen, wie schlecht alles ist. In unserer Gegend ist man nicht gerade Mainstream, wenn man sich gegen Nazis einsetzt, und es gibt Gegenden, da haben sich ganze Fascho-Parallelgesellschaften gebildet, aber trotzdem ist meine Erfahrung, dass es immer auch coole Leute gibt. Die muss man erreichen und mit denen was machen. Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern inzwischen sehr bekannt und können das fast ein wenig schamlos ausnutzen. Und das tun wir, gerade in Anbetracht der Landtagswahlen im September, wo NPD und AfD vermutlich abräumen werden. Wir machen sehr viel – Fußballturniere mit Vorträgen in Parchim, Konzerte in irgendwelchen Restaurants in braunen Dörfern –, und bei all den Vorbereitungen ist es schön zu sehen, dass es überall diese geilen Leute gibt. Es wäre fatal zu sagen, da ist alles schlimm, Bombe drauf und gut is. Die guten Leute muss man supporten, man muss ja nicht gleich hinziehen. Ich wohne ja auch in Rostock, einer Stadt, in die man als Linker in Meck-Pomm hinzieht, wenn man nur manchmal aufs Maul bekommen will. So: Aber das ist auch eine trübe Arbeit. Ich habe das eine Weile mit einem Verein von Berlin aus versucht. Erst mal formulierst du dir einen Wolf, um aus irgendeinem EUTopf Geld dafür zu bekommen. Dann musst du die richtigen Leute erreichen, was auch nur geht, wenn man viel vor Ort ist und Vertrauen aufbaut. Und dann muss man sich in einem Bericht sensationelle Ergebnisse zusammenlügen, damit man überhaupt weitermachen darf. Diese ganze offizielle Demokratie-Bildungsarbeit ist da leider ebenso problematisch und verlogen. Ma: Das klingt gerade so, als müssten wir das nachholen, was der Staat versäumt hat. Aber wie kommt ihr denn überhaupt darauf, dass sich der Staat zur Aufgabe gemacht hat, eure politischen Ideen zu vertreten oder zu verbreiten? Ich glaube, da sucht man sich einen völlig falschen Freund aus. Die parlamentarische Politik setzt sich ja ganz andere Ziele. Die wollen keine schöne Welt ohne Rassismus. Und dann ist man schnell bei der Frage, ob sich unser Staat wirklich so sehr von den Nazis unterscheidet. Die Unterscheidung von In- und Ausländern ist etwas, das in unseren Gesetzen steht. Dass Grenzen zu gelten haben und die zur Not mit Gewalt verteidigt werden, ebenso. Dass Menschen nur unter komplizierten Bedingungen – und wenn sie für unsere Marktwirtschaft nützlich sind – hier leben dürfen, ist auch etwas, das ganz normal in unserer Demokratie passiert. Deshalb würde ich davor warnen, sich auf die zu verlassen. Mo: Was du sagst, hört sich total gut an. Das habe ich so eins zu eins im Antifa-Handbuch gelesen. Ma: Glaub ich nicht!

Mo: Hast recht, das war jetzt polemisch. Aber dein Satz ja

auch. Ich unterschreibe den natürlich, aber trotzdem ist es doch besser, die Möglichkeiten zu nutzen, die es gibt, und damit was Gutes auf die Beine zu stellen. Vielleicht geben sie nur Geld aus, weil sie Angst haben, dass Nazis schlecht für den Tourismus auf Rügen und Usedom sind, und das ist total räudig – trotzdem treffe ich mich in den nächsten Tagen mit einem CDUBürgermeister, um ’ne Aktion auf die Beine zu stellen, die wir geil finden und mit der wir die richtigen Leute erreichen können. Das ist ein schmaler Grat für mich – wir stehen ja immer noch im Verfassungsschutzbericht des Landes und mussten wegen eines Politikers unsere Releaseparty woanders machen –, aber ich glaube an die Nummer, und deshalb mach ich das. Henning May Obwohl man mich im Antifa-Café garantiert Unter den mittelalten Männern des deutnicht dafür feiert, dass ich mit denen Schnitt- schen Pop-Feuilletons ist es gerade Volkssport, Hennings Band AnnenMayKantereit chen fresse. Sorry, das klingt so märtyrerhaft. wahlweise als Symptom oder Soundtrack So bin ich nicht, aber ich hoffe, ihr wisst, was jener Jugend zu bezeichnen, die die SinusStudie kürzlich als »brav« denunzierte, ich meine. obwohl sich die Befragten auf einen So: Das sind eben die Widersprüche, die wir »gemeinsamen Wertekanon von Freiheit, aushalten müssen: diesen Staat aus Prinzip Aufklärung, Toleranz und sozialen Werten« abzulehnen, aber trotzdem die Kompromisse als Garant für ein »gutes Leben« besannen. Da wir lieber mit der Jugend als über die einzugehen, die dann meinetwegen die Sozial- Jugend sprechen, war Henning der Erste, demokratie anbietet. Und um auf die Anfangs- den wir einluden – und der Erste, der frage zurückzukommen, was wir verändern zusagte. können: Ich halte es für einen guten Ansatz, politische Themen mit einem guten Song ins Bewusstsein zu holen, mit Satire und Überspitzung reinzugehen, aber gleichzeitig eine explizite Äußerung zu machen. Das ist dann meinetwegen auch mal eine Parole, aber auf die kann man sich manchmal eben verständigen. Was mir bei dieser Diskussion aber noch fehlt, ist die Frage, welche Themen denn überhaupt als politisch empfunden werden. Es geht ständig darum, dass man sich gegen rechts positioniert, Kriegseinsätze zu kritisieren oder – was Megaloh oft macht – Klassenfragen zu diskutieren. Mittlerweile ist man auch mit Homosexualität fein, aber auch und vor allem in der Popmusik – und nicht nur da – bleibt Sexismus immer das Kavaliersdelikt der Diskriminierungen, das auch in so einer Runde nicht oder kaum zur Sprache käme, wenn ich es nicht schon wieder ansprechen würde. Und tatsächlich ist das ein wenig ätzend. Ich merke auch, dass ich mich jetzt ein wenig ärgere, weil ich es schon wieder anbringe, aber gerade hier will ich es nicht ungesagt lassen. Es ist tatsächlich ein Thema, das immer nur von denen kommt, um die es geht, und das zum Beispiel ganz selten mal von Männern angefasst wird. Das wird auch nicht als explizit politisches Thema begriffen, sondern eher so als Betroffenheitsding. Wäre schön, wenn sich das mal ändert. GG: Aber das wird noch eine ganze Weile dauern. Mir passiert es auf internationalen Festivals immer noch, dass ich morgens in einen Frühstücksraum voller Typen komme und die mich für eine Promoterin halten. Me: Ich muss leider zustimmen, dass Sexismus noch sehr stark in unserer Gesellschaft verwurzelt ist. Und ich finde schon, dass es ein politisches Thema ist. Mir hilft es, wenn Künstlerinnen wie ihr Erfahrungen im Gespräch oder in eurer Musik mit mir teilen. Weil ich als Mann das einfach nicht nachempfinden, aber mein eigenes Handeln so hinterfragen kann. Und so sollte politische Musik doch auch ihre Wirkung entfalten. Aus den eigenen Erfahrungen

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#Life #Pop & Politik

heraus. Und die Erfahrung, die ich teilen kann, ist nicht Sexismus, sondern Rassismus: Ich bin geboren worden und habe in den ersten Jahren keine Farben gesehen. Meine Mutter ist schwarz und mein Vater ist weiß. Dann musste ich in die Welt raus und bin gezwungen worden, diese Farben zu sehen, weil mir viele signalisiert haben, ich sei anders.

auch in den Innenstädten. Und als es das noch nicht gab, hat man gerne weggeschaut. Provinz halt. GG: Ich finde das Wort Wohlfühloase immer noch ungerechtfertigt: Es gibt so viele Leute, die sich in Berlin engagieren. Mo: Ich meine das auch gar nicht böse und wollte nicht in ein Berlin-Bashing geraten. Ich find’s super hier! Vielleicht noch einmal zurück zum Impuls für So: Ich glaube, man kann sich auf dem Land nicht ausunser Zusammentreffen: Obwohl ich in Berlin suchen, ob man etwas macht oder nicht. Wenn man in lebe und da natürlich so eine Toleranzblase Berlin lebt, ist das leicht.

Megaloh

um mich habe, hatte ich in den letzten Monaten das Gefühl, dass irgendwas gekippt ist. Dass die braune Scheiße lauter stinkt und oft Zuspruch statt Gegenrede bekommt, obwohl man doch gerade jetzt lautstark Toleranz zeigen müsste. Auch im erweiterten Bekanntenkreis ist es leider so. Geht nur mir das so, oder empfindet ihr das ähnlich? Me: Da stimme ich dir zu. Das liegt aber daran,

dass »die Probleme« auf einmal vor der eigenen Tür liegen und man sich damit befassen muss. Obwohl es ja schon perfide ist, dass flüchtende Menschen so gelabelt werden. Ich glaube nicht, dass Deutschland mal toleranter war. Als damals der Brothers-Keepers-Song »Adriano (Letzte Warnung)« in den Charts war, habe ich studiert und musste mir immer anhören: »Ah, diese Schwarzen. Dass die sich immer noch so aufregen müssen, das ist doch längst nicht mehr so.« Aber das ist Quatsch. Ich bin ehrlich gesagt ganz froh, dass man diese Stimmen jetzt hört. Dann sieht man wieder, womit man es zu tun hat. Ma: Genau. Diese Typen waren immer da. Und ich muss noch mal drauf hinweisen: Als Pegida aufmarschierte, haben sich alle Politiker darüber empört – und dann deren Forderungen knallhart zum Gesetz gemacht. Gleichzeitig haben sie diese Willkommenskultur-BlablaScheiße von sich gegeben. Das wurde missverstanden als »Hey, cool, komm her, was kannste denn?«. Aber darum geht’s ja nicht. Es ist kein fröhliches Dazukommen und Mitmachen. Du wirst in ein Haus gesperrt, bewacht, und dann schauen wir mal, ob du nützlich bist für uns. Mo: Sorry, aber ihr habt da auch eine etwas verklärte Großstadtperspektive. In meiner Gegend ist die NPD seit 2006 im Landtag. Da geht es nicht um ein paar Naziaufkleber oder an die Wand gemalte Hakenkreuze, da gibt es eine Parallelgesellschaft. Diese Leute sind etabliert. Und das ist nicht zehn Stunden entfernt, man muss nur mal zwei Stunden mit dem Auto aus Berlin rausfahren. Diese Erschrockenheit der Dinge kann ich deshalb nicht so ganz verstehen. Ma: Wir sehen das aber doch auch. Man muss doch nur die Bild-Zeitung aufschlagen. Mo: Das Thema taucht natürlich in den Medien auf, aber da sind es oft die Freaks aus Dresden oder aus den Provinzen. Ich meine: Es ist ja toll, dass es in Berlin diese Wohlfühloasen gibt … GG: Das finde ich jetzt aber unpassend. Berlin hat auch viele sichtbare Probleme. Wie meinst du das? Mo: Es ist schon eine Wohlfühloase, wenn du hier mit einem »Fuck Nazis«-Shirt rumlaufen kannst, ohne aufs Maul zu kriegen. Oder eben keine rechte Partei mit 18 Prozent in der Regierung sitzen hast. Auf einmal habt ihr das Problem

Uchenna van Capelleveen alias Megaloh spürt auf seinem aktuellen Album »Regenmacher« musikalisch und lyrisch den nigerianischen Wurzeln seiner Familie nach. Sein sehr gelungener Song »Wohin«, in dem er die Erzählperspektive eines flüchtenden Menschen einnimmt, war unter anderem für uns der Anlass, ihn einzuladen. Und die Erkenntnis, dass gesellschaftlich relevante Themen dieser Tage vor allem im HipHop verhandelt werden.

Findet ihr denn, dass diese Sichtbarkeit der »Gegenseite« und der aktuellen Probleme unsere Zeit, euer Schaffen oder eure Fans politischer gemacht hat? GG: Es ist tatsächlich so, dass auch in meinem Umfeld

viel mehr über Politik gesprochen wird, auch über diese Gendersache. Das ist ein Thema geworden, das wir immer und überall diskutieren. Ich finde, Deutschland ist politischer geworden. So: Es ist eine politische Zeit, ja. GG: Das ist vielleicht auch der Grund, warum sich die Rechte mehr raushängt, weil sie auch lauter werden muss. Insgesamt finde ich, es ist ein wacher Augenblick, das könnte auch eine Chance sein. Mo: Es ist so eine Ausdifferenzierung erkennbar, dass man sich zu manchen Dingen jetzt einfach positionieren muss, die dann ausdiskutiert werden. Das kann auch schon mal eklig werden – ich hatte so ein Gespräch zum Beispiel letztens auf der Jugendweihe eines Verwandten. Aber immerhin wird darüber gestritten. GG: Selbst meine Mutter redet plötzlich wieder über Politik. Sie sagte mir kürzlich: »Als die Italiener und Griechen damals kamen, waren die Deutschen genauso. Die sind immer so.« Mo: Jetzt wird klar, dass jeder »Nazis raus« schreien kann. Das bedeutet gar nichts. Das macht auch der größte Spinner, wenn es gerade passt. So: Selbst die Rassisten tun ja so, als wären sie keine, und sind dann gegen Nazis.

Bei diesen Diskussionen gibt es keine einfachen Lösungen. Ich erwische mich zum Beispiel oft dabei, dass ich ganz froh bin, nicht auf höchster politischer Ebene Dinge entscheiden zu müssen. Ma: Das halte ich für ein ganz falsches Gedankenspiel. Das

ist so »Wenn ich König von Deutschland wäre«-mäßig. Dann muss man ja gleich diesen Staat mit seinen Mitteln und Voraussetzungen und Werkzeugen akzeptieren. Das ist ja das, was richtig eklige Politiker machen: »Was würden Sie denn tun?« Dabei will ich gar nicht an deren Stelle sein. Ich will nicht Diener dieses Throns sein. So: Und man redet sich damit raus, obwohl wir das ja gar nicht müssen. Wir haben ja individuelle Möglichkeiten, uns zu engagieren. Diese »Die da oben, wir da unten«Perspektive bringt einen nicht weiter. Als Teil einer Gesellschaft, als Bühnen- und als Privatperson – ich neige dazu, das nicht zu trennen – habe auch ich eine Verantwortung, zu handeln und das Maul aufzureißen.


Fest & Flauschig

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#Life #Reportage #Virtual Reality

Virtual Reality als Therapiemittel

DIE BRILLE IST DIE BESTE MEDIZIN Wozu Virtual Reality? Damit Mark Zuckerberg seine Tochter in 360° filmen kann? Für Pornos mit Präsenzgefühl? Oder um der Mensch­heit zu helfen? Jan Bojaryn begegnet Fachleuten und dem Tod. Illustration: Alexandra Ruppert


#Life #Reportage #Virtual Reality

W

enige Meter über mir entdecke ich Holzplanken, die aus der schroffen Felswand herausragen. Die Rettung. Ich strecke mich, recke den Hals, schaue meinen Händen hinterher. Ich packe zu. Mein Körper schwingt sich auf die winzige Plattform. Da stehe ich nun, kann meine Hände kurz entspannen, den Blick über das Alpenpanorama schweifen lassen. Die Weite ist beeindruckend. Fast, als wäre ich da. Die Tiefe ist beeindruckender. Sie ist bodenlos. Ich sehe mich stürzen, in der Luft trudeln, mit dem Rücken auf den Felsvorsprung unter mir schlagen, vom reißenden Strom weiter in die Tiefe gespült, Hunderte Meter tief, in den sicheren Tod. Der Film läuft in meinem Kopf ab, ohne dass ich mich bewege. Schweiß steht mir auf der Stirn. Hinter meinen Schienbeinen zieht es, die Muskeln machen zu. Meine Hände kleben am Controller. Ich habe Höhenangst. Der Angst ist es egal, dass ich gerade auf der Quo Vadis stehe, auf einer Entwicklertagung in Berlin, an Oculus Rift einem Messestand, eine Oculus Rift auf dem Das bekannteste der neuen Kopf und das Spiel »The Climb« im Gesicht. Virtual-Reality-Headsets ist Hier kann ich eine Steilwand in den Alpen gerade erschienen. Mit einer Kickstarter-Kampagne hinaufklettern. Ich weiß, dass ich mein Leben hat Oculus 2012 den nicht riskiere. Ich habe keine Todesangst. VR-Hype losgetreten. Sony Aber mein Körper fällt immer wieder auf die und HTC bringen derzeit Konkurrenzmodelle auf Simulation herein. Wenn ich keinen sicheren den Markt. Die aktuellen Halt finde, geht mein Atem schneller. Wenn Modelle sind aber teuer ich mich endlich festhalte, quetsche ich mir am und gute Spiele dafür rar. Controller die Fingerknöchel weiß. Und wenn ich an der Wand hängend nach unten schaue, spüre ich, wie mir der Schweiß aus jeder Pore dringt. Wenn ich den Halt verliere, fühlt sich das für einen Sekundenbruchteil entsetzlich an. Dann blendet das Spiel gnädig ab, und ich hänge wieder an der Wand. Kaum erreiche ich den Gipfel,

einen viel zu schmalen festen Punkt, von dem aus ich ringsherum nur tiefe Abgründe sehe, setze ich erleichtert die Brille ab. Augenblicklich rückt mir die Realität auf die Pelle, das Kunstlicht, die vielen Menschen. Die Konfrontation hat gewirkt. Richtige Todesangst hatte ich nicht. Aber die Krämpfe in Armen und Beinen und den Tunnelblick kenne ich. Von Selbstversuchen in der Realität, im Kletterpark.

Strichgrafik reicht »The Climb« ist nicht nur ein sehr spannendes

The Climb

VR-Projekt, es wirft auch eine Frage auf: Kön- Klassische Computernen wir uns in der VR allen unseren Ängsten spiele sind in VR meist eine schlechte Idee. Bei stellen, um sie zu überwinden? Werden wir Egoshootern wird vielen mörderische Clowns umarmen? Haarige Spielern einfach schlecht. »The Climb« beweist, dass Spinnen streicheln? weniger mehr ist: In dem Antworten warten in derselben langen Mes- exklusiven Oculus-Rift-Titel sehalle. Marc Erich Latoschik ist ein großer erklimmen Spieler SteilMann mit kleinen Augen. Er pflügt sich im wände auf aller Welt. Auch Spieler ohne Höhenangst Schnelldurchlauf durch einen denglischen halten das für spannend. Vortrag über das Holodeck. Jede PowerpointFolie reißt eine neue Gedankenwelt auf, wer mitkommen will, muss gut zuhören. Holodeck Latoschik ist Professor für Human-Computer Für VR-Fans sind klobige Interaction an der Uni Würzburg. Dort thera- Brillen wie die Rift nur der erste Schritt. Sie warten piert er zusammen mit dem Psychologen Paul auf eine Simulation für alle Pauli Angststörungen mit VR. Latoschik sieht Sinne, in der sie sich frei jung geblieben aus, aber er gehört zu einem bewegen und mit der sie natürlich interagieren könEstablishment, das die virtuelle Realität seit nen. Unzählige ForschungsJahrzehnten ausforscht. projekte widmen sich den Mein Kletterbeispiel ringt ihm nur ein vielen offenen Problemen auf dem Weg dahin. müdes Lächeln ab. VR-Technologien zur Höhenangsttherapie entwickelt er auch in Würzburg. Zudem ist die Idee nicht neu und wirkt je nach Angstauslöser schon mit wenig Aufwand. »Wenn ich Höhenangst erzeugen will, reicht es teilweise schon, einfache Strichgrafiken zu verwenden. Hauptsache, der Benutzer fühlt sich in der Szene und erhält Bilder

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#Life #Reportage #Virtual Reality

aus seiner Perspektive. Bessere Grafik hilft zwar, aber als erster Effekt würden auch schon grüne Striche auf schwarzem Grund durch die VR-Brille funktionieren«, erklärt Latoschik. Er verfolgt den Fortschritt genau. Denn je nach Angstsignal spielt die Technologie eine größere Rolle. Für Angst vor Spinnen etwa. »Da sollte das Spinnenmodell schon eher der Realität entsprechen und auch Details wie die Haare zeigen. Auch wichtig: Die simulierten Spinnen müssen realistisch animiert sein. Viele Leute haben besondere Angst vor der Art, wie sich Spinnen bewegen. Da hilft der State of the Art der heutigen Game Engines.« Kann man also alles Mögliche therapieren, wenn die Technik reif ist? Bei Latoschik klingt es so: »Unsere Arbeitshypothese ist, dass alle Therapien der Realität, die sich durch eine virtuelle Umgebung nachstellen lassen, auch in der VR funktionieren.« Und dann erzählt er von schmerzhafter Bewegungstherapie, die mit einem Spiel auf der VR-Brille gleich weniger schmerzhaft ist. Oder von Kriegsheimkehrern, die posttraumatische Störungen behandeln lassen.

Skip the Hype Von der Therapie für Kriegsheimkehrer habe ich schon gehört. Ein Experte auf dem Gebiet ist Albert »Skip« Rizzo, Psychologe und »Director for Medical Virtual Reality« in Los Angeles. Er sitzt im Auto, als ich ihn anrufe. »Falls ich weg bin, fahre ich gerade durch einen Tunnel. Ruf dann einfach noch mal an«, knarzt er. Rizzo ist ein VR-Veteran. Auf jede Frage rasselt er die Antworten nur so herunter, während er sich wahrscheinlich in seinem viel zu großen Auto zurücklehnt. Er freut sich, dass sein Thema plötzlich wieder in ist. »Früher gab es mal einen ähnlichen Hype. Wir wollten die Menschheit zum Besseren verändern, mit VR für soziale Aktivitäten, für Reha, Bildung, Journalismus, aber die Technologie konnte mit der Vision nicht mithalten. Heute werden die Versprechen von damals eingelöst. Das ist aufregend.«

Aber Rizzo sieht auch Risiken des Hypes: »Viele Leute sind in den letzten Jahren auf den Zug aufgesprungen und geben sich jetzt als Experten aus. Und viele wiederholen die Fehler der Vergangenheit. Ich will nicht den grumpy old man markieren, aber mittlerweile weiß man viel über VR, und trotzdem wird in Ideen investiert, von denen ich weiß, das die in zwei Jahren brennend am Straßenrand liegen bleiben.« Auf solche Metaphern kommt man eben am Steuer eines fahrenden Autos. Rizzo will keine Sünden­böcke nennen, aber zu einem Beispiel lässt er sich hinreißen: »360-Grad-Videos haben wir schon 2001 ausprobiert. Ein Konzert in Rundumsicht? Das klingt erst mal cool. Aber seien wir ehrlich: Auf einem Konzert willst du nicht die Fans hinter dir sehen, sondern was auf der Bühne passiert. Für das Gefühl, wirklich da zu sein, sind mehrere Kameraperspektiven und weite Blickwinkel besser. Das haben wir damals schon gelernt.« Richtig ärgerlich findet Rizzo es, wenn sich Ahnungslose in sein Fachgebiet mischen: »In den letzten zwei Jahren wurden um die 15 neue Firmen gegründet, die therapeutische Anwendungen anbieten wollen – gegen Angststörungen, Traumata, für mehr Achtsamkeit. Und die denken dann, sie machen einfach eine gute App, die Leute sich dann kaufen.« Das hält er für naiv. Therapeutisch darf sich nur nennen, was auch wissenschaftlich getestet wurde. Er befürchtet einen »Shitstorm wegen ein paar Idioten. Und dann wird der Nutzen von VR insgesamt in Frage gestellt.« Das ist für Rizzo die Schattenseite des derzeitigen Hypes. Nach der übertriebenen Aufregung rechnet er mit einer Gegenreaktion, mit Enttäuschungen. Und er will nicht, dass Jahrzehnte des Fortschritts unter einer Medienlawine begraben werden. Rizzo weiß, was mit VR alles möglich wäre, wenn man es richtig anstellen würde. Auch die Therapie für Soldaten mit posttraumatischen Störungen basiert auf kontrollierter Konfrontation. Die Veteranen gehen durch ein virtuelles Kriegsgebiet. Der Therapeut sitzt wie ein Regisseur neben dem Patienten und kann jederzeit Bomben einschlagen oder Schüsse fallen lassen. Im Vergleich dazu ist Höhenangst auch für Rizzo alter Käse. »Das machen wir


#Life #Reportage #Virtual Reality

seit 1993. Dass VR-Therapien bei vielen Angststörungen funktionieren, ist längst bewiesen.« Der Fortschritt der letzten Jahre macht immer neue Ansätze möglich. Rizzo arbeitet inzwischen mit »virtuellen Menschen«. Die Akteure sehen aus wie Charaktere in nicht mehr ganz frischen Computerspielen. Aber sie können mehr: »Wir können Trainer oder Führer einsetzen, die einigermaßen intelligent reagieren.« Mit denen kann man auch zunehmend frei plaudern. Wichtig ist für Rizzo auch die immer bessere Bewegungserkennung, die es in Form der Kinect-Kamera auch in die Wohnzimmer geschafft hat. »Jetzt können wir wirklich den Menschen sehen und mit ihm interagieren. Das hat sich dramatisch entwickelt – mittlerweile können wir anhand der Mimik, der Körperhaltung und Sprechweise Annahmen über deinen psychologischen Zustand machen.« Und die Grafik der virtuellen Welten wird nicht nur realistischer, sie wird auch leichter zu erstellen: »Man wird Räume in 3D abfilmen und dann schnell in realistische virtuelle Umgebungen umwandeln können«, prophezeit er. Künstlich intelligente Menschen in fotorealistischen Welten – gibt es überhaupt Therapien, in denen man VR nicht einsetzen kann? Rizzo bremst meine Begeisterung: »Man kann nicht jede Behandlung virtualisieren. Und das sollten wir auch gar nicht. Manche Therapien bedürfen einer tiefen persönlichen Bindung und pausenloser Wachsamkeit. Wir können keinen Therapeuten ersetzen. VR bleibt ein Werkzeug. Sie ist nie selbst die Therapie.«

Virtueller Albtraum Rizzo ist seit Jahrzehnten dabei. Sieht er in der VR-Therapie vielleicht auch gewisse Risiken? Ich hatte meine Angst in den virtuellen Alpen von »The Climb« unter Kontrolle, aber das lag möglicherweise auch nur an technischen Unzulänglichkeiten. Wenn man mit VR wirklich traumatische Situationen nachbauen kann – kann VR uns dann nicht auch in ein neues Trauma stürzen? »In unseren Therapien gab es bisher noch niemanden, dem es nachher

schlechter ging«, wiegelt Rizzo ab. Aber was Wirkungsdebatte passiert ohne Therapeuten? Beispielsweise Kommt ein neues Medium in einem Action- oder Horrorspiel mit VR? auf, schüren ahnungslose Moralapostel Angst – das »Komm schon!« ruft er, hörbar genervt. »Du ist seit Jahrhunderten so. In schreibst doch über Gaming? Wie viele Video- den USA und Deutschland spiele zeigen seit Jahrzehnten wirklich eklige sind die Erinnerungen an vermeintliche »TötungsDinge? Entertainment ist voll von Inhalten, die simulationen« und angeblich jemanden traumatisieren können. »Killerspiele« noch frisch, Und wann passiert das schon mal wirklich?« auch wenn selbst die CSU heutzutage Videospiele als Ich kann seine Reaktion gut verstehen. Gerade Kulturgut feiert. in den USA mussten Videospiele eine lange, scheinheilige Debatte über mögliche Risiken überstehen. Aber dann macht Rizzo ein kleines Zugeständnis: »In VR schaust du nicht nur durch ein Fenster in die Welt. Du bist da und interagierst körperlich mit ihr. Wirkt dadurch vielleicht auch alles stärker? Darauf müssen wir achten. Aber dabei nicht hysterisch werden!« Mit diesen Worten entlasse ich ihn in den Berufsverkehr. Und dann meldet sich Professor Paul Pauli bei mir, der Kollege von Marc Latoschik. Der Psychologe arbeitet selbst seit 1996 mit VR. Und wenn es um Gefahren geht, wiegelt er nicht ab: »Es gibt auch Personen, die bestimmte Situationen in VR nicht aushalten und abbrechen«, stellt er klar. Den Hinweis auf Risiken findet er gerechtfertigt. »Bei verstärkter Immersion und Präsenzgefühlen sind auch Traumatisierungen möglich«, glaubt Pauli, wirkt dabei aber nicht, als würde er sich vor Shitstorm fürchten. Auch den Hype beurteilt er nüchtern: »Die Technik wird billiger.« Das ist für ihn die größte Veränderung seiner Arbeitsbedingungen. Für alle, die sich nicht schon seit 20 Jahren mit VR beschäftigen, könnte sich dagegen eine Menge verändern. Mark Zuckerberg denkt vielleicht an 3D-Videos von Konzerten und Kleinkindern. Eine Generation von Wissenschaftlern dagegen arbeitet daran, uns zu besseren Menschen zu machen. Jetzt können sie den Traum wahr machen. Wenn der Hype nicht wieder begraben wird.

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#Life #Rezepte der Popküche

#Rezepte der Popküche

Die Salami-Pizza aus »Breaking Bad«

Das Rezept Zutaten für vier Wurfgeschosse: 500 g Mehl 1 Packung Trockenhefe Olivenöl

Sorry für das dämliche Wortspiel, aber diese Pizza geht aufs Haus. Was ist eigentlich geil daran, Jumbo-Pizzen der Sorte Salami auf ein Hausdach zu werfen? Für einen Haufen »Breaking Bad«-Fans offensichtlich eine ganze Menge.

1 Zwiebel

Es gibt Wohnraum-Mimosen, die umziehen, weil die Nachbarn scheiße sind, weil es zu laut ist, zu kalt, zu schön oder die Umgebung im Laufe der Verrohungsjahre schlichtweg zu gefährlich (#Kottbusser Tor). Darüber kann ein Ehepaar aus Albuquerque nur verständnislos den Kopf schütteln. Für die beiden muss das alles verflucht lächerlich klingen. Schließlich müssen sie unverschuldet einen Haufen nerviger Fans vom eigenen Grundstück jagen und in unregelmäßigen Abständen Jumbo-Pizzen vom Dachgiebel kratzen. Schuld ist der Kult um »Breaking Bad« beziehungsweise den genialen Vollversager Walter White. Mit seiner verzweifelt-tapsigen Art und einer Salami-Pizza unter dem Arm versucht das Superhirn in Staffel drei zum wiederholten Mal, seine völlig zu Recht angepisste Frau Skyler zurückzugewinnen. Als sie Mann und Jumbo-Pizza verschmäht, wirft er den Karton wutentbrannt in hohem Bogen durch die Gegend. Dabei löst sich der fettige Teig aus seiner Pappschachtel und landet Frisbee-gleich auf

Und so geht’s:

dem Dach seines eigenen Hauses – entgegen allen Naturgesetzen mit dem Belag nach oben! Und »Breaking Bad« wäre nicht »Breaking Bad«, würde die Kamera am Ende nicht in Richtung Pizza fahren und der Zuschauer den wütenden Walter White aus der Vogel-, äh, Pizzaperspektive mit dampfendem Motor wegfahren sehen. Verständlich, dass diese Szene berühmt wurde und Pizzawerfer weltweit auf den Plan rief. Zwischendurch waren die Hausbewohner sogar so genervt, dass Serienpapa Vince Gilligan Fans öffentlich dazu aufforderte, die Pizzawerferei doch bitte zu unterlassen. Übrigens: Da Walter White a.k.a. Bryan Cranston die entblößte Pizza wie von Zauberhand gleich beim ersten Take aufs Dach befördert hatte – und das, obwohl es sich dabei um die größte Pizza in ganz Albuquerque handelte –, nannten seine Kollegen die Szene »Pizza of Destiny«. Guten Appetit! Senta Best

650 g passierte Tomaten Basilikum 250 g Salami 250 g Käse gerieben Pfeffer & Salz

Mehl und Hefe miteinander mischen, lauwarmes Wasser, einen Teelöffel Salz und ein wenig Olivenöl dazugeben und das Ganze klebefrei kneten. Mit Mehl bestäuben, zudecken und den Teig 30 Minuten ruhen lassen. In der Zwischenzeit Zwiebeln hacken, in einer Pfanne mit Olivenöl anschwitzen, Tomaten rein und die Soße circa zehn Minuten lang köcheln lassen. Zum Schluss mit Salz, Pfeffer und Basilikum würzen. Jetzt nur noch die Salami in mundgerechte Happen schneiden, Teig auf dem eingefetteten Backblech ausrollen, alle Zutaten in sinnvoller Reihenfolge darauf verteilen und das Ganze im vorgeheizten Ofen bei 225 Grad backen, bis der Käse leicht braun ist. Tipp: Pizza in den Mund statt aufs Dach werfen!

Illustration: Alexandra Ruppert

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WILLKOMMEN IN DEINEM LIEBLINGSLADEN, DEM ORT DER VERDORBENHEIT REG VOM ISS THE VON EUR

BRO CIR KE CLE N

EIN FILM VON

X ULWA O S CH ON CK V RHÄLTLI A R T E D SOUN HANDEL IM

FELIX VON GROENINGEN TOM VERMEIR | STEF AERTS MUSIK VON SOULWAX www.belgica-film.de

AB 23. JUNI IM KINO


#Life #Kolumne #First World Problems

First World Problems

Körpergeruch Einmal im Leben umgehört, und schnell wird klar: Selbiges ist kein Zuckerschlecken! Es folgt eine neue Ausgabe viel diskutierter First World Problems. Irgendwas ist doch immer, findet auch Olaf Radow. Zum Beispiel Körpergeruch.

Illustration: Alexandra Ruppert

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Fritzi Maluga ist die schönste Frau der Welt. Punkt. Seit ich Fritzi Maluga kenne, weiß ich, dass Schönheit unterbewertet ist. Punkt. Total unterbewertet. Punkt. Punkt. Punkt. Irgendwie haben wir uns kennengelernt. Heute trifft sie sich mit mir. Zu mir nach Hause kommt sie. Zu mir, dem personifizierten Mittelmaß, dem Tagedieb, dem traurigen Clown, Dr. Phlegma. Seit Wochen schreiben wir uns, telefonieren, skypen. Und heute wird sie leibhaftig. Zwei Stunden später liegt Fäulnis in der Luft. Verwesung. Gülle. Aceton. Leberversagen. Schwarzer Tod. Brechreiz schüttelt mich. Lüften. Alle Fenster auf. Ich versprühe fast den gesamten Inhalt meines Speick-Deo-Sprays. Parfum dazu. Boden wischen. Vanish Oxy Action Pulver. Nützt alles nix. Ein Gegengift muss her: Ich schließe alle Fenster und koche Wirsingeintopf mit Bein und Hack. Bis die Suppe ranzig von den Scheiben rinnt und die Fensterbänke würzt. Dazu Nag-ChampaRäucherstäbchen und ein paar Kippen aufm Kanapee. Ein halluzinierender Kammerjäger in blanker Panik. Das Deoqualmkohlsuppenräuchernaghackgemisch wird das Rachengift schon binden. Fenster wieder auf. Raus damit. Kurz nach draußen. Spazieren. Durchatmen. Sicher. Die Stinker sind unter uns. Sie sind überall. Die Ungewaschenen und Traurigen, die Achsel- und Intimschweißer im morgendlichen Schienenverkehr, die Leberzirrhosen in der Supermarktschlange, der Rachenkatarrh im Wartezimmer, der die Schwerkraft verhöhnende Reflux, welcher – hoppla – durch den renovierungsbedürftigen Speiseröhrenschließmuskel den Weg zurück ins Freie sucht, die Socken, Füße, Haare vorne, hinten und nebenan, die Dentophoben und sonst wie Siechen, die diabetischen Alten an der Schwelle zum Heimgang, die Mundwinkelspeckis und Parodontaltaschenträger, die speichelflussarmen Zungenverpilzten, die Game-Junkies mit Augengeruch. Daran hat man sich gewöhnt. Aber du? Fritzi Aphrodite Maluga …? Wie konntest du ein derart geruchsnervzersetzendes Miasma verströmen,

eine olfaktorische Massenhinrichtung an den zarten Höhlenwänden meiner Riechbahnen verantworten, mir eine dergestalt sinnliche Kakofonie zufügen? Warst du vom Leibhaftigen besessen? Ich kannte dich doch schon wie meine eigene Wespentaille. Fritzi Maluga, mein Nachtschattengewächs, Hüterin meiner Erektionsgeräusche, mein gottverdammtes Pupillenpiercing. Und jetzt das! Halitosis Maximus samt spätfeudalem Auspelzen, Latrinotop meiner Sinne, schwarze Reiterin der Brigade Tod und Teufel. Was tun? Anrufen? »Fritzi, du bist wundervoll … aber … du riechst aus dem Mund wie ein 3.-Klasse-Abteil im Punjab.« Nein. Geht nicht. Abwarten. Aussitzen. Am Dienstagabend schickt sie mir dann ’nen Food Porn aus dem einzigen tadschikischen Restaurant Deutschlands, dem Shaftoluzor in Berlin. Sie habe einen Studienplatz an der Nationaluniversität in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, ergattert. International Affairs. Vorher müsse sie sich aber noch einer OP unterziehen. ÖsophagusAbszess, eine Vereiterung in der oberen Speiseröhre. Keine große Sache. Sie würde sich aber über ein weiteres Treffen freuen. Nach der OP und vor der Abreise. Ich bin betäubt und antworte: »Fritzi, ich lieb dich!!!« Drei Ausrufezeichen habe ich seit der Pubertät nicht mehr aneinandergereiht. Ihre Antwort folgt prompt: ein Zwinkersmiley, schutzlos und einsam. Duschanbe, 6105 Kilometer. Die Mieten sind erschwinglich. Es gibt eine direkte Zugverbindung ab Moskau. Einmal wöchentlich. Ich denke an eine Wochenendbeziehung. Eine Fernliebe. Einen Neuanfang. Morgen ruf ich sie an.


#Style

#Style Scooter »How Much Is The Fish«

Es heißt ja oft, alles im Leben sei politisch. Songtexte von Scooter scheinen davon jedoch ausdrücklich ausgenommen zu sein. Oder singen sie hier über die Ausbeutung der Fischbestände und die prekären Arbeitsbedingungen der Fischer? Man weiß es nicht. Was wir jedoch wissen: Auch mit dem bewussten Kauf von Mode kann man etwas bewirken – wie erfahrt ihr auf diesen Seiten.

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#Style #Fair Fashion

Caro Shirt: Jan ’n June Spitzenweste: Lies in Layers Rucksack: Matt & Nat Hose: Edda Mör über Zitat

Fair Fashion

Für Besser-Dresser Voll fair sind die folgenden vier Style-Seiten. Bio-Baumwolle, recyceltes Plastik oder upgecycelte Altkleider und nachhaltig angebauter Kork sind die Stoffe, aus denen die Stücke »sustainable« geschneidert sind. Selbst das Make-up ist diesmal nicht nur haut-, sondern auch tierfreundlich! Alva Galim, die in Mailand Modedesign studiert hat, griff nach dem Shooting zur Schere und bastelte wunderbare Conscious-Collagen. Fotografen: Patrick Essex, Frederike Wetzels Collage: Alva Galim Styling: Frederike Ebert Haare/Make-up: Lena Klein von »Salon Zwei« mit Produkten von Kjaer Weis, Ilia Beauty & Hiro Cosmetics Models: Stanislas Dulong, Luisa Maria Konga, Amani Ruyange, Caro Willenbrink


#Star#Wars #Style #Style Fair Fashion

Luisa Kleid: F-ABRIC Spitzentop: Lies in Layers Kette: Goos Jewellery Clutch: Cork ’n’ Colour Schuhe: Matt & Nat

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#Style #Fair #Star Fashion Wars

Stanislas Hut: NCA Berlin Hemdbluse: Jan ’n June Streifenshirt: Armor Lux Hose: Trinkhallen Schickeria Sneaker: Veja


#Style #Fair Fashion

Amani Cap: A Kind of Guise Denim-Sakko: F-ABRIC Hemd: A Kind of Guise

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#Style #Kleiderei

Eine Kleiderei für Köln

Leihen ist das neue Kaufen Ganz nach dem Motto »Stil hast du, Kleider leihst du« eröffneten Pola Fendel und Thekla Wilkening vor fast vier Jahren ihre Kleiderei. Nachdem sie sich zuletzt auf die Online-Ausleihe konzentriert hatten, haben sie nun einen Shop in Köln eröffnet. Geleitet wird er von Lena Schröder, die nicht nur Design-Märkte organisiert, sondern mit der »Trinkhallen Schickeria« ein eigenes Modelabel betreibt. Frederike Ebert hat Thekla vor Ort besucht. Fotos: Frederike Wetzels. Nach Pop-up-Stores in Hamburg und Berlin habt ihr jetzt eine dauerhafte Kleiderei in Köln eröffnet. Was hat es mit dem »neverending Kleiderschrank« auf sich?

der Idee bis zur ersten Kleiderei sind nur ein paar Wochen vergangen. Wir haben sofort viel Anklang gefunden und Pop-ups in Berlin veranstaltet. Einen Online-Shop zu eröffnen Das Konzept der Kleiderei ist eigentlich aus war nur die logische Konsequenz. Selbst wer in einer Schnapsidee heraus geboren. Irgendwie Großstädten wohnt, bestellt doch gern online. fielen die Wörter »Kleidung« und »Bücherei« Wie funktioniert eure Ausleihe? mal in einem Satz, und wir haben gedacht: Sobald man sich online anmeldet, beginnt das »Wie cool wäre es, wenn man Kleidung leihen Abo. Entweder sucht man sich selbst bis zu vier könnte wie Bücher?« Frauen haben ja immer Teile für sein Paket aus dem Sortiment aus das Gefühl, nichts zum Anziehen zu haben, oder füllt den Fragebogen aus, und wir stellen und der Reiz des Neuen ist sehr groß. In der etwas nach den Wünschen zusammen. Die Kleidung der Freundin gefällt man sich oft Mindestlaufzeit des Abos beträgt drei Monate, besser als in der eigenen und andersherum. pro Monat zahlt man 34 Euro. Wahrscheinlich tauscht jeder ab und an Klamotten. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln?

Wir haben gedacht, wir schmeißen die Idee mal ins Land – und haben ohne betriebswirtschaftliches Know-how kurzerhand in den Räumen einer Galerie einen Laden eröffnet, in dem wir Klamotten verliehen haben. Das war 2012. Von

Angenommen, ich hab mir ein Kleid geliehen, auf einer wilden Party getragen – und nun ist es nass geschwitzt und schmutzig. Was jetzt?

Und woher kommen die Klamotten?

Wir kaufen nichts Neuproduziertes, sondern nur Sachen vom Flohmarkt. Außerdem kann man uns auch ausgemusterte Lieblingsstücke schicken, und wir kooperieren mit Jungdesignern wie Lanius, Ethel Vaughn, Musswessels, Jan ‘n June, Zitat, haben Sonnenbrillen von Viu, Taschen von Atem und natürlich Trinkhallen Schickeria – schließlich ist Lena unsere erste Franchise-Nehmerin. Ihr Konzept, aus alten Klamotten eine neue, eigenständige Kollektion zu schaffen, passt perfekt zur Kleiderei. Ihre Stücke kann man auch kaufen. Kann man Klamotten reservieren lassen?

Klar, einfach eine Mail an uns.

Was mache ich, wenn ich mich in ein Teil unsterblich verliebe und es nie wieder hergeben mag?

Wir müssen ja dafür garantieren, dass wir die Ganz lieb nachfragen! Sachen sauber herausgeben. Deswegen wird Ein paar Sachen möchte man ja eben doch sein Eigen nennen. In was sollte man alles von uns gereinigt. Und wenn etwas kaputtgegangen ist?

investieren?

Kleine Reparaturen können wir selbst machen. Wenn ein Designerstück kaputt oder verloren gegangen ist, wäre das ein Fall für die Haftpflichtversicherung. Bislang ist das aber noch nicht vorgekommen.

Ein weißes Hemd oder eine weiße Bluse, einen schwarzen Pullover aus Strick, eine gut sitzende Jeans – und irgendein ausgefallenes Gute-Laune-Teil.

Gibt es bei euch eher Party-Outfits oder mehr Alltagstaugliches?

Es gibt bei uns natürlich auch Sachen für spezielle Anlässe, aber die Idee ist schon, die Kleiderei als Vergrößerung des eigenen Kleiderschranks zu nutzen. Wir haben auch Jeans und T-Shirts oder Business-Sachen im Angebot.



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#Style #Technik #Action-Kameras

Drift Innovation Stealth 2: Für Pragmatiker

Der Name mag etwas anderes suggerieren, dennoch ist die Stealth 2 von Drift Innovation nicht unbedingt für Spionage-Zwecke gedacht, sondern eignet sich vor allem als auffällig kompakter Begleiter für pragmatische Festival-Enthusiasten. Wer einen Großteil seines Sommer-Budgets schon verplant hat und nur bedingt Wert auf State-of-the-art-Technologie legt, trifft damit eine hervorragende Wahl. — Drift Innovation Stealth 2, circa € 170, driftinnovation.com

Action-Kameras

IM AUGE DES BETRACHTERS Ob Liveschalte aus der Bierdusche, Videobotschaft aus dem Moshpit oder gekonnter Panoramaschwenk vom Schwimmreifen aus – vieles mag auf einem Festival nach einer super Idee klingen. Zumindest so lange, bis das Smartphone im Matsch landet und sich im schlimmsten Fall für den Rest des Wochenendes verabschiedet. Damit es erst gar nicht so weit kommt, stellen wir euch drei robuste Kompakt-Filmkameras als Alternativen zum Platzhirsch GoPro vor.

Sony FDR-X1000: Für Perfektionisten

Wer bei der Bildqualität keine Kompromisse eingehen möchte, sollte sich die FDR-X1000 von Sony genauer ansehen. Schließlich schaffen nur die wenigsten Modelle dieser Gattung eine derart stabile Bildwiederholfrequenz bei gleichzeitig maximaler Auflösung. Das an die Bauform klassischer Camcorder angelehnte Design dürfte zwar nicht jeden ansprechen, bietet aber gerade bei händischer Führung einen klaren Vorteil. — Sony FDR-X1000, circa € 340, sony.com

TomTom Bandit: Für Bequeme

Wer gerne in jeder Situation draufhält, aber eher wenig vom mühseligen Sichten und Schneiden der eigenen Inhalte hält, dürfte mit der TomTom Bandit die richtige Kamera gefunden haben. Dank Accelerometer, Gyrosensor und GPS kann sie ereignisarme Aufnahmen von rasanten Sequenzen unterscheiden und mit der entsprechenden App sogar direkt in fertige Clips zusammenfügen. Damit lässt sich der individuelle FestivalRückblick schon während der Rückfahrt verschicken. — TomTom Bandit, circa € 300, tomtom.com


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#Review

# Review Spalter

Unsere liebsten Platten

Radiohead A Moon Shaped Pool

01 James Blake The Colour In Anything

XL / Beggars / Indigo

Sind Radiohead abseits des Tamtams um die Geheimnistuerei ihrer Veröffentlichungspolitik eigentlich immer noch State of the Art oder ergehen sie sich nur noch in öden Manierismen? Selten stritt die Redaktion auf derart hohem künstlerischen Niveau. Noch mehr battle unter: www.intro.de/spezial/spalter

Um es gleich vorwegzunehmen: Natürlich ist dieses Radiohead-Album nicht schlecht. Wie könnte es auch? Trotzdem: Es ist enttäuschend. Einzig aus dem Grund, weil die britischen Experimental-Popstars ihr Potenzial nicht ausschöpfen und stattdessen in der Zwanglosigkeit der Unbestimmtheit verharren. Nach all den hybriden, andeutungsvollen Ambient-Alben der letzten 15 Jahre wäre es endlich mal wieder an der Zeit gewesen, ein Statement zu setzen. Und es geht ja eigentlich auch schon gut los: »Burn The Witch« ist mit seinen sägenden Streichern ein drückendes Statement, das in seiner emotionalen Dringlichkeit sogar an die Melodramatik der chinesischen Oper erinnert. Danach fallen Radiohead aber in alte Muster zurück: Der Singsang Thom Yorkes mit sachten Beat-Gerüsten und blümerantem Sound-Ornament ist reines Radiohead-Format und führt nirgendwohin, und es ist bezeichnend, wenn schon eine akustische Lieber Christian, ich gebe dir recht: Radiohead Folk-Gitarre wie in »Desert Island erfinden mit diesem Album den Kern ihrer Kunst Desk« oder »The Numbers« wie eine nicht neu – und das ist gut so! Wertkonservatives Erlösung wirkt. Aber EindeutigkeiFesthalten an der bewährten Selbstbezogenheit ten wie diese bleiben die Ausnahme, ist eben doch ein letztlich überzeugender Ansatz. Der Reiz die Band verharrt in ihrer Welt und auf Album Nummer neun liegt nunmehr in der Verfeinerung von lieb gewonnenen Mustern und Manierismen, treibt ihre Sound-Experimente nicht weiter voran als bis ins bloße Radiowas glücklicherweise aber nicht bedeutet, dass die Briten head-System, das sich seit »OK Comdabei auf Autopilot stellen würden. Zwischen Psych-Folk, puter« schon zu oft wiederholt hat. cineastischen Brüchen und Klaviermusik ist die Band so Viel zu viel bleibt in der komfortablen dicht zusammengerückt wie niemals zuvor, was »A Moon Radiohead-Kaste stecken, alles ist Shaped Pool« im Gesamten zum vielleicht konsistentesten gut, aber nur in Details neu. Ich fühWerk der ewigen Soundtüftler werden lässt. Da stört es sicher le mich sicher nicht wohl dabei, an nicht, dass die Mannen um Thom Yorke auch hier wieder komplett auf langweilige Eingängigkeit oder laute Statements diese Band andere Anforderungen zu stellen als an andere. Aber ob ihres verzichten, sondern den geneigten Hörer viel lieber mit Genies muss man einfach sagen, dass kongenialen und unerwarteten Sound-Details in Verzückung Krautrock-Versatzstücke und flieversetzen. Man höre das Solo von Jonny Greenwood in gende Harmonie-Figuren vielleicht »Identikit« oder das an Filmmusik erinnernde Outro in Ausweg sind, aber keine Lösung. »Daydreaming«! In diesen Momenten sind Radiohead so nah Christian Steinbrink bei sich wie seit langer Zeit nicht mehr, und das zerfahrene letzte Album »The King Of Limbs« ist komplett vergessen. Am Ende steht die Gewissheit, dass es Radiohead anno 2016 immer noch auf beeindruckende Weise schaffen, den Hörer in ihre stilbildende Atmosphäre aus tiefer Melancholie und gleichzeitiger Erhabenheit eintauchen zu lassen und ihn mit spielerischer Leichtigkeit immer weiter an sich zu binden. Kai Wichelmann

02 Beyoncé Lemonade 03 Die Heiterkeit Pop & Tod I+II 04 Pantha Du Prince The Triad 05 Radiohead A Moon Shaped Pool 06 Stabil Elite Spumante 07 Arthur Beatrice Keeping The Peace 08 The Kills Ash & Ice 09 Drake Views 10 Boys Noize Mayday

Eure liebsten Platten 01 Radiohead A Moon Shaped Pool 02 Drake Views 03 Samy Deluxe Berühmte letzte Worte 04 Beyoncé Lemonade 05 AnnenMayKantereit Alles Nix Konkretes 06 James Blake The Colour In Anything 07 Anohni Hopelessness 08 The Lumineers Cleopatra 09 Deftones Gore 10 OK Kid Zwei

Schickt eure Top 10 an charts@intro.de. Alle Einsender nehmen an unseren Ver­losungen teil!

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#Review #Platten vor Gericht

Platten vor Gericht Intro-Leserinnen und -Leser: Mittippen und via intro.de Juror werden!

1

PJ Harvey The Hope Six Demolition Project Island / Universal

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Kaytranada 99,9% XL / Beggars / Indigo

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Gold Panda Good Luck And Do Your Best

Christina Stürmer

Die Heiterkeit

Ωracles

Basia Bulat

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Clifford Brown Jazz Immortal

Lauryn Hill The Miseducation Of Lauryn Hill

Serge Gainsbourg Histoire De Melody Nelson

The Kinks The Kinks Are The Village Green …

Milton Nascimento Minas

Sam Cooke Live At The Harlem Square Club

Benannt nach dem »Hope VI«-Projekt der USA. Die Songs erzählen von ihren Reiseerlebnissen in Afghanistan, Kosovo und Washington. Sehr hörenswert! Nicht meine Baustelle. Zwar sehr abwechslungsreiches Album, aber ich wüsste nicht, wo ich das hören wollen würde. Nicht meins!

Electro-Chill-out-Mucke vom Feinsten. Aber leider kann ich persönlich damit nicht so wirklich was anfangen.

City Slang / Universal

4

M83 Junk Naive / Indigo

5

The Last Shadow Puppets Everything You’ve Come To … Domino / GoodToGo

6

Drangsal Harieschaim Caroline / Universal

7

Klaus Johann Grobe Spagat der Liebe

Eine sehr spannende elektronische Combo. Der Opener »Do It, Try It« ist spitze. Nur Track fünf geht gar nicht: Fahrstuhlmusik.

Lange gewart et . Endlich ist das zweite Album da! Bin total begeistert. Album läuft in Dauerschleife. Klingt wie David Bowie in jungen Jahren. Gute Musik im 1980erStyle mit einem Hauch Punk. Echt gut produziertes Album, das dazu einlädt, die Tanzfläche zu stürmen.

Ohne Gesang gar nicht so schlecht. Aber mit geht leider gar nicht. Töne werden eher gestreift als getroffen. Aua.

Cargo

8

LUH Spiritual Songs For Lovers To Sing Mute / GoodToGo

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The Lumineers Cleopatra Decca / Universal

10

Trümmer Interzone PIAS / Rough Trade

All Time Faves

Genau meins. Tolle Songs! Gesangstechnisch sind sein Krächzen und ihre ruhige Stimme einfach der Hammer. Der Kontrast macht’s perfekt. Perfekt für lange Autofahrten. Nicht überproduziertes Pop-, Akustikrock- und Folk-Album. Einfach gut!

Teilweise ganz gute Songs. Opener lädt aber nicht wirklich zum Weiterhören ein. Der Sänger hat sich gesangstechnisch noch nicht gefunden. Alanis Morissette Jagged Little Pill Gregory Alan Isakov This Empty Northern … Pearl Jam Ten

Stella Sommer, Sonja Deffner

S: Ein Werk! Und so schön, dass es wehtut. Ich wünschte, ich würde in dem Album wohnen.

D: Funky BeamMachine, raus aus Europa. Kay und seine Freunde machen mit ziemlich coolen Beats ziemlich coole Songs. D: Okay, Sommeralbum: exotische Saiten, verstreute Stimmen, HousePiano, nette Beats, mit dem Auto hübsch durch sonnige Kornfelder fahren. D: Fescher Pop! Gern mehr von den waghalsigen 1980er-KitschRomanzen wie »For The Kids« — möchte sofort im Central Park rumhängen! S: Die Stimme kenne ich, die Melodiebögen kommen mir bekannt vor, und die Produktion ist bestimmt gut. Habe trotzdem keine Lust, es mir ganz anzuhören. S: Hieran ist einfach alles gut. 1000 Punkte!

D: SympathieträgerBand singt sepiasonnige Lieder mit schön verschwurbeltem Text, gemacht im Orgel-Lover-Himmel. Nostalgie, ohne zu nerven. S: Interessant. Auch wenn mir das Ganze auf Dauer, glaube ich, etwas zu emo/ intense ist.

S: Die Platte hat auch einer von den Felice Brothers produziert, oder? Keine Ahnung welcher, aber hat bestimmt nicht geschadet. S: Tja. Weil es ganz nette Typen sind: 4,5 Punkte

Jukebox Rettungsring Arthur Russell Calling Out Of Context Elvis Elvis

Kommen sehr gut rein, sind dann kurz wieder raus, um schließlich festzustellen, dass wir uns das zu einem späteren Zeitpunkt noch mal zu Gemüte führen. Auch so ein SampleEnthusiast, aber richtig glatt und digital dabei. Dann doch lieber Kendrick und DJ Krush separat hören!

Recht neutrale Musik mit ein bisschen Fernost aus dem SoftwareSampler, die schnell aus dem Ohr schwindet.

Klingt wie ein voll aufgedrehter Gartenschlauch! Hat aber diverse schöne Riviera-Momente für smoothes Beisammensein in weißen Leinenhosen. Könnte auch ein Name von bandnamegenerator.com sein. Erinnert an Bowie oder Love und nervt ein bisschen, wenn es zu sehr Rock’n’Roll wird. Dieser Max Gruber ist ein Talent und viel netter als auf Fotos.

Wasser auf unsere Mühlen! Produktion astrein und extrem verprellte Vocals. Ein frohes Traumtänzchen!

Wir sehen die Schlagzeilen von geiler Stimme und authentischen Typen vor uns und schalten den RodStewart-meets-Foals-meets!?!?-Kram vorzeitig ab. Man will uns hier entweder einen neuen Handyvertrag oder eine Haftpflichtversicherung andrehen.

Eure Daddys im Nebel shout-outen an den skifahrenden Speedy Gonzales. We luv u, Trümmer, aber was war bei »Europa Mega Monster Rave« eigentlich los?

I love everything PJ Harvey does, so she gets an automatic nine!

That’s not what I was expecting. Good surprise. It’s cool.

It makes me feel really peaceful, my blood pressure is chilling out. Warm, fuzzy and tapy.

I knew I was gonna love this, because I like them so much already. They get a nine automatically!

I really like this. I feel like this could be really fun to watch live.

I like the very direct Smiths references. It sounds like he had Depeche Mode for breakfast every day. But I don’t connect to the lyrics. I can’t understand what he is saying but I like the way it sounds. It reminds me of stuff I loved in highschool. Great bass!

I appreciate the passion they have. But I’m just not connecting to the music.

The way his voice is recorded on this album stands out to me.

I have no idea what he’s singing about, but it sounds cool!


#Review #Platten vor Gericht

Moop Mama

Stabil Elite

Neonschwarz

Nina Scholz

Marie Curry, Captain Gips

Autorin

Robert Maria Kloetzing

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Sermin Usta Intro

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The Roots Game Theory

Mariah Utakata No Hibi

Nas Illmatic

Gorilla Biscuits High Hopes

Kendrick Lamar To Pimp A Butterfly

Gang Starr Moment Of Truth

Kendrick Lamar To Pimp A Butterfly

Joni Mitchell Blue

Lauryn Hill The Miseducation Of Lauryn Hill

Haftbefehl Azzlack

Talking Heads Remain In Light

Sade Diamond Life

Rage Against The Machine Battle Of Los Angeles

Warren G Regulate ... G Funk Era

Gang Starr Moment Of Truth

Madonna Evita – OST

Milk Teddy Zingers

Beastie Boys Ill Communication

Die Platte finden wir super. Irgendwie geil und eigen produziert. Und schönes Pathos mit wenig Pubertät. Kann man in dem Alter ja auch erwarten. Die Beats killen teilweise hart. Fett und soulig und modern. Richtig gute Instrumentals halt. Im Vergleich zu den EPs fast etwas altbacken.

Woher kommt der Typ? Könnte ‘ne nordrheinwestfälische Kellerproduktion sein, aber genauso gut der Nachbar von Mike Skinner.

Sehr abwechslungsreiches Album mit 1970er/ 1980er-Soundästhetik. Funktioniert gut als Musik für Filme mit Jean-Paul Belmondo oder so. Uns gefällt’s! Da waren Profis am Werk. Das ist Musik, die gerne im Hintergrund laufen kann. Stört nicht.

Ein stickiger Club. Zugeknöpfte Hemden. Die Turnbeutel stören beim Tanzen. Etwas mehr Abwechslung im Sound und mehr deutsche Texte fänden wir gut. Die Musik kann einen verzaubern, und die ganze Welt wird sepiastichig. Dann fragt man sich, ob die das ernst meinen. Aus der Traum. Schön. Anfangs waren wir beeindruckt, wie schmerzverzerrt der Sänger grölen kann, dann hat er aber nicht damit aufgehört ... Nicht ganz nach unserem Geschmack. Sophie Zelmani, Bonnie »Prince« Billy und ein einsamer Cowboy gehen in eine Bar und trinken Bourbon. Dann wird es den dreien langweilig.

Handgemachter DeutschIndie-Pop. Sicher gut, aber davon verstehen wir nichts.

Tolle Arrangements, erinnert an Bowie, gewürzt mit etwas Folk. Hin und wieder etwas überladen und auf Dauer etwas gleichförmig, aber toll. Super Album. Vielseitig, klingt gut. »Together« erinnert an »American Boy«.

Schöne Platte eigentlich.

Typisch französisch. Viel geklaut, trotzdem oft schön. Manchmal viel zu perfekt und fassadenhaft, aber irgendwie immer gekonnt. Tolle Popsongs, hält einige Überraschungen bereit. Der Gesang nervt manchmal, aber die Vielseitigkeit besticht.

Ein paar gute Stücke und schöne 1980erZitate, erinnert oft an The Cure und New Wave. Insgesamt aber doch zu aufgesetzt und eintönig. Schöne, lustige Stücke. Der konsequente RetroAnstrich hat aber fast schon etwas Parodistisches. Manchmal auch etwas »Johnny Flash«. Irgendwie ambitioniert, aber dann doch nur unangenehm.

Klingt traditionell, amerikanisch. Nicht schlecht, aber hin und wieder auch etwas zu sehr »Grey’s Anatomy«-Soundtrack.

Gutes zweites Album. Trümmer halt. Stellenweise gestrige Posen und Befindlichkeiten, aber trotzdem erfrischend, alles recht locker und unbefangen.

MC: PJ Harvey fand ich schon super, als ich 15 war, und das Album gefällt mir auch. Eins a Künstlerin.

CG: Erinnert sofort an beste Zeiten mit Nightmares On Wax und Bonobo. Sehr cool. Hört man laut im Auto mit Freunden unterwegs zum Strand. MC: Elektronisches ohne Gesang ist sonst nicht so mein Ding — das hier ist aber schön organisch, frickelig und experimentell. Gibt’n Däumchen. CG: Gute Laune aus Frankreich. Dream-Pop trifft es ganz gut. Ich höre das am Sonntagmorgen, geweckt von der Sonne und von Kater keine Spur. CG: Kein Plan von IndieRock, aber klingt cool, und ich hätte jetzt irgendwie Bock, nach England zu fahren und in einem Pub ein Bier zu trinken.

MC: Klingt nach 1980er in geil. Steh ich drauf irgendwie.

MC: Schön quer, ist aber irgendwie einschläfernd. Alles sehr ähnlich im Sound — muss man wohl in der Stimmung für sein.

MC: Nice! Seine Stimmbänder tun mir ein bisschen leid, aber sonst gefällt mir das musikalisch ziemlich gut. Interessanter Kontrast der Stimmen. CG: Geil. Ich überlege mir gerade, einen Strohhut zu kaufen, aufs Land zu fahren, über Kornfelder zu laufen und ein bisschen zu weinen, um mich genau darüber zu freuen. MC: Dandymusik von den Hamburger Kollegen. Manche Texte sind mir etwas zu künstlich, aber Sound und Hooks mag ich. Klingt sehr gut produziert.

Alle denken immer, ich sei PJ-Harvey-Fan. Werde ich vielleicht mit diesem Album. Das will nicht so viel von mir wie die anderen davor.

»99,9%« ist natürlich ein sehr sympathischer Albumtitel. Außerdem besteht das Album zur Hälfte aus freundlichem R’n’B. Das ist auch die Hälfte, die ich mag. Das ist Musik, die ich immer überhöre. Was eigentlich auch gut ist, weil sie immer in Cafés läuft, wo ich lieber in Ruhe lese, als Musik zu hören.

Ach, Electro-Dance-Pop und ich, wir werden in diesem Leben keine Freunde mehr. (Allerdings auch keine Feinde.)

Ich hab mich schon gefragt, wann der IndieRock aus der Mitte der 2000er eigentlich sein Revival feiert. Vielleicht mit diesem Album? Ich wäre, glaube ich, bereit. Alle paar Jahre gibt es einen jungen Menschen, der kühlen Electro-Pop macht, der wie von früher klingt. Das macht die Musik weder schlechter noch besser. Zeitloser, kitschiger Schlager-Funk. Ist mir sehr sympathisch. Aber auf Dauer etwas eintönig.

Das ist Musik, zu der man sehr gut sehr melancholisch sein kann. Merke ich mir für so einen Fall mal vor.

Ist das schon Country? Kenn ich das aus der Serie »Nashville«? Egal, da kann man gut zu trinken und traurig sein. Find ich natürlich super. Leider nicht meine Art von Musik, aber wenn sie mal ein Buch schreiben, mit den tragischen Geschichten drin, die für die Texte verantwortlich sind, dann lese ich es!

Gospel und Worksongs. Call und Response. Trompeten tröten, Orgeln quietschen. Hier geht’s um was. Ist mir nur egal.

Is it? Is it you, Craig? Craig David? Man! Your song with Sting, amazing! What are you up to? Kaytranada? Is it like Sting? No? Well ...

Manches klingt, als wäre bei deinem noblen Lieblingsasiaten am Buffet der Tanz eröffnet. Dein Onkel weiß nicht, wie er sich dazu bewegen soll.

Yacht Rock der angesägten Art. Don Johnson schaut angetrunken aufs Wasser und lässt den Lazer sinken. Der Mond singt Christopher Cross. Klingt wie der uninspirierte Versuch eines Soundtracks für einen Agentenfilm, der leider nicht so schlecht ist, dass er wieder gut wird.

Alphaville könnte es gefallen, Morrissey eher nicht. Trotz ständigem »Hey« strahlt »Allan Align«. Großes Maul kriegt halben Extrapunkt. Sie könnten bombastisch sein, wenn sie ein bisschen weniger Ironie und mehr Zeit in die Texte stecken würden als ich in diese Reviews.

Wenn ich mich in Tokio abseits der Neonreklame verlaufe und voller Stolz nicht nach dem Weg frage, soll dies mein Soundtrack sein.

Wenn demnächst wieder lecker IndieBrunch im Café Alex ist, hält das garantiert die Croissants warm.

Trümmer so: »Komm, wir eskalieren, explodieren.« Wir so: »Komm, geht weg.« Mal ernsthaft, hat Udo Lindenberg hier seine Finger im Spiel?

PJ Harvey zählt zu den kreativsten Musikerinnen unserer Zeit. Attitüde, Songwriting und Stimme auf einer Platte. »Chain Of Keys« ist ein absolutes Brett. Guter Junge.

Mag seinen Künstler­­­­­namen und die Phrase, die sich Albumtitel schimpft, so sehr wie seine Musik. Mix aus Bonobo, Nicolas Jaar und Caribou. Extrem seichter SynthiePop. Man kann ihnen nicht vorwerfen, sie wollten sich nicht weiterentwickeln. Trotzdem fad.

Kane und Turner haben ihre klangliche Mitte gefunden. Irgendwie harmonisch.

Close, but no cigar. Fast so gut wie das Original. Ein Album, auf das sich Mainstream und Subkultur einigen können.

Packt die Lavalampen aus. Hier kommt in einer Zeitkapsel konservierter Kraut-Pop. Schön.

Ich habe eine Schwäche für raue Männerstimmen. Aber Ellery Roberts klingt sehr angestrengt. Deshalb funktioniert LUH für mich nicht auf Albumlänge. Seit ihrem Hit »Hey Ho« habe ich mit ihnen gebrochen. Damals arbeitete ich beim Radio und musste mir bestimmt 50 Mal am Tag »Hey«, Rassel, »Ho« anhören. Für mich eine Album­länge Albtraum. Für an­ dere die vielleicht längste Praline der Welt.

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#Review Kommando Sonne-Nmilch ...) klingt »To Be As Livin’« geradezu zärtlich. Auf der anderen Seite legt das auch den Weg für die Aufmerksamkeit auf Rachuts Texte frei, etwa auf den Album-Höhepunkt »Zackenbarsch«, der wiederum die Qualitäten des Hörspielautoren Rachut (»Der Seuchenprinz«) in Erinnerung ruft. Spätestens an diesem Punkt darf man sich sicher sein: Es gibt einen Ausweg aus Punkrock. Jens Rachut hat ihn gefunden. Und wenn der ihn findet, schaffen wir das auch. Christian Steinbrink

Spektakel

James Blake The Colour In Anything Polydor / Universal

James Blakes dritte LP beweist, dass es für Schönheit und Ausdrucksstärke keinen Bombast braucht. Wie sagt sein Albumtitel so schön? Farbe gibt es überall, selbst in vermeintlich Beiläufigem.

Es ist ein interessanter Spagat, den James Blake seit geraumer Zeit versucht: Auf der einen Seite geriert er sich als kredibler Liebling der Popstar-Welt, arbeitet mit Beyoncé, Kanye West und immer wieder Bon Ivers Justin Vernon. Auf der anderen Seite steht sein drittes, ad hoc veröffentlichtes Album »The Colour In Anything«, mit dem er offenbar so gar keine Konzessionen an das massenkompatible PopsongFormat machen will. Selbst die emotionale Dynamik des Dubstep, zu dessen Popularisierung er seit Beginn seiner Karriere maßgeblich beitrug, scheint ihm nicht mehr genug zu sein. Ganz im Gegenteil ist das Album von fragilen, immer wieder in sich zusammensackenden BeatGerüsten, kargen Instrumental-Sprengseln und Soul in dicken Blutstropfen geprägt. Ja, »The Colour In Anything« scheint durch seine sehnsüchtigen Themen und vor allem Blakes Gesang tatsächlich als postmodernes Soul-Album angelegt zu sein. Das ist auf der einen Seite beeindruckend, auf der anderen Seite aber nicht wirklich mit dem bildgewaltigen Bombast vereinbar, mit dem Blake in den letzten Jahren vor allem live reüssierte. Trotzdem bestehen die 17 Songs zu einem Großteil aus großer Kunst, wenn auch nicht immer aus großem Kino. Bemerkenswert sind besonders die melodramatischen Ausreißer wie »Choose Me«, in denen sein Gesang beinahe an die Oper des Barock erinnert. Ansonsten ist »The Colour In Anything« von Blakes Tests der Ausdrucksstärke minimalistischer Sound- und Rhythmus-Elemente und besonders seiner Stimme geprägt. Was er damit erreicht, beweist abermals sein Talent, genauso aber auch seine Eigensinnigkeit und seine beeindruckende Intuition.

Amber Arcades Fading Lines Heavenly / Coop / PIAS / Rough Trade / VÖ 03.06.16

Musikkritiker und Blogs haben die bereits veröffentlichten Songs von Annelotte de Graaf alias Amber Arcades im Netz schon mit Lob überhäuft und so die Vorfreude auf die erste LP geschürt. Ein Debütalbum verführerisch und auffordernd mit einem Song wie »Come With Me« beginnen zu lassen zeugt von Selbstbewusstsein. Mal ehrlich: Wer will schon jemandem folgen, der nicht die nötige Selbstachtung aufweist? Die niederländische Musikerin selbst folgte dem Ruf der großen Künstlerstadt New York, um gemeinsam mit dem Produzenten Ben Greenberg ihr Debüt aufzunehmen, das viel mehr nach Band klingt als nach einer Solokünstlerin. Das Album startet mit melodiösem Indie-Rock, wie man ihn in jüngerer Zeit bei Bands wie Veronica Falls und Alvvays schätzte. Die vorab im Netz oder auf der EP »Patiently« veröffentlichten Lieder »Right Now« und »Constant’s Dream« stechen dabei heraus. Aber so richtig gut wird das Debüt in der Mitte mit den verträumten Pop-Stücken »Apohenia« und »This Time«, die mit ihrem melancholischen Grundton und der Stimme de Graafs an die Großtaten der schottischen Band Camera Obscura erinnern. Und wenn man dann im positiven Sinne etwas eingelullt ist, haut einen das siebenminütige, von einem krautigen, repetitiven Beat angetriebene »Turning Light« plötzlich richtig vom Stuhl. Dieser Turn ist sensationell und der Track definitiv schon jetzt ein Song des Jahres. Timo Weber

Christian Steinbrink

Arthur Beatrice Keeping The Peace Vertigo Berlin / Universal

Alte Sau To Be As Livin’ Majorlabel / Broken Silence / VÖ 03.06.16

Punkrock-Deutschland wird sich daran gewöhnen müssen: Die Orgel ersetzt in Rachut-Bands die Gitarre. Und wer sich erst daran gewöhnt hat, findet’s voll gut.

Das Zeitalter der Gitarre scheint tatsächlich zu Ende zu sein: Sogar Jens Rachut kann auf sie verzichten! Nach dem selbstbetitelten Album-Testlauf vor zwei Jahren scheint er an der Punk-Besetzung Gesang, Schlagzeug, Orgel Gefallen gefunden zu haben, sonst wäre dieses zweite Album von Alte Sau wohl kaum entstanden. Dementsprechend stark ist der Drang, den Machismo in sich zu bekämpfen und nicht dem deutlich stärkeren Druck des elektrisch verstärkten Saiteninstruments nachzutrauern. Wer will schon gerne als gestrig gelten? Doch es bleibt wahr: Im Vergleich mit den historischen Großtaten Rachuts (Angeschissen, Oma Hans,

Sound der Briten ist. Ihre Stimme kann als entscheidendes und vielseitigstes Instrument einer Band gewertet werden, die sowieso schon alles auf den Tisch packt: von dramatischen Streichern bis hin zu tuckernden Synthesizern. Bei schwermütigen Balladen wie »Healing« wird Ella zur Klang gewordenen Schwermut, nur um gleich darauf bei »Who Returned« das emotionsgeladene Stehaufmännchen zu geben. »All I have is this emotion« zum üppigen Sound-Gewand. Wie schon auf dem Debüt begnügen sich Arthur Beatrice nicht mit musikalischer Eindeutigkeit, sondern erschaffen gleich einen ganz neuen Raum, der stellenweise etwas überbordend (»All I Ask«) wirkt, dafür aber mit Leidenschaft dekoriert ist. Wo sich einmal weniger getraut wird, siegt die Zurückhaltung: »I Don’t Get That Chill« ist das dezente Highlight einer Platte, die Arthur Beatrice mit Kawumm zurück auf sämtliche Favoritenlisten katapultieren sollte. Carlotta Eisele

Arthur Beatrice machen auf »Keeping The Peace« ein gutes Stück neu, ein bisschen was alt und ziemlich viel gut. Wie, eine neue Arthur-Beatrice-Platte ganz ohne die weiche Lighthouse-FamilyStimme von Ex-Teilzeitfrontmann Orlando Leopard? Schwer vorzustellen und noch viel kniffliger zu erstellen, wenn man die Ohren äußerst anpassungsunfähiger, mäkeliger Fans zufriedenstellen möchte – könnte man meinen. Bei den Briten funktioniert das Wagnis, Sängerin Ella Girardot die alleinige Stimmgewalt zu geben, erstaunlich leicht. Vielleicht, weil ihr eindringliches Organ nicht nur im Kontrast zu Orlando prägend für den sphärisch-orchestralen, manchmal souligen

Richard Ashcroft These People Cooking Vinyl / Indigo

Nach längerer schöpferischer Pause liefert einer der Urväter des Britpop ein solides Comeback inklusive toller, pathosgetränkter Balladen. Würde Albert Einstein in der heutigen Zeit leben, dann hätte er möglicherweise folgende Feststellung für erwähnenswert befunden: »Zwei Dinge auf der Welt sind unendlich: das Universum und das Ego von Richard Ashcroft.« Da sich externe Kurskorrekturen durch Produzenten und Mitmusiker grundsätzlich nicht mit der Selbstherrlichkeit des Mannes aus Wigan vereinbaren lassen, sind künstlerische Fehlschläge stets im Bereich des Möglichen gewesen. Sein Nebenprojekt The United Nations Of Sound vor ein paar Jahren wirkte durch seine religiösen Untertöne weltentrückt, Experimente gingen im Sound-Matsch unter. Ein Fiasko. Auf »These People«, seiner vierten Solo-Platte, besinnt sich Mad Richard wieder auf seine Stärken – und die kommen immer dann zum Tragen, wenn er ausladende, gerne auch hoffnungslos pathetische Balladen (»Black Lines«) singt. Für die tollen Streicher-Arrangements zeigte sich endlich wieder der alte Weggefährte Will Malone verantwortlich, der zuletzt vor 16 Jahren auf Ashcrofts Solo-Debüt (sein bestes Album als Solist) mitgewirkt hatte. Mitunter zitiert sich Ashcroft selbst, weniger gut wird es allerdings immer dann, wenn er sich auf experimentelles Terrain wagt. Im ungewohnt aggressiven Opener »Out Of My Body« muss man Eurodance-Beats ertragen, »Hold On« ist eine flache Erbauungshymne mit DiscoElementen. Ansonsten ist »These People« ein Werk, das eindeutig von der aufrechten Haltung seines Schöpfers getragen und dessen fanatische Fans zufriedenstellen wird. Kai Wichelmann

Astronautalis Cut The Body Loose Cargo


2016

AMSTERDAM WA R S C H A U

BERLIN KÖLN

PA R I S

ZÜRICH

SCHWEIZ

NI E D E R L A N D E

D EU T S C H L A N D

FR ANKREICH

POLEN

D EU T S C H L A N D

16./17.04.16 Zürich

14./15.05.16 Amsterdam

31.07.16 Berlin

10./11.09.16 Paris

24./25.09.16 Warschau

29./30.10.16 Köln

SNEAKERNESS.COM #SNEAKERNESS2016


#Review

Foto: Fabian Brennecke

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wir b di ch 30 kul tur- . Juni bis zum 2 kre ativ 016: pilo ten .de

Astronautalis hält in Europa weiterhin die Fahne des US-Underground-Rap hoch. Um zu den alten Glanzzeiten der Labels Anticon oder Lex aufzuschließen, fehlt ihm aber noch etwas. In den letzten Jahren stellte der US-Rapper Astronautalis für all jene ein Versprechen dar, die sich von HipHop wieder mehr Underground-Vibe, Härte und komplexe Düsternis wünschten, kurz: Die den Indie-Rock wieder in den HipHop einziehen sehen wollten. Live konnte der Mann aus Minnesota dieses Versprechen auf diversen Tourneen durch Europa zwar einlösen, mit seinen LP-Veröffentlichungen hingegen blieb er einiges schuldig. Auch sein fünftes Album »Cut The Body Loose« bildet da keine Ausnahme: Gewiss rekurriert es auf die Hochzeiten der Labels Anticon und Lex, die Klasse der damaligen Protagonisten wie Subtle, Sage Francis oder Sole erreicht es aber nicht. Das liegt daran, dass Astronautalis ein zwar energischer, aber nicht durchweg überzeugender Rapper ist und seine Produktionen obendrein natürlich vielseitig, aber eben nicht immer pointiert sind. In puncto Dringlichkeit hat ihm mit Listener und deren Frontmann Dan Smith längst ein stilistisch ähnlich gelagerter Act den Rang abgelaufen, und künstlerisch ist »Cut The Body Loose« mit wenigen Ausnahmen (»In The Tall Grass«, »Attila Ambrus«) längst nicht so avanciert, wie man das Album gerne gesehen hätte. Immerhin enthält es wieder genügend Material, das live überzeugend funktionieren sollte. Aber damit ist eben nur eine Hälfte des Versprechens eingelöst. Christian Steinbrink

Initiative Kultur- & Kreativwirtschaft der Bundesregierung

Tickets unter fourartists.com

Beyoncé Lemonade Columbia / Sony

HUNDREDS WILDERNESS TOUR

11.11.16 Wiesbaden 14.11.16 Hamburg 15.11.16 Berlin 22.11.16 München

03.11. JENA • 04.11. LEIPZIG 05.11. ROSTOCK • 07.11. HANNOVER 08.11. KÖLN • 09.11. MÜNCHEN 10.11. STUTTGART • 11.11. ZÜRICH 12.11. FRANKFURT A. M. 14.11. DRESDEN • 15.11. BERLIN 16.11. HAMBURG • 17.11. BREMEN

TICKETS: HUNDREDSMUSIC. HUNDREDSMUSIC.COM

»Are you cheating on me«, lautet eine der Zeilen, die Beyoncé auf »Lemonade« scheinbar fassungslos haucht. Ihr sechstes Soloalbum ist ein bildgewaltiges und mehr als eindeutiges Pamphlet zum Thema Ehebruch und Emanzipation. Der vielen Gerüchte, Selbstzweifel und des knappen Jahrzehnts ihrer Ehe überdrüssig, ist für Beyoncé nun, drei Jahre nach ihrem letzten Soloalbum, die Zeit der Aufarbeitung gekommen. Über Nacht hat ihr Album die Welt in verschiedene Lager (pro und kontra Becky) gespalten und den zeitgenössischen Pop künstlerisch kurzerhand auf ein neues Niveau gehoben. Für ihr zwölf Titel und elf Kapitel starkes audiovisuelles Meisterwerk hat sich die Sängerin an den Gedichten der britisch-somalischen Dichterin Warsan Shire orientiert, die sich in ihrer Lyrik mit dem Misstrauen innerhalb von Beziehungen beschäftigt. »Intuition«, »Denial«, »Anger«, »Apathy«, »Emptiness«, »Accountability«, »Reformation«, »Forgiveness«, »Resurrection«, »Hope« und »Redemption« lauten die Kapitel des einstündigen Films, der das Release der Platte begleitet und neben Beyoncé von Regisseuren wie Jonas Akerlund und Mark Romanek produziert wurde. Ohne zu verklären, zeigt »Lemonade«, wie es sich anfühlt, mit und in einer vergifteten Beziehung zu (über-)leben, Eifersucht zu ertragen und daraus resultierende Schuldgefühle in Stärke umzuwandeln. »I tried to change, closed my mouth more, tried to be softer, prettier – less awake«, sprudelt es aus dem Mund der im Wasser schwebenden Beyoncé. Ein traumhaft schönes, verlorenes Bild einer PopIkone. Am Anfang steht die Ballade »Pray You Catch Me«, die in Zusammenarbeit mit James Blake und Kevin Garrett entstand. In »Daddy Lessons« zeigt ein Verweis auf die

Eheprobleme ihrer Eltern, wie solche Verhaltensmuster über mehrere Generationen weitergegeben werden. Beeindruckend ist auch die Reggae-Trap-Hymne »Hold up«, eine Koproduktion mit Diplo und Vampire Weekends Ezra Koenig. Was auf den ersten und zweiten Blick wie ein Trennungsalbum klingt, zeigt auf den letzten, dass es hier doch um Versöhnung geht. Manche Dinge müssen eben einfach gesagt werden, selbst wenn man dafür die eigene Ehe in Verruf bringt. Sermin Usta

Band Of Skulls By Default BMG / Warner

Im Sommer kristallisieren sich meist die Anwärter für das Album des Jahres heraus. Heißer Tipp für die Top 10: das hier. Jemand scheint einen Stöpsel gezogen zu haben, denn was die Band Of Skulls da mit »By Default« raushauen, gleicht einer Flut an geilem Zeugs. Der Vertrag bei BMG, die kleine Verschnaufpause nach all den TourMarathons und das Ende der Alben-Trilogie wirken auf die drei Bandmitglieder spürbar befreiend. Nicht dass sie jemals nicht gut abgeliefert hätten, aber ihr Sound klingt selbstsicherer und pointierter denn je. Die Vorab-Single »Killer« wies den richtigen Weg: Das nunmehr vierte Album seit 2009 ist ihr bisher bestes. Die zwölf neuen Songs bergen noch mehr Rock’n’Roll, Experimentierfreude und eine Fülle von kreativen Ideen. Besonders schön, dass auch auf diesem Album der Individualität jedes Bandmitglieds wieder Rechnung getragen wird: Sowohl Gitarrist Marsden als auch Bassistin Richardson und Schlagzeuger Hayward haben Texte und Gesang beigesteuert. Auch aus diesem Grund klingt das Album sehr vielseitig. Zwischen Indie, Punk, Funk und Blues hat sich die Band Of Skulls ordentlich ausgetobt. Vereint wurde dieses Potpourri von Produzent Gil Norton, der schon mit den Pixies, den Foo Fighters und Patti Smith zusammengearbeitet hat. Musikerkollegen haben jetzt noch sieben Monate Zeit, das zu überbieten. Viel Glück! Paula Irmschler

Black Oak Equinox K&F / Broken Silence

Die kreativen Köpfe von I Am Oak und The Black Atlantic haben sich nach gemeinsamer Tour und EP endgültig zusammengetan, und die Folk-Welt frohlockt. Die Niederländer Geert van der Velde (The Black Atlantic) und Thijs Kuijken (I Am Oak) hätten durchaus auf die nächste Eiche im Namen verzichten können. Man mag es ihnen aber verzeihen, denn hier wird das Beste beider Bands vereint: »Equinox« ist meist dunkler, ruhiger und akustischer Folk-Pop ohne aneckende Ambitionen. Die häufig aufkommenden Vergleiche mit Fleet Foxes sind zweifellos angebracht. Der Opener »When The Night Is All I See« gibt die Richtung vor: Trotz ausgeprägter Ernsthaftigkeit und Melancholie wirkt dieses Album nicht geschwollen. Das mag insbesondere an der sauberen Produktion von Matthijs Herder


HEIMSPIEL MIT KRISTOF BEUTHNER

Apropos Szene: Die behindert doch nur. Coogans Bluff und ihr feines Berliner Label Nois-o-lution, das ohnehin mehr auf Qualität als auf Schranken setzt, wissen das. Der mit satten Bläsersätzen an Captain Beefheart erinnernde 1960er-Blues-Rock auf »Flying To The Stars« (Nois-o-lution) groovt unwiderstehlich und macht eine Menge Spaß. Dass jetzt Bassist Clemens Marcus singt, ist dabei nur eine Randnotiz: Das ist perfekte Roots-Rockmusik ohne Kalkül und aufgesetzte Attitüde. Aus Berlin kommen auch I Have No Mouth And I Must Scream, und schon der Bandname lässt erahnen, dass es sich hierbei um eine Postpunk-Shoegaze-Band handelt. Besser könnte man kaum heißen, wenn man sich den Abgründen der menschlichen Seele nähert. Genretypisch sind die Zutaten mit hallenden Drums und Vocals und wabernden Synthies zur dengelnden Gitarre weder Überraschung noch Offenbarung, aber die Akribie und der gute Ton stimmen; das gleichnamige Debüt (RecordJet) klingt düster, introvertiert und somit klasse.

Obwohl die Mitglieder von William’s Orbit alle noch blutjung sind, spielt die Band schon seit acht Jahren zusammen. Die Herren kommen aus Weiden in der Oberpfalz, was genauso wenig nach Hipster-Glam klingt wie die Musik auf »Once« (Motor), dem per Crowdfunding finanzierten und von Tobias Siebert (And The Golden Choir) produzierten Debüt. Das ist melancholische, erdige und melodiöse Rockmusik, die ihre Intensität aus den satten Arrangements und einem umarmenden Drive bezieht, der in den musikalischen Style-Hochburgen des Landes so gar nicht mehr gebacken wird. Noch ein Beweis für diese These? Meadow Saffron aus Siegen. Auch nicht gerade der Nabel der Musikwelt. Die Band gibt’s aber sogar schon seit zehn Jahren. Die erst zweite LP hat Kurt Ebelhäuser (Adam Angst, Donots) produziert, was erahnen lässt, dass auch hier keine Weichspülsounds Phase sind. »Saving A Sandbank« (Midsummer) stellt die Band in puncto Druck, Emotionalität und melodische Grandezza neben hiesige Heroen wie Slut oder Ebelhäusers Band Blackmail, deren Erbe dringend verwaltet gehört. Wütend, verzweifelt, aber nie resignativ: Könnte eine Herzensangelegenheit werden. Bei Redfield Records sind Flash Forward zu Hause. Auch nicht aus Hamburg oder Berlin, sondern aus Wesel. »Who We Are« (Redfield) ist ihr drittes Album und vereint mehrstimmigen Gesang und treibende Riffs mit unverschämt poppigen Melodien, ohne dabei in die Trivialitätsfalle zu tappen. Das erinnert an den EmoPunk rund um die Jahrtausendwende, an Bands wie Taking Back Sunday oder My Chemical Romance, allerdings ohne deren Düsternis.

33 . Haldern Pop Festival 11.–13. August 2016 Rees-Haldern am Niederrhein

Heisskalt (DE) Hothouse Flowers 3 (IRL) Hubert von Goisern (AT) The Graveltones (AU/UK) Izzy Bizu (UK) Jack Garratt (UK) Ben Caplan Jambinai (KOR) & The Casual Smokers (CAN) Jason Isbell (US) The Besnard Lakes (CAN) Julia Holter (US) Cantus Domus (DE) Låpsley (UK) Damien Rice (IRL) Loney Dear (SE) Daughter (UK) The Lytics (CAN) Die Nerven (DE) Martin Kohlstedt (DE) Drangsal (DE) Melanie de Biasio (BE) Ebbot Lundberg Me + Marie (DE) & The Indigo Children (SE) Michael Kiwanuka (UK) Minor Victories (UK) Elias (SE) Money (UK) Fai BaBa (CH) Monobo Son (DE) Frost (Heiner) (DE) The Rad Trads (US) Frightened Rabbit (SCO) Rationale (UK) Glen Hansard (IRL) Roo Panes (UK) GoGo Penguin (UK) Samm Henshaw (UK) Sara Hartman (US) stargaze (DE) St. Paul and The Broken Bones (US) The Strypes (IRL) Thees Uhlmann (DE) The Vryll Society (UK) This Is the Kit (UK) Walking on Cars (IRL) Whitney (US) Wintergatan (SE) Woman (DE) Yak (UK) Ala.ni (UK) Albin Lee Meldau (SE) Alex Vargas (DK) Algiers (US) Arthur Beatrice (UK)

.com

Und wenn wir schon in Oldenburg sind, bleiben wir auch da: bei Disco//Oslo, ebenfalls mit einem zweiten Album namens »Tyke« (Kidnap), das gleich im Opener die Marschrichtung vorgibt: »Kopf hoch, Brust raus, Feuer frei.« Im derzeitigen Deutschpunk-Revival mag die Band neben Messer, KMPFSPRT & Co. keine Bäume ausreißen; nichtsdestotrotz ist ihr Beitrag zum Genre bissig und präzise und will auch gar nicht mehr sein. Let the band tell the story: »Es ist die Liebe zur Musik. Kunst ist es nie gewesen.«

Bei Max von Wegen würde man ob des Namens eigentlich deutschsprachigen LiedermacherPop erwarten, doch so einfach ist es nicht: Der Leipziger gibt auf seinem Debüt »Kelbra« (Believe) lieber die anglophile Variante, man sollte also richtigerweise »Songwriter« dazu sagen. Klassisch mit Gitarre, Piano und Percussion besetzt und um warme Streicher und Bläser ergänzt, kehrt der junge Mann irgendwo zwischen Tom Klose und Home Of The Lame sein Inneres nach außen. Eingängig und melodiös, mit dem Herz am richtigen Fleck.

gehen sehen summen ...

Illustre Talkrunden zum Thema Sprache-Musik-Gehirn

rnpop

Weiter nach Oldenburg und zu Lee Jay Cop, deren zweites Album »Irgendwas is immer« (Run United) allerdings in Slowenien entstanden ist. Die größte Neuerung gegenüber dem Debüt »Revolution Of The Dog« besteht darin, dass die Band jetzt Deutsch singt. Ihre 1960erReferenzen hat sie sich erhalten, nur dass sie mittlerweile immer öfter an die frühen Madsen erinnert. Auch wenn man Sprachwechseln bei Bands eigentlich eher skeptisch gegenübersteht, nimmt das Quartett diese Hürde. Die Attitüde stimmt, in der dicken Hose sitzt ein nachdenklicher Kopf mit einigen netten Ansichten über das Leben, die Liebe und so.

»Keiner sagt, dass es einfach wird« (Roxxon): Stimmt sowieso. Das wissen nicht nur Finder aus dem beschaulichen Soltau, schließlich ist es in Kleinstädten als Andersdenkender mit Weltschmerz ja eh nie leicht. Zwischen Scheunenfete und Heide-Park ist kaum Platz für Subkultur, daher jetzt erst recht. Die Platte klingt nach Bands wie Wind Und Farben und dem tollen Chateau-Lala-Label und macht mit einem drückenden Sound zwischen Emo, Hardcore und Punk sehr viel richtig.

Bilderbuch (AT) • Hubert von Goisern (AT) The Slow Show (UK) • stargaze (DE) • Hrim (IS/UK) Faber (CH) • Chris Pureka (US) • Mara Simpson (UK) more bands tba ...

halde

Beginnen wir mit Thank You George aus Hamburg, deren schwelgend intensiver Prog-Pop mit Postrock-Verweisen auf »Bleed Towards The Light« (RecordJet) an die unvergessenen Sometree erinnert. Acht Stücke lang gibt es hier deepes Emo-Songwriting mit herrlich mäandernden Soundscapes aus Schlagzeug, Gitarre und Bass und der warmen Stimme von Philipp Bruns, die dich umschmeichelt und dir ihre tröstende Hand auf die Schulter legt. Zeitvergessen und innig, ein absolutes Gedicht.

KALTERN AM SEE – SÜDTIROL

w w w.

Mein erstes Heimspiel hält es mit Tocotronic: Let there be rock. Post-, Prog-, Punk- und Blues-Rock. Emo, Postpunk und Shoegaze. Und eine Prise Madsen-Pathos.

13. – 15. OKTOBER 2016

6 #hpf1

SOLD OUT

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102

#Review liegen, die aber nicht zu steril geraten ist. Dass die beiden Musiker seit Jahren in der gleichen Szene unterwegs sind, ist deutlich hörbar: Ihre durchaus unterschiedlichen Stimmen harmonieren miteinander, Langeweile kommt nie auf, höchstens traumähnliche Zustände des fantasievollen Genießens. Da ist es gar nicht unpassend, dass der Text zum mystisch anmutenden »Rove« direkt mit zwei TolkienZitaten gespickt ist. Selbst dabei gelingt es Black Oak, das Pathos in Grenzen zu halten. Elisabeth Haefs

Karl Blau Introducing Karl Blau Bella Union / Coop / PIAS / Rough Trade

Boys Noize Mayday Boysnoize / Rough Trade

Alex Ridha sieht auch auf »Mayday« keinen Grund, seinen Sound maßgeblich zu verändern. Festlegen lassen will sich der Rave-Nomade aber trotzdem nicht. Wenn Boys Noize zum Tanz ruft, dann kommen alle: Indie-Heads, Techno-Jünger, Rave-Rocker, Frickler, Tänzer und Träumer. Sein Sound auf »Mayday« bleibt auf Krawall gebürstet, ist jedoch deutlich mehr als zuvor vom HipHop beeinflusst. Das deutet nicht nur »Rock The Bells« an, sondern auch »Euphoria«, auf dem Rap-Genius Remy Banks aushilft – ironischerweise mit genau einer Line im Dauerloop. Natürlich bleibt Boys Noizes Sound von Acid und markanten (Sprech-) Gesangloops wie in »Would You Listen« geprägt. Nummern wie diese haben Rave-Fans schon 2007 die Synapsen verdreht. Dabei ist der Titel »Mayday« eigentlich ein Hilferuf und stammt als »m’aidez« aus dem Französischen. Wie dieser Hilferuf zu verstehen ist, bleibt fraglich, denn Ridha scheint alles bestens auf die Kette zu bekommen: sein Label, seine Live-Gigs und seine Alben. Boys Noize hat seinen Sound schon lange gefunden, was ihn aber nie davon abhielt, Wagnisse einzugehen – früher etwa durch die Zusammenarbeit mit Chilly Gonzales, heute durch den Song »Starchild« mit Poliça. Und wer seinen Geburtstag mit Spank Rock und Hudson Mohawke feiert, hat sowieso alles richtig gemacht. Konstantin Maier

Mitten in der Nacht laufen die alten Tagesschau-Ausgaben. Bis auf die Studio-Deko verändert sich nichts, dachte sich auch Karl Blau und malte alte Country-Klassiker neu an. Karl Blau war immer da. In dieser kleinen Lo-Fi-Welt, die sich über das K vor Records erschließt. Über 1.000 Auftritte allein oder im Vorprogramm der üblichen Verdächtigen. Über 20 Jahre im Musikgeschäft und noch immer kein Hit. Das, davon müssen wir ausgehen, wird sich auch mit seinem Indie-Major-Debüt »Introducing Karl Blau« nicht ändern. Muss es aber auch nicht. Im glitzernden Nashville-Anzug präsentiert Blau seine Version von »country got soul« – und leider auch das schon immer nervende »To Love Somebody« der Gebrüder Gibb. Doch das bleibt der einzige Ausfall auf einem stimmigen Album, dessen fast zehnminütiger Link-Wray-Song »Falling Rain« bereits jetzt seinen Platz in der Best-of-2016-Songliste findet. »I hear talking of people, the whole world has gone insane, and all there is left is the fallin rain.« 1971 veröffentlicht, vor einigen Jahren von Calexico noch einmal in einer Wüstenversion aufgenommen, versöhnt sich Interpret fremder Lieder hier mit der am Boden liegenden Welt. Nichts ändert sich. Mit den Gästen Laura Veirs, Jim James, Steve Beste / Groove Attack Moore und vielen mehr. Und mit einer guten BRKN spielt ungefähr jedes Instrument, singt wie ein junger Gott und macht Songauswahl. Groenland_IHAT_Intro_print.pdf 1 13.05.2016 09:37:22 Anlass-Soul der amüsanten Sorte. Stephan Uersfeld

BRKN Kauft meine Liebe

Eigentlich müsste man verdammt neidisch auf BRKN sein. Warum? Weil der 25-jährige Berliner irgendwie alles kann. Zum Glück hat er sein Talent nach Jahren der Bedeutungslosigkeit mit vierstelligen YouTubeKlickzahlen endlich in ganze Songs umgemünzt. Sein Album »Kauft meine Liebe« ist eine multiinstrumentale Großtat zwischen Soul, R’n’B, Funk und Pop, die mit ihrem JamSession-Charakter sowie Wärme überzeugt und klingt, als hätte Alligatoah ein Kind mit D’Angelo gezeugt und es in einer verrauchten Jazz-Spelunke großgezogen. Will heißen: Thematisch dreht sich viel um BRKNs Loserleben zwischen Aushilfsjobs, amourösen Abenteuern und Animositäten gegenüber den Umständen, die wir alle Leben nennen. »Hollywood« ist eine Uptempo-Abrechnung mit der Oberflächlichkeitsgesellschaft, »Neu« nimmt die Wegwerfmentalität aufs Korn, »Auto« ist ein akustischer Anmachspruch auf Song-Länge, und »Kim Kardashian« huldigt der gleichnamigen Microblading-Queen und deren beispiellosem Social-Media-Fame. All das erzählt BRKN über Produktionen, die vor Bläserbombast und gniedelnden GitarrenGroßtaten nur so strotzen, aber dank beispielloser Mucker-Mentalität nie in Richtung glattgebügelte Charts-Produktion abdriften. Das Einzige, was man diesem Album vorwerfen könnte, sind die mitunter vorhersehbaren Auserzählungen der Motto-Songs. Sieht man davon einmal ab, dann ist »Kauft meine Liebe« amüsanter Anlass-Soul der angenehmen Sorte. Jan Wehn

Car Seat Headrest Teens Of Denial Matador / Beggars / Indigo

Die neueste Werkschau eines Rast- und Ruhelosen: »Teens Of Denial« ist das bereits 13. Album des erst 23-jährigen Will Toledo. Bitte? 13 Alben mit 23? Und alle erschienen auch noch in den letzten fünf Jahren? Ein ganz schön starker Output für so einen jungen Menschen. Zugegeben: Mit einem Label arbeitet Will Toledo erst seit zwei Jahren und

einem seiner vorangegangenen zwölf Werke, der Rest erschien via Bandcamp in Eigenregie. Neu ist auch, dass ihm für »Teens Of Denial« erstmals ein richtiges Studio mit einem Produzenten-Team zur Verfügung stand. Beeindruckend, dass so viel Schaffenskraft nötig war, um seinem abgespeckt-rauen GarageRock die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die er zweifellos verdient. In Verbeugung vor Granden wie Wire, Pavement und den frühen Strokes rotzt Toledo zwölf kleine Epen hin, die von Teenage Angst und Lethargie erzählen und für die er sich Zeit nimmt: Nur ein Drittel der Songs, darunter der fantastische Opener »Fill In The Blank«, ist kürzer als fünf Minuten, »The Ballad Of Costa Concordia« dauert sogar derer elf. Aber das ist eben Rockmusik, die in ihrem Understatement trotzdem hymnisch und begeisternd wirkt und ihren Vorbildern auf leidenschaftliche Weise Tribut zollt. Kristof Beuthner

Cat’s Eyes Treasure House RAF / Rough Trade / VÖ 03.06.16

Nebelschwaden umwehen diese Band, die sich bildgewaltigen, ausladenden Melodien verschrieben hat. Die leicht hippieeske Attitüde trifft dabei passenderweise auf luftige und sonnige Songs. Cat’s Eyes bestehen aus Faris Badwan von der düsteren Postpunk-Band The Horrors und der Sängerin Rachel Zeffira, die Violine, Piano, Oboe und unzählige weitere obskure Instrumente spielt. Ihr erstes Album als Duo war noch ein düsteres Experiment, das an The Horrors erinnerte, doch nun ist von diesem Einfluss nichts mehr zu spüren. »Treasure House« wirkt wie aus der Zeit gefallen: ein fröhlicher, sentimentaler Soundtrack zu einem 1970er-Film. Badwan und Zeffira singen abwechselnd zu sich stilistisch immer wieder verändernden Stücken. Es gibt poppige Kindermelodien, melancholische Balladen, rumpelnde Rocknummern, naive Liedchen, psychedelische Pop-Hymnen – eben alles, was aus der Schatzkiste der 1970er geplündert werden kann. Dass dies nicht nur plumpes Retro-Gehabe ist, bewiesen die


KARSTEN JAHNKE KONZERTDIREKTION GMBH

IMMER NOCH INDIE? MIT CHRISTIAN STEINBRINK

Von der Sonne ins Licht: In dieser Ausgabe wird die Musik Platte für Platte düsterer und kühlt den elendigen Ausgehzwang der Jahreszeit ab.

In Köln sind in den letzten Monaten die Altvorderen (mit Verlaub, meine Damen und Herren) zusammengekommen, um ihre Ambitionen mit ihren Vorlieben zu kreuzen. Unter der Führung von Kapitän Niobe haben sie als Fiji Condo Chief auf »Condo Island« (Onglagoo) eleganten Pop mit verhuschter Elektronik, kleinen Bluesoder Bossa-Mustern und vornehmem Swing zu 13 leicht kruden Songs verknüpft, die wie warme Wellen unter brennender Sonne auf den Strand klatschen. Besser kann man diese so furiose wie vor Charme überquellende Platte wohl kaum beschreiben, oder doch: Im Info spricht die Band von »dandyesker Exotica«. Sollte man jedenfalls gehört haben – und alles von Niobe sowieso.

Noch mehr Sonne strahlen in dieser Ausgabe nur Pedro Soler & Gaspar Claus auf »Al Viento« (Infiné) aus: Vater und Sohn dehnen die Konventionen der väterlichen Flamenco-Gitarre in acht Stücken in alle möglichen avantgardistischen Richtungen aus und kontrastieren sie mit den Streichern, vornehmlich dem Cello des Sprösslings. Das klingt so anregend, dass Sufjan Stevens, Valgeir Sigurðsson und Matt Elliott unbedingt mehr oder weniger federführend mittun wollten. Und gerade Letzterer kann durchaus als Referenz herhalten. Aber endlich ins schummrige Licht des Nachtclubs: Dort säuselt Little Annie verführerisch über avancierte Downbeat-Jazz-Arrangements (mal elektronisch, mal Saxofon), die Bohren & Der Club Of Gore zur Ehre gereichen würden. »Trace« (Tin Angel) könnte man sich auch gut als musikalische Untermalung von »Twin Peaks« vorstellen, und Little Annie, die zuletzt mit der nicht weniger charismatischen Baby Dee kollaborierte, wäre darin sicher eine genauso ausdrucksstarke Darstellerin wie Sängerin. Apropos Twin Peaks: Mit Film oder Serie hat die gleichnamige Band aus Chicago zwar offenkundig nichts zu tun, mit erhebendem 1960er-Garage-Rock dafür aber umso mehr. Auf »Down In Heaven« (Communion) finden sie einen smarten Mittelweg zwischen IndieHarmonien und einfachen, aber effektiven Sixties-Rhythmen, sodass man die Band als hoffnungsvolle Nachahmer mit pointierter Attitüde und gekonntem Songwriting einordnen kann. Und das ist ja auch schon mal was. Wo wir schon Rock spielen, lassen wir uns am besten gleich von Audacitys Euphorie auf »Hyper Vessels« (Suicide Squeeze) anstecken. Das ist entzückendes US-Indie-Geschrammel in bester Thermals- und Sebadoh-Tradition, das sich glücklicherweise den Segen des GarageEthos erhalten hat. Dafür hat schon Ty Segall als Produzent gesorgt. Ein schön einfacher, dreckiger Spaß.

Währenddessen in Kanada: Eine US-Amerikanerin namens Laurel Sprengelmeyer schickt sich als Little Scream mit ihrem Zweitwerk »Cult Following« (Merge) an, die einstmals so mächtige Indie-Szene Montreals aus ihrem Schönheitsschlaf zu wecken. Was vordergründig wie freundlicher Indie-Rock wirkt, entpuppt sich als vielgestaltiger Sog, dem sich auch Sufjan Stevens (schon wieder?!), Sharon van Etten und TV On The Radios Kyp Malone nicht entziehen konnten und wollten. Ein Stück weit löst Little Scream das Versprechen ein, das Stars oder Metric einst gaben. Feist und St. Vincent dürfte das gefallen.

22.06.16 BERLIN ZITADELLE

SPECIAL GUEST

Die quasi europäisch distinguierte Version davon liefert Cate Le Bon und nennt diese »Crab Day« (Turnstile): angeschrägter IndiePop in Lo-Fi mit Postpunk-Attitüde, der sich aber die artifizielle Kühle Nicos angeeignet hat. Letztere hat die Waliserin Le Bon beibehalten, auch wenn ihr viertes Album in Kalifornien aufgenommen wurde. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, warum es im Vergleich zu den Vorgängerwerken doch etwas lockerer und freier, weniger streng und deshalb noch besser klingt. Etwas für alle dürfte »Temple« (Communion) von Matthew And The Atlas sein, und ich meine das natürlich ausschließlich positiv. Stilistisch ist das eine britische Version von The National, zerrend, sehnsüchtig und ungebrochen emotional, aber eben auch gekonnt – man höre nur »On A Midnight Street«. So viele gute Folkrock-Alben sind in letzter Zeit nun auch wieder nicht erschienen, dass man »Temple« vernachlässigen könnte. Schließen wir mit den introvertierten Songwritern: »Mowing« (Suicide Squeeze) von Michael Nau ist das erbauliche 1970er-Kammer-FolkDebüt eines zurückhaltenden, gleichzeitig aber überzeugten Songwriters. Einem, der Paul Simon verehrt und der die Ausdrucksstärke in der Leichtigkeit sucht. Angesichts dessen fällt es sicher nicht schwer zu glauben, wie gut dieses Album ist. Nicht herausfordernd, aber richtig gut. Wer meinen Rat befolgt und Steven Steinbrink gehört hat, weiß, was ich meine. Während »Mowing« noch einen versöhnlichen Charakter hat, ist »The Valley Of Yessiree« (Sideways Saloon) von A. Dyjecinski Ausdruck purer Einsamkeit und dementsprechend verfahren: Langsame, ruhige und hin und wieder recht schräg instrumentierte Songs besingt der kanadische Außenseiter mit einer würdevoll zerborstenen Bariton-Stimme und treibt sie so zu einer zum Zerreißen gespannten Emotionalität. Das erinnert an zerbrochene Lambchop, Bill Callahan oder sogar an die Theatralik von Antony And The Johnsons und ist sehr, sehr gut.

13.06.16 BERLIN Zitadelle 14.06.16 MÜNCHEN Zenith 15.06.16 KÖLN Palladium 17.06.16 HAMBURG Stadtpark Open Air

TICKETS: 01806 62 62 80* KJ.DE & (0 40) 413 22 60

*€ 0,20 / Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. € 0,60 / Anruf


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#Review

„Was für eine Chemie zwischen Hollywoodstar Diane Kruger und ‚Walking Dead‘-Beau Norman Reedus!“ Paris Match DIANE

KRUGER

beiden, als sie sich an der Security vorbei in einen privaten Kunst-Event im Buckingham Palace schlichen, um dort als RenaissanceMusikgruppe verkleidet ihren Song »We’ll Be Waiting« vorzutragen. Zeffira spielte dabei das Dulzian, ein Blasinstrument aus dem 17. Jahrhundert. Mehr Retro und Rebellion in einem geht kaum. Kerstin Kratochwill

NORMAN

REEDUS

Catfish And The Bottlemen The Ride

arbeiten sie nun in ihrem neuen Bandprojekt The Claypool Lennon Delirium zusammen an Klangcollagen mit schwebenden Gitarreneffekten, leiernden Synthies und umherfliegenden kleinen Soundschnipseln, deren Kaleidoskop aus Psychedelic, Beat und Progrock mit pfeilschnellen Bassläufen von Claypool auf Trab gehalten werden. Lennon hat dazu ein bisschen Schlagzeug gespielt, gemeinsam wurden Gesänge, Gitarren, Bässe und Soundeffekte hinzudrapiert. Natürlich sind ein paar Primus- und auch väterliche John-Lennon-Zitate dem Ironie-Bedürfnis geschuldet, entscheidender aber ist die Tatsache, dass dieses Album trotz aller Vorbehalte und stilistischer Rückbesinnung völlig frei von Zwängen und Restriktionen klingt. Kurz gesagt: harmonieverliebter, leicht schräger Zirkuspop mit kreativem Durchblick. Klaas Tigchelaar

Island / Universal

EIN FILM VON FABIENNE BERTHAUD

AB 9. JUNI IM KINO

„Sumé - The Sound of a Revolution“ zeichnet die Geschichte der ersten Rockband Grönlands so hinreißend nach, dass man Gänsehaut bekommt." SPIEGEL ONLINE

DVD IM HANDEL

Auf »The Ride« beweisen Catfish And The Bottlemen, dass sie nicht ganz einfach gestrickt sind. Sie bleiben aber nach wie vor auf der sicheren Seite des klassischen 2000er-Indie-Rock. Kritiker waren vom Debüt der walisischen Shootingstars Catfish And The Bottlemen nur mäßig angetan. Zehn Jahre zu spät käme es und sei doch nur wieder ein ArcticMonkeys-Abklatsch. Danach spielte die Band jedoch vier Touren, alle ausverkauft, manche Shows davon in unter zehn Minuten. Wie kommt solch ein Missverhältnis zustande? Auch das zweite CATB-Album »The Ride« lebt lyrisch von Kleinstadt-Teenage-Angst: Liebe, Bindungsängste, Ausbruch aus dem Alltagstrott – Themen eben, die auf ewig ziehen werden. Musikalisch ist das Album der nur logische Nachfolger von »The Balcony«: die hymnischen Refrains, der Schmiss, die poppigen Gitarren und Van McCanns rotzige Vocals – es ist alles noch da, aber Harmonien und Rhythmen sind gewagter, Melodien und Hooks origineller. Man muss es McCann und seinen Bottlemen lassen: Ihre Musik hat einen wahnsinnigen Wiedererkennungswert, was aus der kleinen Indie-Band aus Llandudno auch den British Breakthrough Act bei den Brit Awards 2016 werden ließ. Zurück zum Genörgel der Kritiker: Natürlich klingen die Jungs wie das Gesamtwerk der Arctic Monkeys, der Strokes und der Kooks in einen Mixer geschmissen. Aber es schmeckt eben. So ist doch der kosmische Kreislauf der Indie-Rock-Höhenflieger: Wird eine Band erwachsen, kommt die nächste und bringt den Sound und das Feeling zurück. Derzeit sind das Catfish And The Bottlemen, die sich sicher irgendwann auch mal neu erfinden werden. Aber nicht jetzt. Kira Schneider

Dâm-Funk DJ-Kicks !K7 / Indigo

Dâm-Funk greift als Pionier des ModernFunk auf seinem »DJ-Kicks«-Mix auf eine facettenreiche Sammlung aus Funk- und Disco-Raritäten zurück. Ein Release in der »DJ-Kicks«-Serie ist quasi die Ehrendoktorwürde der DJ-Szene. Dass Dâm-Funk diese Ehre nun zuteilwird, sollte spätestens nach seinem KollaborationsAlbum mit Snoop Dogg namens »7 Days Of Funk« niemanden mehr großartig überraschen. Überraschend ist hingegen Damon Garrett Riddicks Mix: Treibender ModernFunk vermischt sich mit längst vergessenen Disco- und Funk-Klassikern. Schnell werden Erinnerungen an Prince, James Brown und Rick James wach, deren Einflüsse sich wie ein roter Faden durch Dâm-Funks Werk ziehen. Neben den Reminiszenzen an die Disco-Ära mischt er auch neue Sounds in seine Compilation. Die im Gewand des Modern-Funk eingehüllten Tracks »Believer« sowie das in Kooperation mit Nite Jewel entstandene Stück »Can You Read Me?« beweisen, dass Disco in dieser Interpretation durchaus das Zeug zum Revival besitzt. Das Album schließt mit der optimistischen Formel »Stay Positive«, die sich mit dem Eindruck deckt, den diese »DJ-Kicks«-Ausgabe hinterlässt. Funk you very much! Nils Herrmann

Digitalism Mirage The Claypool Lennon Delirium The Monolith Of Phobos ATO / PIAS / Rough Trade / VÖ 03.06.16

Primus’ Les Claypool taucht mit Sean Lennon in ein funky Psychedelic-Progrock-Delirium ab, das Genie, Wahnsinn und Popmusik vereint. Die letztjährige Tour von Primus mit Sean Lennons Band Ghost Of A Saber Tooth Tiger (in der dieser nicht nur viel Zeit mit seiner Partnerin Charlotte Kemp Muhl verbringt, sondern auch die Vergangenheit des LennonClans weiterführt) hat anscheinend eine identische Wellenlänge offenbart, deshalb

Magnetism / Coop / PIAS / Rough Trade

Auf ihrem dritten Album machen Digitalism Post-EDM mit der Halbwertszeit eines Snapchat-Selfies. »Mirage« bedeutet übersetzt eigentlich Fata Morgana. Wenn man den Titel von Digitalisms drittem Album in die GoogleSuchmaske eingibt, wird vor der Übersetzung allerdings erst mal das Luxushotel The Mirage in Las Vegas und dann das Mirage Ballenstedt vorgeschlagen, ein »Tekkno«-Keller tief in meiner Heimat, dem Harz. Offenbar ist das ein Ort voller Gasmasken und chemischer Drogen, bei dem es mir bislang reichte, nur Menschen zu kennen, die dort ihre Zeit verbringen. Ob sich das Hamburger Duo aus Jens Moelle und Ismail Tüfekçi für seinen


BUBACK.DE/KONZERTE – INFO@BUBACK.DE TICKETS: BUBACK.EVENTECHO.DE

LOVE ATTACK MIT SERMIN USTA

Sonnenstrahlen heben die Laune – und die zehn LPs dieser Rubrik auch. Love Attack dieses Mal mit Freak-A-Holics, Beat-Bastlern und kleinen wie großen GigantInnen.

Afrika Bambaataas Hit »Planet Rock« gilt als ein Wendepunkt der Musikgeschichte. Ihm und Electro-Funk-Pionieren wie Egyptian Lover ist unter anderem der Durchbruch der Roland TR808 zu verdanken, die heute quasi zum Inventar eines jeden Produzenten zählt. Neben diesen Errungenschaften feierte Westcoast-Legende Egyptian Lover mit Songs wie »Dial A Freak« (1983) erste Erfolge. Dennoch markiert erst der Song »Egypt, Egypt« (1984) den Beginn seiner Solokarriere und ermöglichte ihm sein Debüt »On the Nile« und die Gründung des eigenen Labels Egyptian Empire. Es folgten Klassiker wie die Uptempo-Nummer »The Lover« und der Funk-Hit »Freak-A-Holic«. Diese Meilensteine des 1980er-Funk und weiteres unveröffentlichtes Material enthält die nicht nur für Historiker lohnenswerte »1983-1988« (Stones Throw).

Seit dem 2012er-Release »MA Doom: Son Of Yvonne« war es ruhig um New Yorks HipHopUrgestein Masta Ace. Mit »The Falling Season« (HHV) beendet er endlich sein Schweigen. Alle, die noch immer auf klassische HipHop-Beats stehen und für die Trap eine Modeerscheinung ist, sind bei Ace richtig. Vom Urgestein zum Jungspund und HipHop, für den man kaum mehr braucht als Goldketten und einen Sportwagen. Dass so etwas auch noch oder besonders im Jahr 2016 ausgezeichnet funktioniert, zeigt Trap Lord A$AP Ferg. »Always Strive And Prosper« (RCA) ist ein Album, das konfuser kaum sein könnte und dennoch glanzvoll klingt. Der Mob ist und bleibt ein Mysterium. Hier kommt die eindeutige Favoritin der diesmonatigen Runde: Die aus Brooklyn stammende Künstlerin Xenia Rubinos legt mit einer wahrhaft großen Soul-Stimme ihre LP »Black Terry Cat« (Anti-) vor. Ein Album mit melodiösen und unaufgeregten Jazz-Beats, die erst nach J Dilla, Erykah Badu, Rufus oder Digable Planets klingen, dann aber schnell zu echten Rubinos werden: selbstbestimmt, weiblich und glamourös, ohne es verkrampft darauf anzulegen.

Sie hat den American Dream, den andere in ihrem Alter in der Schule pauken, mit 21 Jahren gelebt. Seit Rihannas Millionen-Hit »Bitch Better Have My Money« ist Bibi Bourelly, aus deren Feder der Song stammt, ein kleiner Star. Inzwischen hat die Berlinerin Songs für Usher, Selena Gomez und Lil Wayne geschrieben und ist bei Def Jam unter Vertrag. Ihr eigenes Album ist in Arbeit und wird voraussichtlich noch dieses Jahr erscheinen. Bis dahin beweist Bourelly mit ihrer EP »Free The Real Pt 1« (Def Jam) noch einmal ihr unübersehbares Talent.

Er ist einer der versiertesten Beat-Bastler unseres Landes: Auf seinem neuen Album »Bird Songs« (Jakarta) setzt Suff Daddy vor allem auf reine Instrumentals mit Synthies, trockenen Drums und warmen Bass-Lines. Besonders spannend ist die Wahl der raren Gastbeiträge auf der Platte, arrangiert von Produzent und Wegbegleiter Dexter sowie dem mittlerweile zum Soul-Star aufgestiegenen Mayer Hawthorne. Das aufstrebende Label Life From Earth ist nicht nur die Heimat von Yung Hurn oder Rin, sondern auch von Produzenten wie Drae Da Skimask und Jan Au. Letzterem wird nun die Ehre zuteil, seine und zugleich die erste LifeFrom-Earth-Pressung »A Date With A Dark Bean« (Life From Earth) in Händen zu halten. Der geschmeidige »Slowed Down Caffeine HipHop«, wie sie ihre eigene Brut nennen, hält nahezu alles ein, was der Buzz im Vorfeld angekündigt hatte. Nach erfolgreichen Auftritten bei diversen Freestyle-Battles und seinem Debüt »Pilsator Platin« (2014) erscheint nun »Turbo« (Selfmade), Karate Andis erstes Werk auf neuem Label. Auf 13 Tracks gibt der Neuköllner Eckkneipengänger Einblicke in seinen Alltag als spielsüchtiger Vollzeitalkoholiker und schreckt dabei wie gewohnt auch nicht vor miesen Beleidigungen zurück. Produziert wurde die Platte vom Winning-Team Bazzazian und Farhot, die sich vor allem mit ihren Beats für Haftbefehl einen ehrfürchtigen Ruf erarbeitet haben. Form legt sich gern mit Arschlöchern an. Das und mehr hat der Mainzer Rapper und Aktivist in den letzten Jahren leidenschaftlich bewiesen. Aber was im Internet zu Kontroversen führt, kann auf Platte formidabel klingen, wie seine EP »Danke, dass Sie sich für diesen Newsletter entschieden haben« (Springstoff) zeigt. Hier wird dickköpfig durch die Welt gebrettert, charmant wie humorvoll in der Zukunft geschwelgt und der Untergrundverklärung eine eindeutige Absage erteilt. Ein schöner Schuss aus der Hüfte. Mit dem Reggae-Major-Release des Jahres lässt Alborosie mal wieder etwas von sich hören. Der auf Jamaika lebende Sizilianer präsentiert auf seinem neuen Album »Freedom & Fyah« (Greensleeves) tief sitzende Roots-Rhythmen mit moderneren Dub- und Electro-Einflüssen. Lyrisch bleibt er hingegen seiner Rasta-Linie treu: Auf seinem sechsten Album geht es vornehmlich um Liebe und Sozialkritik. Unterstützung bekam er dabei unter anderem von Marley-Stammhalter Ky-Mani und Newcomer Sandy Smith.

BEGINNER

LIVE 2016 08.11. BIS 05.12.

JOCHEN DISTELMEYER

LIVE 2016 1 3.0 9. BIS 30.09.

LP/CD POP & TOD I+II DIE HEITERKEIT

ERSCHEINT AM 03.06.

SAMY DELUXE + DLX BND LIVE 2016 BERÜHMTE LETZTE WORTE TOUR 1 3.1 0 . BIS 28.10 P R ÄS E N T I E R T VO N T E U F E L , P I R A N H A & KU LT U R N E WS


106

#Review

tiert:

präsen

at the b-sites nt festival sile

José González

The Temper Trap Balthazar

ABBY KEØMA Juri

uvm.

ni 2016 Samstag, 18. Jund park Köln Open Air im Juge

www.atthebsites.com

OUT NOW RIOT OF COLOURS - DEEP COAL GREY

18.06.2016 KARLSRUHE − UNIFEST 21.06.2016 HANNOVER − FETE DE LA MUSIQUE 22.06.2016 HILDESHEIM − KULTURFABRIK 14.07.2016 HERRENBERG − SOMMERFARBEN OPENAIR

WWW.RIOTOFCOLOURS.COM WWW.FACEBOOK.COM/RIOTOFCOLOURS

Albumtitel wohl eher vom dunklen Keller oder dem noblen Casino-Hotel hat inspirieren lassen? Mit ihrem Post-EDM nähern sich Digitalism auf »Mirage« jedenfalls dem Einheitsbrei, den sie auf ihrem letzten Album »I Love You, Dude« noch halbwegs elegant umschiffen konnten. Digitalism machen die Art von Musik, die man vom Tomorrowland über Las Vegas bis hin zu meiner Harzer Heimat konsumieren und verstehen kann. »Mirage« wird in Arenen und auf kalifornischen Wüstenfestivals funktionieren, aber nicht mehr in den Berliner WGs der Urhipster, die das Duo vor zehn Jahren groß gemacht haben. Und das ist auch gut so, denn das Album besitzt nicht mehr als die Halbwertszeit der Snapchat-Selfies von Digitalisms neuer Zielgruppe, den Repräsentanten der diesjährigen Sinus-Studie. Louisa Zimmer

Diverse Day Of The Dead 4AD / Beggars / Indigo

Mit einer epischen Veröffentlichung und namhaften Gästen würdigen Aaron und Bryce Dessner die Musik der Grateful Dead und unterstützen einmal mehr die Red Hot Organization. Ganze fünf Jahre haben The Nationals Dessner-Zwillinge an diesem Zwitter aus Benefiz-Projekt und Tribute-Album herumkuratiert. Am Ende sind es 59 Tracks geworden, die in ihrer Ehrerbietung gegenüber The Grateful Dead mehr als nur eine Compilation autonomer Coverversionen bilden. Ähnlich wie bei ihrer letzten Benefiz-Compilation »Dark Was The Night« aus dem Jahr 2009 war das Duo mit diversen Gästen an den Aufnahmen beteiligt und hat Welten aufeinanderprallen lassen. Phosphorescent und Jenny Lewis verleihen »Sugaree« mehr Drive, Will Oldham versüßt gleich drei Songs, und Lucius verfrachten »Uncle John’s Band« erfolgreich in die Jetztzeit. The National und War On Drugs, die sich mit ihren soliden Beiträgen kaum aus ihrer Komfortzone wagen, wirken im Vergleich zum Rest gar ein wenig blass. Dazu kommen noch interessante Ausflüge in Soul (Charles Bradley), Punkrock (Fucked Up) und Neoklassik (Vijay Iyer). Den Höhepunkt haben wir jedoch Angel Olsen zu verdanken, die »Attics Of My Life« in ein bewegendes Gospelstück verwandelt. Irgendwo im Himmel löffelt Jerry Garcia gerade ein Cherry-Garcia-Eis und freut sich über diese Aftershow-Party zu seinem lebenslangen Trip. Sebastian Jegorow

Drake Views OVO / Universal

Mit »Views« gibt Drake seinen Fans alles. Drake pur. Über 73 Minuten. Hits & Misses aus dem Leben und der Liebe eines Stars. Und wer braucht schon Singles, wenn er ein durchgestyltes Sounddesign haben kann? Schon, als sich Drake mit der InstantVeröffentlichung des Quasi-Mixtapes »If You’re Reading This It’s Too Late« im März

letzten Jahres aus seinem Vertrag mit seinem Ex-Label Cash Money befreite, blieb nur eine Frage offen: Wann erscheint denn nun das schon damals angekündigte und noch »Views From The 6« betitelte Studioalbum? Mit der Antwort hat sich der kanadische Superstar noch mal über ein Jahr Zeit gelassen. Ein paar Erkenntnisse offenbart das Album recht schnell. Erstens: Drake versteht sich 2016 mehr denn je als Sänger. Dabei spielt es keine Rolle, dass er seiner Stimme nicht in jeder Höhe zu vertrauen scheint – es gibt ja genügend Hilfsmittelchen. Zweitens: Minimalismus ist weiterhin State of the Art. Nur im Opener »Keep The Family Close« und beim Titeltrack bläst Drake seine Arrangements mittels Samples orchestral auf, ansonsten setzen meist pointierte Beats und seine charakteristischen, watteweichen Keyboard-Sounds Akzente. Drittens: Drake ist endgültig der Schmusesänger des Jahrzehnts, der Lionel Richie der 2010er. Das ist seine Sahnedisziplin, dafür sind DrakeSongs gemacht. Deshalb und weil sie so viel von ihrem Star erfahren, werden seine Fans »Views« vermutlich lieben. Für alle anderen hat das Album angesichts seiner enormen Spielzeit von 73 Minuten Längen. Ein besonders kritischer Betrachter seiner eigenen Kunst scheint Drake trotz der langen Produktionsdauer nicht mehr zu sein. Und im Zweifel ist die Botschaft eben auch wichtiger als das Songwriting. Wirkliche Highlights sind dementsprechend rar gesät. Das Rihanna-Duett »Too Good« ist nett und überraschend brav geraten, die Jay-Z- und Kanye-Features aus dem Vorab-Song »Pop Style« hat Drake gleich ganz aus der Albumversion geschmissen – warum auch immer. Den radiofreundlichsten Song »Hotline Bling« hat er fast verschämt als expliziten Bonus-Track ans Ende des Albums gepackt. So bleiben nur die leidende Schmuse-Tirade »Redemption«, das wunderschöne Gospel-Sample aus dem Titelsong und – mit Abstrichen – die schneidigen HipHop-Tracks »9« und »Feels No Ways« hängen. Entscheidend ist das aber nicht: »Views« besticht eben viel mehr durch sein gestyltes Sounddesign und die unübersehbare Handschrift Drakes als durch herausragende Singles. Der Stand der Dinge bleibt also beim Alten. Christian Steinbrink

Eagulls Ullages Partisan / PIAS / Rough Trade

Mit ihrem Zweitwerk geben die Eagulls ihre Punk-Aggression zugunsten von bittersüßer Wave-Melancholie auf. Mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum wurden die Eagulls aus Leeds mit Texten über Depressionen und Mini-Jobs ein Sprachrohr für britische Jugendliche zwischen Council Flat und Studienschulden. Verglichen mit der zerschmetternden Wut des Debüts mit seinem bittersüßen Potpourri aus Wave, LoFi- und Garage-Rock kommt das Zweitwerk nun nahezu harmlos daher. Die elf Songs auf »Ullages« – das Anagramm des Bandnamens bedeutet übersetzt im Übrigen »Flüssigkeitsverlust« – wirken aber nicht weniger energetisch. Es gibt jetzt eben eher Wave-Balladen im Stile der 1980er anstatt der Punk-Hymnen aus den 1970ern. Aber auch Fans der frühen Eagulls werden vom neuen Album nicht enttäuscht: Trotz melancholischer Musik und verträumter Songnamen wie »Blume« oder »Euphoria« kommt »Ullages« immer noch überaus traurig daher. Ein wenig Melancholie schadet eben auch im Sommer nicht. Louisa Zimmer


MASCHINENRAUM MIT PHILIP FASSING

Über die Ahnenlinie der US-Techno-Szene wurde bereits alles erzählt. Umso schöner, dass diese Tradition aktuell in reizvollen, neuen Facetten fortgeschrieben wird.

Kris Wadsworth muss ein ruheloser Mensch sein. Diese Vermutung drängt sich zumindest auf, wenn man einen Blick auf die umfangreiche Diskografie des Wahlberliners aus Detroit wirft. Mit »Infiltrator« (Ultramajic) wird dieser eindrucksvolle Katalog nun um ein weiteres Album ergänzt. Acht Titel, die genauso rastlos wie ihr Schöpfer anmuten und vor roher Energie und Dringlichkeit nur so strotzen. Oder: Musik, wie man sie wahrscheinlich nur macht, wenn man aus der Motor City stammt. Trus’Me galt schon immer als versierter Allrounder, der beseelte Disco-Reminiszenzen genauso in Szene zu setzen weiß wie düster maschinisierte Groove-Studien. Auf »Planet 4« (Prime Numbers) widmet er sich vor allem Letzteren und stellt die mal trocken minimalistisch, mal abgehangen dubbig klingenden Songs gänzlich in den Dienst eines retrofuturistischen Science-Fiction-Sujets. Das mag nicht unbedingt originell sein, da es sich um ein doch recht häufig bemühtes Motiv in Techno-Kreisen handelt, wird hier aber aus der Distanz betrachtet verblüffend stimmig in Szene gesetzt. Das Etikett »Outsider-House« hing Brian Leeds alias Huerco S. vermutlich länger nach, als ihm lieb war. Dass sich sein jüngstes Album »For Those Of You Who Have Never (And Also Those Who Have)« (Proibitio) nun gänzlich auf die Ambient-Facetten seines Schaffens konzentriert, dürfte damit trotzdem wenig zu tun haben. Der offene Umgang mit Formen und Formeln war vielmehr von Anfang an in Leeds’ Arbeit angelegt und zeigt sich nun lediglich in einer ausgeprägteren Fasson als bisher. Und die kann sich durchaus hören lassen. Mit »OTR« (Houndstooth) verlässt der Londoner Produzent Vester Koza derweil erstmals die Komfortzone des eigenen Labels und präsentiert seine neuen Songs im Rahmen des mächtigen Fabric-Imprints. Die recht freigeistig betitelten Stücke (»ROBOcow.exe«) gerieren sich in erster Linie als minimalistische KlangObservationen, die so forschend und tastend daherkommen, dass einem fast das Klischee vom spinnerten Klang-Alchemisten und dessen chaotischem Bass-Labor in den Sinn kommt. Wer jetzt an den klassischen Kanon von Warp Records denkt, ist nicht mal auf dem Holzweg. John Tejada moduliert bereits mit dem Eröffnungstitel seiner jüngsten EP »Lakewood Drive« (Kompakt) einen simplen SynthesizerRiff in derart schwindelerregende Höhen, dass man sich ernsthaft fragt, wohin es danach noch gehen soll. Die Antwort folgt etwa sechs Minuten später mit »Integrator«: in den Keller. Zumindest, wenn man dem widerspenstigen Bass-Lauf folgt. Der melodische Überbau kommt dagegen so leichtfüßig und unbeschwert daher, dass es eigentlich nur gen Strand gehen kann. So buchstabiert man Diversität.

Wenn man die Insignien des klassischen DubTechno-Kanons mit modernen Mitteln neu interpretiert, dann kann dabei so etwas wie die »Untitled EP« (Retrograde) von Matteo Luis herauskommen. Der ehrfürchtige Respekt, mit dem dieses Epigonentum meist betrieben wird, scheint dem Berliner Produzenten allerdings fremd zu sein. Hier treffen Dinge aufeinander, die wirklich nicht jeder so zusammenbringen würde – und die sich genau deshalb so originell und unverbraucht anhören. Daniel Jakob dürfte manchen noch als eine Hälfte des Schweizer Duos Filewile bekannt sein, mit dem er bevorzugt Versatzstücke aus Dub und TripHop in einen lebendigen Dialog mit temporärem Pop setzte. Als Dubokaj beschreitet der Produzent aus Bern nun den entgegengesetzten Weg und abstrahiert diese Einflüsse mit »Alpine Dub« (Mouthwatering) derart entschlossen, dass lediglich die charakteristischen Echos und Rhythmen stehen bleiben. Für die Klanggestaltung findet er dagegen eine völlig eigene Sprache, die exzentrisch und faszinierend zugleich wirkt.

LINGEN 10.9.16 EMSLANDARENA

TICKETS AN ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN, UNTER DER TICKET-HOTLINE 0591/ 912950, SOWIE AUF WWW.EMSLANDARENA.COM

Gleiches lässt sich von dem belgischen Duo Orphan Swords behaupten, das allerdings so gar nichts mit den entspannten Charakteristika des Dub zu tun hat. Exzentrisch sind hier maximal der großzügige Einsatz von Verzerrer-Effekten und der Wille, knarzende Drone-Entwürfe so dicht miteinander zu verleimen, dass die auditive Platzangst nur einen Fingerbreit entfernt ist. Wer die Fuck Buttons aber auch in weniger melodisch nehmen würde, der macht mit »Weehawken« (Clan Destine) nicht viel falsch. Auch in Promo-Texten gibt es manchmal Geschichten, die zunächst unglaubwürdig scheinen, sich angesichts der enthaltenen Musik aber sofort erschließen. Wenn etwa im Info zu »Darwīš« (Project Mooncircle) von Parra For Cuva & Senoy steht, dass sich die beiden Spanier für dieses Album nur mit einem Camper und jeder Menge Equipment an die Küste zurückzogen, dann glaubt man das beim Hören des Ergebnisses sofort. Anders lassen sich diese sehnsüchtig dahinmäandernden Electronica-Kleinode nämlich gar nicht erklären. Schmeichelnde Sampling-Kunst, deren Versatzstücke sich völlig nahtlos in die sanft klopfenden Rhythmen einfügen und so verschwenderisch anmuten, dass man daraus vermutlich noch zwei weitere Alben hätte bauen können.

17.11.16 LINGEN EMSLANDARENA Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen, unter der Tickethotline 0591 912950 oder 0591 9144-144 und auf www.emslandarena.com


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#Review

Gold Panda Good Luck And Do Your Best City Slang / Universal

Das dritte Album von Gold Panda ist sein Provinzalbum geworden: verloren in Alltäglichem zwischen Japan und Essex. Gold Panda musste erst mal auftanken. Leaving the city, die da war Berlin, und zurück in die Heimat ins ländliche, großmütterliche Essex. Zu viel war in der Stadt passiert, Gutes und Schlechtes, und Gold Panda, der sowieso als schüchtern und selbstzweifelnd gilt, ließ sich stattdessen von der Provinz zu neuen Inspirationen verleiten. Allerdings nicht nur der Provinz in England, sondern auch der in Japan, seiner zweiten Heimat. Entsprechend zurückgelehnt ist das neue Album geworden: kein »You« oder »Brazil«, sondern lauter kleine Melodien voll britischem Understatement und japanischer Höflichkeit. Man kann nicht sagen, dass Gold Panda zuvor besonders extrovertiert musiziert hätte, aber die noch deutlichere Zurückhaltung macht »Good Luck And Do Your Best« zum Teil recht unzugänglich. Manche Tracks plätschern am Hörer vorbei, wie es im Alltag manchmal geschieht, wenn man nicht aufpasst. Aber sie tun dies mit Stil, Haltung und Würde. Man muss sich Zeit nehmen, um diese Songs kennenzulernen – auf dem Land ticken die Uhren bekanntlich anders. Dementsprechend heißt die erste Single-Auskopplung auch »Time Eater«. Zurückgelehnt, ohne Anspruchshaltung oder Geschrei, lässt das Album seine Hörer eine souveräne, entspannte Melancholie atmen. Henje Richter

Golf Playa Holz Styleheads / Groove Attack

Vier Freunde aus dem Rheinland spielen durchdachten und gekonnt arrangierten Synthie-Pop, weil sie Bock drauf haben und das auch noch hervorragend können. Wolfgang, Jonathan, André, Nils. Vier junge Männer, von Essen nach Köln gezogen, haben an den heißen Tagen im Sommer 2014 angefangen, zusammen Musik zu machen. Die ersten Veröffentlichungen verbargen die Gesichter der jungen Twens noch penibel; im Vordergrund stand die Kunst. Im Schnellgang wurde neben etlichen Live-Auftritten das Debütalbum »Playa Holz« aufgenommen: zwölf Songs, die allesamt aus bunten, zappeligen Rhythmen und Melodien bestehen. Die Band selbst bezeichnet ihren Stil imposant als »Dada Disco«. Als Rezensentin tut man sich am einfachsten damit, solche Zuordnungen zu ignorieren und stattdessen zu versuchen, die unzähligen Raffinessen des Golf-Sounds zu fassen. Die Texte sind sorgfältig ausgearbeitet, sodass man nach dem ersten Hördurchgang schmunzelt, die Stirn runzelt und direkt noch einmal die Playtaste drückt, um beim zweiten Mal Golfs geistreiche Hints vielleicht ganz zu verstehen. Rheinländisch beseelte Authentizität! Nadja Neqqache

den Oye-Plattenladen in Berlin-Prenzlauer Berg. Wichtiger aber noch: seine Musik, und Glenn Astro steht ihm da nur in Tendenzen nach, ist ebenso DIY-sprudelnd vor Ideen wie Sprüngen, Abbrüchen und Neuanfängen. Im Kern ist das Jazz, allerdings mit reichlich Funk-Elementen und elektronischen Spielereien, und es klingt, als wäre es im New York der späten 1970er entstanden, irgendwo zwischen verkokster Dekadenz und versoffenem Prekariat. Langsam zeigt sich aber ein Problem bei den Veröffentlichungen im Graef-Umfeld: Bei so viel Unstetigkeit durch die ständigen Wechsel und Neustarts gibt es wenig Entwicklung. So hat man diese Sounds letztlich leider alle schon mal irgendwo bei ihm herumliegen sehen. Da hilft nur eins: aufräumen. Henje Richter

Matador / Beggars / Indigo / VÖ 03.06.16

Ninja Tune / Rough Trade

Die beiden jungen Berliner Max Graef und Glenn Astro bleiben auch mit ihrer Kollaboration weiter in der Oldschool-Musikecke voller Lo-Fi-Funk und Jazz-House. Man kann sich die Wohnung von Max Graef gut als völliges Chaos vorstellen. Na ja, vorstellen kann man sich vieles, aber angesichts seines Werks liegt eine gewisse kreative Unordnung in der Persönlichkeit nahe: etliche Labels (Tartelet, Ninja Tune, Box Aus Holz, Money $ex), unzählige 12“-Vinyls und ständig wechselnde Konstellationen – von dem überzeugenden »Rivers Of The Red Planet« von 2013 über die Max Graef Band bis hin zu Kollaborationen mit allen rund um

Die Heiterkeit Pop & Tod I+II Buback / Indigo / VÖ 03.06.16

Steve Gunn Eyes On The Lines

Max Graef & Glenn Astro The Yard Work Simulator

auch ein begnadeter Storyteller und seziert detailliert die Beziehung von Mensch und Umwelt. So weit, so lost. Für Gitarrenfetischisten, die sich in den unendlichen Weiten des Americana-Universums heimisch fühlen, ist das Album ohnehin eine Pflichtveranstaltung. Alle übrigen klopfen sich den Staub aus der Jacke und ziehen weiter. Schämt euch! Thorsten Streck

Mit »Eyes On The Lines« ist dem BluesGitarristen Steve Gunn ein brillantes Singer/Songwriter-Album gelungen. Auf der Straße immer im Blick: der Mittelstreifen bis zum Horizont. Über die Anzahl von Steve Gunns Soloalben ranken sich Gerüchte zwischen drei und irgendwas, diverse Kollaborationen nicht eingerechnet. In den Fokus dürfte das umtriebige Gitarren-Genie spätestens seit seinem kurzen Gastspiel in Kurt Viles Band The Violaters geraten sein. Denkt man sich jetzt noch The War On Drugs dazu, ist der Referenzrahmen von »Eyes On The Lines« schon grob abgesteckt: Dekonstruierte Blues-Passagen dominieren transzendierende Klanglandschaften, die neben urbanen Brooklyn-Einflüssen auch eine große Portion Präriestaub ausatmen. »Night Wander« verneigt sich in lässiger Zurückhaltung vor The Grateful Dead, während »Wild Conditions« mit seinem poppigen Intro bezeugt, dass Gunn zwischen all den ausladenden Instrumental-Parts nie die Melodie aus den Augen verliert. An seinem Arbeitsgerät sind Gunn keine Grenzen gesetzt, aber der Typ ist eben

NEW ALBUM ‘CAMP ECHO’ R E L E A S E D M AY 2 0 TH S U M M E R T O U R D AT E S : 24.06 HURRICANE FESTIVAL // 25.06 SOUTHSIDE FESTIVAL 28.06 GLEIS 22, MÜNSTER // 29.06 BI NUU, BERLIN

Die unerträgliche Scheußlichkeit des Seins, oder einfach nur schlechte Vibes im Universum? »Pop & Tod I+II« ist das monumentale Plädoyer für eine neue Sachlichkeit im Pop. Um allen Bedenkenträgern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Nein, das ambitionierte Doppelalbum der Heiterkeit ist nicht das musikalische Äquivalent zu einem 1000-Seiten-Wälzer, den man irgendwann frustriert in die Ecke schmeißt. Noch mal Glück gehabt, immerhin war der Vorgänger »Monterey« in seiner entschleunigten, lethargischen Miesepetrigkeit alles andere als leichte Kost. Wahnsinnig viel ändert sich dann aber doch nicht, zu Stimmungsgranaten werden Die Heiterkeit sicher nie. »Im Zwiespalt find ich’s angenehm: Distanz als Form von Nähe, die Blumen, die ich säe.« Die Band sucht gar nicht erst nach Eindeutigkeiten. Stattdessen wandelt sie, mittlerweile zum Quartett angewachsen, unaufgeregt und ohne Diskurs-Zeigefinger zwischen Poesie und Alltag. Dabei übt sie sich in einer Lässigkeit, die Alltägliches nicht mit gekünstelter Bedeutungsschwere aufblasen muss. Scheitern muss nicht länger glorifiziert werden, die rosarote Brille ist längst zerbrochen. Selbst die großen Themen (Liebe etc.) werden entmystifiziert, auf das Rationale heruntergebrochen, übrig bleibt der reine Akt des Betrügens. Trotz aller märchenhaften Metaphorik – letztlich »wird die Dunkelheit doch niemals zum Licht«. Musikalisch spiegelt sich das in stoischem, bisweilen zäh fließendem GitarrenPop wider. Arrangements, die sich nicht in


WIZ ARD PROMOTIONS PRESENTS

ZIEGENBLUT & MÖTÖRÖL MIT CARSTEN SCHUMACHER

Wir feiern heute Berliner Sonnenanbeter, spielen LSD-Roulette, schicken Satan zum Therapeuten und erfahren, dass Dark Funeral auch kein kleines Latinum haben.

Da ist das Ding! Das Eintreffen des zweiten Sun Worship-Albums »Pale Dawn« (Golden Antenna) löst Juchzen und Kieksen aus. Die Berliner Band, noch ein Geheimtipp, hat nachgelegt. Wieder ist eine fantastische Platte herausgekommen, bei der sich die Szene-Typen erneut streiten können, ob da nun ein »Post« vor den Black Metal gehört oder nicht. Angeblich soll die Berliner Band ja mit ihrem Debüt gar nicht so zufrieden gewesen sein, aber das nehmen wir einfach als gute Grundvoraussetzung für den Nachfolger und lassen uns »Elder Giants«, das Album von 2014, keinesfalls vermiesen. Bei beiden Platten schwirren die jeweils vier Songs um eine Länge von zehn Minuten herum und entzücken alle, die auch schon an Wolves In The Throne Room ihre dunkle Freude hatten.

Erden wir uns kurz mit Destruction. Ist das zu glauben, dass das Trio jetzt schon 33 Jahre unterwegs ist? Ist die rasende Geschwindigkeit mittlerweile altersbedingtes Zittern? Nein, das ist unfair, immerhin gehört die Band zu den »Big Teutonic 4«, zusammen mit Wodos und ... Nein, Schluss mit den Albernheiten: »Under Attack« (Nuclear Blast) ist wirklich atemlos eingeprügelt und eignet sich hervorragend für jede sportliche Aktivität. Puh, jetzt erst mal wieder runter vom Laufband. Die kalifornische Space-Rock-Band Farflung meldet sich nach acht Jahren mal wieder. Eine Band, die nicht nur von Krautrockern, sondern auch von der ganzen Post-Kyuss-Posse geschätzt wird und auf »5« (Heavy Psych) daher auch Gäste von Hawkwind und Queens Of The Stone Age beherbergt. Und wenn man mit ihnen so durch den Weltraum riffrockt, kann man sich schon vorstellen, dass sie die letzten acht Jahre auf einem anderen Stern verbracht haben oder einfach kurz eingenickt sind. Von dort aus ist es nicht mehr weit bis zu Scorpion Child aus Austin, Texas, die auf ihrem zweiten Album »Acid Roulette« (Nuclear Blast) die Geschichte eines Mannes verfolgen, der eventuell unschuldig verurteilt im Gefängnis ein Spiel spielt, bei dem sich alle Teilnehmer Papierschnipsel in den Mund stecken, aber keiner weiß, welche davon vorher mit LSD getränkt wurden und welche nicht. Interessantes Konzept. Vielleicht könnte die Band das auch kurz vor den Auftritten spielen, die Musik würde das jedenfalls nicht beeinträchtigen. Okay, genug des Hardrock, jetzt wird wieder gedroschen. Nervosa kneifen die Augen zusammen und nehmen Anlauf. Der Sound der drei jungen Frauen aus São Paulo ist messerscharf und pfeilschnell. Auf »Agony« (Napalm), ihrem zweiten Studioalbum, geht’s bestimmt wieder um die Korruption in Brasilien. Genau verstehen kann man’s nicht, aber das würde die ungeheure Wut erklären, die hier auf klassische Weise in ein wirklich wundervolles Stück Thrash gegossen wurde.

Jetzt sind wir warm für Dark Funeral und ihr erstes Album nach sechs Jahren, »Where Shadows Forever Reign« (Century Media). Nachdem sich die schwedische Band in der Vergangenheit immer wieder an lateinischen Titeln versucht hatte, dabei aber auch so danebenhaute, dass ein altsprachlicher Professor sich meldete und anbot, in Zukunft bei der toten Sprache vorsichtshalber behilflich zu sein, gibt es nun zum ersten Mal einen Albumtitel auf Englisch: ein gut ausgebauter, nicht zu moderner Black Metal mit einer schönen Balance zwischen peitschenknallender Garstigkeit und wohligem Schwofen. Derart befreit, kann man sich jetzt wieder was Vertrackteres gönnen. Sumac heißt die neue Band von Aaron Turner (Isis), die mit »What One Becomes« (Thrill Jockey) auch schon ihr zweites Album veröffentlicht. Aufgenommen wurde diese räudige Mischung aus Sludge, Hardcore und Post-Metal von Converge-Kopf Kurt Ballou in einer zum Studio umgebauten Kirche. Sakral klingt das deswegen auf gar keinen Fall, eher vertrackt, zerrissen, dunkel, krachend und ein klein wenig verbaut. Leichtigkeit ist jedenfalls anders. Puh, dann doch mal zwischendurch eine Platte wie »Wandering Blind« (Svart), die als Debüt von drei Schweden in Oslo aufgenommen wurde, nachdem sie dort zwei Norweger getroffen hatten. Heavy Blues-Rock in der guten Tradition von Blue Cheer oder Grand Funk mit ordentlich Chorus-Effekt auf dem Gesang, damit der Sänger auch gleich nach Ozzy klingt und sich jeder zu Hause fühlen kann. Brutus heißt die Band, und das Cover sieht aus wie bei Love (der Band) aus der Asservatenkammer geklaut. Ein Album wie ein Freitagnachmittag-Feierabendbier. Doch halt, derart versöhnlich können wir nicht auseinandergehen. Da gibt es doch noch diese schwedische Band Waxen, die extra für uns das Sub-Genre Shred Black Metal eröffnet und auch anwendet. »Weihung auf Satan« (Moribund) ist ein wirklich groteskes Ding geworden. Denn auf ihrem dritten Album trifft sich ein Shred-Sound Marke »Ich tätowiere dann mal dein Trommelfell« mit einer plötzlich auftauchenden dudeligen Flitzefinger-Sologitarre Marke Malmsteen oder Blackmore. Das Black-Metal-Schrammeln behält darunter zwar den Sound, ändert das Riffing aber auch mal Richtung Power-Rock. Trotz des vergleichsweise homogenen Sounds ist das eine Platte mit einer Art bipolaren Persönlichkeitsstörung. Wenn Satan so was gefällt, sollte er dringend zum Therapeuten.

30.9. MÜNCHEN ZENITH

1.10. BERLIN

HUXLEYS NEUE WELT

2.10. HAMBURG

GROSSE FREIHEIT 36

4.10. KÖLN PALLADIUM

5.10. OFFENBACH STADTHALLE

7.10. STUTTGART PORSCHE-ARENA

Infos unter www.wizpro.com / 01806 - 777 111* oder ticketmaster.de / 01806 - 999 000 555* *20 Ct./Anruf - Mobilfunkpreise max. 60 Ct./Anruf Tickets bei


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#Review den Vordergrund drängen, gerade mal mit der einen oder anderen Hookline, die hängen bleibt. Stella Sommers sonore, tief tragische Stimme pendelt zwischen Brittas Christiane Rösinger und klassischen Seemannsweisen, thront majestätisch über allem und wird von auffällig vielen Chören untermalt. Am eindringlichsten der Männerchor im Schlussstück, das mal eben die gesamte männliche Pop-Elite von Schreuf bis Drangsal versammelt. »Und es ist großartig? Sind wir jetzt alle zufrieden? Haben die Kids es nicht einfach geliebt?« Ist das schon der Nachruf, ist das das Ende? Wahrscheinlich ist es einfach Popmusik. Die Welt braucht mehr Heiterkeit. Thorsten Streck

»Chernobyl« oder »I Am My Own Disease« auslösen. Musikalisch hat das Ganze einen deutlich härteren The-ProdigyEinschlag bekommen, vor allem in den Beats. Sphärische, sich überlappende Synthie-Flächen und haufenweise Loops konterkarieren dabei mit ihrer poppigen Eingängigkeit immer wieder die schwermütige Thematik des Albums. »Golden Ticket« könnte sogar als Chvrches-Song durchgehen. Wer jetzt noch auf Haviks Koloraturgesang klarkommt, wird an »Camp Echo« viel Freude haben. Vielleicht nur noch nicht beim ersten Durchlauf. Ähnliche Chartserfolge wie in ihrer Heimat sind in den deutschen Albumcharts nicht zu erwarten, das ist klar. Aber ist das nicht eigentlich das größte Kompliment, das man einer Band wie dieser machen kann? Thorsten Streck

Songstrukturen, kaum und wenn verfremdete Vocals, viel Noise – kurz: durchaus anstrengend. Der anarchische Ansatz von Holy Fuck, sich jeglicher Massenkompatibilität zu verweigern und dabei ewiger unkommerzieller Geheimtipp zu bleiben, geht voll auf. Was auf der Platte noch ein wenig auf der Strecke bleibt, entfaltet live deutlich mehr Energie, im heimischen Wohnzimmer aber klingen Holy Fuck manchmal nur wie Staubsaugerlärm. Annette Walter

I Have A Tribe Beneath A Yellow Moon

Highasakite Camp Echo

Grönland / Rough Trade

Propeller / H’Art

Die norwegische Band mit dem bescheuerten Namen macht hochintelligenten Electro-Pop, der leider überhaupt nicht als Fahrstuhlmusik taugt. »Silent Treatment«, das letzte Album des Quartetts Highasakite, war in Norwegen 94 Wochen lang in den Top 40, ein bis dato einmaliger Chartsrekord. Respekt, das schaffen hierzulande nicht mal Geschmacksverächter wie Helene Fischer & Co. Ob sich dieser Höhenflug allerdings mit »Camp Echo« wiederholen lässt, bleibt abzuwarten. Zu den Fakten: Camp Echo ist eines von sieben Gefangenenlagern in Guantanamo Bay, hier sinnbildlich für den Wahrnehmungszustand der Welt. In thematischen Flashbacks mit kryptischen Textfragmenten wie etwa Zitaten aus George W. Bushs »Way On Terror«Rede verarbeitet Sängerin Ingrid Helene Havik traumatische Ereignisse vom 11. September bis zum Irak-Krieg, die ihre Weltwahrnehmung entscheidend geprägt haben. Überhaupt wären ein paar bewusstseinserweiternde Substanzen sicher hilfreich, um den Assoziationstrieb zu befeuern, den Titel wie

Holy Fuck Congrats Innovative Leisure / Rough Trade

Der verstorbene Lou Reed verehrte die Band, Thom Yorke tut es heute noch: Wer wie das kanadische Quartett Holy Fuck illustre Fans hat, darf ruhig weiter in der Nische werkeln. Wer denkt, die vier Mitglieder der Band, die in den USA gern mal zu »Holy F« zensiert wird, seien Spaßbremsen, weil sie auf ihrem neuen Band-Foto wie Insassen einer Strafkolonie aussehen, irrt: Im Video zu »Red Lights« vom letzten Album ließen sie Katzen ihre Instrumente bedienen. Ulkig. Dahinter steckt die Strategie, als Künstler hinter der Musik verschwinden zu wollen – eine Musik, die Inspiration aus Vorbildern wie John Cage und der Musique concrète zieht. So weit, so sperrig. Der Versuch, als Künstler unsichtbar zu bleiben und ein verwirrendes Soundgeröll zu hinterlassen, macht »Congrats«, das in nur drei Tagen aufgenommen wurde, aber auch recht unzugänglich: zertrümmerte

Ein Debütalbum verlangt idealerweise nach einer vernünftigen Produktion. I Have A Tribe hat Paul Savage dafür engagiert, Stimme und Klavier mit einem passenden Passepartout zu umrahmen. Im Gegensatz zu I Have A Tribes erster EP und den bisherigen Song-Downloads hat Savage (Arab Strap, Malcolm Middleton, Aerogramme) dem Iren Patrick O’Laoghaire für sein erstes Album deutlich mehr Platz eingeräumt: Platz für die melancholisch-kraftvolle Stimme, seine Erzählungen und das statisch-manische Klavierspiel, das ihn weit vom klassischen Irish Folk wegrückt und eher in Richtung der zahlreichen geistigen Adepten von Bob Dylan schubst. Viel Platz für warmherzig anklagende Texte und leise musikalische Untermalung, gern auch mal mit ein wenig Bass und sanftem Schlagzeug angedickt. In plauderhafter Stimmung erzählt O’Laoghaire von kampferprobten Pazifisten, der Stadt Casablanca und skandinavischen Ländern. Zwischendrin hat er natürlich immer auch ein paar Zeilen für die Liebe übrig. Brüchiger, klassischer Folk, dessen Zwischentöne die allgemein wohlige Stimmung markant aufbrechen. Klaas Tigchelaar

24. – 28. AUGUST 2016

COLOGNE MUSIC FESTIVAL

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Max Jury Max Jury Marathon Artists / Rough Trade / VÖ 03.06.16

Die Klavierballaden von Max Jury entfalten mehr Wirkung, als man zunächst denken mag. Der hübsche Bursche auf dem Cover sieht ein wenig aus wie der junge Bob Dylan – allerdings ohne dessen Ecken und Kanten. Diese bewies Max Jury auf anderem Wege: als KloPutzer, bei Besuchen der Outlaw-Verwandtschaft, die in den Trailer-Parks von Iowa lebt, und zuletzt bei den Aufnahmen zu seinem Debütalbum: Als er mit seiner Band in die legendären Electric Ladyland Studios einzog, flog er schnell und hochkant wieder raus: Jemand hatte Kerzenwachs auf ein altes, von Jimi Hendrix verwendetes Mischpult geschüttet. Ob das der Grund ist, weshalb Jury sein Debütalbum immer wieder mit mahnenden Gospel-Elementen auflädt? Eher hat es wohl mit dem Einfluss eines Kirchenmitarbeiters zu tun, der Jury half, die Aufnahmen des Debüts im Hause seiner Eltern zu vollenden. »Alles, was im Leben zählt, sind Beziehungen«, heißt es so treffend in dem Film »Freunde fürs Leben« von Cesc Gay. Das ist auch der Fokus der Texte auf »Max Jury«. Eine komplexere thematische Öffnung braucht das Album glücklicherweise auch gar nicht, weil ein tiefes Gefühl in der ausdrucksstarken Stimme glaubhafte Authentizität transportiert. Tolles Klavierspiel, eine analoge Produktion und sympathische Lässigkeit lassen Max Jury schließlich aus der Masse stilistisch ähnlich gelagerter Musiker herausstechen. Kai Wichelmann

Drink, mit Eis, in der anderen Hand. Und dann schrieb er sich »Ash & Ice« ins Notizbuch. Genial. So mögen wir das, echte Rockstars mit echten Lastern und wie Hince und Kollegin Alison Mosshart in Lederjacken und XS-Jeans gehüllt. Die visuelle Coolness überlagerte bei dem Duo in der Vergangenheit bisweilen die Musik. Man bekam sogar den Eindruck, dass sie einfach ein edgy Soundtrack sein könnte, den Hedi Slimane für eine Saint-Laurent-Show geordert hat. In den letzten Jahren musste Hinces Hand mehrfach operiert werden, deshalb die lange Pause nach der vorigen Platte. Sie ließ aber auch viel Raum für Gossip ohne musikalischen Erkenntnisgewinn: Ist der Gitarrist noch mit Kate Moss zusammen? Was zur Hölle macht Mosshart, diese Courtney-Love-meetsKim-Gordon-Frontfrau, mit One-Direction-Jüngelchen Harry Styles als Toyboy in der front row? Und müssen Hince und Mosshart nicht vielleicht ein Album einspielen und auf Tour gehen, um Geld zu verdienen? Oder leben sie doch aus der Portokasse von Kate Moss? Jetzt also wieder musikalischer Output, auch wenn das Ergebnis ambivalent ist. Im einen Moment denkt man: Toll, sie können es noch, etwa in »Siberian Nights«, in dem ein psychedelisches Intro von einem für Hince so typischen dringlichen Gitarrenriff abgelöst wird, bevor Mossharts rauer Gesang einschlägt: »For the doomed youth I’ve got a love. For the blue-eyed boys I got a love, for the cruel you I got a love.« Und wie schön auch dieser tiefgefühlt-reduzierte Underground-Sex-Appeal in »Doing It To Death« und »Heart Of A Dog« klingt. Bitte so weitermachen und nicht in einer Janis-Joplin-Soul-Ballade wie »Hum For Your Buzz« verlieren. Und bis zum nächsten Album nicht wieder ein halbes Jahrzehnt passieren lassen. Annette Walter

Kvelertak Nattesferd Roadrunner / Warner

Kristin Kontrol X-Communicate Sub Pop / Cargo

Kristin Kontrol klingt so schön schmollend und schmachtend wie eine Kate Bush, die Tiffanys 1980er-Hits covert. »X-Communicate« ist eine LP, wie man sie sich schon lange gewünscht hat: funkelnd, elegant und nicht berechnend. Normalerweise ist Kristin Kontrol alias Dee Dee bei den Dum Dum Girls am Mikrofon und singt dort in Doc Martens und Netzstrümpfen infektiöse Shoegazer- und Dream-PopSongs. Mit ihrem neuen Alter Ego zwängt sie sich jedoch in hautenge schwarze 1980er-Röhren und lässt ihre Guilty Pleasures ungezügelt auf die Menschheit los. Ihre Vorbilder Debbie Gibson, Bananarama oder Janet Jackson sind klar in die Choreografie eingebunden, wenn Kontrol den kontrollierten Ernst ihrer Band abstreift, um sich ohne schlechtes Gewissen Synthie-Pop, R’n’B und dem Dancefloor hinzugeben. Das macht unbändige Freude, am meisten wohl Kontrol selbst und am wenigsten sicher den Dum-Dum-Girls-Anhängern. »X-Communicate« ist ein Album voller kleiner Pop-Perlen, auf dem Kontrol ein anderes Stimmrepertoire ausprobiert und die alten Rock-Rollenmuster hinter sich lässt. »This is a story about control – I hope you enjoy this as much as I do«, sagte schon Janet Jackson am Anfang ihres Songs »Control«. Genau dieses Motto könnte auch über »X-Communicate« stehen. Kerstin Kratochwill

Was für ein Fest: Kvelertak reißen auf ihrem dritten Album die Bude ein und frönen ungeniert ihrer Liebe zum Classic Rock. Kvelertak sind eine dieser Bands, die man auch dann mögen kann, wenn man Geschrei in Songs für keine adäquate Art der Kommunikation mit dem Zuhörer hält. Das liegt vor allem daran, dass es in diesem Black- bzw. Thrash-Metal so viele Referenzen an die Größen der 1970er und 1980er gibt: etwa Iron Maiden und Thin Lizzy, um nur zwei zu nennen. Auf »Nattesferd«, das erstmals ohne Stammproduzent Kurt Ballou entstand, geben sie der Classic-Rock-Liebe mit noch mehr Energie nach. »1985« erinnert auf unverschämt geniale Weise an Van Halens »Jump«, das Intro des Titeltracks an Survivors »Eye Of The Tiger«. Weil aber die Vocals von Erlend Hjelvik jegliches Pathos mit der Rasierklinge niedermetzeln, wirkt diese Form der Heldenverehrung nie verbrämt. »Nattesferd« präsentiert Kvelertak vielmehr als zitiersichere Rock-Fachkundler, die nicht nur längst verdrängte Sounds wieder ins Bewusstsein rücken, sondern sie mit Metal und Punk zu einem energischen Schlag ins Gesicht verquicken. So cool und abgebrüht wie hier klangen die Norweger noch nie – im besten Sinne. Kristof Beuthner

Jessy Lanza Oh No Hyperdub / Cargo

The Kills Ash & Ice Domino / GoodToGo / VÖ 03.06.16

The Kills können doch mehr, als mit Harry Styles und Kate Moss in der front row abzuhängen. »Ash & Ice« ist zwar traditionsbewusst, aber sexy. Kills-Gitarrist Jamie Hince ist immer für ein Rock-RauschKlischee gut. Das merkt man, wenn er die Geschichte hinter dem Albumtitel erzählt: Joint, sprich Asche, in der einen,

Fantastisches Debütalbum, fantastische Single-Auskopplung – da kann die Erwartungshaltung schon mal zum Problem werden. Das wäre dann aber auch das einzige Problem dieses tollen Zweitwerks. Die kanadische Alternative-R’n’B-Sängerin Lanza flog mit der Veröffentlichung von »Pull My Hair Back« 2013 so ziemlich unter jedem Radar durch. Das Album entwickelte sich durch Retro-Beats, intime Stimmung und minimalistischen Drive jedoch zum Slow-Burner, ohne den 2014 musikalisch um einiges ärmer gewesen wäre. Wie der Vorgänger wurde auch das neue Album von Jeremy Greenspan von den Junior


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#Review Boys koproduziert, der sich von Lanzas Sound zudem vieles für sein diesjähriges eigenes Album abgeguckt hat. Zusammen haben sie einen der besten Hits des aktuellen Jahres zustande gebracht: »It Means I Love You« verbindet holzfarbene Percussion und Claps mit Vocal-Schnipseln und Synthie-Drums, dass es nur so in den Synapsen zuckt. Der Rest des Albums ist meist ruhiger, hat aber auch noch andere treibende Songs zu bieten. Am wichtigsten ist jedoch, dass Jessy Lanza ihrem zurückhaltenden, fast schon als cool zu bezeichnenden Stil treu geblieben ist. Das zweite Album ist immer das schwerste, aber hier wurde mal alles richtig gemacht. Henje Richter

noch aus: die kraftvollen Vocals von David Jakes, die prägnanten Riffs von Mark Trotter und Ross Smithwick, die emotional-direkte Melodieführung, das druckvoll-intensive Songwriting. All das ist nicht neu, nicht innovativ, aber in seiner Konsequenz abermals äußerst mitreißend. Songs wie »Diamond Days« oder »Black Mire« erinnern an Helden wie dEUS, Pearl Jam oder The National, aber das sind ja sicher nicht die schlechtesten Inspirationen. Vielmehr ist auch »Things Will Matter« ein Album, das ans Herz greift, Frust und Einsamkeit mit einer geballten Faust kommentiert und die Fanschar der Band zu Recht ausbauen dürfte. Kristof Beuthner

Lonely The Brave Things Will Matter

Melvins Basses Loaded

Hassle / Rough Trade

Ipecac / PIAS / Rough Trade / VÖ 03.06.16

Wenn Rockmusik, dann bitte so: Ohne große Schnörkel, dafür mit umso mehr Emotion bringen die Briten auch ihr zweites Album stilsicher nach Hause. Natürlich bleibt es unbestritten, dass dem Rock heutzutage die Ideen ein bisschen ausgehen. Freudvoll wird mit Referenzen gespielt, neu erfinden kann man kaum noch etwas. Da ist es umso sinn- und wertvoller, wenn man von vornherein auf Konventionen pfeift und einfach nur gute Alben aufnimmt. Lonely The Brave haben das schon auf ihrem Debüt »The Day’s War« so gehalten; ihr Zweitwerk »Things Will Matter« baut diese Stärke sogar

Die Melvins waren bei der Besetzung ihrer Bass-Position immer alles andere als monogam. Es spielte, wer es aus dem Bekanntenkreis nicht bis zum Count-in auf den Baum schaffte. Nun widmet die Band der Bassgitarre ein Konzeptalbum. Eigentlich ist »Basses Loaded« eher eine Raritätensammlung: Acht der zwölf Tracks waren bereits auf seltenen Ten-Inch-Veröffentlichungen enthalten, und auch die Beteiligungen von JD Pinkus (Butthole Surfers) und Trevor Dunn (Fantômas) weisen auf alte Melvins-Aufnahmen hin. Letztendlich sind es ganze sechs Bassisten, die sich den Job auf

diesem Album teilen. Mit ihnen zelebrieren die Melvins wieder mal ihre latente Unangepasstheit und eine bunte Mischung aus schweren Gitarren und irrem Witz. Überhaupt wird es auf »Basses Loaded« erst dann richtig spaßig, wenn die Band um King Buzzo nicht nur mit den leicht totgekauten Knochenbrecher-Riffs daherkommt, sondern wie bei »Shaving Cream« völlig durchdreht oder beim schleppenden »Planet Distructo« einen nahtlosen Übergang zum Jazz findet. Dass Nirvana-Legende Krist Novoselić bei einem Stück seine Akkordeon-Künste unter Beweis stellt und der Abschluss mit einer MIDI-Version von »Take Me Out To The Ball Game« mehr loaded denn bassig ist, ist ein wunderbarer Bonus dieser kurzweiligen Sammlung. Sebastian Jegorow

Debütalbum »Oh Inhuman Spectacle« ist ein vielschichtiger Sommernachts-Fiebertraum, angerührt aus Einflüssen von Animal Collective bis Radiohead, Kunstnebel und geschickter Mimikry. So haben Methyl Ethel beispielsweise keine Sängerin – und auch nur einen Sänger. Doch Jake Webbs androgyn changierende Stimmfarbe lässt den Eindruck entstehen, das Mikro kreise wie ein Joint. Sein labiles Falsett klingt oft wie durch einen Telefonhörer eingesungen, die irrlichternden Gitarrenriffs sind flüchtig wie Luftspiegelungen und die Rhythmen aufregend flatterhaft. »This time, you’re telling me the door is open. But this wine is saying that it’s closed«, singt Webb wie in Trance, als das Album sich dem Ende zuneigt. Tatsächlich haben die Australier die Tür, durch die sie gehen wollen, mit diesem dunkelbunten Dutzend Songs ganz elegant aufgeschoben. Und so hängen wir haltlos in der Schwebe, beduselt vom Lösungsmittel, und träumen bittersüß von allem und nichts zugleich. »Everything Is As It Should Be« heißt der Song übrigens. Passt. Valentin Erning

Methyl Ethel Oh Inhuman Spectacle 4AD / Beggars / Indigo

Der australische Multiinstrumentalist Jake Webb hat sein Schlafzimmer-Projekt zur Band aufgerüstet. Methyl Ethel ist ein trügerischer Name, die Chemie stimmt trotzdem. »Did you mean: Methyl Ether?« Spätestens, seit Google sich diesen Verdacht aus dem Kopf geschlagen und Methyl Ethel ein Dasein als Musikgruppe zugestanden hat, dürfte die Bahn für die aus der Zeit gefallenen Psych-Rocker aus Perth frei sein. Ihr

Minor Victories Minor Victories PIAS / Rough Trade / VÖ 03.06.16

Supergroups sind normalerweise alles andere als super. Wenn sie jedoch aus Slowdive-, Editors- und Mogwai-Mitgliedern besteht und sich bescheiden als kleiner Sieg ankündigt, lässt das aufhorchen.

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#Review Die Minor Victories setzen sich im Kern aus Rachel Goswell (Slowdive), Stuart Braithwaite (Mogwai), Justin Lockey (Editors) und seinem Bruder James Lockey zusammen. Letztere wollten zunächst nur ein experimentelles Noise-Werk schaffen. Doch stattdessen sind zehn beeindruckende Songs entstanden, die allesamt von Goswells wunderbar ätherischem Gesang, Mogwais epischen Melodie-Strukturen und dem Gespür für Pop-Hymnen der Editors getragen werden. Besonders überraschend ist dieses selbstbetitelte Debüt zwar nicht, schließlich schmelzen hier alle Einflüsse zu etwas Kohärentem und zwingend Logischem zusammen. Die Single »A Hundred Ropes« aber ist durchschlagend: ein treibendes, beharrliches Stück Postrock mit üppigem Orchester-Sound und überwältigenden Gitarren. Alle Musiker spielen so überzeugend zusammen, dass das oft bemühte Konzept der Supergroup hier so überhaupt nicht greifen mag. Ein kleiner Sieg der Individuen und ein großer für die Freude am Musikmachen. Kerstin Kratochwill

Moop Mama sind schon lange kein Geheimtipp mehr: Spätestens, seit sie für Hannes Ringlstetter im »Vereinsheim Schwabing« das waren, was The Roots für Jimmy Fallon sind, gehören die neun Typen rund um MC Keno mit Schlagwerk und Gebläse zu den besten Live-Acts auf Deutschlands Bühnen und Straßen. Mit »M.O.O.P.Topia« erreichen sie nun das nächste Level. Nicht nur, weil sie erstmals Kollaborationen mit Geistesverwandten wie Jan Delay, Megaloh, Blumentopf oder Flo Mega auf dem Album haben, sondern auch, weil sie sich musikalisch vielseitiger denn je zeigen und das Feuerwerk, das sie live stets abbrennen, endlich auch erfolgreich auf Konserve bannen. Sämtliche Einflüsse zwischen Miles Davis und Deichkind, Trap und Techno, Soul, Funk, Biermösl Blosn und Oldschool-Irgendwas sind vertreten und dank der schlauen Produktion auch konsistent miteinander verwoben. Will heißen: Der Bass stammt zwar vom Sousafon, klingt aber trotzdem eher nach Miami als nach New Orleans. Und ein schmutzigeres Saxofon-Solo als in »Typ*Ische Verhältnisse« hat man auch selten zu hören bekommen. Mit »Alle Kinder« ist dann auch noch ein veritabler Hit und mit »Meermenschen« der richtige Kommentar zur Flüchtlingskrise auf der Platte. Claudius Grigat

Moop Mama M.O.O.P.Topia Mutterkomplex / Soulfood

Der nächste Schritt in der Historie der Münchner Marching Band: musikalisch noch mal ein Sprung nach vorne, die Lyrics noch ausgefuchster – Hip’n’Soul auf Bundesliga-Niveau!

Malcolm Middleton Summer Of 13 Nude / Al!ve

Goodbye Melancholie! Das schottische Ex-Arab-Strap-Mitglied reüssiert auf seinem sechsten Soloalbum mit Dance Music. Kaum Gitarren, dafür Experimente in Electro, Pop und gleißender Düsternis. Wer Malcolm Middleton noch von den »Ten Years Of Tears« mit Aidan Moffat als Arab Strap kennt oder die ersten Solo-Werke des Multiinstrumentalisten im Kopf hat, wird von »Summer Of 13« nicht vollkommen überrascht sein. Nichtsdestotrotz ist das ein anderer Middleton als bisher. Zunehmend gelangweilt vom musikalischen Alltagsgeschäft vertonte er zuletzt die Zeichnungen von David Shrigley. Mit der ersten echten Soloplatte seit sieben Jahren zeigt sich der Schotte nun optimistischer denn je, der Infozettel verwendet sogar das Wort »catchy«. Die Elektronik auf dem Album weist klar in Richtung Dancefloor und nicht vom Laptop in die dunkle Zimmerecke. Rock- und Folk-Elemente tauchen höchstens noch unterstützend auf, es dominieren 1980er-Synthies, schlingernde Keyboards und verfremdete Vocals. Eine Lust auf Überraschungen und Experimente bricht die poppigen Arrangements immer wieder auf und führt zu einer seltsamen Mischung aus New Wave und Plastik-R’n’B. Dafür verantwortlich zeichnen unter anderem der Glasgower Dance-Produzent Miaoux Miaoux und Middletons neuer Nachbar Gordon Anderson alias Lone Pigeon (Beta Band, The Aliens). Das ist spannend, herausfordernd, klingt allerdings auch hin und wieder etwas blutleer. Vielleicht ist dieses Album einfach die perfekte Entsprechung dessen, was Middleton einmal so beschrieb: »Die Avantgarde-Szene mag mich nicht, da ich zu normal bin und Refrains verwende. Der Mainstream mag mich auch nicht.« Er bleibt wohl, wie sein Ex-Label Chemikal Underground einmal schrieb, »ein romantischer Pragmatiker und frustrierter Optimist«. Claudius Grigat

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Mourn Ha, Ha, He. Captured Tracks / Cargo / VÖ 03.06.16

Auf ihrem zweiten Album gelingt der jungen Band aus Barcelona erneut eine stimmige Garage-Punk-Aggression. Eigentlich sollte das Zweitwerk der viel gelobten spanischen Garage-Band bereits im Dezember 2015 erscheinen: Ein Rechtsstreit mit Mourns spanischem Label sorgte für ein halbes Jahr Verzögerung. Zwischen dem selbstbetitelten Debüt von Ende 2014 und der offiziellen Fertigstellung von »Ha, Ha, He.« ist also nicht mal ein Jahr vergangen. Nicht nur mit einer überaus kurzen Spieldauer von gerade einmal 27 Minuten – nur einer der zwölf Songs dauert länger als drei Minuten – bleiben sich die katalanischen Youngster treu: Mit Songs wie »Brother, Brother« oder »Evil Dead« schaffen sie erneut eine kraftvolle Hommage an die 1990er, an Heldinnen wie Sleater-Kinney oder PJ Harvey. Im Gegensatz zum Vorgänger kommt die Katalyse aus Garage-Rock und Punk auf »Ha, Ha, He.« aber noch aggressiver und versponnener daher. Und doch riskieren Mourn mit dem rotzigen Gesang – der auf »Storytelling« gar in Shouting ausartet – und den zackigen Gitarren-Riffs in keiner Sekunde, wie ein bloßes Abbild einer vergangenen Zeit zu wirken. Und deshalb wünscht man sich Mourn nach 27 Minuten Dauer-Pogen endlich mal auf Album- statt EP-Länge. Louisa Zimmer

DUTCH ACTS ON TOUR IN GERMANY THIS SUMMER

Amber Arcades

Bazzookas

Birth of Joy

Bombay

Coppersky

DeWolff

Sounds like dream-rock

Sounds like explosive ska

Sounds like psychedelic rock

Sounds like grungy lo-fi pop

Sounds like melodic indie rock

Sounds like 70s psychedelic rock

Egbert

Gingerpig

GOSTO

Kovacs

Kuenta i Tambu

Sounds like exciting melodic techno

Sounds like eclectic rock

Sounds like electronic soul

John Coffey Sounds like loud post-punk

Sounds like Portishead meets Shirley Bassey

Sounds like afro beat electronica

Polynation

Sevdaliza

Sinfol

Taymir

Sounds like warm, melodic techno

Sounds like melancholic, dark electronica

Steve Rachmad

Sounds like techno

Sounds like techno veteran

Sounds like 60s britpop

Reeperbahn Festival

You can find all show info at: dutch-impact.nl

Town of Saints

Within Temptation

C/O Pop

Sounds like indie rock

Sounds like symphonic metal

Dutch Impact Party Friday 26 August

The Netherlands are proud to be the partner country at Reeperbahn Festival 2016 BROUGHT TO YOU BY EUROSONIC NOORDERSLAG. POWERED BY PERFORMING ARTS FUND, BUMA CULTUUR AND THE DUTCH MINISTRY OF FOREIGN AFFAIRS.

Dutch Impact Party Thu 22 September


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#Review

Pantha Du Prince The Triad

Mutual Benefit Skip A Sinking Stone

Rough Trade / Beggars / Indigo

Transgressive / Coop / PIAS / Rough Trade

Ein bisschen kristallines Geklingel kastriert selbst den krassesten Beat. Demnach ist auch das wohlklinge(l)nde siebte Pantha-Du-Prince-Album wieder was für schwache Nerven. Weniger beeindruckend macht es das nicht. Nachdem »Winter Hymn« im Februar als Vorab-EP noch mal Erinnerungen an Hendrik Webers Daunenjacken-Phase wachgerufen hatte, fällt mit »The Triad« der Startschuss für ein munteres Bäumchen-wechsel-dich der Electro-Tüftler. Dafür, dass der Hamburger Geräusch-Nerd auf trackweise wechselnde Dreierkonstellationen mit Gastkünstlern baut, klingt sein siebtes Album jedoch unerwartet vertraut – anders als bei einem Trentemøller, der sich zuletzt bereitwillig von seinen Gästen die Hütte zerlegen ließ. »The Triad« ist ziemlich gemütlich drauf, von imposanter Länge und natürlich voll von Glöckchen und anderem heiligen Bimbam. Natürlich handelt es sich dabei nicht um fahrig verteilte Streusel, achtlos geworfenen Flitter oder Klingeling vom Schokohasen-Halsband. Vielmehr ist das alles klug kalkulierte Aussaat, die die scheinbare Beiläufigkeit schon bald in eine eigenartige Dringlichkeit verwandelt. Der Weg ist das Ziel, der Prozess das Produkt, der Mensch die Maschine. Und Weber weiß, wie weit er spinnen darf. Warum es nicht auch eine Frau im Mond sein kann, ob es Inseln im Himmel gibt und wie es sich wachträumen lässt – nur ein paar Überlegungen, die einem dieses Album eifrig abnimmt. Ebenfalls vorhanden: Vocals – vom Meister selbst. Die allerdings sind im positivsten Sinne vernachlässigbar und stehen damit für die größte Serviceleistung dieser Platte: Sie lässt einen in Ruhe, aber keineswegs kalt. Nicht dass das etwas großartig Neues wäre für Pantha Du Prince. Aber es bleibt faszinierend. Valentin Erning

Mutual Benefits anschmiegsamer Indie-Folk hat auf dem Zweitwerk nichts von seinem Charme verloren. Lange wussten wir nicht, was wir tun sollen, wenn das letzte Rillenknistern von Mutual Benefits Debüt »Loves Crushing Diamond« verstummte. Eine elegische Miniatursymphonie war das, eine Kammerpop-Naschtüte, zerbrechliches LoFi-Zuckerwerk aus dem Casio-Keyboard, das nach Youth Lagoon und Microphones schmeckte, mit einer Puderprise Sufjan Stevens, nur leider viel zu schnell verputzt. Drei Jahre später holt uns der New Yorker Songwriter ohne viel Aufheben wieder ab, lädt ein zum inneren Steinchenspringen. »Skip A Sinking Stone« ist eine Meditation über die Unbeständigkeit, die auf Bewährtes setzt. Denn plötzlich ist das alles wieder da: die Violinen und das leicht verstimmte Klavier, die himmlischen Vokalharmonien, das auf Field Recordings gebannte Grundrauschen der Welt, das Innehalten. Kurz gesagt: Mutual Benefit serviert uns eine der schönsten Platten des Frühlings. Joscha Kollascheck

»I am a stranger now, playing in the dark«, singt Marissa Nadler und hängt mal eben die Sonne ab. Schmerzlich willkommen im Schattentheater des Jahres. »I don’t know where we are. I don’t know my own name.« Man könnte es dieser Marissa Nadler angesichts der Traumverlorenheit ihres Musizierens glatt abnehmen, wäre sie nicht selbst ein großes wandelndes Wiedererkennungsmerkmal. Von Album zu Album changiert ihr Sound nur so weit, wie er muss, um nicht auf der Stelle vor lauter Melancholie zu kondensieren. Dieses Mal ist es die Präsenz von Schlagzeug und E-Gitarren, die aufhorchen lässt. Doch nur die Ruhe: Die gesamte Instrumentierung ist nicht mehr als ein zartes Streicheln. Lose umrahmt sie Nadlers zerbrechlichen, aber fesselnden Gesang – und ermöglicht der Künstlerin, sich immer wieder per Fade-out aus dem Song zu stehlen, ohne damit zu brüskieren. Im Gegenteil: Wie die Stille Nadlers mystische Sinnbilder allmählich verschlingt, ist Mal für Mal wunderbarer anzuhören. Wenn die Grande Dame des Sadcore danach wieder aus dem Schatten tritt, um die Einsamkeit ihrer nächsten Deklination zuzuführen, beginnt der surreale Taumel von Neuem – so lange, bis auch der stärkste Puls ausgebremst und die letzte Kinnlade zu Fall gebracht ist. Auf handwerklicher Ebene erweist sich »Strangers« nicht nur als Songwriting-Lehrstunde. Ebenso dürfte es wieder eine reizvolle Fingerübung für Produzent Randall Dunn gewesen sein, der offenbar auch Kulissen abseits seiner angestammten Gewichtsklasse herauszuputzen weiß. Man täte gut daran, die beiden für den Rest ihrer Karrieren aneinanderzuketten. Valentin Erning

OnDeadWaves OnDeadWaves Marissa Nadler Strangers Bella Union / Coop / PIAS / Rough Trade

Mute / GoodToGo

James Chapman alias Maps und Polly Scattergood wurden eigentlich von ihrem Label-Chef verkuppelt. Die Floskel

15. – 17.09.2016 VORVERKAU F: 27.06. – 10.07. ALLE INFOS UNTER 07221 300 300 UND SWR3.DE


»match made in heaven« hat sich bei diesem Duo aber trotzdem schnell als wahrhaftig erwiesen. Der Funke von Polly Scattergood auf James Chapman (oder umgekehrt) sprang 2011 beim Londoner Short Circuit Festival über, als die beiden für ihr Label Mute einen gemeinsamen Auftritt bestritten. Daraus, so waren sich beide einig, sollte mehr werden. Wie viel mehr war aber nicht klar, bis das Duo nach vielen Tagen in Chapmans Haus wieder ins Sonnenlicht blinzelte und genug Material für ein Album auf der Festplatte hatte. Diese Abschottung hat sich in ihrem Sound ganz buchstäblich manifestiert: ein Flüstern und Raunen, untermalt von wehmütigen, elegischen Gitarren und Synthesizern mit gespenstischem Hall. »OnDeadWaves« klingt wie Lana Del Rey mit einem Fuß auf düsterem Folk-Pop und dem anderen auf dem Eis eines gefrorenen Waldweihers im Dämmerlicht. Lediglich der Pop-Appeal der Refrains und der Fokus auf die Vocals fallen bei OnDeadWaves deutlich seichter aus als bei Lana. Das Kopfkino rattert zur Musik aber erstaunlich leichtgängig, was dem Duo nach durchaus gewollt ist. Ein Gregory-Crewdson-Foto von einem rostigen Chevrolet auf einem verlotterten Highway im Zwielicht, eine Phantomgestalt etwas abseits – nur eine der vielen Unheimlichkeiten, die sich bei Songs wie »Hollow«, »Blue Inside« oder »Dead Balloons« vors innere Auge schleichen. Kira Schneider

Ωracles Bedroom Eyes This Charming Man / Cargo

Fünf Großstadt-Hippies kapern einen Bauernhof in Schleswig-Holstein. Sie saugen die gelassene Coolness aus circa 15 Kühen und machen zwölf Songs daraus. Debüt done! Hallo?! Text-Bild-Schere? Oder wie sehen eure Bedroom Eyes so aus? Vielleicht bin ich ja schief gewickelt, aber meine sind nicht tellergroß aufgerissen. Den Bedroom der Ωracles möchte ich mal sehen. Für die Aufnahme ihres Debüts haben die Stadtgören statt Betten einen Bauernhof gekapert und dort – inmitten von Kühen, Pferden und dem großen ländlichen Nichts – Songs in DIY-Manier eingespielt. Das Resultat ist die erwartete Mischung aus verträumtem Shoegaze, ausuferndem Krautrock und Dream-Pop-Melodien. Leider klingt »Bedroom Eyes« nicht ganz so verspielt, wie es die 2014 veröffentlichte EP »Stanford Torus« erhoffen ließ. Hitpotenzial ist kaum vorhanden, die Songs wabern mehr oder weniger am Hörer vorbei, ohne tiefere Rillen zu hinterlassen. Immerhin tauchen beim Abspielen knallbunte Bilder von wahlweise sonnenblumengetränkten Feldern im Sonnenschein oder nebelverhangenen, bis zum Anschlag abgeernteten Weizenfeldern auf. Dazwischen sieht man die Bandmitglieder beim Jammen im Stall, mit Bandanas in den verfilzten Haaren und je einem dicken Joint im Mundwinkel. Huch, an dieser Stelle wird mir endlich auch die BedroomBedeutung der aufgerissenen Omega-Augen klar. Senta Best

Beth Orton Kidsticks Anti- / Indigo

Überraschend durchpflügt Beth Orton auf Album Nummer sechs ihr Songwriting mit Electronica. Beth Orton hat es schon immer gewusst. Während jüngere Vertreter des Singer/Songwriter-Genres ihren Sound neuerdings mit Electronica aufpeppen, hat die US-Amerikanerin seit jeher einen Finger an der Akustiksaite und einen an der Loop-Station gehabt. Auf ihrem sechsten Album »Kidsticks« meistert Orton diesen Spagat nun so gekonnt wie schon lange nicht mehr. Sehr klar, sehr fokussiert und pointiert tummeln sich die zehn Songs zwischen tosenden Tribal-Beats, dumpfen D’n’B-Klicks und Ortons unnachahmlicher Stimme. Nicht unvorhersehbar und dennoch überraschend hebt sich »Kidsticks« damit vom Vorgänger »Sugaring Season« ab, der noch auf Streicher und orchestrales Drama setzte. Bei aller souveränen Zappelei kann es Orton aber auch ruhig: Auf der zweiten Hälfte der Platte lässt sie die Drum-Pads in

»Dawnstar« ätherisch hallen, während ihre vermeintlich brüchige Stimme auf »Falling« der Melancholie trotzt. »Kidsticks« ist nicht unbedingt die Platte, die man von Orton erwartet hätte – aber das macht sie nur umso besser. Verena Reygers

Kate Tempest

Lesung

31.05.16 Berlin, Lido 01.06.16 Köln, Stadtgarten 02.06.16 Hamburg, Häkken

Dinosaur Jr. 07.06.16 13.06.16 17.06.16 11.11.16

Oscar Cut And Paste Wichita / Coop / PIAS / Rough Trade

Mit herrlich britischer Coolness beschert Oscar ein Feelgood-Album in eingängigem 1990er-Lo-Fi-Sound. Ob Dandy Warhols oder Magnetic Fields – die Referenzen für »Cut And Paste« könnten wesentlich schlechtere sein. Luftig und unbeschwert erhebt der erst in seinen Zwanzigern steckende Oscar Scheller seinen ebenso warmen wie markigen Bariton und singt, inspiriert vom sommerlichen London, wo er am renommierten St. Martins College Bildhauerei studiert hat. »Cut And Paste« umschreibt dabei nicht nur eine handwerkliche Kunsttechnik, sondern ebenso seine Herangehensweise, um verschiedene musikalische Sphären zu ergründen, zu bündeln und neu zu fassen. Luftige Electronica umschwirrt wavige Schwermut mit Morrissey-Ausprägung, woraus blumige Melodien erwachsen, die in einer solchen gänzlich und notwendigerweise unhippiesken Machart sonst nur von Stuart Murdoch geschaffen werden. »Breaking My Phone«, heute gleichbedeutend mit einer zivilisatorischen Katastrophe, beschreibt Schellers Produktion in technischem Minimalismus: Seine frühen Demos wurden nicht im Studio, sondern am heimischen Macbook aufgenommen. Menachim Zwartmann

Leipzig, Täubchenthal Erlangen, E-Werk DU, Traumzeitfestival Berlin, Astra

Drive Like Jehu

DJ Shadow

28.06.16 Berlin 29.06.16 Köln 05.07.16 Hamburg

08.06.16 Berlin, Lido

Autolux

08.06.16 Hamburg, Molotow 09.06.16 Berlin, Lido

Goat

17.06.16 10.10.16 11.10.16 12.10.16 13.10.16

DU, Traumzeitfestival Köln, Stadtgarten München, Ampere Berlin, Berghain Heidelberg, Karlstorbhf.

Air

Editors

+ Frightened Rabbit

28.06.16 Berlin

19.06.16 DU, Traumzeitfestival

Lianne La Havas

28.06.16 Berlin, Heimathafen

Pokey LaFarge

03.07.16 München, Ampere 04.07.16 Erlangen, E-Werk 05.07.16 Köln, Gebäude 9

Calexico

21.07.16 Leipzig, GeyserHaus

Beirut

09.07.16 Berlin 10.07.16 München 13.07.16 Köln

The Tallest Man On Earth 15.08.16 Leipzig, GeyserHaus

Timothy Auld

Oum Shatt Oum Shatt Snowhite / Rough Trade

Wenn Britpop und New Wave auf orientalische Klänge treffen: Oum Shatt entwickeln auf ihrem lang erwarteten Debütalbum ein mystisches Sound-Faszinosum. Schon seit knapp zwei Jahren geistert eine famose EP durchs Internet. Aber erst jetzt haben es die Urheber, die Berliner Oum Shatt, endlich geschafft, ein Debütalbum nachzulegen. Mittelpunkt dieser Band ist Jonas Poppe von Kissogram, der sich mit einer illustren Runde an Musikern (Die Türen, Contriva) verstärkt hat und eine sehr eigene und förmlich einsaugende Vision von Klangkunst verfolgt. Dabei vermischt er Britpop und New Wave mit Elementen arabischer Musik, was sich besonders in den sexy Bassläufen auf Songs wie »Madame O.« oder dem fantastisch markanten Riff des stärksten Stücks des Albums, »Hot Hot Cold Cold«, bemerkbar macht. Ein wenig klingt die Platte, als würden Franz Ferdinand Urlaub im Orient machen; das liegt nicht zuletzt daran, dass Poppe der Stimme von Alex Kapranos recht nahekommt. Daraus ist ein überaus hypnotischer, äußerst rhythmischer und sehr tanzbarer Sound entstanden, der in der Symbiose seiner Einzelteile über die gesamte Laufzeit spannend und modern klingt. Oum Shatt reißen musikalische Grenzen zwischen östlicher und westlicher Welt ein, wie man es so vorher noch nicht gehört hat. Kristof Beuthner

11.09.16 12.09.16 13.09.16 14.09.16 15.09.16 16.09.16 17.09.16

Köln, Studio 672 Leipzig, Täubchenthal Hamburg, Prinzenbar Berlin, Musik & Frieden Dresden, Scheune Heidelberg, Karlstorbhf. Nürnberg, Club Stereo

Wovenhand 12.09.16 13.09.16 21.09.16 22.09.16 23.09.16

Köln, Gebäude 9 Frankfurt, Zoom München, Ampere Leipzig, UT Connewitz Berlin, Heimathafen

Cat Power

11.07.16 Köln 12.07.16 Darmstadt 13.07.16 Kassel 16.07.16 Karlsruhe

Gold Panda

05.10.16 Berlin, Berghain 06.10.16 Köln, Kulturkirche 07.10.16 Heidelberg, Karlstorbhf.

Aurora

18.10.16 Frankfurt, Sankt Peter

Scott Matthews

Black Mountain 12.07.16 Köln 13.07.16 Leipzig 14.07.16 Hamburg

19.10.16 Köln, Studio 672 20.10.16 HH, Nochtspeicher 25.10.16 Berlin, Grüner Salon

Amanda Bergman

26.10.16 Berlin, Grüner Salon 28.10.16 HH, Nochtspeicher 29.10.16 Köln, Studio 672

Goran Bregovic

01.11.16 Düsseldorf, Tonhalle

Tindersticks

Benjamin Clementine 17.07.16 Berlin

14.11.16 Berlin, Konzerthaus

Caravan Palace

21.11.16 Düsseldorf, Zakk

Phoria Volition Humming / Rough Trade / VÖ 03.06.16

»Wenn diese EP bei der WM wäre, wäre es James Rodriguez. Wenn dieses Album ein Auto wäre, wäre es ein Tesla Roadster«, schrieb die Süddeutsche Zeitung

Alex Vargas

28.11.16 HH, Nochtspeicher 29.11.16 Berlin, Prince Charles 30.11.16 Köln, Yuca

Chilly Gonzales

21.12.16 Düsseldorf, Tonhalle

The Kills

08.08.16 Leipzig 22.10.16 Berlin 23.10.16 Hamburg 25.10.16 Köln 26.10.16 München

Tickets & Infos: www.schoneberg.de


#Review im Sommer 2014 über Phoria. Mit »Volition« darf man derartige Vergleiche noch eine Kategorie hochwertiger ansiedeln. »There’s a lullaby, saving us a riot«, schrieben Phoria Ende 2014 in Anlehnung an die Lyrics ihres damals veröffentlichen Tracks »Saving Us A Riot« auf ihrer BandcampSeite. Wäre es so einfach, könnte das nun endlich erscheinende Debütalbum »Volition« als eine Friedenshymne für beinahe den ganzen Planeten gelten. Einmal intim und akustisch (»Saving Us A Riot«), ein andermal bedeutungsschwer (»Loss«) und ausufernd (»Everything Beta«) führen Phoria ihre Hörer zu Unerschütterlichkeit und Lethargie. Seit Gründung der Band hangeln sich die höchst zerbrechlichen, elegant-filigranen Melodien an den Polen Sigur Rós, James Blake und Aphex Twin entlang. Die drei Kernmitglieder glänzten schon im zarten Grundschulalter im Schulorchester ihrer Heimatstadt und tourten später durch ganz Großbritannien. Mit drei EPs in drei Jahren haben sich die Briten auf ihr Album-Debüt vorbereitet: Die drei EPs waren die Einzelteile des stilistischen Spektrums der Band, die sie in »Volition« zu einer brillanten Summe zusammenfügt. Nadja Neqqache

Plants And Animals Waltzed In From The Rumbling Secret City / Rough Trade

»Waltzed In From The Rumbling« könnte für Plants And Animals das werden, was »OK Computer« für Radiohead war: ein Neubeginn! Das eigene Bett! Was für ein Verlangen danach man nach unzähligen Tourneen verspüren kann. Die Straße frisst die Seele auf und die Songs, die nach den immer gleichen Sets welk geworden sind, gleich mit. Es ist 2013, und Plants And Animals stehen gerade vor einer großen Entscheidung: weitermachen oder die Festplatte formatieren. Da der Plattenvertrag gerade ausgelaufen war, erwartete eh niemand mehr etwas von den Kanadiern. Sie zogen die Reißleine. No worries gonna find us. Hier mal ein paar Tage im Studio, da mal nur ganz Papa sein. Wieder am Leben der anderen teilnehmen. Doch irgendwann kehrt das Kribbeln zurück. Dann heißt es: »All my time, my friend, I’ll spend with you.« Gemeint ist das Studio. Drei Jahre später ist aus den vielen Jam-Sessions im Studio »Waltzed In From The Rumbling« entstanden. Es mag zwar nicht das direkteste Album der Plants And Animals sein, aber dafür ist es das bezauberndste. Fast versiegen einem die Adjektive. Wir probieren es trotzdem mal: Die LP ist warmherzig, melodiös, verspult, verspielt, ausufernd, erinnerungswürdig und noch so viel mehr. Während die drei Vorgänger – allen voran das in Folk-Rock abtauchende »The End Of That« aus dem Jahr 2013 – eher einer bestimmten Spielart verhaftet waren, grätscht »WIFTR« überall dazwischen: FolkRock, Indie, Chanson, Postrock und irgendwie auch Singer/Songwriter. Zwischenzeitlich hat man sogar das Gefühl, die verlorenen B-Seiten von Radioheads »OK Computer« zu hören. Alles fügt sich homogen ineinander. Und spätestens hier fängt es wieder an zu kribbeln. Die Straße wartet. Schlafen kann man noch, wenn die Tour vorbei ist. Holger Wendt

Mark Pritchard Under The Sun

Rebolledo Mondo Alterado

Warp / Rough Trade

Hippie Dance / Rough Trade

Mark Pritchard liefert auf seinem neuen Album größtenteils stilsichere AmbientElectronica. Mit prominenten Gästen und ab und an zu viel Leerlauf. Viel Zeit ist vergangen, seit Mark Pritchard mit Tom Middleton das Duo Global Communication gründete und sich in der ElectroSzene der frühen 1990er einen Namen machte. Auf »Under The Sun« zeigt sich, dass es der Brite auch in seinen Vierzigern nicht verlernt hat, zeitgeistige Musik zu produzieren. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Aktuelle Inspirationsquellen wie Flying Lotus oder The Range schimmern ab und an durch, in der Regel ist Pritchards Formel aber introvertierter und erinnert an frühe elektronische Musik von Cluster oder Brian Eno – allerdings immer mit dem nötigen Eigensinn und einer unverkennbar eigenen Identität. Speziell die komplexer ausformulierten Tracks zählen zu den Highlights. Wie es Pritchard schafft, »Give It Your Choir« wie eine skelettierte Version von Animal Collective klingen zu lassen, ist beeindruckend. »Beautiful People« mit Gesang von Thom Yorke sticht durch seine einprägsame Melodie heraus. In der zweiten Hälfte des Albums wird die Musik dann flächiger, und das Werk entwickelt sich zu einer eigensinnigen Kopfhörer-Platte, die sich besonders für lange Autofahrten empfiehlt. Kai Wichelmann

Rebolledo macht auf »Mondo Alterado« Tanzmusik abseits des Mainstreams, die meist sehr psychedelisch ist und den Sommer erwartet. Ich war letztes Jahr auf einem Festival. Dort haben auch die Pachanga Boys gespielt. Das war am Sonntagmorgen, die Sonne knallte, und ich trank Tee. Um mich herum lösten sich Menschen in all ihre Einzelteile auf, während das Pferdebetäubungsmittel wirkte oder die Lysergsäure ihre Synapsen durchbrennen ließ. Im Halbschlaf kam es mir vor, als würde das Intro des PachangaSets 30 Minuten dauern. Ich fand’s gut. Voll trippy. Rebolledo, der immerhin 50% der Pachangas darstellt, bringt nun seine zweite Solo-LP raus. Auch darauf trippt man erst mal 15 Minuten ab und transzendiert. Ist das schon Ambient oder noch psychedelischer Rave? Ist das die Techno-Variante von PsychRock? Fragen über Fragen – und keine wird beantwortet. Glücklicherweise. Rebolledo konzentriert sich über sechs Vinyl-Seiten hinweg auf seine Stärke: Tanzmusik für Leute, die der Tanzmusik mittlerweile müde geworden sind. Manchmal rockig, manchmal Ghetto. Das Rad erfindet er dabei keineswegs neu. Die Prägung durch sowohl Postpunk als auch Italo-Disco ist klar zu erkennen. Doch man hört, dass diese Stile 35 Jahre alt sind. Rebolledo modernisiert viel, entfernt Pomp

Damon Albarn

Foto: Künstleragentur

116

The Orchestra of Syrian Musicians & Guests

30.06.2016 Donnerstag 20:00 koelner-philharmonie.de 0221 280 280


#Review und fügt simple Tanzbarkeit hinzu. Damit auch der geneigte Festivalgänger mal schön abtrippen und stundenlang tanzen kann, während er Zeit und Raum vergisst. Lars Fleischmann

Ever Think Of Me« oder »Night« finden sich auch ein paar Pop- und Funk-Nummern, allen voran das fast an Coldplay erinnernde »Stop Where You Are«. Und, um die Geschichte mit einem Happy End zu beenden, sie fand in ihrem alten Freund Steve Brown nicht nur musikalische Unterstützung, sondern auch eine neue Liebe. Die beiden sind seit 2013 verheiratet. »This isn’t my first romance, but it hit me like an avalanche«, singt sie, und man könnte sich nicht mehr mit ihr freuen. Paula Irmschler

Corinne Bailey Rae The Heart Speaks In Whispers

Das Album klingt dichter als sein Vorgänger und – lieber Fan, jetzt halte dich fest – nahezu fröhlich. Andy Shauf, diesem Scheißkerl von Multiinstrumentalisten, sind tatsächlich recht beschwingte Melodien zwischen das sonst eher melancholische Material geflutscht. Und dabei lässt er nicht mal die Klarinette weg, sondern schaltet womöglich einfach nur an entscheidenden Stellen von Moll auf Dur. Trotzdem klingen die Songs ausnahmslos und augenblicklich nach niemand anderem als Mr. Shauf – der diesmal beim Songwriting wohl versehentlich in einen Topf voller Regenbogenfarbe geplumpst ist. Senta Best

117

an. Spains neues, sechstes Studioalbum »Carolina« bildet dabei den vorläufigen Höhepunkt. Ansonsten ist die Platte von den bekannten Stärken und Schwächen der Band geprägt: Es ist zutiefst persönlich und emotional, es entwickelt trotz sachter Betulichkeit einen unwiderstehlichen Sog, der die wenigen Beliebigkeiten im Songwriting ausgleichen kann. Wie immer ist auch dieses Spain-Album matt und karg instrumentiert und besitzt doch genügend Stellen, die packen. Es unterstreicht die Ausnahmestellung Hadens unter den neoklassischen Songwritern, die endlich auch mal vom breiten Folk- und CountryMainstream erkannt werden darf. Christian Steinbrink

Virgin / Universal

Die Devise »aufstehen und weitermachen« muss kein mackeriger Gröl-Quatsch sein. Bei Frau Rae ist dieser Vorgang glaubhaft und klingt wunderschön. Hat ein Künstler längere Zeit nichts veröffentlicht, kehrt er, so steht es geschrieben, zurück, ist wieder da, betritt erneut die Bühne. Corinne Bailey Rae wurde jedoch ziemlich weit aus der Bahn geworfen, nachdem ihr Mann 2008 nach einer Überdosis tot aufgefunden worden war. So kam es, dass sie in ihrer nun bereits eine Dekade währenden Karriere bislang erst zwei Alben veröffentlicht hat und mit »The Heart Speaks In Whispers« nun endlich Nummer drei vorliegt. Trotz ihrer berüchtigt sanften, oft als Easy Listening verschrienen Musik und Stimme samt den souligen und jazzigen Arrangements strotzen die neuen zwölf Tracks nur so von Stärke und Lebensbejahung. Sie handeln von der Natur, Spiritualität, Selbstfindung, Sex, dem Entdecken einer neuen Liebe und von Lebensmut. Neben den erwartbaren Balladen wie »Do You

Andy Shauf The Party Anti- / Indigo

Hier der Beweis: Melancholie und Frohsinn sind miteinander verwandt. Und Andy Shauf ist der Stammhalter. Kaum fummelt er minimal an wenigen Schrauben, schon werden aus Bad News feucht-fröhliche Party-Angelegenheiten! Klarinette und Singer/Songwriter – bisher eine absolute Horrorvorstellung für Typen wie mich. Dann kam Andy Shauf und machte einen neuen Menschen aus mir. Wie? Ich habe keine Ahnung. Das Vorgängeralbum »The Bearer Of Bad News« ist ein ruhiges Biest, das sich von Mal zu Mal tiefer in die Gehörgänge gegraben, dort tiefe Wurzeln geschlagen und wahrscheinlich langwierige Spuren hinterlassen hat. Obwohl die nicht mal halbwegs verdaut sind, liegt mit »The Party« nun schon der nächste Andy-Shauf-Wurf vor. Und wieder ist es Liebe auf den ersten Ton!

Spain Carolina

Stabil Elite Spumante

Glitterhouse / Indigo / VÖ 03.06.16

Spain, das oft übersehene Kleinod des 1990er-Indie-Folk, zeigt sich mit »Carolina« in guter Form und persönlicher denn je. Im Vergleich zu vielen anderen 1990erIndie-Bands haben Spain einen unschätzbaren Vorteil: Sie klangen nie jung. Immer klebte Josh Hadens so brüchige wie sinnliche Vic-Chesnutt-Stimme an Arrangements fest, die mit ihrer Vorliebe für klassischen Folk und Country nicht hinter dem Berg hielten. Das hatte zur Folge, dass Spain nie als hip galten, sondern immer nur durch die tiefe Emotionalität ihrer Songs bestechen konnten und das auch schafften. Allenfalls Low, der anderen alten Slowcore-Ikone, näherten sich die Kalifornier wechselseitig immer mehr

Italic / Rough Trade

Fünf kluge Stutzer und Ästheten finden in natur­widriger Unbeschwertheit den tief gehenden Ton für Fragen, auf die wir keine Antworten wissen. Dass Stabil Elite in Electri_City wohnen, hindert sie nicht daran, in schonungsloser Betrachtung die arrivierte Eitelkeit der dünkelhaften Rheinmetropole stellvertretend für die okzidentale Gesamtheit zu pointieren: »Dort, wo der Hochmut wohnt, tief im Westen. Ich geb mein letztes Hemd, hoch auf dem Schuldenberg.« Diese Zeilen sind viel mehr als das tolldreiste Wagnis obligater Fundamentalkritik – »Tief im Westen« nuanciert den konsumistischen Niedergang postmaterialistischer

NOEL GALLAGHER’S HIGH FLYING BIRDS MANDO DIAO | BAND OF SKULLS

FRANK CARTER & THE RATTLESNAKES | ABBY | THE KING BLUES | TIM VANTOL SMILE AND BURN | PINS | TREETOP FLYERS | OTHERKIN | AND SPECIAL GUESTS T I C K E T S & I N F O : W W W. P U R E A N D C R A F T E D. C O M

#pureandcrafted


118

#Review Eliten auf der Suche nach Distinktion und Identität. Dieser unzweifelhaft schwermütige Topos wird in rotierende Bassläufe und schillernde Synthesizer gefasst, die tragikomische Leichtigkeit entfalten. Die Asymmetrie von Wort und Ton bricht wunderlich-melodiös mit den Hörgewohnheiten und stößt vor den schaumweintrunkenen Kopf, um gleich darauf zu umgarnen und sirenenhaft auf den Diskothekengrund zu ziehen. Menachim Zwartmann

totproduzierten, nichtssagend kristallklaren Mädchenstimmen wie in »U-Turn« schon wieder eine Floskel singen: »Now I want to write a love song even though you never ever asked me for one.« Nicht zu Tode geliebt, sondern genervt. Annette Walter

Thrice To Be Everywhere Is To Be Nowhere The Strumbellas Hope Vertigo Berlin / Universal

Diese Platte samt dem angestrebten Genre ist richtig gut, wenn man sie vor dem Hören durch eine der Band Of Horses ersetzt. Folk-Pop, es ist also wieder so weit: Hier sind die Strumbellas, fünf kanadische Typen und eine Frau in karierten Hemden mit ihrem bereits dritten Album »Hope« und der Hoffnung auf den internationalen Erfolg. Juhu, wie lange ist es denn her, dass eine Band den Im-Kreis-hüpf-und-dabei-klatsch-Sound (»Ohooo«, Männerchor-Refrains, Lagerfeuertexte) als innovatives Ding verkaufen wollte? Bestimmt schon zwei Jahre. Spontane Assoziationen: Razorlight, Mumford & Sons, besagte Band Of Horses. »I got guns in my head and they won’t go. Spirits in my head and they won’t go«, die Eingangszeilen auf »Hope« sind Plagiatsgeständnis und Drohung zugleich. Man wird auch die Strumbellas nicht mehr los, so viel ist klar. Die Nummer geht auf: Alles bleibt sofort in der Birne. Songs wie »Shovels & Dirt«, »We Don’t Know«, »Young & Wild« sind dreiste, abgedroschene, auf Hit getrimmte Festivaltrailer-Songs. Ganz gut hingegen sind die Balladen »The Hired Band« oder »The Night Will Save Us«. Alles in allem ist »Hope« schon okay, und drum herum kommt man diesen Sommer eh nicht mehr, denn »I got guns in my head ...«. Paula Irmschler

7. - 11.

BMG / Warner

Familiäre Verluste und private Rückschläge setzten Thrice von 2011 bis 2015 auf die Reservebank. Nun folgt ein neues Album, das schlüssig an die Vorgänger anknüpft – mehr allerdings auch nicht. Jubel begleitete im letzten Jahr die Nachricht, dass Thrice ihre 2011 einberufene künstlerische Pause beenden und auch wieder auf Tour gehen würden. Dass ein neues Album des kalifornischen Quartetts die momentan etwas durchhängende Psychose der Faust schwingenden Rockmusik kompensieren würde, hatte niemand mehr zu hoffen gewagt. Und wirklich macht das doch noch entstandene »To Be Everywhere Is To Be Nowhere« schnell deutlich, dass sich die Zeit weitergedreht hat, während Sänger/Gitarrist Dustin Kensrue und Band vorsichtshalber am alten Warenlager festhielten. »Hurricane« und »Blood On The Sand« können noch einigermaßen kraftvoll und harmonisch an die Alben »Beggars« (2009) und »Major/Minor« (2011) anknüpfen. Anschließend windet sich das Gitarren-Bass-Schlagzeug-Gewitter nur noch in älteren Zitaten, ohne dabei Zeichen zu setzen: ein Best-of des Post- und MelodicHardcore-Anspruchs der Anfangstage. Was für die Band nach eigener Aussage einer durchaus natürlichen Weiterentwicklung gleichkommt, stiftet Verwirrung, will eventuell auch gar nicht Teil des stetigen Reifeprozesses sein, den die Band seit 2003 mit viel Kreativität durchlebt hat. »TBEITBN« ist ein mittelmäßiges Album, das die Euphorie um die Rückkehr der Band – trotz aller Berechtigung – ein wenig dämpft. Klaas Tigchelaar

Tegan And Sara Love You To Death Warner / VÖ 03.06.16

Willkommen in der Formatradio-Ödnis: Tegan And Sara lassen die Spice Girls und t.A.T.u. wie die Speerspitze der PopAvantgarde aussehen. Tendenziell leicht konsumierbaren, an den 1980ern orientierten Synthie-Pop machten die kanadischen Zwillingsschwestern Tegan und Sara Quin schon immer. Den Vorwurf des Sell-outs, der ihr letztes Album »Heartthrob« begleitete, untermauert auch ihr mittlerweile achtes Album. Die hier besungene und vertonte Existenz ist ein leider komplett unsmartes Geseier über Liebesleid. Öde Klischees werden in diesen Songs banal-belanglos verhandelt: Das Herz erstarrt vor Ohnmacht, jemand sehnt sich nach dem Feuer der Nacht, die Liebe ist generell ermüdend, es sei denn, wir peitschen uns mit Durchhalteparolen an, den Loverboy oder das Lovergirl abzuservieren. Dieses ganze Elend wird dann auch noch in einen mainstreamradiofreundlichen 1980er-Pop-Sound verpackt. Irgendwann schaltet jeder die Stopp-Taste, wenn diese

Skepta Konnichiwa Boy Better Know / Sony

Mit »Konnichiwa« veröffentlicht Skepta das Album, auf das die Grime-Community seit Jahren sehnsüchtig wartet – und das trotz seiner langen Entstehungszeit erstaunlich zeitgemäß klingt. Das richtige Timing ist heutzutage alles. In einer Zeit, in der die klassische PromoArbeit der Labels immer öfter den fahrigen Mechanismen der sozialen Netzwerke weichen muss, kann der genaue Zeitpunkt einer Veröffentlichung essenziell sein. Das vierte Studioalbum des Londoner MCs Skepta mag zwar keine Radiohead-Inszenierung erfahren haben, steht aber schon so lange aus, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht nur die Spannung am Höhepunkt war, sondern auch das Revival des Grime. Beste Voraussetzungen für einen veritablen Hype


also. Die minimalistisch-aggressive Natur der britischen Rap-Spielart findet sich nämlich nicht nur in den experimentelleren Ausprägungen aktueller Club-Musik wieder, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf neue Schlüsselfiguren wie Novelist oder Stormzy. Obwohl Skepta seit fast zehn Jahren aktiv ist, dürfte »Konnichiwa« für viele den Erstkontakt zu dem 33-jährigen MC herstellen. Nicht, weil sich die Grime-Szene im Allgemeinen und Skepta im Speziellen dem Zeitgeist angenähert hätten – im Gegenteil. Die Zeichen selbst haben sich schlichtweg gewandelt und stehen derzeit besser den je für den herausfordernden, fast angriffslustigen Duktus ihrer Protagonisten. Das haben unlängst auch die Rap-Mogule jenseits des großen Teichs bemerkt, darunter Kanye West und natürlich Drake, die sich gerne mit ihren Verbindungen nach London schmücken und immer wieder potenzielle Synergien suchen. Auf »Konnichiwa« ist davon nur etwas zu spüren, wenn Pharrell oder Young Lord als Feature-Gäste in Erscheinung treten. Von solch personellen Fußnoten abgesehen ist das Album aber eine durch und durch britische Angelegenheit, bei der die klassischen Codes und Erkennungszeichen der Szene auf einem konsequent hohen Niveau manifestiert werden. Dass Skepta trotz der aggressiven Natur seiner Musik nicht nur auf Konfrontation aus ist, sondern auch immer wieder Angriffsfläche bietet, zeugt nicht nur von einem gesunden Selbstbewusstsein, sondern auch von einer Vision, die weit über die vermeintliche Oberflächlichkeit der Szene hinausgeht. Philip Fassing

We Are Scientists Helter Seltzer 100% / Rough Trade / VÖ 03.06.16

Spaßiges muss nicht immer großartig sein, das galt im Indie-Spektrum schon vor zehn Jahren. »Nobody Move, Nobody Get Hurt«, »The Great Escape« – We Are Scientists haben immer Spaß gemacht, das Prädikat »großartig« war aber nie wirklich passend. Das Haar ist jetzt grauer, die Haut reifer, der Bart präziser: Zehn Jahre sind vergangen, seit »With Love And Squalor« erschien. Ein Anknüpfen an das Debüt ist der Band seitdem nicht gelungen. Es wäre gemein zu behaupten, We Are Scientists seien die unbeachteten Überbleibsel einer vergangenen Epoche, die sich als die Blütezeit des Indie-Rock verstand. Während sich Bands wie Bloc Party und Franz Ferdinand jedoch bis heute auf unseren AllTime-Fave-Indie-Playlists halten, sind die Hits von We Are Scientists im Gedächtnis irgendwie eine Reihe weiter nach hinten gerutscht. »Helter Seltzer« ist der Versuch, sich der entstandenen Nostalgie zu widersetzen, doch er mag nicht recht gelingen. Der Track »Want For Nothing« bleibt der einzige, der ohne Anstrengung gefällt und im Ohr bleibt. Der Rest der Platte ist zwar ein solides Gerüst, zu dem sich vor ein paar Jahren wunderbar hätte tanzen lassen, das im Jetzt jedoch nur noch schwer zu verorten ist. Nadja Neqqache

FLUME

09.11. Berlin, Columbiahalle 12.11. München, Tonhalle 13.11. Köln, Live Music Hall

MIIKE SNOW

22.08. Berlin, Postbahnhof 23.08. München, Technikum

Virginia Fierce For The Night Ostgut Ton / Rough Trade

»Fierce For The Night« ist eine saftige Portion nostalgische New-York-Garage, gleichzeitig aber eine aktuelle Produktion. Virginia hat sich auf gefährliches Terrain begeben, es aber gut durchschifft. Als Ende der 1980er bis Anfang der 1990er House aus New York groß wurde und der Soul sich darin breitmachte, war die Welt noch in Ordnung. Man konnte sich damals an einem gemütlichen Nachmittag bei einem Kaffee hinsetzen und eine Musik genießen, die, getrieben von Frauenstimmen, auch ins Herz ging. Sade oder Suzanne Vega gehören zwar nicht wirklich zur dieser Welle, waren ihr in ihren Mitteln aber nicht unähnlich. Virginias Debüt »Fierce For The Night« bewegt sich nun 25 Jahre später in dieser Tradition. Sie ist nicht nur eine formidable DJ aus dem Berghain-Roster, sondern auch eine gute Sängerin. Und auch die Zusammenarbeit mit dem niederländischen Produzententrio Dexter, Martyn und Steffi erweist sich als gelungen. Dementsprechend mitreißend sind etwa die an die 1980er erinnernden Handclaps auf den geraden Takt-Schlägen, auch wenn dieser Rhythmus manchmal in Richtung Langeweile zu kippen droht. Durch sie versteht man nun aber auch, warum sich die French-HouseProduzenten Mitte der 1990er so sehr von den New Yorkern beeinflussen ließen. Snare oder Claps schnalzen hier wirklich schön; der Rest der Produktion orientiert sich eher an Dubstep oder aktuelleren House-Produktionen. Trotzdem wirkt die Platte nicht übermäßig tanzbar, sondern passt eher zu einem Warmgetränk oder zu einer langen Autofahrt. Enttäuscht wird man nur, wenn man sich vom BerghainLabel irritieren lässt und funktionalen Techno oder Rave vermutet. Lars Fleischmann

Whitney Light Upon The Lake Secretly Canadian / Cargo / VÖ 03.06.16

Was würden Whitney tun, fragten sich zwei Ex-Mitglieder von Smith Westerns und Unknown Mortal Orchestra. Sie wollten nicht perfekt klingen. Das ist gelungen. Ein feines Debüt für lange Sommernächte. Der neueste Schrei aus Chicago klingt wahnsinnig alt, hat sich einiges bei Neil Young abgeschaut und sein Handwerk in der Westcoast-Songschreiber-Schmiede gelernt. Two pale white boys schreiben Sommerhits für die von der Hitze gelähmte Masse. So liegt man dann eben da. Auf einem Feld in der Mitte von nichts. Auf der Bühne stehen Max Kakacek und Julien Ehrlich. Sie haben ein paar Freunde mitgebracht. Man hört die Bläser in »No Woman«, diesem erstaunlichen ersten Track auf dieser von der Plattenfirma als tolle Platte beworbenen tollen Platte mit Längen, und ist noch antriebsloser als ohnehin schon. Bittersüße Melodien für Tausende, denen es furchtbar egal ist, wann was aufgenommen wurde. Wehklagen? Natürlich! Das darf nicht fehlen. Der Vergangenheit nachhängen. Sie kann immer in der Zukunft liegen. Nur nicht zu viel Energie. »I’m searching for the golden days«, singen Whitney also. Whitney, sagen sie, sei der gemeinsame Charakter dieser Wohnzimmerband. Zurückgelehnt, relaxed, cool, manchmal cheesy wie in »Dave’s Song« oder in »No Matter Where We Go«. Das kann man auch im nächsten Jahr noch hören. Oder eben sofort. Ein Fehler wäre das nicht. Solange man auf dem Feld liegt und es nicht eilig hat. Stephan Uersfeld

THE PARLOTONES 22.09. Dresden, Scheune 26.09. Köln, Luxor 28.09. Stuttgart, Club Cann 29.09. Karlsruhe, Substage 03.10. Frankfurt, Zoom

04.10. München, Orangehouse 05.10. Hannover, Musikzentr. 06.10. Berlin, BiNuu 07.10. Hamburg, Uebel & G.

KELELA

WYOMING

WILD BEASTS

PARQUET COURTS

09.06. Berlin, Prince Charles

24.09. Hamburg, Reeperbahnfestival 16.10. Köln, Luxor 20.10. Berlin, Kesselhaus

WOLF ALICE

01.09. Stuttgart, Kellerclub 02.09. München, Strom 03.09. Frankfurt, Zoom

16.09. Mainz, Schon Schön

17.10. Köln, Gebäude 9 18.10. Berlin, SO36 20.10. München, Strom

MURA MASA

06.11. Berlin, PBHFCLUB 09.11. Hamburg, Uebel & G. 10.11. Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld

meltbooking.com facebook.com/wearemeltbooking


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#Termine #Intro empfiehlt

EMPFOHLEN VON INTRO Für alle von uns empfohlenen Touren verlosen wir jeweils 3×2 Tickets. Mail an tickets@intro.de. Mehr TourEmpfehlungen unter intro.de/termine #intro empfiehlt

And The Golden Choir 08.06. Ludwigsburg 09.06. Mannheim 10.06. Frankfurt a. M. 11.06. Karlsruhe

AnnenMayKantereit

Empfohlen von Intro

Arthur Beatrice

13.06. Berlin 14.06. München 15.06. Köln 17.06. Hamburg

18.06. Duisburg

— 14.06. Berlin — 17.06. Dresden — 18.06. Hamburg

Wenn Jack Tatum, der Kopf hinter Wild Nothing, seine Dream-Pop-Platten schreibt und aufnimmt, macht er das allein. Für Live-Auftritte versammelt er aber eine Band hinter sich, so auch bei der anstehenden Tour zum bereits dritten Studioalbum »Life Of Pause«, das wieder auf dem Vorzeige-Indie-Label Captured Tracks erschien. — 22.06. Hamburg — 23.06. Berlin

Autolux

08.06. Hamburg 09.06. Berlin

Band Of Horses 20.06. Köln

Beatsteaks 05.06. Berlin

Beck mit Band Of Horses 22.06. Berlin

— 04.06. Berlin — Geht weiter!

Der Gitarrenvirtuose aus Niger hat für einen Hype um die Musik der Tuareg gesorgt und das mit einer Sprache, diekaum einer kennt: Tamasheq. Sein Sound ist ein Mix aus Tuareg-Musik, Blues und Reggae. Sein Album, an dem auch Dan Auerbach von den Black Keys mitgewirkt hat, bündelt jahrhundertealte Folklore und westliche Einflüsse. — 04.06. Berlin

Dass Majid Al Maskati und Jordan Ullman einiges auf dem Kasten haben, zeigte das bei Drakes Label gesignte Duo schon mit seiner EP »A Place Like This«. 2016 dürfte das Jahr der beiden werden. Im Februar veröffentlichten sie ihr selbstbetiteltes Albumdebüt und sorgten im Spannungsfeld zwischen Rap und R’n’B für neue Akzente. — 07.06. Frankfurt a. M. — 08.06. Berlin

Girls Names

Belfast ist seit eh und je eine musikverrückte Stadt, aus der grandiose Bands wie Ash, Stiff Little Fingers oder The Undertones kommen. Seit einiger Zeit muss man auch Girls Names auf diese Liste packen. Im Juni stellen sie die unwiderstehlichen Melodien mit Postpunk-Attitüde ihrer neuen Platte »Arms Around A Vision« live vor. — 14.06. Mainz — 15.06. Dresden

Dancing Years

30.05. München 31.05. Köln 01.06. Münster 02.06. Hamburg 03.06. Leipzig 04.06. Stuttgart 05.06. Mannheim

Deftones

14.06. Köln 15.06. Berlin

Destroyer

Die Heiterkeit

08.06. Berlin 28.06. A-Wien

Bleached

31.05. München 01.06. Köln 02.06. Berlin 03.06. Hamburg

Boys Noize

03.06. Offenbach Geht weiter!

Bruce Springsteen & The E Street Band 17.06. München 19.06. Berlin

The Burning Hell

Majid Jordan

Empfohlen von Intro

17.06. Marburg 18.06. Nettetal Geht weiter!

Bernd Begemann

Black Sabbath

»I fink u freeky and I like you a lot«! Wenn es eine Band gibt, die auf die Bühne gehört, dann das südafrikanische Duo Die Antwoord. Seine Inszenierung aus Rap und Techno ist einzigartig und wird mit den Jahren immer besser. Im Juni kommen MC Ninja und Yolandi Visser mit ihrer White-Trash-Außenseiterkunst im Juni nach Berlin.

Cypress Hill

05.06. Mannheim 19.06. Erlangen 20.06. Leipzig 29.06. Hamburg

08.06. Hamburg

Bombino

10.06. Bad Mergentheim 11.06. Herdringen

Empfohlen von Intro

Better Person

Die Antwoord

01.06. Gelsenkirchen 29.06. Berlin

Anohni

Ásgeir

Will Toledo lebt DIY-Indie-Rock wie kaum ein andererAls Car Seat Headrest hat er schon zwölf Alben auf eigene Faust veröffentlicht und eine riesige Gefolgschaft unter sich versammelt, bis Matador Records ihn schließlich unter seine Fittiche nahm. Jetzt tourt Toledo mit »Teens Of Denial« – seinem zweiten Studioalbum auf Matador.

Coldplay

Cro

30.05. Hamburg 31.05. Köln

Wild Nothing

30.05. Köln

12.06. Frankfurt a. M. 13.06. Saarbrücken Geht weiter!

28.06. Berlin 29.06. Köln

Car Seat Headrest

The Chills

31.05. München 01.06. Rosenheim 02.06. A-Wien 03.06. Nürnberg 04.06. Köln 07.06. Hannover 08.–09.06. Berlin 10.06. Erfurt 11.06. Hardegsen

Cate Le Bon 30.05. Berlin 31.05. Köln

Cavern Of Anti-Matter 06.06. Leipzig

The Chap

25.06. Essen

Charles Bradley 28.06. Düsseldorf 29.06. Ulm Geht weiter!

07.06. Hamburg 08.06. Berlin

Die Höchste Eisenbahn

11.06. Konstanz Geht weiter!

Dinosaur Jr.

07.06. Leipzig 13.06. Erlangen

DJ Shadow 28.06. Berlin 29.06. Köln

Drive Like Jehu 08.06. Berlin

Editors

28.06. Berlin

Ebbot Lundberg & The Indigo Children 06.06. Berlin 07.06. Hamburg 08.06. Köln

Empfohlen von Intro

Einar Stray Orchestra 31.05. Göttingen 01.06. Oberhausen 02.06. Frankfurt a. M. 03.06. Köln 04.06. Chemnitz

Eli Paperboy Reed 01.06. Berlin

Everlast

10.06. Osnabrück 11.06. Jena 12.06. Heidelberg

Explosions In The Sky 06.06. Hamburg 20.06. Berlin


#Termine Fat White Family 30.05. Berlin 31.05. Köln

Hauschka

04.06. Düsseldorf

Heinz Strunk

03.06. Flensburg 04.06. Hannover 07.–08.06. Hamburg 13.06. A-Wien 27.06. Hamburg

Herbert Grönemeyer 30.05. Dresden 05.06. München 07.06. Berlin 08.06. Hamburg

Empfohlen von Intro

Herren­ magazin

11.06. Wolfenbüttel 24.06. Berlin 26.06. Leipzig

I Have A Tribe 15.06. Berlin 17.06. Hamburg 18.06. Duisburg 20.06. München

James

20.06. Berlin

Jan Delay & Disko No.1 25.06. Bonn

Jochen Distelmeyer 17.06. Duisburg 24.06. Husum 25.06. Leipzig Geht weiter!

Jonathan Wilson 05.06. Hamburg 07.06. Berlin

José González 18.06. Köln Geht weiter!

Julien Baker

28.06. Münster 29.06. Berlin

05.06. Mannheim 06.06. München 07.06. Frankfurt a. M. 08.06. Dortmund 09.06. Köln 13.06. Jena 14.06. Berlin

Human Abfall

Karies

Hiatus Kaiyote 23.06. Leipzig

Highasakite

01.06. München 02.06. A-Wien

Imarhan

30.05. Düsseldorf

Iron Maiden 31.05. Berlin

Empfohlen von Intro

Isolation Berlin

03.06. Ellerdorf 04.06. Lüneburg 05.06. Mannheim 09.06. Braunschweig 10.06. Göttingen 11.06. Konstanz 23.06. Aachen 24.06. Saarbrücken 25.06. Reutlingen

17.06. Halle 18.06. Marburg Geht weiter!

Kate Tempest

31.05. Berlin 01.06. Köln 02.06. Hamburg 03.06. Mannheim

Kelela

09.06. Berlin

Keøma

18.06. Köln Geht weiter!

Keren Ann

01.06. Köln 02.06. Hamburg 03.06. Berlin 04.06. Mannheim

Kurt Vile & The Violators 30.06. Berlin

Kvelertak

19.06. Erfurt 27.06. Nürnberg 28.06. Hannover

The Last Shadow Puppets 27.06. Köln 28.06. Dresden

L‘aupaire

30.05. A-Wien Geht weiter!

Lianne La Havas

Tipps der Redaktion#243

Und wo geht ihr hin? intro.de #konzerte

Kristina Engel Fête de la Musique Arthur Beatrice Keren Ann Jochen Distelmeyer Ebbot Lundberg & The Indigo Children

Wolfgang Frömberg Primavera Sound Alexander Kühne (Lesung) Julien Baker PJ Harvey Woods

Sermin Usta Die Antwoord Moderat Kosmonaut Festival Santigold Cypress Hill

06.06. Berlin

PJ Harvey

20.06. Berlin

Porches

31.05. Berlin 01.06. Köln

Rival Sons

27.06. Leipzig

Shearwater

Love A

Skinny Lister

Lucinda Williams 19.06. München 26.06. Hamburg 27.06. Dresden 29.06. Berlin

Matmos

01.06. Berlin

Maxim

30.05. Köln 31.05. Berlin 01.06. Hamburg

Me And My Drummer 04.06. Leipzig 09.06. Lüneburg 10.06. Haren

Empfohlen von Intro

Mikroboy 30.05. Wiesbaden 31.05. Heidelberg

Moderat

05.06. Berlin Geht weiter!

Moonface & Siinai 24.06. Berlin

02.06. Berlin 03.06. Mannheim

28.06. München

30.05. Köln 31.05. München 01.06. Berlin 02.06. Dresden

Skunk Anansie

10.06. Frankfurt a. M. 11.06. Dortmund

06.06. Mannheim* 07.06. Hannover**

Sookee

03.06. Ellerdorf 23.06. Bielefeld

Sportfreunde Stiller 28.06. Bonn 29.06. Straubing

Stefanie Sargnagel 31.05. Gießen 01.06. Köln 02.06. Schorndorf

Still Parade 07.06. Berlin

02.06. Berlin

White Wine

05.06. Hamburg 06.06. München 16.06. Berlin

Tiere Streicheln Menschen 31.05. München 01.06. Regensburg 03.06. Perleberg 03.06. Mannheim 11.06. Greifswald 24.06. Berlin

Tocotronic

Pascow

Paul McCartney

Torpus & The Art Directors

10.06. München 14.06. Berlin

Weaves

Teho Teardo & Blixa Bargeld

17.06. Ulm 18.06. Duisburg Geht weiter!

11.06. Bremen

03.–04.06. Köln 11.06. Hamburg 14.–15.06. Hannover 18.06. Nürnberg 21.–22.06. Frankfurt a. M. 25.–26.06. Leipzig

03.06. Leipzig 04.06. Berlin

Three Trapped Tigers

03.06. Mannheim 10.06. Braunschweig 17.06. Hamm 24.06. Chemnitz Geht weiter!

Udo Lindenberg

We Invented Paris

Nate57

Okta Logue

15.06. Hamburg 27.06. Köln

21.06. Berlin

03.06. Berlin 06.06. Hamburg

09.06. Braunschweig 10.06. Marburg 11.06. Berlin 25.06. Leipzig

Ty Segall & The Muggers

Stormzy & Lady Leshurr

Muse

Neonschwarz

— 24.06. Berlin — Tele, Schrottgrenze, Herrenmagazin, RDGLDGRN, Yumi Zouma, Kytes, Space Kelly

Slayer mit The Shrine, Anthrax*, Kataklysm**

06.06. Berlin 07.06. Köln 08.06. Hamburg 15.06. München Geht weiter!

02.06. Bremen 03.06. Hamburg

Vor 20 Jahren eine trotzige kleine IndieParty, heute eine Konzertagentur mit Riecher für Neues: Der Karrera Klub feiert Geburtstag. Im Jahre 1996 schmiss der Karrera Klub in Berlin seine erste Indie-Party, später folgten Live-Shows mit gutem Gespür für coole neue Acts – unter seinen Fittichen spielten die Sportfreunde Stiller, die Arctic Monkeys und sogar Adele. Das will gefeiert werden: Erst treten in den Clubs Lido und Bi Nuu alte und neue Lieblinge des Karrera Klubs wie Space Kelly und Kytes auf, dann wird auf der Aftershow-Party getanzt. Kira Schneider

Samaris

Lonely The Brave

11.06. Hof Geht weiter!

20 Jahre Karrera Klub Minifestival

30.06. Berlin

28.06. Berlin

02.06. Berlin

Karrera Klub

Preoccupations (Viet Cong)

17.06. Hamburg 20.06. Nürnberg

Mothers

Da gehen wir hin

Pissed Jeans

03.06. Lübeck 04.06. Husum

03.06. Düsseldorf 04.06. Berlin 16.06. Leipzig 18.06. München 19.06. Erlangen

Whitney

19.06. Hamburg 20.06. Berlin

Woods

27.06. Berlin

YAK

01.06. Hamburg

Die kommen, die Touren CunninLynguists (04.–05.07.) Hoodie Allen (22.08.– 15.09.) Listener (19.08.–08.09.) Miike Snow (22.–23.08.) Nahko And Medicine For The People (17.–23.08.) Wolf Alice (28.08.–03.09.)

Die kommen, die Festivals A Summer’s Tale (10.–13.08.) Alínæ Lumr (26.–28.08.) Angst macht keinen Lärm (20.08.) Appletree Garden (28.–30.07.) c/o pop (24.–28.08.) Chiemsee Summer (24.–27.08.) Folk im Park (24.07.) Haldern Pop (11.–13.08.) Highfield (19.–21.08.) Jenseits von Millionen (05.–06.08.) Juicy Beats (29.–30.07.) Melt! (15.–17.07.) Mini-Rock (05.–06.08.) Müssen Alle Mit. (27.08.) Nature One (05.–07.08.) Obstwiesen (18.–20.08.) Olgas Rock (12.–13.08.) Pangea (25.–28.08.) Parookaville (15.–17.07.) Picknick Open (23.07.) Pohoda (07.–09.07.) Pure&Crafted (12.–13.08.) Reggae Jam (29.–31.07.) Rocco del Schlacko (11.–13.08.) Rocken am Brocken (28.–30.07.) Ruhrpott Rodeo (05.–07.08.) Ruhrtriennale (12.08.–24.09.) Sound Of The Forest (05.–07.08.) Splash! (08.–10.07.) Stuttgart-Festival (29.–30.07.) Sziget (10.–17.08.) Taubertal (11.–14.08.) Tauron Nowa Muzyka (18.–21.08.) Utopia Island (18.–20.08.)

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#Live #Festival

Ruhr-in-Love

Castle Beat

Wer hätte gedacht, dass es auch schön sein kann, mit der Familie zu feiern? Man muss sich seine Verwandten nur selbst aussuchen. Zum Beispiel die Besucherinnen und Besucher des Electro-Open-Airs Ruhr-in-Love.

Na, das hört sich doch erlesen an: Das zweitägige Castle Beat Open Air findet sein Debüt im Arnsberger Jagdschloss Herdringen. Ein Schloss, das durch seine neugotische Pracht schon als Kulisse für diverse Serien und Filme dienen durfte.

Für manche mag ein Familienfest mit über 40.000 Teilnehmenden befremdlich wirken. Nicht so für die Besucherinnen und Besucher des Tagesfestivals Ruhr-inLove: Jedes Jahr feiern die ElectroFans gemeinsam mit 400 DJs die größte Party an der Ruhr. Die 40 Bühnen sind aufwendig gestaltet und vereinen sich zu einer einzigartigen, bunten Landschaft der elektronischen Szene. In dieser wird jeder fündig, denn von Hardstyle, House und Techno bis Rave ist alles dabei. Niemanden stört es, ob man nun Shuffle, Jumpstyle oder ganz normal tanzt, jeder bekommt den FamilienmitgliedsSticker auf die Brust geklebt. Und nach zehn Stunden nonstop Party ist es noch lange nicht vorbei: In ganz NRW gibt es zahlreiche Afterpartys, auf denen man seine letzten Kräfte verbrauchen kann.

Königliche Räumlichkeiten, die normalerweise für piekfeine Festlichkeiten genutzt werden – da spielt man natürlich ehrenwerten House. Gleich am ersten Tag werden die angesagten DJs Felix Jaehn, Gestört Aber GeiL und Lost Frequencies das Zepter schwingen und veranlassen, dass im hochwohlgeborenen Schlosspark getanzt wird. Am zweiten Tag wird ein großes Orchester bereitstehen, um den Mann mit der Maske, Panda-Rapper Cro, bei einem Unplugged-Konzert zu begleiten. Was zunächst klingt wie Miami, Ibiza und »Das Phantom der Oper« in einem, wird garantiert ein großer Spaß in würdigem Rahmen und nicht nur zum Treffpunkt für junge Adelige. Mit Jan-Christian Zeller findet sich auch ein DJ im Line-up, der als Moderator und DJ beim WDR-Jugendsender 1Live als einer der bekanntesten Köpfe gilt, was an seiner auffälligen Stimme liegen mag. Er wird dafür sorgen, dass der Schlossgarten nicht zu verträumt auf den nahe gelegenen See blickt. Anmut war einmal, jetzt wird gebounct.

Maja Stock — 02.07. Oberhausen — DJ Quicksilver, Felix Kröcher, Gestört Aber GeiL, Hanna Hansen, Man At Arms, Masters Of Noise, Nico Rush, Ostblockschlampen, Plastik Funk, Sorgenkint, The Disco Boys, Tiger & Dragon u. v. a.

HURRICANE/ SOUTHSIDE Hurricane und Southside sind die perfekte Mischung aus Großveranstaltung und Geschmack und längst ein Herzstück der deutschen Festivallandschaft. Deswegen kann das Hurricane 2016 auch seinen 20. Geburtstag feiern. Herzlichen Glückwunsch!

1997 war das Jahr, in dem alles begann. Man sei damals das klassische Indie-Festival gewesen, erzählt Veranstalter Folkert Koopmans im aktuellen Festivalguide Magazin. Das Open Air fing als Zwei-Tages-Veranstaltung an, und die Organisatoren erwarteten 20.000 Menschen, was für sie ein absolutes Novum war, da sie bislang keine Events in dieser Größenordnung veranstaltet hatten. Die Situation war alles andere als einfach, denn ein Reinfall hätte die Geschichte des Hurricane zu einer sehr kurzen werden lassen und unter Umständen auch Veranstalter FKP Scorpio mit sich gerissen. Dass es dennoch ein voller Erfolg wurde, lag am richtigen Riecher für die Acts der Stunde, denn Rammstein erlebten kurz vor der Veranstaltung ihren großen Durchbruch und wurden so zum heimlichen Headliner. Die Shooting-Stars der Premiere wurden deshalb zum Jubiläum auch wieder eingeladen. Aus den 20.000 wurden im Laufe der Jahre 70.000 (beziehungsweise 60.000 beim Southside), aber die Haltung zur Musik – diese Mischung aus Rock, Elektro, HipHop und Acts, die man eben nicht im Radio hört – blieb dieselbe. Das Line-up ist zum Geburtstagsfest natürlich entsprechend gut, und analog dazu geben sich Koopmans und seine Crew größte Mühe, die besten Food-Trucks aus dem In- und Ausland ins Food-Areal zu bringen. Entsprechend wird auch ein »Food Line-up« bekannt gegeben, was unterstreicht, dass es sich Hurricane und Southside nicht auf den Lorbeeren gemütlich machen, sondern weiter am Konzept feilen. In diesem Sinne: Auf die nächsten 20 Jahre!

Carsten Schumacher — 10.06. Arnsberg — Felix Jaehn, Gestört Aber GeiL, Jan-Christian Zeller, Lost Frequencies u. v. a.

Carsten Schumacher

Sven Wittekind

— 24.–26.06. Scheeßel/Neuhausen ob Eck — AnnenMayKantereit, Balthazar, Bloc Party, Boy, Boys Noize, Chefket, Deichkind, Die Orsons, Digitalism, Dropkick Murphys, Editors, Feine Sahne Fischfilet, Frank Turner, Genetikk, Haftbefehl, Jack Garratt, K.I.Z, Kvelertak, Maxïmo Park, Mumford & Sons, Poliça, Prinz Pi, Rammstein, The Hives, The Offspring, The Prodigy, The Subways, Turbostaat, Two Door Cinema Club, Wanda, Yeasayer u. v. a.

Felix Jaehn


#Live #Festival

ROSKILDE Roskilde schreibt Geschichte – und das nicht nur als dänische Königsstadt, sondern vor allem als eines der größten Festivals Europas.

Roosevelt

Puls Open Air Auf dem Schloss Kaltenberg verkleiden sich sonst gern Menschen als Ritter und brechen Lanzen. An einem Wochenende im Juni sieht das Programm jedoch etwas anders aus.

Das Puls Festival zieht nach erfolgreichen Gastspielen in München und Erlangen jetzt aufs Schloss Kaltenberg und damit erstmals nach draußen. Lanzen sollte man trotz der verlockenden Kulisse aber lieber zu Hause lassen, denn »Gegenstände, die man anderen vehement an den Kopf hauen kann« sind hier strengstens verboten. Eine friedliche Übernahme ist hingegen gewünscht und wird gefördert: Wer mit einer Gruppe von zehn Freundinnen und Freunden anreist, kann vorher bei den Veranstaltern einen 100 m² großen Bereich auf dem Campingplatz reservieren und mit einer eigenen Fahne versehen lassen. Es wird also Zeit, sich Gedanken über ein Wappen zu machen. Sorgen um mitternächtliche Gänge auf den Donnerbalken über dem Burggraben können gleich zerschlagen werden, beim Puls Open Air gibt es Spültoiletten und Duschen. Musikalisch geht es beim Festival wie bei seinen Vorgängern in München und Erlangen vor allem Richtung Indie-Pop. Wer auf Minnesang steht, muss also selber ran.

Ganze 115.000 Besucher verzeichnet das Roskilde Festival jährlich, und es wären sicherlich noch viel mehr, hätte man die Anzahl nicht vor Jahren schon beschränkt. So wird mit dem Open Air trotz Beschränkung von einem Tag auf den anderen die viertgrößte Stadt Dänemarks aus dem Boden gestampft. Groß sind auch die dort auftretenden Acts: Rihanna, die Rolling Stones, The Cure, Björk und einige mehr haben die legendäre Orange Stage bereits bespielt. Letztes Jahr zum 45. Jubiläum des Festivals war Sir Paul McCartney unter den Headlinern – es war sein einziger Festivalauftritt in ganz Europa. Darüber vergisst man oft, dass es sich beim Roskilde um eine Non-Profit-Veranstaltung handelt. Bis zu 30.000 freiwillige Helfer beteiligen sich jedes Jahr, um einen Ort entstehen zu lassen, der das Hippietum wieder aufleben lässt. Denn das ist dem Festival ganz eigen: Obwohl es schlichtweg riesig ist, hat es seinen ursprünglichen Charme nie verloren. Und der lebt längst nicht nur von den dort auftretenden 170 Bands und all den Stars im Line-up, sondern vor allem durch die vielen vielen Angebote drum herum. Von der Twerking-Messe, Theater- und Filmveranstaltungen über Politik-Workshops und Yoga-Events sind der Tagesgestaltung hier keine Grenzen gesetzt. Alle Einnahmen des Festivals fließen in Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, WWF oder Amnesty International. Da kann man den stolzen Ticketpreis doch durchaus verkraften! Sophia Sailer — 25.06.–02.07. DK-Roskilde — Action Bronson, At The Drive-In, Biffy Clyro, Chvrches, Courtney Barnett, Destroyer, Foals, Kakkmaddafakka, Kvelertak, LCD Soundsystem, M83, Macklemore & Ryan Lewis, Mø, Neil Young, New Order, PJ Harvey, Red Hot Chili Peppers, Santigold, Savages, Sleaford Mods, Syrian National Orchestra & Damon Albarn, Tame Impala, Tenacious D, The Last Shadow Puppets, Wiz Khalifa u. v. a.

LCD Soundsystem

Primavera Sound Das Mekka für jung gebliebene Fans der angloamerikanischen Indie-Rock-Tradition ist das Primavera Sound in Barcelona.

Generationen von Indie-Fans sind sich einig: Das beste FestivalLine-up Europas trägt Jahr für Jahr und äußerst verlässlich das Primavera Sound in Barcelona zusammen. Kaum eine Ausgabe des Open Airs vergeht, bei der nicht eine ikonisch verehrte Band aus den Achtzigern oder Neunzigern eine exklusive Reunion spielt. Daneben überzeugt das Festival durch seine offene Lage direkt am Meer und nicht zuletzt durch die herzerwärmende Schönheit der katalanischen Hauptstadt. Im Mittelpunkt steht aber die Musik, und man wundert sich, warum das nicht bei jedem Festival so ist: Rock-Helden stehen neben in kenntnisreicher Kleinarbeit ausfindig gemachten Newcomern – kein Trash, sondern ausschließlich Qualität. Dieses Rezept hat das Primavera so erfolgreich gemacht, dass es mittlerweile eine Woche später auch einen nicht minder empfehlenswerten Ableger in Porto veranstaltet. Für Letzteren sind noch wenige Tickets zu haben, während die spanische Ausgabe längst ausverkauft ist. Aber man kann ja jetzt schon seinen Besuch im nächsten Jahr planen.

Julia Brummert

Christian Steinbrink

— 10.–11.06. Geltendorf — Abby, Audio88 & Yassin, Roosevelt, Aurora, Boy, Crystal Fighters, Dexter, Faber, Frittenbude, Jay Scarlett, Kakkmaddafakka, Kytes, Leyya, LGoony & Crack Ignaz, Liam X, LOT, Maeckes, Max Power, Milky Chance, Mø, Occupanther, OK Kid, Sara Hartman, Schlachthofbronx, Slow Magic u. v. a.

— 02.–04.06. E-Barcelona — Action Bronson, Air, Animal Collective, Battles, Beach House, Beirut, Black Lips, Cass McCombs, Daughter, Deerhunter, Destroyer, Dinosaur Jr, DJ Koze, Explosions In The Sky, Hudson Mohawke, LCD Soundsystem, Moderat, PJ Harvey, Radiohead, Roosevelt, Savages, Sigur Rós, Suede, Tame Impala, The Last Shadow Puppets, Tortoise u. v. a.

M83

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#Live #Festival

TRAUMZEIT Festival-Atmosphäre und Schwerindustrie bilden beim Traumzeit ein attraktives Pärchen.

KOSMONAUT FESTIVAL Was macht man, wenn einem die Heimatstadt zu öde wird? ­Genau, ein Festival veranstalten.

Als das splash! die Stadt verließ, wurde es still in Chemnitz. Zu still, fanden Kraftklub und stellten ein eigenes Festival auf die Beine, um die Region musikstrukturell zu pimpen. 2013 gab es das erste Kosmonaut Festival am Stausee Oberrabenstein, mit dabei viele befreundete Bands der Gebrüder Brummer. Bis jetzt zeichnet sich das Festival vor allem durch eine große Auswahl deutscher Acts aus, gern gesehene Gäste sind zum Beispiel Casper oder AnnenMayKantereit. Letztere erlebten dort vor einigen Jahren gar ihre Festival-Premiere und könnten 2016 vielleicht sogar wieder dabei sein. Denn der Clou beim Kosmonaut ist – neben dem badetauglichen See – das Wettbüro: Bis zum Festival kann man auf einen geheimen Headliner setzen. Wer richtig tippt, hat die Chance, dann schon mal Tickets fürs nächste Jahr zu gewinnen. Julia Brummert — 24.–25.06. Chemnitz — Alligatoah, Audio88 & Yassin, Boy, Costa Meronianakis, Die Nerven, Dota, Drangsal, Drunken Masters, Eskei83, Feine Sahne Fischfilet, Frittenbude, Ingmar Stadelmann, Itchy Poopzkid, Juicy Gay, Kagoule, Lake People, LGoony, MC Bomber, Mule & Man, Oberwasser, Okta Logue, Oliver Polak, Olli Schulz, Pandaro, Parcels, Philipp Matalla, Playfellow, Prinz Pi, Schnipo Schranke, Sevensol & Bender, SSIO, Turbostaat, Wanda, Waving The Guns u. v. a.

SUMMERJAM

Das schönste Festivalgelände Deutschlands liegt nicht im Osten, Norden oder Süden, sondern in Duisburg: Im Meidericher Landschaftspark Nord, einem ehemaligen Hüttenwerk, wurden Hochöfen, Kraftzentrale und Nebengebäude kunstvoll zu Spielstätten umgestaltet – manche geschlossen, andere halboffen oder offen. Das Traumzeit Festival bespielt gleich mehrere Bühnen auf dem verwinkelten Gelände und schafft Kombinationen aus Schwerindustrie und (Pop-)Kultur, die einen unwiderstehlichen Charme transportieren – gerade nach Einbruch der Dunkelheit, wenn Licht- und Video-Projektionen die Bauten des Geländes ausleuchten. Das Line-up findet Jahr für Jahr eine stimmigere Balance zwischen Popularität und Ambition und wird der Ausstrahlung des Ortes damit mehr als gerecht. In diesem Jahr haben die Veranstalter mit dem Auftritt

der French-House-Ikone Air sogar eine deutschlandexklusive Festival-Show wahrhaftiger Popstars angekündigt. Aber auch für zufällig vorbeischlendernde Fans der Montanindustrie hält das Traumzeit Angebote bereit: Eine der hochkarätig besetzten Bühnen kann man auch ohne Eintrittskarte besuchen. Christian Steinbrink — 17.–19.06. Duisburg — Air, Ásgeir, Augustines, Charlie Cunningham, Christian Kjellvander, Die ganz normalen Bürger, Dinosaur Jr., Fools Errant, Fünf Sterne Deluxe, GLORIA, Goat, Grandbrothers, Hein Cooper, I Have A Tribe, Jochen Distelmeyer, Kelvin Jones, Kochkraft durch KMA, Matt Simons, Meute, Mine, Moop Mama, Neufundland, Patrice, Razz, Sarah And Julian, Spain, Taveneer, The Boy Who Cried Wolf, The Hubschrauber, Tocotronic, Turbostaat, Valdetta u. v. a.

Air

Die Welt könnte entspannter nicht sein, wenn sich die 30.000 begeisterten Fans am Fühlinger See im Kölner Naherholungsgebiet versammeln.

Dub, Mento, Ska, Dancehall, Ragga, Rocksteady, HipHop und selbstverständlich Reggae werden hier gefeiert und betanzt. Kaum ein Marley-Sprössling, der hier noch nicht gespielt hätte (in diesem Jahr: Ky-Mani); Gentleman und Patrice (Letzterer in diesem Jahr nicht auf der Bühne) sind hier quasi aufgewachsen, und das weitere Programm setzt sich liebevoll aus empfehlenswerten Geheimtipps und konsensfähigen Rampensäuen zusammen. Das an den Ständen angebotene Essen ist nicht nur vielfältiger als auf anderen Festivals, sondern darüber hinaus auch besonders lecker. Das Motto lautet diesmal »Back To The Future« – ganz im Sinne der dort auftretenden wiedervereinten Beginner. Und noch etwas ist neu: Ab jetzt dürfen nur noch Besucher mit gültigem FestivalBändchen oder Eintrittskarte auf das Camping-Gelände. »Camping only« ist damit Geschichte, dafür wird die Sicherheit erhöht. Carsten Schumacher

YYYY

— 01.–03.07. Köln — Alligatoah, Beginner, Chefket, Die Orsons, Gentleman & Ky-Mani Marley, Gentleman’s Dub Club, Jaya The Cat, Macka B, Matisyahu, Megaloh, Namika, Parov Stelar, SDP, Sean Paul, Selah Sue, Soul Radics u. v. a.


#Live #Festival

AT THE B-SITES Das At The B-Sites ist das erste Silent Festival der Welt. Mit einer ganz neuen Erfahrung und großen Vorteilen gegenüber anderen Festivals locken die Veranstalter in den Kölner Jugendpark.

ROCK AM RING / ROCK IM PARK Die Festivalgeschwister Rock am Ring und Rock im Park sind zusammen ein unschlagbarer Besuchermagnet – die ganz großen Namen fallen dort in einem einzigen langen Headliner-Atemzug.

Der Traditionsname Rock am Ring steht mittlerweile für sich – auch ohne Rennstrecke. Der Umzug vom Nürburgring auf den Flugplatz in Mendig wurde letztes Jahr mehr als erfolgreich gemeistert, die Veranstalter sind schließlich erfahrene Profis. Auch dieses Jahr wurde an einer effizienteren und nachhaltigeren Umsetzung des Mega-Festivals und seines Zwillings im Süden getüftelt, damit sich die Besucher sorglos ins Open-Air-Erlebnis stürzen können – samt Wimmelbild-Camping, einem Riesengelände mit vier Bühnen und dem ewigen Abwägen, ob man bis in die Nacht feiert oder früh aufsteht, um sich einen Platz direkt vor der Bühne zu sichern. Einer der Headliner sind Black Sabbath, bei denen man sich nie sicher sein kann, ob und wann man sie jemals wieder sieht. All jenen, die das Festival eigentlich nur auf dem Campingplatz verbringen, sei gesagt: Das Aufstehen lohnt. Kira Schneider — 03.–05.06. Mendig/Nürnberg — Alligatoah, Biffy Clyro, Billy Talent, Black Sabbath, Deftones, Fettes Brot, Foals, Frittenbude, Heaven Shall Burn, Heisskalt, Kid Simius, Korn, Major Lazer, Red Hot Chili Peppers, Tenacious D, The 1975, Volbeat u. v. a.

Bekannt ist das Prinzip bereits von der Silent Disco: Die Musik dröhnt nicht aus den Lautsprechern neben der Bühne, sondern erklingt aus den Kopfhörern, die alle Besucher tragen. Die Veranstalter des Festivals haben das Konzept auf eine ganze Reihe Konzerte übertragen. Das hat so gut funktioniert, dass es nun ein eigenes Festival geben wird, das mit seinem IndieLine-up der Konzertreihe treu bleibt. Das Ganze klingt nicht nur nach einer spannenden Erfahrung, sondern hat enorme Vorteile gegenüber dem klassischen Festival: Der Sound bleibt gleich laut, egal, wo man steht. Plötzlich stören auch die Leute neben dir nicht mehr, die sich lieber unterhalten, statt der Band zu lauschen. Auch bei Eltern ist das Festival klar im Vorteil, denn die Ohren der Kleinen werden nicht geschädigt und das Weinen stört auch niemanden mehr. Und eine Sperrstunde muss es auch nicht geben,

denn über Lärm können sich die Anwohner nun wirklich nicht beschweren. Auf dem Gelände am Rhein wird sich auch ein Zirkuszelt mit Essen, Getränken und Attraktionen befinden, damit die Besucher den ganzen Tag versorgt sind. Es wird sicher eine kleine Überwindung sein, mitzusingen und zu tanzen. Und so richtig interessant wird es erst, wenn man die Kopfhörer abnimmt, um dem Gesang seiner Mitmenschen zu lauschen. Maja Stock — 18.06. Köln — Abby, Balthazar, José González, Keøma, The Temper Trap u. v. a.

José González

Rudolstadt Festival

Abifestival Lingen

und Filmen. Die Straßenmusik nicht zu vergessen! Das Festival wird das ganze thüringische Städtchen zum Klingen bringen. Dazu wird auch noch der deutsche Weltmusikpreis Ruth am Festival-Samstag verliehen. Länder-Schwerpunkt des RudolGlen Hansard stadt Festivals ist in diesem Jahr Das Rudolstadt Festival ist als übrigens Kolumbien, also wird bunt, weltoffen und multikul- auch traditionelle und moderne turell bekannt. Cumbia-Musik gespielt. Egal, ob Folk, Roots, Weltmu- Carsten Schumacher sik oder Rock – hier fügt sich alles liebevoll zusammen. Die — 07.–10.07. Rudolstadt — Akua Naru, Gangstagrass, Germán López, Glen insgesamt 300 Konzerte werden Hansard, Mono & Nikitaman, Ndima, flankiert von Workshops, GePulsar Trio, Royal Street Orchestra, sprächsrunden, Ausstellungen Startijenn, Stoppok, Volxtanz u. v. a.

alten AKW ein hübsches, kleines Festival auf die Beine. Die einen feiern hier Abschied von der Schule, die anderen ihr Klassentreffen, und für viele Kids aus dem Emsland ist das Abifestival ihr erstes Festival überhaupt. Umso schöner, dass das Booking OK Kid – erst recht für ein kostenloses Schon ein bisschen bekloppt, Festival – immer voller kleiner sich zum Abistress auch noch Überraschungen steckt. die Organisation eines Festivals aufzuhalsen.

Julia Brummert

Doch gerade das machen Jahr für Jahr fleißige Schülerinnen und Schüler aus Lingen: Sie stellen in ihrer emsländischen Heimatstadt im Schatten eines

— 24.–25.06. Lingen — Bonikeller, Chris Adam, De Fofftig Penns, OK Kid, Purple Rhino, Railroad Edge, St. Tropez, Tubbe, Watch Out Stampede u. v. a.

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#Live #Festival

KLANGSTÄRKE Das KlangStärke Festival feiert Premiere mit Clubsounds, Electronica und Beats in Hildesheim.

Destroyer

Best Kept Secret Der Name ist nicht wirklich Programm: Ein »Secret« ist das Festival eigentlich schon seit seiner Feuertaufe 2013 nicht mehr.

Erst zum vierten Mal findet das gar nicht so gut gehütete Geheimnis der Niederlande statt. Beheimatet ist es im Garten des Beekse Bergen Safariparks in Hilvarenbeek nahe der deutschen Grenze. Jedes Jahr kommen dort rund 15.000 Fans zusammen, um sich 100 Acts auf fünf Bühnen anzusehen. Und die Veranstalter sind schon bekannt für ihr exzellentes Booking und ihr gutes Händchen für Überraschungen in Form von Pop-up-Konzerten. Denn sowohl die kleinen als auch die großen Slots überzeugen. Falls man sich doch ein wenig Erholung vom Programm gönnen möchte, bietet sich auch dazu Gelegenheit: Geradezu idyllisch zeltet man zwischen Wald und See, in dem gebadet werden darf. Wer feiert, hat Hunger, und der kann an ungefähr 50 FoodTrucks und -Ständen gestillt werden. Zusätzlich ist es sogar möglich, frisches Gemüse zu ernten. Ist selbst das alles noch nicht luxuriös genug, kann man zwischen verschiedenen CampingOptionen, Bungalow oder Hotel wählen. Einem Festivalbesuch mit Urlaubsfeeling steht also nichts mehr im Wege.

Bisher war Hildesheim vor allem mit dem M’era Luna auf der Festivallandkarte verzeichnet. Aufgrund des abseits gelegenen Geländes bekommen dessen Besucher aber eher weniger von der kleinen Großstadt zu sehen. Die Chance bietet sich nun beim innerstädtischen KlangStärke Festival, das in drei Locations vor allem tanzbare Musik präsentiert. Organisiert wird das Festival vom städtischen Kulturverein I.Q. und dem Musikinstitut der Universität. Perfekt verkörpert wird die Mischung aus Hochkultur-Background und Experimentierfreude wohl vom Orchester im Treppenhaus. Das spielt neue Stücke junger Komponisten, bringt Tanzbarkeit in die klassische Musik und schlägt so die Brücke zwischen Klassik und Moderne. Dominik Bruns — 08.–11.06. Hildesheim — 13 Years Cicada, Akku Quintet, Elektro Guzzi, Malstrom, Mop Mop, Nachtigall, Natalia Mateo, Orchester im Treppenhaus u. v. a.

OPEN SOURCE Wer seinen Festivalbesuch lieber nicht als Expedition ins Ungewisse plant, ist beim Open Source perfekt aufgehoben.

Die schnuckelige Tagesveranstaltung punktet mit ihrem gediegenen Gelände an der zentral gelegenen Düsseldorfer Galopprennbahn Grafenberg, einem gerne mal ambitioniert zusammengestellten Line-up zwischen Electro und Indie ohne geschmackliche Ausfälle und der familienfreundlichen Spieldauer: Mittags geht es los, nicht zu spät am Abend ist der Spaß auch schon wieder vorbei. Und auch wenn das Festival Jahr für Jahr populärer wird, hält es doch immer noch genügend Ruhezonen und Rückzugsmöglichkeiten bereit. So ist es jedes Mal herrlich, bei Sonnenuntergang von der Tribüne aus dem Treiben auf der Hauptbühne zuzuschauen. Der Kunstund Fotografie-Teil des Open Airs ist da nur noch das Sahnehäubchen auf der Kirschtorte. Das Open Source bietet einen Samstagnachmittag lang perfekten Festivalspaß, strengt jedoch niemals an. Christian Steinbrink — 09.07. Düsseldorf — Bilderbuch, Gaika, Get Well Soon, Hot Chip, Idris Ackamoor & The Pyramids, Max Graef Band, Schnipo Schranke, Stabil Elite, Wolf Müller & Cass. u. a.

Sophia Sailer — 17.–19.06. NL-Hilvarenbeek — Air, Ásgeir, Band Of Horses, Beck, Bloc Party, Caribou, Destroyer, Dinosaur Jr, Editors, Explosions In The Sky, Jamie xx, Mystery Jets, Roman Flügel, Sleaford Mods, The Slow Show, Two Door Cinema Club, Wilco, Wild Nothing, Yeasayer, Yelawolf u. v. a.

Damon Albarn

Damon Albarn & The Orchestra Of Syrian Musicians Tausendsassa Damon Albarn hat eines seiner unzähligen Projekte neu aufgegriffen: In Köln kollaboriert er mit einem Orchester aus dem kriegsgebeutelten Syrien.

Als Damon Albarn noch vornehmlich als Frontmann von Blur firmierte, hätte sich kaum jemand träumen lassen, was für ein vielseitiger Künstler in ihm steckt. Nach Soloalben und diversen furiosen Kollaborationen wärmt er für eine kleine Tour mit Köln als einzigem Deutschlandkonzert ein bereits etwas länger zurückliegendes Projekt neu auf – aus traurigem Anlass: 2008 spielte Albarn bereits in Damaskus zusammen mit dem Syrian National Orchestra For Arabic Music. 2010 unterstützten ihn Musiker des Orchesters dann bei GorillazAufnahmen und gingen mit dem Dance-Projekt auf Welttournee. Mittlerweile wütet in Syrien der Bürgerkrieg, und viele der Musiker mussten ihre Heimat verlassen. Die meisten von ihnen kommen für diese Neuauflage nun abermals zusammen. Gemeinsam mit Albarn stellen sie sich ganz in den Dienst der arabischen und syrischen Folklore – Gorillaz- oder gar Blur-Songs sollte und muss man also nicht unbedingt erwarten. Christian Steinbrink — 30.06. Köln

Hot Chip


187 Strassenbande » 257ers » Action Bronson Ahzumjot » Anderson .Paak » Angel Haze A$AP Ferg » Azad » Beginner » Betty Ford Boys Celo & Abdi » Denzel Curry » Edgar Wasser Eko Fresh » Fatoni » Flatbush Zombies » Frauenarzt Haftbefehl & Special Guest » Haiyti » Immer Ready (Mauli, Marvin Game, Holy Modee, Al Kareem, Morten, Mister Mex, Robo, Simdal) » Juicy Gay Kehlani » Kevin Gates » LGoony & Crack Ignaz Lil B » Mac Miller » Maeckes » Nimo » Olexesh RAF Camora » Skepta » Stormzy » Teesy & Friends The Roots » Ty Dolla $ign » Weekend » Wiz Khalifa Young Thug » Yung Lean » Yung Hurn UND VIELE MEHR...

#splash19 · facebook.com/wirsindsplash · splash-festival.de


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SCHLACHTHOF WIESBADEN MURNAUSTR.1 65189 WIESBADEN

02.06. DO

TYLER BRYANT & THE SHAKEDOWN

06.06. MO

SHEER MAG (KREATIVFABRIK)

13.06. MO

NIGHT BEATS

21.06. DI

PENNYWISE / GOOD RIDDANCE / SCHEISSE MINNELLI

03.07. SO

DISPATCH

13.07. MI

THE DEVIL MAKES THREE

15.07. FR

KING KHAN & THE SHRINES

18.07. MO

DAMIEN JURADO

29.07. FR

CAPTAIN CAPA

28.08. SO

BONAPARTE (STAATSTHEATER WIESBADEN)

25.09. SO

SSIO

30.09. FR

BIRDY

07.10. FR

OKTA LOGUE

12.10. MI

BLUES PILLS / KADAVAR

13.10. DO

TRÜMMER

18.10. DI

NEW MODEL ARMY

20.10. DO

DEAD KENNEDYS

26.10. MI

GRAHAM CANDY / SUPPORT: GOLDKRAUT

28.10. FR

NEONSCHWARZ / WAVING THE GUNS

04.11. FR

DRANGSAL

07.11. MO

OK KID

11.11. FR

THE LUMINEERS

12.11. SA

SWANS / SPECIAL GUEST: ANNA VON HAUSSWOLFF

21.11. MO

ROYAL REPUBLIC

Unser komplettes Programm findet ihr im Internet unter

schlachthof-wiesbaden.de

TickeTs gibT es unTer: pangea-fesTival .de oder im supremesurf shop, eselföTersTr. 26. 18055 rosTock

J J U U N N

BEDROOMDISCO PRESENTS

www.hafen2.net

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20. AUGUST 2016 WELTKUNSTZIMMER - DÜSSELDORF -

LIAM Ó MAONLAÍ & PETER O‘TOOLE (IRL) (HOTHOUSE FLOWERS)

SOL HEILO OF KATZENJAMMER (NOR) I AM KLOOT (UK) (JOHN BRAMWELL SOLO)

JOCO | THE MONOTROL KID (BE) FABER (CH) | JAY NASH (USA) NEPOMUK | LUISE WEIDEHAAS | CHAPLIN ARROWS | SPECIAL GUESTS: MACK DRIETENS

WELTKUNSTZIMMER DÜSSELDORF, RONSDORFER STR. 77A EINLASS 14:00 / BEGINN 15:00

PRÄSENTIERT VON:

WWW.ACOUSTIC-FESTIVAL.DE

LIVE MI 01 FR 03 SA 04 FR 10 SA 11 SO 19 FR 24 DI 28

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HAFEN 2

Spain Judy Birdland Mark Berube Tim McMillan Indigorado Rob Moir Francesca Lago Monsieur Periné

OPEN AIR KINO FR 03 Sand Dollars SA 04 Umrika FR 10 The Revenant SA 11 Brooklyn FR 17 Ein neues Leben SA 18 Agnes FR 24 El Clan SA 25 Suffragette HAFEN 2 Nordring 129, D 63067 Offenbach

UNTERSTÜTZT VON:

W W W . G O L D E N L E AV E S F E S T I VA L . D E


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U

Mi. 08.06. 19:00 Uhr

OPEN AIR 2016

TERMINE AB JUNI 2016

20.10.2016 AURORA <<Konzerte Im FZW>>

01/06 04/06 05/06 10/06 11/06 19/06 04/07 08/07

11/07 28/07 29/07

FZW POETRY SLAM DG SUMMER CLASH DG SUMMER CLASH MONSTERS OF FUN PUNK: ASTÜRZENDE BRIEFTAUBEN,U.V.A. SKUNK ANANSIE COUNTERFEIT SUMAC YOUTH BRIGADE FESTIVAL: EGOTRONIC, CHEFDENKER,U.V.A. THE BRONX+ FRANK CARTER & THE RAT TLESNAKES MOTHER TONGUE SPASTIC FANTASTIC FESTIVAL

30/07 LIVEUROPE STAGE @ JUICY BEATS FESTIVAL: BLONDAGE FKARANGLEKLODS, JOY CUT, RAZZ, IVAN & THE PARAZOL 05/08 06/08 13/08 16/08 18/08 14/09 16/09 23/09 24/09 27/09 29/09 -01/10 02/10 07/10 09/10 11/10 12/10 14/10

SIDO + MoTrip 24.06.2016 JAN DELAY & DISKO NO. 1 + NAMIKA 25.06.2016 DIE LOCHIS 26.06.2016 SPORTFREUNDE STILLER + MADSEN 28.06.2016 FRANK TURNER & THE SLEEPING SOULS + DOUGLAS FIRS 29.06.2016 MARK FORSTER + LOUANE 04.07.2016 KONSTANTIN WECKER & BAND 11.07.2016 CHRIS DE BURGH 12.07.2016 G3 JOE SATRIANI, STEVE VAI, THE ARISTOCRATS 13.07.2016 ELEMENT OF CRIME 14.07.2016 SARAH CONNOR 21.07.2016 NIEDECKENS 22.07.2016

Patti Smith

T.SHANHAN J.SMITH S.ROACHFORD

10.08. ESSEN LICHTBURG

Ticket-Hotline: 01806 – 999 0000 Mo-Fr 8-22 Uhr/Sa, So & feiertags 9-20 Uhr (0,20 €/Anruf aus dt. Festnetz/max. 0,60 €/Anruf aus dt. Mobilfunknetz)

INFOS: NOISENOW.DE · KUNSTRASEN-BONN.DE

18/10 19/10 HEINZ RUDOLF KUNZE 12/10 TEESY 20/10 AURORA 21/10 MADELINE JUNO 23/10 KONTRA K 26/10 ASP 05/11 LEAFMEAL FESTIVAL 11/11 SEVEN 12/11 DRANGSAL 14/11 SARAH & PIETRO 18/11 SHANTEL & BUCOVINA CLUB ORKESTAR INFOS & TICKETS WWW.FZW.DE

WWW.FACEBOOK.DE/FZWEVENT FZW | RITTERSTR. 20 | 44137 DORTMUND

Mi. 22.06. 19:00 Uhr

07.06. Zoom 21.00 maJid Jordan

Mit: ARKENTYPE, RENDEZVOUZ POINT

HALF MOON RUN

P

D

11.07. giBson 20.00 Jurassic 5

Sa. 11.06.2016 | Luxor, Köln

19.07. Palmengarten 19:30 ibEyi

Fr. 17.06.2016 | MTC, Köln

26.07. Palmengarten 19:30 sóLEy

special guest: Palisades

PROTEST THE HERO, BETWEEN THE BURIED AND ME & special guest

Mo. 15.08. 19:00 Uhr

EXODUS

03.09. Zoom 20:00 woLf aLicE

& special guest

Sa. 20.08. 16:00 Uhr

NEW NOISE FESTIVAL 11

Mit: H2O, FRANK CARTER & THE RATTLESNAKES, AS IT IS, ROAM u.v.m

Sa. 17.09. 17:00 Uhr

LAUT & LEISE!

Mit: MILLIARDEN, ABBY, ABRAMOWICZ, YOUNG CHINESE DOGS, LANTERNS ON THE LAKE Alter

Schlachthof

19

09.08. Palmengarten 19:30 an EvEning of words & music wiTh PaTTi smiTh

76131

Karlsruhe

www.substage.de

www.facebook.com substage.karlsruhe

15.09. Zoom 20:00 hoodiE aLLEn 18.09. Zoom 20:00 ThE Jayhawks 20.10. mousonturm 21:00 JacquEs PaLmingEr & 440 hz Trio 22.10. mousonturm 21.00 niLs PETTEr moLvaEr

26.10. BatschkaPP 20:00 konTra k.

TEHO TEARDO & BLIXA BARGELD JOSEPH ARTHUR SLAVES

Fr. 24.06.2016 | Blue Shell, Köln

MILLIARDEN Sa. 25.06.2016 | Palladium, Köln (Verlegt vom E-Werk)

Mo. 27.06.2016 | E-Werk, Köln

Mi. 29.06.2016 | E-Werk, Köln

Hopelessness Mo. 11.07.2016 | Luxor, Köln

THE DEVIL MAKES THREE Di. 19.07.2016 | Stadtgarten, Köln

NICK WATERHOUSE Fr. 29.07.2016 | Luxor, Köln

THE DEAD DAISIES Sa. 20.08.2016 | Live Music Hall, Köln

GOOD CHARLOTTE Di. 30.08.2016 | Essigfabrik, Köln

THE FALL OF TROY

special guest: Tiny Moving Parts

29.10. BrotfaBrik 20:00 hELgE TimmErbErg

Fr. 30.09.2016 | Palladium, Köln

Mi 01.06.16

14.11. caPitol of 20:00 bEginnEr

Di. 04.10.2016 | Palladium, Köln

Sa 04.06.16

28.11. BatschkaPP 20:00 maxim

niCola Conte Combo

Sa 04.06.16

the end of musiC festival

w/ MaNTaR, aHaB u.v.M.

voRScHau Sa 30.07.16

endless summer w/ Kero Kero bonito & hannah lees

Sa 01.10.16

alin Coen band

Do 06.10.16

eKo fresh

Do 17.11.16

stereo total

07.12. mousonturm 20:00 rocko schamoni & chrisToPh grissEmann 13.12. Zoom 21:00 fLo mEga 28.11. BatschkaPP 20:00 maxim 19.01. festhalle frankfurt 21:00 diE fanTasTischEn viEr

Di 22.11.16

STEEL PANTHER So. 09.10.2016 | Turbinenhalle, Oberhausen

BIRDY Di. 01.11.2016 | E-Werk, Köln

special guest: Tinpan Orange Fr. 25.11.2016 | Palladium, Köln (Verlegt vom E-Werk)

Sa. 26.11.2016 | Palladium, Köln

Mo. 28.11.2016 | Turbinenhalle, Oberhausen

the angelCy tickets mousonturm: TEL 069.405.895-20 www.mousonTurm.dE

Heidelberg / Am Karlstor 1 Telefon 0 62 21 . 97 89 11

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E

Di. 07.06.2016 | Kulturkirche, Köln

Di. 12.07. 19:00 Uhr

DISPATCH

T

NORTHEAST PARTY HOUSE

25.06. Zoom 21:00 frakTus

25.10. Zoom 21:00 madELinE Juno

Christian steiffen

A

Do. 02.06.2016 | Blue Shell, Köln

Fr. 01.07. 19:00 Uhr

18.10. BatschkaPP 21.00 samy dELuxE

PHILIPP DITTBERNER

BURY TOMORROW E-SPORTS PUBLIC VIEWING BEACH SLANG MUTOID MAN FARID BANG T-ZONE BENNE KARATE ANDI MAX GIESINGER WAY BACK WHEN FESTIVAL TANKCSAPDA THE BASEBALLS MUNCIE GIRLS EKO FRESH TEESY BAMBULE: FÜNF STERNE DELUXE, CURSE, MAIN CONCEPT,... DANJU

HAKEN

07.06. BrotfaBrik 20.00 JuLiEn bakEr

prime entertainment www.prime-entertainment.de


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#Preview #Demnächst #Katz und Goldt

Demnächst: Intro No. 244 — 27.06.2016

Shirley Manson, Biffy Clyro, Von wegen Lisbeth, Mura Masa, Roosevelt, #Style-Special zur Fashion Week, Reportage: Schülerproteste in der Olympia-Stadt Rio


presented by

B E LIE BTE R AL S B L AU E R HIM M E L:

D ER HELGA!® 2016

… und du bestimmst, wer ihn bekommt! Die Helga!-Jury soll in diesem Jahr zusammengesetzt sein wie ein kleines Festival. Dafür brauchen wir die Profis aus dem Backstage-Bereich, aber natürlich auch #festivalfanatics wie euch! Bewirb dich und sag uns, warum ausgerechnet du mehr über Festivals weißt als andere – alle Infos unter www.festivalguide.de/derhelga Der Helga!® ist der unabhängige Festival-Award, verliehen von


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