Intro #244

Page 1

#Pop #Kultur #Life #Style

Baden in warmen Frequenzen:

ROOSEVELT Metronomy—DJ Shadow—Shirley Manson—Biffy Clyro—Bibi Bourelly—

Maren Ade über »Toni Erdmann«—Mura Masa—Reportage: Schülerproteste in Rio

#244 Juli 2016 gratis www.intro.de



Editorial

Bild: Emma Lindström

#Intro

Es gibt kaum Schlimmeres als diese allzu offensichtlichen Sommerhits, die klingen, als hätte man sie auf einer Sonnenbank gezüchtet. Can’t stop the feeling, dass auch ein Justin Timberlake debilen Mist abliefert, wenn er sich daran versucht – und natürlich trotzdem damit durchkommt. Aber egal: Wir haben unsere Sommerhits direkt in der Nachbarschaft gefunden und deshalb einen jungen Mann auf dem Cover, den andere Musikzeitschriften vermutlich noch eine Weile auf die Weide schicken würden, weil sein Gesicht noch nicht so bekannt ist. Wir finden aber: Wenn es einen Künstler gibt, der das Zeug und den Sound hat, in diesem Sommer international zu punkten, dann der Kölner Marius Lauber alias Roosevelt. Der vereint auf seinem Debüt gleich ein Dutzend Sommerhits, die man wahrscheinlich auch im Winter noch gerne hören wird. So was schafft selbst ein Timberlake nicht. Dazu gibt’s weitere heiß gehandelte Namen wie Mura Masa und Bibi Bourelly, aber auch IntroVertraute wie Joseph Mount von Metronomy und alte Heldinnen wie Shirley Manson von Garbage. Für unseren #Kultur-Teil trafen wir derweil die Dame, die halb Cannes verrückt gemacht hat: Regisseurin Maren Ade. Und da uns politische Themen weiterhin wichtig sind, berichtet Astrid Kusser in unserer Reportage von den Schülerprotesten in Rio de Janeiro, an denen auch die im August startende Olympiade nicht ganz unschuldig ist. Die nächste IntroAusgabe gibt es dann wieder im September. Kommt gut durch den Sommer, oder trefft uns bei unserem Hausfestival Melt! bei Roosevelt in der ersten Reihe! Daniel Koch (im Namen der Redaktion)

3


4

Das Leben der Anderen

DAS LEBEN DER ANDEREN

Genau so stellen wir uns das vor: Da denken wir, unsere Autorin Hannah Bahl hätte sicherlich Freude an einem Interview mit Metronomy, schicken ihr eine Mail mit der entsprechenden Anfrage – und zurück kommt dieses Polaroid, das Hannah (Bildmitte) beim Feiern mit der Band in New York zeigt. Ob es beim erneuten Zusammentreffen in Berlin wieder Drinks gab, erfahrt ihr auf Seite 50.

In dieser Ausgabe zieren die Farbexplosionen von Emma Lindström aus Göteborg unsere Trennerseiten. Die junge Künstlerin hat eine intensive Verbindung zur Musik: »Bevor ich mich in den kreativen Arbeitsprozess stürze und von ihm leiten lasse, lege ich passende, meist dreamy klingende Musik auf«, sagt sie. Kaum verwunderlich, dass sie mit ihrem Ehemann ein Bandprojekt namens Canigou betreibt und musikalisch auf den Spuren von Beach House und Warpaint traumwandelt. Ein Interview mit Emma und ihre Songs findet ihr auf intro.de unter #Emma Lindström.

Aus der Redaktion Dominik: »Ich kann ganze ›Simpsons‹Staffeln in meinem Kopf abrufen, da ist die ›Tetris‹-Melodie mein geringstes Problem.«

Den haben sie sich verdient: Als feststand, das Chai Khat unseren Wettbewerb »Mutti, wir spielen Melt!« für sich entscheiden konnten, postete Bandmitglied Kai auf seinem Instagram-Account dieses Bild und bedankte sich bei den Supportern. Die Herren werden mit ihrem wavigen Düsterpop am Wochenende vom 15. bis 17. Juli auf der Melt! Bühne zu sehen sein. Ein Interview mit Chai Khat gibt’s dann im nächsten Heft.

Hier seht ihr Astrid Kusser bei einem Interview für die Reportage über die Schülerproteste in Rio de Janeiro, die ihr ab Seite 70 findet. Die in Brasilien lebende Journalistin, die zum Beispiel auch für Der Freitag und Missy arbeitet, war schon zuvor für unser Magazin aktiv: 2012 schrieb sie eine Reportage über eine Mordserie in der BaileFunk-Szene in São Paulo. Die könnt ihr auf intro.de unter #Baile Funk noch einmal nachlesen.

Carsten [zu Senta, die mit einem Chewbacca-Rucksack kuschelt]: »Hoffentlich bekommst du mal ein sehr, sehr haariges Kind!« Frederike: »Alles, was irgendwie scheiße ist, wurde nach Menschen benannt. Hartz IV zum Beispiel.« Wolfgang: »Damals, als wir das Scheue Reh geschlagen haben …«


Inhalt

INHALT #Intro

#Pop

Bilder von: Jane Mechner, Jürgen Teller,

Melodien-Shaker: Roosevelt 36

John Tiberi 8

Biffy Clyro: Kein Drama, Baby 40

Schreibt Songs für Rihanna: Bibi Bourelly

12

Cover-Welten: Schaukeln 42

Am Tresen mit Volker Hauptvogel 14

Shirley Manson entblößt ihr Herz 44

Mura Masa: Popstar statt Surfer 16 Auftakt mit: Deftones, Kratzen & Beißen,

Haulihuetzschri, Weval, Nite Jewel

All das und viel mehr: DJ Shadow

48

Ganz in Weiß: Metronomy 50

The Low Anthem, Strumbellas, Augustines, Ωracles, Egon Forever, Oum Shatt,

Von Wegen Lisbeth: Seltene Exemplare 46

18

#Kultur Maren Ade über »Toni Erdmann« 54 »High-Rise«: Wolken kratzen mit Ben Wheatley 56 Zachary Quinto: Let There Be Spock 57 Roland Emmerich über »Independence Day: Wiederkehr« 58 Neue Filme: Im Kino und auf dem Sofa 59 Neue Games: »Doom« ist wieder da 66

#Life Reportage: Schulbesetzung in Rio 70 Rezepte der Popkultur: Lachsschaumspeise 76 Ich möchte Teil einer Bewegung sein: Critical Mass 78

#Style Modestrecke: »Mode auf Reisen« 80 Havaianas 87 Technik: Festival-Gadgets 88

#Review

Foto: Lukasz Wierzbowski

Platten vor Gericht 92 Neue Platten: The Avalanches, Band Of Horses, Bat For Lashes, Bear’s Den, Blossoms, Jake Bugg, Chakuza, Descendents, Dinosaur Jr., Flume, Michael Kiwanuka, MSTRKRFT, Róisín Murphy, Nao, Swans, Teesy, Weval und viele mehr 94 Impressum / Dein Intro 6 Abo 13 Katz & Goldt / Demnächst 130

#Preview Intro empfiehlt /Kalender 116 Festivals 118

5


6

#Dein Intro

DEIN INTRO Und wo warst du im Juli/ August 2006? Intro #140

Covergeschichte Was macht bloß Nelly Furtado auf un-

serem Cover? Na, immerhin saß Timbaland als Hauptproduzent an den Reglern – und manchmal gar am Mikrofon. Noch dazu ist Electro-Produzent Mathew Jonson ein guter Jugendfreund von Nelly – Grund genug, die beiden an einen Tisch beziehungsweise in eine Telefonleitung zu bitten. Storys Slut, TVG, Vito, My Little Airport, De Rosa, Thomas Schumacher, Travis Blaque, Mobilé, The Rifles, Muse, Niobe, Joan As A Police Woman, Iggy Pop, TV On The Radio, Thom Yorke, ESG, Peaches, Razorlight Wichtige Alben Billy Talent »Billy Talent II«, Mia. »Zirkus«, Eko Fresh »Hart(z)IV«, Feist »Open Season«, Frank Black »Fast Man, Raider Man«, Joan As A Police Woman »Real Life«, Jamie Lidell »Multiply Additions«, The Divine Comedy »Victory For The Comic Muse«, The Sounds »Dying To Say This To You«, TV On The Radio »Return To Cookie Mountain«, WhoMadeWho »Green Versions« Platten vor Gericht Sieger: Gnarls Barkley – 7,11 / Letzter: Angels & Airwaves – 2,84 Besondere Vorkommnisse Ein 100.000-Seiten-Roman beziehungsweise Interview mit Iggy Pop. Na gut: Der Text wird nur auszugsweise im Heft gedruckt, der Rest findet sich online wieder. Autor ist Jonathan Shaw, Sohn der JazzLegende Artie Shaw, Gonzo-Journalist und Tätowierer. Damals arbeitete er an einer Dokumentation über Iggy Pop. Schlagzeile des Monats Mit der Pinguinale feiert der Wuppertaler Zoo 125-Jähriges / Natascha Kampusch wird in Niederösterreich gefunden / Rudi Carrell stirbt im Alter von 71 Jahren.

IMPRESSUM Verlag Intro GmbH & Co. KG, Oppenheimstraße 7, 50668 Köln Fon +49 221 94993-0, Fax +49 221 94993-99 verlag@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de Herausgeber & Geschäftsführer Matthias Hörstmann Chefredakteur Daniel Koch (V.i.S.d.P.) Stellv. Chefredakteur Wolfgang Frömberg Artdirector Holger Risse Projektleitung Martin Lippert Redaktion Senta Best (#Life), Wolfgang Frömberg (#Kultur), Daniel Koch (#Pop), Christian Steinbrink (#Review), Frederike Ebert (#Style), Frederike Wetzels (Foto), Kristina Engel (Lektorat), Șermin Usta (Volontariat) Redaktionsassistenz Alexandra Heckel Live-Redaktion Carsten Schumacher, Julia Brummert, Thomas Lorber Layout Jörn C. Osenberg (osi) Online- & News-Redaktion (news@intro.de) Philip Fassing (Leitung Digitale Medien & Produktentwicklung), Bastian Küllenberg (Leitung Digitale Medien & Social Media), Christian Fernandes Ferreira Terminredaktion termine@intro.de Texte Lena Ackermann, Aida Baghernejad, Hannah Bahl, Emanuel Bergmann, Kristof Beuthner, Alex Bohn, Jan Bojaryn, Annett Bonkowski, Andreas Brüning, Dominik Bruns, Cay Clasen, Dominik Djilaeu, Doc Intro, Elisabeth Eberhardt, Valentin Erning, Lars Fleischmann, Lisa Forster, Boris Fust, Nina Gierth, Steffen Greiner, Claudius Grigat, Elisabeth Haefs, Henrik Hamelmann, Nils Herrmann, Mark Heywinkel, Salwa Houmsi, Leopold Hutter, Christian Ihle, Ulf Imwiehe, Paula Irmschler, Sebastian Jegorow, Madleen Kamrath, Astrid Kusser, Kerstin Kratochwill, Mario Lasar, Julia Maehner, Konstantin Maier, Nadja Neqqache, Sarah Neuhaus, Katja Peglow, Kerstin Petermann, Olaf Radow, Verena Reygers, Henje Richter, Martin Riemann, Felix Scharlau, Christian Schlodder, Simone Schlosser, Kira Schneider, Michael Schütz, Hanno Stecher, Christian Steigels, Till Stoppenhagen, Thorsten Streck, Gabriele Summen, Karola Szopinski, Klaas Tigchelaar, Jan Tölva, Stephan Uersfeld, Nisaar Ulama, Daniel Voigt, Linus Volkmann, Benjamin Walter, Timo Weber, Jan Wehn, Liz Weidinger, Michael Weiland, Holger Wendt, Kai Wichelmann, Katrin Wiegand, Gregor Wildermann, Sebastian Witte, Peter Wittkamp, Fabian Wolff, Marius Wurth, Louisa Zimmer, Menachim Zwartmann Cover Frederike Wetzels Illustrationen Julia Feller, Peter Hoffmann, Alexandra Ruppert Fotos Mustafah Abdulaziz, Dani Dacorso, Christian Debus, Patrick Desbrosses, Jakob&Hannah, Julie Lansom, Joseph Wolfgang Ohlert, Max Pigott, Noel Richter, Liam Ricketts, Christine Rudi, Igor Termenon, Lukasz Wierzbowski, Alba Yruela, Pressebildfreigaben und Getty Images Personal & Organisation Rebecca Wast (Leitung), Anika Winter Praktikantinnen Angela Klein, Christine Rudi, Sophia Sailer, Maja Stock Vertrieb Dominik Raulf (Leitung – Fon +49 221 94993-41) Abo Moritz Tontsch (abo@intro.de) Brandmanagement Eike Wohlgemuth Vermarktung Director Sales & Marketing Oliver Bresch (Fon +49 221 94 993-13) (Marken & Media) Head of Sales Intro Martin Lippert (Fon +49 221 94 993-17) (Musik, Film, Marken) Büro Köln Fon +49 221 94 993-Durchwahl: David Winter -63 (Head of Digital Sales / Marken & Media), Sabrina Esser -33 (Marken & Media), Kathrin Marion Fischer -75 (Digital Sales) Büro Berlin Fon +49 30 4036705-Durchwahl: Sebastian F. Dudey -11 (Live Entertainment & Kleinanzeigen), Frank Straessner -20 (Marken, Media & Musik) Auftragsannahme & Administration Eva Sieger (Leitung) -14, Florian Schuster -16 Fax +49 221 94 993-88 Aktuelle Anzeigenpreisliste: Mediadaten 2016 (Nr. 26 aus 11/2015) Download Mediaunterlagen hoerstmann.de/mediadaten Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G., BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900

Wir freuen uns ja immer, wenn uns auf Instagram oder Facebook Fotos von eurer Intro-Lektüre erreichen. Da stehen die Chancen gar nicht schlecht, mal auf dieser Seite aufzutauchen. Vor allem, wenn man so eine sweete Inszenierung aufbietet wie der Instagram-User @iwasmitglitzer. Wir hoffen, die Lektüre mundete ebenso schmackhaft wie das Gebäck!

Von wegen Sommerloch! Gute Musik erscheint auch im Juli und August. Mehr, als in dieses gedruckte Heft passte. Auf intro.de unter #Interview findet ihr deshalb weitere Gespräche. Zum Beispiel mit Seeed-Sänger Dellé (Foto), der mal wieder ein Soloalbum an den Start bringt, oder mit den jungen, wütenden Herren von Heisskalt.

Termine für Nr. 245 / September 2016. Redaktionsschluss: 05.08.2016; Termin- & Anzeigenschluss: 12.08.2016; Druckunterlagenschluss: 16.08.2016; Erscheinungstermin: 29.08.2016 Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen IVW-geprüfte Auflage & Verbreitung I. Quartal 2016 Druckauflage: 84.979 / verbreitete Auflage: 82.662 (Durchschnittszahlen) Bezugsquellen Erhältlich an 1.236 Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet sowie im Abonnement Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, 100% Altpapier. Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos!


klopapier klopapier

sonnenbrille sonnenbrille

zahnbĂźrste zahnbĂźrste

kondom kondom

kamera kamera

taschenmesser taschenmesser

ravioli ravioli

becher becher

tabletten

gaskocher

sonnencreme

tabletten

gaskocher

sonnencreme

vielviel koffein

vielviel koffein


8


9

Ob sein Nachname Pate für diese Bildidee stand? Womöglich schon. Während er sonst auch schon mal Fotos von Kim Kardashian und Kanye West in der französischen Pampa schießt, beweist Jürgen Teller, dass Pimmel und Rosen ganz hervorragend miteinander korrespondieren – jedenfalls auf Tellern. Seine Ausstellung »Enjoy Your Life« ist noch bis zum 25. September in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen.


10

Die eisige Gletscherspalte zwischen Jugend- und Erwachsenenalter wird mit den Jahren gefühlt immer schmaler. Kein Wunder, dass sich die bösartige Schlinge namens Midlife-Crisis von Jahr zu Jahr schneller zuzieht. Und dann? Welcome to Quarterlife-Crisis! Das beste Gegenmittel? Na, wie immer: ordentlich Humor in den Backen! Jana Mechner und das GIRLS / CLUB Magazine zeigen, wie's geht.


11

Herzlichen Glückwunsch, liebe Punkbewegung! Auch wenn man das Jahr sicherlich nicht zu 100 Prozent festzurren kann – irgendwann muss man ein Jubiläum ja schließlich feiern. Zu diesem Anlass widmet die Galerie Carla Sozzani in Mailand dem Beginn der Londoner Punkszene noch bis zum 28. August die Ausstellung »Punk in Britain«. Auf diesem Bild: Soo Catwoman, fotografiert von John Tiberi


12

#Pop #Bibi Bourelly

Bibi Bourelly

»SCHISS IST EINE AUSREDE« #Pop — Als Songwriterin von Rihannas »Bitch Better Have My Money« hat Bibi Bourelly im letzten Jahr ausreichend für Gesprächsstoff gesorgt. Nun meldet sich die 21-Jährige mit ihrer ersten EP »Free The Real Part 1« zu Wort. Sermin Usta traf die Sängerin in der Stadt, in der alles anfing und deren Namen sie demonstrativ als Tattoo im Nacken trägt: Berlin. Foto: Joseph Wolfgang Ohlert

A

ls ich hörte, dass eine junge, unbekannte Berlinerin einen Song für Rihanna geschrieben haben soll, konnte ich es fast nicht glauben.

Mir erging es ähnlich, als ich den Auftrag dafür bekam. Und auch, wenn ich schon da wusste, dass noch mehr von mir kommen wird als dieser eine Track für sie, bin ich noch heute irgendwas zwischen überglücklich und überfordert, wenn ich daran denke. Aufgrund deiner Attitüde wurdest du in Musikbranchen-Kreisen oft als eine Art Rebellin angepriesen. Ist dir das bewusst?

Klar, aber ich lasse es nicht zu. Ich ecke an, aber ich bin nur hinter meinem Traum her, mehr nicht. Es ist wirklich traurig, wie abgefuckt die Musikindustrie ist. Und damit meine ich die Scheiße, die hinter den Kulissen passiert. Es nervt mich, dass so etwas Pures wie Musik in so einer Umgebung geschaffen wird. Das ändern zu wollen macht mich nicht zur Rebellin.

zuzuhören. Und das sage ich, obwohl ich auf einer der liberaleren Schulen Berlins war. Mich hat gestört, dass weder die Schüler noch die Lehrer Lust hatten, wir den Stoff aber trotzKann diese Wut auch inspirierend sein? dem lernen mussten. Nur weil jemand sagt, Mir hilft das, ja. Die besten Songs schreibe ich, man muss das tun. wenn ich etwas zu sagen habe. Ich weiß nicht, Mit 16 Jahren hast du dann Berlin verlassen wie es sich anfühlt, einen Mann zu lieben. und bist zu deiner Tante nach Washington Ich war noch nie verliebt. Ich schreibe Songs, gezogen. Von dort aus ging es weiter nach wenn ich glücklich, wütend oder traurig bin, Los Angeles. Nicht viele hätten den Mut zu diesem Alleingang gehabt. aber nicht über die Liebe. Trotz allem hast du dich für diesen Weg entschieden, und das ohne Schulabschluss. Quasi ohne Sicherheiten.

Ey, auch ich hatte Angst. Das Leben ist manchmal so Angst einflößend. Trotzdem sage ich, dass Schiss eine Ausrede ist. Stell dir eine Weide mit grasenden Kühen vor. Alle sind happy mit ihrer Situation, nur eine Kuh denkt sich: »Ey, Digga, hinter dem Zaun ist es viel sonniger!« Sie versucht den Zaun zu überwinden, obwohl die anderen Kühe sie davon abhalten. Ich habe damals oft aus dem Fenster geschaut und gedacht: »Das kann nicht alles sein. Ich drehe noch durch.« Deswegen habe ich alle Chancen genutzt, die sich mir geboten haben. — Bibi Bourelly »Free The Real (Part 1)« (Def Jam / Universal) — Mehr Interview auf intro.de

»Ich bin hinter meinem Traum her, mehr nicht. Es ist wirklich In der Schule lernt man nicht, frei zu den- traurig, wie abgefuckt die Musikindustrie ist. Und damit meine ken oder etwas Neues zu erschaffen, sondern ich die Scheiße, die hinter den Kulissen passiert.«



14

#Kultur #Volker Hauptvogel

Volker Hauptvogel

DAS TIER IN IHM #Kultur — Volker Hauptvogel prägte mit seiner Band Mekanik Destrüktiw Koman­döh einst die Westberliner Subkultur. Frank Willmann sprach mit ihm am Tresen über sein Leben – und über den dazugehörigen Roman. Foto: Christian Debus

I

ch treffe Volker Hauptvogel, einst Sänger der er. Gegenkultur ohne aufgesetzten Ernst oder in den 1980ern aktiven Westberliner Band Westberliner Verklärung. Im Buch wird gesofMekanik Destrüktiw Komandöh (MDK), in fen, gekifft, gevögelt – und Politik gemacht. »Es der Kreuzberger Kaschemme Club 49. »Wir heißt ›Fleischers Blues‹, weil die Politikbewewaren begnadete Dilettanten. Manche sagen, gung damals den Blues hatte.« Ein weltkluges, wir hätten damals Punkrock gespielt. Für ande- ironisches Spaßbuch über eine Zeit, als der re war es Hardrock oder Freejazz.« Er lacht und Beton manchmal brannte und Kreuzberg in schaut mich mit seinen lustigen Augen an. Ich der biederen BRD ein gefürchteter Ort war, wo habe MDK 1984 einmal im Kreuzberger Block- für viele Kids der Generation Bausparvertrag schock gehört. Hauptvogel sang vom »Tier der Abstieg in die Hölle lauerte. »Wir waren in mir, das lebt«. Ich war sofort Fan. Der »Wir waren glücklich in unserem wundersamen knapp 60-jährige Biotop als Westberliner Freaks. Anarchistisch, Sänger, Schauspieler, links und offen für alles. Dope war der Schlüssel Gastronom und neuerdings Autor lehnt zum Glück, ich habe auch damit gedealt.« cool am Tresen und schlabbert am mittelspäten Nachmittag ein glücklich in unserem wundersamen Biotop als erstes Bierchen. Vor Kurzem ist sein Roman Westberliner Freaks. Anarchistisch, links und »Fleischers Blues« erschienen, der sich auf offen für alles. Häufig war Dope der Schlüssel halbdokumentarische Weise mit dem guten zum Glück, ich habe auch damit gedealt.« alten Westberlin beschäftigt. Er lächelt, steckt sich eine Kippe an. Die Fleischer ist das Alter Ego von Hauptvogel. ergrauten Koteletten, ein Jackett im KaroIm Buch huscht Blixa Bargeld dürr und düster muster – Hauptvogel ist eine imposante Ernebst weiteren Protagonisten der einstigen scheinung. Er hat das Leben mit all seinen Mauerstadt durch die Kreuzberger Nächte. Höhen und Tiefen erfahren: »Um 1984 sind Auch eine Polizistin kommt vor – als Flei- MDK durch Heroin zusammengebrochen. Ich schers Geliebte. »Wir haben streng getrennt nutzte meine Popularität und machte eine Bar zwischen Ficken und Klassenkampf!« erklärt auf, den Pinguin Club. Vier Jahre Dauerparty waren genug, 1989 öffnete ich das Restaurant Storch und zog an den Stadtrand. Irgendwann in den Nullerjahren konnte ich keine Köche und Kellner mehr sehen.« Also zog er zurück nach Kreuzberg, begann wieder zu musizieren und vom Lebensroman zu träumen. »Erlebt hatte ich genug. Ich habe mit Unterbrechungen sechs Jahre daran geschrieben und besitze zum Glück genug Freunde, die mir immer wieder in den Arsch traten, wenn es mit der Schreiberei stockte!« Und wie geht es weiter? »MDK sind auferstanden, wir geben wieder Konzerte. Teil zwei und drei der Fleischer-Geschichte schwirren schon in meinem Kopf.« — Volker Hauptvogel »Fleischers Blues« (Martin Schmitz Verlag, 240 S., € 14,80) — »Fleischers Blues« (Hörbuch, gelesen von Guntbert Warns / Deutsche Grammophon, 4 CDs, € 16,99)


Festivals am Puls der Stadt Die Zeiten, in denen ein Festivalbesuch vor allem Staub, Acker, Zelten und Mückenplage bedeutete, sind lange vorbei. Zwar gibt es diese eher klassische Open-Air-Erfahrung immer noch, aber wer heute am Puls der Zeit sein will, setzt auf den perfekten Dreiklang aus Airbnb, City-Tourismus und Festivaleuphorie. Dass diese Kombination heutzutage möglich ist, liegt an den Entwicklungen in den letzten Jahren. Airbnb hat das Reisen im Allgemeinen und den Metropolentourismus im Besonderen revolutioniert. Auf der Airbnb-Plattform findet man nicht nur preiswerte und leicht zu buchende Alternativen zum klassischen Hotelaufenthalt, sondern auch die Chance, tatsächlich in das Leben der Metropole einzutauchen. Zum einen weil man dank Airbnb die Möglichkeit hat, in authentischen Kiezen zu wohnen, zum anderen weil die Gastgeberinnen und Gastgeber, die ihre Wohnungen dort anbieten, stets bemüht sind, jenes Wissen, das man nur als Bewohner einer Stadt hat, mit ihren Gästen zu teilen. Parallel dazu haben sich immer mehr urbane Festivals etabliert. Statt eines eingezäunten Konzertmarathons in der Pampa wartet vor den Türen noch eine ganze Stadt, die es zu entdecken gibt. Es wäre ja auch zu schade, wenn man beim Øya in Oslo, beim Flow Festival in Helsinki, beim Roskilde in der Nähe von Kopenhagen oder beim Sziget in Budapest nur das Open-Air-Gelände zu sehen bekommt. Addiert man diese Komponenten, ergibt das unterm Strich den perfekten Städtetrip für Musik- und Popkulturhungrige: Tagsüber streift man nach einem ausgiebigen Frühstück in der Wohnung des Gastgebers ausgeschlafen und frisch geduscht über diese modernen Festivals und lässt sich von der Livemusik berauschen, nachts zieht man mit den Geheimtipps des Gastgebers – oder gleich in dessen Begleitung – durch die Clubs und Bars, die nicht jeder Touri auf dem Schirm hat. Und wenn das Festivalwochenende vorbei ist, hängt man einfach noch ein paar Tage dran, um all die Plattenläden, Galerien und Modegeschäfte zu besuchen, die man während des Festivals nicht geschafft hat! Oder aber man bleibt einfach mal liegen – auf dieser schicken Sonnenterasse, die einem beim Suchen und Buchen auf der Airbnb-Website gleich ins Auge gesprungen ist ...


16

#Pop #Mura Masa

Mura Masa

DIESER SELTSAME JUNGE #Pop — Alex Crossnan alias Mura Masa bezeichnet sich selbst als »seltsam« und als »zu schüchtern fürs Studio«. Mit seinen vielschichtigen Entliebungssongs erobert er aber gerade die Herzen im Sturm. Sein Debüt »To Fall Out Of Love To« lässt noch auf sich warten. Annett Bonkowski traf ihn trotzdem schon mal – nicht zuletzt, weil Mura Masa einer der Geheimtipps auf dem diesjährigen Melt! Festival ist. Foto: Jakob & Hannah

W

Crossnan sagt: »Ich gehe nur selten ins Studio, weil ich schüchtern bin. London hat sich zunächst komisch für mich angefühlt, aber ich bin stolz, dieser seltsame Junge zu sein, weil Guernsey so isoliert von allem erscheint. Es ist fast schon ein Tabu, als Musiker die Insel zu verlassen.« Im Notfall hätte er sein Wunsch-Exil aber schon längst in einem anderen Inselstaat gefunden: Japan. Seine Affinität zur japanischen Kultur steckt bereits im Namen Mura Masa, der auf den Mythos eines Schwertschmieds zurückgeht. Dass er seine Tracks gerne mit fernöstlichen Sounds füttert, schuldet er seiner Kinderzimmer-Liebe zu Nintendo und Pokémon: »Ich habe viele Stunden mit Videospielen und Anime verbracht und war schon immer

enn man im Insel-Idyll Guernsey aufwächst, dürfte zwar »Surfer« auf der Liste beruflicher Optionen vorkommen, »Popstar« aber eher nicht. Clubs sind auf der sonnenverwöhnten britischen Kanalinsel eher Mangelware. Gut, dass es inmitten dieser Isolation aber Laptops und mit nur wenigen Klicks auch viele virtuelle Zuhörer gibt. Dank seiner SoundCloud-Popularität im Zuge der ­»Someday Somewhere«-EP spielt der 20-jährige Newcomer mit der blonden Wuschel- »Ich finde es reizvoller, Dinge zu betrachten, mähne mittlerweile die vorbei sind und dadurch langsam in der ausverkaufte ClubFerne verblassen. Sich zu entlieben gehört für Shows und landete in den Top 5 des »BBC mich zum Erwachsenwerden dazu.« Sound of 2016«-Polls. Dabei ist das Debüt mit dem Arbeitstitel an japanischer Kultur interessiert. Alles basiert »To Fall Out Of Love To« noch nicht einmal auf Respekt und Bescheidenheit, beides ist mir offiziell angekündigt. Während sich immer sehr wichtig.« Wegbereiter wie James Blake mehr Leute in seine Musik vergucken, schreibt gaben Crossnan darüber hinaus den nötigen Mura Masa ein Album über das Entlieben. In Mut, die eigene musikalische Vision zu verfolelektronisch-tanzbarer Form und mit einer gen: »Seine Songs basieren nicht auf stumpfen persönlichen Erkenntnis: »Über das Verliebt- Dance-Beats, sondern auf einer gewissen Intelsein zu schreiben ist langweilig. Ich finde es ligenz, Beats mit einer Melodie und richtigen reizvoller, Dinge zu betrachten, die vorbei sind Instrumenten zu verbinden. Genau diesen und dadurch langsam in der Ferne verblassen. Ansatz verfolge auch ich mit meiner Musik.« Sich zu entlieben gehört für mich zum Er- Nicht gerade die schlechteste Referenz, um die wachsenwerden dazu. Man lernt, dass nicht Neugier auf sein Debüt zu steigern. alles rosarot gefärbt ist.« Nur die Heimarbeit mit DIY-Charakter ist selbst nach dem Um- — Mura Masa »To Fall Out Of Love To« zug nach London davon ausgenommen, wie — Auf Tour vom 06. bis 10.11.


Abo

#ABO

Abonnier uns: 10 × Intro, 1 × Festivalguide und eine Prämie. Für nur 30,– Euro.* www.intro.de/abo

DIE ABO-PRÄMIEN, EMPFOHLEN VON INTRO

Eva Husson Bang Gang

Oum Shatt Oum Shatt

Stephen Fingleton The Survivalist

BD – Pierrot LeFou / Al!ve

LP – Snowhite / Rough Trade

BD – Pierrot LeFou / Al!ve

Pablo Trapero El Clan

Weird Al Yankovic UHF

BD – Prokino

DVD/BD-Mediabook – Capelight / Al!ve

Jay Roach Trumbo BD – Paramount / Universal

em p f o h l e n n vo

ww

w

Metronomy Summer 08 LP – Because / Warner

Roosevelt Roosevelt

. in

tro. de

LP – City Slang / Universal

* Abo-Preise: Inland 30 € (inkl. Prämie), Ausland 35 € (exkl. Prämie), Ausland 42 € (inkl. Prämie). Abo-Dauer: ein Jahr, danach automatische Verlängerung. Das Prämien-Kontingent ist begrenzt – keine garantierte Lieferung der Wunschprämie. Prämienversand erst nach VÖ-Termin der Prämie und Zahlungseingang. Vorzeitige Abo-Kündigung berechtigt nicht zur Erstattung etwaiger Restbeträge. Bestellwiderruf bis vierzehn Tage nach Bestelldatum möglich. Alle Details: siehe intro.de/abo.

17


#Pop

Mein Song und seine Geschichte

DEFTONES »MY OWN SUMMER (SHOVE IT)« D #Pop — Im April ist ihr achtes Studioalbum »Gore« erschienen, und in zwei Jahren feiert die Band aus Sacramento, Kalifornien den 30. Geburtstag. Obwohl sie die Stilschublade »Nu Metal« unabsichtlich mit erschaffen haben (und sich davon stets distanzierten), waren die Deftones immer bloß eine sehr bekannte Underground-Band, deren Sperrigkeit und stilistische Variationen den großen Durchbruch vereitelten. 1997 landeten sie mit »My Own Summer (Shove It)« dennoch das erste Mal in den britischen Charts. Sänger Chino Moreno erinnert sich noch gut, wie der Song entstand.

as war einer der letzten Songs für das »Around The Fur«Album, wir waren im Studio in Seattle und fast fertig mit den Aufnahmen. Im Erdgeschoss gab es einen Raum mit einer Tischtennisplatte und Drum-Machines, wo wir immer rumhingen. Das Zimmer lag direkt unter dem Aufnahmeraum. Stephen war oben und probierte auf der Gitarre herum, während ich unten saß. Auf einmal spielte er dieses Riff, das später zum Grundelement für den Song wurde. Ich rannte sofort hoch und sagte ihm, er solle das noch mal spielen und loopen. Dann bat ich Chi, eine flüssige, absteigende Basslinie zu dem Stakkato-Riff zu spielen. Schließlich kam Abe dazu und lieferte einen SchlagzeugPart, innerhalb von ein paar Stunden war der Song fertig. Ich habe auf der Stelle die Lyrics dazu geschrieben, die sich inhaltlich mit dem Apartment beschäftigen, in dem Abe, Stephen und ich zu der Zeit lebten. Es lag direkt am Wasser, am Puget Sound in Seattle. Morgens war es immer wahnsinnig lichtdurchflutet und hell, ich hatte extra Zinnfolie vor die Fenster geklebt, damit wir nach durchfeierten Nächten ein wenig schlafen konnten. An einem Morgen kam früh die grelle Sonne durch irgendeine Nahtstelle, ich wurde wach und war sauer, die Straßen waren menschenleer, und das Licht erzeugte so eine apokalyptische Stimmung im ansonsten dunklen Zimmer. Die gesamte Platte wurde innerhalb von vier Monaten geschrieben, aufgenommen und gemischt, die schnellste Albumproduktion in der Bandgeschichte. »My Own Summer« macht nach all den Jahren noch immer großen Spaß als Song im Liveset und ist deshalb fester Bestandteil bei jedem Konzert. Aufgezeichnet von Klaas Tigchelaar — Deftones »Gore« (Reprise / Warner)

Deftones »My Own Summer (Shove It)« Hey you, big star, tell me when it’s over Hey you, big mood, guide me to shelter ‘cause I’m through when the two hits the six and it’s summer Cloud Come (shove it) [x3] Shove (shove it) [x3] The sun (shove it) [x3] Aside (shove it aside) I think god is moving it’s tongue There’s no crowd in the streets And no sun in my own summer The shade is a tool, a device, a savior See, I try and look up to the sky But my eyes burn Come (shove it) [x3] Shove (shove it) [x3] The sun (shove it) [x3] Aside (shove it aside) I think god is moving it’s tongue There’s no crowd in the streets And no sun in my own summer Come (shove it) [x3] Shove (shove it) [x3] The sun (shove it) [x3] Aside (shove it aside)

Foto: Mike Hutson / Getty Images

18


#Pop

3 Fragen an …

19

Euer neues Album klingt ganz schön groß. Als würden die Songs eher in Arenen als in Clubs passen. Hattet ihr das so im Sinn?

AUGUSTINES #Pop — Wer Augustines einmal live gesehen hat, wird sie so schnell nicht vergessen. Beim Tourstopp in Köln stand Sänger Billy McCarthy etwa bei der Zugabe hinter der Theke, zapfte ein paar Kölsch und sang dabei zum Gitarrenspiel von Eric Sanderson unverstärkt ein Lied vom Trinken und Scheitern. Michael Schütz traf die beiden für ein kurzes Gespräch über ihre neue LP »This Is Your Life« und »diese elendige Trump-Scheiße«.

Eric Sanderson: Groß? Ich weiß nicht. Wir wollten eher eindeutiger klingen. Als wir das Debüt aufnahmen, hatten wir gerade eine emotional schwere Zeit, und deshalb klingt es fast wie eine Dokumentation. Beim zweiten Album dachten wir, uns ginge es besser. War aber nicht so – deshalb klingt auch das manchmal gebrochen. Diesmal wussten wir genau, wie wir klingen wollten, und haben auf dem Weg dahin die Schnörkel und Irrwege ausgelassen. Billy McCarthy: Ich versuche immer, direkt nach der Tour zu einem Album neue Songs zu schreiben. Ich will mich an dieses Gefühl auf der Bühne erinnern. Deshalb hat es schon Einfluss, dass unsere Konzerte größer werden. »This Is Your Life« klingt fast zynisch, euer Sound aber eher hymnisch. Wie ist der Titel gemeint?

ES: Es soll schon eine Motivationsrede sein. Das ist dein Leben, mach was draus! Das mag platt klingen, aber wir finden, dass diese universelle Einsicht heute oft zu kurz kommt. BM: Es fühlt sich manchmal an, als würden alle durchdrehen. Nimm nur diese TrumpScheiße – wie die Leute ihm alles nachgeifern. Da wird so viel Hass auf Schwächere projiziert! Was meint ihr: Woran liegt das?

Foto: Mustafah Abdulaziz

BM: Bei den Amerikanern und auch in vielen europäischen Ländern eindeutig an der Presse. Ich habe das Gefühl, deren Geschäftsmodell ist nicht mehr Aufklärung oder Bildung, sondern die Vermarktung des Leidens anderer. Alles wird dramatisiert, manipuliert und verdreht. Trump bedient dieses Modell perfekt. Ich würde mir wünschen, die Leute würden sich diese Scheiße nicht mehr anschauen. — Augustines »This Is Your Life« (Caroline / Universal) — Intro empfiehlt die Tour vom 27.09. bis 05.10.

„EIN KONTROVERSES JUGEND-PorTRÄT IM STILE VON THE VIRGIN SUICIDES ODER KIDS.“ VARIETY

JETZT DEN TRAILER SEHEN:

/BangGangDerFilm

Ab 15.07. auf DVD, Blu-ray & VoD

PierrotLeFou.de


20

#Style

Schatzparade

DINGE, DIE DICH WOLLEN #Style — Intro sammelt jeden Monat nerdige Schätze für insgesamt unter 100 Euro – aus dem Internet und der echten Welt.

SUMME

89,85

Huggable Pizza Dein neues Betthupferl hat Ähnlichkeit mit einer Familienpizza, wird in einem unendlich großen Flachkarton geliefert und ist so wertvoll wie ein kleines Steak. Sieht aber besser aus und ist flauschig weich. Gesehen bei monsterzeug.de für € 14,95

Rucksack Chewbacca

Brotdose Weltempfänger

Das ist ein ganz normaler Chewbacca-Rucksack. Das ist ein ganz normaler ChewbaccaRucksack. EIN GANZ NORMALER CHEWBACCA-RUCKSACK???! Ganz normal! Ein Chewbacca-Rucksack eben. Wääääähh. Gibt’s für € 59,95 bei getdigital.de

Diese Dose empfängt zugegebener­ maßen keinen einzigen Radiosender. Dafür bewahrt sie dein Brot vor äußeren Einflüssen wie Zerdrückung, Regen und neugierigen Blicken. Für € 14,95 bei geschenkefuerfreunde.de

#Redaktionstipp

Furious Fightpub Was haben ein Bieber, ein Selfiegirl, ein Schweinhorn, ein Astronaut und ein Wrestler gemeinsam? Genau. Nichts! Dennoch vermöbeln sie sich in dem bald erscheinenden Spiel »Furious Fightpub« der Trierer Indie Game Developer gentlymad. Im Vorfeld erscheint zu jedem einzelnen Charakter ein eigenes Minispiel als App. Besonders cool ist das Schweinhorn, welches Süßigkeiten fressend und Brokkoli ausweichend durch den Himmel fliegt. Die Musik dazu ist auch sehr bezaubernd, sodass es sich definitiv lohnt, den Ton anzulassen! Das Besondere an »Furious Fightpub« ist aber, dass man es gleichzeitig auf mehreren Plattformen (Xbox, Smartphone, PC etc.) gegeneinander zocken kann. Geil! Mehr dazu: gentlymad.org Christine Rudi (Praktikantin Bildredaktion)



22

#Pop #Life

The Strumbellas

Leben, die es zu überwinden gilt. »I got guns in my head, and they won’t go«, singt Simon in »Spirits« – einer seiner Ausdrücke für düstere Gedanken, die einen nicht loslassen. »Simonisms« nennt die Band seine Wortbilder und #Pop — Immer diese freundlichen Kanadier: The Strumbellas stutzt diese auch mal zurecht. Dave nennt ein Beispiel: »Er sagt so was wie: ›Es ist eine sind zwar eine halbe Fußballmannschaft, werden sich aber metaphysische Illusion.‹ Und ich sage: ›Simontrotzdem über sämtliche Bandangelegenheiten einig. Vergleiche Metapher. Das ist das Wort, das du suchst.‹« mit Mumford & Sons oder den Lumineers finden sie eher Auch die erstaunliche Fröhlichkeit der Musik angesichts der ernsten Themen schöpfen schmeichelhaft als lästig. Mit dem Song »Spirits« von ihrem die Strumbellas aus dem Teamplay. Während Album »Hope« landeten sie in diesem Sommer einen Riesenhit. die Lyrics noch Simons Stuben-Projekt sind, Kira Schneider traf sie zum Plausch. Foto: Frederike Wetzels entspringt der Sound der Energie aller Mitglieder. »Klar ist man zu sechst manchmal »Es ist eigentlich bloß ein ausgedachtes Wort«, zu spielen ... ich war einfach nur verdammt im Clinch«, sagt Simon, »aber es ist nicht so sagt Leadsänger Simon Ward über den ulkigen nervös«, gibt Simon zu, »aber danach war schlimm, wie du denkst. Nicht mit diesen Bandnamen The Strumbellas. »Es kam mir es super. Man ist ja schon stolz drauf, seiner sechs Leuten.« einfach so in den Sinn, und wir brauchten Mum so was zeigen zu können.« »Ich trug ein einen Namen.« Das passt, denn die sechs Ka- T-Shirt mit meinem Gesicht drauf«, erzählt — The Strumbellas »Hope« (Vertigo Berlin / Universal) nadier sind ein ziemlich bunter Trupp. Drei Keyboarder Dave Ritter. »Jimmy fand das total — Intro empfiehlt das Konzert am 29.08. in Köln Alben lang war der Weg von der Lokalband aus witzig, und ich dachte nur: Score!« dem Städtchen Lindsay zum millionenfach im Dabei sind die Strumbellas keineswegs nur Internet geklickten Act samt Gig bei Jimmy für locker-leichte Lacher gut. Ihre Texte dreKimmel. Wie sich das anfühlt? »Bei Kimmel hen sich meist um die dunklen Momente im

SCHATTEN UND LICHT


#Kratzen & Beißen

Gegen Kaffee

Illustration: Alexandra Ruppert

#Life — »Come to the dark side – we have coffee!« Nur einer von vielen Sprüchen, die Valentin Erning das Internet madig machen. Doch der Feind ist weder das Netz, noch sind es die Vernetzten. Er lauert hinter dem nächsten Tassenrand: braun, muffig und pipiwarm. Sein Siegeszug ist ungebremst. Eine Kampfschrift – damit es nachher nicht heißt, es habe sich niemand aufgelehnt. Es beginnt schon an Unis und Ausbildungsplätzen: Aus schaumschlürfenden Studis werden mittelprächtige Mocca-Männer, Wichtigtuer, die ihre Morgenlatte mit an den Schreibtisch nehmen und darauf beharren, vor dem soundsovielten Kaffee nicht ansprechbar zu sein. Später dann streifen sie federnden Schrittes und zum Plausch aufgelegt durch die Flure, wanzen sich an dich heran und stempeln mit ihren Tassen kreisrunde Male der Schande auf deine Schreibtischoberfläche, braun und hässlich wie die Bremsspuren in ihren Unterhosen. Aus ihren Poren dünstet Prodomo, verquickt sich mit Nikotin und wölkchenweise lauem Sermon. Dank Letzterem brachte der Muckefuck es leider auch zum Social-Media-Star. Die Meme-Generatoren gehen in die Knie; fleckige Schreibtisch-Stillleben, koffeingeflashte Eulen (oder andere Morgenmuffel aus dem Tierreich) und verdächtig braune Infusionsbeutel schießen schneller aus den Timelines, als man Freunde löschen kann. Die Message ist fast immer die gleiche: »Ohne Kaffee möchtet ihr mir nicht begegnen!« Die Kühnsten dieser Spezies liken dann im Koffeinrausch den eigenen Beitrag. Und ihre Kommentare zum Thema. Und wichsen vermutlich auch vor dem Spiegel. Wie so oft kennt die Natur uns auch hier besser als wir uns selbst. Die Rechnung ist simpel: Kaffee treibt und Kaffee führt ab, ergo: Kaffee muss raus! Am besten vor allem anderen, hupend auf der intestinalen Überholspur. Kaffee ist keine Einstiegsdroge. Kaffee ist der Abstieg. Gewissenlose Verschmutzung kostbaren Trinkwassers mittels sündhaft teurer, vulgär schnorchelnder Maschinen, nicht selten unter dem Deckmantel der Gastronomie. Bekommt man Streck- und Trübmittel angeboten, wird mit fester Stimme »Schwarz!« verlangt und Respekt geerntet, weil man es so richtig wissen will. Was ihr, liebe Brühwütige, partout nicht wissen wollt: Ihr braucht gar keinen Kaffee. Nicht »erst mal« und nicht ein andermal. Was ihr braucht, sind Gesprächsthemen, Charisma und eine Mütze Schlaf, die über eure verwachsene Birne passt. Und jetzt – Stichwort Schlaf – würge ich diesen Text ab, meinen Ekel runter und gehe pennen. Ohne Kaffee klappt das nämlich ganz prima.

Blooom Award by Warsteiner 2016 Bergfest der Bewerbungsphase – Einreichungen noch bis zum 31. Juli!

Auch die siebte Ausgabe des internationalen Kunstwettbewerbs »Blooom Award by Warsteiner« schickt sich an, ein großer Erfolg zu werden. Dafür sprechen sowohl die Vielzahl der bis dato eingegangenen Einreichungen, als auch ihre Qualität. Bereits 640 Künstler und Künstlerinnen aus 66 Ländern – darunter Costa Rica, Kanada, Madagaskar und Vietnam – haben sich mit ihren Arbeiten beworben und die Jury, die in diesem Jahr um den Kunstkenner und Ausstellungsmacher Prof. Dr. Stephan Berg und den Moderator und Schauspieler Joko Winterscheidt ergänzt wurde, überzeugt. Sie treten damit in die Fußstapfen von Gewinnern der vergangenen Jahre wie dem serbischen Künstler Igor Simic, der mittlerweile internationale Anerkennung erfahren hat und mit weiteren Preisen ausgezeichnet wurde. Bis zum 31. Juli können sich Künstler und Künstlerinnen noch um den Blooom Award bewerben. Die künstlerische Ausdrucksform steht ihnen dabei frei. Die Einreichungen erfolgen online unter www.blooomawardbywarsteiner. com/teilnahme. Die Gewinner werden am 26. Oktober im Rahmen der Eröffnung der »Blooom – the converging art show« in Köln prämiert. Dort sind auch alle Finalisten-Arbeiten zu sehen. Ihnen winken Mentorenprogramme, die Realisierung eigener Ausstellungen und Reisen zu prominenten Kunstmessen in Europa.

nfos: Alle I

e

ooom.d

www.bl


24

#Style #Life

#Redaktionstipp

Das ZickZack Prinzip

#Tech Talk

MSTRKRFT ÜBER DEN LEXICON 480 L #Style — Al Puoudziukas alias Al-P ist bereits als Produzent eine dicke Hausnummer und arbeitete zum Beispiel mit Jay-Z und Wyclef Jean. Jesse Frederick Keeler a.k.a. JFK wiederum kennt man als Mitglied von Death From Above 1979. Seit 2005 musizieren die beiden unter dem Namen MSTRKRFT. Bevor am 22. Juli ihr neues Album »Operator« erscheint, verraten sie uns hier, welches Gerät dessen Sound prägte.

Mach’s dir selbst #13 Beautyfilter #Life — Shit, beim Blick in den Spiegel stellst du wieder mal fest, dass dein Look nicht ganz deiner Schönheitsvorstellung entspricht? Keine Sorge, das kennen wir alle. Dein Tag kann trotzdem noch okay werden: Der DIY-Beautyfilter zaubert selbst aus dem pickeligsten NerdMädchen eine Beauty-Queen. Dazu brauchst du nichts außer ein Gesicht, Wasserfarben, Vaseline und eine mitteldicke Overhead-Folie. Illustration: Peter Hoffmann

Der Lexicon 480 L ist unter den digitalen Hallgeräten eine feste Größe in vielen Studios – und das schon seit dem Verkaufsstart im Jahr 1986. Falls ihr schon mal ein Foto vom Kontrollraum eines Studios gesehen habt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass auch ein 480 L »LARC« im Bild war. Das steht für »Lexicon Alphanumeric Remote Control«. Diese Art Fernbedienung sitzt meist in der Nähe der Master Section. Für den MSTRKRFT-Sound ist der 480 L essenziell. Wir haben ihn bei einem Großteil unserer Produktionen eingesetzt, und er hat den Charakter unserer eher spacigen Klangelemente entschieden geprägt. Er ist das einzige Hallgerät,

Alfred Hilsberg ist die graue Eminenz der Hamburger Subkultur. Auf seinen Labels sind viele großartige Platten erschienen. Dieses Buch über ihn war als Autobiografie geplant und wurde schließlich vom Ko-Autor Christof Meueler als Biografie vollendet. Es macht die Geschichten von »Das ZickZack Prinzip. Alfred Hilsberg – Ein Leben für den Underground« nur spannender, dass der Gewürdigte sie als »vergebene Chance« kommentiert. Eigentlich hat Meueler alles richtig gemacht, Tausende Interviews geführt und daraus eine Collage gestrickt. Vielleicht will Hilsberg ja nur betonen, dass man an so einem Werk im Leben bloß scheitern kann. Schließlich veröffentlicht er weiter Musik, das Ende der Geschichte bleibt offen. Wolfgang Frömberg (Stellvertretender Chefredakteur)

das wir auf unserem neuen Album »Operator« benutzen. Um dem Spirit des Albums treu zu bleiben, haben wir uns dazu entschlossen, den Lexicon 480 L in unser Live-Setting zu integrieren. Mit dem LARC direkt neben dem Mixer können wir einen Teil des Sounds in Echtzeit modifizieren. Die Tatsache, dass es das exakt gleiche Gerät ist, das beim Album zum Einsatz kam, macht unseren Live-Sound somit komplett authentisch.


REAM D IN L R E B IN E D T A E S ERLEBE MIT ALOOZA P A L L O L S M U D N U R D WEEKEN

Mitmachen und gewinnen unter intro.de/seat

iohead! Dazu ajor Lazer! Rad M r! ne in eg B lichkeiten! Kings of Leon! markt der Mög hr Ja n ei – st al-Zirkus. Kun igartiger Festiv Mode, Artistik, nz ei n ei t is lin he Gewinner a Ber er! 5x2 glücklic ig Das Lollapalooz rt ßa ro g ch Location no in einer coolen stival-Erlebnis t Fe ch as ra d eb d g ir er w nt T d dort en. U Mit SEA de gebracht un a als VIP erleb än oz o el g al p al iv lla st Lo Fe m s und dürfen das nem Shuttle zu viele Highlight ei f it au m e em si rd en ße d nnen sich au in Berlin, wer s in Berlin! – wir sehen un Die Gewinner kö er t. m eg fl eh rp iln ve Te le ns beste ck an al freuen. Viel Glü Überraschungen seat unter: intro.de/ r des Alle Infos dazu ns und Besuche Fa en er d an le er der r al CAR-A-OKE od T aber auch fü A T A SE t SE is er h d lic it ür m Nat weise erraschen! 16 da. Beispiels s – lasst euch üb le al t ch ni Lollapalooza 20 st ng Aber das ist lä SEAT GIF-Box.


21.-24. SEPT. 2016 450 Konzerte · Get Well Soon · Wild Beasts · Gold Panda · MULe & MAn (Bonaparte & Kid Simius) · Dota · Louane · July talk · Crack Ignaz · Imarhan · Me And My Drummer · Die Heiterkeit · eF · Chefket · tiger Lou · JAIn · ACID ArAB (live) · Wintersleep · okta Logue · Von Wegen Lisbeth · Warhaus · Me + MArIe · Dilly Dally · Woman · GoLF · Her · Parcels · KeØMA · Choir of Young Believers · Kero Kero Bonito · Daniel norgren · PUP · nothing · Klyne · Conner Youngblood · uvm. ArtS · FILM · WorD · WorKSHoPS & More · KonFerenz · 230 ProGrAMMe zUr MUSIKUnD DIGItALWIrtSCHAFt Festivalticket von 25,00 € bis 92,00 € inkl. Gebühren Konferenzticket ab 142,00 € inkl. Gebühren REEPERBAHNFESTIVAL.COM

NOTHING BUT

HOPE PASSION AND

Organiser: Reeperbahn Festival GbR and Inferno Events GmbH & Co. KG

The Low Anthem

DEM WAHNSINN IN DIE AUGEN BLICKEN #Pop — Die Band aus Providence um Ben Knox Miller und Jeff Prystowsky hätte es so einfach haben können. Sie hatte die Stimmen und das Songwriting, um im Fleet-Fox’schen Wohlklang baden zu gehen. Stattdessen verschanzten sich The Low Anthem jahrelang in einem alten Theater und verloren sich in »Eyeland«, dem vielleicht hirnsprengendsten Folk-Album des Jahres. Text: Daniel Koch

E

s beginnt harmlos: ein seufzender Klang – vielleicht eine singende Säge? –, dann eine Orgel, ein verwehtes Field-Recording, schließlich zarter Gesang und die Zeilen: »No one here believes in suicide, you can turn off the show under your eyelids...« Ab da beginnt eine akustische und lyrische Reise, die uns in die Gedankenwelt einer Gruppe Kinder führt, die nach einem traumatischen Vorfall mit einem brennenden Air-Hockey-Tisch im Grenzgebiet zwischen Realität und Fantasie, Wahnsinn und Wahrheit bestehen müssen. Wer The Low Anthem also in erster Linie für ihr wohlklingendes Album »Oh My God, Charlie Darwin« liebt, muss für »Eyeland« ein wenig Wagemut mitbringen. »Wir verbrachten vier Jahre mit unserer gewohnten Arbeitsweise, hinterfragten sie nie«, erinnert sich Ben. »Das war wie ein schleichendes Gift. Wir mussten einen neuen Cocktail mischen, und dafür brauchten wir Zeit, neue Zutaten, den Mut, uns selbst zu sabotieren – und noch mehr Zeit.« Jeff ergänzt: »Wir lebten zusammen, nahmen jeden Tag auf, mixten gemeinsam, verwarfen wieder alles, begannen von Neuem. ›Noch einen Take!‹, das war unser Schlachtruf.«

Möglich war dieser Prozess vor allem, weil die beiden ein altes, leer stehendes Theater in ihrer Heimatstadt bezogen und es nach einem Jahr sogar wieder eröffnen konnten. »Das Columbus Theatre existiert seit gut 100 Jahren, es wurde 1926 erbaut«, erklärt Ben. »Der Konzertraum wurde vor allem für Opernsänger konzipiert. Der Klang ist gigantisch. Jetzt lebt das Gebäude wieder: Es gibt Sessions, Konzerte, Theater – wir haben während unserer Aufnahmen auch gut 30 Bands darin produziert.« Es grenzt an ein Wunder, dass The Low Anthem trotzdem zu dem Punkt kamen, »Eyeland« in die Welt entlassen zu können – und zwischenzeitlich nicht den Verstand verloren. »Unser Management meinte, wir würden unsere Reputation sabotieren«, sagt Jeff, »aber zwischen all den Experimenten gab es immer Songs, Geschichten, Strukturen. Wir sind dennoch sehr dankbar, dass diese Songs den Prozess überlebt haben.« Wir ebenso. Eine Theaterversion von »Eyeland« ist bereits in Planung – wir wünschen uns den Plot dann bitte auch als Mysterie-Serie bei Netflix & Co. Würde funktionieren. — The Low Anthem »Eyeland« (Razor & Tie / Washington Square / Rough Trade) — Das ganze Interview auf intro.de


#Pop #Style

#App des Monats

Sausage Legend #Style — Dieses kostenlose iOSund Android-Game gibt dir die Möglichkeit, zum Beispiel mit einem Hot-Dog-Würstchen gegen ein Ćevapčići anzutreten. Beide sind dabei auf eine Gabel gespießt und werden von den jeweiligen Spielern »bedient«, die aber eigentlich nur bestimmen können, wie dolle man die gegnerische Wurst schlagen will. Wer gewinnt, bekommt Münzen, mit denen er seine Wurst upgraden beziehungsweise ein neues Modell auf die Gabel packen kann. Tja, was soll man sagen: Auf irgendeine uns nicht ganz klar gewordene Art und Weise macht das durchaus Spaß. Allerdings sind wir uns noch nicht sicher, ob das so ist, weil »Sausage Legend« passend zur Grillsaison kommt oder weil man das Gefühl hat, dass dieses Spiel auch die Weltpolitik gerade perfekt abbildet – die ist momentan ja auch mal wieder das reinste Pimmel-, pardon: Würstchenfechten. Gibt’s im App- und im Google-Play-Store unter »Sausage Legend«.

5:3

#Redaktionstipp

Katzensprung Festival Wer alternative Festivalkultur in freier Wildbahn erleben will, musste von Köln bisher meist bis nach Brandenburg fahren. Damit sich das ändert, gibt es nun das Katzensprung Festival, das vom 15. bis 17. Juli in Kierpse-Rönsahl (westliches Sauerland) seine Premiere feiert. Ganz nah und doch weit genug draußen im Grünen, um nicht auf Asphalt zu tanzen, wie die Veranstalter sehr treffend erklären. Neben Musik gibt es zudem ein breites Angebot an Workshops wie Wildkräuterwanderungen, Klangbäder, RecyclingBasteln und Hula Hoop. Infos, Tickets und das Line-up auf katzensprung-festival.de. Frederike Wetzels (Bildredakteurin)

24. – 28. AUGUST 2016

COLOGNE MUSIC FESTIVAL

UNDERWORLD BOY THE SHINS JAKE BUGG EDWARD SHARPE AND THE MAGNETIC ZEROS KÖLSCH OK KID MOTRIP BLOOD RED SHOES

TICKETS UNTER

C-O-POP.DE

MOUSE ON MARS LOCAL NATIVES ZUGEZOGEN MASKULIN THE FIELD UMSE HINDS A-WA THE INTERNET HUNTER/GAME ΩRACLES LOVE A ISOLATION BERLIN EDGAR WASSER GUDRUN GUT DRANGSAL WEVAL LEA PORCELAIN AARON IMARHAN AMEWU YUNG HURN ELDERBROOK GOLD ROGER SXTN KESHAVARA WHITE WINE I AM JERRY MUSO BOMBAY RATS ON RAFTS ... UND VIELE MEHR

FÖRDERER

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

PARTNER

27


#Kultur

TOP 7

JANE BOND – AGENTIN 007 01 Maisie Williams

#Kultur — Weil Daniel Craig sich nach zehn Jahren des Geheimagentenlebens hartnäckig ziert, die Rolle weiterzuspielen, muss ein neuer James Bond her. Also wird ein Hollywood-Beau nach dem anderen auf Bond-Qualitäten abgeklopft. Auch bei den Damen: »Akte X«-Scully Gillian Anderson und die erprobte Leinwand-Agentin Priyanka Chopra kandidierten bereits für die Rolle. Gibt es bald also Jane statt James Bond? Hell, yeah! Wir hätten da auch ein paar Besetzungsideen. Text: Kira Schneider

Trotz ihres zarten Alters von 19 Jahren ist die Schauspielerin aus Bristol enorm kampferprobt. Auch mit dem Bond’schen Lieblingsthema Sexismus kennt sie sich bestens aus. Zudem wird sie in ihrer »Game Of Thrones«-Rolle als Arya Stark seit über einer Staffel zur Profikillerin ausgebildet. Was läge also näher als sie im knallharten Actionthriller »Jane Bond – A Girl Has No Name« zu sehen?

02 Tilda Swinton

03 Keira Knightley

04 Cate Blanchett

Warum nicht die Königin der androgynen Rollen als Jane – oder vielleicht direkt als James – Bond einsetzen? Die schottische Schauspielerin widmete sich schon sehr früh in ihrer Karriere Rollen, die sich nicht eindeutig Mann oder Frau zuordnen ließen oder direkt für Männer geschrieben wurden. Zum Beispiel Mozart im Puschkin-Theaterstück »Mozart und Salieri«. Auch in der Comicverfilmung »Constantine« mit Keanu Reeves spielte Swinton die Rolle des Erzengels Gabriel. Unser Bond-Titelvorschlag lautet daher »Jane Bond – Archagent«.

Die Britin hat es auf der Leinwand und auch im echten Leben faustdick hinter den Ohren: In jungen Jahren spielte sie als Jules in »Kick It Like Beckham« trotz der Vorbehalte ihrer Mutter leidenschaftlich Fußball, in »Fluch der Karibik« schwang sie Pistolen und kaperte Piratenschiffe. Und als Double von Prinzessin Amidala in »Star Wars Episode 1 – Die dunkle Bedrohung« wird sie wohl auch gewusst haben, wie man im Falle eines Angriffs sein Gegenüber majestätisch außer Gefecht setzt. »Jane Bond – Kick It Like Bond«? Count us in!

Cate Blanchett hat ihre Sache auch ohne Männer hervorragend im Griff. Erst kürzlich schlüpfte sie in die Rolle von Carol, der unglücklichen Frau eines Börsenfunktionärs, die das Herz einer jüngeren Spielwarenverkäuferin gewinnt. Nach mehreren royalen Rollen wie die der Elbenkönigin Galadriel in »Der Herr der Ringe« und der Königin Elizabeth I im gleichnamigen Film fragen wir uns: Könnte sie den Auftrag der Majestät ebenso souverän ausführen, wie sie ihn in »Elizabeth« vergeben hat? »Jane Bond – A Case For Royalty« – ab damit auf Filmplakate, und wir sind die Ersten im Kinosaal.

05 Gwendoline Christie

06 Sophie Okonedo

07 Naomie Harris

Für ihre Rolle der Brienne von Tarth in der Serie »Game Of Thrones« lernte Gwen Christie Reiten sowie Schwertund Bühnenkampf. Ebenso kämpferisch geht es für die Britin als Captain Phasma in der neuen »Star Wars«-Trilogie weiter. Endlich mal eine Frau auf der dunklen Seite, die nicht nur hübsch hergerichtet neben den Männern steht, sondern eine Riesin, die die Truppen der ersten Ordnung anführt und jeden Widersacher gnadenlos beseitigt. »Jane Bond – 6 Feet Of Danger« würden wir am liebsten jetzt sofort selbst drehen.

Die charmante Sophie Okonedo ist ebenfalls auf unserem Radar, dank ihrer durchaus Bond-tauglichen schauspielerischen Vita: Als gewiefte Killerin Sithandra sorgte sie im anderweitig eher mauen Sci-Fi-Spionagefilm »Æon Flux« für Lichtblicke. In die Kriminalität unserer Welt ist die Britin zumindest seit der BBC-Serie »Criminal Justice« eingearbeitet. »Jane Bond – All Is Flux« wäre ein niveauvoller Titel für die Trägerin des Order of the British Empire, verliehen von der Queen im Jahr 2010. Merkt ihr was?

Entschuldigung, aber können wir uns bitte endlich einmal kurz die schier unendliche Fülle an verrückten Plots und Plot-Twists vorstellen, die uns zur Verfügung stünden, wenn Miss Moneypenny plötzlich Bond wäre? Die Figur, die in den letzten beiden »Bond«-Filmen von Naomie Harris gespielt wird, ist viel, viel mehr als nur Ms Sekretärin: Agentin, Leutnant ... Und vielleicht war die Hingezogenheit zu James ja auch immer nur eine große Show? »Jane Bond – The Tables Turn«, wer von euch ist dabei?

Die Pistole von Scaramanga — der Mann mit der goldenen Pistole, 1974 © 1974 Danjaq, LLC and United Artists Corporation. Derzeit zu sehen in der Austellung »50 Ans de Style Bond«, Paris

28


#Pop

29

W Ωracles

HEISSES KALEI­ DOSKOP #Pop — »Es gibt keine Schubladen. Die brauchst du nur, um Musik verkaufen zu können«, meint Joshua Gottmanns, Sänger, Bassist und Keyboarder dieser derzeit heiß gehandelten Band. Keine Grenzen kennen, alle Musik lieben, immer alles geben – vielleicht sind Ωracles deshalb gerade die nationale Hoffnung auf internationale Indie-Aufmerksamkeit, orakelt Klaas Tigchelaar.

ann haben diese Twentysomethings eigentlich all diese Platten gehört? Es ist egal, welchen Frage-Ansatz man wählt, aus den Mündern der fünf Bandmitglieder sprudeln sofort Bandnamen und Popkultur-Anekdoten, die weit über die Psychedelic-Krautrock-Schublade hinausquellen, die ihnen seit ihrer EP »Stanford Torus« von 2014 zugedacht wurde. Wer Talk Talk, Steely Dan, Mac DeMarco, Broadcast, Neu!, The Strokes, Kyuss und Peter Brötzmann unter einen Hut bringen will, sollte natürlich auf Zack sein. Glücklicherweise haben die fünf schon vor der Gründung von Ωracles im Jahr 2013 in einigen anderen Bands für Aufmerksamkeit gesorgt, oder tun es immer noch. »Wir sind Freunde und machen füreinander und miteinander Musik. Aber wir haben auch noch andere Projekte, Ideen und Visionen, die andernorts stattfinden können. Es gibt so viele Songs, die jeder von uns zu Hause hortet, die womöglich

niemals gehört werden, und das mag ich«, erklärt Gottmanns. Er sang zusätzlich bei Beat! Beat! Beat!, Gitarrist/Sänger Nils Herzogenrath macht als Vomit Heat auch solo Musik, Keyboarderin Hanitra Wagner spielt Bass bei Die Heiterkeit. Eine gebündelte Kreativpackung, die auf dem frischen Debütalbum »Bedroom Eyes« in ziselierte, groovende und wohlüberlegte Popmusik diffundiert und sich bewusst an vielerlei ZitatEcken stößt. Vorab gab es Lobpreisungen von internationalen Stars, Auftritte beim SXSW-Festival und

dem CMJ Music Marathon in den USA, auch über ein Wettbieten um die Band zwischen verschiedenen Plattenfirmen wird gemunkelt. Klar, was so souverän freigespielt und international kompatibel schimmert, hat sich schon ein besonderes Freistellungsmerkmal erspielt – Welterfolg wäre schön, muss sich aber brav hinter der DIYKreativität der Band anstellen. — Intro empfiehlt: Ωracles »Bedroom Eyes« (This Charming Man / Cargo) — Das ganze Interview auf intro.de

Enjoy responsibly.

DAS ENTSCHEIDENDE IST DIE WORKNIGHTLIFE-BALANCE.

YES, WE ARE NUTS! #YesWeAreNuts yeswearenuts.de


#Pop #Wer wir sind

KALTERN AM SEE – SÜDTIROL

HUBERT VON GOISERN (AT) BEAR’S DEN (UK) BILDERBUCH (AT) THE SLOW SHOW (UK) STARGAZE (DE) CANTUS DOMUS (DE) FABER (CH) CHRIS PUREKA (US) MARA SIMPSON (UK)

OUM SHATT HAULIHÜTZSCHRI Herkunft Europastadt Frankfurt am Main Genre Softpop Mitglieder Torsten Gaitzsch (Wahnsinnsstim-

MORE BANDS TBA ...

gehen sehen summen ...

Illustre Talkrunden zum Thema Sprache-Musik-Gehirn

33 . Haldern Pop Festival 11.–13. August 2016 Rees-Haldern am Niederrhein

w w w.

halde

rnpop

.com

Loney Dear (SE) Ala.ni (UK) The Lytics (CAN) Albin Lee Meldau (SE) Martin Kohlstedt (DE) Alex Vargas (DK) Melanie de Biasio (BE) Algiers (US) Me + Marie (DE) Amber Arcades (NL) Michael Kiwanuka (UK) The Angelcy (ISR) Minor Victories (UK) Arthur Beatrice (UK) Money (UK) Ben Caplan & The Casual Smokers (CAN) Monobo Son (DE) The Besnard Lakes (CAN) The Rad Trads (US) Cantus Domus (DE) Rationale (UK) Cloves (AUS) Roo Panes (UK) Conner Youngblood (US) Samm Henshaw (UK) Damien Rice (IRL) Sara Hartman (US) Daughter (UK) Sean Noonan (US) Die Nerven (DE) Soap & Skin (AT) 6 1 f p h # Drangsal (DE) stargaze (DE) Ebbot Lundberg St. Paul and & The Indigo Children (SE) The Broken Bones (US) Elias (SE) The Strypes (IRL) Fai BaBa (CH) Thees Uhlmann (DE) Frost (Heiner) (DE) This Is the Kit (UK) Frightened Rabbit (SCO) Trevor Sensor (US) Gewalt (DE) The Vryll Society (UK) Glen Hansard (IRL) Walking on Cars (IRL) GoGo Penguin (UK) Whitney (US) Heisskalt (DE) Wintergatan (SE) Hothouse Flowers 3 (IRL) Woman (DE) Hubert von Goisern (AT) Yak (UK) Husky (AUS) The Graveltones (AU/UK) Izzy Bizu (UK) Jack Garratt (UK) Jalen N’Gonda (UK) Jambinai (KOR) Jason Isbell (US) SOLD Julia Holter (US) OUT Låpsley (UK) LEA (DE) Liima (DK/FIN)

#Pop #Wer wir sind

Herkunft Berlin Genre Zwischen Kunst und No-Wave Mitglieder 3 Besondere Vorkommnisse Der Bandname

ist eine Hommage an die Musikerin Umm Kulthum. Den Hintergrund erklärt Sänger Jonas Poppe so: »Sie ist die Mutter (= Oum) der arabischen Populär-Musik. Zum anderen ist Oum Shatt onomatopoetisch, das heißt: lautmalerisch. Es klingt perkussiv.« Aktuelles Album Oum Shatt »Oum Shatt« (Snowhite / Rough Trade) Selbst wenn ihr mittlerweile auch in der deutschen Musiklandschaft hoch gelobt wurdet – die Resonanz war im Ausland bisher immer größer. Wisst ihr, warum das so ist?

Jonas Poppe: Zum einen präferiert man hierzulande bei Popmusik meist die deutsche Sprache. Zum anderen sind arabische Harmonien zum Beispiel für französische Ohren weniger ungewohnt. Und in England ist man generell offener für »deviante« Musik. Auch im Mainstream-Bereich, was immer das heutzutage sein soll, gibt es dort mehr Mut zu Neuem. Aber es gibt auch in Deutschland viele Musiker, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.

Was ist das schönste Kompliment, das man euch machen kann oder bereits gemacht wurde?

me), Elias Hauck (Keyboard), Moritz Hürtgen (Schlagzeug), Fabian Lichter (Bass), Leo Riegel (Gitarre) Besondere Vorkommnisse Donnerstags ist Markt. Aktuelles Album Haulihützschri »Am Ende ist alles okay«

Erzählt bitte mal eine Anekdote aus eurem Bandalltag, die euren lustigen, aber auch liebevollen Umgang miteinander unterstreicht.

Leo Riegel: Torsten, unser Sänger, musste einmal weinen, weil er während eines Auftritts in der Leipziger Straße (Frankfurt) von seiner eigenen soulig-tief-verrauchten Stimme überwältigt war – und gleichzeitig etwas ganz Neues über sich erfuhr. Da haben wir uns alle umarmt und mitgeweint. Heute lachen wir gerne, wenn wir daran zurückdenken. Welches echte/authentische Gefühl ist euer Lieblingsgefühl?

Die Sehnsucht.

Fickificki, Wurstbrühe, Oktoberfest. Das waren die Themen der alten Rockbands, der echten Typen. Jetzt gibt es nur noch Kontoauszugsflenner, Antinazidemoaufrufer und Balkonsommeliers. Ihr weint viel. Wird es Zeit für eine neue Männlichkeit?

Viele schreiben (unter anderem auch Intro), dass es solche Musik vorher noch nie gab. Das ist das beste Kompliment, das man be- Weinen ist wohltuend und mutig. Daher sollkommen kann. ten die männlichen Kolumnisten der großen Was bringt die Zukunft für euch? Kehrt ihr Tageszeitungen lieber weinen, statt Artikel wieder zu den anderen Projekten zurück? über Haulihützschri zu schreiben. Und ihren Ich würde gern eine zweite Platte aufnehmen. Frauen sagen, dass sie sie sehr lieben. Und zwar mit unserer jetzigen Besetzung, ir- Hand aufs Herz! Uns Haulis brennt es unter gendwo in der Steppe von Usbekistan. Wenn den Nägeln: Wann kommt das Album? das nichts wird, nehme ich auch wieder Weis- »All unsere schönen Gefühle« wird eine Split sensee, das ehemalige Waffenlager der Stasi mit AnnenMayKantereit und erscheint im – dort ist mein Studio und unser Proberaum. Herbst. Interview: Sophia Sailer

Interview: Paula Irmschler


#Pop #Wer wir sind

WEVAL

#Pop #Wer Wir Sind

NITE JEWEL Jack Daniel’s rockt

Herkunft Amsterdam Genre Elektronischer Kammer-Pop Mitglieder 2 Besondere Vorkommnisse Bevor die bei-

den Niederländer 2013 ihre EP »Half Age« veröffentlichten, waren sie im Bereich der Video-Animation tätig. Und da man ja immer schwer loslassen kann, produzierten sie ihr erstes Musikvideo »Detian« auch einfach selbst. Intro empfiehlt das aktuelle Album: Weval »Weval« (Kompakt / Rough Trade) Als Musiker-Duo muss man ja auch immer kompromissbereit sein. Wer von euch nimmt welche Rolle ein?

Merijn Scholte Albers: Das variiert bei uns wirklich von Track zu Track. Bei »You’re Mine« beispielsweise hat Harm den Beat gebastelt und ich war beeindruckt davon. Ein unfassbar gutes Grundgerüst. Im Anschluss war ich für die Akkorde und Melodien zuständig. Harm Coolen: Ich bin eher der Typ, der viel herumspielt und experimentiert. Alles, was ich mache, ist etwas vage. Merijn hingegen ist der progressive Denker. Er macht sich Gedanken über Konzepte und trifft dann die schwierigen musikalischen Entscheidungen. MSA: Das ist auch eine Frage der Persönlichkeit. Harm ist geduldig, ich überhaupt nicht. Wenn man an holländische Elektro-Musik denkt, hat man schlagartig die typischen Tiësto- oder Gabber-Vorurteile im Kopf. Begegnen die euch auch noch oft?

MSA: Die Niederlande sind mittlerweile relativ bekannt wegen der großen EDM-DJs und weniger wegen Gabber. Uns hat man auch noch nie ungehört in eine Gabber-Schublade zu stecken versucht. Man muss sich bei Familiengeburtstagen aber immer noch erklären, wenn man sagt, dass man elektronische Musik macht. Die Leute glauben dann wirklich, dass man so etwas wie Tiësto oder Hardwell machen würde. Da muss man viel erklären, weil viele nicht verstehen, dass es zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Mittlerweile sage ich einfach: Ja, es ist wie Tiësto. So ein bisschen zumindest. Und mit weniger Publikum. Interview: Christian Schlodder

Herkunft Los Angeles Genre Alternative-Lo-Fi-Dream-Electronic Mitglieder 1 Besondere Vorkommnisse Zu ihrem Künst-

lernamen wurde Ramona Gonzales von einem Freund inspiriert. »Er hatte eine obskure Platte von Nimbus Obi aus dem Jahr 1986 – darauf gab es den Song ›Night Jewel‹. Das passte irgendwie perfekt zu meinem ersten, sehr düsteren, nebeligen Set.« Aktuelles Album Nite Jewel »Liquid Cool« (Gloriette / H’Art) Deine Musik wurde schon als »in die Realität gebrachte Traumwelt« bezeichnet und mit der surrealen Kunst Dalís verglichen. Wie würdest du deine Musik beschreiben?

Nite Jewel ist eigen, intim, relaxed und, ja, manchmal ein bisschen realitätsfern. Fantasie spielt schon eine große Rolle. Nicht nur in den Lyrics, vor allem auch durch das Umfeld. Das Album schafft eine eigene, warme, aber von außen abgeschlossene Welt, die durchaus melancholisch sein kann. Sie ist alleinstehend, aber offen für alle, die Teil davon sein möchten. Du hast beschlossen, dein Album ganz allein zu veröffentlichen. Warum?

Ich habe meine letzten drei Alben über mein eigenes Label Gloriette veröffentlicht, und bisher lief es immer gut. Mir gefällt es, so zu arbeiten, weil es mir sehr viel Freiheit lässt. Auch andere Künstler veröffentlichen ihre Musik über Gloriette, beispielsweise Ariel Pink und Instinct, und so möchte ich das auch in Zukunft weiterführen. Chauvinismus in der Musikbranche ist gerade wieder ein viel diskutiertes Thema. Wie erlebst du das?

In zahlreichen Formen. Als Frau wird man in dem Business viel rumgeschubst und erniedrigt. Es ist schwer, ernst genommen zu werden, doch wenn du selbst mal ernst wirst, wirst du direkt als »out of control« abgestempelt. Aber ist das was Neues? Unglücklicherweise ist die Welt eben so. Wichtig ist, an unterdrückenden Systemen zu arbeiten und andere zu inspirieren, das Gleiche zu tun. Interview: Sophia Sailer

JACK DANIEL’S FEIERT DAS 150-JÄHRIGE BESTEHEN SEINER DESTILLERIE MIT EINEM GANZ BESONDEREN AUFTRITT BEIM DIESJÄHRIGEN FESTIVALSOMMER 150 Kerzen müssten in diesem Jahr auf dem Geburtstagskuchen der Jack Daniel Distillery stehen. Grund genug, in dieser Festivalsaison ordentlich auf den Putz zu hauen. Bei Rock im Park und beim Hurricane hat man schon die Gäste begeistert, nun führt Jack Daniel’s die Festivalfans beim Highfield auf die Spuren von Mr. Jack und lässt sie interaktiv erleben, was hinter der Herstellung des good »Old No. 7« steckt. Fässer bauen, Rick-Stapeln, Holzkohle-Filterung und vieles mehr. Denn nicht umsonst gilt: So war es. So ist es. Seit 150 Jahren. Auch »Trailer Trash« ist wieder mit an Bord. Das angesagte Designer-Team hat speziell für das 150-jährige Destillerie-Jubiläum T-Shirts designt, die gegen einen kleinen Obolus für den guten Zweck erhältlich sind. Und weil Schenken oft genauso schön ist wie beschenkt zu werden, verlost Jack Daniel’s 2x2 Tickets für das Highfield. Obendrauf gibt’s die »Jack-Bag«, ein T-Shirt, eine Cap, eine Sonnenbrille und natürlich eine Flasche des »Old No.7«. Teilnahme ab 18 Jahren www.jackdaniels.de


#feldtenzelten die Festival Challenge – Bist du bereit?

ch m no Nim zum bis wei an z n 7 0 . 11 osunge uf Verl Infos a m .co Alle teil! nzelten e t d fel


Mit feldten jedem Wetter trotzen Regen, Sonne, Matsch, eine wilde Festivalmeute: Zelte müssen auf dem Campingplatz beim Festival viele Belastungen aushalten. Gut, dass es feldten gibt. Seit 130 Jahren sorgt die Firma dafür, dass Leder gepflegt und Stoffe imprägniert werden. Nach und nach hat das Unternehmen seine Produktpalette erweitert, mittlerweile gibt es von feldten auch Pflegemittel für Bekleidung und Schuhe, das Äußere und Innere von Caravans, Rucksäcken und Taschen sowie Reinigungs- und Pflegeprodukte für Zeltstoffe aller Art. Weather Proof – der innovative Imprägnierer verbindet eine kinderleichte Anwendung und ein innovatives Sprühsystem mit leistungsstarken Wirkstoffen. In diesem Sommer stellt sich feldten einer großen Festival-Challenge: Die Gewinnerinnen und Gewinner der Golden-Festival-Tickets des Festivalguide schlafen in einem Zelt, das mit feldten-Produkten wetterfest gemacht wurde. Das Zelt wird im Sommer zum Begleiter bei zehn Festivals und zeigt, was die feldten-Produkte auf dem Kasten haben. Unter dem Hashtag #feldtenzelten könnt ihr verfolgen, wie sich das Zelt schlägt. Im Quiz dieser Intro-Ausgabe gibt’s Festivalpackages von feldten zu gewinnen. Im Set enthalten: feldten Barefoot Spray, feldten Textile Wash sowie den feldten Belt als praktischer Wegbegleiter. On top erhältst du den neuesten Coup aus dem Hause feldten – den Empire Dirt Blocker, der ultimative Schutz für deine Sneakers & Caps. feldtenzelten.com


34

#Promotion

jeden Monat neu: Teilnahme unter intro.de/Quiz

DAS QUIZ #244 Das Titelthema des Heftes ist gleichzeitig immer auch Hauptthema unseres monatlichen Quiz-Spaßes. Diesmal dreht sich natürlich alles um den Wahl-Berliner Roosevelt. Los geht’s…

1. Hinter Roosevelt steckt...?

2. Zuvor war er Schlagzeuger von?

A Richard Nixon

E Beat! Beat! Beat!

W Teddy Bridgewater

K Dead Kennedys

B Marius Lauber

G The Presidents of the Unites States

3. Sein Sommerhit heißt?

4. Und sein Berlin-Londoner Label?

B »Like Ice In The Sunshine«

T Greco-Roman

A »Colours«

G Freestyle

T »Macarena«

V Oil Wrestling

Die Gewinne

V+Remix × Citrus × Malt

Levi’s × Motörhead

Thomas Henry × MATE MATE

Feldten × Festivals

Trumbo × Retro-Turntable

Gaffel × EM

veltins.de

levi.com

mate-mate.de

feldten.de

paramount.de / auna.de

gaffel.de

Pünktlich zum Sommer gibt es von Veltins den neuen Biermix V+Remix als Citrus- und MaltVersion. Nach dem Motto »Remix your life« inspiriert V+ dazu, mal was Neues auszuprobieren. Dazu verlosen wir je drei Sixpacks der beiden neuen Sorten.

Gibt es eine ultimativere Festival-Kutte als ein original Levi’s customized »Trucker Jacket« im Motörhead-Look? Wir verlosen eines dieser guten Stücke – denn ihr wisst ja: »If you think you are too old to rock 'n roll then you are« (Lemmy).

Pünktlich zur Festivalsaison versorgt uns Thomas Henry mit einer Portion Energie. Denn die »Mate Mate« macht keine halben Sachen, sondern kickt euch dank 150mg Koffein pro Flasche zu doppelter Fitness. Wir verlosen drei Kisten.

Zur Festivalsaison verlost feldten ein tolles Festivalpackage, bestehend aus dem feldten »Barefootspray«, dem feldten »Textile Wash« und dem »Empire Dirt Blocker«. Damit ist euer Equipment bestens geschützt!

1947: Drehbuchautor Dalton Trumbo gerät in das Visier der Kommunistenhetze der McCarthyÄra. Zum DVD- & Blu-rayStart von Jay Roachs Film über die »Hollywood Ten« verlosen wir einen RetroPlattenspieler von Auna und eine Blu-ray.

Passend zur EM könnt ihr bei uns ein schönes Fässchen von Gaffel Kölsch gewinnen. Es handelt sich natürlich nicht um irgendeins, sondern um die streng limitierte EM-Edition. Wir verlosen elf 5 Liter Partyfässchen im EM-Design!

Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben das Lösungswort - teilnehmen könnt ihr unter intro.de/quiz oder per Mail mit dem Betreff »Das Quiz« an verlosung@intro.de. Teilnahme ab 18 Jahren, Einsendeschluss ist der 29. August. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


#Pop

Bild: Emma Lindström

#Pop Ähnlich spacig wie diese Farben wirken auch die Soundflächen, die Roosevelt auf sein Debütalbum gepackt hat. Außerdem enthält dieses Bild die aktuelle Haarfarbe von Shirley Manson von Garbage. Weniger bunt geht es bei Metronomy zu, zumindest in Sachen Outfit. Da setzt man weiterhin auf Weiß – womöglich als ruhigen Gegenpol zur bunten Tüte Popmusik auf ihrem neuen Album.

35


36

#Pop #Roosevelt


#Pop #Roosevelt

Roosevelt

GLASKLAR DEFINIERT Seit der ersten EP »Sea« von 2012 gilt Roosevelt als Hoffnungsträger in Sachen elektronischer Popmusik. Kein Wunder: Der Kölner schüttelt die Melodien mit einer solchen Leichtigkeit aus dem Ärmel, dass seinerzeit sogar die Kollegen Hot Chip aufhorchten. Jetzt hat Marius Lauber sein Debütalbum abgeliefert. Sebastian Ingenhoff traf seinen ehemaligen Studiokollegen zum ausführlichen Gespräch. Fotos: Frederike Wetzels

D

ie Region am Niederrhein ist nicht gerade für Popmusik mit internationalem Anspruch bekannt. Dafür kann man sich internationalen Fußball anschauen. Die Fohlenelf hat kürzlich wieder das Ticket für die Champions-LeagueQualifikation gelöst und wird nächste Saison in jedem Fall europäisch spielen. In Köln ist es andersrum: Internationalen Fußball kennt man nur aus dem Fernsehen, dafür gibt es eine sehr vitale und international renommierte Musikszene. Borussia Mönchengladbach ist in der Domstadt verhasst wie fast kein zweiter Verein, was neben der regionalen Rivalität daran liegt, dass die Geißböcke gegen die Fohlen in schöner Regelmäßigkeit verlieren. Marius Lauber stammt aus dem niederrheinischen Viersen und hatte als Jugendlicher eine Dauerkarte für den Gladbacher Bökelberg. Wer aus dieser Gegend stammt, weiß, dass die Möglichkeiten jugendlicher Ausschweifungen dort begrenzt sind. Es gibt eine ganz schöne Landschaft, man kann zum Kiffen nach Holland rüber, aber das war es eigentlich auch

schon. Nach der Schule zieht man also in der Regel weg. Marius Lauber ist einer der wenigen Musiker, die es von dort aus auf internationale Bühnen geschafft haben. Erste Aufmerksamkeit erlangte er als Drummer der Viersener Band Beat!Beat!Beat!, deren Debüt-EP 2009 vom britischen NME als »deutsche Antwort auf die Foals« gefeiert wurde. Damals war er erst 17 Jahre jung. Foals ist übrigens auch die englische Bezeichnung für Fohlen a.k.a. junge Pferde, was also doppelt und dreifach Sinn ergibt. Damit wollen wir den Fußballexkurs jetzt aber auch abschließen. Lauber ist seit geraumer Zeit in Köln beheima- »Total tet. Unter dem Namen Roosevelt produziert Confusion«-Reihe der 25-Jährige elektronische Popmusik mit Die legendäre, 1998 ins Songstrukturen, die sich aus dem reichhaltigen Leben gerufene Partyreihe um die Kölner Residents Fundus der Clubmusik bedienen. Was gut mit Tobias Thomas, Michael der rheinländischen Musiktradition einher- Mayer und Superpitcher geht: Gegen Anfang der Nullerjahre waren es fand lange Zeit im kleinen verschwitzten Kellerclub die Produktionen aus dem Kompakt-Umfeld Studio 672 statt und von Justus Köhncke, Ada oder Superpitcher, wartete im Laufe der Jahre die die Grenzen zwischen Track und Song mit Gast-DJs wie DJ Koze, Acid Pauli, Theo Parrish verwischten und auch bei Lauber Spuren oder Ellen Allien auf. Nach hinterließen. Seine ersten Berührungspunk- zwischenzeitlichem Umzug te mit Clubmusik hatte er als DJ bei der eng fand im Dezember 2014 die letzte Ausgabe der Reihe mit dem Kompakt-Label assoziierten »Total an alter Wirkungsstätte Confusion«-Reihe, wo er auch zum ersten statt. Ein Interview zum Mal als Roosevelt live spielte – gemeinsam mit Abschied gibt’s auf intro.de unter #Total Confusion. Coma, mit denen er seit Jahren befreundet ist. Kürzlich supportete ihn das Kölner Duo auf seiner Deutschlandtour.

37


38

#Pop #Roosevelt

Ein Großteil der Arbeiten fand aber in Köln Von Spar statt. Erste Aufnahmen sind in den Kölner Die Kölner Band hat Dumbo Studios entstanden, hier sitzen nicht sich das Dumbo Studio im Zuge des vorletzten nur Von Spar, auch der Autor dieser Zeilen Albums »Foreigner« (2010) war mit seinem Musikprojekt eine Weile dort eingerichtet. Auch der untergebracht. Deshalb konnte er den Entste- Nachfolger »Streetlife« (2014), der Von Spar unter hungsprozess des Roosevelt-Albums ein biss- anderem aufs Intro-Cover chen mit verfolgen. Das Studio ist sehr klein, brachte, ist dort entstanaber gut ausgestattet. Es gibt ein großes, auf den. Derzeit arbeiten mehrere Mitglieder an den ersten Blick antiquiert wirkendes Misch- Soloprojekten. Im Sommer pult, vier Abhörmonitore und jede Menge erscheint eine Techno-EP Synthesizer der Firmen Korg, Roland und Kon- von Schlagzeuger Philipp Janzen unter dem Moniker sorten. Dazu Drum-Maschinen, Schlagzeug, Column. Auch hat sich ein Gitarren. Lauber kam meistens in Jogginghose großartiges Metal-Projekt und blieb über Stunden. Nicht selten saß er aus dem Dunstkreis der Band gefunden. gedankenversunken und hochkonzentriert am Rechner, sich erst mal erkundigend, ob es draußen gerade hell oder dunkel sei. Zur ÜberGreco-Roman gabe rauchte man gemeinsam eine Zigarette Aus der Londoner Partyreiund bekam manchmal die neuesten Demos he »Greco-Roman« heraus vorgespielt. Auch wenn alles meist super und gründete Joe Goddard wahnsinnig klar klang, hatte er immer wieder mit seinen Kumpels Alex Full Nelson und Dom Zweifel, ob man nicht diese oder jene Fläche Mentsh im Jahr 2007 das noch eine Spur markanter hinkriegen könne gleichnamige Label. Neben oder ob an der und der Stelle nicht noch ir- den genannten Künstlern wurden dort Platten von gendwas fehle. Bereits Herbst letzten Jahres Drums Of Death, Disclosure hatte er eine erste Version des Albums fertig, und Buraka Som Sistema die jedoch revidiert wurde. Insgesamt dauerte veröffentlicht. es anderthalb Jahre, bis »Roosevelt« fertig war. »Anderthalb Jahre sind aber keine lange Zeit für ein Album, finde ich. Man will das ja auch nicht so hinschludern. Ich sehe schon eine Entwicklung in meinen Produktionen der vergangenen Jahre. Da ging es anfangs noch viel um Loops, Samples und Gitarrenlayer. Ich sage immer: Nach den ersten 20 Sekunden von ›Sea‹ weißt du eigentlich alles über den Track. Er hat zwar die Soundästhetik von Popmusik, ist aber arrangiert wie ein Clubtrack. Von diesem Ansatz wollte ich ein bisschen weg. Echte Schlagzeugparts benutzen, ganz klassische Instrumente. Ich wollte ein Album machen, das wie von einer echten Band klingt, und mich auch trauen, Songs Roosevelt ist im Internetzeitalter groß geworden, in dem zu schreiben«, erklärt er. Ländergrenzen eigentlich keine Rolle mehr spielen sollten, Inspiriert habe ihn der West-Coast-Pop und Yacht-Rock auch wenn aktuell leider wieder das Gegenteil der Fall Yacht-Rock der Siebziger und Achtziger, Bands Gegen Mitte der 70erzu sein scheint. Das selbstbetitelte Debütalbum klingt wie die Doobie Brothers, aber auch die Solo- Jahre geborenes Genre, das manchmal auch »Soft jedenfalls so ausgefeilt, dass es auch in einem Studio in platten von Paul McCartney. Songs, die klar Rock« oder »Blue Eyed Los Angeles oder London hätte entstanden sein können. definiert seien und im Zweifelsfall auch ohne Soul« genannt wird und Was es zum Teil auch ist, kleinere Parts wurden bei Joe aufgemotzte Produktion funktionieren wür- sich durch aufwendige Arrangements, eine gewisGoddard eingespielt, abgemischt wurde es vom New Yor- den, die man eben auf dem Klavier spielen se Leichtigkeit und große ker Produzenten Chris Coady, der schon für Beach House, könne, so Lauber. Melodien auszeichnet. Grizzly Bear oder Gang Gang Dance an den Reglern saß. »Die Produktion ist im Vergleich zu früher Bekannte Vertreter sind Hall & Oates, Steely Dan einfach klarer. Das ist zumindest oder Fleetwood Mac. In den mein Eindruck – auch die Vocals. vergangenen Jahren erlebte Ich wollte mich nicht mehr ver- das Genre über Compilations wie »Too Slow To stecken hinter Nebel und verwa- Disco« ein kleines Revival. »Es ging mir darum, eine Figur zu schenen Beats und das Ganze ein bisschen eindeutiger machen. Also weg von erschaffen, für die ich produziere. diesem anonymen Clubgestus und hin zu Das macht die Sache für mich mehr Persönlichkeit. Das sieht man ja auch am absurderweise einfacher, weil ich Coverdesign. Es ging mir darum, eine Figur zu mich mehr traue. Es ist leichter, eine erschaffen, für die ich produziere. Das macht die Sache für mich absurderweise leichter, cheesige Hook für eine Kunstfigur weil ich mich mehr traue. Es ist einfacher, eine zu schreiben, die man selbst cheesige Hook für eine Kunstfigur zu schreierschaffen hat« ben, die man selbst erschaffen hat«, erklärt er. »Gerade in meinen Anfangstagen war das immer ein fruchtbarer Austausch. Ich habe für Coma im Studio Schlagzeug-Parts eingespielt, und die haben mir im Gegenzug erklärt, wie man einen Sequenzer programmiert. Auch wenn wir andere Musik machen, gibt es natürlich gewisse Gemeinsamkeiten. Wir versuchen, Sachen zu vermischen, die auf den ersten Blick vielleicht nichts miteinander gemein haben. So bleibt man auch nicht in abgesteckten Technoklischees stecken. Ich denke, das zeichnet Köln generell ein bisschen aus«, sagt Lauber. Das Produzieren hat er sich aus der Not heraus selbst draufgeschafft. Schon zu Zeiten der ersten Beat!Beat!Beat!EP sei er derjenige gewesen, der die Stücke abmischen musste. Nicht, weil er der Produzentencrack gewesen sei, sondern weil er schlichtweg den schnellsten Laptop gehabt habe, so Lauber. Der Rest sei learning-by-doing gewesen. Nach dem Band-Aus fing Lauber an, eigene Stücke zu produzieren, und lud eine Demoversion von »Sea« auf YouTube. Nach kurzer Zeit bekam er Post von Greco-Roman, dem Label von Hot-Chip-Mitglied Joe Goddard. Wie die Briten auf das Stück gestoßen sind, weiß er bis heute nicht so genau. »Das war ein ganz einfaches Visual-Video mit nur 200 Plays oder so. Ein Praktikant von denen muss da irgendwie drauf gestoßen sein. Dann kam eine Nachricht, ob ich mir vorstellen könne, ein Release daraus zu machen, und so ist 2012 die erste RooseveltEP entstanden«, erklärt er. Es folgte eine UK-Tour mit Totally Enormous Extinct Dinosaurs, der ebenfalls auf Greco-Roman veröffentlicht. Danach wurde Lauber auch regelmäßig außerhalb Deutschlands gebucht. Das Touren im Ausland sei aber für ihn nie ein großes Ding gewesen. »Für mich hat sich das immer relativ normal angefühlt, aber gerade so Leute aus dem Musikbusiness haben das immer wieder thematisiert. Oh, ein Deutscher, der im Ausland spielt! Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Künstler aus Paris gefragt wird, warum er denn in Brüssel spiele. Mich hat das immer ziemlich genervt, wenn mich Leute auf mein Deutschsein reduziert haben. Meine Produktionen klingen ja auch nicht ›deutsch‹, was auch immer das sein soll«, sagt er und schmunzelt.


#Pop #Roosevelt

Mittlerweile sei er auch auf der Bühne selbstbewusster. Live wird Roosevelt von einem Schlagzeuger und Bassisten ergänzt, was das Projekt immer mehr zu einer Art Band werden lässt. Zwei Tage vor dem Interview hat er auf dem Primavera Festival in Barcelona die Pitchfork Bühne geheadlined und vor mehreren Tausend Menschen gespielt. Dass die neuen Songs problemlos auf großen Bühnen funktionieren und gefeiert werden, obwohl das Album noch gar nicht offiziell erschienen ist, macht ihn natürlich glücklich. »Als ich die ersten Male live in Clubs gespielt habe, war ich noch komplett auf mich allein gestellt. Man wurde mit Kapuzenpullover aus dem Studio auf die Bühne geschubst und hat sich gefragt: ›Was mache ich hier eigentlich?‹ Auch wenn ich die Stücke alleine schreibe, ist durch die Band alles viel klarer geworden. Früher musste ich ja die Instrumente bedienen und dazu auch noch singen. Mittlerweile habe ich einen Bassisten und einen Drummer, der zum Teil einen ganz anderen Groove in die Stücke bringt. Ich kann mich auf meinen Part konzentrieren und habe dadurch ein bisschen die Performerrolle für mich entdeckt«, sagt er. Auf dem Cover des Albums sieht man ihn in Nahaufnahme vor lila Hintergrund, Schriftzug und Design erinnern stark an die Achtziger. Prince kommt einem natürlich schnell in den Sinn, Lauber selbst fühlt sich mehr an das Lila der L.A. Lakers erinnert. »Ich wollte eine warme Farbe, die die Musik unterstützt. Das Album klingt ja sehr warm und organisch, dementsprechend ist auch das Cover. Eigentlich ist das ja eher unzeitgemäß, weil gerade wieder so ironisch gebrochene Sachen angesagt sind. Damit kann ich absolut nichts anfangen. Ich wollte nicht, dass diese wohlklingenden Harmonien durch irgendwas gebrochen werden, sondern eine Platte machen, die durchweg homogen ist.« Tatsächlich ist es eine große Kunst, sich diese cheesigen Melodien aus dem Ärmel zu schütteln, ohne dabei zuckrig, bekloppt oder ironisch zu wirken. Doch Lauber schafft den Spagat und schreibt zeitgenössische glasklare Popsongs, gewürzt mit Einsprengseln aus Italo- und Postpunk-Disco. Wobei Postpunk-Disco mehr die zweite Generation um DFA-Bands wie Holy Ghost! oder LCD Soundsystem meint, die Roosevelt zu seinen Einflüssen zählt. Holy Ghost!, mit denen Roosevelt in der Vergangenheit schon mehrfach verglichen wurde, haben es nach vielversprechenden

Tracks leider nie geschafft, ein gutes Album nachzulegen. Roosevelt dagegen hat seinen markigen Sound nach ersten Singles auf ein neues Level gehoben und ein echtes Popalbum daraus gemacht. Gehen Sie davon aus, dass wir von diesem Jungen noch so einiges hören werden, würde Hans Meyer sagen, der kauzige Ex-Trainer von Borussia Mönchengladbach. Und immerhin genießt der nicht nur am linken Niederrhein nach wie vor Kultstatus. — Intro empfiehlt: Roosevelt »Roosevelt« (City Slang / Universal / VÖ 19.08.16) — Auf Tour vom 15.07. bis 18.09., auf dem Melt! am 15.07.

39


40

#Pop #Biffy Clyro

Biffy Clyro

HALBNACKT! VERZWEIFELT! LEGOSÜCHTIG!

E

s gibt nicht viele Stadionrockbands, die in dieses Heft passen würden. Biffy Clyro sind eine Ausnahme. Nicht nur, weil ihr siebtes Album »Ellipsis« mit Songs wie »Re-Arrange« und »Herex« auch die Indie-Kids einfangen kann, sondern weil die drei Jugendfreunde trotz ihres beachtlichen Erfolges eine Attitüde haben, die mich an meine ersten Interviewversuche mit übermotivierten lokalen Bands erinnert. Simon Neal, den ich schon mal mit blondierten Haaren, freiem Oberkörper und silberner Lackhose vor 60.000 Engländern – also as rockstar as can be – auf dem Reading hab spielen sehen, sagt dann auch tatsächlich im Laufe unseres Gesprächs: »Ich wundere mich noch immer manchmal, dass die Leute mit uns reden wollen.« Natürlich ist dabei auch ein wenig Koketterie im Spiel, Biffy Clyro kauft man diese Aussage aber trotzdem ab. Sie sind gut darin, als sympathische Gang aufzutreten, sie merken sich, wer mit ihnen redet (oder lassen sich von ihrem Presseteam briefen); und bevor ich es selbst sagen kann, weil es mittlerweile unser viertes Treffen ist, höre ich ein: »Hey, nice to have you back!« Aber genug der Nettigkeiten: Das neue Biffy-Album enthält nämlich nur bedingt freundliche Themen. Es beginnt mit einem vertonten Mittelfinger gegen Neider und Zweifler, gefolgt von einem düsteren Sinnieren über falsche Freunde, einer Hymne auf den animalischen Wahnsinn und einer gebrochenen Liebeserklärung an eine Frau, die dem Protagonisten durch schwere Zeiten geholfen und dabei selbst Schaden genommen hat. Und so geht es weiter. Gepaart mit einer etwas reißerischen Titelstory im britischen NME vor einigen Wochen, die Simons Gemütszustand als eher kritisch inszenierte, muss man doch fragen, wie das alles zu diesem kumpeligen Feixen auf dem Sofa vor mir passt. »Der Typ vom NME hat die Story, glaube ich, geschrieben, bevor er mit Simon gesprochen hat«, lacht Ben. Simon ergänzt: »Ich habe vielleicht ein wenig zu sehr aus dem Nähkästchen geplaudert. Wir hatten aus diversen Gründen eine schwere Zeit. Die ist jetzt vorbei. Darum geht es auf dem Album. Das ist alles. Solche Phasen hat jeder mal im Leben. Ich möchte nicht, dass ›Ellipsis‹ jetz als großes Depri-Album wahrgenommen wird. Denn das ist es nicht.«

Sie spielen in Arenen, musizieren seit ihren Teenagerjahren in gleicher Besetzung und finden selbst bei ihrem siebten Album noch neue Ideen. Glaubt man den ersten Medienberichten, mussten Biffy Clyro dafür mit Schreibblockaden ringen und das tiefe Tal der Depression durchschreiten. Daniel Koch traf Simon Neal und die Zwillingsbrüder James und Ben Johnston in Berlin, um herauszufinden, ob es wirklich so dramatisch zuging. Foto: Christian Debus


#Pop #Biffy Clyro

Lego Architecture Wie der Name schon vermuten lässt, kann man mit dieser Reihe berühmte Gebäude aus Lego nachbauen, zum Beispiel den Berliner Reichstag plus Fernsehturm, Teile der New Yorker Skyline, den aktuell höchsten Turm der Welt, den Burj Kahlifa in Dubai, oder den Pariser Louvre. Ben Johnston sagt dazu: »Die Dinger stehen überall in Simons Haus rum.«

Nach der Welttournee zu ihrem 20-Song-Doppelalbum »Opposites« hatten die drei eine Auszeit nötig. »Wir mussten erst mal wieder lernen, ein normales Leben zu führen«, sagt James. »Monatelang waren wir Teil dieser mittlerweile riesigen Biffy-Maschine, hatten ständig Leute, die uns an die Hand nahmen, uns sagten, wann es Essen gibt, wann Soundcheck ist, wann der nächste Pressetermin.« Also suchte man sich seine Hobbys. Golf, Angeln, Freunde treffen – und, wie Simon lachend gesteht: »Viel Lego. Ich habe die ›Lego Architecture‹-Reihe komplett durch.« Dann wird er kurz ernst: »Diese Phase war wichtig, aber schon seltsam. Als ich dann versuchte, neue Songs zu schreiben, klangen die bloß wie eine Fortsetzung von ›Opposites‹. Ich war unzufrieden, hatte zum ersten Mal eine Schreibblockade und nicht eine einzige überzeugende Idee. Hinzu kam ein Todesfall in meinem Umfeld, und auch meiner Frau ging es eine Weile nicht gut. Musik war für mich immer eine zutiefst ehrliche und emotionale Angelegenheit, also musste ich einen Weg finden, diese Erfahrungen in ihr zu verarbeiten. Das Ergebnis war zunächst eine Art

elektronisches Album, das ich unter dem Namen ZZC veröffentlichen werde, danach traute ich mich wieder an Biffy-Songs.« Ben springt ein: »Wir trafen uns erst in unserem Studio in Schottland und merkten gleich: Das geht in eine spannende Richtung. Aber für uns war klar, dass wir diesmal etwas grundsätzlich anders machen wollten.« Also zog die Band für sechs Monate nach Los Angeles und ging hier mit neuem Produzenten und neuem Arbeitsprozess »Ellipsis« an. Am Mischpult saß Rich Costey, der zum Beispiel das letzte, reichlich pompöse Muse-Album zu verantworten hat. »Wir wollten jemanden, der neue Seiten hervorkitzeln kann«, erklärt James. »Unser bisheriger Produzent GGGarth war eher der geerdete Typ: Du spielst ihm eine Gitarre ein, und er sorgt dafür, dass diese so gut klingt, wie es geht. Rich ist eher ein verrückter Professor: Er schickt Drum-Sounds durch Gitarrenverstärker und hat immer einen Effekt parat, den du noch nicht kanntest.« – »Die Basis dabei waren aber immer wir drei«, stellt Simon klar. »Wir wollten alles, was es zu hören gibt, selbst einspielen. ZZC Wir zogen sogar gemeinsam in ein Einen Song seines Projekts Haus in der Nähe des Studios. Das gibt es bereits auf YouTube. »To The Bone« setzt war genau das, was wir brauchten. überwiegend auf Piano und Ich habe mich regelrecht neu in Gesang und war Simons Beitrag zum Projekt »Radio unsere Band verliebt.« 1 Rescores: Drive« vom Trotz der offenen Texte ist das damals noch BBC-Modesiebte, mit elf Songs recht kom- rator Zane Lowe. Dieser pakte Biffy-Album also eher ein versammelte Künstler wie ZZC, Chvrches, Foals und Kind der Liebe als der Trauer. Was SBTRKT, um einen alternasich natürlich nicht so gut ver- tiven Soundtrack zum Film kaufen lässt wie die dramatische »Drive« aufzunehmen. Ein offizielles Release-Datum Variante, die der NME in die Welt steht noch nicht fest. Sigetragen hat. Auf die Frage, ob sol- mon tippt auf »irgendwann che Verdrehungen nicht wütend nächstes Jahr«. machen, sagt Simon: »Wir können uns meist nicht beklagen. Ich war noch nie richtig sauer. Mich hat es nur getroffen, als jemand schrieb, meine Frau und ich hätten eine Ehekrise. Weil es nicht stimmte. Aber klar: Ab einer gewissen Größe erreicht man auch die Leute, die nur Gossip über dich hören wollen. Deshalb wird immer mal überspitzt wie bei der NME-Nummer oder gar die Unwahrheit geschrieben. Aber wir haben das Glück, dass wir meist Leute treffen, die uns kennen, vielleicht sogar mögen und immer auch da sind, wenn wir wieder da sind. Wie du zum Beispiel.« Die einzige Antwort, die ich darauf geben kann: »Danke für die Blumen, Jungs! Aber ihr wisst schon, dass den Text so keine Sau interessieren wird. Da muss zumindest ‘ne Skandal-Headline ran.« Simon: »Okay, was schwebt dir vor?« Ich: »Ich würde diese Lego-Nummer picken.« James: »Simon, der Lego-Junkie! Catchy.« Ben: »Du hättest mal sehen sollen, wie er nach einem Rückfall immer mit seinen Lego-Steinchen in der Ecke saß.« Simon: »Manchmal war es so schlimm, dass mir diese ganz kleinen Lego-Klötzchen aus den Haaren rieselten.« James: »Hattest du vorhin nicht auch eine Line aus Lego-Steinchen auf den Glastisch gelegt, bevor er in den Raum kam?« — Biffy Clyro »Ellipsis« (Warner / VÖ 08.07.16) — Auf Tour vom 23.10. bis 11.11.

41


42

#Pop #Cover-Welten

Cover-Welten

SCHAUKEL

Tipp: Wenn man zu selbst gesetzten Themen absolut keinen Einfall hat, heißt die vorletzte Lösung Wikipedia. Zum Thema Schaukel beispielsweise gibt es ganz entzückende Bilder und hinreißende Erklärungen zur »Physik des Schaukelns«, »Energiezufuhr durch Drehbewegung des Körpers« und »Gefahren bei einer Kettenoder Seilschaukel«. Also auf ins Internet, es lohnt sich!


DillyDally 05.10. BERLIN 07.10. HAMBURG 08.10. MÜNCHEN 09.10. KÖLN GETADDICTED.ORG

29.09. STUTTGART 30.09. WIESBADEN · 01.10. HAMBURG 03.10. HANNOVER · 04.10. LEIPZIG 05.10. BERLIN · 09.10. OBERHAUSEN


44

#Pop #Shirley Manson

Shirley Manson

»ICH WILL MENSCHEN ZWEIFELN SEHEN!« Die Schottin mit der vielleicht dreckigsten und schönsten Lache in diesem Heft hat mit ihrer Band Garbage kürzlich das Album »Strange Little Birds« veröffentlicht. Daniel Koch traf Shirley Manson in Berlin und sprach mit ihr über lyrische Operationen am offenen Herzen, Role-Models und die Rolle des Mannes im Kampf um die Rechte der Frauen. Illustration: Julia Feller


#Pop #Shirley Manson

Ich muss zugeben, dass ich gar nicht so viel von einem neuen Garbage-Album erwartet habe.

Ha ha, danke.

Das klang jetzt böser, als es gemeint war. Ich bin schon das, was man einen alten Fan nennen könnte. Aber das Vorgänger-Album »Not Your Kind Of People« hatte ich für mich eher unter »Stagnation auf hohem Niveau« abgelegt. Jetzt habt ihr mich wieder, was vor allem an Songs wie »If I Lost You«, »Night Drive Loneliness« oder »Even Though Our Love Is Doomed« liegt. Ich war fast ein wenig geschockt, wie direkt du dort über deine persönlichen Abgründe singst. Das ist in dieser Intensität neu. Wie kam es dazu?

Du hast recht: Diesmal habe ich mir im Studio wirklich die Brust aufgeschnitten und mein Herz entblößt. Das musste sein. Mich kotzt es an, wie heutzutage jeder glaubt, er müsse sich immer von seiner Schokoladenseite präsentieren. Du schaust auf die Instagram-Profile deiner Freunde und siehst nur noch inszenierte, pseudoglamouröse Oberflächlichkeit. Alle sind happy und perfekt, wie große, naive Kinder. Von Schwäche keine Spur. Dabei machen uns doch gerade die Fehltritte menschlich. Mir gibt es Kraft und Hoffnung, wenn ich Menschen sehe, die mit sich selbst ringen und stärker aus diesem Kampf herauskommen. Ich will Menschen zweifeln sehen! Deshalb habe ich meinen inneren Kampf offen gelegt. Ich werde ja auch bald 50, da bin ich es mir schuldig, mich noch mal in lyrisches Neuland zu trauen. Abgesehen davon brauchen wir eindeutig mehr Musik in dieser Art und weniger Deppen, die mir erzählen, wie hart sie jeden Abend im Club bangen. Hättet ihr eigentlich jemals gedacht, dass ihr nach über 20 Jahren als Band immer noch aktiv sein und neue Seiten an euch entdecken würdet?

Schwer zu sagen. Wir waren schon immer eine seltsame Band. Wir hatten in den Neunzigern einen Riesenlauf Riesenlauf. Aus dem Stand heraus waren wir Schon das Debüt »Garba- größer, als wir das je vorhatten. Es war diese ge« verkaufte sich weltweit wunderbare Zeit, als all diese tollen Alternatiüber fünf Millionen Mal und platzierte Singles wie ve-Acts den Mainstream bestimmten. Plötzlich »Queer« und »Stupid Girl« waren wir und unsere Freunde nicht mehr in in den internationalen kleinen Clubs, sondern auf großen FestivalbühCharts. Großes Interesse erregte vor allem die Tat- nen, auf Magazincovern. Us fucking bastards! sache, dass der Produzent Tja, und dann war das wieder vorbei, die Zeiten von Nirvanas »Nevermind«, und der Geschmack änderten sich, und wir Butch Vig, Teil der Band war. Shirley stahl ihren fühlten uns wie Zaungäste in der Musikwelt. Kollegen mit provokanten Aber genau aus der Zeit erwuchs unsere Stärke. Aussagen schnell die Show. Irgendwann dachten wir: »Scheiße, wer will Viel zitiert wurde vor allem dieses Statement: »Who denn eigentlich erfolgreich sein? Wir sind jetzt wants a boy who won’t kiss da, wo wir immer hinwollten.« Das brachte you when you’ve just been uns eine Gelassenheit, die uns, glaube ich, bis sick? I want a man who will let me pee in his belly but- hierhin getragen hat. ton. I want a man to accept the beast in me.«

Ich habe das nicht ernst genommen und mich selbst nie so gesehen. Tue ich immer noch nicht. Das ist bloß die lächerliche Presse, die heute wie damals aus jeder, die länger als zwei Minuten im Scheinwerferlicht durchhält, ein Role-Model oder eine Ikone macht. Ikone Um so genannt zu werden, muss man meiner Auf die Frage, ob es Meinung nach aber viel mehr leisten, viel mehr Künstlerinnen gab, die ihr als Ikonen erschienen, zu sagen haben und viele Jahre durchhalten. sagt Shirley: »Wenn ich Ich war jung damals, neu in meiner Rolle und eines über mein jüngeres die meiste Zeit schlichtweg verängstigt. Das Ich sagen kann, ist es, dass ich einen phänomehabe ich vor allem durch Aggression kom- nalen Musikgeschmack pensiert – und deshalb dachten alle, ich sei hatte. Meine imaginäre ein bad ass. Außer meinen Bandkollegen. Die Mädchengang bestand aus: Siouxsie Sioux, Chrissie kannten mich ja. Hynde und Patti Smith. Als deine Karriere mit Garbage losging, war die Musikbranche fest in Männerhänden. Viel geändert hat sich seitdem nicht, denke ich manchmal. Oder zumindest nicht so viel, wie sich in 20 Jahren eigentlich hätte ändern müssen. Würdest du dem zustimmen?

Sie inspirieren mich auch heute noch. Immer, wenn ich denke: ›Bin ich zu alt für den Scheiß?‹ schaue ich mir ihre Karrieren an und stelle fest, dass Patti zum Beispiel auch heute noch wichtiger ist als 99,9 Prozent aller weiblichen Acts, die ich seitdem live gesehen habe.«

Absolut. Ich finde es generell alarmierend, wie wenig sich in Sachen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau geändert hat. Wir treten auf der Stelle. Ich denke oft, die Lösung dafür wäre, die Männer ebenso zum Kampf zu rufen. Feminismus ist kein Frauenthema. Wir brauchen die Männer an unserer Seite, die sich zum Feminismus bekennen. Und lass mich die Erste sein, die es auf diese Weise noch mal klarstellt: Wenn die Königin glücklich ist, ist es der König auch. Das ist natürlich eine simple Verallgemeinerung, aber sie passt sehr gut. Ich bin sicher, viele Männer wären erleichtert, wenn sie all die traditionellen Männerrollen, die sie erfüllen sollen, loswerden könnten. Wären wir nicht alle besser dran, wenn die Verantwortung, die es mit sich bringt, ein menschliches Wesen auf diesem Planeten zu sein, auf allen Schultern verteilt wäre? Wir Frauen lechzen förmlich danach, den Männern einen Teil der Last abzunehmen, aber irgendwie hat es unsere patriarchale Gesellschaft geschafft, das auszubremsen. Mir kommt es manchmal so vor, als wäre das Thema das reinste Minenfeld. Wie man sich auch für Feminismus einsetzt, es gibt immer einen, der drauf drischt oder das Thema als nichtig brandmarkt.

Ja. Und daran ist vor allem unsere noch immer überwiegend patriarchale Medienlandschaft schuld. Die hat es geschafft, das Wort Feminismus zu verunglimpfen, bis zu dem Punkt, an dem sich Frauen nicht mehr damit identifizieren wollen und Männer Angst vor ihm haben. Dabei geht es uns doch nur um Gleichheit! Es ist unser aller Job, etwas zu verändern. Ich bewundere Männer, ich liebe Männer, und ich möchte um Himmels willen auch nicht in einer Ich muss zugeben, dass ich damals ziemlich matriarchalen Welt leben – aber eine gleichberechtigte, beeindruckt war, als ich dich das erste Mal das wäre doch was!

live gesehen habe. Das war auf einem kleinen Festival in Fürstenau 1996. Ich war anfangs eher ein Metalkid, später kam Punk dazu, ich war es also gewohnt, schreiende Typen auf der Bühne zu sehen. Und dann bist du über die Bühne gewütet, als hättest du jedem der Bandmitglieder vor der Show in die Eier getreten. Deshalb verstand ich sofort, warum du oft als Role-Model bezeichnet wurdest. Wie fühlte sich das damals für dich an?

— Garbage »Strange Little Birds« (Stun Volume / Coop / PIAS / Rough Trade) — Auf Tour vom 10. bis 13.08.

45


46

#Pop #Von Wegen Lisbeth

Von Wegen Lisbeth

DAS GRANDE GANZE Und es gibt sie doch: »Berliner Indie-PopBands«, die tatsächlich und gebürtig aus Berlin kommen. Von Wegen Lisbeth sind eines dieser selten gewordenen Exemplare. Nach Dutzenden Auftritten in Berliner Kaschemmen, überzeugenden Supportshows bei AnnenMayKantereit und Element Of Crime und erstem Internetfame ist nun ihr ganz bescheiden betiteltes Debüt »Grande« fertig. Annett Bonkowski traf Sänger Matthias und Bassist Julian in, na, ratet mal … Foto: Noel Richter


#Pop #Von Wegen Lisbeth

S

chön war gestern. Nett ist nur Mittelmaß. Aber grande? Das hat doch was! All die neumodischen Trendwörter können einpacken, wenn es darum geht, Euphorie zum Ausdruck zu bringen. Das Wort grande ist multifunktional und mindestens ebenso ungezwungen wie die Berliner Band Von Wegen Lisbeth, die das Wort gleich zum Titel ihres Debüts erkoren hat und damit – natürlich – Großes vorhat: »Wir hätten das Album auch ›Großartig‹ oder ›Megagut‹ nennen können, aber ›Grande‹ als Lebensphilosophie gefällt mir gut und trifft es besser«, sagt Sänger Matthias, sichtbar zufrieden mit der Wahl. Aber seien wir ehrlich: Potenzielle Anwärter auf den Grande-Stempel gibt es im Alltag nur wenige. Das mag an der eindimensionalen oder verzerrten Sicht auf die Dinge um uns herum liegen. Auch mit dem Selfie-Stick lässt sich diese nicht erweitern. Auf dem mobilen Bildschirm eingezwängt, nehmen wir virtuell am Leben teil und verpassen dabei oftmals doch die vielen lohnenswerten Momentaufnahmen in Echtzeit. Von Wegen Lisbeth schnappen genau diese mit einem guten Blick fürs Detail auf, um ihre Beobachtungen in allen Nuancen der Nonchalance in ihren Texten aufzubereiten. Und das weit abseits gewöhnlicher Phrasen oder sperrig-konstruierter Wahrnehmungen. Man will die erzählten Geschichten einfach festhalten und bei Bedarf immer wieder zitieren. Sie könnten genau so dir oder deinem besten Freund passiert sein. In »Der Untergang des Abendlandes« heißt es: »Oh nein, was ist, wenn diese Linda von Tinder mich anlügt und eigentlich Kinder will?«, während im Song »Lisa« das eigene Versagen thematisiert wird: »Ich trage all meine Träume zum Bestattungsinstitut. Doch immer, wenn ich kotzen muss, geht Liebe durch den Magen, und dann weiß ich, mir geht’s gut.« Die Abhandlungen im Stream-of-Consciousness-Stil dienen Sänger Matthias aber nicht, wie so vielen Songwritern, als Ventil zur persönlichen Problembewältigung. »Es ist nicht so, dass ich einen Liedtext schreibe und dadurch meine Seele befreie. Klar, vieles in den Texten ist autobiografisch, aber es ist im Endeffekt eben ein Songtext, der zusammen mit der Musik funktionieren muss.« Genügend inhaltliche Inspiration dürften Von Wegen Lisbeth in ihrer Stammkneipe finden, in der sie – unprätentiös, wie sie sind – den Komfort lieber gegen Geselligkeit eintauschen und dabei ungestört das Klientel beobachten können, wie Bassist Julian betont: »Eine gute Kneipe ist für mich ein Ort, an dem es billiges Bier gibt. Mehr braucht es nicht. Ich brauche kein wunderschön eingerichtetes Wohnzimmer. Das kann ich auch bei mir zu Hause haben.« Den übermäßigen Wohlfühlfaktor lehnten die Berliner auch bei den Aufnahmen zum Debüt ab. »Im Studio ist es uns nur wichtig, dass wir unsere Ruhe haben«, gesteht Matthias. »Wir karren all unser Equipment an, um jederzeit alles ausprobieren zu können. Wir brauchen aber niemanden, der uns sagt, dass wir mal wieder duschen sollten.« Ob

die eingespielten Songs nach dem Mastern eher muffelig oder erfrischend wirkten, bewertete das Quintett unter erschwerten Bedingungen und mit einem »grande« Loch im Magen im Nirgendwo einer Schweizer Autobahn-Raststätte: »Wir haben die gemasterten Albumaufnahmen über das Wifi-Netz bei einem Mc Donald’s runtergeladen und dann über Kopfhörer auf dem iPod gehört«, erinnert sich Julian. Sänger Matthias hatte derweil mit seiner schlechten Laune zu kämpfen: »Ich war mega angepisst, weil der fucking Cheeseburger dort vier Franken gekostet hat. Meine Laune war für mindesten zehn Minuten im Keller und die gemasterten Songs dementsprechend kacke, bis ich mich davon erholt hatte.« Dem neuesten Aushängeschild des deutschsprachigen Indie-Pop wird gerne eine Liebe zur großen kreativen Verschwendung nachgesagt: Ideen im Überfluss haben sie tatsächlich. So viele, dass unzählige davon noch im Privatarchiv schlummern: »Eigentlich war dieser Zustand gut für uns, um die Arbeit am Album voranzutreiben. Ich finde es so immer noch besser als andersherum, wenn man sich etwas aus den Fingern saugen muss, was nicht da ist. Auch vor dem Album haben wir über Jahre hinweg ›Hits‹ auf Mini-Disc aufgenommen. Zum Beispiel über meinen Kieferorthopäden oder über das Touren mit Liebesleben von Angela Merkel«, amüsiert sich AnnenMayKantereit der Mann am Mikrofon. Beim Schreiben der Wie man im Tourblog Songs graut es ihm nur vor einer Sache: »Zu von Von Wegen Lisbeth nachlesen kann, hatten sehr in der eigenen Band-Blase zu stecken ist beide Bands im Frühjahr wahrscheinlich die realistischste Gefahr, wenn 2014 tatsächlich ihren Spaß es darum geht, irgendwann musikalisch dem und waren mehr als eine bloße Zweckgemeinschaft. Stillstand ausgesetzt zu sein.« Bei den Touren So mussten AMK nach mit ihren Kollegen AnnenMayKantereit und einer verlorenen Wette in Element Of Crime konnten sie diese Art der Ravensburg einen Song nach Lisbeths Wahl spielen. künstlerischen Stagnation bisher problemlos Die Wahl fiel auf »Monatsvon sich wegschieben. ende« von Imbiss Bronko Ebenso wie die teilweise aufkommenden feat. Atze Bierbong, einen Song mit der grandiosen Zweifel an ihren musikalischen Absichten, Line »Hurra, hurra, Hartz IV denn wer deutschsprachigen Indie-Pop macht, ist da!«. der muss heutzutage besser einfach alles ironisch meinen. Dass das grande Mist ist, findet Berliner auch Matthias: »Uns wird oft nachgesagt, dass Stammkneipe die Texte etwas Humoristisches haben. Viele Die meisten Mitglieder denken, dass man etwas Humorvolles nicht von Von Wegen Lisbeth wohnen in Neukölln. Da auch ernst nehmen kann. Darin liegt für mich wundert es nicht, dass sich aber gar kein Widerspruch.« Das in den Songs auch ihre Stammkneipe steckende Augenzwinkern hat dabei jedoch – zumindest eine davon – dort befindet. In diversen nichts mit Klamauk zu tun. Den heben sich Interviews nannten sie als Von Wegen Lisbeth lieber für den nächsten Favoriten das »Bäreneck« ausgedehnten Abend in ihrer Berliner Stamm- in der Hermannstraße 37. Da steht »Altberliner kneipe mit Gütesiegel »Grande« auf. Kneipe« dran, und da ist — Von Wegen Lisbeth »Grande« (Columbia / Sony / VÖ 15.07.16) — Intro empfiehlt die Tour vom 06.09. bis 29.10.

auch Altberliner Kneipe drin. Hier gibt’s das Bier noch für unter 1,50 Euro, die kalte Bulette kann was, der Futschi schmeckt, und der Mexikaner ist würzig.

47


TAUB UND SCHATTEN

DJ Shadow 48 #Pop #DJ Shadow


#Pop #DJ Shadow

Josh ­Davis ­alias DJ ­Shadow ­begann vor ­genau 20 ­Jahren, HipHop seinen eigenen Stempel aufzu­drücken. Mit seinem fünften ­Studioalbum »The Mountain Will Fall« will er nun weg vom Image des Sample Guys. ­Christian Schlodder traf DJ Shadow in London und sprach mit ihm über die Deutungs­ hoheit am eigenen Werk, kreative Sackgassen und die Angst vor Vergäng­ lichkeit. Foto: Liam Ricketts

Die Zeit fliegt über uns hinweg, aber ihren Schatten lässt sie hinter sich«, schrieb einsder Romantiker Nathaniel Hawthorne. Neben diesem Schatten gibt es auch den, der sich über die Zeit legt. Normalerweise bezeichnet man damit eher dunkle Zeiten. Im Falle von DJ Shadow aber verhält es sich anders: Vor exakt 20 Jahren schuf der mit »Endtroducing...« einen zeitlosen HipHop-Meilenstein. Das Album schaffte es nicht nur in die All-Time-Top-100 des Time Magazines, sondern ist außerdem im »Guinness Buch der Rekorde« gelistet: als erste Scheibe, die nur auf Samples basiert. Ihr Erscheinen war so weitreichend und einflussreich, dass der britische Musikjournalist Andy Pemberton für DJ Shadows Stil Andy Pemberton im Mixmag-Magazin ein eigenes Der damals für das britische Mixmag arbeitende Genre erdachte: TripHop. Musikjournalist war Nun, 20 Jahre nach »Endtro- angeblich der Erste, der für ducing...« und fünf Jahre nach Künstler wie DJ Shadow, seinem letzten Album »The Less Tricky und Massive Attack den Begriff »TripHop« You Know, The Better«, meldet erfand – das war im Juni sich DJ Shadow mit seiner fünf1994. Später wechselte er ten Studio-Platte zurück: »The zum britischen Q Magazine. Mountain Will Fall«. Man könnte den Titel als einen reflektierenden Abgesang auf ihn selbst missverstehen. Eine Referenz auf eine Zeit vor etwa 20 Jahren, in der man seinen Künstlernamen aus DJ und einem beliebigen Wort zusammensetzen musste, um ein Ideal zu erfüllen, das mittlerweile als retro gilt – und um den Leuten überhaupt begreiflich zu machen, welche Art von Musik man macht. Vielleicht ist der Titel sogar eine Neuerfindung, die auch nach hinten losgehen kann. Shadow schiebt das obligatorische Basecap kurz zurecht, als er darüber nachdenkt. »Ich habe viel von anderen Künstlern gelernt: von ihren Höhen, ihren Tiefen«, sagt er. »Alle großen Künstler haben Alben gemacht, die bei ihren Fans polarisierten.« Der Titel »The Mountain Will Fall« sei aber eher eine Anspielung auf die gern genutzte Metapher, dass der Entstehungsprozess eines Kunstwerks dem Besteigen eines Berges gleiche. Er stellt also die Frage: Ist es Gesetz, dass der Bergsteiger in dieser Schicksalsgemeinschaft die einzige Partei ist, die fallen kann? Wenn man sich mit DJ Shadow auf diesen Weg begibt, wird man erkennen, dass er bei Beginn der Reise vom Basislager »Endtroducing ...« ein anderer war, als er es heute auf dem aktuellen Gipfel namens »The Mountain Will Fall« ist. Denn er trennt sich mit den neuen Songs höchst elegant von seinem Stigma des »Sample Guy«, das immer noch über allem steht. »Einige Leute sehen mich so«, sagt der 44-Jährige. »Andere sehen mich als den Vinyl Guy, wieder andere als den Typen, der in staubigen Plattenläden lebt. Manche sagen, ich sei der Funk Guy. In Wahrheit bin ich all das, aber auch vieles mehr.« »The Mountain Will Fall« ist vielseitig, spielt mit Erwartungen, die das Album auf der einen Seite enttäuscht, um gleichzeitig Überraschung zu werden. Über 100 Samples finden sich immer noch darauf. Doch zwischen all

den Instrumentationen, den Software- und VintageSynths und den Drum-Maschine-Sounds springt einem die Komplexität des Sound-Designs förmlich entgegen. Mit »Endtroducing...«, das ein Stück Musikgeschichte ist, hat »The Mountain Will Fall« nicht mehr viel zu tun. »Auf eine pragmatische Art und Weise musste ich einen Weg finden, andere Musik zu machen. Es ist ja nicht so, dass man einen Schalter umlegt und am Ende sagt: ›Das mache ich jetzt nicht mehr‹«, konstatiert DJ Shadow. Das Album ist auch ein Weg des Zweifelns: »Aber man darf diese Zweifel nicht in seine Musik einfließen lassen. Das wäre der Moment, in dem alles korrumpiert würde, eine kreative Sackgasse.« DJ Shadow hat sich seit seinem Durchbruch vergleichsweise rar gemacht. Die Folge war, dass die Deutungshoheit über sein eigenes Schaffen so in fremden Händen lag, weil er selbst sich kaum dazu äußerte. »Ich glaube, dass das ein natürlicher Prozess ist, wenn man die Deutung seiner Kunst niemandem diktieren will«, wiegelt er ab. »Die extremsten Meinungen sind dabei immer die lautesten und sichtbarsten. Am Ende denken die Leute dann, sie wären wahr.« Nun überrascht Shadow mit seiner Vielseitigkeit und der Professionalität, sich neu erfinden zu können. Damit hat der Albumtitel vielleicht sogar recht, denn es ist der imaginäre Berg, den man immer wieder erklimmen muss, um kreativ überraschen zu können. Überraschend ist vor allem der Track »Bergschrund«, den er mit Nils Frahm aufgenommen hat. Doch wer hier lange melancholische Piano-Fragmente vermutet, wird sich wundern. Er habe einen deutschen Titel mit Bergbezug gesucht, sagt Shadow. Nicht-Geologen wird ein Bergschrund nicht sonderlich viel sagen. Es ist eine Eisspalte, die im Gegensatz zur GletscherBergschrund spalte am Rand eines Gletschers Neben Kindergarten ein weiteres deutsches Wort, auftritt. Schöner kann man den das es ins Englische Zwiespalt vor der Angst des Zer- geschafft hat. Genauer forbrechens wahrscheinlich nicht be- muliert ist ein Bergschrund die Spalte zwischen dem titeln. Die Zeit. Die Schatten. Die fließenden und dem nicht Deutungshoheit. Oder all das, was fließenden Teil eines Gletman »Vergänglichkeit in Etappen« schers. Man findet dieses Phänomen zum Beispiel nennen kann. am zur Mont-Blanc-Gruppe DJ Shadow, der weit über zählenden Mont Dolent an 60.000 Vinylplatten in seinem der italienisch-schweizeriKeller hortet, denkt oft darüber schen Grenze oder auf der sogenannten South-Colnach. »Manchmal schaue ich auf Route am Mount Everest, mein Haus, all meine Arbeit, meiauf der Strecke zwischen den Camps II und III. ne Platten und denke: ›Alles, was wir um uns sehen, wird irgendwann zu Staub.‹ Da brauche ich oft andere Gedanken, die mich schlafen lassen.« In »Ashes To Oceans« hat er die Vergänglichkeit in einer Art finalem Akkord allen Seins verarbeitet. Der vertonte Moment, in dem selbst die höchsten Berge keine Schatten mehr werfen, weil sie zu Staub zerfallen sind und in die Ozeane gewaschen wurden. Seine Plattensammlung dürfte dann schon längst das Zeitliche gesegnet haben. Der Name DJ Shadow wäre dann nur noch ein leises Rauschen. Wenn überhaupt. — DJ Shadow »The Mountain Will Fall« (Mass Appeal / Groove Attack / VÖ 24.06.16) — Auf Tour vom 28.06. bis 05.07.

49


50

#Pop #Metronomy

J

oseph Mount ist tiefenentspannt. Das liegt vielleicht auch daran, dass er außer ein Album aufzunehmen und für seine Familie da zu sein in letzter Zeit nicht viel gemacht hat, wie er zu Beginn des Interviews lachend feststellt. Alles ganz relaxed also und somit die besten Voraussetzungen für neue Musik von Metronomy: »Ich wollte es dieses Mal einfach sehr instinktiv angehen. Bei ›The English Riviera‹ und ›Love Letters‹ hatte ich ganz bestimmte Vorstellungen, wie alles klingen soll. Diesmal wollte ich nur Spaß haben, weil mit Familie und Kind für die Musik gar nicht mehr so viel Zeit ist. Deshalb ist ›Summer 08‹ eher ein Bauchgefühl-Album geworden.« Nur zwei Wochen Zeit hat sich Joseph für Nights Out die Aufnahmen genommen. Dann war »SumAuf dem 2006 veröffent- mer 08« fertig und Joseph zufrieden. Und er lichten Debüt »Pip Pain« hatte das Gefühl, einen neuen, alten Sound war alles noch etwas dem Nu Rave untergeordnet. wiedergefunden zu haben, eine Fortsetzung 2008 hat sich Joseph des Stils, den es zuletzt auf »Nights Out« zu Mount dann in seinem hören gegeben hatte, dem zweiten Album Schlafzimmer eingeschlossen und ein paar Songs nach dem überwiegend instrumentalen »Pip zusammengeschraubt, die Paine (Pay The $ 5000 You Owe)«. »Summer bis heute das Fundament 08« klingt mit Songs wie »Miami Logic« für den Metronomy-Sound bilden. Der Rest ist sozu- oder »Nightowl« deshalb auch ein bisschen sagen history, schließlich so, als würde man per Zeitmaschine in der ist die Band seitdem nicht Metronomy-Bandgeschichte zurück in das mehr aus der Musikwelt wegzudenken. Schlafzimmer des jungen Joseph reisen, in dem der treibende, verquere und tanzbare

würde es ›Summer 08‹ definitiv nicht geben.« So klingt das neue Album dann auch irgendwie: erwachsen, ohne dass das verkopft Spielerische verloren gegangen wäre. Ein paradoxer Spagat, aber Joseph balanciert auf dem neuen Album mit Leichtigkeit zwischen Nostalgie und neuem Sound, ohne dabei so berechnend wie auf »The English Riviera« oder poppig süß wie auf »Love Letters« zu klingen. Dass Erwachsenwerden und Familie manchmal auch ein bisschen anstrengend sein kann, zeigt sich allerdings im neuen Video zur Single »Old Skool«, in der eine von Regisseurin Dawn Shadforth inszenierte Dinnerparty im 70er-Jahre-Stil aus dem Ruder läuft und fast zur Orgie wird. So weit ist es im Hause Mount noch nicht gekommen, aber trotzdem versteckt sich auf dem neuen Album auch ein wenig Sozialkritik, zum Beispiel, wenn Joseph Mount mit monoton gelangweilter Stimme »Make some money, make more money, have a party« singt. Die Inspiration dazu fand sich in Dutzenden langweiliger Dinner-Unterhaltungen, die er in letzter Zeit ertragen musste: »Ich bin jetzt in einem Alter, wo sich die Leute beim Abendessen nur noch über den Kauf von Häusern unterhalten. Das kann ganz schön langweilig werden. Mir kam es zwischendurch so vor, als würde sich an diesen Abenden alles nur noch um Geld drehen und alle sich so aufführen, als spielten sie ›Monopoly‹. So nach dem Motto: ›Du bist nichts ohne Haus!‹ Das fand ich irgendwie doch sehr befremdlich – und darum geht es auch in ›Old Skool‹.« Joseph Mount inszeniert sich ebenso gern wie gekonnt als Meister des schön inszenierten Zynismus. Im Song »Love Is Not An Obstacle, Anything Is Possible« gelingt ihm das wieder mal besonders gut. Der kommt vordergründig fröhlich daher, erzählt aber, wie sich zynisch gewordene Bandmitglieder durch die Welt vögeln und alles nehmen, was sie brauchen. Diese Untertöne sind auch das, was »Summer 08« besonders macht: »Ich glaube, meine Songs orientieren sich immer sehr an meinen eigenen Erlebnissen Zum Interview im Schatten der Berliner Museumsinsel erscheint Joseph und Wahrnehmungen. Ich wäre Mount ganz in Weiß. Dabei sieht der Metronomy-Kopf aus, als würde gerne ein richtig ernsthafter, politischer Songschreiber, aber das bin er gerade von einem Tennismatch im Jahr 1983 kommen. Hannah Bahl ich leider einfach nicht. Also habe traf Joseph, um mit ihm bei vorbeischippernden Ausflugsbooten und ich beschlossen, dass es okay ist, Sonnenschein über sein neues Album »Summer 08«, Nostalgie und eine am Ende immer wieder bei Songs neu gefundene Leichtigkeit zu sprechen. Foto: Patrick Desbrosses über das Leben und die Liebe zu landen. Ich habe mich einfach irgendwann mal entschieden, dass Musik für mich Liebe ist – und Dawn Shadforth Sound von Songs wie »A Thing For Me« oder mit der Idee lässt es sich doch gut leben.« Dawn kriegt sie alle für ihre »Heartbreaker« seinen Ursprung fand. Zurück Manchmal können die Dinge dann, wie Don Draper Musikvideos: Die Englände- zum Ursprung war eine Richtung, die Joseph wahrscheinlich sagen würde, auch einfach mal »simple and rin hat mit Kylie Minogue das very sexy »Two Hearts« Mount schon lange im Sinn hatte. Aber die significant« sein. Das gilt auch für Mounts Lieblingssong gedreht. Sie sorgte für Zeit sei einfach erst jetzt reif dafür gewesen: auf dem neuen Album: »Hang Me Out To Dry«. Den hat die Kleinstadt-Schwarz- »Aus meiner Sicht hätte ›Nights Out‹ eigent- er gemeinsam mit Robyn aufgenommen, und die beiden Weiß-Stimmung in »The Importance Of Being Idle« lich immer mehr Aufmerksamkeit verdient, singen über einen wunderschönen 80er-Jahre-Sound von Oasis; außerdem ist sie weil es für mich immer noch das Album ist, im Duett: »Do whatever you feel, cause you’re behind dafür verantwortlich, dass das am meisten nach Metronomy und mir the wheel« – mal sehen, wohin die weitere Reise mit sich Peaches und Iggy Pop in »Kick It« in Latex-Outfits selbst klingt, weil es so sehr Do-It-Yourself Metronomy noch geht, die Richtung sieht auf jeden Fall anschreien, während drum ist. Ich hatte allerdings immer ein bisschen vielversprechend aus. herum eine Zombie-Apo- Angst, dass ich keinen Zugang mehr zu diesem kalypse tanzt. Und sie hat Goldfrapp für »Ooh La La« Sound bekommen würde, wenn ich zu früh — Metronomy »Summer 08« (Because Music / Warner / VÖ 01.07.16) in die schwülstige Phase zurückkehre. Deshalb waren die beiden letzten der Siebziger gebeamt. Alben für mich auch extrem wichtig – ohne sie

Metronomy

DIE LEICHTIGKEIT DES SEINS


#Pop #Metronomy

51


Follow us:

#wearemelt

15.16.17 July 2016 Ferropolis, Germany

Disclosure, Deichkind, Tame Impala, Jamie xx, Two Door Cinema Club, Chvrches, M83, Solomun, Boys Noize (live), Maceo Plex, Ben Klock, Modeselektor (DJ-Set), Skepta Acid Arab, Andhim, Andy C, Andy Stott (live), Benjamin Damage, Black Coffee, Black Cracker, Blind Observatory, Bob Moses, Bomba Estéreo, Boris, Chance & Dark, Circa Waves, Coma, Cormac, Cosmin TRG, Damian Lazarus, Dekmantel Soundsystem, Digitalism, DJ Koze, DJ Phono, DMA‘s, Dr. Rubinstein, Drangsal, Ed Davenport, Ellen Allien, Fatima Yamaha (live), Floating Points (live), Freddy K, Fritz Helder, George FitzGerald, Gold Panda, Graham Candy, Gunjah, Hannah Holland+Josh Caffe, Hard Ton, Heidi, Helena Hauff, Hi Fashion, Ho99o9, Honey Dijon, Horse Meat Disco, Illesnoise, Isolation Berlin, Jamie Woon, JD Samson, Josh Wink, Juju&Jordash(live), Kim Ann Foxman, Klyne, Kobosil, Kode9, Kollektiv Turmstrasse (live), Kuriose Naturale, Kytes, La Fleur, Lady Leshurr, Laurel Halo, Lea Porcelain, Leon Vynehall, Liss, Magdalena, Makam, Mano Le Tough, Marco Resmann, Matthias Meyer, Maya Jane Coles, Mind Against, Motor City Drum Ensemble, Muallem, Mura Masa, Niko Schwind, Noah Kin, Oddisee & Good Company, Oliver Koletzki, Pan-Pot, Partok, Peaches, Peak & Swift, Peggy Gou, Pev & Kowton (Livity Sound), Pumarosa, Renato Ratier, Roosevelt, Sango, Sarah Farina, Say Yes Dog, Schwarz Dont Crack, Several Definitions, SG Lewis, Shed, Shifted, Sleaford Mods, Sophie, Stephan Bodzin (live), Still Parade, Stimming (live), The Black Madonna, Tiga (live), Tijana T, Tom Trago, Vater&Sohn, Vessels, Virginia (live) feat. Steffi & Dexter, Vril (live), Woman, Zed Bias, Zomby, Ø [Phase] and more The best time in the world. Dance with 20,000 friends from across the globe on 3 days, with 10 floors and 3 beaches.


#Kultur

#Kultur

Bild: Emma Lindström

Ölverseuchtes Flussdelta oder der Küstenstreifen eines fernen Meeres auf dem Planeten Beteigeuze Sieben? Wir wissen nicht, welche Assoziation besser zu diesem Bild passt. Sicher ist aber, dass Maren Ade mit ihrem Film »Toni Erdmann« Farbe in den Wettbewerb in Cannes gebracht hat und Roland Emmerich in »Independence Day: Wiederkehr« die größten Explosionen raushauen wird.

53


54

#Kultur #Kino #Maren Ade #Toni Erdmann

Maren Ade über ihren Film »Toni Erdmann«

»Warum sind einem die Eltern peinlich?« Eine Perücke und eine Zahnprothese. Mit wenigen Mitteln verwandelt sich Winfried Conradi in Toni Erdmann, um in der Rolle dieses Clowns die menschliche Seite seiner Tochter Ines zu wecken, die in Bukarest als Unternehmensberaterin arbeitet. Der dritte Spielfilm von Regisseurin Maren Ade (»Alle anderen«) begeisterte das Publikum und die Kritiker beim Filmfestival in Cannes. Sven von Reden sprach vor Ort mit der Filmemacherin über die Hintergründe dieses unerwarteten Erfolgs.

B

ei der Weltpremiere Ihres Films »Toni Erdmann« in Cannes gab es mehrfach Szenenapplaus und sieben Minuten lang Standing Ovations. Waren Sie überrascht von den Reaktionen?

Ja, auf jeden Fall. Wir hatten vorher kein richtiges Testscreening gemacht.

»Toni Erdmann« war der erste deutsche Film im Wettbewerb von Cannes seit acht Jahren. Als Frau und Deutsche sind Sie eine doppelte Ausnahme auf dem wichtigsten Filmfestival der Welt. Nervt es Sie, deshalb auf eine Repräsentationsfunktion reduziert zu werden?

Die Figur des Vaters ist an meinen Vater angelehnt, der einen sehr guten Humor hat. Ich wollte von Anfang an, dass ein Rollenspiel zwischen Vater und Tochter entsteht, bei dem sie sich neu kennenlernen können, erst dann kam die Recherche über ihren Beruf hinzu. Ich suchte etwas, das weniger mit mir persönlich zu tun hat, also habe ich recherchiert, das hatte ich bei meinen beiden vorherigen Filmen nur so am Rande gemacht. Ich dachte: »Dann lerne ich mal was über Wirtschaft.«

Ich bin ja an beides gewöhnt: Frau sein und deutsch sein. Wenn ich die deutsche Filmbranche glücklich mache, freue ich mich natürlich, aber ich löse nicht das Gleichberechtigungsproblem, nur weil ich gerade in Cannes bin. Eine Vorzeigefunktion fände ich daher doof. Bevor der Der Film erzählt von einem umgekehrten GenerationenFilm gezeigt wurde, dachte ich: »Oh Gott, ich stehe nur konflikt: Der Vater ist ein Alt-68er, die Tochter spießig. Werte wie Selbstbestimmtheit und Menschso im Genderschlamm.« Jetzt kann der Film Teambuilding- lichkeit, die der Vater der Tochter mitgegeben für sich sprechen. Die Geschichte handelt von einem notoMaßnahmen hat, verkehrt sie ins Gegenteil. Ich habe trotzrischen Witzbold, der mithilfe eines Alter »Toni Erdmann« ist reich an dem das Gefühl, dass der Beruf als UnternehEgos ein näheres Verhältnis zu seiner Toch- Situationskomik. Während mensberaterin auch Offenheit und Neugierde der 161 Filmminuten kommt ter aufzubauen versucht, die erfolgreich als es auch zu einer ungewöhn- von ihr einfordert. Man reist ja wahnsinnig Unternehmensberaterin arbeitet. Trotz ab- lichen Teambuilding-Maß- viel herum und braucht ein Interesse am Gesurder Begebenheiten wirken die Hauptfigu- nahme. Ines wird von ihrem genüber. Dass die Berater einfach in Firmen Chef gebeten, den Teamspirit ren glaubhaft. Gab es reale Vorbilder? zu stärken. Spontan schlägt reingehen und dann Stellen wegkürzen ist eher sie vor, die Kollegen an ihrem ein Klischee. Sie machen auch ganz harmloGeburtstag zum Brunch ein- se und interessante Sachen, Teambuildingzuladen. In letzter Sekunde entschließt sie sich dann, die Maßnahmen zum Beispiel. Es ist so wie mit Gäste in einem ganz spezi- jedem Feindbild: Wenn man sich näher damit ellen Outfit zu empfangen. beschäftigt, löst es sich ein bisschen auf.


#Kultur #Kino #Maren Ade #Toni Erdmann Wie verlief die Recherche für die Rolle der Tochter?

Ich habe Frauen getroffen, die in der Businesswelt erfolgreich sind. Unternehmensberater fand ich interessant, weil sie eine Rolle spielen müssen. Die Tochter legt im Verlauf des Films ihre Rolle ein bisschen ab, während der Vater die Rolle des »Toni Erdmann« spielt. Mit seinem Grün-und-politisch-korrekt-Sein macht er es sich dabei zu einfach. Sie kann sich schließlich eine solche Haltung nicht erlauben, weil sie dann in Konflikte kommt, die ihr nicht gerade dabei helfen, ihren Job gut zu machen. Aber die Sympathien liegen bei ihm.

Finden Sie? Nehmen Sie mal ihren Standpunkt ein. Er kann einem echt auf die Nerven gehen. Überhaupt: Warum sind einem die Eltern peinlich? Das Thema ist wahnsinnig privat, privater geht es nicht. Gerade in einem Karriereumfeld, wo die Frage der Herkunft eine Rolle spielt. Er strahlt mehr menschliche Wärme aus, aber irgendwie ist er doch eine untergehende Insel.

Das wird für sie mit Sicherheit immer ein Konflikt bleiben. Sie kann ihrem Vater nichts Konkretes vorwerfen, trotzdem ringt sie mit seinen Erwartungen – und mit seiner Frage, ob sie glücklich ist. Er ist ja auch auf eine Art konservativ. Wünscht er sich nicht doch, dass seine Tochter bei ihm um die Ecke wohnt ­– in einem Reihenhaus mit zwei Kindern, und er ist der Opa?

»Toni Erdmann« erinnert an die Filme von Judd Apatow und andere aktuelle US-Komödien. Ein männlicher »Loser« trifft auf eine Frau, die zu angepasst und unentspannt ist. Spielten solche Erzählmuster eine Rolle? Mich hat eher der Komiker Andy Kaufman inspiriert. »Toni Erdmann« ist aber nicht direkt Andy Kaufman

eine Komödie. Der Vater macht etwas Lustiges aus einem traurigen Grund. Diese Figur hätte Die persönlichen Freiheiten, die seine Generation er- man natürlich endlos überzeichnen können. kämpft hat, sind jetzt die Freiheiten des entgrenzten Ich habe noch viel Drehmaterial von dem, Kapitalismus. was Peter Simonischek in der Rolle gespielt hat. Das macht Spaß, aber es ist Fantasy. Man glaubt nicht, dass der Vater das wirklich machen würde. In so einer Situation musst du als Regisseurin gängeln: »Nein, weniger!« Da muss man sich viel verbieten. — »Toni Erdmann« (D/A 2016; R: Maren Ade; D: Sandra Hüller, Peter Simonischek, Michael Wittenborn; Kinostart: 14.07.16; NFP)

Der 1949 geborene und 1984 verstorbene Comedian/Performancekünstler war für Maren Ade interessant, weil er mit Konventionen brach und Alter Egos erfand. Zu seinen Rollen gehörte der »Foreign Man«, aus dem später der Automechaniker Latka Gravas wurde, der wiederum an einer Persönlichkeitsspaltung litt. Außerdem schlüpfte Kaufman in die Rolle des Barsängers Tony Clifton.

55


56

#Kultur #Kino #Ben Wheatley

Ben Wheatley über seinen Film »High-Rise«

S.O.S. – KLASSENKAMPF IM TREPPENHAUS Die Zukunftsvision stammt aus den 1970er-Jahren, aber sie ist in der Gegenwart gut aufgehoben. Ben Wheatleys stylishes Horrordrama erklärt die heutige kapitalistische Wirklichkeit mit einem Abba-Song.

A

nfang des 20. Jahrhunderts wurden Hochhäuser noch als Prestigebauten angesehen, spätestens seit Mitte der 1970er-Jahre sind sie einem herben Imageverlust ausgesetzt. Was einst als Statussymbol betrachtet wurde, ist im öffentlichen Ansehen zu einer Art Gefängnis verkommen. Menschen werden in ihren »vertikalen Dörfern« und »Wohnsilos« einkaserniert. In die frühe Zeit des Niedergangs der Hochhauskultur fällt die Veröffentlichung von J.G. Ballards Roman »High-Rise«, den Regisseur Ben Wheatley als 16-jähriger in die Finger bekam. »Ich schaute damals gerne Filme wie ›Mad Max‹ und fand spekulative Fiktion aufregend, weil sie eine Version der Zukunft entwarf, um etwas über die Gegenwart auszusagen«, erzählt der 1972 geborene Brite im Gespräch. »Als ich das Buch vor ein paar Jahren noch einmal las, hatte ich den Eindruck, dass es sich nicht länger um Zukunftsmusik handelte, sondern bereits Wirklichkeit geworden war. Die Reichen ziehen sich zunehmend aus der Gesellschaft zurück«, so Wheatleys Analyse. »In den 1980ern kam es einem noch absurd

vor, Gated Communitys aufzubauen. Heute ist es normal.« Der englische Schriftsteller James Graham Ballard ist berühmt für seine ökologischen Katastrophenszenarien und die Schilderung von geschlossenen Gesellschaften. In »High-Rise« geht es um ein Hochhaus, dessen Stockwerke streng nach Einkommensschichten geordnet bewohnt sind. Unten leben die Proleten, oben die Reichen und die Gangster, ganz oben thront der halbentrückte Architekt (Jeremy Irons). In den unteren Etagen gärt eine revolutionäre Stimmung. »Das Gebäude geht wegen der Arroganz der Mächtigen zugrunde, nicht die Architektur ist schuld«, erklärt der Regisseur. »Architektur ist im Film in erster Linie metaphorisch. Ich denke nicht, dass Hochhäusern jemals etwas Bösartiges innewohnte, im Rückblick verbinde ich mit ihnen einen allgemeinen Optimismus. In den 1950ern stellte man sich eine Zukunft voller Jetpacks und Marsreisen vor. Wer über 2018 hinaus denkt, sieht stattdessen jede Menge Krisen oder eine Virtual Reality vor dem inneren Auge.«

Der Look von »High-Rise« ist durch jenen Retrofuturismus geprägt, in dem Schlaghosen über den Flokati streifen, als sei das ganze Leben ein James-Bond-Film. In einer der beklemmenden Szenen erklingt der AbbaSong »S.O.S.«, allerdings in der gespenstischen Portishead-Version, die jede glückliche Super-8-Erinnerung an die guten alten Zeiten des Fortschrittsglaubens zu zerstören droht. Daran hat Wheatley eh seine Zweifel: »Sind Abba-Songs happy? Die Melodien sind vielleicht bunt und fröhlich, die Texte dagegen so gut wie nie. Man muss sich nur mal AbbaVideoclips angucken. Die sehen aus wie von Ingmar Bergman gedreht. 1975 waren Abba top, weil die britische Musikszene so scheiße war. Machen wir uns nichts vor: Damals hörte niemand David Bowie, die Leute standen auf Showaddywaddy.« Alexander Dahas — »High-Rise« (GB/B 2015; R: Ben Wheatley; D: Tom Hiddleston, Jeremy Irons, Sienna Miller; Kinostart: 30.06.16; DCM)


#Kultur #Kino

Zachary Quinto über »Star Trek: Beyond«

LET THERE BE SPOCK

Neuester Eintrag ins Logbuch der Enterprise: Der dritte Film seit dem Reboot beschert Kirk & Co. eine Notlandung auf einem fremden Planeten. Wieder mit an Bord: Zachary Quinto. Drei Fragen an Leonard Nimoys Erben.

für mich auf dem Programm, weil Spock schwer verletzt wird.

Wird die Rolle des Mr. Spock jemals langweilig?

Kein bisschen. Das Filmteam ist mit der Zeit zu einer Familie geworden. Außerdem ist es nicht so, dass ich zu nix anderem komme. Drei »Star Trek«-Filme in neun Jahren – das schränkt mich weder kreativ noch persönlich ein. Trotzdem kennst du den Vulkanier inzwischen wahrscheinlich in- und auswendig?

Ich weiß genau, wie Spock tickt. Besser gesagt: Was die Psyche und seine Emotionen angeht, die er durch seine menschliche Seite auch hat, kenne ich ihn gut. Körperlich ist er eher unstet. Beim ersten Film war ich noch ein dürrer Schlaks, wegen der Stunts im zweiten musste ich mir Muskeln antrainieren. Und nun stand noch einmal ein ganz anderes Training

»Star Trek: Beyond« ist der erste Film der Reihe nach dem Tod des originalen Spock-Darstellers Leonard Nimoy. Wie gut kanntet ihr euch?

Wir lernten uns beim 2009er»Star Trek« kennen. Für mich war Leonard Nimoy eine große Stütze, als ich in seine Fußstapfen trat. Daraus entwickelte sich eine echte Freundschaft. Von ihm habe ich gelernt, was es bedeutet, ein erfülltes Leben zu führen. Und wie wichtig es ist, bis zum Schluss neugierig, interessiert und kreativ zu sein. Sein Tod hat mich tief getroffen, und ich vermisse ihn wahnsinnig. Aber irgendwie habe ich seine Nähe beim Dreh zum neuen Film gespürt. — »Star Trek: Beyond« (USA 2016; R: Justin Lin; D: Sofia Boutella, Idris Elba, Zachary Quinto; Kinostart: 21.07.16; Paramount)

Der neue »Ghostbusters« (USA 2016; R: Paul Feig; Kinostart: 04.08.16; Sony) ist noch nicht mal im Kino angelaufen, schon gibt es im Internet die ersten Beschwerden. »Ein weiblicher Cast, das ist doch verrückt!« Nein, ist es nicht. Sicher, es wird nicht leicht für Melissa McCarthy, Kristen Wiig, Kate McKinnon und Leslie Jones, in die Fußstapfen von Bill Murray und Co. zu treten. Das liegt aber nicht an ihrem Geschlecht, sondern schlicht an den hohen Erwartungen. Die beiden »Ghostbusters«-Filme aus den 1980ern glänzten nicht nur durch die Besetzung, den Soundtrack, die Effekte und den Humor, sondern durch den damaligen Charme von New York. Es bleibt zu hoffen, dass der Reboot mehr ist als reiner Service für die Fans. Auch wenn ein Wiedersehen mit dem »Stay Puft«-Marshmallow-Mann schön wäre.

57


58

#Kultur #Kino #Roland Emmerich

Roland Emmerich über seinen Film »Independence Day: Wiederkehr«

DIE ZERSTÖRUNG IST GRÖSSER ALS WILL SMITH Eine Alien-Invasion, eine Mega-Verwüstung, ein Jeff Goldblum: Patrick Heidmann sprach mit Roland Emmerich über dessen Erfolgsrezept und über Hollywoods Blockbuster-Formel.

I st es nach 20 Jahren nicht zu spät für eine Fortsetzung von »Independence Day«?

Daraufhin wollte ich das Projekt abbrechen, aber mein Umfeld überzeugte mich davon, Das glaube ich nicht, schließlich bin ich immer dass »Independence Day« viel größer ist als wieder gefragt worden, wann ich endlich eine Will Smith. drehen werde. Eigentlich hatte ich dazu keine Auf andere Darsteller aus dem ersten Film Lust. Es nervt mich, dass jeder Blockbuster ein wollten Sie nicht verzichten? Sequel bekommt. Aber genauso ärgerlich ist es, Eine der wichtigsten Zutaten für eine gelunge20 Jahre lang mit anzusehen, wie noch jeder ne Fortsetzung sind Figuren, die das Publikum Marvel-Superheldenfilm das Konzept kopiert, liebt. Also habe ich die Fans auf Twitter gefragt, mit dem ich damals »Independence Day« zum wen sie unbedingt wieder sehen wollen. Die Erfolg gemacht habe: eine Alien-Invasion, viel Antwort war nicht Will, sondern Jeff GoldZerstörung und die Fähigkeit, sich selbst nicht blum. Zum Glück fiel mir eine Geschichte ein, zu ernst zu nehmen. Als im Raum stand, dass in der nicht nur eine neue Helden-Generation, das Studio auch ohne mich eine Fortsetzung sondern auch Jeff Goldblum, Judd Hirsch und Brent Spiner zentrale Rollen spielen. drehen würde, war die Zeit gekommen. Warum ist Will Smith nicht mehr dabei?

Wir haben mit ihm gesprochen, zunächst war er auch Feuer und Flamme. Aber dann drehte er »Men In Black III« und war damit wohl ziemlich unglücklich. Anschließend stand er mit seinem Sohn für »After Earth« vor der Kamera. Er war der Meinung, nicht noch einen weiteren Science-Fiction-Film drehen zu können, zumal keinen mit einer VaterSohn-Geschichte, wie wir sie geplant hatten.

Wenn überhaupt?

Ich bin sicher, dass es auch in Blockbustern immer mehr schwule Figuren geben wird. Aber wir Homosexuellen sind eine vergleichsweise kleine Gruppe. Die wirklich großen Hollywood-Filme werden als »Four-QuadrantMovies« auf die Beine gestellt. Sie müssen allen vier großen Zielgruppen gefallen: Männern unter 25, Männern über 25, Frauen unter 25 und Frauen über 25. Jede dieser Gruppen sollte sich auf eine Weise mit dem Helden identifizieren können – und die Mehrheit dieser Zuschauer ist heterosexuell. Das macht die Sache mit dem schwulen Protagonisten ein bisschen schwierig. Bereitet ein homosexueller Brent Spiners Dr. Okun entpuppt sich als Mann den jungen Mädchen weiche Knie? Das schwul. Ein kleines Zugeständnis an die wäre das größte Risiko, das ein Studio sieht, neuen Zeiten in Hollywood? wenn es 200 Millionen Dollar und mehr in Mir gefiel der Gedanke, in einem großen eine Produktion steckt. Action-Blockbuster zwei schwule Figuren zu haben, ohne dass viel Aufhebens darum ge- — »Independence Day: Wiederkehr« (USA 2016; R: Roland Emmerich; D: Maika Monroe, Liam Hemsworth, Jeff macht wird. Allerdings sind es Nebenrollen. Goldblum; Kinostart: 14.07.16; Fox) Bei Hauptrollen im Stil von James Bond wird das – wenn überhaupt – noch eine ganze Weile länger dauern.


#Kultur #Kino

Viggo Mortensen über »Captain Fantastic«

LIEBER IM WALD ALS IN HOLLYWOOD Viggo Mortensen macht sich in großen Produktionen rar und genießt die gute Luft des Independent-Kinos. In Matt Ross’ Film über eine Aussteiger-Familie auf dem Weg zurück in die Zivilisation spielt er den Vater. Die erste Hälfte von »Captain Fantastic« spielt fernab der Zivilisation. Mussten Sie beim Dreh an »Der Herr der Ringe« zurückdenken?

Na ja, der amerikanische Nordwesten sieht ein wenig anders aus als Neuseeland. Aber Pfeil und Bogen gab es bei uns am Set auch. Außerdem hatte ich einen Bart, und kleine Menschen folgten mir auf Schritt und Tritt. Die Erziehungsmethoden Ihrer Figur Ben sind ungewöhnlich. Gibt es Parallelen zu Erfahrungen im wahren Leben?

Mir war es wichtig, dass mein Sohn einen Bezug zur Natur hat. Okay, er ist nicht im Wald aufgewachsen. Allerdings habe ich ihn stets ermutigt, selbstständig zu denken. Als er mit sechs oder sieben Jahren anfing, mir frühreife Fragen zu stellen, bin ich ihnen nicht ausgewichen. Ich habe mich Themen wie Sex oder Gewalt nur etwas vorsichtiger und langsamer genähert, als es im Film der Fall ist. Warum hat man Sie so lange in keiner großen Hollywood-Produktion gesehen, dafür vermehrt in Independent-Filmen wie »Captain Fantastic«?

Es ist nicht so, dass ich einen Bogen um Hollywood mache. Manchmal hatte ich woanders zugesagt, als etwas Spannendes auf meinem Tisch landete. Allerdings ist die Auswahl an originellen Projekten bei den Hollywood-Studios nicht unbedingt üppig. Die können technisch beeindruckend und unterhaltsam sein, aber einfallsreich und überraschend sind sie selten. Interview: Patrick Heidmann — »Captain Fantastic« (USA 2016; R: Matt Ross; D: Viggo Mortensen, George MacKay, Samantha Isler; Kinostart: 18.08.16; Universum)

Der Regisseur Todd Solondz (»Willkommen im Tollhaus«) ist nicht gerade für seine Menschenfreundlichkeit bekannt. Ein Hundenarr scheint er ebenfalls nicht zu sein, obwohl ein Dackel der Star seines neuen Arthaus-Episodenfilms ­»Wiener Dog« (USA 2016; Kinostart 28.07.16; Prokino) ist. Der wechselt mehrfach die Besitzer und den Namen, am Ende ist man unsicher, ob das Hündchen dasselbe ist wie am Anfang oder ob es gänzlich zur Metapher wurde. Der Alltag, die Kunst und deren Wechselwirkungen sind die Themen von »Wiener Dog«. Gleich zu Anfang stellt ein krebskranker Junge die großen Fragen. Seine Eltern, das Leben und das Kino werden sie nur halbwegs beantworten. Neben Greta Gerwig, Julie Delpy, Ellen Burstyn und Kieran Culkin glänzt Danny DeVito in der Rolle eines desillusionierten und desillusionierenden Drehbuchautors. — Intro präsentiert Gratispreviews kurz vor dem Kinostart in Berlin, Köln und München – alle Infos ab Mitte Juli unter intro.de/previews

59


60

#Kultur #Kino

Gayby Baby

MÜTTER, VÄTER, KIND

Alle Familien sind gleich verkorkst? Nicht ganz. Maya Newells Dokument ar film porträtiert vier Kinder gleichgeschlechtlicher Eltern auf Identitätssuche.

In Australien, wo sie leben, ist das ähnlich wie hierzulande immer noch ein Stigma. Der Film wurde deshalb wegen möglicher Schwulifizierung der SchülerInnen aus dem Schulprogramm verbannt. Gus, Ebony, Matt und Graham kämpfen mit den ersten unangenehmen Symptomen der Pubertät. Gus liebt Wrestling

und versetzt damit seine Mütter in Angst und Schrecken. Wrestling verkörpert alles, was sie an männlicher Kultur nicht leiden können. Als einziger männlicher Hausbewohner ist Gus begeistert auf der Suche nach seiner

Geschlechtsidentität. Graham ist elf und wurde von seinen Vätern mit fünf Jahren adoptiert. Damals war er nicht alphabetisiert und hat deshalb Probleme in der Schule. Die Familie ist gerade wegen eines Jobs mit ihm nach Fiji gezogen, wo er aufgrund der konservativen Umgebung dazu genötigt wird, seinen familiären Hintergrund zu verschweigen. Die zwölfjährige Ebony wird von ihren Müttern zu schulischer Höchstform gedrillt, der elfjährige Matt versucht sich von seinen strenggläubigen Eltern zu emanzipieren, deren Kirchengemeinde Homosexualität als Sünde verurteilt. Ein Dokumentarfilm über das Erwachsenwerden unter den Repressionen abgefuckter Eltern, dessen Stärke die stoische Coolness seiner Protagonisten ist, nicht sein zeitweise recht pathetischer Zugang. Inga Selck — »Gayby Baby« (AUS 2015; R: Maya Newell; Kinostart: 23.06.16; Rise and Shine)

Greta Gerwig über »Maggies Plan«

»ICH FINDE MICH NICHT LUSTIG« Greta Gerwig wurde mit ihrer Rolle in Noah Baumbachs »Frances Ha« zum Star des US-IndieKinos. In »Maggies Plan« von Rebecca Miller übernimmt sie die Mutterrolle in einer Kleinstfamilie. Du bist der Star des Films. Wie fühlt sich das an?

Ich hatte gehofft, dass sie den Titel ändern würden. Mir ist es unangenehm, dass der Name meiner Figur im Filmtitel auftaucht. Ich habe Rebecca Miller sogar gefragt, ob sie nicht eine bekanntere Schauspielerin als Maggie besetzen möchte. Für mich war diese Rolle eine große Ehre. Maggie entscheidet sich, ein Kind zu bekommen, aber ohne Mann. Inwieweit spiegelt der Film gesellschaftliche Verhältnisse wider?

Ich hatte immer schon ein offenes Verständnis von Familie. Ich habe zwei Adoptivgeschwister, und meine Eltern haben uns immer vermittelt: »Familie ist, wen du liebst!« Es ist aber eine allgemeine Entwicklung. Auch viele meiner Freunde versuchen, Familie anders zu leben. Eine Freundin hat ähnlich wie Maggie zwei Kinder durch künstliche Befruchtung bekommen. Mit ihr habe ich für die Rolle viel gesprochen.

Du spielst in »Maggies Plan« neben den bekannten Comedians Bill Hader und Maya Rudolph. Wie lustig findest du dich selbst?

Ich finde mich überhaupt nicht lustig. Aber ich hänge gerne mit lustigen Menschen rum. Im College war ich immer in diesen Impro- und Comedy-Gruppen. Nicht weil ich gut war,

sondern weil ich einfach mit diesen Leuten zusammen sein wollte. Und ich kann sehr gut lachen. Interview: Simone Schlosser — »Maggies Plan« (USA 2016; R: Rebecca Miller; D: Greta Gerwig, Ethan Hawke, Julianne Moore; Kinostart: 04.08.16; MFA)


Du bist Charlie. Papst. Paris. Weltmeister. Istanbul. Verwirrt? Bring NEON ins Dunkel.


62

#Kultur #Kino #DVD

UHF

WENN PUDEL FLIEGEN LERNEN Voll-Trash oder kongeniale Medien-Satire? Weird Al Yankovics einziger Spielfilm ist immer noch ein Unikum.

Z

urück von einem Anti-Terror-Einsatz in Beirut wird der trottelige Cop Frank Drebin am Flughafen von einem Pulk Journalisten und Fans empfangen. Sogleich hebt er zu einer Rede über den Sinn des Lebens an – bis sein Kollege ihm steckt: »They’re not here for you – ›Weird‹ Al Yankovic is on the plane.« Who the fuck is Weird Al Yankovic? Für gut eine Dekade ab Mitte der 1980er saß die Pointe. Der kalifornische Satiriker machte mit PopParodien von sich reden. Sein Michael-JacksonSpoof »Fat«, in dessen Video sich Yankovic im Fat Suit durch die originale U-Bahn-Kulisse des Vorbilds tanzt, war dank MTV Heavy Rotation eine, nun ja, dicke Nummer. Auch Madonna (»Like A Surgeon«), Nirvana oder Miley Cyrus’ Papa Billy Ray bekamen ihr, pardon, Fett weg. Weird Al Yankovic ist bis heute aktiv, kann aber schon lange nicht mehr an seine damaligen Erfolge anknüpfen. Beinahe vergessen ist auch sein einziger Spielfilm »UHF«. Yankovic schrieb sich selbst die Hauptrolle des Träumers George auf den Leib, der durch Zufall Chef eines defizitären lokalen TV-Senders wird – und diesen mit einer absurden Programmreform zu ungeahnten Erfolgen führt: mit Gaga-TV-Formaten wie »Conan der Bibliothekar«, »Celebrity Mud Wrestling«, »Dreh das Fischrad« oder »Rauls Tierwelt«, in der Pudel fliegen lernen.

Die dramaturgisch zuweilen recht beliebig wirkende Aneinanderreihung von allem, was Yankovic noch unterbringen wollte, deutet auf ein schwächeres Drehbuch hin, als es kommerziell erfolgreichere Reihen wie »Die nackte Kanone« oder »Hot Shots« vorweisen konnten. Was »UHF« dennoch zur sehenswerten Mediensatire macht, sind nicht nur die beißenden Seitenhiebe auf einen TV-Mainstream, der seitdem noch schlimmer geworden ist, sondern die tiefe Menschlichkeit, die zwischen den Zeilen hervorblitzt. Insbesondere in der tragischen Figur des simplen Hausmeisters Stanley Spadowski (brillant gespielt von Michael Richards, dem Cosmo Kramer aus »Seinfeld«), der mit einer dadaistischbrutalen Kindershow zum Star des Senders wird, manifestiert sich ein Humanismus, der den unzähligen Comedy-Formaten der letzten Jahrzehnte so fehlt. Und nie wieder wurde das Verhältnis Mensch-Wischmop so herzzerreißend beleuchtet wie in »UHF«. Robert Meissner — Intro empfiehlt: »UHF – Sender mit beschränkter Hoffnung« (USA 1989; R: Jay Levey; D: Weird Al Yankovic, Kevin McCarthy, Michael Richards; VÖ 01.07.16; Capelight)

Hail, Caesar!

FRISCHE LORBEEREN Ein Film ohne stringente Handlung, der von der Liebe zum Filmemachen in Hollywood selbst handelt. Und in dem Julius Caesar mit Herbert Marcuse diskutiert. Die Coen-Brüder setzen ihrem Lebenswerk die nächste Krone auf. Ein Loblied.

S

eit 30 Jahren schaffen es die Brüder Ethan und Joel Coen, Filme zu machen, die einen hohen künstlerischen Anspruch haben und doch meist nicht allzu schlecht an den Kinokassen abschneiden. Die Reviews zu »Hail, Caesar!« waren zwar durchaus positiv nach der Eröffnung der Berlinale Anfang des Jahres – wer traut sich auch schon, gegen die Coens anzuschreiben? –, doch der ganz große Wurf war das für die

meisten Kritiker nicht. Dennoch: »Hail, Caesar!« ist vielleicht die beste klassische Komödie der beiden. Nicht nur wegen der AllStar-Besetzung – selbst in kleineren Nebenrollen treten an der Seite von George Clooney, Ralph Fiennes und Scarlett Johansson grandiose Darsteller wie Jonah Hill oder Coen-Liebling Frances McDormand auf –, sondern aufgrund der selbstreferenziellen Note und des trockenen Witzes,


#Kultur #DVD

TOP 7 POLITISCHES HOLLYWOOD 01 Trumbo (2015)

In Hollywood wird Politik gemacht – und auch richtig gute Filme mit politischen Themen. Zuletzt erinnerte »Breaking Bad«-Star Bryan Cranston als Dalton Trumbo an die dunkle Zeit der Schwarzen Liste. Alexander Dahas hat für uns seine eigene Liste der besten großen Leinwandgeschichten zum Politgeschehen zusammengestellt. Darunter eine Empfehlung für Donald Trump.

Im Zuge von McCarthys Kommunistenhatz müssen sich alle Hollywood-Angestellten in vorauseilendem Gehorsam zu ihrem Patriotismus bekennen. Drehbuchautor Dalton Trumbo (Bryan Cranston) weigert sich und kommt auf die Schwarze Liste. Doch er macht unter Pseudonym weiter und gewinnt einen Oscar.

02 Frost/Nixon (2008)

03 Good Night, And Good Luck (2005)

04 Bulworth (1998)

Dem Cäsarenwahn schmerzhaft auf den Zahn gefühlt: Nach seinem Aus als US-Präsident gefällt sich Richard Nixon in der Rolle des Elder Statesman und schreibt sieben Bücher. Dann gibt er dem Fernsehjournalisten David Frost ein Marathoninterview und behauptet: »Wenn der Präsident es tut, ist es legal.« Oha.

Der Mann, der McCarthy zu Fall bringt, heißt Edward R. Murrow. In seiner TV-Show »See It Now« lässt er die Machenschaften des Senators demokratiefeindlicher aussehen als die aller vermeintlichen Kommunisten zusammen. George Clooneys brillanter Film funktioniert nebenbei auch noch als Medienkritik.

Senator Bulworth (Warren Beatty) hat genug von seinem Leben, bestellt einen Auftragsmord für sich selbst und verbringt die verbleibenden Wahlkampfauftritte damit, in salopper Weise die schmutzigen Geheimnisse des Politikbetriebs auszuplaudern. Das kommt, genau wie diese bitterböse Satire, sehr gut an beim Volk.

05 Nixon (1995)

06 Die Unbestechlichen (1976)

07 Bill McKay – Der Kandidat (1972)

Richard Nixon schlendert nachts durchs Weiße Haus und verharrt vor dem Kennedy-Porträt: »Wenn sie dich sehen, sehen sie, wer sie sein wollen. Wenn sie mich sehen, sehen sie, wer sie sind.« Ein verhältnismäßig tiefgründiger Moment in einer verhältnismäßig warmherzigen Filmbiografie von Oliver Stone.

Oh ja, Hollywood hasst Nixon und McCarthy. Aber beide tun auch genug dafür. Einbrüche im Wahlhauptquartier der Konkurrenz zum Beispiel. Die Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward decken die Watergate-Affäre auf, Dustin Hoffman und Robert Redford porträtieren sie als Helden der freien Welt.

Redford kann auch anders: In »Bill McKay« spielt er einen naiven Anwalt, der für das Gouverneursamt in Kalifornien kandidiert. Sein idealistischer Ansatz verpufft im Laufe der Kampagne, denn es müssen eine Menge Babys geküsst werden, um den Sonnyboy wählbar zu machen. Sollte Donald Trump sich mal ansehen.

— Intro empfiehlt: »Trumbo« (USA 2015; R: Jay Roach; D: Bryan Cranston, Diane Lane, Helen Mirren; VÖ 21.07.16; Paramount)

der intellektuelle Tiefe mitunter nur vorgaukelt und eigentlich Slapstick ist. Hinzu kommt die Bildebene, die fast märchenhaft erzählt, wie das Hollywood der 1950er-Jahre ausgesehen haben muss. Den Coen-Brüdern gelingt es hier wie selten zuvor, high und low miteinander zu verflechten: Auf eine hervorragend choreografierte Sing-und-Tanz-Nummer mit Channing Tatum als Vortänzer

folgt eine theoretische Auseinandersetzung mehrerer Kommunisten – inklusive Professor Herbert Marcuse – zur systemstützenden Agentenrolle im Kapitalismus, die durch das Hollywood-Kino erfüllt wird. Auch Grundrezepte ihres Schaffens verwenden die Coens. Mit Josh Brolin als Eddie Mannix gibt es den prototypischen Träger der Handlung, der nach bestem Wissen und Gewissen versucht, den

Laden (hier das Studio) zusammenzuhalten. Aber eine höhere Macht oder der Zufall legt ein paar Steine bereit, über die er brachial stolpern könnte. Larry Gopnick aus »A Serious Man« kann davon ein Lied singen. Insgesamt handelt es sich bei »Hail, Caesar!« um eine vortreffliche Hommage an das Kino selbst. Mit allem Zauber und auch mit all den unsauberen Ecken, die hinter den Kulissen liegen. So eine schöne

Auseinandersetzung mit dem Alltag, der sich auch 60 Jahre später kaum geändert haben dürfte, kann man nur auf Zelluloid bannen, wenn man das liebt, was man tut. Auch noch bei Film Nummer 17. Lars Fleischmann — »Hail, Caesar!« (USA 2016; R: Ethan Coen, Joel Coen; D: Josh Brolin, George Clooney, Frances McDormand; VÖ 30.06.16; Universal)

63


64

#Kultur #DVD Eine schrecklich nette Familie entpuppt sich in Pablo Traperos Spielfilm »El Clan« (RA 2015; VÖ 15.07.16; Prokino), der während der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien spielt, als Todesfalle für die Kinder besser gestellter Eltern. Familienoberhaupt Arquimedes Puccio (Guillermo Francella) macht nach außen hin gute Miene zum bösen Spiel hinter den Kulissen, file under bürgerliche Fassade. Als Strippenzieher des blutigen Entführungsgeschäfts nötigt er seinen Sohn Alejandro (Peter Lanzani), den Lockvogel zu spielen. Intro empfiehlt die Bestseller-Verfilmung. Sie führt uns vor Augen, dass die Zeit, in der die Junta regierte, außerordentlich viele Opfer forderte. Berti Vogts hingegen meinte ja, als er zur Fußball-WM 1978 vor Ort war, Argentinien sei ein Land, »in dem Ordnung herrscht«.

The Survivalist

EINMAL MAD MAX SEIN Eine spannende und beklemmende Variation des klassischen Endzeit-Szenarios – und eine Gesellschaftskritik ohne Gesellschaft.

P

ostapokalyptische Romane und Filme sind auch deshalb so beliebt, weil viele Leute von einer gesetzlosen Welt des Faustrechts träumen. Solange sie selbst darin den Mad Max geben dürfen, versteht sich. Oft sind das dieselben Typen, die sich sehr selten die Zähne putzen, weshalb sie dem Untergang der Zivilisation schon jetzt ideologisch ein bisschen näher stehen. Anders als in manch schickem Science-Fiction-Thriller wird das vertraute

Endzeit-Szenario in »The Survivalist« ausgesprochen naturalistisch angegangen. Wir begegnen einem ausgemergelten Überlebenden in einem desolaten Waldstück, das ihm gerade genug Ressourcen zur nackten Existenz bietet. Sein ausgeprägtes Misstrauen wird auf eine Belastungsprobe gestellt, als eine Frau und ihre Tochter sein Lager finden und um Unterschlupf bitten – in einer Welt, in der ein Menschenleben nichts gilt, ein unerhörtes Ansinnen. Den englischen Regisseur Stephen Fingleton interessieren besonders die Fragen, vor denen sich seine Kollegen in Hollywood gerne wegducken: Was genau macht den Menschen aus, wenn es keine Gesellschaft mehr gibt, die moralische Gefüge vermittelt? Die Antwort fällt mitunter beklemmend aus – in einem hochspannenden Film. Alexander Dahas

— Intro empfiehlt: »The Survivalist« (GB 2015; R: Stephen Fingleton; D: Mia Goth, Martin McCann, Andrew Simpson; VÖ 01.07.16; Pierrot LeFou)

Tribute: Highlander In »Highlander – Es kann nur einen geben!« erlebt Christopher Lambert in der Rolle des Connor MacLeod die Schattenseiten der Unsterblichkeit. Dabei hat er sich mit der sehr körperlichen Verkörperung des Schopf und Schwert schwingenden Schotten selbst unsterblich gemacht. »Aus der Dämmerung der Zeit kamen wir ... Niemand hat jemals gewusst, dass wir unter euch waren – bis heute«, raunte ein gewisser Sean Connery jene Präambel der Geschichte, die noch heute alt gewordenen Rollenspiel-Nerds und AchtzigerThrowbacks einen Schauer über den Rücken jagt. Wenn auch deren Kreuz nicht halb so ausgeprägt sein dürfte wie das von Lambert in den besten Tagen. Davon kann man sich jetzt noch mal in höchster Bildqualität überzeugen. Der erste und beste Teil der Saga kommt als 4-K-Remastered-Version via StudioCanal. Paula Fuchs


AB 7 .7 IN .

IM K

O!

Bang Gang

STURMFREIE BUDE Regisseurin Eva Husson inszeniert TeenagerOrgien. Und spielt mit ihrem Sittengemälde Moralvorstellungen gegeneinander aus.

W

egen der Allgegenwärtigkeit von Internetpornografie fürchten viele Eltern, dass ihre Teenagerkinder bei Liebe, Sex und Zärtlichkeit etwas missverstehen. Dass sie zu gefühllosen Sex-Robotern werden, die selbst gedrehte Hardcorefilmchen ins Internet stellen, statt erst mal bei

unbeholfenem Knutschen und Fummeln anzufangen. »Bang Gang« ist, wie der Name schon vermuten lässt, nur bedingt dazu angetan, ihre Sorgen zu zerstreuen. Der Film handelt von einer Gruppe französischer Jugendlicher, die aus Langeweile SexPartys veranstalten, wenn ihre erfolgreichen Eltern mal nicht zu Hause sind. Und das ist ziemlich oft. Tragen sie deswegen die Verantwortung dafür, dass sich Alex als sexueller Tausendsassa präsentieren möchte oder dass die scheue George auf diesem fleischlichen Wege versucht, echte Liebe zu finden? Solche Vorstellungen klingen zumindest an in einem Film, dessen genießerische WerbefilmÄsthetik ähnlich gelagerte Filme wie »Unter Null«, »Ken Park« oder »Palo Alto« zitiert. Eva Hussons »Bang Gang« ist für Sex das, was »Natural Born Killers« für Gewalt war: ein voyeuristisches Spektakel mit spät erhobenem Zeigefinger. Nur wesentlich glaubwürdiger gespielt.

DER SUNDANCE-HIT — AUF iPHONE GEDREHT!

WILD UND PRALL VOLL LEBEN! VILLAGE VOICE

Alexander Dahas — Intro empfiehlt: »Bang Gang – Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus« (F 2015; R: Eva Husson; D: Finnegan Oldfield, Marilyn Lima, Lorenzo Lefèbvre; VÖ 15.07.16; Pierrot LeFou)

EIN FILM VON SEAN

BAKER

MAGNOLIA PICTURES • DUPLASS BROTHERS PRODUCTIONS UND THROUGH FILMS PRÄSENTIEREN IN ZUSAMMENARBEIT MIT CRE FILM UND FREESTYLE PICTURE CO. EINEN FILM VON SEAN BAKER »TANGERINE« MIT KITANA KIKI RODRIGUEZ • MYA TAYLOR KARREN KARAGULIAN • MICKEY O’HAGAN • ALLA TUMANIAN • JAMES RANSONE • TONAUFNAHME IRIN STRAUSS • KAMERA RADIUM CHEUNG, HKSC & SEAN BAKER AUSFÜHRENDE PRODUZENTEN MARK DUPLASS & JAY DUPLASS • PRODUZENTEN MARCUS COX & KARRIE COX • PRODUZENTEN DARREN DEAN UND SHIHCHING TSOU BUCH VON SEAN BAKER & CHRIS BERGOCH • REGIE SEAN BAKER

Ta n g e r i n e- L A . d e


#Kultur #Games

Keine Skills am Controller aber La Paloma pfeifen Ein virtueller Spaziergang im Park? Nicht unbedingt das, wofür abgebrühte Videospiel-Veteranen den aufgemotzten Rechner hochfahren würden. Das dachte sich auch Videospiel-Laie Carsten Schumacher, bis wir ihn mit dem Horrorspiel »The Park« auf die Suche nach seinem verlorenen Sohn in eine morbide Variante von Disneyland schickten. Das Protokoll:

verlorenen Jungen rufen – wer braucht da schon Kettensäge oder Schrotflinte? [summt Titelmelodie von »Rosemary’s Baby«] Bisher habe ich nichts gemacht, außer irgendwelche verstreuten Textfetzen aufzusammeln. Ist das vielleicht doch nur der Ferienjob-Simulator, oder haben wir schon wieder Redaktionsschluss? Wenn das so weitergeht, wird mir jedenfalls eher das Jugendamt als die homöoKeine fünf Sekunden aus den Augen gelassen und pathisch gesetzten Nadelstiche des Schauderns zusetzen. schon ist die Frucht meiner virtuellen Lenden Unterlassene Aufsichtspflicht – der Wes Craven unter den verloren gegangen – gut, dass meine Frau diese elterlichen Verfehlungen. Kolumne nicht liest. Man könnte den Bengel Protokoll: Philip Fassing natürlich einfach vom Pförtner am Eingang ausrufen lassen, aber begeben wir uns doch — »The Park« für Playstation 4, PC, Xbox One (Funcom) lieber völlig alleine und orientierungslos in den Schlund dieses verlassenen und bedrohlich wirkenden Vergnügungsparks. Der Horror schreibt eben seine eigene Logik. Und die sagt mir, ich müsse nun unbedingt diesen unheilvollen Babyschreien folgen. Immerhin kann ich auf der Kreis-Taste mit zitternder Stimme nach dem

DOOM

HIERONYMUS BOSCH IM TELEPORTER Hilfe! Der sonst so beschauliche Rote Planet hat sich in ein Plattencover von Cannibal Corpse verwandelt: okkulte Symbole, abgerissene Körperteile und grunzende Dämonen, wohin man sieht. Wie praktisch, dass man uns im Reboot des Shooter-Urgesteins »DOOM« eine ganze Wagenladung absurd großer Waffen zum Aufräumen schickt.

Das Spiel mit der Nostalgie ist ein gefährliches. Das haben uns in den letzten Jahren auch die Reboots und Remakes der Kinolandschaft gelehrt. Alte Lieblinge in neumodische Gewänder zu pressen läuft schon auf der Leinwand öfter vor den Baum als in die Herzen der Fans. Kein Wunder also, dass die Ankündigung einer neu aufgelegten Fassung von »DOOM« Angst und Schrecken verbreitete. Schließlich ist das 1993 erschienene Original eine Legende. Hässlich und heute nahezu ungenießbar, aber eben Wegbereiter und Revoluzzer, der die Spielewelt auf den Kopf stellte. Der bereits im April vorgestellte Multiplayer-Modus verhieß allerdings nichts Gutes. Das harte Urteil des Schwarms: Eine enttäuschende Reminiszenz an die schnellen Arena-Shooter der frühen Nullerjahre, grundlos mit modernem Schnickschnack verwässert. Dass »DOOM« trotzdem von allen Seiten mit Schampus begossen wird, verdanken wir der Einzelspieler-Kampagne.

Die macht alles richtig und fühlt sich in den besten Momenten an wie ein rasanter Fiebertraum – und erinnert angenehm an die Klassiker des Genres. Aus der altbekannten Ich-Perspektive ballern wir uns durch düstere Marslandschaften, verirren uns in gigantischen Raumschiffruinen und reißen jede Menge Monsterschädel entzwei. Das Spielprinzip ist einfach: Dämonen zerschießen, Schlüsselkarten suchen, neues Areal aufschließen und wieder von vorne beginnen. Pausen

legen wir nur ein, um die fantastische Optik des Spiels zu bestaunen oder die teilweise gut versteckten Upgrades aufzuspüren. Obwohl man bei »DOOM« quasi immer in Bewegung ist, wurde die Spielwelt liebevoll mit Details gespickt. Gerne nehmen wir die obsolete Story und frustrierende Geschicklichkeitspassagen in Kauf. Spätestens, wenn der stumpfe MetalSoundtrack einsetzt und wir uns wie im Rausch vor einer epischen Sci-Fi-Kulisse in die nächste Horde skurriler Höllenbiester stürzen, haben wir dem Spiel sowieso alles verziehen. Hannes Naumann — »DOOM« für PC, Playstation 4 und Xbox One (Bethesda / id Software)

Illustration: Alexandra Ruppert

66


NACH DEM ERFOLGSROMAN VON

EIN FILM VON R E G I S S E U R VO N G E G E N D I E WA N D U N D S O U L K I TC H E N


187 Strassenbande » 257ers » Action Bronson Ahzumjot » Anderson .Paak » Angel Haze A$AP Ferg » Azad » Beginner » Betty Ford Boys Celo & Abdi » Denzel Curry » Edgar Wasser Eko Fresh » Fatoni » Flatbush Zombies » Frauenarzt Haftbefehl & Special Guest » Haiyti » Immer Ready (Mauli, Marvin Game, Holy Modee, Al Kareem, Morten, Mister Mex, Robo, Simdal) » Juicy Gay Kehlani » Kevin Gates » LGoony & Crack Ignaz Lil B » Mac Miller » Maeckes » Nimo » Olexesh RAF Camora » Skepta » Stormzy » Teesy & Friends The Roots » Ty Dolla $ign » Weekend » Wiz Khalifa Young Thug » Yung Lean » Yung Hurn UND VIELE MEHR...

#splash19 · facebook.com/wirsindsplash · splash-festival.de


#Life

Bild: Emma Lindström

#Life Die Schüler des Colégio Visconde de Cairu in Rio de Janeiro hätten im Kunstunterricht sicher auch gerne ein Bild wie dieses gemalt. Aber wie soll das gehen, wenn die Regierung Schulen sowie Lehrpläne verrotten lässt und Staatsgelder lieber in die eigenen Taschen oder die Olympiade steckt? Nach solch einem schweren Thema gönnen wir uns in der Popküche leichter Verdauliches. Wie wäre es mit einer Lachsschaumspeise?

69


70

#Life #Reportage #Schülerproteste #Rio de Janeiro

Reportage: Schülerproteste in Rio de Janeiro

»Wie besetze ich mein Gymnasium?«


#Life #Reportage #Schülerproteste #Rio de Janeiro

Schon vor der Fußball-WM 2014 gab es in Brasilien Proteste gegen die herrschenden Verhältnisse. Auch kurz vor den Olympischen Spielen im August ist die brasilianische Gesellschaft in Aufruhr. In Rio de Janeiro besetzen Schüler seit mehreren Monaten zahlreiche Schulen. Durch die subtilen und handfesten Gegenmaßnahmen der Schulbehörde entwickeln sich die Geschehnisse zum politischen Thriller. Astrid Kusser lässt die Ereignisse Revue passieren und schildert ihre Gespräche mit mehreren Besetzern über Motive, Organisationsformen und mögliche Perspektiven. Fotos: Dani Dacorso

Das Colégio Visconde de Cairu liegt wie eine Festung auf einem Hügel. Mit der Vorstadtbahn erreicht man von hier aus in 20 Minuten den Hauptbahnhof von Rio de Janeiro. Trotzdem scheint das Zentrum weit entfernt, kein Tourist verirrt sich hierher. Das wird sich auch kaum ändern, wenn vom 5. August 2016 an die Olympischen Spiele in der brasilianischen Metropole stattfinden. Das Viertel Méier bietet wenig touristische Reize. Es sieht aus wie in jeder beliebigen Großstadt in Brasilien: viel Beton, wenig Grün, kaum Stadtplanung. Die Schule stammt aus den 1950erJahren. Sie wurde tatsächlich großzügig und geschickt angelegt. Der Schulgarten neben den zwei Sportplätzen ist allerdings seit Jahren verwildert. Das Gebäude ist heute kaum mehr als eine Ansammlung von Klassenzimmern. Rund 2300 Visconde de Schüler gehen hier normalerweise Carandiru ein und aus. Gänge und Flure las1992 schlug die Militärpolizei von São Paulo im sen sich mit meterhohen EisengitGefängnis Carandiru einen tern verriegeln. Die Schüler nen- Aufstand nieder und tötete nen die Schule im Spaß Visconde über 100 Insassen, viele von ihnen unbewaffnet oder de Carandiru und spielen damit nachdem sie sich bereits auf ein berüchtigtes Gefängnis in ergeben hatten. São Paolo an.

Endlich Klopapier! Besucht man im April 2016 das Colégio Visconde de Cairu, wird man von Lehrern und Schülern durchs Gebäude geführt, denn sie haben die Schule besetzt. Sie zeigen Aufzüge, die längst nicht mehr repariert werden, und komplett verstaubte Chemielabore. Ganze Räume und Flure stecken voller Sperrmüll, der allmählich verrottet. Die Besetzer drehen Videos, um sie ins Netz zu stellen. Sie fühlen sich bestohlen und betrogen. »Was wir alles gefunden haben! Eigentlich sollten wir Schuluniformen gestellt bekommen, aber dann mussten wir sie selbst kaufen. Hier fanden wir Uniformen, die nie jemand getragen hat«, berichtet Eloiza Bernardino. Sie ist 16 und Schülerin am Colégio Visconde de Cairu. Anfang April ist sie bei der

Besetzung dabei, Tag und Nacht verbringt sie seither in der Schule. »Ich will mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie es vor der Besetzung war«, stöhnt sie. »Jetzt können wir alles selbst bestimmen. Aber vorher gab es zum Beispiel nie Klopapier auf den Toiletten. Weil wir damit angeblich die Klos verstopft haben. Komisch nur: Seit der Besetzung haben wir Klopapier – und trotzdem keine verstopften Klos.« Das Colégio Visconde de Cairu ist kein Einzelfall. Ende März besetzen Schüler in Rio de Janeiro das erste Gymnasium, ein paar Wochen später sind es 70 besetzte Schulen im gesamten gleichnamigen Bundesland. 50.000 Schüler stehen ohne Unterricht da. Unmittelbarer Auslöser für die Proteste ist die finanzielle Krise von Rio de Janeiro. Im Jahr der Olympischen Spiele geht dem Bundesland das Geld aus. Lehrer und Angestellte werden nicht mehr pünktlich bezahlt, notwendige Reparaturen aufgeschoben. Die Besetzungen sind auch eine Reaktion auf den neoliberalen Umbau der Schulen, den die Regierung von Rio de Janeiro vorangetrieben hat. Die Lehranstalten werden zum Wettbewerb untereinander angestachelt und geben viel Geld für interne Leistungstests aus. Liefert eine Schule gute Resultate, bekommt sie mehr Mittel zugeteilt. Es sind ausgerechnet jene Gymnasien, die in diesen Tests am besten abschneiden, die zuerst von ihren Schülern besetzt werden. Erst später kommen Schulen dazu, die in einem wahrhaft desolaten Zustand sind, sprich: wo Regenwasser von der Decke tropft und immer wieder Licht und Wasser ausfallen. Es ist also gerade das Bewusstsein, eigentlich an einer guten Schule gelandet zu sein, das diese systematische Systematische Vernachlässigung unerträglich Vernachlässigung macht. Besonders überraschend Das Colégio Mendes de Morães für Außenstehende: In allen besetzten Schulen fanden gehört zu diesen Gymnasien. Es sich Räume voller neuer liegt auf der Ilha do Governador, und alter Schulbücher, die im Norden von Rio de Janeiro. nie weitergegeben worden waren. »Sie werden von der »Viele waren überrascht, dass aus- Bundesregierung direkt an gerechnet unsere Schule zuerst die Schulen verschickt, aber besetzt wurde. Sie wurde erst 2012 dann fehlt das Personal, um die Bücher auszuteilen«, renoviert und ist in einem sehr so die Lehrerin Aluana guten Zustand. Wir haben sogar Guilarducci. ein Schwimmbad«, erzählt Aluana Guilarducci. Sie ist 35 Jahre alt und unterrichtet Soziologie am Colégio Mendes de Morães. Die Schule befindet sich in einem konservativen Viertel der unteren Mittelschicht. Doch viele der Schüler kommen aus dem Maré, einer Ansammlung von Favelas, die kurz vor der Fußball-WM 2014 vom Militär besetzt wurde. Drogenbanden beherrschen die Region, die an die beiden großen Ausfallstraßen der Stadt grenzt. Wer zum internationalen Flughafen von Rio de Janeiro will, fährt zwangsläufig am Maré vorbei. »Unsere Schüler haben im Alltag viel mit Gewalt zu tun. Sie kommen ans Mendes de Morães, weil sie wirklich lernen wollen. Die Schule hat einen guten Ruf«, so Guilarducci.

Streik und Solidarität Als im Februar, also im brasilianischen Sommer, das neue Schuljahr am Mendes de Morães beginnt, fallen ständig die Klimaanlagen aus. Da nützt auch der gute Ruf nichts mehr. »Niemand kam, um sie zu reparieren. Dabei kann man in den neu renovierten Klassenzimmern wegen der teuren Klimaanlagen nicht mal mehr die Fenster aufmachen«, erzählt Aluana. Es will den Schülern nicht einleuchten, dass Geld da ist, um Geräte zu mieten, die dann aber nicht gewartet werden. »Als sie eine Woche später einen Sitzstreik

71


72

#Life #Reportage #Schülerproteste #Rio de Janeiro

auf dem Gang organisierten, kam der Reparaturdienst. Da merkten die Schüler: Oha, wir haben ja Macht!« Anfang März beginnen die Lehrer zu streiken. Viele Schüler erklären sich solidarisch, nehmen an ihren Demonstrationen teil, stellen plötzlich eigene Forderungen. Aber nichts passiert. »Stattdessen drohte ihnen die Direktorin, sie aus der Schule auszuschließen. Daraufhin war die Besetzung für die Schüler eine logische Konsequenz.« Am Colégio Visconde de Cairu organisieren die streikenden Lehrer zunächst eine »kulturelle Besetzung«. Sie sprechen mit ihren Schülern über Themen, die im Unterricht keinen Platz haben, und bereiten die Aktion indirekt vor. Die 16-jährige Eloiza erinnert sich: »Im Internet fanden wir eine Anleitung mit dem Titel ›Wie besetze ich mein Gymnasium?‹« Am 4. April beruft eine Gruppe von 30 Mitschülern per WhatsApp eine Schülerversammlung ein. »Ein paar von uns saßen auf der Bühne, der Rest mit den gut 200 Anwesenden im Publikum. Nach einer Stunde waren alle begeistert«, erzählt Eloiza. Während oben noch diskutiert wird, riegeln die Besetzer unten mit Eisenketten und Vorhängeschlössern die Eingangstore ab. Anfangs schließen sich die Schüler den Forderungen der streikenden Lehrer an: Der Lehrplan soll überarbeitet, die Leistungstests sollen abgeschafft und die Direktoren direkt von Eltern, Lehrern und Schülern gewählt werden. Als weitere Punkte fügen sie dem Forderungskatalog »besseres Essen« und »sofortige Reparaturen« hinzu. Aber das ist nicht alles. Ein Lehrer drückt es so aus: »Sie revoltieren gegen den Autoritarismus, der an den Schulen herrscht.«

Nächtliche Drag-Shows Das Colégio Amaro Cavalcanti befindet sich direkt am belebten Largo do Machado in der Zona Sul von Rio de Janeiro. Von diesem Punkt aus fahren die Kleinbusse hoch zum Corcovado mit der weltberühmten Christusfigur. Auch die Metro kommt hier entlang, bevor sie die Passagiere weiter nach Copacabana und Ipanema transportiert. Die Amaro Cavalcanti ist die erste besetzte Schule in dieser eher reicheren Region. Am Zaun hängt seit Wochen ein Banner mit der Aufschrift: »Nehmt von Olympia Schulstunde über und investiert in unsere Schulen!« Geschlecht und Es ist Freitag, der 30. April. AleSexualität xandre Bortolini wird gleich eine In den brasilianischen Schulstunde über Geschlecht und Sexualität geben. Er ist 35

und arbeitet an der staatlichen Universität von Rio de Janeiro in der Lehrerfortbildung. Heute haben ihn die Schülerinnen und Schüler der Amaro Cavalcanti eingeladen. Gut 30 sind gekommen. Alexandre fragt sie, was männlich

Sozial- und Geisteswissenschaften wird viel zu Genderthemen geforscht, seit Jahren Lehrer ausgebildet, um dieses Wissen an Schulen weiterzugeben. Im Schulalltag ist es oft unmöglich, offen darüber zu sprechen. Regelmäßig gehen religiös motivierte Lehrer und Eltern auf die Barrikaden.

und weiblich für sie bedeute. Alle schreiben Begriffe an die Tafel, auch Schimpfwörter und Stereotype. Es wird gelacht und gefeixt. Doch bald geht es darum, wie sehr diese geschlechtlichen Zuschreibungen einen im Alltag begrenzen. »Warum darf ich an der Schule kein Trägertop und keine Shorts tragen?« fragt eine Schülerin, denn an vielen Colégios herrscht ein strenger Dresscode. In den besetzten Schulen weht seit den Besetzungen ein feministisches und queeres Lüftchen. »Wir haben gemerkt, dass viele von uns keine Heteros sind«, erzählt Schülerin Eloiza vom Colégio Visconde de Cairu. »Nachts veranstalten wir Drag-Shows. Jeder zieht an, worauf er Lust hat, schminkt sich, kommt dramatisch durch die Tür und geht wie auf einem Laufsteg durchs Klassenzimmer. Die anderen jubeln, klatschen oder pfeifen. Ein Riesenspaß.« Gleich zu Beginn der Besetzung stellen die Mädchen am Visconde de Cairu den herrschenden Machismo in Frage. »Erst haben zwei Jungs alles organisiert«, erzählt Eloiza. »Aber nach zwei Tagen merkte ich, dass das so nicht geht. Zum Beispiel waren im Sicherheitskomitee nur Jungs und in den fürs Kochen und fürs Putzen zuständigen Gruppen nur Mädchen. Da bin ich zum Tor und habe erklärt: Wir müssen in die Security-Gruppe – und die Jungs müssen zum Kochen und Putzen.« Eloiza weiter: »Wir können jetzt anziehen, worauf wir Lust haben. Aber da war ein Junge, der nicht wollte, dass seine Freundin vor den anderen in Shorts rumläuft. Der ist vor Eifersucht ausgeflippt. Er dachte wohl, sie gehöre ihm, nur weil sie mal geknutscht hatten. Also beriefen wir eine große Schulstunde über Feminismus ein und sagten den Jungs: Entweder ihr kommt dahin, oder ihr kriegt heute Abend nichts zu essen.« Sie lacht. Und wird wieder ernst. »Wenn es einen Konflikt gibt, bleiben wir zusammen, bis wir den Konflikt gelöst haben und uns wieder in die Augen schauen und umarmen können.« Woher Eloiza diese Selbstsicherheit nimmt, mit der sie weiß, was zu tun ist? »Vielleicht kommt es vom Fußball. Ich habe immer mit Jungs gespielt und meinen Vater gefragt: Warum sind keine Mädchen beim Fußball?« Bis heute spielt sie professionell in einer Frauenmannschaft und stellt die Welt und nicht in erster Linie sich selbst in Frage. Die Besetzungen nehmen zu, aber Gegenmaßnahmen bleiben nicht aus: Im Mai verhängt die Schulbehörde Zwangsferien. Deshalb können die Schüler nicht mehr kostenlos mit Bus und Bahn zur Schule kommen. Früher reichte es, in Schuluniform einzusteigen, niemand verlangte eine Karte. Aber längst ist der öffentliche Nahverkehr privatisiert. Es gibt elektronische Fahrkarten mit


10. & 11.09.2016 TREPTOWER PARK

RADIOHEAD • KINGS OF LEON

MAJOR LAZER • PAUL KALKBRENNER PHILIPP POISEL • NEW ORDER DIMITRI VEGAS & LIKE MIKE

MAX HERRE & KAHEDI RADIO ORCHESTRA MILKY CHANCE • THE 1975 • BEGINNER • ZEDD LINDSEY STIRLING • CHASE & STATUS DJ SET & RAGE TOCOTRONIC • KAISER CHIEFS • JAMES BLAKE YEARS & YEARS • RÓISÍN MURPHY • JESS GLYNNE G-EAZY • BILDERBUCH • THE CHAINSMOKERS MARTIN SOLVEIG • LOST FREQUENCIES • ALLE FARBEN KLINGANDE (LIVE) • ALAN WALKER • ODESZA • THE TEMPER TRAP AURORA • CATFISH & THE BOTTLEMEN • TUJAMO • DESTRUCTO JONAS BLUE • JAGWAR MA • JUNGE JUNGE • JOSEF SALVAT MATOMA • TOPIC • NOTHING BUT THIEVES • MNEK DUBIOZA KOLLEKTIV • GRAHAM CANDY • L.A. INFO & TICKETS: LOLLAPALOOZADE.COM VISIT US:

#LOLLABERLIN


74

#Life #Reportage #Schülerproteste #Rio de Janeiro

Guthaben, die jede Woche neu aufgeladen werden müssen. Diese Aufladestationen sind wegen der Zwangsferien außer Betrieb. Mittlerweile steht die Forderung nach einem Passe Livre, also unbegrenzten Freifahrten für Schüler, ganz oben auf der Liste der Forderungen der Besetzer. »Wir brauchen Zugang zu Bildung, und die findet nicht nur in der Schule statt«, erklärt Eloiza. »Im Zentrum hat gerade ein neues Wissenschaftsmuseum aufgemacht. Das ›Museum der Zukunft‹. Ich will mit meinem Busticket auch dorthin fahren können.« Die Schulbehörde spielt auf Zeit. So werden viele der ausgesperrten Schüler, die nicht am Besetzerleben teilnehmen können oder wollen, immer nervöser. Sie sitzen zu Hause und fragen sich, wie lange das noch so weitergehen soll. Frustrierte Schüler gründen die Facebook-Gruppe »Desocupa já« (»Besetzungen sofort aufheben!«) und gehen zur Gegenaufklärung über. Sie besuchen Schulen, die noch nicht besetzt sind. Den dortigen Schülern erklären sie, dass sie eine Besetzung so schnell nicht wieder loswerden würden. Sie drohen aber auch, besetzte Schulen zu stürmen und die Besetzer wenn nötig gewaltsam rauszuwerfen. Trotz solcher Androhungen von Gewalt verbreitet die Schulbehörde die Posts dieser Gruppe auf ihrer eigenen Seite. Die ausgesperrten Eltern und Schüler müssen sich regelrecht zum Handeln aufgerufen fühlen.

»Faschist« tritt zurück Am 10. Mai kommt es zum Eklat. Als der Staatssekretär für Bildung, Antonio José Vieira Neto, sich erstmals ernsthaft mit den Schülern der Mendes de Morães an den Verhandlungstisch setzt, stürmen Besetzungsgegner das Schulgelände der ersten besetzten Schule Rio de Janeiros. Sie brechen die Tore auf, drohen Schülern Schläge an, zücken Messer und ritzen Arme auf. Die Besetzer verbarrikadieren sich zunächst und fliehen schließlich aus der Schule. Noch am selben Tag stellt eine Richterin klar, dass diese Aktion illegal gewesen sei. Es gebe rechtlich nur zwei Möglichkeiten, eine Besetzung zu beenden: Entweder gingen die Besetzer nach Verhandlungen freiwillig, oder ein Richter ordne die Räumung an. Auf keinen Fall dürfe die Schulbehörde die Meinung von »Desocupa já« weiterverbreiten oder deren Vorgehen unterstützen. Daraufhin gibt es erste Zugeständnisse. Man werde den Leistungstest abschaffen, die Direktoren von Lehrern, Eltern und Schülern direkt wählen lassen und veranlassen, dass die Bustickets nicht mehr jede Woche aufgeladen werden

müssen. Zudem sollen jeder besetzten Schule 15.000 Reais für sofortige Reparaturen bereitgestellt werden. Obwohl das weit hinter den ursprünglichen Forderungen zurückbleibt, geben die Besetzer der Mendes de Morães nach. Am 16. Mai laden sie den Kabinettschef des Staatssekretärs für Bildung, Caio Castro, zum Pressetermin ein. Sie verhandeln gerade ihren Abzug, als die Nachricht die Runde macht: »Desocupa já« greift wieder an! Die Schüler springen auf, sie wollen ihre Schule verteidigen. »Nein, nicht hier, im Visconde de Cairu sind sie!« ruft jemand. Dort, wo Eloiza die Besetzung mitorganisiert. Doch die Versammlung ist schon gesprengt. Einige Besetzer wittern Verrat, weil »Desocupa já« wiederholt während eines offiziellen Termins angreift. Eine Lehrerin verliert die Fassung: »Faschist!« schreit sie in Richtung Castro. Der Politiker brüllt zurück: »Halt’s Maul, Lehrerin!« Da gibt es kein Halten mehr. »Hau ab! Hau ab!« Unter Beschimpfungen verlässt Caio Castro die Schule. Noch am selben Tag reichen er und der Staatssekretär ihren Rücktritt ein. Fortan herrscht eine Art Stellungskrieg. Keine Seite will nachgeben. Am Largo de Machado gibt es viel Unterstützung durch die Bevölkerung. Die Besetzer des Colégio Amaro Cavalcanti organisieren weiter kulturelle Veranstaltungen. Sie planen mehrere Wochen in die Zukunft, scheinen davon auszugehen, dass sie noch lange ausharren werden. Andere besetzen die Schulbehörde und wollen sofortige Verhandlungen erzwingen. Weil sich der neue Staatssekretär für Bildung nicht an die Zugeständnisse seines zurückgetretenen Vorgängers Caio Castro gebunden fühlt, wollen die Schüler zukünftig nur noch mit dem Gouverneur reden. Noch in der ersten Nacht wird die Besetzung der Behörde überraschend geräumt – um drei Uhr morgens und ohne richterliche Anordnung. Die Schüler setzen sich auf den Boden, freiwillig wollen sie nicht gehen. Unter ihnen sind auch Lehrer und Eltern. »Da haben sie begonnen, auf uns einzuschlagen und uns mit Pfefferspray und Tränengas zu attackieren. Solche Feiglinge!« erzählt Felipe Gomes Viera. Er nimmt an der Aktion teil, obwohl seine Schule nicht besetzt ist. Am Morgen geben er und seine Mitstreiter, von der Räumung gezeichnet, Interviews. »Die werden schon sehen, dass wir nur noch entschlossener kämpfen werden«, ruft er ins Mikro der elegant gekleideten Reporterin vom Fernsehsender Globo. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass junge Leute wie Felipe der Polizei bald in der Vermummung des Black Block gegenüberstehen werden. Ein Phänomen, das Brasilien 2013 monatelang diskutiert hat. Aber vorerst bleiben die Besetzungen ein mikropolitischer Aufstand der Gefühle – unmittelbarer Ausdruck des politischen Stillstands in Brasilien 2016 kurz vor den Olympischen Spielen. Sie erzählen darüber hinaus von der absoluten Fähigkeit dieser Generation, sich selbst zu organisieren und ganz praktisch ein paar Schritte in Richtung einer neuen Form von Schule und Bildung zu unternehmen.


75

WIE

WÄRS MIT

KINO IM

FERNSEHEN?

Informationen und Empfangsmöglichkeiten unter www.kinowelt.tv / zu empfangen bei:

© WILDBUNCH GERMANY

20. JULI 20:15 UHR


#Life #Rezepte der Popküche

#Rezepte der Popküche

Die Lachsschaumspeise aus »Der Sinn des Lebens« Es wirkt zugegebenermaßen etwas unorthodox, ein Rezept für ein Gericht zu empfehlen, das in der Filmvorlage alle umbringt – sogar die, die gar nicht davon gegessen haben. Aber wer kann Gevatter Tod schon etwas abschlagen?

Das Rezept Zutaten für vier Lebensmüde 250 g Räucherlachs 5 Blätter Gelatine (weiß) 125 ml Geflügelbrühe 200 ml Sahne 150 ml Tomatensaft 3 EL Sherry (trocken) 2 Bund Dill 1 Limette (Saft) 1 Prise Zucker Pfeffer Cayennepfeffer Tabasco

Was für eine Blamage für jede Köchin und jeden Koch: Man bewirtet eine Gesellschaft, und ein kleiner Kreis diniert und amüsiert sich. So lange, bis plötzlich der Schnitter (anglofon: Grim Reaper) klopft und in der Tür steht, als wäre ein Taxi bestellt worden. Für die Unerfahrenen: Der Tod gehört gemäß landläufiger Meinung zum Leben und bekam aufgrund dieser billigen Binsenweisheit und trotz jeder gegenläufigen Propaganda (vergleiche Bee Gees: »Stayin’ Alive«) eine Rolle in dem Film der britischen Comedy-Boyband Monty Python zugesprochen. Das grimmige Ding steht also samt Sense, die Kapuze keck ins Gesicht gezogen, vor Speisen sowie Speisenden und modert rum. Wie in England üblich nimmt man Freund Hein nicht sonderlich ernst, hält ihn sogar für »einen der Leute aus dem Dorf«, was tatsächlich an der nur wenig urbanen Erscheinungsform des Knochenmanns liegen mag. Und das hatte tatsächlich seherische Qualitäten, denn bis heute gilt: Die Briten bleiben in der Weltrangliste des schwarzen

Humors ungeprüft auf Platz eins, und Heavy Metal als Musikrichtung, die sich nachweislich am meisten um Tod und Verderben verdient gemacht hat, wird immer noch als Kunstform des Ländlichen betrachtet und aus dem Bereich der Urban Music ausgeklammert. In jedem Fall offeriert die Knochenhand des Thanatos ein Erklärungsmodell des unangekündigten Dahinscheidens: die Lachsschaumspeise. Wie man das Rezept dahingehend modifiziert, um im Resultat mit dem süffigen ’83er-Opus der Großmeister des gespielten Witzes gleichzuziehen, mögen wir der todessehnsüchtigen Fantasie eines jeden selbst überlassen. Nur eines sei allen Freunden des furchtlosen Spiels mit den Launen des Sensenmanns mit auf den Weg gegeben: Graham Chapman war derjenige, der dem Tod in dieser Szene die Tür öffnet und auch als Erster mit ihm spricht. Und er war es auch, der als Erster von Monty Python mit ihm gehen musste. Zufall? Wir wünschen guten Appetit. Carsten Schumacher

Und so geht’s: Räucherlachs in Stücke schneiden. Die Gelatine in kaltem Wasser einweichen, Geflügelbrühe erhitzen, drei Gelatine-Blätter in der heißen Brühe auflösen. Mit Lachsstücken sowie Sherry pürieren. Sahne steif schlagen und unter die Masse heben. Mit Pfeffer und Limettensaft abschmecken. Für das Tomatengelee vier EL Tomatensaft erhitzen und zwei Blatt Gelatine einrühren. Den übrigen Tomatensaft dazugeben. Mit Zucker, Salz, Tabasco und ½ EL Sherry würzen. Vier Portionsförmchen kalt ausspülen, Tomatensaft darin verteilen und im Kühlschrank fest werden lassen. Lachsschaum auf den Tomatenspiegel streichen. Förmchen auf Teller stürzen, das Gericht mit Limetten und Dill garniert servieren und auf Eintritt des Todes warten.

Illustration: Alexandra Ruppert

76


FALL / WINTER 2016 IRIEDAILY IS A REGISTERED TRADEMARK LICENSED TO W.A.R.D.-GmbH. STYLED IN BERLIN. WWW.IRIEDAILY.DE INFO@IRIEDAILY.DE

/IRIEDAILYBERLIN

@IRIEDAILYBERLIN


#Life #Kolumne #Ich möchte Teil einer Bewegung sein

Ich möchte Teil einer Bewegung sein Folge 5: Critical Mass

Das mit der Bewegung haben so ähnlich schon Tocotronic gesungen. Damit haben sie einen Impuls beschrieben, der die Popkultur am Leben hält. Auch unsere Kolumnistin Paula Irmschler kennt dieses Gefühl. Auf der Suche nach Halt und einer Peer-Group, die ihr ein Zuhause gibt, stolpert sie allerdings manchmal auch dahin, wo es wehtut. Diesmal in den strömenden Regen auf einer Fahrraddemo in Köln.

Illustration: Alexandra Ruppert

78

Die Strapazen eines Fußgängerlebens sind enorm: Alles Vorankommen dauert, man schwitzt im Sommer, bibbert im Winter, Knieprobleme und Frisur. Diebe wollen einem an die Tasche, Männer ans Gesäß und überhaupt – gehen. Autofahren birgt ebenfalls Aggressionspotenzial: Stau, Spritgeld, Ampeln und der Hass einfach aller, einschließlich anderer Autofahrer. Der ÖPNV hingegen kostet unendlich, man kommt nie pünktlich an, die übliche Stinkerei im Bus und Kontrolleure, die einem schon allein mit ihrer Nazimimik auf den Keks gehen. Dabei scheint der tägliche Selbsttransport viel mehr als das gute alte Von-A-nach-B zu sein, liebe Leute. In Wahrheit ist es Politik. Fahrradfahren zum Beispiel ist Lifestyle, Revolution, Anarchie, Prekariat, Kapitalismusabsage und Subkultur in einem. Fahrradfahrer sind im Grunde die Feministen unter den Verkehrsteilnehmern. Zwischen und hinter mackerigen, Platz einnehmenden Autos und deren schlecht gelaunten Insassen müssen sie sich ihre Wege suchen, leben in ständiger Gefahr, werden beschimpft, stören angeblich den normalen Verkehrsbetrieb, werden nicht ernst genommen, wirken schrill und haben nur dürftig eingerichtete eigene Pfade und Nischen. Fahrradfahren ist Underdog-Identität. Da mach ich mit! Einmal im Monat findet in mehreren Städten die Critical Mass statt. Es geht um die fiese Benachteiligung von Fahrradfahrern im Straßenverkehr. Da Zweirädler so unglaublich militant, öko, vital und sexy wirken, schließe ich mich an, diesem Umstand ein Ende zu bereiten. Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Wege klaut. Unter dem Motto »Wir sind Verkehr« (hihi) treffen sich auch in Köln regelmäßig mehrere Hunderte Drahteselbesitzer, um auf sich aufmerksam zu machen, indem sie die Straßen fahrenderweise blockieren. Ich leihe mir ein Holland-Rad, fahre zum im Internet kommunizierten Treffpunkt, reiße mich beim Hintenrum-Reiben des Sitzes zusammen und versuche, nicht auf die Schnauze zu fallen. Natürlich gibt es keine Organisation, es handelt sich scheinbar um spontanen Volkszorn, und trotzdem kennt jeder ebenjenen Organisator, den es nicht gibt. Ich bin verwirrt. Ein bisschen erinnert das an Anonymous, nur mit mehr Inhalten. Was wir wollen, kommunizieren wir allerdings gar nicht. Es gibt Demo-untypisch keine Plakate, keine Sprechchöre und auch kein Gerangel mit

der Polizei. Liebevoll wird Letztere sogar als »Team Blau« bezeichnet, wie süß ist das denn? An jeder roten Ampel halten wir. Dramatische Szenen spielen sich dann ab, wenn von einer der Nebenstraßen doch mal so ein Autoschwein auf uns zukommt. Eine Frau sagt heldenhaft zu Mann und Kind: »Lasst mich zurück, ich blockier den schnell!« und wirft sich vors Auto. Also, sie stellt sich quer davor. Man nennt das, was sie tut, »Corken«. Es ist übrigens ein Taxifahrer, der keine Ahnung hat und eigentlich auch gar nichts will. Ein Radfahrer neben mir freut sich: »Dem haben wir es aber gezeigt!« Ich setze zum dreckigen Lachen an, ziehe aber zurück, als ich merke, dass das gar keine Ironie ist. Auch sonst gibt es viel Ernst und Regeln: keine Lücken, nicht rasen, der Ton macht die Musik, Rücksicht nehmen, kein Bier, aber bitte selbst entscheiden, einer für alle und so weiter. Auf den Gehwegen lachen uns Goldkettenträger aus, beobachten uns kleine blonde Mädchen mit Staunen und Eis, rennt ein verrückter, alter Mann ein Stück mit uns mit – er will uns Deutschlandfahnen für die Räder verkaufen, Tröten, Vuvuzelas, Drogen und weiß der Geier was noch. Das wäre immerhin eine Message, aber wir müssen weiter. Weiter, immer weiter, gefühlt die ganze Stadt abradeln, ich bin mittlerweile richtig drin. Unter Brücken wird heftig abgeklingelt, es läuft Musik, Party, was für ein Spaß, wir sind die Queens der Straße. Sogar als der Regen des Jahrhunderts auf uns niederprasselt und die Autofahrer schadenfroh kichern, hält uns das nicht auf. Wir ziehen durch, jetzt erst recht: hier und jetzt Wet-T-Shirt, Mähnen schütteln, Regen trinken. Ich erwäge ein neues Partykonzept namens Radregen-Raves, und während ich schon den Lizenzstreit im Kopf durchspiele, legt es mich längs über einen Ast direkt in eine riesige Pfütze. Der Traum ist aus. Ich hab eine Acht im Rad, gehe bedröppelt von hier an zu Fuß. Auf dem Nachhauseweg per pedes zockt mir im Vorbeigehen noch irgendein Schurke mein Handy aus der Tasche, und ein Auto klatscht mir im Vorbeifahren eine volle Ladung Pfützenwasser über die andere, noch trockene Körperhälfte. Bleibt nur die Hoffnung auf Raketen und Co.


#Style

#Style

Bild: Emma Lindström

Für unsere Modestrecke haben wir DenimKleidung auf Reisen geschickt. Zwar nicht in jenen Teil des Universums, in dem eine Planetenoberfläche wie diese denkbar wäre, aber immerhin über die Landesgrenzen hinaus – nach Frankreich, Schweden, Schottland, Spanien und Polen. Und wo wir schon bei Denim sind, beleuchten wir auch gleich die Verbindung von Jeansmode und Rockmusik.

79


80

#Style #Denim auf Reise

Igor Termenón, Edinburgh (Schottland)

»Arthur’s Seat ist eine der beeindruckendsten Attraktionen von Edinburgh – ein erloschener Vulkan inmitten einer Stadt.« Model: Emily Fulton @ Model Team Jeansrock: Replay

A P O R U E S U A T S PO

d Fotografen aus n fünf Fotografinnen un be ha r Wi n. ise Re f au ht : »Fotografiert #Style ge ndt. Die einzige Vorgabe sa ge zu il -Te nim De ein Europa jeweils ein Foto zurück!« ngsort und schickt uns bli Lie rem eu an k üc St das Frederike Wetzels Produktion: Frederike Ebert,


#Denim auf Reisen #Style

81

Julie Lansom, Paris (Frankreich)

»Beaugrenelle ist sehr grafisch und so anders als das Paris, das wir von Post­ karten kennen.« Jeansjacke: Levi’s


82

#Style #Denim auf Reisen


#Style #Denim auf Reisen

Alba Yruela, Barcelona (Spanien)

»Dieser Ort ist gleich neben meiner Heimatstadt. Ich fühle mich frei, wenn ich dort mit meinen Freunden bin.« Jeans: Coutie

83


84

#Style #Denim auf Reisen

Lukasz Wierzbowski, Breslau (Polen)

»Ich fühle mich Breslau sehr verbunden. Ich entdecke immer wieder Orte, an denen ich noch nie zuvor gewesen bin.« Latzkleid: Les Temps Des Cerises


#Life #Denim auf Reisen

Max Pigott, Stockholm (Schweden)

»Seen wie ›Gömmaren‹ waren für mich der Hauptgrund, überhaupt erst nach Schweden zu ziehen.« Seesack: Nudie Jeans

85


86

#Style #Levi’s

Die 505 C von Levi’s

Ramones (Foto: Roberta Bayley)

DAS REVIVAL DER ROCK’N’ROLL JEANS Was haben die Ramones und die Rolling Stones gemeinsam? Musikalisch vielleicht nicht so viel, modisch eint sie die Liebe zur ikonischen Denim der New Yorker Punk ­Szene der 70er Jahre: die Levi’s 505. Das Modell erfährt bald eine Neuauflage.

1967, pünktlich zum »Summer of Love« der Hippiebewegung kam das erste Modell der Levi’s 505 in den Handel – und fand sofort den Weg an die Beine von Pop-Art- und Graffitikünstlern, aber auch von Rock’n’Roll-Legenden wie Blondie-Frontfrau Debbie Harry, die gern mit einer hautengen 505 auf die Bühne ging. Die Ramones griffen sogar selbst zu Nadel und Faden und bearbeiteten ihre Lieblingsjeans nach eigenem Gutdünken. Nachdem schon die ikonische 501 im letzten Jahr ein modisches Makeover verpasst bekam, ist nun ihre Stoff-Schwester dran. Den Unterschied macht der Reißverschluss, nicht die Passform – die nämlich kommt sowohl beim

501- als auch 505-Modell schön eingetragen, abgerockt und zeitlos daher. Deswegen avancierte die Denim in den 1970er-Jahren zum Key-Style der New Yorker Punk-Szene – und schaffte es sogar auf das Cover des RollingStones-Albums »Sticky Fingers«. Dort gut zu erkennen: Statt mit einer verdeckten Knopfleiste kam die 505 schon damals mit Reißverschluss – ein Zipp und der Bauch war flach. Das Prinzip behält auch die 505 C bei – das »C« steht dabei für »Customised«: Der Schnitt wurde modernisiert und mit Vintage-Waschungen versehen. So hat das Levi’s Designteam den perfekten Straight/Slim Fit geschaffen, der sich zu Heels, Boots oder Sneakers kombinieren lässt. Die 505 C macht zwar jeden Look mit, mehr als ein schlichtes Shirt braucht es aber gar nicht: Casual ist das neue Cool. Agate Buczkowski


#Style #Havaianas

Havaianas Luna

Havaianas Brasilien

Sommerschuhe

FARBE FÜR DIE FÜSSE Macht der Sommer seinem Namen mal wieder nicht alle Ehre? Unser Rezept gegen das miese Grau-in-Grau: frische Farbe für die Füße! Zum Glück knallen die Modelle der aktuellen Sommerkollektion von Havaianas in allen Tönen des Regenbogens: Zitronengelb, Meerestürkis, Himmelblau und Kirschrot. Mit passendem Nagellack auf den Zehen geht beim Blick gen Boden garantiert die Sonne auf.

Havaianas Top

Havaianas Slim

87


88

#Style #Techznik #Festival-Gadgets

Für die frische Brise: Coleman CPX6 Zeltventilator

Völlig nahe liegend und doch sträflich unterschätzt: der Zeltventilator. Ernsthaft – was ist schlimmer, als nach einer langen Festivalnacht völlig dehydriert im durchgeschwitzten Schlafsack aufzuwachen, aus dem Zelt zu krabbeln und den rotierenden Schädel nicht mal mit dem Hauch einer Prise runterkühlen zu können? Der CPX6 Zeltventilator des Outdoor-Dinosauriers Coleman schafft Abhilfe. — Coleman CPX6, ca. € 20, coleman.com

Festival Gadgets

PREPPER UNTER SICH Mal ehrlich: Die Festival-Saison ist nicht immer die makellose, sonnengetränkte ZeitlupenEuphorie, mit der uns ein aufregendes Lebensgefühl verkauft werden soll. Drei Tage Dixie, Gruppendusche und Isomatte bedeuten eben auch Entsagung und Zumutung – quasi Kurzurlaub jenseits der Komfortzone. Dass dabei Dinge wie Espresso-Kocher, Power-Bank und Kühlbox hilfreich sein können, sollte klar sein. Die folgenden drei Gadget-Basics zahlen auch darüber hinaus noch einmal ordentlich auf das Komfort-Konto ein.

Für die totale Erleuchtung: Luci Outdoor

Für den vollen Überblick: der Zelt-Finder

Ja, manchmal ist es so einfach: Licht. Wer schon mal verzweifelt mit der Taschenlampe nach dem letzten Paar saubere Socken im Zelt gesucht hat, dürfte zu dieser Erkenntnis bereits auf die lästige Tour gelangt sein. Die Outdoor-Lösungen von Luci sind das Smarteste, was es da draußen in puncto Camping-Beleuchtung gibt. Aufblasbar, ultra-kompakt, solarbetrieben, wasserdicht, hell, hübsch anzusehen und verdammt günstig. Kurz: Es gibt keinen Grund, diese Dinger nicht auf dem Festival dabeizuhaben.

Während die Verortung des eigenen Lagers beim Aufschlagen des Camps meist noch relativ klar erscheint, wartet spätestens bei der nächtlichen Rückkehr die Überraschung: Der Zeltplatz ist inzwischen um das Dreifache gewachsen, das Blickfeld eingeschränkt und weit und breit keine Orientierungsmarke in Sicht. Mit der schlicht »Zelt-Finder« betitelten Lösung lassen sich solch unfreiwillige Schnitzeljagden spielend leicht unterbinden: Ein Knopfdruck genügt, und das eigene Zelt gibt sich markant illuminiert zu erkennen.

— Luci Outdoor, ca. € 10–25, bit.ly/1YuTMXM

— Zelt-Finder, ca. € 20, mountainwarehouse.com/de


Magazine for Sneakers & Streetwear

N –0 2 i n s t o r e s 0 1 . 0 7 . 2 0 1 6

w w w. p r a i s e m a g .c o m


Wir wissen, was Du diesen Sommer tun wirst. G R AT I S #festivalfanatics www.festivalguide.de SONDERAUSGA BE

E S T .

1 9 9 7

A LL E IN FO S FÜ R D IE O PE N A IR SA IS O N 2016

& gratis kompakt natics fa #festival

FESTI VA L G UIDE

POCK

POCK 16 ET 20

ALLE IN F O S IE FÜR D N S A IS O 6 1 0 2

ET

w w w.f es ti va lg u id e. d

14.04.16

15:10

e l.indd 1

ket_Tite

FG-Poc

Dein Begleiter für die Open Air Saison. Als Magazin und Pocket-Ausgabe und Online unter www.festivalguide.de


#Review

# Review Spalter

Unsere liebsten Platten

Biffy Clyro Ellipsis

01 Metronomy Summer 08

Warner / VÖ 08.07.16

Nach der Hit-Single »Black Chandelier«, einer Simon-Neil-SignatureGitarre und der bereits abgehandelten Doppel-LP ist klar: Biffy Clyro spielen nun in der Oberliga des Pop-Business. Das ist ihnen zweifelsohne zu gönnen – aber tut das auch ihrem neuen Album »Ellipsis« gut? Noch mehr battle unter: www.intro.de/spezial/spalter

02 Roosevelt Roosevelt 03 Biffy Clyro Ellipsis 04 Bat For Lashes The Bride 05 DJ Shadow The Mountain Will Fall 06 Michael Kiwanuka Love & Hate

Das letzte reguläre Album »Opposites« von 2013 katapultierte die Band aus Schottland definitiv in Airplay-Listen und Download-Charts sowie auf den ersten Platz der UK-Album-Charts. Da war der Bruch mit Alternative- und Progressive-Rock schon längst vollzogen, eine Mischung aus Bratgitarren und chartstauglichen Melodien waberte selbstbewusst durch die 20 Songs. Daran halten Simon Neil und seine beiden Kollegen auch auf diesem siebten Album fest, ohne in irgendeiner Form verkrampft zu wirken. Klar, das große Kino verliert die Band nie aus den Augen, aber sympathische Mid-Tempo-Popsongs wie »Small Wishes« lockern den geforderten Stadionrock an der Grenze zur Selbstironie sehr gefällig auf. Überhaupt werden hier die Fans der letzten Stunde genauso bedient wie anspruchsvollere Rock-Connaisseure, die sich nach Möglichkeit etwas mehr Tiefgang und Abwechslung wünschen. Neils prägnante, stets leicht Ich mag einfach nicht mehr schweigen: Es gibt keiheisere Stimme und hymnische ne Rockband, die ihr Talent noch nutzloser an den Refrains tauschen flink die Plätze schnöden Mammon verschleudert als Biffy Clyro. mit abrupten Hooklines, kleinen Natürlich hat Kollege Tigchelaar mit seiner Einschätzung, was den vergemeinschaftenden Spagat der Schotten Klangaufhellern wie Chorgesängen und einer generell zufriedenzwischen verschiedenen Fan-Lagern betrifft, nicht unrecht. Aber stellenden Pop-Produktion, die ich gehöre zu dem einen Lager und will mich schlicht nicht mehr man getrost als gelungen abnicken mit der Halbheit zufriedengeben, die Biffy Clyro mir anbieten. darf. Bei »Opposites« habe ich noch meinen Mund gehalten und der Klaas Tigchelaar Band den endgültigen Durchbruch gegönnt. Aber bei »Ellipsis« geht das einfach nicht mehr, dafür liegt zu viel Kreativität brach: Das Album hat gute balladeske Popsongs (»Re-arrange«, »Medicine«) und schlechte schlichte Rocksongs (»Flammable«, »Howl«), aber die dynamische Ambition mit waghalsigen Arrangements aus Prog- und Post-Rock, die den Ausnahmestatus der Band überhaupt erst begründete, ist auf ihm komplett verschwunden. Gerade die zweite Hälfte des Albums flacht immer mehr in Bon-Jovi-Untiefen ab und lässt letztlich den Daumen sinken. Und selbst die Vorab-Singles »Wolves Of Winter« und »Animal Style« enthalten neben gelungenen Parts immer auch Passagen, die man viel detailversessener, viel krasser und damit besser hätte arrangieren können. Das ist deshalb besonders schade, weil man nie das Gefühl verliert, dass es die Band immer noch viel besser könnte. In der Form von »Ellipsis« sind sie aber nicht mehr als die schlechtere Version der Foo Fighters. Christian Steinbrink

07 The Julie Ruin Hit Reset 08 Weval Weval 09 Nite Jewel Liquid Cool 10 Wild Beasts Boy King

Eure liebsten Platten 01 Radiohead A Moon Shaped Pool 02 Beyoncé Lemonade 03 AnnenMayKantereit Alles nix Konkretes 04 Chakuza Noah 05 Samy Deluxe Berühmte letzte Worte 06 Heisskalt Vom Wissen und Wollen 07 The Kills Ash & Ice 08 Audio88 & Yassin Halleluja 09 Garbage Strange Little Birds 10 Thrice To Be Everywhere Is To Be Nowhere

Schickt eure Top 10 an charts@intro.de. Alle Einsender nehmen an unseren Ver­losungen teil!

91


92

#Review #Platten vor Gericht

Platten vor Gericht Intro-Leserinnen und -Leser: Mittippen und via intro.de Juror werden!

1

Radiohead A Moon Shaped Pool XL / Beggars / Indigo

2

James Blake The Colour In Anything

Roosevelt

Audio88 & Yassin

Arthur Beatrice

New Found Land

Ø 6, 25

Ø 5,45

Ø 5,70

Ø 4,70

6,5

4,5

9

8

7

8

8

2

5

6

5

7

5,5

5

9

5

7,5

6

7

4

7

5

3

9

2

4

7

2

5

7

3

8

7

0

5

6

5

1

Fleetwood Mac Rumours

Company Flow Funcrusher Plus

Radiohead In Rainbows

Joni Mitchell Blue

Paul McCartney McCartney II

Westberlin Maskulin Hoes, Flows, Moneytoes

D'Angelo Voodoo

DAF Gold und Liebe

LCD Soundsystem Sound Of Silver

Madvillain Madvillainy

Bon Iver Bon Iver

Beach House Bloom

Liefern zwar s o u v e rä n i h re n Trademark-Sound ab, wirkt mir aber oft zu verkifft und ohne klare Linie.

Fühlt sich teils zu dekonstruiert an, trotzdem gewohnt stark.

A: Zu viel Gedudel. (5) Y: Ich mag Alben nicht, bei denen man erst nach drei Stunden merkt, dass sie auf Repeat laufen. (4)

A: Gesang zu weinerlich. (7) Y: Ich mag Alben, bei denen man erst nach drei Stunden merkt, dass sie auf Repeat laufen. (9)

Amazing return to form. Crawls under the skin and lives with you.

Some amazing moments, but perhaps less so than previous records. Bon Iver collab is the highlight.

Apart from that snoring bow at the end of »Daydreaming« is making me search for my earplugs, this is a very beautiful album.

Give me an instrumental version of this album and I might consider.

Polydor / Universal

3

Flume Skin Transgressive / Coop / PIAS / Rough Trade

4

Beyoncé Lemonade Columbia / Sony

5

Drake Views Republic / Universal

5

Minor Victories Minor Victories PIAS / Rough Trade

7

Die Heiterkeit Pop & Tod I + II

Mir fehlt die Naivität des ersten Albums, kommt sehr prätentiös und überladen daher.

Traut sich deutlich mehr als sonst, wirkt auf Albumlänge aber sehr zusammengewürfelt.

Verliert sich hier manchmal in sehr trivialen Themen, sein Flow bleibt aber einzigartig.

Stellenweise ganz schön bedeutungsschwanger, Rachel Goswells Stimme kann ich dann aber doch nicht widerstehen.

Eine der elegantesten deutschen Platten, die ich in letzter Zeit gehört habe.

Buback / Indigo

8

Bat For Lashes The Bride Parlophone / Warner

9

Boys Noize Mayday Boysnoize / Rough Trade

10

The Kills Ash & Ice

Ich stehe eigentlich auf diese »Twin Peaks«-Stimmung, die Arrangements sind aber ganz schön fad.

Knarzt noch so konsequent wie vor zehn Jahren. Angenehm, dass er bei seinem Sound bleibt.

Starke Riffs, die elektronischeren Ansätze stehen ihnen aber nur bedingt.

Domino / GoodToGo

All Time Faves

A: Anspruchsvolles Producing, aber durch die sehr vielen Gäste unterschiedlicher Genres eher eine durchwachsene Compilation. Y: Jop.

A: Gut gemachte PopMusik. Y: Aber irgendwie der schwache Abklatsch vom neuen, wirklich guten Rihanna-Album.

A: Da fehlt mir der Zugang. Ist aber bestimmt toll usw. (5) Y: Wie immer ordentlich Ausschussware dabei, aber auch richtig gute Songs. (7) A: Das gefällt mir. (7) Y: Klingt ganz schön nach Schülerband-Proberaum, wenn man sich den exorbitanten Reverb auf allem mal wegdenkt. Nee. (3) A: Bin verunsichert, ob das Kunst ist, weil die belanglosen Texte so bedeutungsschwanger vorgetragen werden. Y: Nein, ist es nicht.

A: Würde ich mir als Instrumentalversion anhören. Der Gesang klingt wie ein Mix aus Beth Gibbons und Enya. Und Enya ist schlimm.

A: Auf Drogen bestimmt geil, aber beim Frühstück unerträglich. (5) Y: Finde es geil, dass er die 1990erMayday-Ära noch mal gut gemacht verwertet. (9) A: Schon gut, aber würde ich mir privat nicht anhören. Y: Das erste Mal was von denen angehört. Besser, als ich dachte, aber auch nicht meins.

Some bangers, pretty abrasive in parts, cameos save it.

Queen. Better with every listen. Video is amazing. On repeat.

Some killer, some filler. »One Dance« and »Too Good« are groovy as hell.

Shimmering rock, nothing new, not for us.

Folk hymnals versus Cocteau Twins. Some nice moments but long and repetitive.

Always been a fan of Natasha‘s voice. Sounds more ethereal and dreamlike than previous records.

Bad in 2010, worse now.

Like it more than expected. Filthy as usual, kinda groovy in places.

Listened a lot to his debut album. »Skin« feels a bit more uneven but I like the features with Kai and Little Dragon and the synth on »Pika«. The last two songs are ace. The rest is too bluesy, and I don‘t like any of the featured artists. Beyoncé is still awesome though.

Some good expensive beats? Yes. Vocals that sounds like cornstarch pudding? Yes. Is that a good thing? No.

8

Sounds like Smashing Pumpkins and Broken Social Scene being commissioned for the new »Batman«Soundtrack. Track #4 is an anthem! Like Edith Piaf fronting Tocotronic. Love the title »Schlechte Vibes im Universum«. Extremely pretentious but they do get away with it.

Too pretentious.

2

Prodigy B-sides? Boring and schizophrenic at the same time - well that‘s a feat in itself.

Sexy blues rock making me aggressive (in a bad way).


#Review #Platten vor Gericht

Chakuza

93

Von Wegen Lisbeth

Oum Shatt

Heisskalt

Robin Jaede

Jonas Poppe

Marius, Mathias, Lucas, Philipp

Leser

Kristof Beuthner

Ø 5,60

Ø 5,00

Ø 6,50

Ø 6,90

Ø 5, 27

Ø 6, 20

Ø

10

4

8

9

8

8

7,50

8

6

7

8

9

9

7,20

10

3

8

9

4

6

6,30

4

9

7

7

7

4

6,25

5

9

5

5

0

8

5,65

4

4

4

5

6

10

5,60

0

5

8

8

6

3

5,27

6

2

5

5

7

6

4,80

5

5

7

6

2

5

4,70

4

3

6

7

3

3

4,30

Eminem The Eminem Show

Arcade Fire Funeral

The Velvet Underground The Velvet … & Nico

Underoath Define The Great Line

The Antlers Hospice

Sigur Rós ()

Prince Diamonds And Pearls

Les Trucs The Musical

Caetano Veloso Caetano Veloso (1968)

Jon Hopkins Immunity

Neutral Milk Hotel In The Aeroplane Over The Sea

Death Cab For Cutie Transatlanticism

Mobb Deep Hell On Earth

Terrorgruppe Blechdose

The Devil‘s Anvil Hard Rock From The Middle East

Tomte Buchstaben über der Stadt

Tomte Hinter all diesen Fenstern

Intro

Alles, was die machen, ist große Kunst und prägt jede andere Indie-Band. Falls ich wiedergeboren werde, möchte ich Thom Yorke sein - nur in schön. Das Album ist wunderbar! Perfekte »allein und traurig«-Musik. Selbst das extreme Rumgeheule kann ich feiern.

Das ist genau die Musik, die ich hören will, wenn ich unterwegs bin. Geile Produktion. Respekt und Asche auf mein Haupt: kannte ihn bisher nicht. Einfach zu viel GlamourBullshit . Außerdem hasse ich von Ghostwritern geschriebene Musik. Bei Rihanna läuft das kaum anders, aber eben besser. Das ist für mich unhörbar. Ich wette, diese LP hören Fixie-Bike-Fahrer beim Sex. Ein genialer Rapper, aber die Instrumentals gehen nicht klar. Joa, irgendwie so lala und austauschbar. Mir fehlt da das Alleinstellungsmerkmal, obwohl das Handwerk an sich ja sehr gut ist.

Habe gerade versucht, mir die Ohren abzureißen. Es gibt nichts, was ich mehr hasse, als besonders kreative Songwriter, die am Ende nur Müll fabrizieren.

Meine Freundin hasst mich, wenn ich so was höre. Schon ein bisschen »Rittermusik«. Mich erinnert das an HIM, und ich bin großer HIM-Fan. Im Club funktioniert das sicher. Da ich aber kein Club-Gänger bin, gefällt mir das eher weniger. Ich werde selbst jetzt gerade schon aggressiv. Wenn ich solche Musik hören will, ziehe ich mir die Black Keys rein. Hier und da finde ich die Drums geil, aber im Großen und Ganzen gibt mir das nichts. No Hate.

Radiohead zu feiern ist ja quasi die Eintrittskarte in den Club des guten Musikgeschmacks. Hab‘s oft probiert. Klappt auch diesmal nicht. Ganz okay. War früher irgendwie besser. Oder einfach nur fresher, inzwischen biten ja viele seinen Style. Gemein so was.

»Yeah«, freut sich der Kaufhaus-DJ bei H&M. Endlich wieder hippe Musik für die Badehosenabteilung.

Vater-Komplex verarbeitet, Jay-Z als Lustmolch enttarnt, den Nahostkonflikt gelöst. Stabil. Äußerst stabil.

Kann man viel kacke dran finden: zu groß, zu kitschig. Dann kommt »Hotline Bling«, und man hält lieber schnell die Fresse und verneigt sich. Keine Ahnung. Wahrscheinlich gute Mucke, wenn man sich drauf einlässt. Relativ langweilig.

Ist mir ein Rätsel. Irgendwie schon relativ weird, aber »Schlechte Vibes im Universum« ist einfach ein saugutes Lied. Brauche Bedenkzeit. Der Gesang nervt leider übertrieben.

Teenie-Erinnerungen, gute Berentzen-SaurerApfel-Absturz-Musik. Dann zehn Jahre nichts mehr gehört. Wusste nach der Platte auch wieder warum. Joa. Trudelt irgendwie so vor sich hin. Alles in allem wohl eine relativ belanglose Anhäufung beispielloser Wackness.

Ohne Frage große, unangreifbare, opulente Pop-Musik. Ich bewundere es, möchte es aber auch kaputtmachen.

Der Zeitgeist ist eine Schnecke. Trotzdem sehr gute Produktion. Songwriting ist aber eher schwach.

Manchmal zu sehr ein genialer Kartentrick und dafür zu wenig Soul (gilt übrigens auch ein bisschen für Beyoncé). Aber auf sehr hohem Niveau. Over the top, ambitioniert und lässig gleichzeitig. Gibt eine Richtung vor. Oder setzt eine Grenze. Gut.

Zu schwachbrüstig. Und zu wenig neu. Aber auch nicht schlecht.

Wie eine überdimensionale Leinwand. Erdrückend.

Tolle Band und eine düstere, tiefschürfende Platte.

Schön freie und luftige Produktion, aber manchmal etwas zu klebrig und zu pathetisch.

Diese Musik habe ich schon vermisst. Good ol‘ electronic Punkrock auf Acid. Erinnert in den besten Momenten an Suicide (»Midnight«). Genial und nervig. Sie machen eigentlich nichts falsch. Rock‘n‘RollRiffs, unglaublich gut klingendes Schlagzeug. Aber besonders interessant ist es nicht.

P: Wie immer überraschend, wie immer wahnsinnig gut. Seit »In Rainbows« ihre beste Veröffentlichung, unbedingt mit guten Kopfhörern hören! P: Oft ist es keine gute Idee, sich lange im Studio einzuschließen und jedes Detail mehrmals zu überdenken. Hier war‘s ne gute, grandios!

P: Bin seit langer Zeit schon Fanboy. Und er hat mal wieder gezaubert! Extrem innovativ, sowohl Sound als auch Songwriting: Ja!

Mr: Das unterhält mich gut. Die Feature-Gäste machen viel her. Aber diese aufgebauschte Story um ihre Ehe mit Jay-Z nervt etwas.

Mr: Schön produziert, aber auf für HipHop typischer Überalbumlänge einfach viel zu lang, eintönig und träge für meinen Geschmack.

L: Synthie-Pop mit weiblicher Kopfstimme und Streichern. Was haben die Leute denn nur mit diesen Streichern? Aber wer‘s mag ...

Mt: Klingt nach Kater und einem guten Buch. Ich bin zu begeistert von den Texten, um von der Musik gelangweilt zu sein.

L: Fängt vielversprechend an, ich mag ihre Stimme. Wird mit zunehmender Laufzeit leider eintöniger und endet in ziemlich egalen Streicher-Ergüssen. Mt: Klingt analog, nach Menschenmengen und haufenweise billigen Drogen. Keine neuen Räder und etwas stumpf. Um fünf Uhr im Club sicher witzig! Mt: Klingt nach Schnaps, Zigaretten, Sex und Fluchtwagen - und funktioniert damit irgendwie genau so wie alle anderen Platten der beiden.

Erstaunlich ruhig und intim. Um Welten besser als »The King Of Limbs«, aber auch kein Meisterwerk.

75 Minuten und kein einziger schlechter Song. »I Need A Forest Fire« vereint alles, was an Musik so fantastisch ist.

Klingt wie viele Versatzstücke und irgendwie als Album nicht stimmig. Trotz der namhaften Features ist da kein wirklicher Hit.

Vielleicht mag ich das nur, weil ich gerade »Tschick« gelesen habe. Aber ich mag es.

Seelenloser MainstreamRap. 80 Minuten, deren Höhepunkt eine witzige Posse ist. Und davor 19 Songs Scheiße.

Die Dream-Pop-Songs sind die besten. Ansonsten ist mir das zu unsicher, was es sein will.

Erinnert mich irgendwie an Hildegard Knef. Kann deutschem Pop sicher gut tun, ist aber etwas zu dick aufgetragen.

Was für eine Stimme. Schöne, reduzierte Pathos-Pop-Songs, die ab und zu etwas kitschig werden.

Verkrampftes Geboller, das sich einmal durch die Effektpalette wurstet. Nur das Poliça-Feature taugt.

Die sind echt enorm langweilig geworden. Bei dem Album kriege ich Lust, meine Wäsche zu waschen.

Tolles Zusammenspiel der früheren waidwunden und der neueren verkopft-frickeligen Elemente bei Thom Yorke & Co. Ich bin zurück im Boot. Der Herr ist mir über die Jahre immer mehr ans Herz gewachsen. Macht auch auf dem dritten Album wieder alles richtig. Hochklassig, nachtsamtig.

Die Tracks ohne Vocals kommen smoother als die mit. Gut produzierter hipsteriger Frickel-ElectroPop für Festival-AftershowFeiermenschen. Not my cup of tea. Aber wenn R‘n‘B und Pop, dann halt schon gerne von Beyoncé. Stimme, Attitude, Star-Appeal, Songs: Kannse.

Ach, deswegen machen alle so ein Geschrei um den Typen. Wirklich höchst stilvoll-stylisher US-RapR‘n‘B-Mix. Schmeckt mir.

Majestätisch, bombastisch, düster, intensiv. Dunkle Wolken am Himmel, Rachel Goswells Stimme das Licht. Super Supergroup. Ein großes Fest. Bandname ungleich Musik: Ironie, hab verstanden. Dennoch: So viel lakonischen Tragik-Pop kann ich auf Albumlänge leider nicht ertragen.

Konzeptueller HochzeitsPop? Gleich der erste Song heißt »I Do«? Hätte auch kitschig werden können. In Wirklichkeit schön düster und freaky. Hatte diese Art Musik zwischenzeitlich vergessen. Fühle mich, als wär‘s wieder 2007, the year of Justice. Dicke Beats und Breaks. Is nice. Habe mich mit der Band bis auf »No Wow« nie groß beschäftigt. Das neue Album zwingt mich nicht, damit anzufangen. Irgendwie blutarm, das Ganze.


94

#Review

The Avalanches Wildflower XL / Beggars / Indigo / VÖ 08.07.16

Spektakel der Ausgabe

Metronomy Summer 08 Because / Warner / VÖ 01.07.16

Bei einem Album mit dem unheilvollen Titel »Summer 08« befürchtet man gruselige Sommerhits. Nicht so bei Metronomys tollem fünften Album, das Joseph Mount in Eigenregie geschrieben und aufgenommen hat.

Metronomy werden gerne als Indietronic-Band des digitalen Zeitalters deklariert. Zu Recht, denn die Briten um Mastermind Joseph Mount vereinen elektronische Klänge mit zarten Melodien und roboterhaftem Gesang. Nachdem die letzten beiden Alben »The English Riviera« und »Love Letters« schon gut waren, ist »Summer 08«, das eigentlich ein Mount-Soloalbum ist und auf dem sich alles um sein Lieblingsthema Liebeskummer dreht, nun noch besser gelungen. Schon im grandiosen ersten Song »Back Together« über verwirrendes Liebeschaos löst sich ein sperriger Vers in einem erhebenden Refrain auf: »And even when I’m low on time I swear I’ll spend it with you boy.« Und wann gab es zuletzt eine bessere Verneigung vor den französischen Acts Kavinsky und Phoenix als das sphärisch-melancholische »Night Owl«? Oder das fantastisch unterkühlte »Love’s Not An Obstacle« mit seinen tieftraurigen Zeilen »But everything’s so complicated. I don’t understand, translate it. Thought you’d be the one to save me«. Ein Album, das man trotz oder gerade wegen seiner melancholischen Thematik auch in den Sommern der nächsten Jahre noch gern hören wird.

Die Könige des popkulturellen Zitats sind nach 15 Jahren Schaffenspause zurück und begeistern mit einem der bis dato besten Alben des Jahres. The Avalanches waren die Band der Jahrtausendwende: Angetrieben von der betörenden Single »Since I Left You«, die Melancholie in schiere Freude umzudeuten vermochte, schuf die Band etwas völlig Neues. Soul-Samples mit den Errungenschaften des French-House zu vermengen war damals eine musikalische Fusion von revolutionärem Ausmaß. Dann verschwand die Band in der Versenkung, um nun nach knapp 15 Jahren zurückzukehren. Und was soll man sagen: Das hier ist möglicherweise eine der besten Platten des Jahres, ganz gewiss aber eine der unterhaltsamsten. Mehr ist wieder mal mehr: Big Beat, Pop-Zitate, Field-Recordings, Oldschool-HipHop, flirrende Psychedelik, Disco – all das fusionieren die Australier immer noch so grandios und lässig wie damals. Genauso geschmackssicher, wie sich die zahlreichen Samples anhören, liest sich übrigens die Gästeliste: Künstler wie Father John Misty, Warren Ellis, Dan Berman, Toro Y Moi und Danny Brown wirkten mit und fügen sich perfekt in das ebenso sprunghafte wie geniale Klangbild ein. Mit anderen Worten: Man kommt aus dem Staunen schwer heraus. Allein in den ersten Songs werfen sie brillant mit musikhistorischen Zitaten und Ideen um sich und verdichten sie schließlich zu eigenwilligem Pop. Größere (Retro-)Pop-Hits als »Because I’m Me« und »Frankie Sinatra« wird 2016 wohl niemand mehr veröffentlichen. Nachdem die Australier in der ersten Albumhälfte in beeindruckender Manier durch Hits und soulige HipHop- und Disco-Zitate hechten, wird die Platte im weiteren Verlauf eigenwilliger, psychedelischer und immer schöner. Letztlich eine LP, die ganz viel will und damit alles erreicht. Die alte Liebe zu The Avalanches ist mit dieser Platte nicht nur wieder neu entflammt, sondern nachhaltig gefestigt. Kai Wichelmann

wunderbaren kleinen Folksongs. Wiedererkennbar, fröhlich und traurig und immer mit einem hübschen Mehrwert versehen, der sie souverän auf sicherer Distanz zum glitschigen US-Country-Folk-Mainstream hält. Klaas Tigchelaar

Badbadnotgood IV Innovative Leisure / Rough Trade / VÖ 08.07.16

Nix mit Silbersee beim bestuhlten Jazzkonzert: Badbadnotgood treten mit »IV« an ihre Idole heran und ihnen auch gerne mal auf die Füße. Jazz mit Balls und Liebe zum Rap. Badbadnotgood sind die Dons des JazzFunk. Ihre Improvisationen sind heiß, ihre Jazzcat-Attitüde ist standesgemäß unterkühlt. Das Quartett aus Kanada hat sich in den vergangenen Jahren den Rücken krumm gespielt. Angefangen hat alles damit, dass die Jazz-Band auf ihrem 2011 veröffentlichten Debütalbum Songs von Künstlern wie Joy Division, Nas, Flying Lotus oder J Dilla durch den Jazz-Wolf drehte und damit nicht nur Blogger-Nerds vollumfänglich überzeugte. Sowieso keimt in der Indie- und HipHopSzene immer wieder Jazz auf: Es sind zwar nur zarte Pflänzchen am Wegesrand, aber sie haben Dornen und keine Lust, wieder zu verblühen. Miles Davis hat’s gecheckt, Flying Lotus hat’s gecheckt und Badbadnotgood auch. Alles kann, es muss nur klingen. Dabei ist es ganz egal, in welches Gewand die Band schlüpft: Ob sie mit Samuel Herring, dem Cheftänzer der Future Islands, zu souligen Chords schmust oder mit Saxofonist Colin Stetson um den letzten Atem jammt. Klar, düster-futuristischer Rap darf hier auch nicht fehlen, wie das angriffslustige »Love« beweist. Tortoise, Arthur Russell und John Coltrane könnte man sich da wohlwollend kopfnickend im Publikum vorstellen. Badbadnotgood treten dem bestuhlten Saal mit Absicht in den Arsch. Konstantin Maier

Annette Walter

Audio88 & Yassin Halleluja Normale Musik / Groove Attack

Audio88 & Yassin haben zu den Themen ihres Vorgängeralbums noch etwas zu sagen und schieben acht Songs mit Wut auf alles und jeden hinterher. »Normaler Samt« war für Audio88 & Yassin der Schritt heraus aus dem RapUntergrund: besser produziert, nicht mehr betrunken gerappt und dann auch noch mit Charts-Einstieg. Nur etwas mehr als ein Jahr später folgt nun Nachschub: mit acht Tracks etwas zu lang für eine EP, etwas zu kurz für ein Album. Deshalb eröffnet »Halleluja« auch noch kein neues Kapitel, sondern eher ein »Was noch zu sagen wäre« zu den Themen des Vorgängers. Ein roter Faden sind deshalb auch höchstens der Hass und die schlechte

Laune, mit denen das Duo alles verhandelt. Aktuell macht es halt bei kaum jemandem so viel Spaß, beim Hassen zuzuhören, wie bei diesen Berlinern. Thematisch springen sie wild hin und her: hier ein Statement zu dem Religionsthema von Titel und Artwork, da ein Disstrack auf aktuelle HipHop-Auswüchse. Für den Abschluss des Albums haben sich die beiden einen besonders großen Brocken Wut aufgehoben: »Weshalb ich Menschen nicht mag« und »Schellen« kommen genau pünktlich zur alle zwei Jahre stattfindenden Vollbeflaggung des Landes. Hier wird in einem kräftigen Rundumschlag mit Partypatriotismus, dem politischen Rechtsruck und aufrechtdeutschen »Ich bin ja kein Nazi, aber«-Sagern abgerechnet. Faust ballen und mithassen. Dominik Bruns

The Avett Brothers True Sadness Republic / Universal

Beständigkeit zeigen die Gebrüder Avett nur bei ihrem Produzenten Rick Rubin, der nun zum vierten Mal mit dabei ist. Musikalisch definieren sie die Grenzen von Folk, Folkrock und Gospel auf äußerst inspirierende Weise. Nach den in schneller Folge veröffentlichten Alben »The Carpenter« und »Magpie And The Dandelion« nahmen sich Scott und Seth Avett samt Band ein wenig mehr Zeit für den Nachfolger. Das hat ihnen in mehrerlei Hinsicht gutgetan: Das musikalische Spannungsfeld ist nun deutlich weiter gesteckt, man ließ sich von Queen, Aretha Franklin, Walt Disney, Tom Petty und sogar Nine Inch Nails inspirieren, wie Seth Avett in einem offenen Brief auf der Bandseite bekannt gab. Das muss man natürlich im übertragenen Sinne verstehen: Die zum Septett angewachsene Bruder- und Schwesternschaft hantiert zwar hin und wieder mit verzerrten Synthies und harten Digi-Beats (»Satan Pulls The Strings«) oder holt orchestralen Schmalz aus dem Füllhorn der Inspiration (»May It Last«), Kern der Band-Faszination bleiben jedoch vor allem die

Band Of Horses Why Are You OK Caroline / Universal

Best ändigkeit ist auch mal was Feines. Band Of Horses geben ihren Fans, was sie von ihnen erwarten: ein Band-Of-Horses-Album. Seit zehn Jahren ist die Band Of Horses nun bereits aktiv. Was all ihre Platten auszeichnet: Sie bekommen einen nicht immer gleich auf Anhieb, rauschen sogar mal unbemerkt vorbei, nur um einen schließlich im tief in der Brust beherbergten Organ zu packen. Dort bleiben die Songs dann, sicher ein Leben lang, krallen sich fest und passen mal schlechter, mal besser zur temporären emotionalen Verfassung des Hörenden. »Why Are You OK« wird auch eine solche Wirkung haben, das lässt sich gleich feststellen. Allein der Titel! Darauf gekommen ist des Sängers Ben Bridwell kleine Tochter rein zufällig beim Tippen auf dem Handy ihrer Mutter: Autokorrektur regelt. Der familiäre Background schlägt sich nicht nur im Projektnamen nieder. Ist der Eingangssong »Dull Times The Moon«



ein sieben Minuten währendes treibendes Epos und klingt das herausragende »Country Teen« wie eine melancholische Interpretation der Beach Boys, so ist der Rest das, was man getrost als »bodenständig« bezeichnen kann. Weniger ausladend als zuvor, unaufgeregt. Auch komponiert und aufgenommen wurde in heimeliger Atmosphäre: in einem alten Haus in North Carolina, in Kalifornien und Woodstock. »Why Are You OK« klingt schlichtweg so, als wären Band Of Horses nun Profis im Band-Of-Horses-Sein. Vielleicht kommt in der Zukunft mal etwas Überraschendes, das ist bei dem Niveau aber auch nicht nötig. Paula Irmschler

Bat For Lashes The Bride

Befinden wir uns momentan eigentlich in der Talsohle des Folk-Hypes? Letztes Jahr haben Mumford & Sons das Banjo ausgesperrt, The Low Anthem klingen gerade, als wollten sie direkt das ganze Genre niederbrennen. Und auch Bear’s Den lassen auf ihrem zweiten Album den Folk hinter sich. Das Cover-Artwork erinnert mit leichtem Neon-Einschlag an den Film »Drive« und gibt so die neue Stoßrichtung vor. Der Soundtrack zum nachts Autofahren soll es sein, als deutlichste Inspirationsquelle sticht Bruce Springsteen aus dem neuen Bandsound hervor. Das klappt im Titeltrack auch ziemlich gut, der klingt vielversprechend und packend. Danach wird die nächtliche Autofahrt aber immer mehr zum Schlingerkurs. Alles ist auf flächigen Sound und Breitwand-Feeling getrimmt, die Songs sprengen fast alle die Fünf-Minuten-Grenze oder kratzen daran – nur auf den Punkt kommen sie zu selten. Für ein Autofahr-Album fehlt da oft einfach der nötige – und ich bitte jetzt schon um Entschuldigung für dieses Wortspiel – Drive. Dominik Bruns

Parlophone / Warner / VÖ 01.07.16

LINGEN 10.9.2016 EMSLANDARENA

TICKETS BEI ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN, UNTER DER TICKET-HOTLINE 0591/ 912950, SOWIE AUF WWW.EMSLANDARENA.COM

16.07.16 SASCHA GRAMMEL 10.09.16 THE BOSSHOSS 11.10.16 WICKIE – DAS MUSICAL 13.10.16 LUKE MOCKRIDGE 14.10.16 OTTO 17.11.16 BAP

Bat For Lashes hat genug vom lauen Waldund-Wiesen-Heartbreak und inszeniert den Super-GAU unter den Schicksalsschlägen: Exitus auf dem Weg zum Traualtar! Doch jedes Ende birgt bekanntlich auch einen Anfang. »The Bride« ist das, was gern als Gesamtkunstwerk bezeichnet wird. Natasha Khan, besser bekannt als Bat For Lashes, schlüpft in die Rolle einer Braut, deren Bräutigam die Fahrt zur Kirche nicht überlebt. So weit, so tragisch. Dazu werden Visuals, Kostüm und Begleitroman gereicht, und es gibt neue Musik in Form eines Albums. In diesem Soundtrack ohne Film fährt Khan ein breites Sortiment an klanglichen Geschützen auf und sämtliche Schauplätze einer menschlichen Leidensgeschichte ab. Den seelischen Kahlschlag zu fingieren, den eine solche Tragödie mit sich bringt, ist ein kühnes Unterfangen. Doch welchen Wert hätte die Kunst, wenn nicht auch das Unvorstellbare heraufbeschworen und durchlebt werden dürfte? Zumal sich die Geschichte am Ende wie von Zauberhand reingewaschen präsentiert: »I Will Love Again« lautet der Entschluss. Und einen schlappen Track später kuschelt sich die geläuterte Witwe in ein fremdes Bett. Katharsis deluxe! Ihre Empfänglichkeit für Kitsch, die an den Scheitelpunkten der Geschichte aufblitzt, kann man der schreibstarken Britin guten Gewissens durchgehen lassen. Wem der erzählerische Überbau trotzdem zu viel Ballast ist, der streift ihn einfach ab und erhält eine facettenreiche Sammlung minutiös arrangierter Popsongs, die auch für sich genommen zu verzaubern wissen. Die ersten Liveshows zum Album bestreitet Bat For Lashes übrigens in Kirchen. Konzertbesuchern legt sie nahe, in Hochzeitsgarderobe zu erscheinen. Wir wünschen schon mal gute Fahrt. Valentin Erning

18.11.16 REVOLVERHELD 19.11.16 JETHRO TULL 10.12.16 BILLY TALENT unter Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen, -144 9144 0591 oder 50 9129 0591 ne der Tickethotli und auf www.emslandarena.com WEITERE VERANSTALTUNGEN UNTER:

WWW.EMSLANDARENA.COM

Beyond The Wizard’s Sleeve The Soft Bounce Phantasy / Coop / PIAS / Rough Trade / VÖ 01.07.16

Der Electro-DJ Erol Alkan hat aus seiner Liebe zur Gitarrenmusik noch nie einen Hehl gemacht und veröffentlicht nun zusammen mit Richard Norris das erste reguläre Album seines langjährigen Psych-Disco-DJ-Projekts. Neun Jahre nach ihrem ersten Aufeinandertreffen bei einer Radio-Show veröffentlichen die beiden notorischen Musik-Sammler Alkan und Norris eine Art Bandalbum auf Alkans Label Phantasy. Beyond The Wizard’s Sleeve war zunächst eine DJ-Spielwiese für die beiden, die auf ihren ersten Releases rare Psychedelic-Tunes und Indie-ElectroSongs neu editierten und remixten. Nach den Sample-Arbeiten erscheint nun das erste Werk mit Eigenkompositionen. Mit Unterstützung von Gästen wie Euros Childs, Jane Weaver, Hannah Peel, Holly Miranda oder Blaine Harrison von den Mistery Jets legen die DJs ein vielseitiges Debüt vor, das offensichtlich auf all den Instrumenten entstand, die für das Albumcover einem Fetisch gleich aufgestellt wurden: Sampler, E-Gitarre, Schlagzeug, Bass und Synthesizer spielen gemeinsam im Akkord und fordern vom Hörer viel Aufmerksamkeit. Der krautige Opener »Delicious Light« knallt ungebremst in den krachenden RaveRock-Song »Iron Age«; es folgt ein kurzer Trip in die Klangwelten der 1960er-Psychedelik, der im schwelgerischen Shoegaze-SynthiePop der ersten Single »Diagram Girl« sein Ende findet. TripHop, Drone und Big Beat müssen auch noch mit, natürlich alles mit feinen Übergängen versehen. »The Soft Bounce« ist ein Album wie ein Mixtape. Die Zusammenstellung ist nicht immer schlüssig, aber unterhaltsam und überraschend. Timo Weber

Bear’s Den Red Earth & Pouring Rain Communion / Caroline / Universal / VÖ 22.07.16

Bear’s Den verabschieden sich vom Folk. Stattdessen lassen sie sich diesmal von Bruce Springsteen zu einem AutofahrSoundtrack inspirieren. Nur so richtig ankommen will diese Autofahrt nicht.

Blossoms Blossoms EMI / Universal / VÖ 05.08.16


IMMER NOCH INDIE? MIT CHRISTIAN STEINBRINK

Wieso nicht mal das ganz große Geschirr auffahren? Indie soll doch auch mit Geigen und Trompeten funktionieren! Das Alternativprogramm gibt es hier aber ebenfalls.

Auch nach mehreren Hördurchgängen bin ich mir nicht sicher, ob ich »Blood Moon« (Heavenly), das dritte Album des kosmopoliten Komponisten M. Craft, nun kitschig, überladen, intensiv sinnlich oder genialisch finden soll. Dass diese elegische Platte wie behauptet eigentlich ein reines Piano-Album werden sollte, ist jedenfalls recht unwahrscheinlich. Denn ihre Orchester- und Ethno-Sounds sind integral in den Songs verankert. Die LP erinnert in ihren Songstrukturen öfter an Sufjan Stevens oder Mark Hollis, aber hin und wieder auch an Enya. Im Zweifel ist aber auch das zu verschmerzen. Also tendenziell Daumen nach oben. Der Südafrikaner Gregory Alan Isakov macht aus seiner Großmannssucht hingegen kein Geheimnis: Schon der Albumtitel »Gregory Alan Isakov With The Colorado Symphony« (Suitcase Town) deutet seine Vorliebe für die breit angelegten Arrangements seiner Folk-Songs an. Tatsächlich klingt das aber so gut wie nie überladen, sondern in seiner sinnlichen Simplizität zumeist auf eine gute, klare und starke Art sehnsüchtig. Isakovs Songs sind so aufgeräumt aufgebaut, dass sie sich für eine orchestrale Instrumentierung mit Geigenwänden geradezu perfekt eignen. Nur ein Banjo rumpelt verloren durch die Wonne. Für Momente, in denen man sich pathetisch, aber eben auch geschmackvoll anfassen lassen möchte.

Ähnliches hätte man auch von »The Family« (Real World), Joseph Arthurs neuer LP auf Peter Gabriels Weltmusik-Label, erwarten können. Stattdessen klingt das Album des Singer/ Songwriters bei aller sinnlichen Traditionsbeflissenheit fragil und beinahe hybrid und weiß sogar mit Maschinen-Rhythmen zu punkten. Wer noch dem Vorurteil nachhängt, Arthur würde nur klassische Formate des Folk-Stils reproduzieren – dieses Album stellt eine gute Möglichkeit dar, es zu widerlegen. Noch verhuschter interpretiert in dieser Ausgabe nur Reuben Hollebon auf »Terminal Nostalgia« (Bright Antenna) den Folk. Was auf der einen Seite zaghaft wirkt, erinnert auf der anderen an elegische, psychedelisch fein verknüpfte Jams. Auch wegen Hollebons zarter Stimme wirkt auf dem Album wenig aufsehenerregend, gleichzeitig entwickelt es aber auch einen unwiderstehlichen Sog mit einer reißenden Dynamik. Auf jeden Fall ein Tipp für alle, die gern alten Folk mit zeitgenössischen Hybriden verknüpft sehen. Ähnlich stilübergreifend, aber deutlich gelassener und auch schillernder klingt »The Exodus Suite« (Bronzerat) von Gemma Ray. Im Vergleich zu ihren vorangegangenen Alben hat sich die Britin eine Portion samtenen BroadcastGlamour angeeignet, und der steht ihren Songs sehr gut. Teilweise sucht Ray auf ihrer siebten LP sogar den stilistischen Schulterschluss mit dem von Gott geküssten Talent PJ Harvey – das

ist dann aber doch eine Schublade zu hoch gegriffen. Hörenswert bleibt ihr Album trotzdem. Mit »Waiting For The World To Turn« (Tambourhinoceros) landet man textlich und musikalisch dann endlich wieder in angestammten Gefilden. Die Dänen Palace Winter verbinden darauf Postpunk und psychedelischen IndiePop zu einer anregenden, zeitlosen Melange, die Sehnsucht und Kratzigkeit nicht als Widerspruch betrachtet. Teilweise sind die Songs sogar richtiggehend hittig, aber darum geht es der Band nicht. Sondern um eine substanzielle, tief gehende Atmosphäre ohne allzu offensichtliche Steigbügel. Wir werden lieblicher: The Explorers Club machen gar keinen Hehl daraus, dass sie sich die harmonische Stimmung ihres dritten Albums »Together« (Goldstar) zu großen Teilen bei den Beach Boys abgeschaut haben. Das Quintett aus dem Süden der USA versucht sich sogar an den starken emotionalen Kontrasten, die Brian Wilsons Helden so unwiderstehlich machten. Das mag zwar nicht immer gelingen, trotzdem ist das Album dank seines gekonnten Songwritings ein schönes Update in Sachen Surf-Pop. Von harmonieseligem Indie-Pop können Aloha ein Lied singen – kein Wunder, schließlich sind sie auf dem wunderbaren Experten-Label Polyvinyl beheimatet. Ihr siebtes Album »Little Windows Cut Right Through« (Polyvinyl) zeigt sie zwar etwas ruhiger als zuvor, aber wieder mal in der sehr guten Form, in der man die Band einst lieben lernte. Auch wenn ihre Charakteristika weder neu noch besonders einzigartig sein mögen, stellt diese Band doch eine Klasse für sich dar. Als europäisches Pendant zu Polyvinyl gilt seit vielen Jahren das schwedische Label Labrador. Nach einer kurzen Durststrecke erscheint dort mit dem nach der an Krebs erkrankten Sängerin Kristina Borg benannten Comeback-Album »Kristina« (Labrador) von Red Sleeping Beauty wieder ein Kleinod. Das ist melodieschwangerer Synthie-Pop, dessen einzige Großtat sehnsüchtige Songs von einer Klasse sind, der kein guter Mensch widerstehen kann. Wer nach subtiler Komplexität giert, ist hier natürlich falsch. Wer Liebe sucht, wird hingegen fündig.

23.10.

MüNCHEN 24.10.

bErliN 04.11.

HaMburg 08.11.

FraNkFurt 11.11.

kölN

Nach all diesen harmonischen Wohltaten soll das Ende krachen: Wie es klingt, wenn eine Band die Kontrolle über ihren Mathrock verliert, erfährt man auf »The Screw« (Function) von den Franzosen Papier Tigre. Die furiose Dynamik von Bands wie Primus oder Shellac wird hier mit einem unterkühlten Gitarren-Sound und sich überschlagenden Gesängen übertrieben, dass man mit seinem Enthusiasmus kaum mehr an sich halten kann. Wirklich virtuos klingt das Album zwar nicht, dafür hält es viel auf seine unkonventionelle Power.

TickeTs erhälTlich auf NeulaNd-coNcerTs.com /NeulaNdcoNcerTs – /NeulaNdcoNcerTs


98

#Review Poppig, tanzbar, psychedelisch: Die Blossoms liefern mit ihrem selbstbetitelten Debüt eine Zeitkapsel aktueller Trends. Eine blühende Soundwiese. Die Geschichte der Band aus Stockport in England dauert schon ein bisschen länger an: Sänger Tom Ogden und Schlagzeuger Joe Donovan sind alte Jugendfreunde, kennen sich, seitdem sie zwölf sind. Inzwischen zählen die Blossoms fünf Mitglieder, und es obliegt ihnen, den Titel der britischen Gitarren-Band der Stunde zu tragen. So packte die BBC sie auf ihre »Sound of 2016«-Liste und erklärte sie somit zu einem der wichtigsten Newcomer-Acts des Jahres. Ihr Debütalbum wird diesem Status gerecht: Sie nehmen Trends und vereinen sie zu einer Bestandsaufnahme der aktuellen Indie-Szene: Der Einfluss von Alex Turner und dessen Arctic Monkeys – speziell von »AM« – ist allgegenwärtig, Tame Impala sind angesichts der psychedelischen 1960er-Bezüge wie etwa bei »At Most A Kiss« ebenso Brüder im Geiste. Hinzu kommen noch Synthie-Melodien wie von all den Bands, die auf Vokale in ihren Namen verzichten. Dieser Sound-Pastiche funktioniert, weil er mit dem notwendigen Selbstbewusstsein zusammengebastelt wurde. Dass Blossoms mit ihrer LP nicht unbedingt Trends setzen, darf man schon mal verzeihen, wenn die Melodien derartig gut funktionieren. Christian Fernandes Ferreira

Auf seinem dritten Album hat sich Jake Bugg ganz auf sich besonnen. Das führt zu einer deutlich größeren Stilvielfalt als bisher. Ob die Initialzündung für Jake Buggs Entschluss, seine dritte Platte anders anzugehen, von Noel Gallagher geliefert wurde? Dieser ächtete den Burschen in einem Interview mit den Worten, dass er einen Künstler, der auf Ko-Songwriter zurückgreife, nicht ernst nehmen könne. Doch es ist wohl eher der finalen Emanzipation Jake Buggs zuzuschreiben, dass er sein neues Album erstmals quasi im Alleingang geschrieben und produziert hat. Nur Jacknife Lee half bei drei Songs aus. Im Ergebnis ist »On My One« viel abwechslungsreicher als seine Vorgänger. Zwar ist der 1960er-Britrock des jungen Mannes aus Nottingham nach wie vor allgegenwärtig, doch es gibt diesmal auch Soul (»Love, Hope & Misery«) und sogar Rap-Einlagen (»Gimme Some Love«) zu hören. Dass Bugg während seiner künstlerischen Adoleszenz immer ein entspanntes Understatement wahrt, ist Stärke und Schwäche zugleich. Trotz der Stilvielfalt wirkt die Platte sehr homogen, vor allem im letzten Drittel überzeugt er mit versiertem Fingerpicking und hübschen kleinen Melodien. Doch der große Hit à la »Two Fingers« fehlt diesmal gänzlich. Trotzdem: Freunde der alten Gitarrenschule werden ihm weiter gerne die Treue halten. Kai Wichelmann

Ben Lukas Boysen Spells

Chakuza Noah

Erased Tapes / Indigo

Die renommierten Songwriterinnen Neko Case, k.d. lang und Laura Veirs veröffentlichen ihr erstes gemeinsames Album. Schon vor einigen Jahren haben Neko Case, k.d. lang und Laura Veirs darüber nachgedacht, gemeinsam Musik zu machen. Nun wurde die Idee endlich in die Tat umgesetzt, und das Ergebnis kann sich hören lassen. Die Stücke werden von einem halbakustischen Folk-Sound bestimmt, der keinen unnötigen Druck aufbaut. Vertrackte Rhythmus-Motive und spannungsgeladene Streicherarrangements, die an Robert Kirbys Arbeiten mit Nick Drake erinnern, ersetzen allzu seichte Harmonie durch subtile Reibung. Textlich geht es viel um die Relation zwischen Mikround Makrokosmos. »I Want To Be Here« ist ein Plädoyer für künstlerische Selbstbestimmung in Abgrenzung zur Verwertungslogik des Marktes (»the hungry fools who rule the world can’t catch us«). Die trotzig kämpferische Qualität der Texte bildet sich dabei nicht unmittelbar in der Musik ab, die ganz bewusst dem Singer/Songwriter-Modus verbunden bleibt. Tatsächlich reflektieren die drei Sängerinnen ihre musikalische Praxis, indem sie explizit ihre Vorbilder benennen. So zollt »Song For Judee« der tragischen Biografie von Songwriterinnen-Legende Judee Sill Tribut, indem der Text in Biopic-Manier dramatisch codierte Momente aus Sills Leben durchspielt. Außerdem thematisiert das Album den Zusammenhang zwischen Befindlichkeit und Jahreszeiten: »Greens Of June« feiert die Ankunft des Sommers als spannungslösendes Moment, das neuen Lebensmut schafft. Dazu passt die Spielfreude, die alle Songs kennzeichnet. Der Fokus liegt aber auf kenntnisreich komponierter Musik, die an keiner Stelle steif wirkt, sondern substanzielle Leichtigkeit transportiert. Mario Lasar

Four / Sony

Mit seiner Mischung aus Klassik und Ambient feiert der Komponist Ben Lukas Boysen einen beachtlichen Einstand auf dem Erased-Tapes-Label. »Spells« gibt sich zunächst als eine unscheinbare Ambient-Veröffentlichung aus und knüpft selbst von der Tracklist her an Boysens Erstwerk »Gravity« an. Es knistert und rauscht im Hintergrund der minimalistischen Klänge, ohne dass dies auf eine schlechte Soundqualität zurückgeführt werden könnte. Das muss so sein, hat Nils Frahm, der wieder an der Produktion beteiligt war, wohl gesagt. Die Basis bilden programmierte Pianosequenzen, die durch Live-Instrumente wie das Cello begleitet werden. Dabei entstehen in all der Zwietracht und Eintracht aus Programmierung und Improvisation kleine Spannungsbögen, die sich in dem Zwillingspaar »Golden Times« und »Nocturne« entladen. Langsam schleichen sich hier Electro-Klänge oder das Live-Schlagzeug in das kuschelige AmbientKammerspiel. Im Flügelschlag der Beats und wabernder Klangflächen setzt Boysen dann zu einem Überholmanöver an, um sich zum Ende wieder so unauffällig einzureihen, als wäre gar nichts geschehen. Wer sich die Zeit für »Spells« nimmt, wird es jedoch besser wissen. Sebastian Jegorow

Chakuza ist aus der Stadt geflüchtet und hat dokumentiert, wie sich ein neues Umfeld auf sein künstlerisches Schaffen auswirkt. Das Ergebnis klingt wie eine Streicheleinheit für die Seele. Gute zwei Jahre hat sich Chakuza für »Noah«, sein sechstes Soloalbum, Zeit gelassen. Ähnlich wie der Vorgänger »Exit« klingt es weniger pessimistisch, sondern zeigt den Rapper von einer introvertierten, entspannten Seite. Das scheint kaum verwunderlich, da der Ex-Wahlberliner nach seiner letzten Tour von der Stadt aufs bayrische Land zog und dort mit der Arbeit an seinen neuen Texten begann. Auch wenn er sich darin weiter mit persönlichen Problemen und Gesellschaftskritik auseinandersetzt, scheint es, als habe der vor zehn Jahren von Bushido entdeckte Künstler heute seinen Frieden gefunden. Selbst wenn er in »Wien« von einem besseren Leben nur träumen kann und in »Dings« über eine gescheiterte Beziehung rappt, verleiht er den Songs doch immer wieder einen positiven Unterton. Dafür sorgen auch die melodischen, an Pop und Rock orientierten und mit starken Live-Drums unterlegten Arrangements. So ist »Noah« zu einem energetischen und gefühlvollen Album geworden, in das man leicht und tief eintauchen kann. Die Botschaft: Trotz aller Probleme ist alles okay so, wie es ist. Dominik Djialeu

Jake Bugg On My One

Case / Lang / Veirs Case / Lang / Veirs

EMI / Universal

Anti- / Indigo

Das Ergebnis ist eine Platte, deren Haltung man zwar schätzt, die aber keinen Zeitpunkt aufzeigt, an dem man sie spielen sollte. Lars Fleischmann

Deerhoof The Magic Altin Village & Mine / Indigo

Auf ihrem neuen Album entfesseln Deerhoof meisterlich die Magie einer verspielten Bandprobe ohne Messer im Kopf und Pistolen auf der Brust. Sie mischen alles zusammen und brauen einen Zaubertrank, der auch die müdesten Hörer auf die Beine bringt. Für ihr alchemistisches Experiment haben sich Deerhoof in ein leeres Büro in der Wüste New Mexicos zurückgezogen und sich an all die Dinge erinnert, die sie als staunende Kinder hörten. Damals wurden spontan Mix-Kassetten gebastelt, auf denen sich Hair Metal, HipHop und Punkrock abwechselten. Alles erschien magisch, es gab keine Regeln und keine Grenzen. Ganz bezaubernd bei dieser Herangehensweise ist der Gesang von Sängerin und Bassistin Satomi Matsuzaki, die dem Werk einen spielerischen und noch schieferen Charakter verleiht. Auf »The Magic« scheint es so, als spielten Deerhoof einfach drauflos, ohne lange an den Ergebnissen zu feilen. Das wirkt rau, lebendig und authentisch. Das Album entwickelt schnell eine Wucht, die den Hörer ob seiner Vielfalt und Spielfreude umhaut. Es wirft aber auch die Frage auf, wie oft diese Kassette abgespielt werden kann, bevor sie endgültig ausleiert. Schließlich fragt man sich beim Anhören alter Mixtapes ständig, was man sich damals eigentlich dabei gedacht hat. Die Gefühle des Moments kann man eben weder auf Band noch auf CD konservieren. Kerstin Kratochwill

Eric Copeland Black Bubblegum DFA / Coop / PIAS / Rough Trade / VÖ 08.07.16

New Weird America, I still love you, aber du musst was an dir tun. Eric Copeland geht seltsame Wege, die nicht immer ans Ziel führen. Ganz selten verspüre ich die Lust, mich selbst zu geißeln. Das Mittelalter hinter mir gelassen, hole ich mir meinen Nervenkitzel in deutschen Fußgängerzonen. Dieser ganz eigene Geruch des Billigen und der blankpolierten Oberflächen, unter denen Depression und Dunkelheit vergraben sind. Im Sommer ist es besonders fein, wenn der ganze Schweiß hinzukommt. Und diese Straßenmusikanten. Nicht etwa die gut ausgebildeten Volksmusik- oder Klassik-Gruppen und auch nicht der spröde Charme der AnnenMayKantereitApologeten, sondern diese unverbesserlichen Multiinstrumentalisten, die eine Basstrommel auf dem Rücken, eine Snare auf dem Kopf und eine Gitarre in den Armen tragen. Diese nervige Rhythmik, dieses Geschrammel und Gequietsche – irgendein Teufel muss Eric Copeland eingeredet haben, dass dies das passende Paradigma für seine neue Platte sein könnte. Bis jetzt kannte man ihn zumeist nur als Teil der Noise-Band Black Dice oder als feist dahindubbenden Solokünstler auf Labels wie L.I.E.S. oder eben DFA, nun wird einem ein vollkommen aufgedrehter, beschleunigter Pop ins Gesicht geschmettert, der rumpelt und quäkt, als hätte man alles Seltsame aus den Flaming Lips gequetscht und nur das Songwriting in den Müll geworfen. So lässt »Black Bubblegum« Charme und Konzept ein wenig vermissen.

Dellé Neo Virgin / Universal

Reggae aus Berlin auf der Höhe der Zeit: amtliche Riddims, nette Hooks und ein bisschen Weltverbesserung. Und Medizin für alle auf Seeed-Entzug. Das letzte Soloalbum Dellés ist geschlagene sieben Jahre alt. Nun – nach Hausbau, Vaterschaft und Seeed-Pause – wurde es offenbar Zeit für einen Nachfolger. War »Before I Grow Old« noch ein reines Roots-Album, hebt sich »Neo« weit weniger vom Sound der Hauptband von Frank Dellé alias Eased ab: Dicke Bässe, schneidende Offbeats und Dancehall-Bounce bestimmen das Bild, und auch Seeed-Vokalkollege Boundzound ist mit von der Partie. Für »Tic Toc«, die erste Single, gibt sich sogar Reggae-DeutschlandPionier Gentleman die Ehre. Die Riddims sind zu großen Teilen wieder mit Ko-Produzent Guido Craveiro entstanden, und dabei ist die eine oder andere »Sweet Sensation« herausgekommen: zum Beispiel der hinreißende, klassisch-kitschige Lovers Rock »Marry Me«. Eine Gruppe Leute sollte diese Platte allerdings besser nicht hören: Styler, die vor lauter Coolness Probleme mit sogenanntem »Gutmenschentum« haben. Denn der Berliner mit ghanaischen Wurzeln gestattet hier in seinem Patois – ganz anders als bei Seeed


LIVE:

19.08.2016

CD / LP / LTD. LP / DIGITAL www.iamroosevelt.com

15.07. Gräfenhainichen - Melt! Festival 28.07. Diepholz - Appletree Garden 29.07. Stuttgart - Stuttgart Festival 31.08. Berlin - PopKultur 18.09. Darmstadt - Golden Leaves Festival 13.10. Zürich - Papiersaal 14.10. München - Strom 15.10. Leipzig - Werk 2 17.10. Köln - Stadtgarten 18.10. Hamburg - Uebel & Gefährlich 29.10. Düsseldorf - New Fall Festival


100

#Review – offen Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt, und das ganz ohne Rücksicht auf Street-Credibility. So wirbt er um Akzeptanz für Trisomie-21-Kinder, ruft die Religionen auf, sich gegen Fundamentalismus und Gewalt zu stellen, singt über Depressionen und verstreichende Lebenszeit. Insgesamt ist das keine Neuerfindung des Offbeat-Gewerbes, aber eine Sammlung gelungener Tunes auf der Höhe der Zeit. Claudius Grigat

Descendents Hypercaffium Spazzinate Epitaph / Indigo / VÖ 29.07.16

Zurück aus der Privatheit: Die Descendents haben nach zwölf Jahren tatsächlich noch ein neues Album geschafft. Für einen neuerlichen Meilenstein hat es aber nicht gereicht. Egal, wie intensiv melodiöser Punkrock in den letzten 25 Jahren immer wieder auch nervte – die Descendents waren dennoch über jeden Zweifel erhaben. Zum einen natürlich wegen des ihnen zugestandenen Copyrights auf das Genre, zum anderen aber auch wegen der fast nie verlorenen Güte ihres Songwritings und nicht zuletzt wegen der langen Pausen, bis man mal wieder etwas von ihnen hörte. So auch jetzt: Das letzte Album »Cool To Be You« ist zwölf Jahre alt, das letzte wirklich gute, »Everything Sucks«, sogar 20. Und natürlich haben alle Bandmitglieder die 50 mittlerweile überschritten, sich ein Leben in der Provinz aufgebaut und den Fokus verschoben. Die Descendents können es sich leisten, gleichzeitig Ikonen zu sein und ihre Band als Privatvergnügen und Ausgleichssport zu betrachten, und das hört man ihrer siebten LP »Hypercaffium Spazzinate« auch an. Unter die 16 Songs haben sich eher zufällig auch Hits wie »Shameless Halo« gemischt, ansonsten blieb die Qualitätskontrolle aufs Songwriting meistens aus. Thematisch mischen sich gescheiter Nerd-Humor und Anliegen, die sich aus den Privatleben der Songwriter speisen und nicht immer punktypisch sind. Aber natürlich war Punk schon immer auch ein Druckventil, frei von Inhaltsgrenzen, und darf somit alles. Auch halbgare Alben veröffentlichen, ohne dass Ikonen dadurch einen Kratzer abbekämen. Sollten sich die Descendents noch mal auf Club-Tour durch Europa bequemen, sind wir ja sowieso wieder da. Christian Steinbrink

(damals waren es im Original-Line-up derer nämlich nur drei). Sind J Mascis, Lou Barlow und Murph deshalb ein Zukunftsversprechen? Wohl eher ein Trostpflaster für Nostalgiker. Sie treten den Beweis an, dass großartige Musik offenbar nicht totzukriegen ist. Und so beharren sie weiterhin auf ihrer bahnbrechenden Laut/Leise-Noise/Melodie-Sounderfindung – einem Erfolgsrezept, das nun im dritten Jahrzehnt angekommen ist. Das neueste Ergebnis steht klangtechnisch (und auch in seiner lila Cover-Ästhetik) wohl am meisten der 1993er-LP »Where You Been« nahe, die damals bereits schon komplett ohne Lou Barlow entstand. Mittlerweile haben sich die Egos beruhigt und geeinigt, seit der Reunion darf Barlow regelmäßig zwei selbst geschriebene und gesungene Songs beisteuern. Und die heben sich wohltuend von den dominanten Variationen des (durchaus genialen) Immergleichen von J Mascis ab. Darin ist dann vielleicht doch so etwas wie eine Weiterentwicklung erkennbar. Worauf diese Band allerdings – wie auf so vieles andere auch – absolut keinen Wert legen dürfte. Claudius Grigat

DJ Shadow The Mountain Will Fall Mass Appeal / Groove Attack

Einst samplete DJ Shadow die ganze Welt und presste sie als Extrakt auf sein Debütalbum. Auf »The Mountain Will Fall« gelingt ihm der Schritt weg von der MPC. Mister Sample, Meister der MPC, hat seit fünf Jahren kein Album mehr rausgebracht. Diese Titel kommen nicht von ungefähr, denn vor rund 20 Jahren erschien mit »Entroducing« sein legendäres Debütalbum, auf dem er Tausende Schnipsel durch einen Sampler und Sequenzer jagte, und damit die erste vollständig aus Samples bestehende Platte der Weltgeschichte. Nicht nur in Anbetracht des aktuellen Gerichtsurteils, das Samplen als Kunstform legitimiert, war das Album ein Meilenstein für HipHop und Musik im Allgemeinen. Doch jetzt will DJ Shadow etwas Neues, will sich ausprobieren, als Produzent austoben. Und das macht er spürbar, etwa auf Tracks wie »Three Ralphs«. Input holt er sich wie schon immer aus den unterschiedlichsten Quellen. Doch statt wie früher die Platten zu samplen, lädt er sich heute Musiker wie Nils Frahm, Run The Juwels oder Matthew Halsall ins Studio ein. Je bunter die Gäste, desto besser die Party. Shadow scheut wirklich kein Experiment und zeigt sich als sensibler Musiker und Produzent. Die natürliche Melancholie schwebt dabei nach wie vor wie ein Nebelvorhang durch seine Musik. Genres sind zu eng gedacht für eine solche Experimentierlust, und HipHop ist das schon gar nicht, aber es ist verdammt gut. Basecap ab für dieses Bekenntnis zur Musik. Konstantin Maier

Dinosaur Jr. Give A Glimpse Of What Yer Not Jagjaguwar / Cargo / VÖ 05.08.16

Nomen est omen: Dinosaur Jr. bleiben auch nach 30 Jahren bei ihrem TrademarkSound und optimieren ihn ein weiteres Mal. Altbacken oder arschcool? Egal! Die Plattenfirma weist stolz darauf hin: Mit dem vorliegenden Album hat das Kult-Trio der Alternative-Rock-Slacker seit der Reunion 2005 bereits vier Platten veröffentlicht – und damit im 21. mehr als im 20. Jahrhundert

Honky-Tonk-Rock und epischen Balladen wieder zu sich gefunden. Plötzlich ist alles wieder da: die verklärte Americana-Romantik, der stilisierte Mythos des einsamen Cowboys, Geschichten von kantigen Männern und verflossenen Bardamen und der alte Folk. Die Felice Brothers haben auf den ihnen eigenen, den richtigen Weg zurückgefunden. Dass die Musik der Zimmermannssöhne mit ihrem Wertkonservatismus inhaltlich durchaus auch als Erbauungsmodell für texanische Hardliner funktionieren könnte, ist schon immer die Kehrseite ihrer Medaille gewesen. Doch auch wenn die Brüder ein Amerika propagieren, das aufgrund fortgeschrittener Modernisierung fast nur noch in romantischen Mythen existiert, muss man anerkennen, dass sie großartige Songs schreiben. Nach zwei eher mittelmäßigen Platten ist die Band vom Fuße der Appalachen heute offenbar stärker denn je, das Album ist komprimierter und in sich geschlossener als seine Vorgänger. Rumpelnder Pub-Rock (»Plunder«), Irish Folk (»Sally«) und epische Country-Balladen (»Diamond Bell«) sorgen für viel Abwechslung. Und die Songs sind wieder allesamt so stark wie seit ihrem dritten Album »Yonder Is The Clock« nicht mehr. Der emotionale Höhepunkt ist »Triumph 73«, eine zum Heulen schöne, sich immer wieder neu auftürmende Ballade. Am Ende steht die erleichternde Gewissheit, dass ein Mann wie Donald Trump diese Musik wohl niemals gut finden würde. Sie wäre ihm zu verletzlich. Kai Wichelmann

The Felice Brothers Life In The Dark Yep Roc / H’art

Die Felice Brothers haben nach zuletzt eher mittelmäßigen Alben mit Country-Charme,

Flume Skin Transgressive / Coop / PIAS / Rough Trade

Flume liefert mit »Skin« einen schön detailverliebten Gegenentwurf zum eklektischen, aber leider auch stark prolligen EDM-Sound dieser Tage. Diplo, ZEDD und Konsorten haben auf Drops und Build-ups basierende Bollermusik mit Features von Pop-Hochkarätern salonfähig gemacht. Eklektischer EDM hat dieser Tage erschreckende Ähnlichkeit mit dem gleichgeschalteten Eurodance-Dualismus der frühen 1990er aus Retortengesang und RapStrophen. Sieht man sich die Gästeliste von »Skin«, dem neuen Album des Future-BassVorstehers Flume, an, könnte man meinen, dass er es seinen prolligen Produzenten-Bros gleichtun möchte. Raekwon, Tove Lo, Vic Mensa, Little Dragon, AlunaGeorge, Allan Kingdom und sogar Beck sind dabei. Leider klingen ein paar der Songs mit ihren ordinären Synthie-Sounds und zerhackstückten Vocals dann auch wie eine ziemlich uninspirierte Ranschmeiße an den erwähnten EDM-Einheitsbrei. Einerseits. Andererseits beweist Flume auf den – immerhin sechs – Songs des Albums, die ohne Unterstützung auskommen, warum er zu Recht so eine große Nummer ist. Allein der Opener »Helix«, den er in Venice Beach anfing und erst viel später in Mexiko vollendete, ist ein grandioses Zusammenspiel aus zarten Flötentönen und brachialen Bässen. In »Wall Fuck« treibt er die Traurigkeit des Universums von Industrial-Klängen zu einer melancholischen Melodie, und das skizzenartige »Pika« arbeitet so unbefangen mit Vocal-Fetzen und Verzerrern, dass es eine wahre Freude ist. Auch »3« und »Free« sind in ihrer bisweilen sogar auf Flumes Frühwerk rekurrierenden Detail- und Soundverliebtheit schier überwältigend. Und sie geben dem Hörer dann sogar auch Zugang zu den Songs mit Feature-Gästen, die man nach dem ersten Durchlauf von »Skin« plötzlich ganz anders

wahrnimmt und die so voller Überraschungen stecken, dass man richtig Lust bekommt, sich in aller Ruhe in ihnen umzusehen. Flume und sein »Skin« sind eine schöne Gegenthese zum von Egomanie und Oberflächlichkeit getriebenen EDM. Jan Wehn

Garbage Strange Little Birds Stun Volume / Coop / PIAS / Rough Trade

Party like it’s 1996: Garbage sind mit ihrem 1990er-Gedächtnis-Dröhngitarren-IndieRock so irrelevant, dass man sich nicht mal mehr über sie echauffieren kann. Die älteren Semester werden sich noch erinnern, dass vor zwei Jahrzehnten an jedem Indie-Disco-Samstagabend zu »I’m Only Happy When It Rains« oder »Stupid Girl« getanzt wurde und auf MTV Shirley Manson mit roten Haaren, kurzem Rock und Doc Martens in Dauerschleife sang. Das war die Epoche, in der man auch mit Placebo und Marilyn Manson drangsaliert wurde. Garbage verkörperten damals eine Alternative-RockMainstream-Combo aus der Retorte: drei alte Männer, einer davon »Nevermind«-Produzent Butch Vig, und eine sehr gut aussehende Frontfrau in Gestalt von der Schottin Shirley Manson. Einen Aufguss desselben trantütigen Musikstils in Gestalt dieses Albums mit einem unglaublich dümmlichen Titel braucht 2016 nun wirklich kein Mensch. Schon die auf maximale Radiotauglichkeit getrimmte Vorab-Single »Empty« quält mit dem Gitarren-Trademark-Sound und der üblichen holzschnittartigen Leidenspoesie über die innere Leere. Sofort beamt einen dieses Machwerk schrecklicherweise in die reaktionärste Stunde der Post-Grunge-Ära. Nicht mal bei der Albumtitelwahl oder dem Artwork gibt sich die Band Mühe: Nichts gegen flauschiges Tigerfell, aber was soll dieses ungute Cover mit dem Buchstaben G? Von Wildheit ist bei Garbage zumindest musikalisch auch heute nichts zu hören. Annette Walter

Globelamp The Orange Glow Wichita / Coop / PIAS / Rough Trade

Auf ihrem Solodebüt will Elizabeth Le Fey ihre musikalische Vergangenheit bei Foxygen gar nicht erst verleugnen und zeigt einen Weg aus ihrem verwunschenen Märchenwald. Einigermaßen begabten Musikautoren steht in der Regel ja ein gewisses Standardrepertoire zur Verfügung, um Stimmungen in allgemein verständliche Worthülsen zu pressen. Die Magie von »The Orange Glow« damit einfangen zu wollen wäre höchstens anmaßend. Was soll man also lange sinnieren, das Album spricht für sich: 1970er-PsychedelicFolk in Vintage-Produktion, der neben dem sonnigen Kalifornien auch die beklemmende Mystik einer Washingtoner Vollmondnacht versprüht. Natürlich geistern ständig Kate Bush oder Joanna Newsom im Hinterkopf herum, wobei LeFeys’ Stimme bei Weitem nicht das Nerv-Potenzial Letzterer besitzt.


05.-07.08.16 05.-

Adam Beyer Stockholm AKA AKA feat. Thalstroem LIVE Berlin • Fr. 20-06 Uhr • Sa. 18-08 Uhr Alex M.O.R.P.H. b2b Woody van Eyden Bochum Kastellaun/Hunsrück Camping ab Do. 10 Uhr • Mixery-Opening 20 Uhr ALOK Brasilia Andy Düx Mainz Bassface Sascha Mannheim Boris Brejcha Frankenthal Butch Mainz Charly Lownoise & Mental Theo Amsterdam Chris Liebing Frankfurt Christian Gerlach Koblenz Cuebrick Stuttgart Danielle Diaz Ulm Dany Rodriguez Lüttich Dave Clarke Amsterdam Dave202 Zürich David K. Leipzig Deepend Amsterdam DJ Dag Frankfurt DJ Toyax Haarlem Dominik Eulberg Westerwald FEDER Paris Felix Kröcher Frankfurt Flug Barcelona FRDY Weeze Gestört aber GeiL Erfurt HEYHEY Ruhr-Area HUGEL Marseille Jonathan Kaspar Köln Klaudia Gawlas Passau Laidback Luke Amsterdam LCAW München Len Faki Berlin Marco Bailey Brüssel Mark ’Oh Ruhr-Area Markus Schulz Miami Miss Djax Eindhoven Moguai Ruhr-Area Moonbootica Hamburg NatureOne Inc. LIVE Neelix Hamburg Nico Pusch Rostock Ostblockschlampen Leipzig Pappenheimer Würzburg Paul van Dyk Berlin Pingpong Dresden R3HAB Breda Raphael Dincsoy Stuttgart Ravers Nature LIVE Hof Robin Schulz Osnabrück Sam Paganini Treviso Sander van Doorn Eindhoven Slam LIVE Glasgow Stefan Dabruck Frankfurt sunshine live DJ Team Mannheim Sven Väth London Talla 2XLC Frankfurt Tom Novy Zürich Tom Swoon Goleniów Torsten Kanzler Berlin LINEUP IN ALPHABETICAL ORDER

RAKETENBASIS PYDNA

CLUB-LINEUP: Miss K8, Psyko Punkz, Noize Suppressor, Wasted Penguinz, AKA AKA, Marco Bailey, Alex M.O.R.P.H. & Woody van Eyden, Deepack, Ben Nicky, Klaudia Gawlas, Tha Playah, CLUBS: DASDING Plattenleger-Zelt Stuttgart Masters of Hardcore NL Torsten Kanzler, Niereich, BMG, Talla 2XLC, PETDuo, DJ Emerson, Nosferatu, Unexist, Pappenheimer, Stefan Dabruck, Kerstin Eden, Sven Wittekind, Flug, Markus Suckut, Stephan Hinz (DJ-Set), Hanne & Lore, Jay Frog, 2Elements, Björn Torwellen, Keith Carnal, Mikael Jonasson, Alex Bau, A.Paul, Minupren, Zahni -live-, Sebastian Groth, Drumcomplex & Roel Salemink, F-Noize, abstract/Butan/Lehmann Koblenz/Wuppertal/Stuttgart Dirty Workz BE Thorax, Bodyshock, Negative A, Re-Style, Crossfiyah, Neilio, Hard Driver, Tensor & Re-Direction, DJ Falk, Sandy Warez, Bartoch, Sutura, Masters Of Noise, Bassface Sascha, O.B.I. vs. Julyukie, Tunnel – Underground Rules! HH HEXENHOUSE/HEAVEN & HILL Ruhr-Area Stormtrooper, Holgi Star, Christian Gerlach, Linus Quick -live-, Drauf & Dran, Man at Arms, Sorgenkint, Kevin Witt, TerrorClown, Matt Mus, Simo Lorenz, Hours, Mani Tehrani, Jaycut, Kolt Siewerts, Distiller, System Overload, DGeorge, Marius Lehnert, Benjamin R., Deerk Hollaender, Philipp Ruhmhardt, Sandro Marques, Furyan, Bass-D, J.D.A., Decipher, Meltdown, Death by Design, Potato, A.L.E.X. EVENTS/Hardtours/Hardcore Gladiators Oberhausen/Wesel Khaoz Engine, MC Tha Watcher, Frank Sonic, [ WEX10 ], Chris Hirose, Lukas Stern, OneTWIN, Sephyx, Phuture Noize, NSCLT, In-Phase, Lowriderz, Sylence, Wave Pressure, Blasco, Fanatics, Pat B, Airport Würzburg BPM/Forward/MTW Frankfurt/Offenbach PLAY! Köln Neroz, Mahe, G-Style Brothers, Criminal Pandaz, MC I SEE, DJ Steve X, The Airwolf, DJ Doom, Wavestorm, Party Bombe, Madness M, DJ Maniac, DJ Trust C, Comfort Boyz, DJ Magnus, Dr. Xclusive, DJ Vivid, The Bass Crawler, DJane Sounic, DJ Corehead, DJ Texx, DJ Inside Visage, DJ Sven E, DJ Merlin, The Patriotz, DJ Cyre, Chris Deelay, NeoTekkZ, Znipe, Lost Identity, Andrew Barclay, Acid Wars & Fusion Club Gelsenkirchen/Münster HeavensGate & André Bergmann, Marc Wall.E, Dan-G, Mechanic Freakz & MoBisch, Mimalogic, Adam Keen & Dirtywell, Roland B, JulieZ, StereoVision, Vandal!sm, Madnezz, Quitara, Nikkel, Chok Dee, Axel Erator, Universal Nation Bochum Club Borderline/Absolut Techno CH Ysiss, Nocturnal Ritual, X-Treme, Ron & Baby Raw, Paranoid, Stolen Cult, Hellter Skellter, The Vinylraider, MC M-Core, Jonas Rech, Tobi Neubauer, Mark Tourneur, Marcel Niveau, Danny Reebo, Mike More, Markus Schneider, Ninito, Steffen König, Andi Teller, Epyleptika, Gockel, Ochs & Klick, Olle, Ewe, Corti Organ, Chris Bekker, Maarten de Jong, Cold Blue, Maria Healy, Misja Helsloot, Gayphoria & En Vogue Koblenz BLAKKSHEEP & FLEX Berlin/AT CARINA, Sun & Set, Alex Ryan, KUNERT, Ben Dursley, Hywel Matthews, Pascal Sander, Wanja & Norris Terrify, Crotekk, Unravel -live-, Dave Ryder, JonAsher, Jan Liefhebber, Die Gebrüder Brett, RauteMusik.FM Aachen e-Lake & Globalux LU Philipp Dengler alias ejected soul, Dirty Basscore -live-, D.R. Schracid, Der Kaiser, Lunatic & Japz, Scanhost:59 -live-, T.S.B.i.N., Divouse AM & Chadone, Da Hunter & The incredible Papst, Oelig, ACiDC, Marcos del Sol, Toy-o, Music P & Marque Aurel, Andrew the Grand, Tony Garcia, Azzuro, Mike Kay, Rick Even, Ninette, Tom H, Tiefenrausch, Suicide Toast, KE:NT, TKR/Naked Lunch & Kiddaz/Magdalena Berlin Johny Blaze, Franky Fiction, Smoon, Baeisi, Pfeffy, Kopfkino 3D, Bluehouse, Chookie, Fräggel, Ben Gala, Hotte, Käry, Miss Mo, Olek, Paytric, Simon Phinixx, Simoné, Stereochemie, Chris Wacup, ZØE b2b Special Guest, Roman Weber, High Density, Crazy Sonic, Reyney K, Simi S, Klanglabor, Fran Key & D3AD_ID, PTR, Nemic, se3k & Benn, N-Violent, Crazy DJ, Todd Galano, Lekko, DJ Nylz, Michael.Gre, Timbo, Oliver Magenta, T.M.O, Rob van O, Alex Greed, Chris Rocka, Xee, Andreas Mann, DenYa, Said Omar, Neil Richter, Madison Pure, Alexander Weinstein, Chich Modulhertz, Chris Kleinmann, Robert Egenolf, Dompe, Marv, Daniel Boon, Stereo Jack, DeKai, Agent!, DKULT b2b P!PA, M-zine & Scepticz, Hi:Radiation, Ace & S-Capade, Immersion, SubMarine, TJ, Rogue Kid, Void, Maxington, Chris Rye, Brian Brainstorm, Makah, DJ Schorsch, Rascal MC, MC Brother Charity, Fusion Bros -live-, Miss Nat-h-Lee, Eastone, Fränky de Reuter, Chich, Jay Deep, Alex Heide b2b Riven, AL-x, Waztoo, Andy B. Jones, Pikay b2b Jihay, RPPB, MadfreaX, Sav b2b Toni Panza, Tasso & Mitch, Spoony

Festivalticket Vorverkauf 79,-* Abendkasse 90,- Tagesticket Vorverkauf 59,-* Abendkasse 69,-

(*zzgl. VVK-Gebühr)

Bustransfer ab Do. ab HBF Koblenz 10,-

nature-one.de


Eine Platte über Vergänglichkeit, Verlust, vielleicht auch das pure Überleben. Rettet zwar die nächste WG-Party sicher nicht vor dem Stimmungstod; weil das Leben aber nun mal kein einziges Freudenfest ist, mein dringender Appell: Kaufen Sie dieses Album! Es ist nicht weniger als eine Erleuchtung. Thorsten Streck

FLUME

09.11. Berlin, Columbiahalle 11.11. Köln, Palladium 12.11. München, Zenith

WATERS

WILD BEASTS

MIIKE SNOW

PARQUET COURTS

w/ BLAKIE + ELF KID + SONNY DIGITAL 06.07. Berlin, Prince Charles

22.08. Berlin, Postbahnhof 23.08. München, Technikum

MY BUBBA

01.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich Dachterasse

WOLF ALICE

01.09. Stuttgart, Kellerclub 02.09. München, Strom 03.09. Frankfurt, Zoom

LUH

02.09. Berlin, Pop Kultur 21.-24.09. Hamburg, Reeperbahnfestival

NEW FOUND LAND 12.09. München, Milla 14.09. Köln, Arttheater 15.09. Hamburg, Molotow

WYOMING

16.09. Mainz, Schon Schön

PARLOTONES

Support: KYLES TOLONE 22.09. Dresden, Scheune 24.09. Wien (A), Chelsea 26.09. Köln, Luxor 28.09. Stuttgart, Club Cann 29.09. Karlsruhe, Substage 30.09. Wil (CH), Gare de Lion 01.10. Solothurn (CH), Kofmehl 03.10. Frankfurt, Zoom 04.10. München, Orangehouse 05.10. Hannover, Musikzentrum 06.10. Berlin, BiNuu 07.10. Hamburg, Uebel & Gefährlich

FLATBUSH ZOMBIES Support: A$AP Twelvy 27.09. Hamburg, Docks 28.09. Berlin, Astra 02.10. München, Muffathalle 03.10. Frankfurt, Batschkapp

BEATY HEART

11.10. Berlin, Berghain Kantine 12.10 Köln, Yuca meltbooking.com facebook.com/wearemeltbooking

24.09. Hamburg, Reeperbahnfestival 16.10. Köln, Luxor 20.10. Berlin, Kesselhaus

17.10. Köln, Gebäude 9 18.10. Berlin, SO36 20.10. München, Strom

MILD HIGH CLUB

27.10. München, Strom 28.10. Berlin, Badehaus Szimpla

MICK JENKINS

01.11. München, Ampere 05.11. Frankfurt, Zoom 06.11. Berlin, Bi Nuu 07.11. Hamburg, Uebel & Gefährlich

JULIO BASHMORE

05.11. Essen, Goethebunker

GLASS ANIMALS

05.11. Hamburg, Mojo 07.11. Berlin, Columbia Theater

Heisskalt Vom Wissen und Wollen Department / Sony

Nach dem Stehen und Fallen jetzt also »Wissen und Wollen«. Das mit dem Wollen bekommen Heisskalt hin, nur das mit dem Wissen nicht so recht. Hört doch bitte mal mit diesem unsäglichen Sprechgesang auf. Irgendwann hat mal jemand zu Sänger Mathias Bloech gesagt, dass man wichtige Dinge mit sehr ernster und betont druckvoller Stimme sagen müsse. Blöderweise hat er das geglaubt. Jetzt sagt er Sachen wie »Auf einem Berg aus all der weggeworfenen Zeit trinke ich nackt auf das Unterlegensein. Sitze da am Rand mit den Füßen im Nichts, wetze die Säbel und warte auf dich« (»Nacht ein«) oder, auch schön, »Hineingestoßen. In Bluetooth-Reichweite. Graben noch tiefer nach der Wut in uns beiden. Googlen nach Gründen, um noch ein bisschen zu bleiben« (»Trauriger macht«). Hinzu kommt, dass die Reime oft nicht richtig sitzen und dass Heisskalt selbst nicht so recht wissen, wer oder was sie sein wollen. Kraftklub (»Angst hab«)? Madsen (»Euphoria«, »Lieder über nichts«)? Es ist schlimm, leider. Heisskalt wollen so viel und scheitern immer wieder daran, einen geraden Text zu schreiben. Und dann lassen sie den schiefen Kram von Bloech auch noch in albern-ernstes Gerede packen. Würden sie nur Gitarre spielen und würde Bloech einfach mehr schreien als sprechsingen, »Euphoria« hätte ein Hit werden können. Über den Rest der Platte müsste man aber noch mal drübergehen. Julia Brummert

MURA MASA

06.11. Berlin, Postbahnhof 09.11. Hamburg, Uebel & Gefährlich 10.11. Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld

65 DAYS OF STATIC

06.11. München, Kranhalle 09.11. Berlin, Columbiatheater 10.11. Hamburg, Uebel & Gefährlich

ICKE & ER

11.11. Berlin, Columbiahalle

EDEN

22.11. Berlin, Prince Charles

TOM MISCH

30.11. Köln, Yuca 01.12. Berlin, Berghain Kantine

FUTURISTIC

30.11. Berlin, Prince Charles 01.12. Köln, CBE

»A Nude (The Perfect Body)« kanalisiert die menschlichsten aller Alltagshandlungen in Songs wie »Is Shitting«, »Is Coming« oder »Is Awakening« in abstrakte, an Ambient erinnernde Rhythmen. Herbert baut seine Manipulationen mal mehr und mal weniger deutlich in die Töne des Körpers ein. Am Ende ist »A Nude (The Perfect Body)« kein bruchloser Hörgenuss, sondern ein Experiment, das artifizielle Elektronik mit dem Alltag verknüpft. Matthew Herbert lässt dem Rezipienten in seiner Kunst genügend Spielraum, alleine schon durch den irreführenden, in Klammern stehenden Untertitel »A Perfect Body«, der die Vorstellung der Beschaffenheit dieses Körpers freistellt. »A Nude (The Perfect Body)« ist ein Kunst-Album, das passenderweise auch von einer Ausstellung begleitet wird. Louisa Zimmer

Hot Hot Heat Hot Hot Heat Kaw-Liga / Rough Trade

Absolute Stilsicherheit zum großen Finale: Nicht nur, dass die Kanadier mit diesem fünften Album vorausschauend ihren Abschied besiegeln – es ist auch eine richtig gute Platte geworden! Fünf Alben in 15 Jahren Bandgeschichte sind ein eher wohlüberlegtes, sparsames Endergebnis – andererseits mangelte es Hot Hot Heat zuletzt (der Vorgänger »Future Breeds« erschien vor fünf Jahren) ein wenig an Fokus. Experimentelle Planlosigkeit durchkreuzte da den einstmals hippen Indie-Disco-Sound, für den das Quartett aus Vancouver zu Zeiten der ersten beiden Alben Anfang der 2000er noch gefeiert wurde. Dass sie nun einen Schlussstrich unter ihre durchaus erfolgreiche Bandkarriere setzen und mit dem selbstbetitelten Album noch mal richtig ausholen, muss man ihnen hoch anrechnen. Knackig-tanzbare Rhythmen, feine Melodien und eingängige Hooks mit dem richtigen Schmiss werden hier in Kübeln ausgeschüttet. »Pulling Levers« hätte mit seinem aufgeputscht zuckrigen Refrain gar das Zeug zur Hit-Single. Aber die Zeiten von Hit-Singles, Plattenverkäufen, ja, sogar von CDs und Vinyl scheinen so passé, wie die Klangfindung von Hot Hot Heat zuletzt nicht mehr ganz auf dem Hier und Jetzt fußte. Was nach diesem starken Abschied definitiv ein bisschen sentimental macht. Klaas Tigchelaar

Matthew Herbert A Nude (The Perfect Body) Accidental / Caroline / Universal / VÖ 01.07.16

Matthew Herbert widmet sich abermals experimentell der Klangwelt des menschlichen Körpers. Wenn sich der britische Altmeister Matthew Herbert mal wieder zu einem neuen Album hinreißen lässt, steckt meist ein aufregendes Konzept dahinter. Seine Alben nahmen sich den Sound bestimmter Situationen als Aufhänger, etwa Klänge von Körperfunktionen, eine Club-Nacht oder Küchengeräte. Für sein achtes Album »A Nude (The Perfect Body)« hat sich Herbert wieder dem menschlichen Korpus gewidmet: Er nahm 24 Stunden lang die Geräusche eines Körpers auf und stellt sie quasi als Solostimme in den Vordergrund. Er selbst spielt dazu nur die Klanghülsen. Die Schlafenszeit – »Is Sleeping« – dauert gar 60 Minuten oder eine ganze Seite der Doppel-CD. Um zu essen oder auf die Toilette zu gehen braucht er hingegen nur acht Minuten.

The Invisible Patience Ninja Tune / Rough Trade

Nachdem sie 2009 für den Mercury Prize nominiert wurden, präsentieren The Invisible auf ihrem dritten Album nun eine stilistische Mischung aus urbanem Pop, Soul und dezenten Breakbeats. 2009 hatten The Invisible einen kleinen Hit mit dem Metropolen-Sehnsüchte bedienenden Stück »London Girl«, das sich geschickt an der Schnittstelle zwischen zeitlosem Pop und kontemporären, urbanen Nischensounds bewegte. Diesen Hybrid setzen sie auf dem mittlerweile dritten Album fort. Dezent gebrochene Beats im Midtempo-Bereich verleihen den Stücken eine ausgeruhte Stimmung, die


LOVE ATTACK MIT SERMIN USTA Von Haiti über Berlin nach Tel Aviv: Die schönsten Neuerscheinungen für den Sommer geben sich kosmopolitisch.

Obwohl hierzulande längst der Sommer Einzug gehalten hat, wird im Hause Jakarta Records noch immer der Frühling zelebriert: Ihr 100. Release »Spring In Jakarta« (Jakarta) ist tatsächlich ein Grund zum Feiern, denn von den 100 Veröffentlichungen gehören die meisten nicht nur in einen gut sortierten Plattenschrank, sondern haben auch zur Völkerverständigung beigetragen. Den Jubiläums-Sampler mit Künstlern wie Iamnobodi, Tom Misch, Suff Daddy, Olivier St. Louis und Oddissee gibt es auf Tape und Vinyl. Wichtig hierbei: Die Erlöse der Verkäufe werden vollständig an die gemeinnützige Initiative Sea Watch gespendet. Manchmal sind die guten Zeiten wirklich die alten, wie diese Global-Pop-Compilation zeigt: »Beyond Addis Vol. 2« (Trikont) featurt äthiopische Jazz-Klassiker und den Swing-Sound, wie man ihn Anfang der 1970er in fast jeder Hotelbar in Addis Abeba zu hören bekam. Bis zum Militärputsch 1974 besaß »Swinging Addis« eine florierende Musikszene, die versuchte, Jazz mit lokalen Musiktraditionen und lateinamerikanischen Klängen zu verschmelzen. Ethno-Jazz-Legende Mulatu Astatke gilt dabei als Schlüsselfigur. Um ihm zu huldigen, versuchte JJ Whitefield, Gitarrist und Mastermind der Bands Poets Of Rhythm, Whitefield Brothers und Karl Hector & The Malcouns, die moderne Interpretation des »Swinging Addis« und seines Begründers Astatke. Ein Sampler, der auf außergewöhnlich tanzbare Art äthiopische Musikgeschichte erzählt.

Tony Allen, seines Zeichens Mitbegründer des Afrobeat, hat noch heute künstlerisch einiges zu bieten. Allein im letzten Jahrzehnt realisierte der heute über 70-jährige Nigerianer Projekte mit Jimi Tenor und Damon Albarn, veröffentlichte ein paar Soloalben und war gleichzeitig Mitglied des Moritz von Oswald Trios. Nun erscheint mit dem »Afro-Haitian Experimental Orchestra« (Glitterbeat) ein spontanes und vielleicht etwas chaotisches Projekt von Allen. Sänger und Voodoo-Priester Erol Josué gründete das Orchester im Rahmen eines Besuchs Allens in Haiti. Dafür lud Josué verschiedene Instrumentalisten aus etablierten haitianischen Bands wie Sanba Zao’s Lakou Mizik oder Racine Mapou ein, um innerhalb von fünf Tagen ein Album auf die Beine zu stellen. Heraus kamen acht Tracks, deren besondere Intensität man vom ersten Augenblick an spürt.

Nach der hochgelobten Free-Jazz-EP »Space Cassava« kommt der israelische Multiinstrumentalist Kutiman nun mit »6AM« (Siyal) zurück. Mit einem satt orchestralen Sound und psychedelischen Rock’n’Roll-Einflüssen bietet das Album alles, was das Funk-Herz begehrt. Wie auch beim Vorgängeralbum war Kutiman in jeden Schritt des kreativen Prozesses involviert: vom Spielen und der Aufnahme verschiedenster Instrumente über den Entwurf des Artworks bis hin zum letzten Feinschliff.

Dennoch zeigt sich sein größtes Talent in der Kreation melodiöser Hooks mit dem Charme des mittleren Ostens. »6AM« in ein Klangwunder, das musikalische Grenzen verwischt.

Mit der wunderbaren Compilation »Boombox – Early Independent HipHop, Electro And Disco Rap 1979-82« (Soul Jazz) widmet sich Soul Jazz Records einer ganz heißen Phase des HipHop. Statt der Sugarhill Gang den Hof zu machen, werden hier weniger bekannte MCs aus der Bronx abgebildet, deren Tracks einst auf kleinen Labels aus Harlem veröffentlicht wurden. Künstler wie Mr. Sweety G, Neil B oder Bon-Rock & The Rhythm Rebellion stehen mit ihren tanzbaren Breakbeats und der spürbaren Hinterhof-Party-Stimmung ihrer Songs stellvertretend für die Anfänge des HipHop. In Kanyes Welt kommt nach seiner Wenigkeit (vermutlich) erst mal lange Zeit nichts. Dann Kim und die Kinder und irgendwann sein Bruder im Herzen: Chance The Rapper. Der veröffentlicht nun sein drittes Mixtape »Coloring Book«. Eine Zusammenstellung, die unaufgeregt sommerlich klingt, happy macht und, statt auf Hypes aufzuspringen, Musik als primäres Genussmittel frei ins Netz stellt. Getreu dem Motto: »I don’t make songs for free. I make them for freedom.« Nachdem Joey Purp in den letzten Monaten mit Tracks wie »Cornerstore«, »Photobooth« und »Girls @« für Aufsehen sorgte, erscheint jetzt das Mixtape »iiiDrops« des Chicagoer Rappers. Dabei bekam Purp vor allem aus seiner Heimat Unterstützung. Gemeinsam mit Chance The Rapper, Vic Mensa, Mick Jenkins, Saba, theMIND und Teddy Jackson ist »iiiDrops« aggressiv und gesellschaftskritisch geraten und ein Sammelsurium aus geilen Punchlines. Ganz ohne »Erwartungen« (Edit) geht es im Leben wohl auch nicht. Das hat sich auch das ehemalige Cryptonasen-Mitglied Phase gedacht und sich endlich wieder an ein neues Team Avantgarde-Album gesetzt. Hier erzählt der Berliner MC in Alltagsreflexionen von seinen Befürchtungen und Hoffnungen, die jenseits üblicher Text-Klischees funktionieren und so schlicht wie ehrlich klingen. Für sein »Comeback« teilt sich Phase die Bühne mit DJ S.R. und Label-Künstlern wie Amewu, Meyah Don, Abroo, Boba Fettt oder Justus Jonas. Nach »Toykis« ist vor »Domingo Vogel« (WSP). Macht das Sinn? Also für Waldo The Funk und seine Wortsport-Posse schon. Nach seinem 2013er-Debüt und einigen Kollaborationen geht es nun für den aus Süddeutschland stammenden MC als Solist weiter. »Häng mit uns, wir sind King!«, lautet die unprätentiöse Aufforderung bzw. erste Single der neuen Platte. »Domingo Vogel« macht Bock, und das nicht nur, weil Deutschrap aus Süddeutschland, wie die Statistiken beweisen, einfach gut ist.

Schmeckt anders. Ist anders.

28 BLACK – der Energy Drink. Vegan, gluten- und laktosefrei.

Jetzt Konzerttickets

gewinnen. Mitmachen auf 28black.de


manchmal mit bedrohlichen Untertönen kontrastiert wird. Auf der Oberfläche bleibt die Musik jedoch wohltemperiert und reibungslos konsumierbar. Pointierte Synthie-Akkorde wechseln sich ab mit subtil konturierten Flächen und punktuell hereinbrechenden Rockgitarren, welche aber kaum ausufern, sondern in die dubbige Produktion des Albums eingebettet werden. Die Klänge etablieren einen Modus, der klar elektronisch geprägt ist, ohne dabei steril anzumuten. The Invisible klingen vertraut, organisch und soulig – Merkmale, die vornehmlich über die einladende Qualität des Gesangs transportiert werden. Die Stimme von Sänger Dave Okumu wird häufig gedoppelt, sodass er mit sich selbst im Duett singt. Hinzu kommen Duette mit realen Gesangspartnern wie Anna Calvi, Jesse Ware und Connan Mockasin, die den Songs wenig hinzufügen, aber dazu beitragen, The Invisible im Spannungsfeld zwischen modernem CitySoul und individualisiertem Experimentalpop zu verorten. Die Musik kündet von verhaltenem Optimismus, vermittelt aber immer auch eine unterschwellig klaustrophobe, düstere Atmosphäre. Am besten sind The Invisible, wenn sie sich einer leicht psychedelischen, nach innen gerichteten Dub-Electro-Ästhetik verschreiben, die an die etwas vergessenen Owusu & Hannibal erinnert. Mario Lasar

DAS Album „bluRRYFACE“ ISt übERAll ERhältlICh

31.10. hAmbuRg | SpoRthAllE 02.11. bERlIn | ColumbIAhAllE 08.11. münChEn | ZEnIth 09.11. DüSSElDoRF | mItSubIShI ElECtRIC hAllE www.twEntYonEpIlotS.Com

BJ The ChiCago Kid – iN MY MiNd WoRLd ToUR – 04.10. MüNCheN - Ampere 06.10. KöLN - Club bAhnhof ehrenfeld 09.10. FRaNKFURT - Zoom 10.10. BeRLiN - GretChen 12.10. haMBURg - mojo Club dAs Album „iN MY MiNd“ Ist überAll erhältlICh

Bei Ex-Bikini-Kill- und Le-Tigre-Frontfrau Kathleen Hanna läuft es nach ihrer Erkrankung an Lyme-Borreliose Gott sei Dank wieder besser: erst eine Gastrolle in »Maggies Plan« an der Seite von Greta Gerwig und nun ein neues, abwechslungsreiches Album mit den 2010 gegründeten The Julie Ruin. »Hit Reset« sprudelt über vor guten Songs: Tracks, die vor Spannung zerbersten, wie das eröffnende Titelstück oder das Lärmgewitter »I Decide«. An die Primitives erinnert das zarte Anti-Liebeslied »Rather Not«: »I wish I’d never met you. If you love me I’d rather not know.« Beim freudigen »I’m Done« wandelt die Band auf den Spuren der B-52’s. Und sie machen alles richtig, wenn sie ihre politische Agenda unverbiestert vertonen wie im powerpoppigen »Mr. So And So«, das subtil gegen Sexismus im Musikgeschäft polemisiert, ohne den Spaß am Musikmachen zu reduzieren (»You play so good for a girl«), und den Kolleginnen von Sleater-Kinney Tribut zollt. Ein Album, das trotz aller Nostalgie fröhliches Altern im Punkrock propagiert: Auch jenseits der 40 haben Hanna & Co. nichts von ihrer rüpelig charmanten Coolness verloren. Annette Walter

Søren Juul This Moment JaKönigJa Emanzipation im Wald Buback / Indigo / VÖ 29.07.16

JaKönigJa bauen mühelos programmatische Gegensätze auf, die musikalisch unbeschwert wieder eingerissen werden. Der Wald und der Rückzug in seine ursprünglichen Gefilde der Sehnsucht und Wünsche sind ein Urmotiv der deutschen Romantik. Der Wald wurde zum Sinnbild nationaler Identität und als Projektionsfläche des Wunsches nach Gemeinschaft und Ausdruck der Absage französischer Lebensart verklärt. JaKönigJa erteilen dieser naturalistischen Deutschtümelei eine popkulturelle Absage, wenn sie bekunden, sie seien »auf blutigen Knien gekrochen und haben Heidekraut gebrochen«. Nicht etwa der Wunsch nach Waldsehnsucht, sondern die triste Realität von Gentrifizierung und Wohnungsmärkten lässt sie die Landflucht umkehren und den Wald oder das Land als Ort der Emanzipation und der Selbstfindung proklamieren. Ihre melodische Kulturlandschaft ist geprägt von eleganten Streicherarrangements, akzentuierenden Bläsern und trefflich platziertem Südamericana, die schnell den deutschen Wald vergessen und den Blick in die Ferne schweifen lassen. Aber hier leben, nein danke. Menachim Zwartmann

4AD / Beggars / Indigo

The artist formerly known as Indians kehrt zu seinem Realnamen zurück und präsentiert ein persönliches, vor Lebensfreude sprudelndes Album. Als Søren Juul noch Indians hieß, malte er mit seinen Soundscapes an die Flaming Lips erinnernde, warm schillernde Naturstillleben, experimentierfreudig und schwärmerisch. Für sein zweites Album gibt er sich schon durch den Verzicht auf den Projektnamen persönlicher und nahbarer, behält aber sein Gefühl für überbordend-strahlenden Sound. Auf »This Moment« hält er sein Leben nach drei aufregenden Jahren zwischen zwei Alben fest: dezent melancholisch, aber auch umarmend und äußerst freudvoll. Ein wenig erinnert der Mix aus Bombast und Reduktion an den ersten Solo-Ausritt des Sigur-Rós-Frontmanns Jónsi, dessen Album »Go« entgegen der elegischen Traurigkeit seiner Hauptband vor Lebensfreude nur so überquoll. Das kann Søren Juul auch: Die Melodieführung auf den zehn synthetisch grundierten Klavierpopsongs reißt mit, im Hintergrund jubeln und jauchzen die Chöre zu seiner warm weichen Stimme, die dem Falsett häufig recht nah kommt. Dabei umgeht Juul zum Glück konsequent die Kitschfalle, bleibt permanent herzerwärmend und innig. Manchmal sagt das Wort »schön« tatsächlich alles. Kristof Beuthner

In KooperAtIon mIt

WWW.BJTCK.CoM

The Julie Ruin Hit Reset Jambinai A Hermitage Hardly Art / Cargo / VÖ 08.07.16 24.09. Berlin - Musik & Frieden 25.09. köln - artheater

TickeTs erhälTlich auf NeulaNd-coNcerTs.com /NeulaNdcoNcerTs – /NeulaNdcoNcerTs

Zur Revolte oder zumindest zur Subversion rufen The Julie Ruin, die Dritte-Welle-Feministinnen um Kathleen Hanna, wieder auf. Ihr facettenreiches Riot-Grrrl-PunkrockRevival changiert zwischen nachdenklich und euphorisch.

Bella Union / PIAS / Coop / Rough Trade

Als schon alle meinten, über Postrock sei nur noch im Präteritum zu reden, kommt Post aus Südkorea. Zwei Frauen und ein Mann wollen sich des Themas noch einmal annehmen.


MASCHINENRAUM MIT PHILIP FASSING

Disco, House, Jungle, Techno – altbekannte Koordinaten dieser Kolumne, die auch diesen Monat mit neuen Ideen und Impulsen aktualisiert werden.

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Eleganz dieser Mann die stilistischen Stühle wechselt: Keine Veröffentlichung, bei der sich Matt Cutler alias Lone nicht ein neues Forschungsobjekt suchen würde. Nachdem der Engländer mit seinem 2014 erschienenen Album »Reality Testing« noch die Schnittmenge von House und HipHop ergründete, ist es nun die Breaks- und Jungle-Kultur der 1990er, die das Grundmotiv für »Levitate« (R&S) stellt. Dass Cutler seinen nostalgietrunkenen Signature-Sound auch hier konsequent anklingen lässt, zeugt von einer ambitionierten Vision, die mit diesem Album sicher noch lange nicht auserzählt ist. »Fabric to me has always been about getting lost and locked into one continuous groove«, merkte Ryan Elliot im Vorfeld seines Mixes für die ikonische Fabric-Reihe an, um die Aura des gleichnamigen Londoner Clubs auf den Punkt zu bringen. Eine Überzeugung, die sich auf »Fabric 88« (Fabric) konsequent überträgt und wie eine Verneigung vor dem stilbildenden Hotspot anmutet. Mit Stücken von Künstlern wie Borrowed Identity, DVS1 oder Robert Hood demonstriert der langjährige BerghainResident, wie sich einzig über Groove und Textur subtile Spannungsbögen entwickeln lassen, die trotz ihrer strengen Funktionalität fast schon narrative Qualitäten besitzen. Seit gut zwei Jahren betreiben Alfie GrangerHowell und Nick Harriman, besser bekannt als das gefeierte Produzenten- und DJ-Duo Dusky, nun schon 17 Steps – eine Plattform, die Techno weit über die geläufigen Dogmen hinaus interpretiert, bisher aber vor allem als unkomplizierter Output-Kanal für die Betreiber selbst diente. Die nun erschienene Compilation »Floor To Floor« (17 Steps) bildet nun eine treffende Momentaufnahme der Szene ab, aus der auch Dusky stammen, und fächert das stilistische Spektrum um die Techno-Konstante angenehm experimentierfreudig auf. Unter seinem bürgerlichen Namen hat Leon Vynehall mit »Rojus« bereits eine der aufregendsten House-Platten des Jahres veröffentlicht. Nun folgen dank »LZD IV« (Wolf) weitere Titel, die allerdings mit Christian Piers unter dem gemeinsamen Pseudonym Laszlo Dancehall entstanden sind. Die eigentlich eher technoide Schule von Piers sucht man hier noch immer vergeblich, vielmehr ist es Leon Vynehalls unvergleichliches Händchen für schmeichelnde Sample-Montagen, das den Ton angibt. So erstrahlen auch diese vier Stücke in der gewohnt beseelten und organischen Patina, mit der Vynehall selbst latente Nörgler auf die Tanzfläche zu locken weiß.

Kompakt hat für seine Speicher-Reihe indessen Kevin McHugh alias Ambivalent verpflichten können, der auf »Whyou« (Kompakt Extra) einen derart massiven Rave-Bass durch den ausgedehnten Break dieser betont melodischen Nummer pflügen lässt, dass man fast schon verschämt den Lautstärke-Regler nach unten drehen möchte. Abseits dieses Spektakels wird der Song von einem smart bearbeiteten Vocal-Loop getragen, den Michael Mayer mit seinem Remix souverän aufgreift und diskret in seine Neuinterpretation einarbeitet. Will Saul mag in seiner diskret-charmanten Art ein eher unscheinbarer Protagonist der britischen House- und Techno-Szene sein. Dennoch demonstriert der Betreiber von mächtigen Labels wie Aus Music und Simple Records immer wieder aufs Neue, wie elektronische Tanzmusik auch ohne gängige Dogmen und Formeln bewegen kann. Ein Versprechen, das die jüngste EP »Lost In Time« (Kompakt) einmal mehr einzulösen weiß: In Kollaboration mit Sauls altem Weggefährten Komon entstanden, kann jeder dieser drei Titel ein eigenartiges Spannungsfeld aus lieblicher Melancholie und sperriger Kante ausbreiten, das nur schwer wieder loslässt. Das jüngste Werk des aus Los Angeles stammenden Duos Classixx gibt sich dagegen alle Mühe, den Hörer gar nicht erst groß zu irritieren: Die Synthesizer auf »Faraway Reach« (Innovative Leisure) klingen so glatt wie der Chrom der Cabrios, in denen man diese Fortführung des Kitsuné-Disco-Pop am besten hören sollte. Das ist weniger despektierlich gemeint, als es gerade klingen mag, aber wirklich viel bleibt da trotz interessanter FeatureGäste wie How To Dress Well oder T-Pain nicht hängen. Ob das wirklich nur dem Zeitgeist geschuldet ist oder doch der gewisse Dreh im Songwriting fehlt – geschenkt. Marquis Hawke ist ein Name, der bereits seit geraumer Zeit für einnehmend leidenschaftliche Interpretationen der reichhaltigen US-Disco- und House-Geschichte steht. Mit seinem Debütalbum »Social Housing« (Houndstooth) bleibt der Wahl-Berliner dieser Linie konsequent treu und gießt gedrosselten Funk, knisternde Vinyl-Loops und luftige Synthesizer-Riffs in die klassischen Muster. Dem heiligen Ernst gewisser Gralshüter verfällt er dabei kaum, was die ohnehin schon aufgeschlossene Attitüde dieser Musik nur noch einladender macht.


ANNENMAYKANTEREIT »KONZERTE IM FRÜHJAHR« 27.01. KÖLN AUSVERKAUFT · 30.01. STUTTGART 02.02. ERLANGEN · 12.02. MAGDEBURG 14.02. HANNOVER · 17.02. HAMBURG · 19.02. ROSTOCK 21.02. OSNABRÜCK · 04.03. FRANKFURT AM MAIN 05.03. KASSEL · 07.03. ZÜRICH (CH) · 09.03. INNSBRUCK (AT) 13.03. MÜNCHEN · 23.03. RAVENSBURG · 24.03. CHEMNITZ 26.03. LEIPZIG · 06.04. SAARBRÜCKEN · 08.04. DÜSSELDORF 09.04. MÜNSTER · 11.04. BREMEN · 13.04. BERLIN 23.01. KÖLN AUSVERKAUFT · 01.05. TÜBINGEN · 03.05. ZÜRICH (CH) 04.05. MÜNCHEN AUSVERKAUFT · 06.05. LINZ (AT) 08.05. JENA AUSVERKAUFT · 10.05. BERLIN AUSVERKAUFT 11.05. HAMBURG AUSVERKAUFT

THE INTERNET »EGO DEATH« TOUR 2016 16.08. HAMBURG 19.08. FRANKFURT AM MAIN 20.08. STUTTGART

AARON

05.09. MÜNCHEN 07.09. HAMBURG 08.09. BERLIN 09.09. HEIDELBERG

AUDIO88 & YASSIN

»HALLELUJA« TOUR 2016

20.10. 21.10. 22.10. 23.10. 29.10. 30.10. 01.11. 02.11. 03.11. 04.11. 05.11. 06.11. 09.11. 10.11. 11.11.

KÖLN TRIER STUTTGART MÜNCHEN ESSEN DRESDEN HAMBURG BREMEN HANNOVER MÜNSTER DARMSTADT AUSVERKAUFT DARMSTADT ZUSATZSHOW NÜRNBERG LEIPZIG BERLIN

JÚNÍUS MEYVANT

»FLOATING HARMONIES« TOUR 2016

02.09. BERLIN 07.09. MÜNCHEN 09.09. HAMBURG

KAGOULE

12.09. 14.09. 15.09. 16.09. 17.09.

BERLIN HAMBURG KÖLN MÜNCHEN ESSEN

KEATON HENSON

26.10. BERLIN

MATT CORBY

23.08. FRANKFURT AM MAIN

TRÜMMER

AURORA

18.10. FRANKFURT AM MAIN 20.10. DORTMUND

FABER

23.09. 24.09. 29.09. 08.10. 10.10. 12.10. 13.10. 15.10. 17.10. 18.10. 27.10. 28.10. 29.10.

MAINZ STUTTGART BIELEFELD SALZBURG (AT) GRAZ (AT) WIEN (AT) KREMS (AT) DORNBIRN (AT) MÜNCHEN ERLANGEN DRESDEN ERFURT HALLE/SAALE

JAMES VINCENT MCMORROW

24.10. BERLIN 26.10. HAMBURG

JATA

27.09. 28.09. 29.09. 30.09 01.10.

LEIPZIG MAINZ KÖLN HAMBURG BERLIN

Südkorea? Hatte sich das Land nicht auf K-Pop spezialisiert und schien damit ganz glücklich? Ansonsten weiß die westliche Popkultur über das Treiben in dem Inselstaat eher wenig. Und wenn nun ein Trio aus der Hauptstadt Seoul traditionelle koreanische Musik inklusive der entsprechenden, uns völlig unbekannten Instrumente Haegum (Röhrenspießgeige), Piri (Bambus-Oboe) oder Geomungo (sechssaitige Zither) mit uns bekanntem Postrock mischt, klingt das wirklich erfrischend. Im Verlauf von »A Hermitage« kommt zwar auch der Moment, an dem alles in Kitsch-Verdacht gerät und man sich erinnert, dass in der Vergangenheit auch anderen Bands des Genres derartige Vorwürfe gemacht wurden (Explosions In The Sky für »The Wilderness«, Mono für »Hymn To The Immortal Wind«). Das ist allerdings nicht mehr als ein unangebrachter Reflex und liegt eher an der westlichen Einordnung fernöstlicher Folklore. »A Hermitage« ist nicht zu verwechseln mit einem effektheischenden World-Rock-Crossover aus dem seelenlosen Repertoire irgendwelcher »ESC«-Beiträge. Es ist auch kein quietschbunter K-Pop, der aus Kalkül oder Versehen in den Postrock abgerutscht ist. Es ist ein eher dunkles und reflektiertes Album mit der dem Genre typischen Laut/Leise-Dynamik, die durch die koreanischen Instrumente und Gesänge einen neuen Kick erhält. Fuck off, Gangnam Style, mit »A Hermitage« dreht sich die Betrachtung der südkoreanischen Popkultur um 180 Grad. Carsten Schumacher

»INTERZONE« TOUR 2016

12.10. 13.10. 14.10. 15.10. 16.10. 18.10. 19.10. 20.10. 22.10. 24.10. 25.10. 26.10. 28.10.

HANNOVER WIESBADEN KÖLN MÜNSTER LEIPZIG SALZBURG (AT) MÜNCHEN INNSBRUCK (AT) VÖCKLABRÜCK (AT) WIEN (AT) ZÜRICH (CH) STUTTGART HAMBURG

YUNA

13.09. BERLIN 14.09. KÖLN

SKINNY LIVING

03.11. BERLIN 05.11. KÖLN

TICKETS ERHÄLTLICH UNTER LANDSTREICHER-BOOKING.DE & KRASSERSTOFF.COM UND AN ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN

K.I.Z

»HURRA DIE WELT GEHT UNTER« OPEN AIR 2016 16.07. DRESDEN 20.08. BERLIN AUSVERKAUFT 10.09. DORTMUND

VON WEGEN LISBETH »GRANDE« TOUR 2016 16.09. ROSTOCK · 17.09. BERLIN · 22.09. KIEL 23.09. HAMBURG · 24.09. MÜNSTER · 26.09. KÖLN 28.09. ESSEN · 29.09. BREMEN · 30.09. HANNOVER 06.10. BRAUNSCHWEIG · 07.10. LEIPZIG 08.10. DRESDEN · 10.10. INNSBRUCK (AT) 11.10. WIEN (AT) · 12.10. MÜNCHEN 14.10. FREIBURG · 15.10. ZÜRICH (CH) 17.10. HEIDELBERG · 19.10. STUTTGART 20.10. FRANKFURT A.M. · 21.10. AACHEN 22.10. SAARBRÜCKEN · 24.10. DÜSSELDORF 26.10. WÜRZBURG · 27.10. FULDA · 28.10. ERFURT

Michael Kiwanuka Love And Hate Polydor / Universal / VÖ 15.07.16

Brian »Danger Mouse« Burton hat Michael Kiwanuka einen behutsam elektrifizierten Retro-Soul auf den Leib produziert: ein satter Sound mit großem Gefühlskino. »Home Again«, das Debüt des Karohemdenträgers Michael Kiwanuka, war akustisch, stylish und wirkte wie Greenwich-VillageSoul anno 2012. Es brachte ihn auf die Nominierungsliste für den Mercury Prize, in einen »Titel-Thesen-Temperamente«-Beitrag und auf Tour mit Adele. Aber es konnte eben auch wunderbar als Hintergrundmusik für eine Dinner-Party dienen, um dabei über Immobilienpreise zu räsonieren, wie der Evening Standard so schön ätzend schrieb. Das ist mit dem Nachfolgewerk definitiv vorbei. Nachdem sich Kiwanuka mit neuen Songs zunächst furchtbar schwer getan und auf dem Tiefpunkt die Sessions zu Kanye Wests »Yeezus«-Album, zu denen er eingeladen war, ohne einen Beitrag wieder verlassen hatte, wollte er eigentlich hinschmeißen. Es waren die Produzenten Inflo und Brian Burton, die ihn wieder ins Studio brachten und sein Selbstbewusstsein aufpäppelten. Vor allem Letzterer hat auf »Love And Hate« deutliche Spuren hinterlassen. Angesichts dessen ist wenig verwunderlich, dass man Gnarls Barkley, aber auch Gorillaz und Black Keys auf »Love And Hate« heraushört. Vor allem aber hat er dem Richie-Havens-Lookund Soundalike Kiwanuka einen ganz neuen, großen und tiefdunklen Sound verpasst, der diesen irgendwo zwischen Marvin Gaye, Terry Callier und Aloe Blacc verortet. Mit ausreichend Streichern und E-Gitarren, wie sie Prince zu seligen »Purple Rain«-Zeiten jammern ließ. Dieses Album ist Deep Soul in einem wörtlichen Sinne: große Emotionen, ozeantiefe Sounds und Songs, die gelebt werden. Das lässt sich nun nicht mehr überhören. Claudius Grigat

Let’s Eat Grandma I, Gemini Transgressive / Coop / PIAS / Rough Trade

Let’s Eat Grandma lassen alle Vorsicht außer Acht und kehren als Debüt ihre künstlerischen Launen zusammen. Das Ergebnis: ein Album, aus dem man am liebsten niemals schlau werden möchte. Stay trippy, please! Es könnte so einfach sein: Eine süffisante Spitze mit dem Bandnamen, kurz über das junge Alter gestaunt, das Creepy-TwinsSchema erkannt, eine formelhafte Prognose abgesondert und schnell die nächste CD aus dem Stapel gefischt. Es könnte so einfach sein, hätten Rosa Walton und Jenny Hollingworth nicht so viel mehr in der Auslage als Belustigung und Pubertät. Zugegeben: »I, Gemini« ist ein Debüt zweier Teenies und genauso skizzenhaft, fahrig und wenig festgelegt, wie es sich unter diesen Umständen erwarten lässt. Dennoch klebt es in den Windungen wie frischer Ohrenschmalz. »Deep Six Textbook« ist eine entrückt pulsierende Synthie-Fabel, »Chocolate Sludge Cake« verschreckt mit Aufnahmen aus der Blockflötenklasse, und »Rapunzel« vergeht sich bei klemmendem Haltepedal an Chopins »Nocturne 21«, ehe ein eigentümlicher PollyScattergood-Vibe Oberhand gewinnt. »Eat Shiitake Mushrooms« ist gerappt, der Faden natürlich inzwischen verloren – bis Let’s Eat Grandma am Schluss einfach Track eins erneut aufnehmen. Ganz unschuldig mit Ukulele, als wäre gar nichts gewesen. Und nun? Die Vorstellung einer stilistischen Heimat erscheint hier bedrohlich. Diese Kirmes ist einfach zu schön zum Weiterziehen. Valentin Erning

The Low Anthem Eyeland Razor & Tie / Washington Square / Rough Trade

The Low Anthem bezeichnen den Stil ihres neuen Albums als Future-Folk, und genau so ist es: Sie hieven ihre Musik auf ein bisher unbekanntes Terrain. Eigentlich hatte man The Low Anthem längst als ewige Traditionalisten ad acta gelegt. Schöne Referenzmusik war das, was Ben Knox Miller und Jeff Prystowsky auf ihren bisherigen Alben entworfen hatten. Doch mit »Eyeland« scheint ein Kind erwachsen und selbstbewusst geworden zu sein. Schon ein Blick auf das Cover deutet an, dass hier mit bisherigen Konzepten gebrochen wird. Die Band dürfte sich ins Fäustchen gelacht haben, als sie vorab »The Pepsi Room« veröffentlichte – einen archetypischen Folk-Song, der genau das Gegenteil davon andeutet, was sich nun auf dem Album vollzieht: lange Instrumentalpassagen aus flirrenden Gitarrenwänden, Pianos, Trompeten und Störgeräuschen. Fast alles ist anders als zuletzt. Aber ist das zwangsläufig besser? Man kann dem Duo zugutehalten, dass »Eyeland« ein mehrdimensionales Hörerlebnis mit interessanten Sounds und einem hohen Maß an Abwechslung ist. An manchen Stellen übertreiben es die beiden aber: Stücke wie »Her Little Cosmos« oder »Ozzie« klingen, als


#Review

ZIEGENBLUT & MÖTÖRÖL MIT CARSTEN SCHUMACHER

Eine Reise in den Tod, ein Requiem, ein Albtraum, Dissonanzen, Raserei, MotorEulen, Schlachterei und Springmesser – ist das noch Unterhaltung?

Beginnen wir unsere heutige Reise in die Welt des Schroffen, Abstrusen und Entgrenzten mit dem Debütalbum der Mannheimer Void Obelisk. Unter anderem durch den Einsatz einer 18-Zoll-Bassbox schafft es die Band auf wunderschöne Weise, nicht nur nachtschwarze Düsternis, grollend dräuende Schwere, sondern auch einen erschreckend hohen Anteil von Elektrizität in der Atemluft zu simulieren. Dazu beschreibt »A Journey Through The Twelve Hours Of The Night« (Meta Matter) analog zu durch ägyptische Hieroglyphen ausgedrückten Mythen die zwölfstündige Reise eines Verstorbenen durch die Nacht mit allen Mitteln, die einem durch Doom, Noise, Drone und Sludge so zur Verfügung stehen. Ein veritabler Spaß für alle Freunde des dunklen Schleppens.

Die Hamburger Band High Fighter hat auf ihrem Doom-Dampfer eine weit größere BluesSchlagseite. Zudem singt eine Frau mit rauchiger Stimme, die auch immer wieder ins Fauchen gerät und das Boot vor der Drift in zu süßliche Gewässer bewahrt. »Scars & Crosses« (Svart) ist das Albumdebüt auf dem finnischen Independent-Label Svart, das der Band auch international Gehör verschaffen wird. Apropos weltweiter Bekanntheitsgrad: Die Krupps hatten vor ihrem »Weltruhm« als Industrial-Metal-Band eine in Deutschland noch recht gut erinnerte »Stahlwerksinfonie« (1981) veröffentlicht, die unter dem Einfluss von Lou Reeds »Metal Machine Music« entstand und der Düsseldorfer Band rückblickend gerade von Nicht-Metallern zugutegehalten wird. KruppsKopf Jürgen Engler ist kein gelernter Metaller, von daher war er auch nicht auf Metal allein abonniert, sondern interessierte sich sehr für Krautrock und Experimente. Gemeinsam mit Mani Neumeier (Guru Guru), Zappi Diermaier und Jean-Hervé Peron (Faust), Pyrolator (Der Plan), dem Postrocker Scott Telles und seiner eigenen Band hat Engler nun ein »Stahlwerkrequiem« (Bureau B) für Rheinhausen und Westfalenhütte aufgenommen und unter Scheppern und Lullen tatsächlich etwas sehr Interessantes erschaffen.

Doch zurück zu Karriere-Anfängen: Gerade hat Joe O’Malley (Bruder des Sunn-O)))-Gitarristen Stephen) mit seiner Band Hissing eine erste Single veröffentlicht. »Hissing« (Southern Lord) ist eine bitterböse Death/Sludge-Geschichte mit jeder Menge Dreck und zart eingewobenen Dissonanzen, die sich mit den schädlichen Auswirkungen urbanen Lebens auf die menschliche Psyche auseinandersetzt, wofür die Musik direkt den Beweis liefert. Mit Dissonanzen hantieren übrigens auch Nightmarer, die Band um zwei Mitglieder der zurzeit auf Eis liegenden Berliner War From A Harlots Mouth. Als deutsch-amerikanische Freundschaft getarnt, prügelten die Instrumentalisten mit ihrem Sänger John Collett

die Debüt-10“ »Chasm« (Moment Of Collapse) ein und stürzen ihre Hörer mit einem extrem toxischen Gemisch aus Black und Death in albtraumhafte Abgründe zerschmetternder Zerstörungskraft. Hach, in jedem Anfang wohnt doch ein Zauber inne!

Wenn man die Geschwindigkeit jetzt noch ins Absurde erhöht, den Sound ins diabolisch Wütende verflacht und aus zehn Fingern zwölf macht, kommt man in die Regionen der anarchisch rasenden Black-Metal-Band Iskra aus Kanada, die so ziemlich alles ablehnt, was mehrheitsfähig wäre, und sich darin auf PunkTraditionen beruft. »Ruins« (Southern Lord), ihr circa achtes Album, macht ihrem selbst entwickelten Genre-Spielfeld »Blackened Crust« erneut alle Ehre und wirkt bisweilen wie eine songorientierte Version des Grindcore, die mit ihrer Oldschool-Attitüde jede Menge Spaß zu verbreiten weiß. Eher oldschool ist auch der Sound der Berliner Band Samavayo, die mit ihrem rhythmisch rumriffenden Stoner-Sound sowohl auf die 1970er als auch die 1990er zurückgreift, durch die Stimme ihres iranisch-stämmigen Sängers Behrang Alavi aber auch eine ungewöhnliche, streckenweise an System Of A Down erinnernde Note bekommt. »Dakota« (Setalight) ist live eingespielt, was den Aufnahmen durchaus guttut. Vertrackter, bluesiger, ambitionierter klingt dagegen der Sound der jungen Leipziger Band Motorowl auf deren Debüt »Om Generator« (Century Media), das mit Hammond-Orgel und 1970er-Hardrock daherkommt, der wie eine Mischung aus Kadavar und Okta Logue klingt (oder für die Älteren: wie Uriah Heep und Spiritual Beggars). Und wo wir gerade von Elaboriertem reden: Das neue, dritte Album der österreichischen Band Harakiri For The Sky namens »III: Trauma« (Art Of Propaganda) ist mit seinem Post- und Black-Metal eine wirklich schöne Mischung aus Atmosphäre und Ausbruch, Ambition und Aggression. Wieder spielte das eine Mitglied alle Instrumente ein, während das andere textet und singt. Eine schlanke Aufstellung, die man der Musik wirklich nicht anmerkt. Reduzieren wir uns! Switchblade haben ihr siebtes Album »Switchblade (2016)« (Denovali) veröffentlicht, und das hat mit seinem naturalistischen Sound, seinem minimalistischen Doom und seinen dynamischen Texturen wieder eine ganz eigene, der schwedischen Band eigene Atmosphäre. Das Unerwartete kommt in kleinen Teilen, und die Prog-Anteile sind so sparsam, dass sie nicht nerven. Vielleicht kein Darling wie der Vorgänger »(2012)«, dafür ein Grower.

107

Pokey LaFarge

03.07.16 München, Ampere 04.07.16 Erlangen, E-Werk 05.07.16 Köln, Gebäude 9

Black Mountain

12.07.16 Köln, Gebäude 13.07.16 Leipzig, UT Connewitz 14.07.16 HH, Uebel & Gefährlich

Calexico

21.07.16 Leipzig, GeyserHaus

Beirut

09.07.16 Berlin 10.07.16 München 13.07.16 Köln

Timothy Auld 11.09.16 12.09.16 13.09.16 14.09.16 15.09.16 16.09.16 17.09.16

Köln, Studio 672 Leipzig, Täubchenthal Hamburg, Prinzenbar Berlin, Musik & Frieden Dresden, Scheune Heidelberg, Karlstorbhf. Nürnberg, Club Stereo

Wovenhand 12.09.16 13.09.16 21.09.16 22.09.16 23.09.16

Köln, Gebäude 9 Frankfurt, Zoom München, Ampere Leipzig, UT Connewitz Berlin, Heimathafen

Benjamin Clementine 17.07.16 Berlin

Daniel Norgren

24.09.16 Erfurt, Franz Mehlhose

Moddi

06.10.16 Berlin, Silent Green 07.10.16 Hamburg, Häkken

Benjamin F. Leftwich 08.10.16 10.10.16 11.10.16 15.10.16

Goat

10.10.16 11.10.16 12.10.16 13.10.16

Hamburg, Häkken Berlin, Privatclub Leipzig, Naumanns München, Kranhalle

The Kills

08.08.16 Leipzig 22.10.16 Berlin 23.10.16 Hamburg 25.10.16 Köln 26.10.16 München

Köln, Stadtgarten München, Ampere Berlin, Berghain Heidelberg, Karlstorbhf.

Aurora

18.10.16 Frankfurt, Sankt Peter

Scott Matthews

The Tallest Man On Earth 15.08.16 Leipzig

19.10.16 Köln, Studio 672 20.10.16 HH, Nochtspeicher 25.10.16 Berlin, Grüner Salon

Amanda Bergman

26.10.16 Berlin, Grüner Salon 28.10.16 HH, Nochtspeicher 29.10.16 Köln, Studio 672

Goran Bregovic

01.11.16 Düsseldorf, Tonhalle

Boss Hog

Gold Panda

05.10.16 Berlin 06.10.16 Köln 07.10.16 Heidelberg

02.11.16 Frankfurt, Zoom 03.11.16 Berlin, SO36 05.11.16 Köln, Gebäude 9

Tindersticks

14.11.16 Berlin, Konzerthaus

Inna Modja

17.11.16 Köln, Yuca 18.11.16 Berlin, Privatclub

Caravan Palace

21.11.16 Düsseldorf, Zakk

Crystal Fighters 28.10.16 Köln 29.10.16 Frankfurt 31.10.16 Hamburg 01.11.16 Berlin

Talisco

25.11.16 Köln, Gebäude 9 26.11.16 Heidelberg, Karlstorbhf. 28.11.16 Berlin, Musik & Frieden

Alex Vargas

28.11.16 HH, Nochtspeicher 29.11.16 Berlin, Prince Charles 30.11.16 K, Club Bahnhof Ehrenf.

Chilly Gonzales

21.12.16 Düsseldorf, Tonhalle

Dinosaur Jr. 03.11.16 Köln 11.11.16 Berlin

Tickets & Infos: www.schoneberg.de


ALLES WAS ICH HAB – TOUR 2016

hörte man der Band hinter einer Glaswand bei ihrem Spiel zu. Insgesamt markiert »Eyeland« aber trotzdem einen mutigen Schritt. Bei der nächsten Platte greifen die Experimente dann vielleicht noch besser ineinander. Kai Wichelmann

T

KAUF AUSVER 22.9. Magdeburg · 23.9. Dresden · 24.9. Erfurt · 25.9. Berlin ERKAUFT 26.9. Berlin · 27.9. Hamburg · 29.9. Essen · 30.9. Köln AUSV 1.10. Heidelberg · 2.10. Stuttgart · 4.10. München 5.10. Erlangen · 6.10. Leipzig

29. 9. Hamburg  //  30. 9. Göttingen 1. 10. Mainz  //  2. 10. Köln  //  3. 10. Berlin

Erdung sorgen. Selbst leichtfüßige Songs wie »Risto’s Riff« oder der Opener, in dem die mysteriösen Zeilen »What you did in front of everyone / In the middle of the night club / In the middle of the night« hymnisch zelebriert werden, wirken wie ein Kraftakt. Einzig bei der neuen Version des Songs »City Wrecker« lässt Krug die Herzfrequenz leicht sinken, ehe das Kollektiv beim großen Abschlussstück zum letzten Mal alle Lichter aufleuchten lässt. This heart ist so was von on fire. Sebastian Jegorow

Mitski Puberty 2 Dead Oceans / Cargo

AUF HALBER STRECKE AKUSTIK-TOUR 2016 10.9. Berlin – 11.9. Hamburg – 12.9. Leipzig 13.9. Frankfurt – 15.9. Münster – 16.9. Stuttgart 17.9. München – 18.9. Erlangen – 24.9. Köln

17.08. Kassel · 11.10. München · 12.10. Konstanz 14.10. Erlangen · 15.10. Stuttgart · 16.10. Darmstadt 17.10. Oldenburg · 19.10. Bochum · 21.10. Cottbus · 22.10. Potsdam

EVROPI Live 23. 9. Reutlingen | 24. 9. Kaufbeuren | 25. 9. Hof | 26. 9. Weiden | 27. 9. Halle 28. 9. Jena | 30. 9. Magdeburg | 1. 10. Wabern | 2. 10. Karlsruhe | 4. 10. Wiesbaden 5. 10. Rostock | 6. 10. Flensburg | 7. 10. Husum | 9. 10. Münster | 10. 10. Essen

SEVEN

BackFunkLoveSoul

Nachdem sich der Titel von Mitskis letzter LP noch auf die Simpsons bezog, geht es nun in der Fortsetzung um jedermenschs Lieblingshorrorfilm Pubertät – in ihrer Version als zeitloses, überlebensgroßes Indie-Rock-Album. Es gibt kein Glück ohne Abfuck, jedenfalls nicht in den gehobenen suburbanen Mittelschichten der USA: Das ist die Message, die Todd Solondz’ Film »Happiness« mit auf den Weg gibt. Und das ist es auch, was sich durch Mitskis viertes Album »Puberty 2« zieht, dessen Opener »Happy« zwischen Abscheu und Erleichterung keinen großen Abstand, sondern nur Gleichzeitigkeit sieht: Happiness kommt rum, bringt Kuchen mit, lullt ein und haut doch gleich wieder ab, sobald man mal kurz ins Bad verschwindet. Angetrieben vom stoischsten Drum-Computer ever und mit einem Saxofon, das auf ähnliche Weise Unheil verkündet wie jenes auf Bowies »Blackstar«, ist das zugleich der klassischste vorstellbare amerikanische Indie. Seine FolkWurzeln liegen manchmal nur deshalb so frei, damit die nächste schwere Welle Distortion sie umso sauberer abhauen und in andere klangliche und emotionale Dimensionen erweitern kann. Mitski hält in ihren Songs eine ironisch-lakonische Distanz und lässt die Intensität des nostalgischen Horrors des Adoleszenz-Alltags dennoch ungefiltert zu. Und das in einer Sprache, die die eigene Rolle reflektiert und eine ganz und gar erwachsene ist. Der in Japan geborenen Mitski Miyawaki, die nach Stationen auf drei Kontinenten heute in New York lebt, gelingt ein Album, dessen funkelnde Dunkelheit und Schwere dem Publikum vor allem eines ist: Happiness. Steffen Greiner

I n C onCert

Die Kanadier MSTRKRFT wagen einen dritten wirkungsvollen Angriff auf die Tanzflächen der Clubs in den späten Morgenstunden. Wirklich still geworden ist es um MSTRKRFT in den letzten Jahren nicht, wenn man die einzelnen Releases und Remixes bedenkt, die JFK und Al-P für Künstler wie Katy Perry, Kelis oder N.O.R.E. aus dem Hut zauberten. Trotzdem brauchte es einige Jahre, bis sich ihre Anhänger jetzt auf das dritte Album »Operator« stürzen können. Auch wenn MSTRKRFT noch eine Spur experimenteller geworden sind und weniger auf Vocals setzen als noch bei ihrem 2009er-Album »Fist Of God«, liefert das Produzentenduo seinen gewohnt düsteren Electro-Instustrial-Sound mit House-Elementen, der an Bands wie The Presets oder Ascii.Disko erinnert. Beladen mit treibenden Beats und verstörenden Tönen, ist »Operator« ein kraftvolles Album, das bestens zu den Club-Sounds der Großstädte passt: dreckig, laut, energetisch und genau richtig, um nach einer verschwitzten, ekstatischen Nacht die letzten überschüssigen Kraftreserven auf der Tanzfläche eines dunklen Kellerclubs frei zu lassen und noch mal richtig abzugehen. Dominik Djialeu

T

Róisín Murphy Take Her Up To Monto

23.10. OSNABRÜCK

Moonface And Siinai My Best Human Face

25.10. MÜNCHEN

Jagjaguwar / Cargo

24.10. KÖLN

27.10. BERLIN

28.10. HAMBURG

30.10. HANNOVER 31.10. LEIPZIG

01.11. MAINZ

02.11. BREMEN

NAIMA HUSSEINI IM HERBST 2016 AUF TOUR!

T H E S E R I O U S A RT O F P RO M OT I O N

Last Gang / VÖ 22.07.16

Tour 2016

ERKAUF AUSV 30.10. Wien · 31.10. Dresden · 1.11. Leipzig · 2.11. Hamburg 3.11. Bremen · 5.11. Flensburg · 6.11. Osnabrück · 7.11. Berlin KAUFT 8.11. Bielefeld · 9.11. Hannover · 11.11. Dortmund · 12.11. AUSVERKöln 13.11. Oberhausen · 14.11. Frankfurt · 16.11. Stuttgart 17.11. München · 18.11. Karlsruhe

Maria Mena

MSTRKRFT Operator

W W W. PR K N E T. D E

Während die Welt wegen des Comebacks von Wolf Parade hyperventiliert, schüttelt der Kopf des Wolfpacks gemeinsam mit den Krautrockern Siinai nebenbei eine Rockplatte voller Bombast aus dem Ärmel. Nach zwei Piano-Ausflügen hat Spencer Krug, der wohl mehr Musikprojekte als Sockenpaare hat, seine alten Bekannten aus seinem finnischen Exil wieder ins Studio geladen. Passend dazu knüpft »My Best Human Face« an die erste gemeinsame Kollaboration »Heartbreaking Bravery« an. Krug braucht diesmal nicht mehr als sieben Songs, um sich als ein Mann großer Gesten und kleiner Glücksmomente zu beweisen. Der Kanadier steht dabei stets an der Grenze zur Hysterie und manchmal auch darüber hinaus, während die Krautrocker Siinai im Hintergrund mit Gitarrenstürmen und Synthies für die

PIAS / Rough Trade / VÖ 08.07.16

Wer das letzte Album der Irin und ihre Tour dazu kennt, der weiß: Róisín Murphy hat keinen Bock mehr darauf, eingängige ClubHits für die Moloko-Milchbar zu besingen. In dem irischen Volkslied, das Róisín Murphy den Titel für ihr neues Album gab, geht es um das lasterhafte Leben in Monto, dem ehemaligen Rotlichtviertel Dublins. Die Schlusspointe des Liedes, das in der Version der Dubliners ein Hit wurde, ist eine Audienz bei der Queen, die ein paar wilde Burschen aus Monto sehen will. Auf die Frage »Is this all you’ve got to show me?« antwortet deren Anführer: »Why, no ma’am there’s some more to see, Póg mo thóin!« Was übersetzt heißt: »Küss meinen Arsch.« Murphys Vater hat Róisín das Stück häufig vorgesungen, und es passt auch einfach perfekt als Metapher auf die aktuelle Arbeit der ehemaligen Moloko-Sängerin, denn die ist spätestens seit »Hairless Toys« in herrlicher »Küss meinen Arsch«-Laune. So wundert es nicht, dass die neun Songs auf »Take Her Up To Monto«


HEIMSPIEL MIT KRISTOF BEUTHNER

Bin platt: Es ist doch immer wieder unglaublich, wie viele Bands, die auf kleinen Labels veröffentlichen, den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen.

Da sind zum Beispiel die Schweizer Spencer, die allerdings ihre internationale Klasse längst nachgewiesen haben: Das vierte Album »We Built This Mountain Just To See The Sunrise« (Ambulance) wurde von Reto Peter (Counting Crows) produziert und hievt die Band mit Energie und Elegie mühelos auf eine Stufe mit Acts wie The National, Editors oder Interpol. Der dunkle Gesang, die düster-euphorische Grundstimmung, die prägnanten Melodien: Hier stimmt einfach mal alles. Um die legitime Nachfolge von The Mars Volta wird ja auch immer noch gestritten. Okay, vielleicht sind This April Scenery mit ihrem zweiten Album »Liminality« (Midsummer) dafür nicht generalverdächtig. Aber die zehn neuen Stücke beherrschen den Wechsel zwischen melodischen Passagen und brachial frickeligen Ausbrüchen mit sehnsüchtigen Lyrics äußerst versiert und markieren dadurch wenigstens ein dickes Ausrufezeichen im Post-Hardcore. Gefällt sicher auch Thrice-Fans. »Ein gutes Lied ist ein gutes Lied«, sagt Sönke Torpus und schickt dem Torpus & The Art Directors-Album »The Dawn Chorus« mit »Being Discovered« (Grand Hotel Van Cleef) eine EP mit fünf Coversongs hinterher. Der warmherzig-feinsinnige Indie-Folk der Band ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben; wie man sich hier »Time To Pretend« von MGMT oder »Everybody’s Changing« von Keane zu eigen macht, zeugt von großer – da haben wir’s wieder – international konkurrenzfähiger Klasse. Stilvollen, ebenfalls hochklassigen Country-Pop spielten Neo Rodeo schon auf ihrem schönen Debüt; auf »Bingo Ringo« (Tapete) kommen nun noch Beatles-Britpop und sogar DesertRock mit ins Portfolio. Gewohnt sympathisch versieht die Band das Ganze neben etlichen, locker eingestreuten Zitaten aus der Musikwelt auch mit augenzwinkernder Selbstironie. Das macht viel Spaß und unterhält, ohne aber jemals zu sehr in die Tiefe zu gehen. Die Bremer We Had To Leave. schlagen da in eine ganz andere Kerbe. Ihr neues Album »A Rather Confident Thought« (Ton-e) geht mit offensiver Percussion, sexy Bassläufen und feinen Gitarren-Licks mit Anlauf in die Beine und ins Herz. Letzteres wegen des melancholischen Grundtons, der aber so herzerfrischend locker vorgetragen wird, dass man gerne mit dieser Band zusammen melancholisch sein mag. Das mögen auch Freunde von Maritime oder Balthazar. Blues und Rock’n’Roll müssen per se nach staubigen Clubs und weiten amerikanischen Landschaften klingen. The Phans aus Ulm beherzigen das auf ihrem selbstbetitelten Debüt (El Puerto); diese Band weiß, was sich gehört. Schön kantig und immer auch ein bisschen

schmutzig, in klassischer Trio-Besetzung und mit viel Energie erwecken sie über neun Stücke nie den Eindruck, es hier nicht mit einer frisch entdeckten US-Band zu tun zu haben.

Tropic besteht aus dem in erster Linie durch Filmmusik bekannt gewordenen Duo Peter Folk und Johannes Lehninger, die sich auf »I Am The Rain If You Are The Meadow« (Rent A Record Company) tief vor dem schwelgerischen Songwriter-Pop der 1960er und 1970er verneigen: zwei Pop-Jahrzehnten, die in ihrer Zeitlosigkeit bis heute nicht beendet scheinen. Warm und feinfühlig, reich instrumentiert und sehnsuchtsvoll, irgendwo zwischen Simon & Garfunkel, Leonard Cohen und Donovan. Die Salzburger Manchester Snow wurden 2013 mit dem Austrian Newcomer Award geadelt. Lauscht man ihrem Debüt »Out Of The Woods« (Late Hour), kann man nicht umhin, das verdient zu finden. Das ist überaus hymnischer, energetisch-schwelgerischer Indie-Pop – um keine umarmende, große Geste verlegen, niemals aber anbiedernd an Genre-Ikonen. In den Momenten, in denen die Platte am größten ist, schießen U2 durch den Kopf; in allen anderen denkt man an The 1975 oder Coasts. Der Klangkosmonaut Lutz Nikolaus Kratzer nennt sein Projekt .Klein, klingt aber alles andere als das. Dem Hamburger ist kein Style, kein Genre, keine Strömung fern. Auf seinem dritten Album »Bengal Sparks« (listentoklein.bandcamp.com) vermischt er Elemente aus HipHop, Funk, Electronica und Alternative-Pop zu einem durch die Bank dynamischen, lebendigen, flirrend funkelnden Gesamtkunstwerk. Das macht auf ähnliche Art und Weise seit langer Zeit ein König seiner Zunft namens Beck Hansen. Eine spannende Platte. Bleiben wir zum Ende mal weg von internationalen Vergleichen. Der Nino Aus Wien kommt, man ahnte es schon, aus Österreich. Mein geschätzter »Heimspiel«-Vorgänger Benjamin Walter schrieb im Februar, ohne Nino und seine verschroben-schmähverliebten Weltbetrachtungen wären Bands wie Wanda und Bilderbuch nicht möglich gewesen. Nun ist eine neue EP namens »Adria« (Problembär) da, die diese These mit sechs frischen Songs einmal mehr untermauert. Nicht so poppig und großspurig wie die beiden inzwischen sehr berühmten Nutznießer, dafür abermals sehr eigen und zupackend.

DEIN KURZURLAUB MIT 11.500 FREUNDEN, EINEM TÜRKISBLAUEN SEE UND…

PAUL KALKBRENNER DEICHKIND RUDIMENTAL IN ALPHABETICAL ORDER

DADA LIFE DON DIABLO LENA MACEO PLEX MARTIN SOLVEIG SIGMA BEBETTA BONAPARTE CHOPSTICK & JOHNJON CLAIRE COSBY DAPAYK DJ KOZE DRUNKEN MASTERS EINMUSIK FRITTENBUDE GORGON CITY GUI BORATTO HVOB KONSTANTIN SIBOLD KYTES LE SHUUK LEXER MEUTE MONOLINK NASTIA NICONÉ OCCUPANTHER OK KID OSTBLOCKSCHLAMPEN RAMPUE RITON SIGALA SIMIAN MOBILE DISCO SNAVS STEPHAN BODZIN STEVE BUG TUBE & BERGER VON WEGEN LISBETH WATERMÄT WAX WRECKAZ

TICKETS ONLINE AUF: WWW.DAS-FESTIVAL.DE

NÄHE EN FLUGHAF N MÜNCHE


110

#Review dem Vorgänger-Album stilistisch recht nahe stehen. Immerhin teilen sie nicht nur einen ähnlich abenteuerfreudigen Gestus, sondern entstammen derselben Aufnahmesession mit Komponist Eddie Stevens, den Murphy schon seit Moloko-Zeiten kennt und schätzt. Also werden auch hier wieder klassische Songstrukturen aufgebrochen, Beat-Geblubber von spacigen Keyboards überflogen und DrumComputer in Rhythmen getrieben, die kaum noch Sinn zu machen scheinen. Das beginnt schon beim Opener »Mastermind«, der dann auch noch ein paar Engelschöre einwirft, um vollends zu verwirren. In »Lip Service« bemüht sie sich dann mal, einen eingängigen, lasziven Swinger zu liefern, bevor »Ten Miles High« wieder gleich mehrmals die Richtung wechselt. Spannend und vielleicht einzigartig an Murphy ist, wie sie das alles mit ihrer Stimme trotzdem zusammenhält. Ein Album, das überfordert, begeistert und so lange beschäftigt, bis man irgendwann glaubt, es verstanden zu haben. Daniel Koch

ist daraus ein smoothes Konglomerat aus emotionalen Popgerüsten mit Texten über alte Mythen und Bräuche (»Walpurga«), einer sanften Synthesizer-Basis und instrumentaler Vielfalt geworden. Besonders bei »After The Rain« beschwört sie klanglich die 1980er herauf. In »Pythia« befragt Roxenholt die ständig berauschte Orakelwächterin von Delphi nach ihrem Befinden und ob die Hingabe an Weissagungen ihre Einsamkeit habe kompensieren können. Bei der ersten Single »Chateau« muss man über die stellenweise nervenden Aufwallungen im Chorus hinwegsehen. »Swedish Liquorice« ist ein stilvoll überladener Rant auf die Verliebtheit, der genauso klebrig und bittersüß wie die namensgebende Speise selbst wirkt. Zusammen mit Produzent Simon Nordberg, Produzent und Schlagzeuger Per Eklund und Musikern der Band Tele hat Roxenholt ein vom Zucker etwas beschwertes, aber nichtsdestotrotz großartiges Pop-Album mit einer eigenwillig mythischen Note geschaffen. Elisabeth Haefs

Daran haben vier Jahre Pause und der Abschied von ihrem alten Label nichts geändert. Nun veröffentlicht sie »Liquid Cool«, wie schon ihr Debüt, in Eigenregie. Das Album macht deutlich, dass Nite Jewel die Zeit genutzt und ihre, wie sie selbst sagt, Identität wiedergefunden hat. Schon der Opener »Nothing But Scenery« kommt poppig daher, wenn auch deutlich verschachtelter als noch zu Zeiten von »One Second Of Love«. Schritt für Schritt tasten sich Instrumente und Stimme näher zueinander. Will heißen: Während Synthie und Beats sofort perfekt harmonieren, wirkt Nite Jewels Gesang zu Beginn noch wie ein schriller Fremdkörper. Doch schon auf halber Strecke, bei der Single »Kiss The Screen«, klamüsern sich die Einzelteile zusammen. Das Highlight »Running Out Of Time« lässt aber noch bis zum vorletzten Track auf sich warten. Es heißt also, Ausdauer zu bewahren, bis die Symbiose aus Pop, Electro und TripHop-Beats vollends ausgereift ist. Dann wird man mit einem erstaunlich stilvollen Album belohnt. Carlotta Eisele

New Found Land Lore

Nite Jewel Liquid Cool

Fixe / Broken Silence

Gloriette / H’Art

Jack & Amanda Palmer You Got Me Singing

New Found Land driftet weiter in eine elektronische Richtung ab. Pop ist trotzdem noch Herz ihres Schaffens, selbst wenn sie weissagende Priesterinnen besingt. Die Wahlberlinerin Anna Roxenholt hat sich auf früheren Alben eher an einem Singer/ Songwriter-Folk abgearbeitet. Mittlerweile

Nite Jewels Realname Ramona Gonzalez klingt viel zu sehr nach trashigem CountryPop. Vermutlich nutzt sie deshalb das Pseudonym, um den mystischen Klängen von »Liquid Cool« gerecht zu werden. Nite Jewel hat sich mit Haut und Haaren den sphärischen Electro-Beats verschrieben.

schwanger war. Eine Erfahrung, die sie in Kimya Dawsons »All I Could Do« wiederfand: »It’s getting harder and harder to sing / (...) when inside a baby is kickin’.« Palmers tiefe, variantenreiche Stimme gibt der Neuinterpretation des Songs eine Intensität und Zerbrechlichkeit, die Dawson nicht gelang – besonders am Ende, als ihr Gesang brüchig wird und einen der berührendsten Momente des Albums erschafft. Überhaupt legen Vater und Tochter gerne eine Schippe Emotion drauf, ohne aber zu dick aufzutragen. Aus Richard Thompsons unprätentiösem, nur mit Akustikgitarre gespieltem Folksong »1952 Black Lightning« machen die Palmers eine wuchtige Mini-Oper mit dramatischen Klavierläufen und einem Duett, in dem Jack seiner sonoren Stimme freien Lauf lässt. Auch die Version von Phil Ochs’ Protestsong »In The Heat Of The Summer« ist trotz ähnlich sparsamer Instrumentierung eindrucksvoller als das Original. Zurückhaltung, das gilt für das gesamte Album, gehört zu dem Wenigen, was diese beiden Ausnahmesänger nicht hinkriegen. Dass zwei Cover (Sinéad O’Connors »Black Boys On Mopeds« und John Grants »Glacier«) nicht ganz mit der Vorlage mithalten können, darf man bei diesem großartigen Album großzügig übersehen. Till Stoppenhagen

Cooking Vinyl / Indigo / VÖ 15.07.16

Das Ex-Dresden-Doll Amanda Palmer hat mit seinem Vater Jack ein Coveralbum aufgenommen – und lässt die meisten Originale dabei blass aussehen. Die Idee zu diesem Album kam Amanda, als sie im achten Monat mit ihrer Tochter

Peter Bjorn And John Breakin’ Point Ingrid / Kobalt / Rough Trade

Das neue Album

eyeland ab jetzt überall erhältlich! WASHINGTONSQUAREMUSIC.COM LOWANTHEM.COM FACEBOOK.COM/THELOWANTHEM


#Review Absolutes Nein zu dieser Platte. Fasst sie gar nicht erst an. Hiermit seid ihr gewarnt, ich kann nichts mehr für euch tun. Wie Björn die Ö-Striche verlor und der Bandname sein Komma, das sind die letzten Dinge, die mich bei Peter Bjorn And John noch umtreiben. Das neue und siebte Album »Breakin’ Point«, auf das man laut PressetextUnterstellung »fünf Jahre gewartet« haben soll, ruft hingegen gar nichts hervor. Peter Bjorn And John machen jetzt nämlich in Schlager und zelebrieren die absolute Abwesenheit von Emotionen oder Ambitionen. Bei ihrer Pop-Roboter-Werdung haben ihnen auch noch ganz viele – erstmalig externe – Produzenten (Paul Epworth, Greg Kurstin, Emile Haynie, Pontus Winnberg) geholfen. Nützt aber alles nichts: weg ist der einmalige Charme, der den Sound der Schweden ausmachte. Der leichte Indie-Pop mit kreativer Verspieltheit ist leerem, abgedroschenem Beliebigkeitsquark mit Discokitsch-Elementen gewichen, für den die Band schon vor 30 Jahren zu alt gewesen wäre. Bei »Breakin’ Point« kann man skippen und skippen, irgendwann ist es einfach vorbei, und man hat nichts erlebt. Das Cover zeigt einen dreiköpfigen Hammer, Bedeutung: Man wolle jetzt auf den Putz hauen. Bis halt nichts mehr übrig ist. Paula Irmschler

Red Hot Chili Peppers The Getaway

Männerrock mit Funk-Anleihen, bevorzugt unter kalifornischer Sonne mit nacktem Oberkörper dargeboten: Auf ihrem elften Studioalbum ist bei den Red Hot Chili Peppers alles beim Alten. Zumindest in einem Punkt haben sich die Red Hot Chili Peppers neu orientiert: »The Getaway« wurde nicht von Rick Rubin produziert, sondern von Danger Mouse, das Mixing übernahm Radiohead-Produzent Nigel Godrich. Aber von der Handschrift dieses neuen Personals merkt man wenig, denn schon das Trademark-Funk-Gitarrensolo der ersten Single »Dark Necessities« zu Fleas charakteristischem Bass ist unverkennbar der gewohnte Sound, den man liebt oder der einem fürchterlich auf die Nerven geht. Scheinbar kann sich die Besetzung bei den kalifornischen Rockstars austauschen, wie es will – der Sound bleibt gleich. Dem Vernehmen nach handelt »The Getaway« von Beziehungsturbulenzen. Dazu passend steigert sich im filigranen »The Longest Wave« ein Gitarrenintro zur mächtigen Wall-of-Sound-Kulisse, dessen Text »Maybe you’re my last love, maybe you’re my first / You are under my skin« lautet. Nun ja. Mehr in Richtung Industrial geht es in »We Turn Red«, Anthony Kiedis singt darin kryptische Verse über Swimmingpools, Cannonballs und Mexiko. Mit den Versprechungen des Ruhms und dem kalifornischen Traum hadert er in dem Funk-Stück »Sick Love«. In einen Topf voll Kitsch fällt man mit dem unsäglichen Abschluss des Albums, der dick aufgetragenen symphonischen Pianoballade »The Hunter«. Auch wenn sich das Hörvergnügen bei »The Getaway« in Grenzen hält, haben wir nun zumindest keinen Zweifel mehr daran, dass tätowierte harte Männer ohne T-Shirt sensible Geschöpfe sind. Annette Walter

Warner

111

der Spur donnert. Das Cover-Artwork krönt diese Dialektik: Ein Mann schreitet strammen Schrittes und mit durchgedrücktem Kreuz der eigenen Hinrichtung entgegen – exakt jener Kurzschluss von Erhabenheit und Brutalität, der »Guidance« seine atmosphärische Wucht verleiht. Ein Album für die Ewigkeit. Valentin Erning

Russian Circles Guidance Sargent House / Cargo / VÖ 05.08.16

Brutal und doch raffiniert, hymnisch, aber nie vorhersehbar: Auf »Guidance« entsagen Russian Circles weiterhin den Stereotypen ihres Genres. Vorausgesetzt, Stilfragen haben sie je interessiert. Das Spiel mit den Kontrasten hat eine lange Tradition in der gesanglosen Rockmusik. Nur bleibt es leider allzu häufig auch beim bloßen Spiel. Nicht so bei Russian Circles: Das Trio aus Chicago wandelt schon seit seinem Debüt 2006 abseits eingetretener Pfade. Seither entfesselt es mit jeder neuen Veröffentlichung eine Klanggewalt, die ihresgleichen sucht. Das gilt auch für das Sechstwerk »Guidance«: Derbe, baumhohe Gitarrenwände, mystische Harmonien und Dave Turncrantz’ dominantes Schlagzeugspiel verschmelzen unter Kurt Ballous Regie zu einem bauchigen Instrumental-Rock-Koloss. Hinter den gewohnt geografisch anmutenden Titeln verbergen sich bildgewaltige Erzählungen, schicksalhaft pendelnd zwischen schroffen Riffs und frickeligen Math-Motiven, unbändiger Wut und lieblicher Hoffnung – mal schmutzig, mal auf Hochglanz poliert. Zwischen den Stücken verfällt »Guidance« in kurze Dämmerzustände und zeigt sich nahezu zerbrechlich; im schlanken »Overboard« darf das Mahlwerk gar eine Runde atmen, ehe es die nächsten Schatten über die Klangkulisse wirft und den Hörer mit voller Breitseite aus

Nao For All We Know RCA / Sony / VÖ 29.07.16

Nach Features mit Disclosure und Mura Masa züchtet sich die Londoner Newcomerin Nao auf »For All We Know« ihr eigenes Habitat – und entfaltet sich dort großartig. HipHop mal Soul durch R’n’B und Indie vor der Klammer: Wenn man nicht genau weiß, mit welcher Spezies man es zu tun hat, stehen einem mittlerweile praktische Vorsilben wie »Post-« oder »Neo-« zur Verfügung, um ohne derartige Verrenkungen die Kartei füttern zu können. Kann ja auch nicht angehen, dass dieser funkelnde Käfer mit den langen Antennen und den prächtigen Mundwerkzeugen keinen Namen hat. Schweigt der Insektenatlas, wird man eben selbst zum Entdecker. Und während man immer noch nach dieser einen Vokabel fahndet, die FKA Twigs maximal gerecht werden könnte, summt ein weiteres schillerndes Geschöpf namens Nao daher. Das erste Album der studierten Jazzsängerin knüpft dort an, wo uns ihre zwei EPs einst erwartungsvoll zurückließen. In weiten Teilen von GRADES produziert, schlägt »For

DUTCH ACTS ON TOUR IN GERMANY THIS SUMMER

Amber Arcades

Bazzookas

Birth of Joy

Bombay

Coppersky

DeWolff

Sounds like dream-rock

Sounds like explosive ska

Sounds like psychedelic rock

Sounds like grungy lo-fi pop

Sounds like melodic indie rock

Sounds like 70s psychedelic rock

Egbert

Gingerpig

GOSTO

Kovacs

Kuenta i Tambu

Sounds like exciting melodic techno

Sounds like eclectic rock

Sounds like electronic soul

John Coffey Sounds like loud post-punk

Sounds like Portishead meets Shirley Bassey

Sounds like afro beat electronica

Polynation

Sevdaliza

Sinfol

Taymir

Sounds like warm, melodic techno

Sounds like melancholic, dark electronica

Steve Rachmad

Sounds like techno

Sounds like techno veteran

Sounds like 60s britpop

Reeperbahn Festival

You can find all show info at: dutch-impact.nl

Town of Saints

Within Temptation

C/O Pop

Sounds like indie rock

Sounds like symphonic metal

Dutch Impact Party Friday 26 August

The Netherlands are proud to be the partner country at Reeperbahn Festival 2016 BROUGHT TO YOU BY EUROSONIC NOORDERSLAG. POWERED BY PERFORMING ARTS FUND, BUMA CULTUUR AND THE DUTCH MINISTRY OF FOREIGN AFFAIRS.

Dutch Impact Party Thu 22 September


WWW.KKT.BerLIN

Präsentiert von aMPya · visions

WeeKeNd mAN Tour

18.11.16 21.11.16 23.11.16 24.11.16 25.11.16 26.11.16 27.11.16 zusatzKonzert 18.02.17

stuttgart lka lonGHorn WiesBaDen scHlacHtHoF müncHen backstaGe DresDen alter scHlacHtHoF Berlin c-Halle Köln PallaDiuM solDFreiHeit out HamBurg Grosse 36 HamBurg Grosse FreiHeit 36 www.royalrePublic.net

„icH Habe Die Donots scHon live GeseHen, Da Hatten sie nocH nicHt Mal 1.000 konZerte GesPielt“ tour

23.11.16 ascHaFFenBurg colos saal 24.11.16 cH-Bern isc 25.11.16 cH-zug Galvanik 26.11.16 cH-WintertHur Gaswerk 27.11.16 FreiBurg walDsee 29.11.16 erlangen e-werk 30.11.16 at-salzBurg rockHouse 01.12.16 at-graz PPc

www.Donots.De

All We Know« den Spagat zwischen Altbewährtem und Blaupause. Darin erweist es sich als hochgradig einnehmend, ohne je angestrengt gefällig oder aufgesetzt nahbar zu wirken. Es ist knackig, wenn es muss, nackig, wenn es soll, und sanft, wenn man es gerade braucht. Die Bässe werfen wohlige Blasen, eine Runde Retro-Rauschen da und dort; 1990er-Beats wägen den Hörer in Sicherheit, bevor Augenblicke später ein Paket aus der Zukunft eintrudelt und effektvoll in die Luft gesprengt wird. Naos makellose Gesangsperformance lässt das Ganze absurd einfach erscheinen. Nachkochen wird ihr dieses hervorragende Rezept aber so schnell niemand. Uhrenvergleich? The future is Nao! Valentin Erning

Präsentiert von sonic seDucer, MusikexPress, vevo, DePecHeMoDe.De

Drangsal 07.-10.07. 15.07. 16.07. 30.07. 04 - 08.08. 12.08. 20.08. 24.-28.08.

28.10.16 29.10.16 03.11.16 04.11.16 11.11.16 12.11.16 18.11.16 19.11.16 23.11.16 24.11.16 27.11.16 09.12.16

licHterFelD Feel Festival müncHen M94.5 senDerGeburtstaG gräFenHainicHen Melt! DortmunD Juicy beats münster auF weiter Flur HalDern PoP Festival HamBurg Dockville Festival Köln c/o PänZ (c/o PoP Festival) staDtGarten

Köln GebäuDe 9 nürnBerg nürnberG PoP münster Gleis 22 WiesBaDen scHlacHtHoF stuttgart keller klub DortmunD FZw DresDen Groovestation Berlin liDo at-salzBurg rockHouse at-Wien b72 cH-züricH aMboss raMPe leipzig MoritZbastei

Präsentiert von vevo, visions 19.10. 20.10. 21.10. 22.10. 03.11. 04.11. 05.11. 10.11. 11.11.

at-Wien b72 salzBurg Mark FreiZeit.kultur at-innsBrucK weekenDer at-lustenau carini saal Köln luxor FranKFurt/M ZooM KarlsruHe alte Hackerei DortmunD FZw olDenBurg aMaDeus

26.11. 01.12. 02.12. 03.12. 10.12. 15.12. 16.12. 17.12.

rostocK ZwiscHenbau saarBrücKen JuZ Försterstrasse cH-züricH DynaMo cH-Basel kaserne nürnBerg club stereo müncHen backstaGe Konstanz kulturlaDen DüsselDorF MitsubisHi electric Halle www.scHMutZki.De

Präsentiert von visions

21.09.16 22.09.16 23.09.16 24.09.16 26.09.16 27.09.16 28.09.16 29.09.16 30.09.16 01.10.16 03.10.16

Bremen tower Musikclub FlensBurg volksbaD HamBurg reePerbaHnFestival Hannover caFé Glocksee DüsselDorF Zakk marBurg kFZ erlangen e-werk leipzig werk ii - Halle D DresDen Groovestation augsBurg kantine Konstanz kulturlaDen

04.10.16 05.10.16 06.10.16 07.10.16 08.10.16 24.10.16 25.10.16 26.10.16 27.10.16 28.10.16

Präsentiert von visions · intro · ox FanZine · liveGiGs.De

www.turbostaat.De

stuttgart clubcann FreiBurg JaZZHaus müncHen kranHalle iM Feierwerk WiesBaDen scHlacHtHoF münster Gleis 22 Berlin liDo Köln luxor saarBrücKen GaraGe cH-aarau kiFF DarmstaDt centralstation www.oktaloGue.coM 22.07.16 24.07.16 20.08.16 24.10.16 25.10.16 27.10.16 28.10.16 29.10.16 02.12.16 03.12.16 04.12.16 07.12.16 10.12.16 21.01.17 27.01.17 28.01.17

ulm club scHilli aacHen Musikbunker potsDam anGst MacHt keinen lärM marBurg kFZ reutlingen FranZ.k leipzig conne islanD magDeBurg alte FeuerwacHe Kiel Die PuMPe Jena kassablanca at-innsBrucK weekenDer pFarrKicHen boGalloo HeiDelBerg Halle 02 Hannover Faust HamBurg Grosse FreiHeit 36 KarlsruHe substaGe Köln live Music Hall

Swans The Glowing Man Mute / GoodToGo

Über zwei Stunden Spielzeit zimmern sich Swans ein letztes abscheuliches Denkmal aus den Knochen ihrer Hörer. Ich will zurück in Mutters Schoß. Die Swans der Jetztzeit sagen auf Wiedersehen, doch klingt es eher nach einem apokalyptischen Adieu: Ungespitzt rammen sie ihr Abschiedswerk »The Glowing Man« durch den Gehörgang mitten in den Verstand. Auf rund 21, 25 und 29 Minuten kommt das Torso-Triptychon dieses monotonen Molochs, der eigentlich nur auf eine Weise sinnvoll konsumiert werden kann: als musikalische Rosskur – bei völliger Dunkelheit und in vernichtender Lautstärke. Das Spektrum reicht vom knurrigen Blues über rituelle Verstümmelung bis hinein in die gute alte SwansParadedisziplin: Rausch durch Repetition. Auch ein paar erstaunlich luftige Passagen lassen sich dieses Mal blicken. Doch immer wieder steigt Großmeister Gira auf die Zinnen seiner Album gewordenen Trutzburg, um die Orgie zu befehligen. Sein mantrisches Säuseln verheißt eine Erlösung, die ausbleibt; in seinem Rücken wuchern die Tumore der Kakofonie und erzählen glorreiche Geschichten von der Schönheit des Perversen. Geborstene Glocken und Klaviere säumen den atonalen Weg ins Rektum des Wahnsinns, bis sich schlussendlich alle gospelnd in den Armen liegen?! Bizarr, aber horrorfilmverdächtig: Ein Sprung zieht sich durch die absurd heile Welt und droht, mit dem nächsten Blinzeln alles zersplittern zu lassen. Kunstfertiger hätten Swans diesen neuerlichen Abgang kaum inszenieren können. Valentin Erning

Moshi Moshi / Rough Trade

TURBOSTA AT PASCOW

DI E ER VE D UESE JAEGER

FREIBURG LOVE A LYGO + WEITERE

20-08-2016

POtSDAm - WASChhAUs-Ope Air EInLASs: 14 UhR . BEGInn: 15:30 UhR

Ausserdem Auf Tour antiloPen GanG · Deine FreunDe · Deine lakaien · Dyse · Fettes brot · Funny van Dannen · kaFvka · oHrbooten · Parcels Pascow · rHonDa · riDeau · sookee · teHo tearDo & blixa barGelD · tHe baboon sHow · tocotronic · truckFiGHters · uncle aciD & tHe DeaDbeats KIKIs KLeINer TourNeeserVICe kkt GMbH WWW.KKT.BerLIN

PHONE + 49.30.695.80.880 Portokasse@kkt.berlin

Teesy Wünsch dir was Chimperator / Groove Attack / VÖ 15.07.16

Rapper mit absolviertem Lehramtsstudium. Das wird dann wohl unter anderem HipHop 2016 sein. Teesy wagt sich mit R’n’B an ein Genre, das in deutscher Sprache bisher meist Gereiztheit provozierte. Wenn an Teesys privaten Wänden Poster hängen sollten, dann prangen dort Drake und Justin Timberlake. Es wäre wiederum aber auch nicht verwunderlich, wenn Menschen, die sich von seiner neuen Platte »Wünsch dir was« in die Arme genommen fühlen, ihre Wohnung mit Pappaufstellern von Gestört Aber Geil zierten. Denn dieses Album ist der Soundtrack für einen unvergesslichen Abend in der Dorfdisko. »Wünsch dir was« zeichnet eine Plastik-Welt wie aus einem skurril überdrehten Disney-Musical. Teesy tanzt in Suit and Tie schnipsend durch den Rosengarten, während er seiner Prinzessin Liebesbekundungen zuruft. Selbst die ebenso verkrampften Liebesschmerz-Zeilen à la »3. Weltkrieg in mir« nehmen einem nicht die Vermutung, dass Teesy mit einem festgetackerten Grinsen leben muss. Kopfkino, das beim Zuhören leider sehr schmerzt. Salwa Houmsi

Von Wegen Lisbeth Grande Alexis Taylor Piano

präsentiert von visions · ox Fanzine · Livegigs.de · FLux FM · zitty

behaupten konnte. Alexis Taylor, neben Joe Goddard Stimme und Gesicht von Hot Chip, hat sich also durchaus als Klavier-Balladier mit der Fähigkeit zum majestätischen PopMoment bewährt. Und mit Big Stars Alex Chilton, dessen nie realisiertes Piano-Album als Vorbild für »Piano« diente, besitzt diese dritte Solo-LP auch einen vielversprechenden Bezugspunkt. Tatsächlich erinnern die guten Momente des Albums aber an einen anderen, der die Intimität minimaler Arrangements mit einem Pop-Maximum verbinden konnte: Freddie Mercury. Auf der vollen Albumlänge sind diese Interpretationen eigener Songs aus verschiedenen Phasen und Projekten, ergänzt um Lieblingslieder von Elvis bis Crystal Gayle, aber leider etwas monoton geraten. Liegt’s an der Auswahl oder an der Interpretation? »Piano« wäre sicher gern Musik für einen Sonntagmorgen zu zweit, mit Kuscheln und Croissant, ist in seiner cheesy IntimitätsSerialität dann aber doch eher »music to lonesome tinder to«. Steffen Greiner

Alexis Taylor hat das letzte Popjahrzehnt mit Hot Chip bunter gemacht. Allein am Flügel entgleitet ihm sein Werk aber nun in das Grau des zärtlichen Vergessens. Wenn es einen guten Grund gibt, im Jahr 2016 das Piano-Soloalbum eines ElectroHelden der 2000er zu hören, dann liegt der wohl vor allem in dessen Großtaten dieser Epoche. Im sämigen, den 1970ern abgewrungenen »Made In The Dark« etwa, das sich vor acht Jahren gegen die benachbarten Groove-Hüpfer auf der gleichnamigen Platte

Columbia / Sony / VÖ 15.07.16

Zeit, um aus dem Schatten zu treten: Fünf junge Berliner finden die stilistische Mitte aus AnnenMayKantereit und Bilderbuch und feiern funky Indie-Pop. Man kann die Story von Von Wegen Lisbeth irgendwie nicht ohne AnnenMayKantereit erzählen. Weil die Kölner das junge Quintett gerne als Kumpels und Könner anpreisen. Weil man die Band inzwischen aus ihrem Vorprogramm gut kennt. Und weil im Fahrwasser von AMK gerade viel Platz ist für noch mehr junge deutschsprachige Bands. Das soll aber kein Vorwurf der Trittbrettfahrerei sein; mit AnnenMayKantereit haben die


#Review Berliner allenfalls die studentisch-spätadoleszenten Alltagsreflexionen und Trennungsdramen gemein. Soundtechnisch liegen Von Wegen Lisbeth eher dem glanzvollen FunkPop von Bilderbuch nahe, ohne allerdings deren exaltierten Chic zu kopieren. Die Qualität stimmt: Jeder Lick, jeder Riff ist pointiert und catchy. Durch die lakonische Erzählweise der Geschichten zwischen Penny, Uni und Späti greifen die Berliner aber weder so tief ans Herz wie AMK, noch bekommen sie den sexy Glam von Bilderbuch ähnlich gut hin. Das Ergebnis ist eher guter Ton für zwischendurch als neue große Liebe. Kristof Beuthner

113

zu viel, immer auf den Punkt – mit Fingerspitzengefühl an den Reglern gelingt dem Duo das, was vielen anderen verloren geht: Mensch bleiben zwischen den Maschinen. Solange unser Blut durch ein Organ namens Herz gepumpt wird, so lange funktionieren Emotionen über Reizreaktionsmuster. Und Weval wissen im von Synkopen-Beats getriebenen »I Don’t Need«, wie so was geht. »You Are Mine« schraubt die Attacke deutlich hoch, bringt die Hörer zum Gleiten, endet wunderschön im digitalen Nirwana. Fast so, als hätte sich SBTRKT zum Ultimativen aufgemacht. Das Kölner Label Kompakt hat mit seiner Neuverpflichtung auf jeden Fall alles richtig gemacht. Wir fühlen Weval! Konstantin Maier

Weaves Weaves Memphis Industries / Indigo

Demnächst auch in deiner Indie-Disco: Das Debüt von Weaves vermengt den Drive der Pixies mit der Lässigkeit von Pavement. Jasmyn Burke sagte in einem Interview, dass sie bei ihrem ersten Treffen Morgan Waters’ Pullover gemocht habe. Wer so einen okayen Pullover trage, mache bestimmt auch okaye Musik. Sie hat recht behalten: Schon die 2014er-EP des Quartetts Weaves aus dem kanadischen Toronto wurde zu Recht begeistert aufgenommen. Auf dem Debütalbum nun wird ihr Lo-Fi-Popentwurf noch ein wenig verfeinert. Das Ergebnis ist ausnahmslos begeisternd: Weaves mischen collegerockige Slackergitarren mit bubblegumartigen Keyboards und einer leggingstighten Rhythmussektion. Pixies und Pavement winken beständig mit ihren Gitarren rüber, dann meint man doch eher ein wenig Deerhoof’sche Verschrobenheit rauszuhören, im nächsten Moment klingt das Ganze nach Nirvana with a twist. Getragen wird alles von Burkes verdrehten, aber stets pointierten Gesangslinien irgendo zwischen Siouxsie, Björk und der späteren Kate Nash, von denen sie angeblich über 3.000 auf ihrem mobilen Telefon eingesungen hat, und der lässigen Gitarrenarbeit des Songwriters und – Fun Fact – einstigen kanadischen Kinderfernsehstars Waters. Zu »Eagle« möchte man am liebsten den ganzen Abend im Club stehen und wippen und dazu gänzlich unironisch gucken. Der Bass im grandios getragenen »Shithole« könnte auch von Kim Deal sein, und »One More« ist ihr catchy DancefloorFiller. Das Beste an der Platte ist: Diese Band hat gerade erst angefangen. Christian Steigels

Weval Weval Kompakt / Rough Trade

Analoge Sounds auf dem digitalen Spielplatz: Weval halten ihre Produktionen dirty und schaffen damit den emotionalen Spagat zwischen Mensch und Maschine. Sie samplen alte Vinyls, legen Schicht über Schicht. Der Staub, die Patina stört dabei nicht. Das Amsterdamer Duo Weval liefert mit seinem selbstbetitelten Album warme Analog-Sounds, verwaschenen 1980er-Gesang und sich windende Gitarrensamples. Das ist nicht neu, nein, es liegt sogar im Trend. Aber die Art und Weise ist hier entscheidend: Schöne Sequencer, ausgesuchte Filter, nie

Wild Beasts Boy King Domino / GoodToGo / VÖ 05.08.16

Behutsam schleicht das wilde Biest durch die Nacht und hebt sein wohltönendes Falsett. Ruchlos geben sich die Briten der schillernden Nacht hin. Auffällig discoid sind die Gentlemen der Wild Beasts geworden. Die vormals kunstbeflissenen Indie-Popper gehen den Weg des Vorgängers »Smoother« resolut, mit funkelnden Augen und vor Aufregung feuchten Händen weiter. Sie dringen in dunkle, versteckte Keller vor, in denen verschwitzte Männer und Frauen lüstern ihre Körper aneinander reiben und zu schillernden Bass-Synthies und funkelnden Beats aufgerieben herumtollen. Die schillernden Melodiebögen überspannen nicht, obgleich der tanzbare Sound zwischen Disco-Wave und neonlichternem MetropolenBeat immer wieder bis ans Äußerste geht, 1 um kurz darauf melodiös einatmend in TCB-Introdoppel.indd sich zusammenzufallen. Wild Beasts sind weiterhin keine angry young men und keine toy boys. Kein queerer Disco-Diskurs, sondern urban-metrosexueller Dance-Pop. Menachim Zwartmann

09.09.16

Yung A Youthful Dream Fat Possum / PIAS / Rough Trade

Yung holen ungestüm alles aus Klängen und Lärm heraus, was geht: »A Youthful Dream« ist ein energetisches, emotionales Indie-Rock-Album mit catchy Refrains. Die Dänen Yung fegen frisch und verspielt über ihre Hörer hinweg, denn ihre rockigen und rotzigen Lieder versprühen nicht nur den Charme der Adoleszenz, sondern auch einen Hauch von Dreck und Lässigkeit. »A Youthful Dream« klingt recht ungezügelt, doch die Songs sind nicht nach den üblichen RockSchemata aufgebaut, sondern durchaus mit viel Liebe zum Detail. Auf ihre Songstrukturen legen Yung eben sehr viel Wert. Man ist versucht, die Stilzuschreibung Craft-Rock zu kreieren, wenn der Begriff »Craft« nicht schon so einen Bart hätte. Wenn überhaupt Bart, dann nicht der eines Hipsters, sondern der des Dude – nach »The Big Lebowski« hat Yung-Mastermind Mikkel Holm Silkjaer nämlich seine erste Band benannt. Trotz seiner 21 Jahre schafft er es schon jetzt, mit Yungs furiosem Punk-Geschrammel auch international für Aufmerksamkeit zu sorgen. Kerstin Kratochwill

GELSENKIRCHEN AMPHITHEATER www.ticketmaster.de

08.06.16 15:33


presented by

B E LIE BTE R AL S B L AU E R HIM M E L:

DER HELGA!® 2016 … und du bestimmst, wer ihn bekommt! Die Helga!-Jury soll in diesem Jahr zusammengesetzt sein wie ein kleines Festival. Dafür brauchen wir die Profis aus dem Backstage-Bereich, aber natürlich auch #festivalfanatics wie euch! Bewirb dich und sag uns, warum ausgerechnet du mehr über Festivals weißt als andere – alle Infos unter www.festivalguide.de/derhelga



116

#Termine #Intro empfiehlt

EMPFOHLEN VON INTRO Für alle von uns empfohlenen Touren verlosen wir jeweils 3×2 Tickets. Mail an tickets@intro.de. Mehr TourEmpfehlungen unter intro.de/termine — #intro empfiehlt

A$AP Ferg

12.07. Hamburg 13.07. Köln

Anohni

28.06. Berlin 29.06. Köln

The Answer 12.08. Köln

Anthrax

12.07. Köln 13.07. Münster

Empfohlen von Intro

Aurora

19.08. Hamburg

Beach Slang

Sunflower Bean

Sie sind erst Anfang 20 und schon Veteranen der DIY-Szene Brooklyns: Julia Cumming, Nick Kivlen und Jacob Faber sind wild, unordentlich, nihilistisch, laut, ernsthaft und hypnotisieren ihre Zuhörer mit ihrem außerordentlichen Sound. — 25.08. Hamburg — 26.08. Berlin — 27.08. München

CunninLynguists

Seit Anfang der 2000er sind Cunnin­Lynguists nicht mehr aus der US-Rap-Szene wegzudenken. Nun kommt das HipHop-Trio aus Kentucky mit seinen ausgeklügelten Texten und Elementen aus Psychedelic-Rock, Blues, Jazz und Polka für zwei Live-Shows nach Deutschland. — 04.07. München — 05.07. Köln

08.08. Bremen 15.08. Trier 16.08. Dortmund 17.08. Osnabrück

Beardyman 29.07. Leipzig 30.07. Berlin

Beginner

01.07. Gütersloh 02.07. Köln 08.07. Gräfenhainichen 21.07. Nordholz 11.08. Aschaffenburg

— 22.08. München — 23.08. Köln — Geht weiter!

Wolf Alice

Erst die Nominierung für diverse »Sound of 2015«-Listen, dann der Rest der Welt: Zweifelsohne haben sich Wolf Alice mit ihrem Alternative-Rock und der unverwechselbaren Stimme ihrer Frontfrau schon in viele Herzen gespielt. Nun gibt es erneut die Gelegenheit, sich von ihnen bezirzen zu lassen. — 28.08. Hamburg

Der Begriff »Talk Music« klingt erst mal widersprüchlich. Nicht so für Listener, die seit Jahren zeigen, wie harmonisch die Kombination aus Sprechgesang und rauen Gitarren klingen kann. Mit Leib und Seele intoniert Dan Smith seine poetischen Texte und entwickelt eine Melodie, die ganz ohne Gesang auskommt.

— 17.08. München — 18.08. Berlin — 19.08. Hamburg — 22.08. Stuttgart — 23.08. Frankfurt a. M.

— 19.08. Hamburg — 21.08. Kiel — 23.08. Münster — 24.08. Darmstadt — Geht weiter!

14.07. Dresden 15.07. München 18.07. Wiesbaden

Damien Rice

06.08. Leipzig 08.08. Hamburg 09.08. Köln

Deichkind

15.07. Gräfenhainichen 29.07. Dortmund 18.08. Moosburg

Destroyer

29.06. Hamburg

De La Soul 28.07. Berlin

Empfohlen von Intro

Die Antwoord mit DJ Craft

16.08. Gelsenkirchen

Die Goldenen Zitronen 19.08. Hamburg

28.06. Berlin 29.06. Köln 05.07. Hamburg

Beyoncé

12.07. Düsseldorf 29.07. Frankfurt a. M.

08.07. Aachen 09.07. Münster 16.07. Essen 25.08. Berlin 28.08. Sulingen

Black Mountain

Empfohlen von Intro

12.07. Köln 13.07. Leipzig 14.07. Hamburg

Black Oak

22.07. Berlin 23.07. Rheine 24.07. Nürnberg 30.07. Reutlingen Geht weiter!

Black Sabbath 28.06. A-Wien

Dota

15.07. Tübingen

Eagles Of Death Metal 15.08. Bremen 16.08. Köln

Editors

28.06. Berlin 23.07. Köln

Element Of Crime

23.08. Hamburg

08.07. A-Wien 11.07. Regensburg 12.07. München 13.07. Vellmar 14.07. Bonn 15.07. Hamburg 16.07. Berlin 30.07. Breitenbach 31.07. Varel Geht weiter!

Captain Capa

Erobique

Cage The Elephant

Ein Konzert von Nahko Bear und seiner vielköpfigen Band bleibt, wenn einmal erlebt, lange Zeit in Erinnerung. Denn mit ihrem Mix aus Folk, Rock und Reggae will die Band nicht nur unterhalten, sondern ihren »Tribe«, wie sie ihre Fans nennen, auch zum Nachdenken anregen.

Damien Jurado

Dog Eat Dog

30.06. Stuttgart 01.07. Köln 02.07. Hamburg 03.07. Berlin

Listener

29.06. Berlin 01.07. Hamburg

Benjamin Clementine

Brandy

Nahko And Medicine For The People

Coldplay

DJ Shadow

17.07. Berlin

Wenn sich ein Künstler ganz ohne Label und Promo-Maschinerie in den internationalen Charts platziert, dann darf man schon mal den Hut ziehen. Hoodie Allen hat genau das geschafft. Nun kommt der Sänger und MC mit seiner neuen und damit dritten LP »Happy Camper« für zwei Auftritte nach Deutschland.

02.07. Köln

Beirut

09.07. Berlin 10.07. München 13.07. Köln

Hoodie Allen

Cyndi Lauper

29.07. Wiesbaden 30.07. Mössingen 06.08. Boxberg

Cat Power

11.07. Köln 12.07. Darmstadt 13.07. Kassel 14.07. Jena 16.07. Karlsruhe

Charles Bradley 28.06. Düsseldorf 29.06. Ulm 12.07. Münster 13.07. Dresden 14.07. Freiburg

09.07. LichterfeldSchacksdorf 16.07. Freiburg 30.07. Köln 19.08. Hamburg Geht weiter!

Fidlar

08.08. Köln

Fraktus

29.07. Varel 27.08. Stade

God Is An Astronaut 12.07. Erlangen 13.07. München


#Termine Godspeed You! Black Emperor 13.08. Köln 15.08. Hamburg

Good Charlotte 20.08. Köln

Heinz Strunk

27.06. Hamburg Geht weiter!

Highasakite

Kafvka

08.07. Straubenhardt 11.08. Rothenburg ob der Tauber 19.08. Karben

Kamasi Washington 16.08. Berlin 17.08. Hamburg

Empfohlen von Intro

Kevin Morby 15.08. Mainz 16.08. Hamburg

28.06. Münster 29.06. Berlin

The Kills

Ibeyi

19.07. Frankfurt a. M.

08.08. Leipzig

King Khan & The Shrines

Iron Maiden

04.08. Wacken

Isolation Berlin

15.07. Gräfenhainichen 18.08. Schorndorf 20.08. Dornstadt 21.08. Hamburg 22.08. Oldenburg 23.08. Freiburg 25.08. Köln 27.08. Stade 29.08. Varel

Joseph

20.07. Hamburg 22.07. Berlin 23.07. Rees-Haldern 24.07. Nürnberg

15.07. Wiesbaden 22.07. Münster 23.07. Loshausen 07.08. Berlin

K.I.Z

06.07. Stuttgart 11.07. Frankfurt a. M. 13.07. Hamburg

Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi 30.07. Diepholz 31.07. Kassel

LOT

Nick Waterhouse

22.07. München 23.07. Halle 29.07. Freiberg 05.08. Bad Oeynhausen 12.08. Oberhausen 20.08. Ahaus

Love A

30.06. Berlin

Kvelertak

27.06. Nürnberg 28.06. Hannover

The Last Shadow Puppets 27.06. Köln 28.06. Dresden 23.08. Berlin

Lianne La Havas 28.06. Berlin

Patti Smith

12.07. München

Massive Attack

04.07. Berlin 08.07. Gelsenkirchen 17.08. Dresden

23.07. München 24.07. Nürnberg

Empfohlen von Intro

Megaloh 02.07. Köln 09.07. Reutlingen 15.07. Völklingen 21.07. Nordholz 30.07. Hünxe 04.08. Boxberg 21.08. Hamburg 26.08. Wirges

Mike Skinner & Murkage 11.08. Berlin

Moderat

13.08. Bochum

30.08. Berlin

Tipps der Redaktion#244

Und wo geht ihr hin? intro.de #konzerte

Julia Brummert Cyndi Lauper Beirut Melt! Burg Herzberg Festival Ruhrpott Rodeo

Molotov

25.07. Wiesbaden 26.07. München 27.07. Stuttgart 28.07. Nürnberg 31.07. Köln 01.08. Düsseldorf 02.08. Aachen

Moon Duo

14.07. Berlin 15.07. Hamburg

Mudhoney Daniel Koch Anohni Element Of Crime Down By The River Festival K.I.Z Sziget

Martin Lippert Spectrum & Moon Duo Melt! Godspeed You! Black Emperor Pukkelpop Mogwai

19.07. Bremen 25.07. Hamburg 26.07. Berlin

Muncie Girls 17.07. Bochum

Nacht gegen Armut mit Patti Smith 04.07. A-Wien

Neil Young & Promise Of The Real 20.07. Leipzig 21.07. Berlin

Heimspiel Knyhausen

28.08. Leipzig 29.08. Heidelberg 30.08. Hamburg

Lukas Graham 27.06. Berlin

Enno Bunger

No Joy

The Notwist

Mogwai

Da gehen wir hin

18.07. Berlin 19.07. Köln

22.07. Darmstadt 23.07. Regensburg 06.08. Sittensen 25.08. Köln 26.08. Kassel 27.08. Pretzier

Matthew And The Atlas

Jupiter Jones

Jurassic 5

16.08. Düsseldorf

Limp Bizkit

Kobito

Kurt Vile & The Violators

Neonschwarz

14.07. Nürnberg 15.07. Jena 16.07. Goldenstedt 06.08. Hamburg 11.08. Püttlingen 27.08. Hannover

Mac DeMarco

José González

13.07. Bremen 14.07. Bochum 30.07. Trebur 26.08. Georgsmarienhütte

09.07. Bochum 11.07. Augsburg 12.07. Saarbrücken

02.07. Münster 15.07. Völklingen 16.07. Dresden 11.08. Rothenburg ob der Tauber 20.08. Berlin Geht weiter!

09.07. Reutlingen 22.07. Tutow 13.08. Hamburg 27.08. Kiel

09.08. Leipzig

Life Of Agony

Deutschlands bester Songwriter (gut, einer davon) lädt auf das Weingut seiner Eltern und kredenzt vorzügliche Weine sowie ein handverlesenes Line-up.

29.07. Würzburg 30.07. Elend

Oddisee

Ja, der Gisbert steht auch gerne mal im Publikum, das ebenso angenehm wie später auch vom Wein betüddelt ist. Wer sich am Rhein versammelt, der ist Familie, der ist zu Hause, der hat etwas verstanden, was alle dort verbindet.

15.07. Münster

09.08. Frankfurt a. M. 10.08. Essen

Pixies mit Lush

18.07. Berlin

Daniel Koch

Rammstein mit Peaches

— 23.–24.07. Eltville am Rhein — David Lemaitre, Die Nerven, Enno Bunger, Get Well Soon, Sophie Hunger u. v. a.

08.–09.07. Berlin 11.07. Berlin

Rihanna

09.07. Hamburg 17.07. Frankfurt a. M. 28.07. Köln 02.08. Berlin 07.08. München

Schnipo Schranke 09.07. Düsseldorf 16.07. Jetzendorf 05.08. Hannover 18.08. Hamburg

Skeletons

05.07. Berlin

Sóley

22.07. Berlin

Sookee

09.07. Freiburg 14.07. Bremen 19.08. Hamburg

Stabil Elite

09.07. Düsseldorf 16.07. Köln

Stereo Total

Tortoise

28.06. Leipzig 29.06. Dresden 04.07. Karlsruhe 05.07. Berlin

Travi$ Scott

16.08. Hamburg

Turbostaat

11.08. Rothenburg ob der T. 20.08. Potsdam

The Tallest Man On Earth 15.08. Leipzig

Tyler, The Creator 03.07. Frankfurt a. M.

Von Brücken 27.08. Gießen

Von Wegen Lisbeth

02.07. Lärz 16.07. Jetzendorf 17.07. Bremen

23.07. Blankenfelde 28.07. Elend 31.07. Varel 27.08. Salzwedel

Suuns

Weekend

05.07. München 30.08. Hamburg Geht weiter!

Thrice

23.08. Köln

Tindersticks

16.07. Darmstadt 17.07. Lörrach Geht weiter!

Tocotronic

08.07. Gräfenhainichen

We Are The City 29.07. Diepholz 30.07. Stuttgart 31.07. Bielefeld 01.08. Aachen 02.08. Mainz 03.08. Oberhausen 04.08. Münster 05.08. Beerfelden 06.08. Friedland

14.07. Darmstadt 16.07. Augsburg 27.08. Stade

We Invented Paris

Torsun

Whitney

10.08. Westergellersen Geht weiter!

21.07. Göttingen 21.07. Nordholz

27.06. Rees-Haldern 28.06. Jena

Wild Throne

23.07. Köln 25.07. Hamburg 26.07. Berlin

Zugezogen Maskulin 29.07. Varel 05.08. Horb a. N. 06.08. Hamburg 24.08. Köln

Die kommen, die Touren Alin Coen Band (22.09.–06.10.) Augustines (27.09.–05.10.) The Chemical Brothers (09.09.) Júníus Meyvant (02.–24.09.) Kakkmaddafakka (30.09.–01.10.) Martin Kohlstedt (03.09.–11.12.) Sea+Air (23.09.–10.10.) Trentemøller (20.–21.09.) Von Wegen Lisbeth (16.–29.10.) MOTHXR (19.–22.09.)

Die kommen, die Festivals Fritz – Die neuen Deutschpoeten (02.–03.09.) Golden Leaves (17.–18.09.) Lollapalooza Berlin (10.–11.09.) Melodica Festival Berlin (03.–04.09.) Reeperbahn-Festival (21.–24.09.) SWR3 New Pop (15.–17.09.) Trosse Kult (03.09.) Way Back When (29.09.–01.10.)

117


118

#Live #Festival

Haldern Pop Festival

Ruhrpott Rodeo

Einmal im Jahr wird aus dem niederrheinischen Dorf Haldern ein Brennglas der Leidenschaft für Musik – wer einmal davon in Brand gesteckt wurde, will immer wieder zurück.

Applaus für dieses sehenswerte Punkrock-Line-up. Möglich macht das unter anderem der neue Termin des Ruhrpott Rodeos im August.

Über 30 Jahre Festival-Erfahrung hat man im Dorf, und seine Bewohner sind keinesfalls Statisten, sie halten die Sache am Leben. Veranstalter Stefan Reichmann, einer der Ministranten, die dieses Fest vor Urzeiten ins Leben riefen, hat schon früh begriffen, dass man alle mit einbeziehen muss. Und auch wenn er und sein Team über die Jahre echte Trüffelnasen für großartige Musik bekommen haben, hat er immer darauf geachtet, die Menschen in seiner Umgebung mitzunehmen und zu begeistern. Deswegen stehen nicht nur großstädtische Hipster an den Altbierständen und lauschen dem, was die Bühne bereithält, sondern auch jene, die das ganze Jahr dort leben. Sie alle zusammen haben das Vertrauen, hier neue Musik kennenzulernen und großartige Momente zu erleben. Ob im legendären Spiegelzelt aus Eichenholz mit buntem Glas und Spiegeln im Jugendstil, auf der Hauptbühne oder in der Kirche des Dorfes – überall spürt man die Offenheit der Musik gegenüber und die Glaubwürdigkeit eines Festivals, das selber nicht mehr wachsen will, weil die Magie wichtiger ist als der Profit. Carsten Schumacher — 11.–13.08. Rees — Daughter, Die Nerven, Drangsal, Jack Garratt, Sara Hartman, Thees Uhlmann, Woman u. v. a.

MELT! Frischer Wind in Ferropolis: Das Melt! 2016 lockt nicht nur mit einem großartigen Line-up, sondern auch mit einer Menge vielversprechender Neuerungen.

2016 dürfen auch altgediente Melt!-Gänger noch mal auf Entdeckungsreise gehen, denn für die diesjährige Auflage des Festivals hat Ferropolis an ein paar Schrauben gedreht. So erwarten die Besucher auf dem alten Tagebau-Gelände am Gremminer See neue Areale wie den grünen Forest und eine frisch umgepflanzte Selektor Stage. Auch die Orangerie wird endlich wieder für Konzerte genutzt: Hier geben sich Newcomer wie Drangsal oder Isolation Berlin die Kabel in die Hand – wenn nicht gerade Specials wie die David-Bowie-Tribute-Show im Gange sind. Die beliebte Gemini Stage wiederum ist unter einen anderen Bagger gezogen und hat dessen Namen gleich mit übernommen: Medusa. Und wo sonst das Intro-Zelt stand, erstreckt sich jetzt eine vielfältige Kunst- und Kultur-Erlebniswelt namens Block Party. Dort geht es nicht nur kulinarisch heiß her. Die Spezialisten von Intro, Festivalguide, splash! und Praise legen auch noch ihre Lieblingsplatten auf. Die Wasserratten unter euch dürfen sich derweil über erweiterte Bademöglichkeiten am Seeufer freuen. Wer dagegen Kontrastprogramm auf dem Trockenen sucht, den lädt die #wearemelt-Stage auf dem Campingplatz je nach Wahl zum Abhängen oder zur Ertüchtigung ein. Ein Bündel starker Headliner macht das Rundumglücklich-Paket perfekt: Vor die Main Stage rufen mit Disclosure und Deichkind die zwei großen D ihrer Sparten. Darüber hinaus werden dort Tame Impala und Boys Noize aufschlagen, während Gourmet-Happen wie Andy Stott, Helena Hauff und Kytes die Stadt aus Eisen von den übrigen Bühnen aus zum Vibrieren bringen. Und für durchgetanzte Nächte war das Melt! sowieso schon immer Kompetenzzentrum. Schlaft also ruhig ein paar Runden vor.

»Milo goes Hünxe« – Die Descendents, auf deren Song hier angespielt wird, sind zurück und spielen beim Festival in der Nähe von Bottrop. Aber das ist nicht der einzige Act, der Punks die Freudentränen in die Augen treiben dürfte. Wir könnten schon mal Wetten abschließen, ob Henry Rollins und seine alten Bandkollegen von Black Flag nicht doch für wenigstens einen Song wieder zusammenkommen, denn sowohl Rollins solo als auch der BlackFlag-Nachfolger Flag spielen beim Festival. Bisher hatte das Ruhrpott Rodeo seinen Termin am Pfingstwochenende, zugunsten des Lineups und auch der Infrastruktur wurde das Festival nun in den August verlegt. Trotzdem dabei sind aber wie immer viele Punks, der Rodeo-Bulle und einige Dosen Bier. Aber nicht wegen des PunkKlischees, klar, sondern ganz einfach, weil Festival ist. Julia Brummert — 05.–07.08. Hünxe — Descendents, Flag, Henry Rollins, Lagwagon, Sick Of It All, Suicidal Tendencies, WIZO u. v. a.

Valentin Erning

Drangsal

— 15.–17.07. Gräfenhainichen — Boys Noize, Chvrches, Deichkind, Digitalism, Disclosure, DJ Koze, Drangsal, Ellen Allien, Gold Panda, Jamie Woon, Jamie xx, Kytes, M83, Maya Jane Coles, Modeselektor, Mura Masa, Oliver Koletzki, Peaches, Roosevelt, Sleaford Mods, Still Parade, Tame Impala, Two Door Cinema Club u. v. a.

Joey Cape, Lagwagon


#Live #Festival

HIGHFIELD Auf dem Highfield liegt die Latte in Sachen Feierlaune noch ein wenig (hö hö) höher als auf anderen Festivals. Das zeigt sich auch und vor allem im diesjährigen Line-up, das unter anderem Deichkind und Scooter aufbietet.

Alle Jahre wieder gibt es auf den FacebookSeiten der großen Festivals die üblichen müßigen Diskussionen, ob ein Line-up jetzt zu Rock oder nicht Rock genug ist, oder im Herzen überhaupt noch Indie – und war es das überhaupt mal? Gähn. Das Highfield pfiff schon immer auf diese Fragen. Das Publikum dort geht nämlich fast immer steil, wenn die Hauptbühne bespielt wird. Da

Obstwiesenfestival ist es nur schlüssig, dass man am Störmthaler See in Großpösna bei Leipzig sogar mal Scooter als Headliner bucht – die immer schon der gefeierte Guilty-Pleasure-Act jedes zweiten RockfestivalFans waren. Wer so gar nicht HP kann, wird sich aber kaum beklagen, denn das gewohnt vielseitige Programm, die Seeidylle und das laute HighfieldVölkchen werden einem schon klarmachen, warum dieses Festival als unangreifbarer Klassiker in der Open-Air-Landschaft rumsteht. In diesem Jahr fällt besonders ins Auge, dass eigentlich fast alle Abräumer aus heimischen (oder Nachbar-) Landen auf dem Highfield vertreten sind: Die Erfolgsgroller Rammstein, die Pointen- und Zitzenspritzer Deichkind, die »Oft gefragt«en AnnenMayKantereit, die brusthaarigen Wanda, die leider fünfe gerade sein lassenden Fünf Sterne Deluxe, der so gut musizierende wie moderierende Schulz’ens Olli, der auf Dauerfreigang rollende Haftbefehl ...

Mit Lage und Aufmachung setzt das Festival unter den kostenlosen Open Airs Maßstäbe.

Schnucklig geht es beim Obstwiesenfestival zu. Es sind nicht nur die hübsche Aufmachung (eine der zwei Bühnen ist ein Zirkuszelt) und die entspannte Atmosphäre, wegen der die 5.000 Besucher anreisen. Auch das Line-up kann sich sehen lassen. Und haltet euch fest: Der Spaß ist auch noch kostenlos. Sophia Sailer — 18.–20.08. Dornstadt — Antilopen Gang, Blood Red Shoes, Die Nerven, Isolation Berlin, L’aupaire, Mantar u. v. a.

Mini-Rock-Festival

Daniel Koch

Blumentopf

— 19.–21.08. Großpösna — AnnenMayKantereit, Bloc Party, Blumentopf, Deichkind, Die Orsons, Fjørt, Fünf Sterne Deluxe, Genetikk, Haftbefehl, Joris, Limp Bizkit, Madsen, NoFX, Olli Schulz, Rammstein, Schmutzki, Scooter, Skunk Anansie, Sum 41, Wanda, Wolfmother u. v. a.

CHIEMSEE SUMMER Party, Liebe, Dosenbier und das alles mit Blick auf das bayrische Meer, den Chiemsee. Zu hören gibt’s im Hintergrund knapp 100 Bands an fünf Tagen – mehr Festival-Feeling als hier geht kaum.

die Natur zu genießen und in Ruhe auf einem Festival zu eskalieren. Wie gesagt, besonders gut lässt sich zwischen Bauzäunen, Camping-Anlagen und Hauptbühnen tanzen, dafür ist das Chiemsee Summer, das 2014 aus dem Chiemsee Reggae Kaum macht sich der Sommer in unserer ge- Summer sowie dem vorgelagerten Chiemsee mäßigten Klimazone breit, träumen viele bereits Rocks hervorging, ausgelegt. von bunten Bändchen, Knutschen im Zelt, dem Sermin Usta Dreck in der Nase, Gummistiefeln und Gänse— 24.–27.08. Übersee — 257er, AnnenMayKantereit, ASD, haut-Momenten vor den großen FestivalbühBlumentopf, Damian Marley, Die Fantastischen Vier, Die nen. Und ja, eigentlich könnten wir hierzulande Orsons, Fritz Kalkbrenner, Joris, LaBrassBanda, Limp Bizkit, Moop Mama, NoFX, Prinz Pi, Razz, Sportfreunde Stiller, beinahe jedes Wochenende im Sommer auf ein Steve Aoki, Sum 41, The Prodigy, Wanda u. v. a. wunderbares Open-Air fahren. Dass gute Stimmung allein aber nicht reicht, beweisen die knapp 30.000 Wiederholungstäter des Chiemsee Summer im oberbayrischen Übersee. Denn wenn es nach diversen »Was für ein Festivaltyp bist du«-Tests ginge, sagt die Wahl deines Lieblingsfestivals eine Menge über dich aus. Der Stammgast des Chiemsee Summer hält es wie Goethe und denkt: »Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!« Tiefe Wälder, klare Seen, einmalige Berge – das ist Süddeutschland. Vom Bodensee bis zum Chiemsee, von den Allgäuer Alpen bis zum Bayerischen The Prodigy Wald finden sich hier unzählige Möglichkeiten,

Der Kalauer für diesen durchaus witzigen Festivalnamen wird einfach nicht alt.

Die Überzeugungstäter aus dem Schwarzwald werden auch in diesem Jahr für ein detailverliebtes Wochenende mit gleichmäßig ausgeschütteten Dosen aus Rock, Punk und HipHop sorgen. Mittlerweile gilt das Mini-Rock als heißer Tipp in der Festival-Szene – vollkommen zu Recht. Christian Steinbrink — 05.–06.08. Horb am Neckar — Antilopen Gang, Chefket, Die Orsons, Fjørt, Madsen, MoTrip, The Prosecution u. v. a.

Chefket

119


120

#Live #Festival

Flow Festival

Taubertal Festival

Finnland dürfte das extravaganteste Land im extravaganten Skandinavien sein – allein die irre Sprache ist die Reise wert.

Nah der beschaulichen Stadt Rothenburg findet jeden August ein Festival am Ufer der Tauber statt, das sich mit ganzem Herzen für die Umwelt einsetzt.

Die relativ kurze Geschichte der finnischen Unabhängigkeit von den Schweden und Russen, deren Einfluss und Nähe im alltäglichen Leben stets gegenwärtig sind, führt zu einem speziellen Sendungsbewusstsein der Finnen. Dies macht sich beim Kulturimport und -export bemerkbar. Das Flow Festival ist diesbezüglich ein Hot Spot. Neben den prominenten Slots, die in den letzten Jahren von Acts wie The National, Haim, Neneh Cherry oder Nick Cave belegt wurden, bekommt man auf dem verwinkelten Parcours einer Industriebrache unweit des Zentrums von Helsinki jedes Jahr ein Schaulaufen junger finnischer Acts geboten. Die inmitten des Trubels aufregend intim geratene 360-Grad-Bühne ist leuchtendes Beispiel für die Liebe der Finnen zum Design, die FlowFressmeilen haben mit dem Begriff Fast Food nur wenig zu tun und bereiten den hippen Finger-FoodConnaisseuren wohlige Gänsehaut. Obwohl man durchaus erhöhte Spesen einkalkulieren muss, denn nicht nur der Alkohol ist in Finnland eine Spur teurer, sei es jedem empfohlen, den Trip zum Flow anzutreten. Wolfgang Frömberg — 12.–14.08. FIN-Helsinki — Chvrches, Death Hawks, Descendents, Iggy Pop, Jaakko Eino Kalevi, Jamie xx, Massive Attack, Morrissey, New Order, Oscar Mulero, Pantha Du Prince, Sia, u. v. a.

Angel Haze

SPLASH! Das splash! Festival in Gräfenhainichen begeistert längst Besucher weit über sein eigenes Kernpublikum hinaus. Das ist nicht nur dem stellenweise überraschend eklektischen Line-up zu verdanken, sondern auch einer immer offener agierenden HipHop-Szene.

Trillwave, Aquacrunk, Cloud Rap – HipHop hat in den vergangenen Jahren eine Menge merkwürdiger Neologismen geschaffen. Wortschöpfungen, die vielerorts für Kopfschütteln sorgen, zugleich aber auch die steigende Vielfalt und Relevanz der ohnehin schon immer weitgefächerten Szene unterstreichen. Denn wo Reibung entsteht, muss schließlich auch Bewegung drin sein. Dabei gelingt es keinem deutschen Festival so gut wie dem splash!, diese wachsende Heterogenität einzufangen und zeitgemäß abzubilden. Lasst es den Aufstieg von Sonderlingen wie Yung Hurn sein oder auch den fortwährenden Flirt mit den Traditionen der elektronischen Club-Musik – auf dem splash! Festival wird diesem fahrigen wie hochinteressanten Zeitgeist jedes Jahr aufs Neue mit einem sorgfältig kuratierten Programm begegnet, das kaum Wünsche offen lässt und bei aller Aktualität nie seine eigenen Wurzeln vergisst. Denn die alten Helden sind auf den Bühnen der FestivalHalbinsel mindestens genauso gerne gesehen, wie der vielversprechende Nachwuchs. Ein Umstand, der dem splash! neben seiner stilistischen Breite auch noch einen generationsübergreifenden Habitus verleiht – muss man auch erstmal unter einen Hut bekommen. Kurz: Es muss in diesen Tagen Spaß machen, solch ein Festival zu veranstalten. Noch unterhaltsamer ist da freilich nur der Besuch als Gast, darf man sich als solcher doch auch einfach mal bedenkenlos treiben lassen. Und das kann durchaus als Vertrauensbeweis an die findigen Macher verstanden werden, denn auf irgendwas Interessantes stößt man immer – und sei es nur die Liebe zu einem längst vergessenen Helden der Jugend.

Auf dem Taubertal spielt am Rande des historischen Städtchens die ganze Bandbreite von Indie, Rock und Punk. Mit dabei sind auch dieses Jahr viele deutschsprachige und internationale Bands, große Namen und Newcomer. Seit Jahren schon ist dem Festival neben dem guten Line-up auch der Sinn für den Umweltschutz wichtig, weshalb das Event jedes Jahr nachhaltiger gestaltet werden soll. Es gibt ausgeklügelte Müll-Systeme, Green Camping und Komplettversorgung mit Ökostrom. Auch 2016 findet wieder der Band-Wettbewerb auf der kleinen Bühne statt, bei dem die Gewinner-Band im darauffolgenden Jahr auf der Hauptbühne spielen darf. Die Veranstalter rufen die Besucher dazu auf, ihren Müll wegzuräumen, denn die wunderschöne Lage auf der Eiswiese im Taubertal soll schließlich erhalten werden. Maja Stock — 11.–14.08. Rothenburg ob der Tauber — Adam Angst, Bosse, Boysetsfire, Donots, Feine Sahne Fischfilet, John Coffey, K.I.Z, Sum 41, Turbostaat, u. v. a.

Philip Fassing

Morrissey

— 08.–10.07. Gräfenhainichen — A-F-R-O, A$AP Ferg, Action Bronson, AJ Tracey, Anderson .Paak, Angel Haze, Azad, Beginner, CAS Is Dead, Edgar Wasser, Eko Fresh, Fatoni, Haftbefehl, LGoony & Crack Ignaz, Maeckes, Mick Jenkins, RAF Camora, SSIO, Stormzy, Teesy, Ty Dolla $ign, Weekend, Wiz Khalifa, Young Thug, Yung Lean u. v. a.

Adam Angst


#Live #Festival

SZIGET FESTIVAL Ganz Ungarn ist von den fiesen, rechtsdrehenden Orbanisten besetzt. Ganz Ungarn? Nein! Eine von unbeugsamen Freigeistern bewohnte Insel mitten in Budapest hört nicht auf, Widerstand zu leisten.

Okay, die Einleitung frei nach Asterix ist vielleicht ein klein wenig überzogen, aber man muss noch mal darauf hinweisen, dass dieses Traditionsfestival auf der wörtlich so benannten »Insel der Freiheit« ein Statement gegen das Ungarn-Bild ist, das Viktor Orbán dem Land mit seiner Politik und Rhetorik eingebrockt hat. Inmitten der Donau explodiert hier einmal im

Sommer ein Gemisch aus Kultur, Feierfreude, Hippie-Spirit und Livemusik, das in Europa seinesgleichen sucht. Das Line-up gibt dabei stets Anreize für deutsche Musikfans, da man ganz gezielt auch deutsche Acts bucht. IndieDarlings wie Isolation Berlin ebenso wie die deutschsprachigen Abräumer K.I.Z oder international gefragte Electro-Acts in der Kampfklasse Boys Noize. Trotzdem funktioniert das Sziget ein wenig anders als andere Festivals. Hier gibt es so viel Buntes zu entdecken, so viel Rahmen sprengendes Rahmenprogramm, so viel grüne Fläche zu erkunden, dass man eh vergisst, wen man eigentlich sehen wollte. Und als wäre das alles nicht schon genug Reizüberflutung, hat man ja noch diese wunderbare Metropole Budapest drum rum, deren Lockruf oft genug über das Wasser schallt. Was dem Sziget natürlich bekannt und vermutlich der Grund ist, warum die Macher sich so ins Zeug legen.

Folk im Park Das Festival im Marienbergpark in Nürnberg findet schon zum sechsten Mal statt.

Grund dafür ist neben der familienfreundlichen Atmosphäre das geschmackvolle Line-up, das sich zwischen Folk, Indie und Pop bewegt. Während die Großen auf Picknickdecken vor der Bühne der Musik lauschen, können die Kleinen sich im Kinderbereich zu diversen Angeboten austoben. Sophia Sailer — 24.07. Nürnberg — Black Oak, Boat Shed Pioneers, Joseph, Matthew And The Atlas, The Slow Show u. v. a.

Alínæ Lumr

Daniel Koch

The Chemical Brothers

Pure&Crafted Festival

— 10.–17.08. H-Budapest — Aurora, Bloc Party, Boy, Boys Noize, Chvrches, Crystal Castles, Editors, Fatoni, Isolation Berlin, Jake Bugg, Kaiser Chiefs, K.I.Z, Manu Chao, Mø, Muse, Rihanna, Róisín Murphy, Sia, Sigur Rós, The Chemical Brothers, The Last Shadow Puppets, u. v. a.

Sound Of The Forest

Klitzeklein und wunderschön: Das Festival in Storkow geht in die zweite Runde.

In diesem Jahr musste der Förster ran, die ersten Namen des Line-ups zu verkünden. Beim Alínæ Lumr macht das ganze Dorf Storkow mit: Konzerte gibt’s in der Burg, in leer stehenden Läden und auf dem Marktplatz, und lokale Anbieter sorgen für Speis und Trank. Julia Brummert — 26.–28.08. Storkow — Bannerman, Die Höchste Eisenbahn, Fenster, Keøma, Pins, Sophia Kennedy u. v. a.

Noel Gallagher

Lola Marsh

Hier kommt zusammen, was zusammengehört: Motorradkultur und Gitarrenmusik.

Wer Idylle sucht, kann sie im Odenwald finden. Stille womöglich nicht.

»New Heritage« ist das Stichwort dieses besonderen Festivals in Berlin. Denn neben den gitarrenlastigen Shows auf der Bühne können sich Besucherinnen und Besucher auch zum Thema Custom Bikes informieren, Profi-Bikern bei ihren waghalsigen Runden im Motodrom zuschauen und junge Design-Firmen kennenlernen, die unter anderem Jeans, Schmuck und Bartpflegeprodukte feilbieten. Und das alles mitten in der Stadt.

Klein und exklusiv ist das Gelände am Ufer des Marbachstausees. Kurzfilmen und Poetry Slams kann man beiwohnen, wenn hier das Sound Of The Forest stattfindet – jedenfalls tagsüber. Am Abend übernimmt dann die Musik und fügt dem Forest den Sound hinzu. Man kann schließlich nicht immer idyllische Waldspaziergänge machen oder über die Wasserrutsche gleiten, Musik braucht auch ihren Platz im Urlaubsfeeling.

Julia Brummert

Carsten Schumacher

— 12.–13.08. Berlin — Augustines, Band Of Skulls, Frank Carter & The Rattlesnakes, Noel Gallagher’s High Flying Birds, Slaves, Tim Vantol, Treetop Flyers, Vant u. v. a.

— 05.–07.08. Beerfelden — Blumentopf, Bonsai, Dubioza Kollektiv, Faber, Jeremy Loops, Lea, Lola Marsh, Meute, Say Yes Dog, Tiggs Da Author u. v. a.

Sophia Kennedy

Sophia Kennedy

121


122

#Live #Festival

DUTCH ACTS AT C/O POP

Bombay

Länderschwerpunkte sind schon lange Teil der c/o pop in Köln. Beim »Dutch Impact«-Abend am Freitag des Festivals gibt es wieder ein Schaulaufen der Talente unseres umtriebigen Nachbarlandes.

Wer die Niederlande kennt, weiß, dass das Land nicht nur geografisch zwischen England und Norddeutschland liegt, sondern auch kulturell. Besonders merkt man das an einer für die Größe des Landes extrem hohen Begeisterung für Popkultur, die sich in einer ebenfalls hohen Banddichte ausdrückt. Bands, für die das eigene Land schnell zu klein ist und die deswegen Botschafter

Nature One

in den angrenzenden Nachbarländern brauchen. Genau diese Botschafter sind es, die Showcases wie den »Dutch Impact«-Abend am 26. August im Rahmen der c/o pop ausrichten, wo die neuesten Talente schaulaufen, für die man sich in deutschen Konzertsälen gute Chancen ausrechnet. Rats On Rafts ist so eine Band. Die PostpunkFormation aus Rotterdam hat schon zwei Alben und eine EP veröffentlicht und Tour-Erfahrungen in Deutschland und Großbritannien. Jetzt soll es darum gehen, den Underground zu verlassen und eine Treppenstufe höher zu steigen. Nach fast zehn Jahren, die die Musiker zusammenspielen, kann man das mal wagen. Eine andere Band wäre das Trio Bombay aus Amsterdam, dessen Lo-Fi-Indie-Pop sich mehr und mehr von garagig zu groovy wandelt und das bereits vergangenes Jahr beim Eurosonic Festival in Groningen zu beeindrucken wusste und sein dynamisches Bühnenfeuerwerk auch auf Festivals in den USA und Südafrika abfackeln durfte. Weitere Acts werden noch bekannt gegeben. Carsten Schumacher

Appletree Garden

c/o pop Einmal im Jahr kommt der Pop aus dem Bett und schüttelt im Rahmen der c/o pop die Stadt am Rhein mal tüchtig durch.

Es tut sich was in Köln: Die c/o pop hat wieder ein Open-AirProgramm und bietet auch erneut ein Ticket für das gesamte Festival an – sogar für die Konzerte in der akustisch so wunderbaren Philharmonie am Dom. Natürlich kann man aber auch für einzelne Shows Tickets kaufen. Zusätzlich wird es auch wieder Shows mit freiem Eintritt geben, es werden Newcomer vorgestellt, dafür gibt es schwerpunktmäßig den Super-Samstag. Begleitend zum Musik-Programm des c/o pop Festivals wird es auch wieder die c/o pop Convention geben, die sich vornehmlich an Fachbesucher richtet. Dort beschäftigt man sich mit den Schnittstellen von Marken und Musik und mit der Verwertungskette von der Komposition bis zum Streaming oder Live-Auftritt. Zeitgleich und in Kooperation wird auch wieder die SoundTrack_Cologne als größter deutscher Kongress für Musik und Ton in Film, Games und Medien stattfinden. Carsten Schumacher — 24.–28.08. Köln — Drangsal, Gold Roger, Hinds, Isolation Berlin, Love A, OK KID, Ωracles, The Shins, Underworld, u. v. a.

Dominik Eulberg

Glass Animals

Alles, was Beine hat und auf Electro steht, gehört vom 5. bis 7. August in den Hunsrück. Die Nature One ruft.

Das Appletree ist längst kein Geheimtipp mehr, und doch fühlt es sich dank Location, Line-up und Besucherzahl wie einer an.

Bis zum Ende des Kalten Krieges hieß das Fleckchen Acker nahe Kastellaun im Hunsrück »Pydna« und diente der NATO als Raketenbasis. Mittlerweile hat sich eine weitaus schönere Nutzungsmöglichkeit gefunden: Mit der Nature One steigt vor Ort seit 20 Jahren eines der größten Events für im weitesten Sinne elektronisch veranlagte Musikliebhaber. Mit Techno, House, Trance und ihren Ablegern kommt hier alles auf die Bühne (und an die Sonne), was das RaverHerz begehrt.

Kein Wunder, dass das Festival jährlich ausverkauft ist, denn die Liebe zum Detail steckt in Flair und Line-up. Die Lichterketten in den Bäumen, die apfelförmige Discokugel an der Bühne, die Bimmelbahn zum Freibad – all das macht das Appletree Garden aus. Gekrönt wird die liebliche Location durch kleine Namen und längst bekannte Größen aus dem Indie-, Folkund Electro-Bereich. Dieses Jahr wird es eine Manege im Wald geben, die von Magiern und Akrobaten bespielt werden soll.

Valentin Erning

Maja Stock

— 05.–07.08. Kastellaun — Adam Beyer, Dominik Eulberg, Felix Kröcher, Gestört Aber GeiL, Klaudia Gawlas, Mark ‘Oh, Moguai, Paul Van Dyk, Robin Schulz, Sven Väth, u. v. a.

— 28.–30.07. Diepholz — Django Django, Georgia, Glass Animals, Her, Honne, Jamie Woon, Me And My Drummer, Parcels, Slow Magic, Sophie Hunger, u. v. a.

Jake Bugg


#Live #Festival

Tauron Nowa Muzyka

Rocco Del Schlacko

Utopia Island Nicht umsonst besteht das Logo des Festivals aus den vier Elementen und dem wichtigsten fünften: der Liebe.

Oneohtrix Point Never

Diesem Festival dürfte so schnell nicht der Saft ausgehen.

Das Tauron Nowa Muzyka trägt einen Energieversorger im Namen und konnte in seiner elfjährigen Geschichte bereits mehrfach den »Best Small European Festival Award« gewinnen. Dass es auch 2016 auf dem stillgelegten Kohlebergwerk unweit des Stadtzentrums von Katowice wieder preisverdächtig abgehen wird, dafür sorgt ein anspruchsvoller Mix aus organischem Groove, ausgefuchster Live-Elektronik, tanzbarem Techno und außerirdischem Jazz.

Fjørt

Auf der Sauwasen im Saarland vereint das Festival HipHop mit Rock und ist somit Anlaufstelle für alle, die genreübergreifend Spaß haben wollen.

Hinter den Großen verstecken muss sich das Festival schon lange nicht mehr, denn immerhin 28.000 Besucher nehmen den Weg jährlich auf sich. Auch das Line-up steht den Festivalriesen in nichts nach: Mit The Offspring, Biffy Clyro und Casper sind schon viele renommierte Bands und Solo-Acts auf den Bühnen des Rocco Del Schlacko aufgetreten und haben das Publikum begeistert.

Bastian Küllenberg

Sophia Sailer

— 18.–21.08. PL-Katowice — Battles, Deadbeat, Kev Fox, Kid Simius, Levon Vincent, Lubomyr Melnyk, Oneohtrix Point Never, Roots Manuva, Stara Rzeka u. v. a.

— 11.–13.08. Püttlingen — Bosse, Feine Sahne Fischfilet, Fjørt, Jennifer Rostock, John Coffey, Limp Bizkit, Sondaschule, Sportfreunde Stiller, Sum 41, Trümmer, Wanda u. v. a.

Pangea Festival

Stuttgart Festival

Über 80 Bands und DJs mit dem Fokus auf Elektronik bespielen seit 2010 die Bühnen des Utopia Island. Idyllisch mitten in Bayern gelegen, kann man sich zwischendurch eine Abkühlung im glasklaren Baggersee gönnen oder am Strand sonnen. Sophia Sailer — 18.–20.08. Moosburg — Bonaparte, Claire, Deichkind, Kytes, Lexer, Paul Kalkbrenner, Rampue, Watermät u. v. a.

Müssen alle mit Beim MAMF in Stade gibt’s nicht nur was zu futtern, sondern auch Indie-Rock und -Pop.

Bereits der Hinweg macht Spaß, denn von Hamburg aus lässt sich an der Tour de MAMF teilnehmen, der hauseigenen Radtour zum Festival. Vor Ort kann man dann alte Hasen wie Tocotronic und die »legendären« Fraktus, aber auch Newcomer wie Trümmer und Isolation Berlin genießen. Maja Stock — 27.08. Stade — Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen, Fraktus, Isolation Berlin, Tocotronic, Trümmer u. v. a.

Die Orsons

»Never. Stop. Playing.« – mit diesem Slogan wendet sich das Pangea Festival an verspielte Menschen mit Geschmack. Bitte unbedingt beim Wort nehmen!

Crystal Fighters

Auf drei Bühnen rund um die Messe Stuttgart gibt es zum zweiten Mal ein kunterbuntes Indie-Programm.

Wir können unser Glück kaum fassen: Auf dem Pangea Festival in Pütnitz bei Rostock steht nicht nur eine Hüpfburg parat, nein, auch Sackhüpfen, Eierlaufen und Tauchgänge im Bällchenbad gehören hier zum guten Ton. Programmpunkt: »Kindsein«. Wer dann noch sportliche Abstecher zum Kitesurfen, Wakeboarden und Breakdancen schafft, hat sich das geschmackvolle Line-up mit Acts wie Turbostaat, Kid Simius und der Antilopen Gang redlich verdient.

Dort, wo sonst Firmen ihre Messestände aufbauen, gibt es seit 2015 ein neues Festival. Benannt nach seiner Heimat, bietet das Stuttgart Festival nicht nur ganz unterschiedlichen Bands eine Bühne, sondern auch Raum für Nachwuchsdesignerinnen und -designer. Auf dem Art Market kann man prima sein Taschengeld loswerden und später voll bepackt mit Kunstdrucken, Krimskrams und schönen Erinnerungen heimfahren. Einen Campingplatz gibt es zwar nicht, dafür aber die Chance, Stuttgart besser kennenzulernen.

Valentin Erning

Julia Brummert

— 25.–28.08. Ribnitz-Damgarten — Antilopen Gang, Die Orsons, Frittenbude, K-Paul, Karate Andi, Kid Simius, LGoony & Crack, Romano, Turbostaat, TÜSN u. v. a.

— 29.–30.07. Stuttgart — Bilderbuch, Crystal Fighters, Dexter, Frittenbude, GEoRGiA, Glass Animals, Roosevelt, S O H N, Still Parade, The Slow Show, The/Das u. v. a.

Fraktus

123


124

#Live #Festival

PICKNICK OPEN Zwei Locations, zwei Line-ups, ein Feeling: Das Picknick Open kommt ab sofort in doppelter Ausführung.

Adel Tawil und Joris? Oder doch lieber Forster, Dittberner und Oerding? Um diese schwierige Entscheidung wird man am 23. Juli nicht herumkommen, denn das Picknick Open hat sich auf zwei Standorte und Spielpläne verteilt. Die gute Nachricht: Ein Feuerwerk gibt’s garantiert, und an Picknick-Ambiente wird es weder auf der Loreley noch auf der Peißnitzinsel fehlen. Valentin Erning

Teesy

— 23.07. St. Goarshausen — Adel Tawil, Joris, Namika, Teesy u. v. a. + Halle (Saale) — Johannes Oerding, Mark Foster, Philipp Dittberner u. v. a.

Wenn der Kegelverein Bier verkauft und der Pastor ReggaeBands in die Kirche lädt, dann ist Reggae Jam in Bersenbrück.

Beschaulich ist wohl das richtige Wort, um Bersenbrück zu beschreiben. Einmal im Jahr jedoch ist es aus mit der Ruhe: Reggaeund Dancehall-Fans strömen ins Dorf, um im Klostergarten zu OffBeats zu tanzen und zu feiern. Und die Dörfler feiern einfach mit. Julia Brummert — 29.–31.07. Bersenbrück — Admiral Tibe, General Degree, Silly Walks feat. Patrice, Sophia Squire, Tony Rebel u. v. a.

Jenseits von Millionen

JUICY BEATS Dortmund und sein quietschbuntes Festival beleben den Pott wie eine Vitaminkur.

AnnenMayKantereit

Reggae Jam Festival

Das kleinste, netteste Festival in einer der offiziell kleinsten Städte Deutschlands.

Das Juicy Beats hatte 2015 im Zuge des 20. Geburtstags sein Programm auf zwei Festivaltage erweitert. Dann kam allerdings ein Unwetter, und der Festivalsamstag musste ausfallen, was die Veranstalter keinesfalls einfach so hinnehmen wollten. Entsprechend gibt es in diesem Jahr wieder zwei Festivaltage, und alle drücken die Daumen, dass es meteorologisch diesmal glatt läuft. Das Line-up hätte es verdient.

Viel zu wenig Platz für die Liebeserklärung, die dieses Festival verdient hätte. Deshalb die Fakten: eine Location wie eine bewohnbare Playmobilburg, Aftershowtänze in Schulsporthallen in Wohnzimmergröße und jedes Jahr mindestens eine Band im Line-up, über die zwei Jahre später die heimische Musikpresse jubelt.

Carsten Schumacher

Daniel Koch

— 29.–30.07. Dortmund — 257ers, AnnenMayKantereit, Dan Mangan, Dear Reader, Deichkind, Drangsal, Feine Sahne Fischfilet, Fritz Kalkbrenner, MoTrip, Wanda u. v. a.

— 05.–06.08. Friedland — Klaus Johann Grobe, Die Heiterkeit, Locas In Love, Messer, Ωracles, Still Parade u. v. a.

A SUMMER'S TALE Ein Märchen von einem Festival in der Lüneburger Heide, das viel mehr kann als nur Musik.

Die Indie- und Folk-Musik ist nur ein Teil im breiten Programm des A Summer’s Tale. Denn neben Konzertenbesuch großer und kleiner Acts kann man an den vier Tagen auch Kanu fahren, vielseitiges Essen genießen, Lesungen hören und Workshops besuchen. Das krönende Highlight ist aber doch musikalischer Natur: der exklusive Deutschland-Auftritt von Sigur Rós! Maja Stock

Ben Caplan

— 10.–13.08. Westergellersen — Adam Green, Garbage, Glen Hansard, José González, Noel Gallagher’s High Flying Birds, Sigur Rós, Thees Uhlmann, The Slow Show u. v. a.

Klaus Johann Grobe


#Live #Festival

Rocken am Brocken

Pohoda Festival

Angst macht keinen Lärm Ein Muss für Menschen, die deutschsprachigen Punkrock mögen.

The Subways

Sigur Rós

Zum Zehnjährigen lässt es das Rocken am Brocken nicht nur im Line-up richtig krachen!

Es gibt viele Gründe, die für einen Besuch des slowakischen Pohoda Festivals sprechen.

Auf erstmals fünf Bühnen spielen Bands und Solo-Acts Indierock und -pop sowie HipHop. Doch wird am Brocken nicht nur gerockt: Folgt man dem Akustikpfad in das Herz des Harzer Waldes, kann man akustischer Musik lauschen und die Natur genießen. Sportlich wird’s beim Duell der Giganten, dem Tauziehen, das dieses Jahr zum zweiten Mal stattfindet. Außerdem kann man beim Fußball- und Volleyballturnier sowie an Lesungen und Workshops teilnehmen.

Günstige Preise, osteuropäischer Charme, kurze Schlangen, piekfeine Wiesen (Insiderwissen!) und ein ausgewogenes Line-up mit Theater, Kunst und Musik. Im Gegensatz zu anderen Festivals schafft das Team in Trenčín den atmosphärischen Spagat zwischen Indie-Charme und Big-Player-Dynamik. Hier kann man sich drei Tage lang treiben lassen, zwischen Bühnen und Ständen schlendern und dabei Live-Acts wie PJ Harvey und Prodigy erleben.

Maja Stock

Sermin Usta

— 28.–30.07. Elend — Antilopen Gang, Die Nerven, GEoRGiA, Heisskalt, Kytes, L’aupaire, Razz, Seth Schwarz, Sophie Hunger, The Subways, Von Wegen Lisbeth, Weval u. v. a.

— 07.–09.07. SK-Trenčín — Alex Vargas, Chicks On Speed, , James Blake, Lola Marsh, Nina Kraviz, PJ Harvey, Poliça, Róisín Murphy, Savages, Sigur Rós, ,The Prodigy u. v. a.

Parookaville

Ruhrtriennale

Turbostaat und Pascow veranstalten ein Festival, verweisen im Namen auf Jens Rachut – »Angst macht keinen Lärm« ist ein Angeschissen-Zitat – und laden einen Haufen großartiger befreundeter Punkrockbands ein. Nach Stopps in Trier und Leipzig geht’s diesmal nach Potsdam. Noch Fragen? Julia Brummert — 20.08. Potsdam — Die Nerven, Duesenjaeger, Freiburg, Lygo, Pascow, Turbostaat u. v. a.

Olgas Rock Im Ruhrgebiet pflegen Open Airs für den schmalen Geldbeutel eine schöne Tradition.

Im Olga-Park in Oberhausen kann man an zwei Tagen Mitte August zu durchaus namhaften Acts aus Rock, Punk und energischem Electro abgehen. Ein Ticket muss man dafür nicht kaufen, frühzeitig vor Ort zu sein ist wegen des Jahr für Jahr enormen Andrangs aber dringend empfohlen. Christian Steinbrink — 12.–13.08. Oberhausen — KMPFSPRT, Le Fly, Liar, Liedfett, LOT, Mantar, The Subways, The Tips, TÜSN, u. v. a.

Steve Aoki

Der Trend geht deutlich zur Gründung von EDM-Ländern auf der ganzen Welt.

In Bescheidenheit sprechen wir im Fall Parookaville noch von einem EDM-Dorf, aber schon mit Bürgerbüro, Bürgermeister, Postamt, Kirche, Kirmes und, ab diesem Jahr: einem eigenen Knast. Der Start im vergangenen Jahr war mit 25.000 Besuchern schon ein Überraschungserfolg. 2016 werden nun 50.000 »Bürger« mit ihrem Parookaville-Pass einreisen, um getreu dem Motto »Madness, love and pure happiness!« gemeinsam mit 150 DJs auf zehn Bühnen zu feiern und das Dorf nun ebenfalls auf die Größe eines Landes zu bringen. Kommt nach EU jetzt EDM?

Peaches

Auch wenn die Ruhrtriennale als Kunstfestival nicht in erster Linie auf popkulturelle Themen ausgerichtet ist, findet sich in ihrem Programm eine ganze Reihe herausragend kuratierter Pop-Veranstaltungen.

Zentral ist die Ritournelle am 13. August in der Bochumer Jahrhunderthalle, bei der unter anderem Moderat, Peaches und Oneohtrix Point Never auftreten. Danach gibt es aber auch noch außerordentlich konzeptionierte Auftritte von Sunn O))), Holly Herndon und den Tindersticks. Auch ein Blick auf das Theater- und Tanz-Programm der Veranstaltungsreihe durch die Industriedenkmäler des Ruhrgebiets lohnt.

Carsten Schumacher

Christian Steinbrink

— 15.–17.07. Weeze — Alle Farben, Axwell & Ingrosso, Blasterjaxx, Borgore, Felix Jaehn, Gestört Aber GeiL, Moguai, Steve Aoki, Tiësto, Tube & Berger, Watermät u. v. a.

— 12.08.–24.09. Bochum, Dortmund, Essen, Moers, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen — Moderat, Oneothrix Point Never, Pantha Du Prince, Peaches, Sunn O))) u. v. a.

LOT

125


126

#Preview #Block Party

#Block Party

DER BLOCK HAT AUSGANG: BEACHPARTY BEIM SPLASH! UND MELT! Seit 2013 präsentiert unser Verlag mit den Magazinen Intro, Festivalguide und Praise eine eigene Area auf dem splash! und dem Melt! Festival. Die im letzten Jahr auf den Namen Block Party getaufte Sause wird in diesem Jahr noch einmal aufgepimpt und zieht in Strandnähe. Wie immer gibt’s dazu DJSets, Give-Aways, unsere Hefte, und dank unserer Partner kann man sogar hin und wieder ‘nen Free Drink gewinnen.

I

m letzten Jahr feierten wir die Block Party mit euch in einer Kulisse, die von Filmen wie »Wild Style« und eben »Dave Chappelle’s Block Party« inspiriert war. Diesmal hat die Block-Party-Crew sozusagen Ausgang und wird auf beiden Festivals ein neues Areal in Strandnähe bespielen. Dementsprechend wird die Kulisse eher aussehen, als hätten wir eine Finca auf Ibiza geentert. Unverändert bleibt jedoch, dass die Block Party als Treffpunkt, Abenteuerspielplatz, Chiller-Lounge und Bühne für DJ-Sets und Meet&Greet-Aktionen dienen wird. Das Programm wird dabei von Intro und unserem neuen Sneakers mag Praise kuratiert und die von uns gewohnte Mischung aus Newcomern, Klassikern und wirklich seltsamem Zeugs servieren. Stilistisch kann dabei alles passieren: Disco? House? Soul? Indie? HipHop? AOR? Wen schert es, was auf der Schublade steht, wenn es gut ist? Bisher bestätigt sind u. a. HADE, CutOff!­ CutOff!, Buraketes Süperdisco, Falk Schacht, Nugat, Sesner, Johnny & Gutta von BTYCL, Jörg Kühnel, DJ Schmusewelt, Disco Volante, Rave It Like It Is, Joschka Bauer & Crackler und natürlich die »Intro Allstars« aus Redaktion & Team. Die Highlights beim Melt! sind zweifelsohne der »Too Slow To Disco«-Allnighter mit DJ Supermarkt, die Nacht der Prince Charles

Crew (u.a. Paul Wuttke, Harris, Alex Gallus, IamKimKong u.v.m.) – und darüber hinaus haben wir bestimmt noch einige Special Guests und Überraschungen in petto! Im Festivalguide-»Shop« gibt es wieder die aktuellen Ausgaben all unserer Magazine, Blättchen, diverse Give-Aways und viele Überraschungen. Beim splash! finden im angegliederten »Creative Camp« sogar diverse Workshops statt. Auf beiden Festivals laden unsere Partner von Frangelico auf eine gepflegte Haselnuss mit Schuss. Im Bingo Café kann man sich an Omis Lieblingsspiel versuchen und dabei die zeitgemäße Variante ihres Lieblingsdrinks gewinnen. Der Haselnusslikör von Frangelico hat dabei so gar nichts mit der staubigen Nussplörre zu tun, die man damals aus Opas Wohnzimmerschrank stibitzt hat. — Termine: splash! Festival: 10.–12.07. — Melt! Festival: 17.–19.07. — Das komplette Programm und alle Infos findet ihr auf intro.de unter #BlockParty.


#Preview

BLOOD RED SHOES (UK) CARL BARÂT & THE JACKALS (UK) ANTILOPEN GANG (DE) THE BOXER REBELLION (UK) THE SLOW SHOW (UK) MANTAR (DE) STICKY FINGERS (AUS) AV AV AV (DK) // ALGIERS (US) VITA BERGEN (SE) ISOLATION BERLIN (DE) DIE NERVEN (DE) L'AUPAIRE (DE) K-X-P (FI) // XIXA (US)

OBST WIESEN FESTIVAL.de

U

P

D

A

T

Sa. 09.07.2016 | Luxor, Köln

ALLEN STONE Mo. 11.07.2016 | Luxor, Köln

THE DEVIL MAKES THREE Di. 19.07.2016 | Stadtgarten, Köln

NICK WATERHOUSE Fr. 29.07.2016 | Luxor, Köln

THE DEAD DAISIES Mo. 08.08.2016 | Luxor, Köln

FIDLAR Fr. 12.08.2016 | Luxor, Köln

BOSCO ROGERS (UK) IMPALA RAY (DE) VAN HOLZEN (DE) BENNI BENSON (DE) ADULESCENS (DE) // GIN GA (AT) LUKE NOA & THE BASEMENT BEATS (DE) ERIC ARIKAN (DE) BAMBOOZE BROS. (T-REX & MONTARO) (DE) SONGSLAM ULM FINALE (DE) u.v.m.

18.-20. August umsonst&draussen Dornstadt/Ulm

THE ANSWER Mi. 24.08.2016 | Blue Shell, Köln

SERATONES Di. 06.09.2016 | Blue Shell, Köln

MATT WILDE Do. 08.09.2016 | Kulturkirche, Köln

SAM BEAM AND JESCA HOOP Fr. 09.09.2016 | Blue Shell, Köln

SUNS OF THYME Sa. 10.09.2016 | Luxor, Köln

JOHN COFFEY special guest: Swain So. 11.09.2016 | Studio 672, Köln

TIMOTHY AULD Di. 13.09.2016 | Underground, Köln

PRÄSENTIERT

NIC. O R T O TOC . ÜMMER R T . S NI. FRAKTU . FATO IN N BERL O I T EN A L ISO HNLICH Ö W E G A DER DIE LIG EN. ARCELS. P EM GENTL N: ERATIO MOD ANKIE. KAT FR

27.08.16 DAS FESTIVAL IN STADE

11. INTERNATIONALER MUSIKSOMMER

Präsentiert von:

Mit freundlicher Unterstützung von:

Eine Veranstaltung von:

MEADOWS +++

IAN FISHER +++

DAIANA LOU +++

SVAVAR KNUTUR +++

FIL BO RIVA +++

BERNHARD EDER +++

FABRIZIO CAMMARATA +++

PAULA TEBBENS +++

28.6. CHARLES BRADLEY 29.6. CHLOE CHARLES 13.7. EAST CAMERON FOLKCORE 14.7. THE LYTICS 27.7. XIXA 29.7. KAKKMADAFFAKKA 01.8. MOLOTOV 13.8. SHANTEL & BUCOVINA CLUB ORKESTAR 24.8. QUEENSRŸCHE

BÜRGERPARK. EINLASS: 12 UHR. BEGINN: 13 UHR.

Tickets gibt es im Tapete-Ticketshop und bei allen bekannten Vorverkaufsstellen www.muessenallemit.de www.tapeterecords.com

MOOSE BLOOD support: Pup & Luca Brasi

THE BLACK ATLANTIC +++

TOWN OF SAINTS +++

TIM NEUHAUS +++

LUCKLESS +

2 SPECIAL SECRET GUESTS 3. & 4. SEPTEMBER ´16

INFOS & TICKETS: ZAKK.DE

Mi. 14.09.2016 | Luxor, Köln

FAMILY 5 Do. 15.09.2016 | Blue Shell, Köln

KAGOULE So. 18.09.2016 | Luxor, Köln

KYLE GASS BAND Do. 22.09.2016 | Blue Shell, Köln

MOTHXR Do. 22.09.2016 | Underground, Köln

JULY TALK Sa. 24.09.2016 | Studio 672, Köln

BENNE So. 25.09.2016 | YUCA, Köln

WINTERSLEEP Mo. 26.09.2016 | Luxor, Köln

THE PARLOTONES Mo. 26.09.2016 | Gebäude 9, Köln

VON WEGEN LISBETH Mo. 26.09.2016 | YUCA, Köln

CHRIS PUREKA

Einlass: ab 14:00 Uhr BIRGIT & BIER Schleusenufer 3, 10997 Berlin

Eintritt auf Spendenbasis! gefördert durch:

präsentiert von:

prime entertainment www.prime-entertainment.de

E

127


#Preview

Die Höchste Eisenbahn Wer bringt mich jetzt zu den Anderen Präsentiert von Ampya, ByteFM, laut.de & Musikexpress

Malky

Where is Piemont? Live

Rostock Bremen Münster Frankfurt Köln Hannover Dresden Leipzig

08.11. 09.11. 10.11. 11.11. 13.11. 15.11. 16.11. 17.11.

Osnabrück Essen Würzburg Magdeburg Berlin Erlangen Freiburg Stuttgart

18.11. CH-Schaffenhausen 19.11. CH-Zürich 21.11. München 22.11. AT-Wien 24.11. Heidelberg 25.11. Erfurt 26.11. Hamburg

SCHLACHTHOF WIESBADEN MURNAUSTR.1 65189 WIESBADEN

03.07. SO

DISPATCH / MATZE ROSSI

Hamburg Dortmund Mannheim Frankfurt Köln Erfurt Berlin

18.10. 19.10. 20.10. 21.10. 23.10. 24.10. 09.11.

Leipzig Nürnberg AT-Wien München Dresden Stuttgart Augsburg

10.11. 11.11. 12.11. 01.12. 02.12.

04.07. MO

MORGAN HERITAGE

13.07. MI

THE DEVIL MAKES THREE

15.07. FR

KING KHAN & THE SHRINES

18.07. MO

DAMIEN JURADO

22.07. FR

BABA ZULA

08.09. 09.09. 10.09. 11.09. 04.10. 05.10.

Düsseldorf Braunschweig Dresden Potsdam Ludwigshafen Stuttgart

06.10. 07.10. 08.10. 21.10. 22.10. 23.10.

Frankfurt Nürnberg Osnabrück Norderney Kiel Lübeck

24.10. 25.10. 27.10. 29.10. 30.10.

29.07. FR

CAPTAIN CAPA / WE ARE ROME

09.08. DI

RADIO MOSCOW

28.08. SO

BONAPARTE (STAATSTHEATER WIESBADEN)

16.09. FR

MATT WILDE FEAT. SÖNKE TORPUS

06.12. 07.12. 08.12. 10.12.

Gütersloh Köln Oldenburg Husum

11.12. 13.12. 14.12. 15.12.

Berlin Aschaffenburg Braunschweig Worpswede

16.12. Bad Oldesloe

25.09. SO

SSIO

30.09. FR

BIRDY / SUPPORT: LAWRENCE TAYLOR

04.10. DI

SEA + AIR

07.10. FR

OKTA LOGUE

12.10. MI

BLUES PILLS / KADAVAR

13.10. DO

TRÜMMER

14.10. FR

MARTIN KOHLSTEDT (MUSEUM WIESBADEN)

18.10. DI

NEW MODEL ARMY

22.10. SA

FUNNY VAN DANNEN

26.10. MI

GRAHAM CANDY / SUPPORT: GOLDKRAUT

28.10. FR

NEONSCHWARZ / WAVING THE GUNS

30.10. SO

SEASICK STEVE

04.11. FR

DRANGSAL

06.11. SO

NADA SURF

07.11. MO

OK KID

11.11. FR

THE LUMINEERS

12.11. SA

SWANS / SPECIAL GUEST: ANNA VON HAUSSWOLFF

21.11. MO

ROYAL REPUBLIC

29.10. 30.10. 31.10. 01.11. 02.11. 04.11. 05.11. 06.11. 21.-24.09. 30.09. 01.10. 11.10. 12.10. 14.10. 16.10.

Mister Me

Ich trink immer noch auf dich Tour 2016 Präsentiert von ThePick

Pohlmann Jahr aus Jahr ein 2016 Präsentiert von Akustik Gitarre & kulturnews

Sarah and Julian

20.10. Berlin 21.10. Rudolstadt 23.10. Bremen

24.10. Lüneburg 26.10. Lichtentanne 27.10. Bielefeld

CH-Zürich Freiburg CH-Bern Bremen Hannover

Lüneburg Leipzig Hildesheim Reutlingen Saarbrücken verlegt

29.10. Nürnberg 30.10. Frankfurt

Birthmarks live

Gloria Geister 2016

16.07. Schwedt 18.08. Kassel

19.08. Königs Wusterhausen 21.08. Hamburg

Alle AngAben ohne gewähR

128

www.tickets.gastspielreisen.com Gastspielreisen Rodenberg GmbH Dieffenbachstraße 33 | 10967 Berlin-Kreuzberg Tel 030 8321 822 22 | www.gastspielreisen.com

(WALHALLA SPIEGELSAAL)

27.11. SO GREGOR MEYLE Unser komplettes Programm findet ihr im Internet unter

schlachthof-wiesbaden.de

Sa 23.07.16

DaviD Jackson

Fr 29.07.16

krohn & LöDing: sounD of the cities

Sa 30.07.16

kero kero Bonito & hanna Leess Fr 09.09.16

aaron

Sa 01.10.16

aLin coen BanD

Mi 05.10.16

JMsn

Do 06.10.16

eko fresh

Fr 07.10.16

goLD PanDa

Do 13.10.16

goat

Sa 15.10.16

MaLakoff kowaLski

Fr 28.10.16

John kaMeeL farah

Fr 28.10.16

John grant

Do 10.11.16

JuLia hoLter

Do 17.11.16

stereo totaL

Heidelberg / Am Karlstor 1 Telefon 0 62 21 . 97 89 11

E-wErk ErlangEn 12.07 GOD IS AN ASTRONAUT 27.07. MOTHER TONGUE 28.09. OKTA LOGUE 29.09. MINE 30.09. STUDIO BRAUN 02.10. AUGUSTINES 14.10. HEISSKALT 09.11. L’AUPAIRE 15.11. HÖCHSTE EISENBAHN 29.11. DONOTS www.E-wERK.DE


#Preview

J J U U L L

11.07. GIBSON 20.00 JURASSIC 5

TERMINE AB JULI 2016

IBEYI

26.07. PALMENGARTEN 19.30 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ SÓLEY

www.hafen2.net

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 19.07. PALMENGARTEN 19.30

20

16

09.08. PALMENGARTEN 19.30 AN EVENING OF WORDS & MUSIC WITH PATTI SMITH

12.10.2016 TEESY <<Konzerte Im FZW>>

04/07 08/07

11/07 28/07 29/07

SUMAC YOUTH BRIGADE FESTIVAL: EGOTRONIC, CHEFDENKER,U.V.A. THE BRONX+ FRANK CARTER & THE RAT TLESNAKES MOTHER TONGUE SPASTIC FANTASTIC FESTIVAL

30/07 LIVEUROPE STAGE @ JUICY BEATS FESTIVAL: BLONDAGE FKA RANGLEKLODS, JOY CUT, RAZZ, IVAN & THE PARAZOL 05/08 06/08 13/08 16/08 18/08 14/09 16/09 23/09 24/09 27/09 29/09 -01/10 02/10 07/10 09/10 11/10 12/10 14/10

PHILIPP DITTBERNER

BURY TOMORROW E-SPORTS PUBLIC VIEWING BEACH SLANG MUTOID MAN FARID BANG T-ZONE BENNE KARATE ANDI MAX GIESINGER WAY BACK WHEN FESTIVAL TANKCSAPDA THE BASEBALLS MUNCIE GIRLS EKO FRESH TEESY BAMBULE: FÜNF STERNE DELUXE, CURSE, MAIN CONCEPT,... DANJU

18/10 19/10 HEINZ RUDOLF KUNZE 12/10 TEESY 20/10 AURORA 21/10 MADELINE JUNO 23/10 KONTRA K 26/10 ASP 05/11 LEAFMEAL FESTIVAL 11/11 SEVEN 12/11 DRANGSAL 14/11 SARAH & PIETRO 18/11 SHANTEL & BUCOVINA CLUB ORKESTAR 20/11 RALPH RUTHE 23/11 RECKLESS LOVE 24/11 SOLD OUT! DIE DREI ??? RRP 25/11 MIRJA BOES & BAND SOLD OUT! CHRIS TALL 27/11 28/11 FRIDA GOLD 01/12 POETS OF THE FALL INFOS & TICKETS WWW.FZW.DE

WWW.FACEBOOK.DE/FZWEVENT FZW | RITTERSTR. 20 | 44137 DORTMUND

03.09. ZOOM 20.00 WOLF ALICE 15.09. ZOOM 20.00 HOODIE ALLEN 18.09. ZOOM 20.00 THE JAYHAWKS 22.09. BROTFABRIK 20.00 ALA.NI 01.10. MOUSONTURM 20.00 STUDIO BRAUN 02.10. ZOOM 20.00 LAPSLEY 03.10. BATSCHKAPP 20.00 FLATBUSH ZOMBIES 18.10. BATSCHKAPP 20.00 SAMY DELUXE 20.10. MOUSONTURM 21.00 JACQUES PALMINGER & 440 HZ TRIO

LIVE FR 08 SA 09 SO 10 FR 15 SA 16 SO 17

HAFEN 2

En Vivo Pioneros Latinos Crimsonandblue The New Division Highest Sea Mother of the Unicorn, Helen Fry FR 22 She Owl SO 31 The Wishing Well OPEN AIR KINO FR 08 Liebe Halal SA 09 Schnick Schnack Schnuck FR 15 Atomic Falafel OPEN AIR KINO (AUG) FR 05 Tangerine LA

U Di. 23.08.2016 | Gloria, Köln

ANDERSON .PAAK & THE FREE NATIONALS

P

D

A

25.10. ZOOM 21:00 MADELINE JUNO

SEASICK STEVE Fr. 21.10.2016 | Live Music Hall, Köln

THE FALL OF TROY DEAD special guest: Tiny Moving Parts Di. 30.08.2016 | Essigfabrik, Köln

KENNEDYS

Mo. 26.09.2016 | Gloria, Köln

WALKING ON CARS Fr. 30.09.2016 | Live Music Hall, Köln

KATATONIA

Do. 06.10.2016 | Essigfabrik, Köln

Sa. 22.10.2016 | Die Kantine, Köln

DUA LIPA

So. 23.10.2016 | Live Music Hall, Köln

DUB FX

AGAINST THE CURRENT

Mo. 24.10.2016 | Essigfabrik, Köln

So. 09.10.2016 | Turbinenhalle, Oberhausen

POLICA

BIRDY

BEAR´S DEN

Do. 27.10.2016 | Die Kantine, Köln

Di. 01.11.2016 | E-Werk, Köln

So. 09.10.2016 | Gloria, Köln

THE CAT EMPIRE special guest: Tinpan Orange

Di. 11.10.2016 | Essigfabrik, Köln

Di. 01.11.2016 | Essigfabrik, Köln

ALL THEM WITCHES

Do. 13.10.2016 | Essigfabrik, Köln

RED FANG + Torche + special guest

JEREMY LOOPS Sa. 05.11.2016 | Live Music Hall, Köln (Verlegt vom Luxor)

NATHANIEL RATELIFF & THE NIGHT SWEATS

Sa. 20.08.2016 | Palladium, Köln (Verlegt von der Live Music Hall)

Fr. 30.09.2016 | Palladium, Köln

Di. 04.10.2016 | Palladium, Köln

STEEL PANTHER

2 intro 07 &HAFEN 08.16.qxp_Layout 1 Sa. 1422.10.2016 | Palladium, Köln Nordring 129, D 63067 Offenbach

PASSENGER 11.08.2016 / DO

Doctor Krapula 27.08.2016 / SA

27.10. ZOOM 21.00 DIGITALISM

im Rahmen von 30 Jahre Bahnhof Langendreer – die große Geburtstagsfeier Eintritt frei

29.10. BROTFABRIK 20.00 HELGE TIMMERBERG 30.10. JAHRHUNDERTHALLE 20.00 PASSENGER 14.11. STADTHALLE OFFENBACH 20.00 BEGINNER 28.11. BATSCHKAPP 20.00 MAXIM 07.12. MOUSONTURM 20.00 ROCKO SCHAMONI & CHRISTOPH GRISSEMANN

special guest: Gregory Alan Isakov Do. 10.11.2016 | Palladium, Köln

"AMA-ZONAS"-Tour 2016

26.10. BATSCHKAPP 20.00 KONTRA K.

Banda Senderos

Fr. 18.11.2016 | Palladium, Köln

Fr. 25.11.2016 | Palladium, Köln (Verlegt vom E-Werk)

20.10.2016 / DO

Riders Connection Support: Jon and Roy

Sa. 26.11.2016 | Palladium, Köln

03.11.2016 / DO

Gasandji

Soul & Reggae treffen auf kongolesische Klänge

Mo. 28.11.2016 | König-Pilsener-Arena, Oberhausen (Verlegt von der Turbinenhalle)

09.11.2016 / MI

Sarah Lesch

"Von Musen und Matrosen"-Tour

Sa. 21.01.2017 | König-Pilsener-Arena, Oberhausen Fr. 27.01.2017 | Lanxess Arena, Köln

16.11.2016 / MI

The Angelcy

Alternative Folk aus Tel Aviv

18.11.2016 / FR TICKETS MOUSONTURM: TEL 069.405.895-20 WWW.MOUSONTURM.DE INFOS BROTFABRIK: WWW.BROTFABRIK.INFO

WEITERE VERANSTALTUNGEN: WWW.MARKUSGARDIAN.DE

E

Mi. 19.10.2016 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

Sa. 29.10.2016 | Palladium, Köln

22.10. MOUSONTURM 21.00 NILS PETTER MOLVAER

T

Peter Pux

Deutscher Singer-/Songwriterpop

prime entertainment www.prime-entertainment.de

129


130

#Preview #Demnächst #Katz und Goldt

Demnächst: Intro No. 245 — 29.08.2016

Fatih Akin über »Tschick«, Angel Olsen, Newcomer-Special: Dänische Delikatessen, AlunaGeorge, Beginner, Kathleen Hanna, Reise zu den Schauplätzen der Serie »Vinyl«



edwin-europe.com


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.