Intro #254

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#Pop #Kultur #Life #Style — Portugal.The Man — Waxahatchee — Lea Porcelain — Broken Social Scene — Tim Berresheim

#254 Juli & August 2017 gratis www.intro.de

FABER

Bist du oben mit ihm?

Lana Del Rey — Luc Besson — Beth Ditto — Big Ballermike — SXTN — Tom Holland


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Inhalt

INHALT #Intro

#Pop

Bilder von: Robin Laananen, Thomas Ruff,

Ruhe, Sturm und Discokugel: Faber 34

Viviane Sassen 8

Lana Del Rey: Hedonismus statt Schwermut 38

Blitzverliebt in Istanbul: Jakuzi 12

Keine Deals mit Bausparverträgen: Max Richard Leßmann

Mission musikalische Welten: Mulatu Astatke

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Japanese Breakfast: An-Schalter für Gefühle 16 Auftakt mit: Washed Out, Egotronic, Mise En Scene, Andreas Dorau, Algiers, Black Velvet Circus, Top 7 Modebücher 18

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Broken Social Scene: Happy Hippies 42 Waxahatchee: Zwangsläufig deep 44 Unter der Unterhose: Beth Ditto

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Gar nicht mal so stumpf: Portugal.The Man

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Lea Porcelain: Hymnen an die Nacht 52 SXTN: Ausgestreckte Mittelfinger 54

#Kultur Luc Besson über »Valerian – Die Stadt der tausend Planeten« 64 Tom Holland über »Spider-Man: Homecoming« 68 Neu im Kino: »Sie nannten ihn Spencer« und »Return Of The Atom« 62 Neu auf DVD: »American Gods«, »Fences« und »Elle« 64 Neue Games: »Thumper«, »Rime« und »Friday The 13th: The Game« 74

#Life Studiobesuch bei Tim Berresheim

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Das Ende der Schwerindustrie in Wales 76

#Style Beachmode mit Big Ballermike 82 Foto: Grey Hutton

News mit Cheap Monday, Arket und Havaianas 88

#Review Platten vor Gericht 92 Neue Platten 94 Impressum / Dein Intro 6

#Preview

Abo 32

Intro empfiehlt 114

Katz & Goldt / Demnächst 130

Kalender 115


#Intro Editorial

#Intro Foto: Peter Otto

»In Paris brennen Autos und in Zürich mein Kamin. Wir zwei sind glücklich, wenn wir beieinander liegen. Auf dieser Welt hier ist Öl mehr wert als Wein.« So beginnt ein Song von unserem Titelact Faber. Und auch wenn dieses Liebeslied mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet, trifft Faber damit perfekt das Gefühl junger Menschen, die nicht wissen, ob sie im Dauerfeuer von Paranoia, unschönen Nachrichten und schreiender Ungerechtigkeit ohne schlechtes Gewissen glücklich sein können. Frag ich mich auch manchmal, wenn ich an dieser Stelle mal wieder über die Freuden der Popkultur schwärme und gleichzeitig irgendeine weltpolitische Kackscheiße an mir nagt. Nützt das wem? Ist das verlogen? Ich weiß es nicht. Ebenso wenig, wie ich weiß, wie ich nun die Grätsche zu diesem unserem Sommerheft kriegen soll. Vielleicht so: Wenn ich mir die Texte unserer Autorinnen und Autoren über Acts wie Faber, Lana Del Rey, Waxahatchee, Broken Social Scene, Portugal.The Man oder Beth Ditto so durchlese, wenn ich mir Big Ballermike in Badebuchse anschaue und das sonnige Titelfoto, das bei einem Spaziergang auf dem Uetliberg in Zürich entstand – dann kann ich doch noch irgendwie an das Gute da draußen glauben. Zu pathetisch? Egal, ich schieb’s auf den Sonnenstich. Kommt gut durch den Sommer! Daniel Koch (im Namen der Redaktion)

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Das Leben der Anderen

DAS LEBEN DER ANDEREN Den Uetliberg, auf dem unser Covermotiv entstand, teilt man tagsüber mit Dutzenden Reisenden. Die möchten sich oder ihre Familie hier schnell noch knipsen – ein Phänomen, das man von all diesen »Tourist Places« kennt. Peter Otto fand das schon vor einigen Jahren so skurril, dass er eine Fotoreihe gleichen Namens begann. Für »Tourist Places« fotografierte er an fotogenen Orten fotografierende Menschen – hä? Ein Interview mit Peter Otto findet ihr auf intro.de.

Da steht er im Walde, dieser smarte junge Typ namens Faber, der auch unser Cover ziert. Dieses und die weiteren Fotos zum Artikel stammen von Manuel Nieberle – es war sein erster Titelshoot für uns. Den Text hat Henrike Schröder geschrieben, sie ist Volontärin bei unserem Schwestermagazin Festivalguide, und Faber ist ihre erste Titelstory. Hut ab für beide!

Bevor ihr weiterlest: Schaut doch mal in den Appstore eures Smartphones, ladet die kostenfreie App »TM – Tim Berresheim« runter, startet diese und schaut damit dieses Bild genauer an. Der 1975 in Heinsberg geborene Künstler Tim Berresheim erzeugt mit neuester Computertechnik nämlich Bilder, deren Entstehungsprozess und Interpretation Fragezeichen in den Köpfen der Betrachter hinterlassen. Dieses hier hat er extra für uns gemacht. Senta Best hat Berresheim in seinem Aachener Studio besucht. Den Bericht könnt ihr ab Seite 72 lesen.

Aus der Redaktion Sermin: »Nach dumm kommt blöd.« Rami: »Alter, das T-Shirt ist älter als deine Mudder!« Lutz [springt auf]: »Oh, Scheiße! Ich muss meine Mutter anrufen. Die hat Geburtstag.« Daniel am Tag nach dem Sommerfest: »Wolfgang, falls du deinen zweiten Socken suchst, der hängt oben neben der Dusche am Dachbalken.« Wolfgang: »Den am Dachbalken hab ich schon entdeckt, ist aber nicht meiner.


#Intro Dein Intro

DEIN INTRO Und wo warst du im Juli/ August 2007? Intro #151

IMPRESSUM Verlag Intro GmbH & Co. KG, Oppenheimstraße 7, 50668 Köln Fon +49 221 949930, Fax +49 221 9499399 verlag@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de Herausgeber & Geschäftsführer Matthias Hörstmann Director Publishing & Projektleitung Intro Martin Lippert Director Brand & Media Cooperations David Winter Chefredakteur Daniel Koch (V.i.S.d.P.) Stellvertretender Chefredakteur Wolfgang Frömberg Artdirektor Holger Risse

Covergeschichte: Die Editors sprechen in dieser Spezial-

ausgabe zum Thema O-Ton (mehr dazu unter »Besondere Vorkommnisse«) unter anderem über das Rauchen vor Krankenhäusern und dass ihnen der Vergleich mit Interpol lieber sei als der mit Oasis oder ZZ Top. Außerdem freuen sie sich über Linus Volkmanns Vergleich zu einer EA80-Platte aus den 80ern. Storys: Stereo Total, Chromeo, Kristofer Aström, Ghosts, Interpol, The White Stripes, Portugal.The Man., Art Brut, Dizzee Rascal / Wiley, Freundeskreis, Bright Eyes, Matt Groening Wichtige Alben: Ash »Twilight Of The Innocents«, Editors »An End Has A Start«, Rufus Wainwright »Release The Stars«, Kinderzimmer Productions »Asphalt«, Kristofer Aström »Rainaway Town«, Portugal.The Man »Church Mouth«, Sebadoh »The Freed Man«, Tomahawk »Anonymous«, Die Türen »Krieg der Dialektik« Platten vor Gericht: Sieger: Stereo Total – 7,00 / Letzter: Stateless – 4,50 Besondere Vorkommnisse: Nach den Festlichkeiten zur 150. Ausgabe dreht die Redaktion nun vollends durch und fabriziert die erste und vermutlich auch einzige O-TonAusgabe: Alle Texte in Heft Nummer 151 sind im O-Ton verfasst. Ja, auch die Rezensionen! Selbst den armen Editors auf dem Cover wurden Sprechblasen angedichtet. Schlagzeile des Monats: Fleisch wieder en vogue: Gammelfleisch aus Bayern, Vogelgrippe deutschlandweit +++ Bund, Land und Bahn einigen sich auf den Umbau des Stuttgarter Bahnhofs »Stuttgart 21« +++

Stellvertretende Artdirektorin Frederike Wetzels Redaktion Senta Best (Textchefin, #Life), Frederike Ebert (#Style), Kristina Engel (Lektorat), Wolfgang Frömberg (#Kultur), Daniel Koch (#Pop), Christian Steinbrink (CvD, #Review), Şermin Usta, Frederike Wetzels (Foto) Live-Redaktion Thomas Lorber, Henrike Schröder (Volontariat), Carsten Schumacher Layout Jörn C. Osenberg (osi) Online- & News-Redaktion (news@intro.de) Julia Brummert, Philip Fassing (Leitung Produktentwicklung), Bastian Küllenberg (Leitung Social Media) Terminredaktion termine@intro.de Texte Lena Ackermann, Aida Baghernejad, Hannah Bahl, Kristof Beuthner, Jan Bojaryn, Annett Bonkowski, Andreas Brüning, Dominik Bruns, Sascha Ehlert, Carlotta Eisele, Rami Eiserfey, Valentin Erning, Lars Fleischmann, Lisa Forster, Marco Fuchs, Nina Gierth, Steffen Greiner, Claudius Grigat, Elisabeth Haefs, Henrik Hamelmann, Patrick Heidmann, Nils Herrmann, Mark Heywinkel, Salwa Houmsi, Ulf Imwiehe, Paula Irmschler, Sebastian Jegorow, Madleen Kamrath, Kerstin Kratochwill, Mario Lasar, Julia Maehner, Konstantin Maier, Jan Martens, Mathias Meis, Nadja Neqqache, Sarah Neuhaus, Laura Nürnberger, Katja Peglow, Olaf Radow, Verena Reygers, Henje Richter, Philipp Röttgers, Christian Schlodder, Simone Schlosser, Kira Schneider, Leonie Scholl, Michael Schütz, Silvia Silko, Hanno Stecher, Christian Steigels, Till Stoppenhagen, Thorsten Streck, Gabriele Summen, Karola Szopinski, Klaas Tigchelaar, Tobias Tißen, Stephan Uersfeld, Nisaar Ulama, Oliver Uschmann, Annette Walter, Timo Weber, Liz Weidinger, Kai Wichelmann, Katrin Wiegand, Gregor Wildermann, Marius Wurth, Louisa Zimmer Coverfoto Manuel Nieberle Illustrationen Peter Hoffmann, Alexandra Ruppert Fotos Patrick Essex, Grey Hutton, Jan Kapitän, Lukas Korschan, Manuel Nieberle, Jenny Schäfer, Svenja Trierscheid, Bronwyn Walls, Jan Philip Welchering und Pressebildfreigaben Personal & Organisation Rebecca Wast (Leitung), Svenja Bender, Anika Winter PraktikantInnen Natasha auf’m Kamp, Benjamin Bender, Helen von Daacke, Viviane Marie Philipps, Felix Schönberger, Nils Schlechtriemen, Svenja Teitge Vertrieb Dominik Raulf (Leitung – Fon +49 221 9499341) Abo Moritz Tontsch (abo@intro.de) Brand & Media Cooperations Büro Köln Fon +49 221 94993-Durchwahl: David Winter (Leitung) -63 (Media & Marken & Digital), Martin Lippert -17 (Musik, Film, Marken), Sabrina Esser -33 (Marken & Media), Kathrin Marion Fischer -75 (Digital Sales), Geraldine Schleder -19 Büro Berlin Fon +49 30 4036705-Durchwahl: Sebastian F. Dudey -11 (Live Entertainment & Kleinanzeigen) Auftragsannahme & Administration Eva Sieger (Leitung) -14, Florian Schuster -16 Fax +49 221 9499388 Aktuelle Anzeigenpreisliste Mediadaten 2017 (Nr. 27 aus 11/2016) Download Mediaunterlagen hoerstmann.de/mediadaten Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G., BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900 Termine für Nr. 255 / September 2017: Redaktionsschluss: 04.08.2017; Termin- & Anzeigenschluss: 11.08.2017; Druckunterlagenschluss: 15.08.2017; Erscheinungstermin: 28.08.2017

Wann zum Henker kommt denn eigentlich dieses Sommerloch? Vermutlich gar nicht mehr. Wir haben jedenfalls wieder einen Haufen schicker Bandfeatures auf intro.de unter #Interview, die wir gerne auch noch im Heft gehabt hätten, z. B. Egotronic, INVSN, Phoenix, Royal Blood, The Drums und Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen.

Nach unserer Feierei zu 25 Jahre Intro und vor unserer Feierei zu 20 Jahre Melt übersehen wir natürlich nicht, dass das von uns sehr geschätzte Indie-Label Tapete Records aus Hamburg dieser Tage seinen 15. Geburtstag feiert. Da gratulieren wir doch recht herzlich! Julia Brummert führte ein Interview mit den Labelmachern. Auf intro.de könnt ihr es lesen.

Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen IVW-geprüfte Auflage & Verbreitung I. Quartal 2017 Druckauflage: 75.586 / verbreitete Auflage: 73.139 (Durchschnittszahlen) Bezugsquellen Erhältlich an 1.177 Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet sowie im Abonnement Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, 100% Altpapier. Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos!

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Gar nicht so unpraktisch, wenn man als Band eine Tourmanagerin hat, die auch noch eine Top-Fotografin ist. Der glückliche Rücken, der hier davon profitiert, gehört Emily Kokal von Warpaint. Eines von vielen schönen Bildern im Fotobuch »Us/Then« von Robin Laananen.


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Die Schüler der sogenannten Becher-Klasse um Bernd und Hilla Becher haben die künstlerische Fotografie in Deutschland entschieden mitgeprägt. Das beweisen Arbeiten wie diese von Thomas Ruff, zu sehen in der Ausstellung »Fotografien werden Bilder« im Frankfurter Städel Museum.


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Die surrealen Farbfotografien der Niederländerin Viviane Sassen bewegen sich im Grenzgebiet von Realismus und Abstraktion. Ihre Werkserie Umbra, aus der dieses Motiv stammt, ist noch bis Ende August im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen.


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#Pop #Jakuzi

Jakuzi

IM ROSEN­BETT #Pop — Von überallher fliegen ihnen derzeit Rosen zu: Jakuzi, die Dream-Pop-Helden des Istanbuler Untergrunds, die sich von Anadolu-Pop­ klassikern, Krautrock und Roxy Music inspirieren lassen. In ihrem Debüt »Fantezi Müzik« fordern sie vom Leben und der Liebe Selbstbestimmung ein. Weshalb das alles ist, was zählt, erklären sie Sermin Usta.

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s beginnt im Winter 2016: Die Macher des Istanbuler Musikmagazins Bant schicken eine Kassette an ein Berliner Indie-Label. Darauf steht in dicken Lettern »Fantezi Müzik«. Kurze Zeit später finden sich die Musiknerds von City Slang blitzverliebt im ausverkauften Babylon in Jakuzis Heimatstadt Istanbul wieder und werden Zeugen davon, wie die türkische Indie-Szene textsicher und euphorisiert einer frisch formierten Band zu Füßen liegt. Jakuzi, das sind Sänger Kutay, Drummer Can und Keyboarder und Bassist Taner. Letzterer ist als Veteran der Istanbuler Punk-Szene mit 33 Jahren der Älteste in der Runde. Den 27-jährigen Singer/Songwriter Kutay hat er wenige Jahre zuvor über Freunde kennengelernt. »Ein echtes Match, wie auf Tinder«, so der Sänger amüsiert. Zwei Punks auf der Suche nach einem neuen Sound. Einen, den es in ihrer Heimat so noch nicht gegeben hat. Türkischer Dream-Pop mit Synth-Flächen und New Wave mit Indie-Herz, ob dieser Mix gut geht? Kutay: »Was wären wir für Musiker, wenn wir die Dinge nur aus einer Perspektive betrachten würden? Jemand, der ausschließlich Punk hört, kann doch keinen guten Punkrock machen.« Der Titel ihres Albums, damals auf Taners Label Domuz Records (übersetzt: Schweine Records) veröffentlicht, ist eine ironische Abrechnung mit einem Genre, das es Anfang der 1980er wirklich gegeben hat: »Fantezi Müzik« gilt als Subgenre des Arabesken, einer

populären Musikrichtung, die äußerst beliebt war, lange bevor türkischem Pop der Durchbruch gelang. Einfache Musik zum Mitsingen, die ausschließlich von der Liebe und der Melancholie handelt. Sänger wie Ibrahim Tatlises, Orhan Gencebay und Ferdi Tayfur zählen zu den namhaftesten Vertretern. Jakuzi sehen sich als Nachfahren einer gegensätzlichen und enthusiastischeren Pop-Generation. Eine, die sich mit der noch immer diskriminierten LGBTQI*-Szene solidarisiert, in ihren Videos

Latex trägt und in jedem Song für das wilde, selbstbestimmte Leben einsteht. Dass man dabei Fehler macht und Dinge bereut, nimmt man für die Freiheit dankbar in Kauf. Kutay: »Ich habe meiner Ex-Freundin mal eine Geburtstagsparty ausgerichtet. Aber statt mit ihr zu feiern, habe ich mit einer anderen geschlafen.« Offene Worte einer Band, die gerne schockiert und gleichzeitig romantisch und liebenswert ist. Frei sein vor und hinter geschlossenen Türen, das ist, was sie wollen. Das ist, was sie machen. — Mehr Interview auf intro.de — Jakuzi »Fantezi Müzik« (City Slang / Universal) — Auf Tour am 25.08.

»Was wären wir für Musiker, wenn wir die Dinge nur aus einer Perspektive betrachten würden? Jemand, der ausschließlich Punk hört, kann doch keinen guten Punkrock machen.«


HUNGER AUF FESTIVAL? JETZT GEWINNEN!

1. TUC Packung kaufen 2. Kassenbon hochladen auf www.festival.tuc.eu 3. Mit etwas Glück gewinnen Veranstalter des Gewinnspiels ist die Mondelez Deutschland Services GmbH & Co. KG. Teilnehmen kann jede natürliche Person ab 18 Jahren mit Wohnsitz in Deutschland oder Österreich. Ausgenommen sind Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen und ihre Angehörigen. Der Rechtsweg und eine Barauszahlung sind ausgeschlossen. Unter allen Teilnehmern werden insgesamt verlost: 15×2 V.I.P. Tickets inklusive Backstageführung für das Lollapalooza Festival in Berlin und115 TUC Kopfhörer von Hama. Es nehmen alle TUC Produkte an der Promotion teil. Durch den Kauf eines TUC Produktes im Zeitraum vom 3. 7. bis 20. 8. 2017 und das Hochladen des Kassenbons und die Angabe der persönlichen Daten auf der Internetseite festival.tuc.eu erfolgt die Teilnahme am Gewinnspiel. Einsendeschluss ist der 20. 8. 2017. Vollständige Teilnahmebedingungen unter festival.tuc.eu.


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#Pop #Mulatu Astatke

Mulatu Astatke

DIE FANTASTISCHEN FÜNF

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as macht Ethiojazz als Genre so besonders?

Ethiojazz ist die Verknüpfung musikalischer Welten – der Sound Äthiopiens trifft auf #Pop — Er gilt als Schöpfer des Ethiojazz und verfolgt seine westlichen Jazz. Technisch gesehen ist das eine Zusammenführung verschiedener Tonleitern: Mission seit über 50 Jahren unermüdlich. Der Schönheit der In Äthiopien haben wir vier Tonleitern mit fünf äthiopischen Töne Mulatu Astatkes sind schon Nas, Damian jeweils fünf Tönen, Pentatoniken also. Diese Marley und Four Tet verfallen. Jim Jarmusch nutzte seine Musik werden mit der traditionellen 12-Tonleiter verschmolzen. Das ist nicht einfach – wenn in »Broken Flowers«, der Hype um Favela Funk und Afrobeat bringt ein neues, junges Publikum zu seinen Shows. Gute Gründe man nicht aufpasst, verliert man schnell die Schönheit der äthiopischen Töne. Ich habe für ein Gespräch, fand Vincent Lindig. Foto: Alexis Maryon lange gebraucht, den Umgang damit zu lernen. Sie sind über 50 Jahre aktiv. Was hat sie in ihrer musikalischen Karriere zuletzt wirklich erfreut?

Es ist wunderbar, dass »Es ist meine Musik von den wunderbar, Kindern Bob Marleys dass meine gesampelt wurde. Die haben ein ganz ande- Musik von res Publikum als ich, den Kindern das hat meiner Kar- Bob Marleys riere einen großen gesampelt Schub gegeben. Dadurch kommen jun- wurde.« ge Musikliebhaber auf meine Shows. Sie würden sich wundern, wie gemischt das Publikum auf meinen Konzerten ist. Abgesehen davon bin ich dankbar, dass meine Musik seit über 50 Jahren gefeiert wird und quicklebendig ist. Deshalb spreche ich auch oft von zeitlosen Kompositionen. Als ich anfing, diese Musik zu erschaffen, wurde sie nicht überall gut aufgenommen, heute lieben die Menschen Ethiojazz und Jazz. Meine Stücke überwinden also Generationen und Grenzen. Das macht mich sehr glücklich. Regisseur Jim Jarmusch hat ihre Musik in seinen Filmen eingesetzt und damit ebenfalls dazu beigetragen, dass ihre Songs von einer neuen Generation gehört werden. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Wir trafen uns in New York, wo ich ein Konzert gespielt hatte. Er war mit seiner Crew gekommen und erzählte mir später, dass er ein großer Fan sei und meine Musik gern in seinem Film »Broken Flowers« verwenden würde. Ich habe zugesagt, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nicht viel über seine Arbeit wusste. Später habe ich verstanden, dass er eine tolle Persönlichkeit ist, absolut kreativ und genial. Er verwendete einige meiner Songs, und vor allem »Yekermo Sow« wurde dadurch sehr bekannt. Musik wird von vielen Menschen als Heilmittel empfunden – glauben Sie daran?

So habe ich das nie gesehen. Ich spiele und schreibe, was ich fühle – und wenn das jemandem hilft, gesund zu werden, bedeutet mir das etwas. Aber das ist nicht meine Motivation. Ich strebe nach Perfektion – das ist das Einzige, worüber ich beim Komponieren nachdenke. — Mulatu Astatke »Mulatu Of Ethiopia« (Strut / Indigo)


www.teva.tatonka.com


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#Pop #Japanese Breakfast

Japanese Breakfast

ODYSSEE IM WELTRAUM A #Pop — Mit »Soft Sounds From Another Planet« befreit sich Michelle Zauner, die Frau hinter Japanese Breakfast, aus einer persönlichen Lebenskrise. Wie sie den An-Schalter für ihre Gefühle wiederfand und welche Science-Fiction-Filme sie zu ihrem Album inspirierten, verriet sie Annette Walter. Foto: Bronwyn Walls / Portals

als wären meine Gefühle abgeschaltet. Es fiel mir schwer, eine Verbindung zu meinem Freund und meinen Freunden herzustellen.« Psychoanalyse half ihr, mit dieser schwierigen Situation klarzukommen. Michelle, deren Mutter aus Korea stammte, wünscht sich, dass Künstlerinnen und Künstler mit amerikanisch-asiatischem Hintergrund stärker wahrgenommen werden – und erhält dafür positives Feedback: »Viele Jugendliche mit derselben Herkunft wie ich bedanken sich für das, was ich mache, weil es sie ermutigt. Ich fänd es großartig, wenn sie den gleichen Weg wie ich gehen könnten.« Michelles Weg führte sie erst in die Band Little Big League, mit der sie zwei Alben aufnahm, und später zu ihrem Soloprojekt Japanese Breakfast. Am Solodasein schätzt sie, stärker in alles eingebunden zu sein. »Das Arbeiten in der Band habe ich auch geliebt. Aber manchmal haben wir mehr diskutiert, als tatsächlich etwas zu schaffen. Das wurde irgendwann anstrengend.« Letzteres lässt sich über Michelles Musik nur bedingt sagen – und

us persönlichem Leid entstehen meist die besten Songs. Das bewies Michelle Zauner schon mit ihrem ersten JapaneseBreakfast-Album »Psychopomp«. Als sie die Musik schrieb, war ihre Mutter gerade an Krebs gestorben. Eine harte Zeit für die Musikerin: Sie habe sich sehr verwirrt und verletzlich gefühlt, erzählt sie im Interview. Während der Entstehung das Nachfolgers hatte sie nun mehr Distanz zu ihrem Verlust: »Viele der Songs sind wie Mantras an mich selbst und helfen mir, weiterzugehen, nicht mehr »Im letzten Jahr fühlte ich mich, als wären wütend zu sein und meine Gefühle abgeschaltet. Es fiel mir schwer, etwas Schönes in der eine Verbindung zu meinem Freund und meinen Welt zu hinterlassen.« Das hört man dem Al- Freunden herzustellen.« bum an: Auch wenn viele Songs melancholisch klingen, zieht sich dennoch sollte man deren Tiefenwirkung nicht Michelles neu erwachter Lebensmut wie feine unterschätzen. Nehmen wir zum Beispiel den Adern durch Text und Musik. bereits erwähnten Song »Machinist«: Der betDer sphärische Klangkosmos von »Soft tet einen zunächst auf diesen fluffigen Beat und Sounds From Another Planet« – das man diese zarte Auto-Tune-Verfremdung – nur um passender nicht hätte benennen können – dann solche Zeilen ins Herz zu ritzen: »Heart kann Zauners Interesse an Sciene-Fiction burning hot enough for the both of us / I never nicht verhehlen. »Filme wie ›Dune‹, ›The realized how much you were holding back / Fifth Element‹ oder ›Waterworld‹ fand ich All the times I felt so plugged in / You were schon immer aufregend.« Im Song »Machi- tuning out.« Autsch. nist« etwa geht es um eine Frau, die sich in eine Maschine verliebt. Eine Vorstellung, für — Japanese Breakfast »Soft Sounds From Another Planet« (Dead Oceans / Cargo / VÖ 14.07.17) die Zauner auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgriff: »Im letzten Jahr kam es mir so vor, — Intro empfiehlt die Tour vom 23. bis 25.10.


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#Pop

#Kultur — Der Berliner Comiczeichner und Illustrator Andreas Hartung alias aha zeichnete einst die herrlich abgedrehten Redaktionscomics des leider verschiedenen Musikmagazins »Uncle Sally’s«. Seit einigen Jahren arbeitet er nun an der multimedialen Bildershow »The Colour Out Of Space«, für die er die Kurzgeschichte gleichen Namens von H.P. Lovecraft in dunkle Zeichnungen übersetzt und die Band The Dunwich Orchestra instrumental darüber schwelgen und lärmen lässt. Gerade erschien Teil 2, aus dem die Insektenplage auf dieser Seite stammt. Auf intro.de findet ihr unter #The Colour Out Of Space ein Interview mit ihm.

Washed Out

GANZ OHNE KIFFEN #Pop — Unter dem Begriff »Summer of Chillwave« verbirgt sich das Jahr 2009, das Künstler wie Toro Y Moi, Neon Indian oder Washed Out ganz nach oben spülte. Vor allem Letzterer stand mit seinem verwaschenen Indie-Dance-Sound für ein neues Lebensgefühl. In Berlin stellte Ernest Greene nun sein audiovisuelles Album »Mister Mellow« vor. Text: Lars Fleischmann

A

nimationen preschen so schnell über den Screen, dass die Augen kaum nachkommen. Von wegen »Mister Mellow« – weich, freundlich, lieblich, benebelt also im klassischen Wortsinn –, »mellow« ist hier wenig. Das audiovisuelle Album ist der neueste Output von Ernest Greene a.k.a. Washed Out – ein einziger Trip, der nur 28 Minuten währt, aber vier Jahre Entwicklungszeit brauchte. »18 Monate saß ich allein an der Musik und weitere acht Monate an der visuellen Seite«, erzählt der 34-jährige Südstaatler, dessen Akzent unüberhörbar, aber sehr angenehm ist. In das europäische Redneck-Stigma passt er jedoch keineswegs. Weder fliegen die Coors-Dosen (eine sehr bekannte Leichtbier-Marke) durch die Wohnung, noch werden andere Substanzen konsumiert. Vielmehr herrscht gekonnte Langeweile im Hause Greene – mit Frau, die auf der letzten Tour auch in seiner Band spielte, und mittlerweile einem Kind. »Lustigerweise denken viele Leute, dass ich den ganzen Tag kiffe und dabei Musik mache. Das ist aber recht weit

von der Realität entfernt.« Er sieht Washed Out eher als »9 to 5«-Job. Und trotzdem hat dieses Projekt so lange gedauert? »Ich versuchte, eine kohärente Ausdrucksweise zu finden, und fragte mich lange, wofür Washed Out auf einem weiteren Album stehen müsste.« Die Antwort lag die ganze Zeit vor ihm – in Form von Demos und Fingerübungen, die er in Produktionspausen zum Spaß aufgenommen hatte. Was auch erklärt, warum »Mister Mellow« viel skizzenhafter geworden ist. Hier trifft Dance-Musik auf HipHop, ohne eines der beiden Genres sein zu wollen. Die Platte ist viel groovier als ihre Vorgänger, das Sampling viel direkter. Deshalb landete Washed Out auch als Chillwave-Künstler auf Stones Throw – dem HipHop-Gralshüter-Label aus L.A. schlechthin. Und das hat Ernest Greene ganz ohne Kiffen geschafft. — Washed Out »Mister Mellow« (Stones Throw / Groove Attack)


Rapperknast # Pop — Schwester Ewa wurde dieser Tage zu zweieinhalb Jahren hinter schwedischen Gardinen verurteilt. Eine gute Gelegenheit, mal zu schauen, wie ihre Gangsta-Rap-Kollegen im direkten Haftstrafenvergleich abschneiden.

A Blaze of Feather AJIMAL Aldous Harding AnnenMayKantereit Anna Meredith BADBADNOTGOOD Bear’s Den Benjamin Clementine Bergfilm Bilderbuch Blaudzun Cantus Domus Charlie Cunningham Clueso Conor Oberst Daniel Brandt & Eternal Something Die Höchste Eisenbahn Emmsjé Gauti Faber Get Well Soon Giant Rooks Hurray for the Riff Raff IDLES Isaac Gracie Joe Fox Joep Beving John Joseph Brill Joseph J. Jones Julia Jacklin Julie Byrne Kate Tempest Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi Klangstof

Let‘s Eat Grandma Lisa Hannigan Little Hurricane Loyle Carner Luke Elliot Mahalia Mammal Hands Mammút Mario Batkovic Martin Kohlstedt Matthew and the Atlas Matt Maltese Mavi Phoenix ME + MARIE Messer Nick Waterhouse Nothing Parcels Penguin Café Radical Face Shame Skinny Living Sløtface The Afghan Whigs The Amazons The Inspector Cluzo The James Hunter Six Toot Ard Tom Grennan Von Wegen Lisbeth Voodoo Jürgens White Wine WILDES Wolf Maahn

Afrob: 2, 5 Monate

Massiv: 8 Monate

LX: 22 Monate

CashMo: 42 Monate

Sinan G: 2 Jahre

Azet: 2,5 Jahre

Schwesta Ewa: 2,5 Jahre

Gzuz: 3 Jahre

Veysel: 3 Jahre

Xatar: 5 Jahre

Shamsedin: 7 Jahre

SO SO CIETY.

W W W . K A LT E R N P O P . C O M #kalternpop17 26. – 28. O K T O B E R 2 0 17

#Life — Wer hätte gedacht, dass Hafti mal als Filialleiter einer Fastfood-Kette auftauchen und sogar selbst frittierten Hund, äh, frittiertes Huhn über die Theke reichen würde? Wir jedenfalles nicht. Baba Haft schwört im Werbeclip: »Du bekommst hier die geilsten Flavours von unserer Azzlackz Familie.« Und: »Alles Bio natürlich.« Das »Los Pollos Hermanos« – bekannt aus »Breaking Bad« und »Better Call Saul« – wurde allerdings nur für einen Tag im Club MTW in Offenbach eröffnet und war ein Marketingstunt von Netflix zum Start der dritten »Better Call Saul«-Staffel.

Birthh Loney Dear Mario Batkovic Daniel Brandt & Eternal Something Hope Gewalt The Rad Trads Intergalactic Lovers Cantus Domus Ajimal Nils Landgren Fabrizio Broen

stargaze& André de Ridder Tom Schilling & Jazz Kids Voodoo Jürgens Mark Geary & Grainne Hunt Martin Kohlstedt Judith Holofernes & Band Liam Ó Maonlaí & Peter O’Toole (Hothouse Flowers) SchnellerTollerMeier Ben E. Blame & Sugar Shame and more t.b.a ...


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#Life — Cover-Kitchen

The Beatles »The Beatles (White Album)«

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Für das »White Album« 200 Gramm Mehl auf einem Teller verteilen und möglichst bald servieren. Unbedingt Getränk dazu reichen! Ihr habt auch Ideen für Cover, die man mit Essen nachstellen kann? Her damit! Schickt einfach eine Mail mit dem Betreff »Cover-Kitchen« und eurem Vorschlag an verlosung@intro.de. Wir wählen aus, kochen nach und versorgen den Gewinner mit einem Überraschungspaket mit aktuellen Alben und Filmen.

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»Ich glaube, es ist wichtig, im Hinblick auf Punkrock, Alternative und Metal sogar noch mehr über Feminismus zu reden, denn in der Popmusik gibt es sehr viele Frauen. Wie sie dort dargestellt werden, ist dann wieder ein ganz anderes Thema, aber von der Präsenz her ist Popmusik den alternativen Genres weit voraus.« Dennis Lyxzén (INVSN, Refused) — Das ganze Interview in unserer Rubrik »Haltung, bitte!« auf intro.de — INVSN »The Beautiful Stories« (Dine Alone / Caroline / Universal)


CASPER #Kratzen & Beißen

Gegen Grillen

Illustration: Alexandra Ruppert

#Life — Grillen, du ewiges Krebsgeschwür, what the hell ist neben Trump und Le Pen auf der Welt los, dass du so beliebt bist? Senta Best hat Hirnschmalz in fleischgeschwängerten Rauch verwandelt, damit ihr Griller euch schön über den folgenden Text aufregen könnt. Schlucken nicht vergessen! Kaum schlägt das Thermometer zehn Grad über null, schnappt die Grillzange wieder zu, und schon raucht und dampft es hierzulande wie im Vulkanstaat Island. Nur passiert der hiesige Dampf mit voller Absicht, weil menschengemacht. Oder vielmehr: männchengemacht – der Großteil der Griller ist schließlich männlich. Ob beim Camping, beim eigentlich zum Entspannen gedachten Bad am See oder in und um die noch grünen Wiesen in sämtlichen deutschen Städten wird fleißig geschleppt (Kugel oder Einweggrill, Geschirr, Besteck, Holzkohle, Fressi Fressi), entzündet, gestochert, eingeräuchert, gestunken, gedreht, noch mal gestunken, eingeräuchert, gedreht und gekaut und so weiter. Es scheint, als sei der Aufenthalt auf Gras und jedem noch so klitzekleinen Balkon ohne Grill schlichtweg nicht möglich. Und seitdem der Veggie-Hype überhand nimmt, kommt man nicht mal als Nichtfleischfresser ungeschoren aus der Grillnummer: Von allen Seiten werden einem halbgeile und mit fancy Saucen versaute Sojafetzen gereicht. Lecker. Sich nach Feierabend spontan auf ein Stündchen im Park treffen? Nix da, direkt wird es anstrengend: Wer bringt den Grill mit, wer Kohle und wer was für drauf? Und Bier will ja schließlich auch noch getrunken werden. Aber halt! Hab da noch ein paar Fragen: Woher kommt die ganze Grillgeilheit überhaupt? Schmecken Antibiotika-Würstchen und billiges Gammelfleisch auf offenem Feuer wirklich so viel besser, wie führende Grillmaster behaupten? Sind Zeitschriften wie »Beef« schuld? Oder stehen die Hobbygriller schlichtweg auf das neandertalerhafte Drumherum wie Feuer machen, Tiere bei Rewe jagen und diese erst im offenen Feuer brutzeln und dann halbroh beziehungsweise verkohlt im Schneidersitz verspeisen? Würde nicht ‘ne App zum Thema völlig ausreichen? Livegrillen nervt doch einfach nur: Entweder ist die Glut noch nicht heiß oder schon wieder zu kalt, ständig muss einer arme Würstchen drehen, während am anderen Ende des Grills Stücke von – hier sowieso eher selten gesehenem – Gemüse durch das angesiffte Rost flutschen, gleichzeitig arme Alu-Kartoffeln in Stichflammen und dämliche Fliegen im Quinoa-Tomatensalat verrecken. Stress pur statt Essgenuss! Ich jedenfalls hau mir jetzt erst mal zwei ungrillbare Eier in die Pfanne und gehe dann in den Park (Reste essen).

»LANG LEBE DER TOD« TOUR 2017/18 31.10. MÜN ER · 02.11. LUXEMBURG (LU) · 03.11. ZÜRICH (CH) 04.11. U GART · 08.11. HAMBURG · 10.11. DORTMUND · 14.11. WIEN (AT) 17.11. MÜNCHEN · 18.11. FRANKFURT/MAIN · 21.11. LEIPZIG · 22.11. BREMEN 24.11. BERLIN · 25.11. HANNOVER · 09.03. WÜRZBURG · 10.03. ERFURT FABER LEONIDEN »SEI EIN FABER IM WIND« TOUR 2017 »TIME TO GET ADDI ED« TOUR 2017 17.10. DRESDEN 10.10. FREIBURG 18.10. BERLIN 11.10. U GART 20.10. WOLFSBURG 12.10. ASCHA ENBURG 22.10. WIEN (AT) 13.10. NÜRNBERG 24.10. ULM 25.10. NÜRNBERG 14.10. WIESBADEN 26.10. OSNABRÜCK 17.10. BREMEN 27.10. DÜSSELDORF 18.10. ESSEN 30.10. TRIER 19.10. BIELEFELD 31.10. KOBLENZ 15.12. KIEL 21.10. MÜN ER 22.10. RO OCK 23.10. BERLIN MILKY CHANCE 24.10. HANNOVER » E BLOSSOM TOUR« 2017 26.10. MAGDEBURG 20.11. HAMBURG AUSVERKAU 21.11. KÖLN AUSVERKAU 27.10. DRESDEN 22.11. FRANKFURT/MAIN HOCHVERLEGT 28.10. LEIPZIG 30.11. BERLIN 30.10. MARBURG 02.12. ZÜRICH (CH) 02.11. GÖ INGEN 04.12. WIEN (AT) 05.12. LEIPZIG 03.11. AACHEN 06.12. MÜNCHEN AUSVERKAU 04.11. SAARBRÜCKEN 14.11. DORNBIRN (AT) 15.11. SALZBURG (AT) NEUFUNDLAND 17.11. EBENSEE (AT) »NIEMALS FERTIG« TOUR 2017/18 12.10. TRIER 20.11. WIEN (AT) 13.10. MAINZ 21.11. MÜNCHEN 14.10. AALEN 06.12. ZÜRICH (CH) 16.11. GÖ INGEN 07.12. LUZERN (CH) 17.11. HANNOVER 18.11. MÜN ER 08.12. BASEL (CH) 22.11. ESSEN 21.12. WINTER UR (CH) 23.11. OSNABRÜCK 22.12. BERN (CH) 29.11. BREMEN 02.12. RO OCK 03.12. LEIPZIG 05.12. WÜRZBURG GOLDROGER 07.12. MANNHEIM »TOUR MAGIQUE« 2017 08.12. FREIBURG 02.11. WIEN (AT) 09.12. AARAU (CH) 03.11. LU ENAU (AT) 10.12. REGENSBURG 08.11. FRANKFURT/MAIN 12.12. MÜNCHEN 13.12. AUGSBURG 09.11. ERLANGEN 14.12. JENA 10.11. HEIDELBERG 15.12. NÜRNBERG 11.11. KOBLENZ 16.12. DRESDEN 12.11. REGENSBURG 17.12. BONN 26.01. BRAUNSCHWEIG 14.11. BERLIN 27.01. POTSDAM 15.11. HAMBURG 02.02. KOBLENZ 16.11. OSNABRÜCK 17.11. LÜNEBURG 18.11. BREMEN VON WEGEN LISBETH »HALLO DISPO« TOUR 2017 21.11. MÜNCHEN 27.09. BERLIN AUSVERKAU 22.11. U GART 28.09. BERLIN AUSVERKAU 23.11. MAINZ 29.09. LEIPZIG 24.11. ESSEN 30.09. DRESDEN 02.10. ZWICKAU 25.11. KÖLN 03.10. KASSEL 29.11. KASSEL 05.10. ERLANGEN 30.11. DRESDEN 06.10. INGOL ADT 01.12. SAARBRÜCKEN 07.10. WIEN (AT) 02.12. MÜN ER 08.10. MÜNCHEN 10.10. ULM 03.12. KIEL 11.10. FRANKFURT/MAIN 12.10. KÖLN 14.10. KARLSRUHE KRAFTKLUB 17.10. TRIER »KEINE NACHT FÜR NIEMAND« TOUR 2017 18.10. DORTMUND 19.10. HANNOVER 17.10. SALZBURG (AT) AUSVERKAU 20.10. BREMEN 18.10. DORNBIRN (AT) 21.10. RO OCK 20.10. KEMPTEN 21.10. U GART WOMAN 22.10. PRA ELN (CH) »HAPPY FREEDOM« TOUR 2017 24.10. MÜN ER 24.11. KÖLN 26.10. HANNOVER 01.12. ESSEN 27.10. BREMEN 06.12. BERLIN 28.10. DORTMUND 07.12. LEIPZIG 08.12. U GART 30.10. HAMBURG AUSVERKAU 09.12. FRANKFURT/MAIN 31.10. HAMBURG ZUSATZSHOW 02.11. BERLIN 03.11. LEIPZIG AUSVERKAU TICKETS & INFOS UNTER WWW.LAND REICHER.COM 04.11. FRANKFURT/MAIN

MAX RICHARD LESSMANN »LIEBE IN ZEITEN DER FOLLOWER« TOUR 2017 25.11. KÖLN · 26.11. ESSEN 27.11. MÜNCHEN · 28.11. BERLIN 30.11. HAMBURG


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#Pop #Style

Mise En Scene

BRENNST DU NOCH? #Pop — Die kanadische Band um Stefanie Blondal Johnson und Jodi Dunlop widmet sich auf ihrem zweiten Album »Still Life On Fire« der Frage, wie man vor lauter Kommunikation und Konsum nicht das Leben vergisst. Text: Daniel Koch

S

tef und Jodi lernten sich vor einigen Jahren an der Uni kennen und merkten gleich, dass sie sich »menschlich und kreativ« perfekt ergänzen, wie Stef sagt. »Wir hatten einen Kunstkurs und arbeiteten zusammen an einem Gemälde. Wenn du mit jemandem eine Leinwand teilen kannst und das Ergebnis liebst, bist du vereint fürs Leben.« Es gibt wohl kaum eine schönere Basis für eine gemeinsame Band. Eigentlich wollten sie Film studieren, was auch ihren Bandnamen erklärt, aber dann entzündete sich ihr kreativer Geist doch eher an der Musik. Stef nahm mit 20 zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand, Jodi fing hingegen schon im Kindesalter mit dem

Schlagzeugspielen an: »Zach von den Hansons hat mich in der dritten Klasse bekehrt. Ich fragte meine Eltern nach einem Drumkit, und Santa hat den Wunsch erhört.« »Still Life On Fire« greift den eingängigen, grungig angehauchten Gitarrenrock ihres Debüts auf und ist getrieben von einer Lebenslust, die sie sich erst wieder erkämpfen mussten. »Der Umgang mit Teilen der Musikindustrie und das viele Touren haben mich ausgezehrt«, erklärt Stef. Auch das permanente Mackertum in der Branche nervte sie. Jodi dazu: »Wir fühlten uns manchmal wie eine wissenschaftliche Studie oder als Attraktion einer Freakshow. Leute begegneten uns, als dachten sie: ›Eine Frauenband (kreisch!) mit lauten Gitarren (doppelkreisch!) und einem Mädchen, das an den Drums zur Killerin wird (waaahhhh!).‹ Das war enttäuschend.« An ihrem Bassisten Cory schätzen sie deshalb: »Bei ihm fühlen wir nie einen Genderunterschied.« Aber diese Erfahrungen brachten sie auch auf die Kernfragen des Albums, wie Stef erklärt: »Was macht dich traurig? Was glücklich? Brennst du noch für dein Leben? Fühlst du dich lebendig, oder schlafwandelst du?« Dass am Ende kein depressives Trauerwerk dabei herauskam, liegt vor allem daran, dass die beiden musikalisch gehörig in den Arsch treten. — Mehr Interview auf intro.de — Mise En Scene »Still Life On Fire« (Ferryhouse / Warner / VÖ 30.06.17)

Tweet des Monats

#Style — Dieser wundervolle Badeanzug, der garantiert jeden Raubfisch in Schockstarre versetzen und jeden Gegen-denStrom-Schwimmer verjagen wird, sei hier nur repräsentativ gezeigt, als schönstes Element der »Trump Collection«, die man bei belovedshirts.com bestellen kann. Für den Herrn empfehlen wir das winterlich kuschelige »Grinch Trump Sweatshirt«, das genauso aussieht wie es heißt.


TOP 7

BÜCHER ÜBER MODE

#Style — Mode ist mehr als ein kostspieliges Hobby: Sie ist persönlicher Ausdruck, angewandte Kunst und Kultur­ phänomen. Deswegen kann man sie sich nicht nur auf Laufstegen und den Straßen dieser Welt anschauen, sondern auch darüber lesen. Frederike Ebert hat Empfehlungen für Strand, Schwimmbad oder Sofa.

04 Tansy E. Hoskins »Das antikapitalistische Buch der Mode«

Du liebst Mode, bist aber konsumkritisch eingestellt – passt das zusammen? Dieser Frage geht Tansy E. Hoskins in ihrem antikapitalistischen Buch über Mode nach. Hoskins trägt viele Fakten zur Textilwirtschaft zusammen, beleuchtet die Arbeitsbedingungen in den Fabriken und beschäftigt sich mit der Fetischisierung von Mode. — Rotpunktverlag; € 24,00

01 Kyoto Costume Institute »Fashion. Eine Modegeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert«

05 Magdalena Schaffrin, Ellen Köhrer »Fashion Made Fair. Modern – innovativ – nachhaltig«

Dieses Standardwerk des schönen Stils ist nicht nur ein Klassiker für Mode-Amateure, sondern auch ein Must-have für jeden Fashion-Fan – und das auch noch für wenig Geld. Das Kyoto Costume Institute wurde 1978 nach der ersten großen Modeausstellung in Japan gegründet, seine Sammlung umfasst mehr als 10.000 Kostüme aus dem frühen 17. Jahrhundert bis heute. — Taschen; € 14,95

Fair Fashion ist längst kein Nischenthema mehr. Die Zahl der nachhaltig produzierenden Labels wächst weltweit stetig. 33 davon werden in diesem Band vorgestellt. Mit dabei sind zum Beispiel die Berliner Jungdesignerin Isabell de Hillerin, die traditionelle Textilkunst aus Europa unterstützt, und Bruno Pieters, dessen Label Honest By auf 100% Transparenz bei der Herstellung setzt. — Prestel; € 39,95

02 Mathieu Le Maux »1000 Sneakers: A Guide To The World’s Greatest Kicks, From Sport To Street«

06 Leanne Shapton, Sheila Heti, Heidi Julavits »Frauen und Kleider. Was wir tragen, was wir sind«

Schuhe sind für dich gleichbedeutend mit Sneakers? Du würdest High Tops immer High Heels vorziehen? Dann ist diese Enzyklopädie genau das Richtige für dich. Von den allerersten Sneakers von Keds und Converse bis hin zu Raritäten wie dem 1971 Kareem-Abdul-Jabbar Adidas stellt dieser Schmöker die wichtigsten Turnschuhmodelle der letzten Dekaden samt ihrer Geschichten vor. — Universe; € 19,99

Mode aus der Sicht derer, die sie tragen: Kaum ein anderes Buch widmet sich dem Thema so vielfältig und persönlich wie dieses spannende Text- und Bildsammelsurium. Zu Wort kommen Frauen wie Lena Dunham, Miranda July, Kim Gordon und Cindy Sherman, aber auch andere spannende Bekannte der Autorinnen, von cis- bis transgender, von jung bis alt. — S. Fischer; € 24,99

ISABELLE HUPPERT IST

„Ein brillant-abgründiges, sauvergnügliches Spiel mit den Regeln des Thriller-Genres“ Filmstarts.de

BESTER FREMDSPRACHIGER FILM BESTE DARSTELLERIN, DRAMA

OSCAR

®

03 Olivier Dupon »Shoe: Contemporary Footwear By Inspiring Designer«

07 Barbara Vinken »Angezogen. Das Geheimnis der Mode«

Und nun der Umkehrschluss: Untenrum trägst du nur 100% italienisches Leder, handvernäht? Schuhe sind für dich Skulpturen für Füße? Dann besorg dir diesen Band! Dupon stellt 32 internationale Schuhdesigner vor, neben großen Namen wie Christian Louboutin und Manolo Blahnik kann man hier auch Newcomer entdecken. Skizzen und Moodboards sorgen für optische Vielfalt. — Thames & Hudson; € 70,00

Das Tragen von Strumpfhosen war früher reine Männersache und die Farbe Hellblau Mädchen vorbehalten. Das wusstest du nicht? Barbara Vinken klärt auf. Die Literaturwissenschaftlerin beschäftigt sich mit dem Phänomen Mode im Wandel der Zeit, vor allem auch in Wechselwirkung mit Politik und Geschlechterrollen. — Klett-Cotta; € 20,00

NOMINIERUNG BESTE HAUPTDARSTELLERIN

AB 21. JULI AUF DVD, BLU-RAY UND DIGITAL


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#Pop #Life

DAS UNBEHAGEN IN DEN STÄDTEN #Life — Der Illustrator Peter Hoffmann hält absurde Szenen fest, die wahrscheinlich in jeder Großstadt vorkommen.

Andreas Dorau

5 Dinge, die ich liebe, andere aber hassen #Pop — Nach seiner Werkschau und einer Biografie, die Sven Regener mit ihm schrieb, liefert Andreas Dorau endlich wieder neue Musik. Mit seinem Doppelalbum »Die Liebe und der Ärger der Anderen« hat er es auf die Charts abgesehen. In einer gerechten Welt sollte das auch endlich mal klappen. Vorher verriet er uns noch seine fünf Guilty Pleasures. 01 Dieter Bohlen

04 Sekt mit Wasser

Ich möchte ihm privat nie begegnen, aber ich habe höchsten Respekt vor ihm. Zwölf Mal erfolgreich das gleiche Stück zu schreiben wie zu Modern-Talking-Zeiten – und es jedes Mal trotzdem wieder zu fühlen –, das hat vor ihm noch keiner geschafft. Deshalb bin ich ein großer Bohlen-Bewunderer. Ich habe auch eine Zeitlang sein Parfum benutzt. Hat mir musikalisch leider nichts gebracht, obwohl ich es tatsächlich auch mal im Studio getragen habe.

Wenn es keine Eiswürfel gibt, trinke ich Sekt mit Wasser. Das empfinden viele Menschen anscheinend als ekligste Panscherei, die sie je gesehen haben – zumindest provoziert dieses Getränk immer angewiderte Reaktionen. Das Mischverhältnis ist dabei jedoch nicht mit dem einer Weinschorle zu vergleichen – ich versuche vielmehr die Wassermenge geschmolzener Eiswürfel zu kalkulieren.

02 Verkohlte Würstchen

Dieses alte Seefahrergericht mag für viele aussehen wie ein Teller voll Kotze – ich als Norddeutscher esse es jedoch sehr gerne.

Ich war als Kind mal mit der Familie eines Freundes unterwegs. Deren Essen schmeckte mir nicht. Wir wohnten in einem Apartment in einer Hotelanlage, in der die Familie selbst gekocht hat. Aber im Essensraum gab es abends immer noch verkohlte Würstchen, die mir der nette Grillmeister geschenkt hat. Seitdem liebe ich die Dinger.

03 »Death Of A Ladies Man« Für mich ist es das mit Abstand beste Album von Leonard Cohen, obwohl er und ein Großteil seiner Fans es ja aufs Tiefste verachten. Ich finde es genial. Phil Spector, wie er leibt und lebt eben. Was hat der gute Cohen denn auch gedacht, wenn er Spector produzieren lässt?

05 Labskaus

— Andreas Dorau »Die Liebe und der Ärger der Anderen« (Staatsakt / Caroline / Universal / VÖ 07.07.17) — Auf Tour vom 07.07. bis 25.08.


PROMOTION

Perfekter Klang, perfektes Wochenende – so war’s mit SEAT beim Primavera Sound 2017 Am Pfingstwochenende fand in Barcelona das 17. Primavera Sound Festival statt. Mit dabei waren neben großen Acts auch SEAT und die glücklichen Gewinner der VIP-Tickets. Für viele Musikbegeisterte ist das Primavera Sound Festival in Barcelona eines der besten Festivals der Welt. Das liegt neben dem immer ausgezeichneten und umfangreichen Line-up auch an der großartigen Location. In Barcelona kommen die Festivalfans nicht nur in den Genuss der Musik, sondern können auch das hinreißende spanische Lebensgefühl hautnah erleben und haben Großstadtflair und Strand gleich um die Ecke. Zu den begeisterten Barcelona-Reisenden gehörten auch die Gewinner der VIP-Tickets, die Intro gemeinsam mit SEAT verlost hat. Sie kamen in den Genuss eines kompletten Rundum-sorglos-Pakets: Der spanische Autohersteller hat die Glücklichen mit exklusiven Festivaltickets ausgestattet, für die An- und Abreise und Unterbringung gesorgt und ein Shuttle zur Verfügung gestellt, mit dem es bequem zum Festivalgelände ging. Außerdem wurden die Gewinner vor Ort zu einem Sound-Workshop eingeladen. Die Toningenieure von SEAT haben sie in die Geheimnisse des SEAT Ibiza mit dem BeatsAudio™ Soundsystem mit 300-W-Verstärker, sechs Lautsprechern und

High-End-Subwoofer eingeweiht. So konnten sich die Gewinner schon einmal bei einer ersten Probefahrt auf das großartige Line-up des Primavera Sounds einstimmen und die Musik von Acts wie Arcade Fire, Solange und Slayer bei bestem Klang genießen und ganz nebenbei ein bisschen mehr von Barcelona sehen, bevor es die Bands dann später live zu sehen gab. Nicht nur Barcelona und das Geschehen auf den Bühnen des Primavera Sound waren sehenswert. Auf dem Festivalgelände befand sich unter anderem eine 55 Meter lange Graffiti-Wand, die von lokalen Künstlern in Szene gesetzt wurde. Dieses Werk war eine perfekte Ergänzung und Darstellung der Kreativmetropole Barcelona, die in den letzten Jahren zum Hotspot der Street-Art-Szene geworden ist.

#SEATbestmoments Start moving.


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#Pop

Algiers im Gespräch

»DIE SCHULD WIRD DICH JAGEN«

K

ein Stück wortkarg stellen sich die zwei Musiker dem mittlerweile 13. Interview an diesem Tag. Lee erzählt, wie er mit 14 beim Kauf seiner ersten Gitarre Stevie Wonder getroffen habe, und Franklin berichtet, dass er die Narbe an der Lippe seinem vierjährigen Ich beim »Thriller«Tanzen zu verdanken habe. Bei der freundlichen Atmosphäre vergisst man sogar kurz, wie düster es in Algiers’ Musik zugeht. Politische und gesellschaftliche Kritik war bereits Gegenstand ihres Debüts und zeigt sich auch im Nachfolger »The Underside Of Power«. Von abgedroschenen Phrasen oder gebrüllten Parolen nehmen Algiers aber weiterhin Abstand. »Wir sind keine Professoren, die sich ein paar Instrumente geschnappt haben und langweilige Lektionen erteilen wollen«, erzählt Franklin Fisher, Texter und Stimme der Band. »Ganz im Gegenteil: Wir sind Musiker und finden durch die Musik verschiedene Zugänge zu anderen Themen, so eben auch zur Politik«, ergänzt Gitarrist Lee Tesche weiter. Den poetischen Titel erklärt Franklin so: »Stell dir vor, du fühlst dich unterdrückt von einer höheren Macht, als wärst du am Boden eines Schiffes. Wie dieses Schiff ist auch Macht nichts Starres, sondern in ständiger Bewegung. Es besteht also immer die Möglichkeit, dieses Boot zum Kippen zu bringen und etwas zu ändern.« Rache und Vergeltung spielen in den Liedern immer wieder eine Rolle, an Karma im philosophischen Sinne glaubt Franklin jedoch nicht zwingend. »Die Schuld wird auf dich zurückkommen und dich jagen. Es ist die Vorahnung einer Sanktion, egal, ob durch eine höhere Macht oder durch eine Revolution. Im wahren Leben gibt es das leider selten.« – »Und deswegen machen wir Musik«, fügt Lee hinzu. »Wir können Welten erschaffen, in denen Gerechtigkeit existiert.«

#Pop — Die Auswirkungen von Klassen­ unterschieden, Rassismus und insti­tu­ tioneller Gewalt thematisierten Algiers aus Atlanta bereits auf ihrem Debüt. Wie die Verarbeitung ihrer Frustration zu impulsiven Texten auch auf dem neuen Album »The Underside Of Power« vonstatten geht, erzählen Sänger Franklin James Fisher und Gitarrist Lee Tesche Celia Woitas.

— Mehr Interview auf intro.de — Algiers »The Underside Of Power« (Matador / Beggars / Indigo /)

»›Keine Argumente!‹ ist ein Statement in Sachen Gewalt­frage. Bei manchen Positionen gibt es schlicht nichts mehr zu diskutieren. Ich bin in bestimmten Fällen klar für Gewalt gegen Nazis. Ich wohne im Prenzlauer Berg – das ist ein Paradebeispiel. Da kannst du heute sehr gut leben, aber auch nur, weil es damals eine schlagkräftige Antifa gab. Nach der Wende waren hier viele Nazis unterwegs und jetzt nicht mehr. Das wurde erkämpft – und nicht wegdiskutiert.« Torsun von Egotronic

— Das ganze Interview auf intro.de — Egotronic »Keine Argumente!« (Audiolith) — Auf Tour vom 01.07. bis 18.11.


#Pop #Style

#Style — Die Slogans auf dem Shirt habt ihr zu oft gesehen, eure feministische Einstellung würdet ihr aber trotzdem gerne auf der Brust tragen? Dann legen wir euch die Patches von »The Propcorner« ans Herz. Dahinter steckt Fiona Tretau aus Hamburg, Modedesignerin und Mutter zweier Töchter: »Viele Motive und die Farbwelten der Entwürfe sind inspiriert von dem ganzen Spielzeug, das bei mir zu Hause rumliegt. Mir ist es wichtig, dass die Patches Spaß machen, ohne dabei ihre Aussage zu verlieren.« Das Interview mit ihr und eine Verlosung findet ihr auf intro.de.

Herzensläden

GLEIS 22 IN MÜNSTER #Pop — In dieser Rubrik stellen wir jeden Monat einen Club vor, der uns am Herzen liegt. Diesmal eine Institution in Münster.

Manchmal sind die besten Konzerte jene, bei denen man mit nur zehn anderen Gästen vor der Bühne steht. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Show von Idaho, die mir mit ihrem Slowcore aufs Wunderbarste den Abend vergrätzten. Wir kannten die Band vorher nicht, aber unsere Rechnung war ganz einfach: Spielt im Gleis, muss gut sein. Das Gleis 22 ist ein Paradebeispiel dafür, wie man mit der Stadt und ehrenamtlichen Helfern eine

Subkulturinstitution aufbauen kann, die nicht nur meine Musiksozialisation geprägt hat. Dabei bewies das Booking-Team immer wieder ein sehr gutes Händchen. Guided By Voices spielten hier ihren ersten Europa-Gig, Interpol waren zu Gast, als sie noch klein waren, und Kettcar trauten sich zum ersten Mal auf die Bühne. Erst letztens sprach ich mit Giant Rooks über das Gleis. Die erzählten mir, dass sie hier die erste Chance bekamen, live zu spielen: »Das war riesig für uns, weil wir im Gleis unsere Jugend verbracht haben.« Daniel Koch

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#Style #Pop #Life

#Style — Wer in der freien Wildbahn Pilze findet, die aussehen, als seien sie »Super Mario Bros.« entsprungen, sollte besser nicht zugreifen und reinbeißen. Es sei denn, man möchte die nächsten Stunden mit Mario und rosa Elefanten an der Seite durch den Wald irren, um am Ende zusammenzubrechen und sich den Magen auspumpen zu lassen. Haben wir hier alles schon durch. Dank des Ravanello Radish Shaper, den es zum Beispiel bei peculiarpresents.com zu bestellen gibt, können wir nun harmlose Radieschen in unsere Lieblingspilze verwandeln.

#Pop — Wir haben uns an die Regelmäßigkeit gewöhnt, mit der DJ Supermarkt beziehungsweise Marcus Liesenfeld seine Sampler-Reihe »Too Slow To Disco« weiterführt. Der hier so fresh im Regen stehende Herr ist übrigens Billy Mernit, dessen Song »Special Delivery« den dritten Teil abschließt. Vom grauen Foto sollte man sich nicht abschrecken lassen: Wie gewohnt überwiegen auf dem Sampler sonnige WestcoastPerlen im AOR- und YachtrockStyle. Die stehen schließlich wieder hoch im Kurs, seitdem zum Beispiel The xx in ihrem Song »Say Something Lovin’« einen Song von »TSTD Vol. 1« gesampelt haben – nämlich Alessi Brothers’ »Do You Feel It«. Ob Jamie xx also Marcus’ Sampler im Regal stehen hat? Wir glauben schon. Die Release-Partys steigen übrigens am 08.07. im Berliner Monarch und am 09.07 auf dem Prince Charles Rooftop, bevor Marcus wie immer auf dem Melt zu hören sein wird.

De Maizière des Monats:

»Wir brauchen diese Präsenz bewaffneter Polizisten bei Konzerten. Sie ist notwendig, um die Veranstaltung zu schützen.«

#Life — Der De Maizière des Monats für überdrehte Ideen zum Thema Sicherheit geht in diesem Monat an den Konzertveranstalter Marek Lieberberg. Klar, nach der Räumung des Geländes von Rock am Ring wegen Terrorverdacht liegen die Nerven blank, aber wo soll’s denn bitteschön aufhören, wenn man erst mal damit anfängt?

Zwei wie ihr, die dürfen sich nie verlieren

Kraftwerk

Katalog

Kraftklub Keine

Nacht für Niemand


#Style

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Modelabel des Monats

BLACK VELVET CIRCUS #Style — Tanja Glissmann hat eine Vorliebe für Vintage-Fummel. Deswegen eröffnete sie, nachdem sie beim britischen Modeschöpfer Alexander McQueen gearbeitet hatte und zurück in Deutschland war, mit einer Freundin Black Velvet Circus, ein Online-Geschäft für vorgeliebte Kleidung. Nur die Entwürfe anderer zu verkaufen, reichte der studierten Designerin allerdings schon bald nicht mehr, und so startete sie 2013 ihr eigenes Label unter dem Namen des Shops. »Love the past – wear the future«, nach diesem Motto entwirft Glissmann seitdem Kollektionen, die von vergangenen Epochen inspiriert und ins Hier und Jetzt überführt wurden. In ihrer aktuellen Linie »Mother Earth« kombiniert sie mit Peace-Zeichen bestickte Hippie-Hängerchen mit sportlichen Hoodies im Thrasher-Style. Im Winter setzt Black Velvet Circus – dem Namen entsprechend – auf Samt in verschiedenen Verarbeitungsformen. Barock-verzierte Stehkragen werden durch Gothic-Typo kontrastiert. Sicherlich keine Looks für jedermann, aber schöne Statement-Stücke für selbstbewusste Frauen – nachhaltig entworfen und produziert. — shop.blackvelvetcircus.com

PROMOTION

MIT DESPERADOS EUER EIGENES FESTIVAL FEIERN? #WHYNOT?!

Jeder bekommt über die Social-Media-Kanäle von Desperados die Möglichkeit, seine Ideen für das »Flavoured Festival« einfließen zu lassen und das Programm aktiv mitzugestalten. Vom Food-Angebot über das Naming der Areas bis hin zu Music-Acts liegen diverse Entscheidungen in den Händen der Community. Als Headliner wird der Electro-DJ Steve Angello der Menge einheizen. Angello wurde als Gründungsmitglied des Electro-Acts Swedish House Mafia bekannt. Darüberhinaus bereichern Künstler wie Sascha Braemer oder Burak Yeter das Line-up. Doch nicht nur etablierte Acts bekommen ihre Bühne: Eines der Highlights in der Festival-Mitbestimmung ist ein Talent-Wettbewerb, der mit freundlicher Unterstützung der Popakademie stattfindet. Nach der Vorauswahl durch eine Fachjury werden sechs Newcomer der Online-Community zum Voting vorgestellt. Für einen Künstler wird dann der Traum wahr, vor über 6000 Besuchern aufzutreten. Die Festival-Tickets kann man zu Preisen erwerben, die deutlich unter dem durchschnittlichen Festivalticketpreis liegen – schon ab 39,99 Euro seid ihr dabei!

Desperados, das bekannteste »Tequila flavoured Beer« Deutschlands, veranstaltet am 5. und 6. August in Düsseldorf sein erstes eigenes Electro-Festival. TICKETS UND INFOS: Das Besondere: Jeder kann es aktiv mitgestalten! desperados.com/flavouredfestival


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#Promotion

jeden Monat neu: Teilnahme unter intro.de/Quiz

DAS QUIZ #254 Das Titelthema des Heftes ist gleichzeitig immer auch Hauptthema unseres monatlichen Quiz-Spaßes. Diesmal dreht sich natürlich alles um den Schweizer Singer/Songwriter Faber. Los geht’s… 1 Woher stammt Faber?

3 Wer hat ihn entdeckt?

F Mailand

A DJ Bobo

A Genf

R Sophie Hunger

Z Zürich

D Boris Blank

2 Was macht der Herr Papa?

4 Und wie heißt sein Album?

Ü Italienischer Liedermacher

I

Ö Französischer Kammerjäger

F »Krawehl! Das himmlische Kind.«

Ä Spanischer Schinkenverkoster

A »Rhabarber, Rhabarber, ein Rind«

»Sei ein Faber im Wind«

Die Gewinne

Aperol Genusspaket

»Ghost In The Shell« × LED Bluetooth-Lautsprecher

»American Gods« – Season 1 im Steelbook

Hafendieb × Festivalguide Shirts

instagram.com/aperol.de

uphe.de / ednet-europe.eu

studiocanal.de / amazon.de

hafendieb.de / festivalguide.de

Mit neuem frischem Look und aufregenden Drinkvarianten unterstreicht Aperol seine außergewöhnliche Mixability und startet in die heißen Sommermonate. Wir verlosen ein exklusives Genusspaket, die passenden sommerlichen Rezepte findet ihr auf aperol.de.

Zum DVD-, Blu-ray- & UHD-Start des Sci-Fi-Spektakels »Ghost In The Shell« (ab 3.8.) mit Scarlett Johansson als tödlichem Cyborg verlosen wir ein futuristisches Fanset inkl. dem Bluetooth-Lautsprecher »Sonar II« von ednet mit LED-Lichtshow, plus Blu-ray & Filmplakat.

Die alten Götter sind genauso verrückt wie die neuen – Bryan Fullers hochgelobte Serien-Adaption von Neil Gaimans Fantasy-Meisterwerk erscheint am 20. Juli auf DVD & Bluray. Wir verlosen drei Mal die komplette erste Staffel auf Blu-ray – im limitierten und Amazon-exklusiven Steelbook.

Getreu dem Motto »What Happens auf’m Festival Stays auf’m Festival« hat das Fair-Trade-Label Hafendieb in Kooperation mit unseren Freunden vom Festivalguide schicke T-Shirts entworfen. Pünktlich zum Start der Festivalsaison verlosen wir fünf Shirts!

Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben das Lösungswort. Teilnehmen könnt ihr unter intro.de/quiz, per Mail mit dem Betreff »Das Quiz #254« an verlosung@intro.de oder per Post an Intro GmbH & Co. KG, Das Quiz, Oppenheimstr. 7, 50668 Köln. Teilnahme ab 18 Jahren, Einsendeschluss ist der 27. August. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.



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#Abo

Abonnier uns: 10 × Intro, 1 × Festivalguide und eine Prämie. Für nur 30 Euro.* www.intro.de/abo Die Abo-Prämien, empfohlen von Intro Baran Bo Odar Sleepless – Eine tödliche Nacht

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BD – Universal

––––– Diverse Too Slow To Disco, Vol. 3

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––––– Denzel Washington Fences

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BD – Eurovideo

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LP – How Do You Are? / Rough Trade

––––– Diverse Early Days – Post-Punk, New Wave, Brit Pop & Beyond (1980 – 2010) 2CD – Unter Schafen / Al!ve

––––– Faber Sei ein Faber im Wind LP – Vertigo / Universal

––––– Paul Verhoeven Elle  BD – MFA+

*Abo-Preise: Inland 30 € (inkl. Prämie), Ausland 35 € (exkl. Prämie), Ausland 42 € (inkl. Prämie). Abo-Dauer: ein Jahr, danach automatische Verlängerung. Das PrämienKontingent ist begrenzt – keine garantierte Lieferung der Wunschprämie. Prämienversand erst nach Veröffentlichung der Prämie und Zahlungseingang. Vorzeitige Abo-Kündigung berechtigt nicht zur Erstattung etwaiger Restbeträge. Bestellwiderruf bis 14 Tage nach Bestelldatum möglich. Alle Details: intro.de/abo.


Foto: Peter Otto

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#Pop #Faber

Faber

SEI BEI FABER IM WIND Schon seit anderthalb Jahren sagt man dem Schweizer Songwriter Faber eine rosige Zukunft voraus. Und das, obwohl seine Lieder nicht unbedingt als leichte Kost durchgehen. Henrike Schröder hat Faber in Zürich besucht, um ihn in der Ruhe vor dem Sturm, den »Sei ein Faber im Wind« auslösen könnte, über Lügen, Nutten, Weltmusik und den Aufstand der normalen Leute auszufragen. Fotograf Manuel Nieberle ließ sich anschließend auf dem Uetliberg mit Faber den Wind um die Nase wehen.

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ine riesige Diskokugel hängt von der Decke der Zürcher Amboss Rampe. Schwere Ledersofas in der Ecke, eine Theke, an der das namensgebende Zürcher Amboss Bier verkauft wird, und eine kleine Bühne. Auf der steht Faber samt Band – die perfekte Location für ein Heimspiel. Die Rampe ist voll, ausverkauft. Eines der letzten kleinen Konzerte vor den großen Bühnen. Dass die kommen werden, da sind sich alle einig. Ich versuche angestrengt Pippo Pollina zuzuhören, um wenigstens ein paar Wörter Der italienische Liedermacher engagierte sich aufzuschnappen, denn Faber redet Schwizerals politischer Journalist dütsch. Er macht eine recht lange, scheinschon während seines Jura- bar lustige Ansage und spielt schließlich den Studiums gegen die Mafia und deren Verbindung zu »Dschungelbuch«-mäßig gemütlichen Song Politikern. Nach der Ermor- »Nichts«, bei dem ich unweigerlich daran dendung eines Kollegen verließ ken muss, wie mir eine Freundin die Zürcher er schließlich Süditalien, reiste als Straßenmusiker Tradition »Limmatschwimmen« erklärt hat: durch Europa und schaffte Über 4000 Zürcher springen einmal im Jahr schließlich den Sprung in der Nähe des Zürisees in die Limmat, um von der Straße auf die Bühne – engagiert sich sich dann etwa zwei Kilometer ganz gemütlich jedoch immer noch, vor durch die Stadt treiben zu lassen. allem musikalisch, gegen Faber kommt aus dieser angenehm Machtmissbrauch und gemächlichen Stadt Zürich. Eigentlich heißt Korruption. er Julian Pollina und ist Sohn des italienischen Liedermachers Pippo Pollina. Mit zwölf Jahren spielt er Sophie begann er, Bass zu spielen – und zwar gleich Hunger etwas vor in einer Band. Gemeinsam mit Max, mit dem Dem SRF erzählte Faber 2015, dass er sie bei einem er schon zur Grundschule ging und der auch Konzert der Band Stiller jetzt – elf Jahre später – wieder dabei ist: als Has im Publikum gesehen Gitarrist, der nebenbei auch Mandoline, Darhabe. »Ich fragte, ob ich ihr etwas vorsingen könne, buka und drei weitere Percussion-Instrumente und sie meinte nur: ›Ja eh! spielt. Dazu kommen Tillmann als Posaune Komm zu mir nach Hau- spielender Schlagzeuger, Janos an Bass sowie se.‹« Dort sei sie nach zwei Songs überzeugt gewesen. Cello, »und Silvan darf nur Klavier spielen«, Vier Monate später spielte endet Faber die Aufzählung der Bandmiter dann bei ihr im Vorpro- glieder. »Die sind alle sehr schnell, sehr gut gramm. »Sie fragte mich, ob ich Lust dazu hätte, weil und auch sehr spielfreudig. Wir haben für das sie ohnehin immer wieder Album vier Tage geprobt und dann nur noch neue Bands suche.« Kleinigkeiten dran geändert.«

Das Album heißt »Sei ein Faber im Wind«, was die Arbeitsweise des Sängers ganz gut trifft. Der Sound wiederum ist etwas schwieriger zu beschreiben. »Weltmusik«, fasst Faber die Strömungen in seiner Musik zusammen. »Unser ganzer Freundeskreis hat das plötzlich total übernommen. Wir können nicht mehr anders, als Weltmusik zu hören. Alle. Meine Freundin ist aus Serbien, die Freundin von meinem Mitbewohner aus Griechenland, und ich bin aus Italien. Ich glaube, das ist so ein Schweizer Ding: Weil jeder irgendwo anders herkommt, hat man das alles – mehr oder weniger – natürlich so ein bisschen drin.« Seine musikalische Laufbahn beginnt auf Hochzeiten, Festen und in Restaurants. 2013 spielt er Sophie Hunger etwas vor, während diese gerade mit der Schwester ihre Wohnung renoviert. Sie ist sofort begeistert und nimmt ihn im Dezember als Vorband mit auf Tour. Nach zwei EPs – »Alles Gute« und »Abstinenz« – kommt nun also das erste Album.

Nutte, pardon: Hure – ach nein, Bitch »Was sagst du denn, wenn du so richtig wütend auf jemanden bist? Wenn ich dir zum Beispiel jetzt megastark gegen das Schienbein treten würde?« fragt mich Faber früher am Tag, beim Interview im Café neben der Rampe. »Könntest du das bitte lassen? Das tut weh«, antworte ich. Er muss lachen. »Sagst du denn manchmal ›Hurensohn‹ zu Leuten? Nie?« Nie. Was Faber sagt, wenn er wütend ist, weiß man mittlerweile: »Arschloch« oder – geht es um eine Frau – wahlweise auch »Nutte«. In »Sei ein Faber im Wind« verzweifelt er hilflos-trotzig an einer Trennung und singt die Zeilen: »Jeder Jäger träumt von einem Reh / Jeder Winter träumt vom Schnee / Jede Theke träumt von einem Bier / Warum, du Nutte, träumst du nicht von mir?« Schön und gut, er ist verletzt. Aber »Nutte«, muss das sein? Zusammen mit zwei weiteren Liedern – Kraftklubs »Dein Lied« und »Bitch« von Von Wegen Lisbeth – wird »Sei ein Faber im Wind« momentan als popkultureller


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#Pop #Faber

Trend durch die Feuilletons, Blogs und Magazine geschleppt, deren Autoren entgeistert feststellen: Die Schlampe, Nutte und Hure ist im seichten deutschsprachigen Indie-Pop angekommen. Für manche ein Grund zur Freude. Die Zeit etwa schreibt hoffnungsvoll von einer »Remaskulinisierung« im Pop, das Kaput Magazin setzt Slutshaming dem einen ganz anderen Begriff entgegen: Der Begriff soll vor allem »Slutshaming« – und Die Welt wiederum der Bewusstmachung kritisiert Letzteres als das »Nicht-Verstehensozialer Stigmata dienen, denen zufolge Frauen für Wollen von Satire«. Das Problem an dieser Debatte um drei Lieihr sexuelles Verhalten oder auch ihren Kleidungsstil an- der und deren Verwendung des Wortes Nutte, gegriffen beziehungsweise Schamgefühle eingeredet pardon: Hure – ach nein, Bitch ist jedoch, dass werden. Als Teilbegriff der sie so schnell auf ein Wort runtergebrochen »Rape Culture« beinhaltet und zum Trend erklärt wurde, dass sich anSlutshaming außerdem die Verharmlosung von scheinend niemand überhaupt die Mühe geVergewaltigungen und die macht hat, alle drei Lieder genau anzuhören. Umlenkung der Schuld auf Faber reagiert auf die Debatte mit gelassenem die eigentlichen Opfer. Unverständnis: »Also, ich kann natürlich verstehen, dass in der Popmusik normalerweise nicht so viel geflucht wird – was ich aber auch schon immer seltsam fand. Ansonsten finde ich die drei Songs extrem unterschiedlich. Und die Sexismusdebatte, die dadurch losgetreten wurde: Also, vielleicht bin ich da abgestumpft, aber ich sehe das einfach nicht.« Natürlich, über das Wort Nutte kann und sollte man streiten. Aber dabei komplett außer Acht zu lassen, dass das Wort nicht für sich, sondern in einem Zusammenhang – und jedes Mal in einem anderen – steht, bringt dem Diskurs genauso wenig wie eine pauschale Verdammung oder Glorifizierung. Faber erklärt: »Ich finde, der Winter und der Schnee, der Jäger und das Reh – das sind so Sachen, die unbedingt zusammengehören. Die können nicht ohne einander. Und deswegen ist das so schlimm, dass sie nicht vom lyrischen Ich träumt. Weil das etwas ist, das sein muss. Weil das eine ohne das andere nicht geht. Das ist der wichtige Punkt. Und nicht ›Nutte‹. Und ich finde, das hat auch nichts Sexistisches. Ich wollte damit ja nicht sagen: Ich will, dass Frauen für denselben Job weniger Geld kriegen oder so. Deshalb sehe ich den Kritikpunkt nicht. Und natürlich ist das eine Beleidigung, und natürlich ist das fies. Aber das soll es ja auch sein. Das macht man ja, wenn man verletzt ist.« Da war es wieder, das lyrische Ich: gerade innerhalb der Debatte durchaus eine Instanz, eben weil man sie bei diskussionswürdigen Texten so einfach vorschieben kann, um sich als Autor aus der Verantwortung zu ziehen. So wie Xavier Naidoo nach der heftigen Kritik zu »Marionetten« oder Kraftklub, die sich in der Diskussion um »Dein Lied« schnell als die beleidigten Opfer inszenierten: Aber die bösen Rapper machen das doch auch, wird patzig geantwortet und schnell nachgeschoben: Und außerdem ist das ja auch Kunst, Rollenprosa, lyrisches Ich und so – Argumente, die beim Gespräch mit Faber auch öfter fallen. Der bezeichnende Unterschied zwischen beiden Liedern liegt jedoch vor allem im Aufbau selbst und in dessen Inszenierung: Am Ende eines zehnstündigen Livestreams kündigten Kraftklub mit »Dein Lied« ihr neues Album an – mit brennendem »K«, Streichern und ganz viel Pathos, was im Zusammenspiel mit dem Text eben nicht ironisch wirkt, sondern auf eine erbärmliche Art und Weise zum Mitgrölen einlädt. Im Unterschied zu Fabers »Sei ein Faber im Wind« wird hier nicht der Trennungsschmerz des lyrischen Ichs in den Vordergrund gestellt, sondern die Frau – die verdammte Hure, die was mit dem besten Freund anfängt. Aber wäre in dem Fall nicht vor allem ein Lied für oder vielmehr gegen den besten Freund angebracht?

Genieß die Geschichte! Auch Faber zieht sich als Erzähler gerne aus seinen Geschichten heraus, wie er gesteht. Jedoch nicht, um sich von bestimmten Aussagen zu entfernen, sondern um die Geschichten für verschiedene Interpretationen zu öffnen: »Es wundert oder vielmehr interessiert mich, warum Leute oft Geschichten direkt und extrem hinterfragen, ohne sie erst mal einfach zu genießen. Wenn mir zum Beispiel jemand eine Geschichte erzählt und ich am Anfang schon denke, dass sie gelogen sein könnte, würde ich trotzdem erst mal die Geschichte genießen. Wenn sie gut ist, sollte man auch mal eine Lüge durchgehen lassen, einfach, weil die Geschichte schön ist.« Und gerade bei seinen Geschichten sind voreilige Schlussfolgerungen fatal. Denn Faber versteht es, mit einer stoischen Gelassenheit Szenarien zu entwickeln, nur um sie manchmal recht bald, ein anderes Mal erst ganz am Ende komplett einzureißen – ab und an mit einem Knall, dann wieder ganz leise, aber immer so, dass sich eine neue Betrachtungsweise ergibt. Bei der Frage, ob es ihm Spaß mache, in dem Moment, in dem das Lied kippt, bei seinen Konzerten die Menschen zu beobachten, muss er schmunzeln: »Ja, natürlich, ein bisschen schon. Aber das mache ich natürlich nicht aus Spaß, weil ich denke: ›Haha, jetzt haben wir wieder alle verarscht.‹ Das überhaupt nicht. Das ist einfach eine Art, wie ich schreibe. Schön, wenn das funktioniert. Ich habe jedoch oftmals das Gefühl, dass das nicht so gut klappt, weil viele zu mir kommen und meinen: ›Mega geil, alles ironische Texte!‹ Und ich find das gar nicht so ironisch. Eigentlich sind das ernste Themen, die auch ein bisschen Witz haben. Wie so ein Zwinkern bei ernsten Themen.« »Aber es gibt auch andere Sachen, die ich schon lustig finde«, erzählt Faber weiter. »Zum Beispiel in ›Bleib dir nicht treu‹: Da kommt es manchmal schon vor, dass ganz viele Leute mit ausgebreiteten Armen lauthals mitsingen, als wäre es eine Hymne. Und auch, wenn du siehst, wie Leute zu ›Alles Gute‹ tanzen: Gerade in dem Song ist ja die Frage, ob das tragisch ist oder ob man den Part ›wenn du dann am Boden bist, weißt du, wo du hingehörst‹ auf eine Art und Weise auch feiern sollte.«

Der Aufstand der normalen Leute Schwierig wird es nur, wenn sich diese offen gehaltenen Geschichten auf dem Album mit politischen Liedern mischen, die eine konkrete Botschaft haben. »Das passt natürlich nicht zusammen«, lenkt Faber sofort ein. »Deswegen versuche ich das zu separieren. Also konkret bei Liedern wie ›Wer nicht schwimmen kann der taucht‹ oder ›In Paris brennen Autos‹. Bei diesen richtig politischen Liedern fände ich es eine Katastrophe, wenn ich da nicht richtig verstanden werden würde. Aber das kapieren die Leute schon. Ich glaube nicht, dass da so was Xavier-Naidoomäßiges entstehen kann.« Ein Thema, das in Fabers Musik – etwa in Liedern wie »Bleib dir nicht treu«, »Züri«, »Wer nicht schwimmen kann der taucht« oder »Widerstand« – immer wieder mit einer vehementen Regelmäßigkeit auftaucht, ist die Aufforderung, einen Standpunkt einzunehmen, dagegen zu sein – vor allem politisch. Auf die Frage, ob er seinen politischen Standpunkt am liebsten durch seine Musik verträte, druckst er etwas herum: »Ich weiß nicht. Ein bisschen schon. Meine Musik ist schon ein bisschen politisch, aber auch nicht nur. Ich will kein politischer Sänger sein. Außerdem bringt das bei mir ja nichts: Erstens, weil mich kaum jemand kennt,


#Pop #Faber

mal kennen, seid nett zueinander und fallt nicht auf jeden Bullshit rein‹ würde ja schon was bringen.« Eines dieser politischen Lieder, über das Faber sehr gerne spricht, ist »Wer nicht schwimmen kann der taucht«. Darin baut er mit einer rauen Abgeklärtheit eine Rollenprosa auf, die einem ein süffisantes Lächeln ins Gesicht treibt: »Mein Dorf ist grau / Mein Alltag und meine Alte auch / Nur die Bunte bringt hier Farbe ins Haus«, singt er zunächst und lässt das Lied dann immer mehr zu einer unangenehmen Beklommenheit verkommen: »Ich bin bestimmt kein Rassist und gegen Ausländer habe ich nichts / Aber ich schaue euren Schlauchbooten beim Kentern zu / Im Liegestuhl am Swimmingpool am Mittelmeer / Kratz mich am Bart, kratz mich am Bauch / Wer nicht schwimmen kann der taucht.« Eine zusätzliche Ebene bekommt das Lied durch eine Art Video oder, besser: ein bewegliches Standbild, das Faber inmitten eines Aqua Parks zeigt, spürbar unpassend reinmontiert – umringt von planschenden Kindern und in Liegestühlen fläzenden Männern.

Standbilder in Bewegung

»So ein Aufstand der normalen Leute ist etwas Gutes. Dafür muss man nicht immer krasse Sachen sagen. Man kann ganz einfach für Toleranz und Solidarität predigen. Es ist schade, dass gerade Künstler, die ein sehr breites Publikum haben, die Finger davon lassen. Wer weiß, was Max Giesinger oder Helene Fischer darüber denken?« und zweitens, weil ich sozusagen zu den eigenen Leuten predige. Leute, die auf meine Konzerte kommen, sind im Normalfall meiner Meinung. Man sollte es deshalb aber nicht ganz lassen, politisch zu sein. So ein Mad Men Aufstand der normalen Leute ist etwas Gutes. »Mad Men« begleitet die Dafür muss man nicht immer krasse Sachen Karrieren von zumeist sagen. Man kann ganz einfach für Toleranz männlichen Werbern im New York der 1960er. und Solidarität predigen. Es ist schade, dass Themen wie Promiskuität gerade Künstler, die ein sehr breites Publikum stehen stets im Fokus und haben, die Finger davon lassen. Wer weiß, was präsentieren eine Gesellschaft voller Sexismus, Ras- Max Giesinger oder Helene Fischer darüber sismus und Homophobie denken? Die hätten das Publikum. Logisch, – in der sich Peggy Olsen, sie würden einen Teil verlieren, aber vielleicht eine der wenigen weiblichen Kollegen, unermüdlich könnten sie auch einen Teil umstimmen. Du an den gesellschaftlichen musst ja nicht sagen: ›Wir werden jetzt alle Konventionen abarbeitet. linksradikal.‹ Ein bisschen mehr ›Lernt euch

Auch zu den zwölf weiteren Liedern des Albums gibt es diese Art von Standbild, die Faber in scheinbar unpassende Situationen wirft. Ein Motiv, das auch unser Coverfoto aufgreift. Einmal sitzt er im Stadion inmitten pöbelnder Fans, dann im kitschigen Café zwischen Blümchentapete und Sahnetorte oder auch bei einer Kölner Kinderkarnevalssitzung – wo er von Wonder Woman böse gemustert wird, während hinter ihm eine Gruppe Funkenmariechen tanzt. Die Idee zu diesem Konzept kam Faber beim Blick auf die Bandfotos: »Es hat eigentlich angefangen mit unseren Fotos und der Frage: Warum sind die bloß immer so langweilig? Und ich glaube, das Langweilige daran war, dass alles so vorhersehbar war. Dann haben wir zusammen mit dem Fotografen probiert, Szenarien zu schaffen, in die ich eigentlich überhaupt nicht hineinpasse und die trotzdem irgendwie harmonisch wirken.« 13 Szenarien sind es geworden, und aus der ursprünglichen Idee, Fotos zu machen, wurden kurze Standbilder, die alle in und um Köln entstanden: »Wir haben das Ganze einfach in demselben Bildausschnitt wie das Foto so lange gefilmt, wie das Lied dauert, und es passierte einfach das, was passierte: manchmal nichts, manchmal ein bisschen mehr. In dem Sinne sind es keine Videos geworden, sondern Standbilder, die sich bewegen.« Bei »Sei ein Faber im Wind« ist es der Ausschnitt einer Galerie. In der Ecke steht Faber, dazu acht Frauen, die dem Betrachter den Rücken zudrehen, und im Hintergrund »Die Geburt der Venus« – das Bild, mit dem schließlich Die Zeit die »Remaskulinisierung« im Pop ausrief und drei Lieder zum Trend erklärte, die außer einem Wort nichts miteinander gemeinsam haben. Der Artikel selbst ist übrigens versehen mit den Schlagwörtern: Popmusik, Männer, Sprache – was ich viel eher als langlebigen Trend anerkennen würde. In jedem Interview, erzählt Faber, müsse er momentan darüber reden: »Aber ich bin jetzt echt froh: Du bist die erste Frau, die mich dazu etwas fragt. Ich habe sonst nur mit Männern darüber geredet. Da konnte ich irgendwann nicht mehr zuhören, weil ich dachte, ich fühle mich wie bei ›Mad Men‹: zehn alte Herren, die drüber reden, was junge Frauen wollen. Ist das nicht das Übersexistischste, was geht? Wie viele Frauen sitzen überhaupt in euren Redaktionen?« — Faber »Sei ein Faber im Wind« (Vertigo Berlin / Universal / VÖ 07.07.17) — Auf Tour vom 11.10. bis 03.11.

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#Pop #Lana Del Rey

Lana Del Rey

»ICH SPIELE IN MEINER EIGENEN LIGA«

Auf ihrem fünften Album »Lust For Life« zelebriert Lana Del Rey Hedonismus statt Schwermut und feiert ihr Leben in Hollywood. Annette Walter hat mit der Femme fatale des Pop telefoniert und festgestellt, dass Lana Del Rey gerne so auf Fragen antwortet, wie sie ihre Lieder schreibt: vage, aber immer auch ein wenig poetisch.


#Pop #Lana Del Rey

W

enn man zum Telefoninterview mit Lana Del Rey Ort«. Oder vom vielzitierten Luxushotel und Celebrityverabredet ist, stellt man sich vor, sie räkele sich viel- Hotspot Chateau Marmont, denn »man weiß nie, wen leicht gerade am Pool ihrer Villa in den Hollywood man dort trifft«. Hills oder läge lasziv auf dem Bett, wie sie es vor einigen Was bedeutet Liebe, von der sie am liebsten singt, für Jahren in unserer Selfie-Ausgabe tat. Es würde ziemlich Del Rey selbst? »Gute Frage«, sagt sie, schwenkt aber sofort gut zu der 31-jährigen Sängerin passen, die ihr Image so von der persönlichen auf die musikalische Ebene um. »Es gut vermarktet wie wenige andere in ihrem Genre. Statt- geht mir im Lied ›Love‹ nicht so sehr um die Verliebtheit dessen erwischt man Lana Del Rey jedoch in ihrem Auto. oder verrückte Leidenschaft, sondern eher darum, liebe»Ich finde, das ist ein guter Ort zum Telefonieren. Es ist volle Gedanken und Gefühle zu haben.« Der Song klingt so heiß heute«, seufzt sie. »Aber weißt du, ich bin von der melancholisch, eben der typische Del-Rey-Sadcore-Sound. East Coast, deshalb liebe ich die Wärme.« Kennt sie auch die traurige Seite der Liebe? »Ja, ich kenne L.A. beziehungsweise Hollywood und Lana – das war diesen Teil«, sagt sie. Schweigen. Nun ja, mehr wird man schon immer ein perfect match. Schon zu Benicht aus ihr herauskriegen. ginn ihrer Karriere, die 2011 mit dem Clip zu Ihr Selbstverständnis habe sich geändert: »Ich fühlte mich beim Schreiben des Albums »Video Games« einen Raketenstart hinlegte, inszeniert sich Lana Del Rey als laszive Femme ganz anderes als bei ›Born To Die‹. Damals fatale, die gerade einem Film noir entstiewar ich wie ein ›rebel without a cause‹. Ich gen ist. Gleiches gilt für ihren Künstlernamen war tatsächlich in dieser ›Scheiß drauf!‹(eigentlich heißt sie Elizabeth Grant), ihren Gefühlslage und hatte diesen ›Born To Die‹glamourösen Trademark-Look (Lidstrich, Modus. Jetzt geht es mir mehr um das GenieSchmollmund und Ronettes-Frisur) und ihre ßen, die positiven Aspekte des Lebens, im Hier Selfie-Ausgabe Biografie, die allein schon einen guten Filmplot und Jetzt zu sein und mehr Freunde um mich Ein wenig vermessen, hier auf das eigene Heft abgeben würde: Alkoholismus und Entzug im zu haben. Und dennoch höre ich auf meiner zu verweisen, aber Intro Teenageralter, zeitweiliger Kontaktabbruch neuen Platte selbst noch viel Ruhelosigkeit.« #223 (Juni 2014) schlug zu ihren Eltern und ein Leben, das sie vom tatsächlich einige Wellen, Erlebt sie sich dabei als autonome weibliche Trailerpark in eine Villa in L.A. gebracht hat. weil Lana höchstselbst das Künstlerin, die frei entscheiden kann, was sie Titelfoto schoss. Damit Lana Del Reys Wohnort ist nun auch schafften wir es nicht nur tut und was nicht? »Ich spiele schon lange in indirekt das Thema ihres Albums »Lust For meiner eigenen Liga. Meine Erfahrungen im auf die Webseiten von Life«. Sie selbst spricht vom »California Billboard und MTV USA, Musikgeschäft waren immer gut.« sondern erhielten auch Sound«. Der wird jedem gefallen, der bereits Das Image der mysteriösen Retro-Schönheit, Post von Lana-Fans aus den Dream-Pop ihres letzten Albums »Ho- dem tiefsten Russland, die das Lana Del Rey in ihren Videos abgibt, wirkt fragten, ob wir ihnen ein neymoon« mochte. Lyrisch geht es dieses Mal ganz anders als der legere All-American-GirlHeft schicken könnten. mehr um die Glorifizierung eines hedonistiSlang, den sie im Interview an den Tag legt. schen Lebensgefühls, es gibt weniger DunkelAuf viele Fragen antwortet sie erst einmal mit heit und mehr Lebensfreude als in Del Reys einem Kichern. Ihre Antworten sind auswei»Rebel Without Frühwerk. »Ich wünschte, ich wäre schon tot«, A Cause« chend, konkret wird sie eher selten – was ja zitierte sie der Guardian, als vor drei Jahren ihr Natürlich passt es einfach auch für ihre Songtexte gilt, die oft vage dadrittes Album »Ultraviolence« erschien – ein zu gut, dass Lana Del Rey herkommen und mehr wegen ihrer Stimme hier jenen Film erwähnt, Statement, von dem sie sich später distanzierte. der todsicher einen großen wirken als wegen des Inhalts. »You get reaIm Song »Lust For Life« – der mit Iggy Pops dy, you get all dressed up to go nowhere in Einfluss auf ihren Style gleichnamigen Song bis auf den Titel so rein gehabt hat. Mit »Denn sie particular, back to work or the coffee shop. wissen nicht, was sie tun«, gar nichts zu tun hat – schäkert Del Rey nun so der deutsche Titel, wur- Doesn’t matter cause it’s enough to be young mit dem R’n’B-Sänger Abel Makkonen Tesfaye de James Dean endgültig and in love«, singt sie in »Love«. zum Star. Leider hatte (The Weeknd) – der neben Sean Lennon am Wie reflektiert sie sich selbst als Frau in der er bekanntlich nicht sehr Album mitgearbeitet hat – und sitzt im Video lange etwas davon – es war männerdominierten Musikindustrie? Hält sie dazu auf dem Hollywood-Schild. In der ersten sich für eine Feministin? Wieder äußert sie sein vorletzter. Single »Love«, die bereits millionenfach online sich weder dafür noch dagegen: »Ich hatte angesehen wurde, kurven ausnahmslos hübsche junge immer das Gefühl, stark sein zu müssen, aber ich fühlte Menschen im Cadillac oder auf dem Skateboard einen mich nicht immer stark. Ich mache das Beste aus meinen Strand entlang, sitzen scheinbar schlaftrunken-derangiert Fähigkeiten. Ich unterstütze die Frauen in meinem Leben, im Kino und erleben später gar eine Reise ins Weltall. und es gibt sehr viele Frauen in meinem Leben.« Hat sie Was reizt sie so an Hollywood, dass sie diesen Ort stän- eine Meinung zu Trump? Del Rey überlegt kurz. »Man dig zitiert? »Auch wenn es nach einem Klischee klingt, ist wacht jeden Tag auf und liest etwas Neues und Verrücktes. diese Stadt für mich immer noch der Ort der Träume«, Ich habe das Gefühl, dass alle ständig den Atem anhalten. antwortet Del Rey. »Ich kenne viele Künstler, die hier leben Mir geht es genauso. Ich bin immer gespannt, was wir als und deshalb das Gefühl haben, es geschafft zu haben. Die Nächstes hören. Aber mein Job ist, Musik zu machen.« Menschen können hier sein, was sie wollen.« Sie erzählt vom Beachwood Café am Fuße des Hollywood-Schildes, — Lana Del Rey »Lust For Life« (Interscope / VÖ 21.07.17) in dem sie immer mal gern vorbeischaut, »ein großartiger

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#Pop #Max Richard Leßmann

Jede Zeit braucht ihre Chronisten. Dass VierkanttretlagerFrontmann Max Richard Leßmann schon länger ein Auge auf diesen Job geworfen hat, dürfte spätestens seit dem 2015 veröffentlichten »Krieg und Krieg« klar sein. Mit seinem ersten Soloalbum »Liebe in Zeiten der Follower« singt Leßmann jetzt über die Zerrissenheit der Welt und die Romantik im Digitalen. Text: Hannah Bahl. Foto: Lukas Korschan

Max Richard Leßmann

MUSIKALISCHE ZEITGEISTSCHNITTCHEN

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it dem Namen Max Richard Leßmann hat man zwei Möglichkeiten: Man wird Sparkassenfilialleiter in Herne oder strebt eine ernsthafte Musikerkarriere an. Dazwischen liegt vermutlich nicht viel. Wenn man das Soloalbum von Leßmann hört, ist man froh, dass er keine Bausparverträge verkauft. Mit »Liebe in Zeiten der Follower« hat Leßmann seinen Platz gefunden und serviert der Welt feinste musikalische Zeitgeist-Schnittchen.

Während auf dem letzten Vierkanttretlager-Album »Krieg und Krieg« eine große Wut auf die Welt zu hören war, tritt Leßmann solo aus der Dunkelheit ins Licht. Das mag für Freunde der härteren Töne wahrscheinlich erst mal ein Schock sein, stellt aber tatsächlich gar keinen so krassen Bruch dar, wie er erklärt: »›Liebe in Zeiten der Follower‹ ist so etwas wie das Negativ von ›Krieg und Krieg‹. Es geht darum, liebevoller zu sein. Auf ›Krieg und Krieg‹ wollte ich einen Widerspruch erzeugen und provozieren, indem ich


#Pop #Max Richard Leßmann

singe: ›Die Welt ist schlecht. Alle müssen sich umbringen.‹ Ich singe das nicht, weil ich es wirklich glaube. Ich wollte, dass die Leute sagen: ›Nein! Das stimmt nicht! Es ist nicht alles schlecht! Ich will mich nicht umbringen!‹« An diesen Schrei nach mehr Liebe knüpft jetzt also das neue Album an – mit swingenden und fein komponierten Melodien, die nach dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen. Keine Frage: Diese Songs wurden geschrieben, um zu bleiben. Genau das war auch Leßmanns Absicht: »Für mich ist die Vorstellung ganz schön, dass jemand in 30 Jahren das Album hört und ein ähnliches Gefühl bekommt wie ich, wenn ich heute Frank Sinatra höre. Ich wollte das Gefühl dieser Zeit abbilden.« Das Fundament seines Albums ist Leßmanns Liebe zur Sprache. Die spürt man zum Beispiel auf der zweiten Single. Mit der Zeile »Ich wünschte, dass ich niemanden mehr kennte« erweckt er den wunderschönen Konjunktiv II zum Leben und zeigt, was man mit der deutschen Sprache alles machen kann. Und »Weil ich dich favorisier, folge ich keinem Menschen außer dir, weil du mein Herz administrierst, hast du alle anderen ausradiert« ist eine Liebeserklärung, die bei Millionen Deutschlehrern vermutlich für feuchte Träume sorgt. Sein liebevoller Umgang mit der deutschen Sprache geht Hand in Hand mit einer Wertschätzung für musikalische Nostalgie, die von Sebastian Madsen, der das Album produziert hat, behutsam arrangiert und interpretiert wird. Da finden sich deutliche Anlehnungen an die 20er-Jahre und die Comedian Harmonists, aber auch ein schwelgender Tango wie in »Die Welt hinter den Worten« oder Streicher in »Ein Lied aus Dir«, die dem Vorspann eines alten James-Bond-Songs entliehen sein könnten. Sebastian Madsen beschrieb das Musizieren mit Leßmann so: »Wenn ich mit Max gemeinsam Musik mache, dann muss ich nicht viel nachdenken. Die Akkorde flutschen wie von selbst aus meinen Fingern.« Diese

Leichtigkeit ist der alles bestimmende Ton dieses Albums. Hier ist nichts schwer, und in den schönsten Momenten klingen die Songs nach einer Zeit, in der elegante Menschen in Italien am Gardasee unter lachsfarben-gestreiften Sonnenschirmen Campari auf Eis trinken, rauchen und leben, als wenn es keine Krisen und Kriege gäbe. Trotzdem bleibt das Album durch seine Texte nie in dieser Nostalgie hängen. Im Gegenteil: Leßmanns Wertschätzung gegenüber dieser verwirrten Internet-Follower-Welt, in der wir alle leben und liken, bietet einen spannenden Kontrast, der nicht nur im Titel deutlich wird. Max Richard Leßmann gelingt es mit Beobachtungsgabe und Charme, das flüchtige Hier und Jetzt in seinen Songs festzuhalten, ohne dabei wie ein Max Raabe in der eigenen Figur gefangen zu sein. »Liebe in Zeiten der Follower« wächst dank aller Beteiligten besonders in seiner Detailverliebtheit über sich hinaus. So wurde das Video zu »Spuren auf dem Mond« zum Beispiel in Lissabon am Tag des Supermondes bei natürlich nächtlichen Licht Madsen gedreht. Und zum Album bekommt man die Im Wendland haben »Romantische Allgemeine«, eine auf altrosa Johannes, Sebastian und Sascha Madsen ein Studio, Papier gedruckte Zeitung, in der sich beglei- in dem ein großer Teil tende Texte zum Produktionsprozess finden. dieses Albums geschrieDieses Gesamtwerk zeigt, dass die Leichtigkeit ben und aufgenommen wurde. Für die Aufnahmen des Albums nicht vom Himmel gefallen ist, des Albums nahm Max sondern dass viel Arbeit dahintersteckt. Das Richard Leßmann extra Leichteste der Welt ist eben nur dann leicht, Jazz-Gesangsstunden, um sich stimmlich dem swinwenn man es wie einen perfekten Zaubertrick genden 20er-Jahre-Sound tausend Mal geübt hat und sich seiner selbst anzunähern. sicher ist. »Liebe in Zeiten der Follower« enthält viele musikalische Fußnoten und Referenzen, ohne jemals ironisch zu sein. Wie auch Dagobert meint Max Richard Leßmann die Sache mit der Romantik ernst. »Es gibt so viele Künstler, die sich hinter dieser ironischen Pose verstecken und bei denen alles an der Ironie abperlt, das wollte ich nie. Mit Ironie hält man Menschen auf Abstand; mir ging es immer schon darum, komplett aufzumachen.« Wer liebt, macht sich verletzlich, vielleicht ist das die einfachste und wichtigste Nachricht dieses Albums. Max Richard Leßmann schreibt und redet schlau über die Zeiten, in denen wir redet schlau leben. Das muss man nicht mögen, aber man Gemeinsam mit Elena sollte den Mut schätzen, dass jemand etwas Gruschka betreibt Max Richard Leßmann den Neues wagt. Wäre dieses Album ein Tier, es Society-Podcast für die wäre wahrscheinlich ein Königspudel: leicht Handtasche »Clutch und aus der Mode gekommen, majestätisch, aber Tratsch«, in dem wöchentlich die ganzen harten und trotzdem mit der nötigen Hipster-Eleganz, die weichen Fakten aus der dadurch entsteht, dass man der Welt immer Promiwelt scharf analysiert und kommentiert werden. einen stilsicheren Schritt voraus ist. Dieses Album ist ein Geschenk, weil es alles Destruktive dieser Zeit auf Abstand hält und die Ästhetik des Lebens zelebriert. Sicher gibt es Leute, die schöne Dinge grundsätzlich für banal halten und Romantik scheiße finden, denen ist allerdings generell nicht mehr zu helfen. Der Rest der Welt darf sich zu »Liebe in Zeiten der Follower« zurücklehnen, der Romantik eine neue Chance geben und dabei lässig und fußwippend mit Campari auf die Leichtigkeit des Seins anstoßen. — Max Richard Leßmann »Liebe in Zeiten der Follower« (Caroline / Universal / VÖ 21.07.17) — Intro empfiehlt die Tour vom 25. bis 30.11.

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#Pop #Waxahatchee

Das sowieso schon tiefschürfende Werk von Katie Crutchfield wird durch »Out In The Storm« um ihr bisher persönlichstes Album ergänzt – mit maximaler Selbstreflexion und null Distanz zum lyrischen Ich. Lars Fleischmann traf Waxahatchee zum zwangsläufig intimen Gespräch über Trennungen, Aktivismus und die Rückkehr zur Autonomie. Foto: Svenja Trierscheid

Waxahatchee

»DAS BIN ALLES ICH«


#Pop #Waxahatchee

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erlin schmort bei 28°C. Die nächste Abkühlung in Form von Regen oder eines Sturms ist nicht in Sicht. Ein seltsamer Zeitpunkt für ein Interview mit Waxahatchee, in dem es um ihr viertes Album »Out In The Storm« gehen soll. Das passt nicht nur vom Titel her schlecht zum Sommer, sondern ist auch insgesamt recht düster und intim geraten. Während die U-Bahnen überlaufen sind von schwitzenden Menschen, die alle nicht mit der Hitze umgehen können, sitzt Katie Crutchfield im luftigen Overall im Michelsberger Hotel und versprüht ein angenehmes Maß an Ruhe. Es wäre etwas floskelhaft zu behaupten, dass man sähe sofort, dass sich da jemand selbst gefunden hat, doch hinsichtlich des großen Themas der neuen Platte geht die Formulierung vielleicht in Ordnung. Auf »Out In The Storm« geht es um eine Frau, die ihr Leben nach einer Trennung in den Griff bekommt. »Seine eigene Autonomie wiederfinden. Sich aus etwas befreien«, nennt es Crutchfield. Crutchfield ist es gewohnt, ihr Seelenleben nach außen zu tragen. Sie möchte es sogar ganz explizit. Auf die Frage, ob sie denn von einer imaginären Person schreibe, also einen literarischen Ansatz habe, schüttelt sie lässig, aber bestimmt den Kopf: »Das bin alles ich.« Jede Geste ist wichtig, ihre Mimik bestimmt. Man könnte fast meinen, hier sei ein Medienprofi am Werk. Doch Waxahatchee ist nicht etwa dem Businessplan einer großen Firma entsprungen, sondern Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses. Ein »slow burn«, wie Crutchfield es nennt. Über Jahre sind die Fanzahlen und positiven Artikel gestiegen, gleichzeitig sind ihre Platten gereift. Vor zehn Jahren, mit 18, startete sie mit ihrer Schwester Allison in ihrer Heimat Birmingham, Alabama, das Duett P.S. Eliot. Mit ihrem Solo-Projekt Waxahatchee, das Crutchfield 2010 ins Leben rief, wuchs sie weiter in die Rolle der Musikerin – ihre Schwester blieb Teil des Projektes. Die neuen Songs hat sie einfach direkt mit Band aufgenommen, was den Sound insgesamt von der »Bedroom«Recording-Ästhetik in Richtung »Hi-Fi« verändert. Das Grundrezept der im Mittelpunkt stehenden Singer/Songwriterin bleibt unverändert. Für die AufnahJohn Agnello men und die Produktion konnte Crutchfield Über die Produzentenwahl einen großen Namen verpflichten: John Agund die Entscheidung, nello, der unter anderem mit Sonic Youth diesmal mit Band aufzunehmen, sagt Crutchfield: und Dinosaur Jr. zusammengearbeitet hat »Der Style dieser neuen und in den letzten Jahren als Produzent von Zusammensetzung an Kurt Vile aufgetreten ist, brachte sein KnowMitwirkenden hat mich inspiriert. Musikalisch und how aus mehreren Jahrzehnten ein. »Out In persönlich. Und mit einem The Storm« ist aber kein Produzenten-Album neuen Produzenten, der geworden; Fans von früheren Waxahatcheeschon so lange im Geschäft ist, kommen natürlich Alben wie »Ivy Tripp« oder »Cerulean Salt« Methoden und Ideen dazu, werden sich kaum umstellen müssen. »Ich die sonst nicht da gewesen nehme immer noch Sound-Ideen mit dem wären.« Handy oder anderen Recordern auf, meistens von der Seite des Gesangs. Daraus baue ich einen Song und überlege mir einen Text. Das hat sich nicht verändert«, erklärt Crutchfield und fügt hinzu, dass sie diesmal viel an der textlichen Seite gearbeitet habe. Das hatte auch persönliche Gründe: »Während ich bei ›Ivy Tripp‹ noch damit beschäftigt war, eine lyrischere Seite an mir zu finden und literarischer an die Sache ranzugehen, bin ich diesmal bei der Formulierung meiner Gedanken sehr viel konkreter geworden.« »Out In The Storm« ist trotz des aufwendigeren Sounds ihr persönlichstes, intimstes Werk, auf dem sie keine Ablenkungen zuließ; nicht mal

musikalische Einflüsse: »Beim letzten Mal Tall Dwarfs hatte ich noch Musik wie Tall Dwarfs im Kopf Das neuseeländische und wollte dementsprechende Synthie-Sounds Duo Chris Knox und Alec Bathgate existiert seit 1981 oder Ähnliches einbringen. Diesmal war es und hat sich – obwohl seit viel intimer. Die Band und ich haben unseren gut 15 Jahren kein Album Instinkten vertraut.« Das war wichtig, um die mehr erschienen ist – noch nicht offiziell aufgelöst. Die Geschichte und die Message zu vermitteln. Tall Dwarfs verwendeten Sie fragt sich diesmal, wie man nach einer überwiegend Akustikgitarre Trennung wieder zu sich selbst findet und und Keyboard, statt Drums gab es Handclaps. Oft wurautonom wird, »wie man all das los wird, was den sie als Wegbereiter des einen vergiftet hat«. Lo-Fi bezeichnet. Als EinInteressant ist, dass sich Crutchfield dabei stieg in ihr Oeuvre eignen sich Songs wie »Nothings gar nicht um Objektivität bemüht und diese Going To Happen«, »Mr. autobiografische Herangehensweise sogar als Broccoli« und »The Brain Plus sieht. »Die Platte ist tief verwurzelt in That Wouldn’t Die«. mir. Ich weiß nicht, ob das therapeutische Züge hat, aber ich schreibe seit jeher über Sachen, die aus mir rauswollen, die ich sagen möchte. Deshalb mache ich Musik«, fasst sie ihren eigenen Antrieb zusammen und nippt dabei an einer Dose Kokosnusswasser. Eine willkommene Abkühlung bei der Hitze. Einen kühlen Kopf bewahrt sie auch im weiteren Gesprächsverlauf, obwohl wir zum Thema Politik kommen. Musik und Politik liegen für Crutchfield sehr nah beieinander. Zwar sei das Album noch vor Trumps Einzug ins Weiße Haus entstanden, doch ganz ohne Kommentar zur aktuellen Situation kommt Katie Crutchfield nicht aus – als politische Künstlerin sowieso nicht. Schon seit jeher nennt sie die Riot-Grrrl-Bewegung als Referenz (in ihrer jetzigen Band spielt unter anderem Sleater-Kinney-Mitglied Katie Harkin) und sieht auch einen feministischen Auftrag in ihrem eigenen Tun. »Ich komme aus einer sehr kleinen Punk-Community, meine Schwester Allison und ich waren damals die einzigen Frauen. Bei vielen unserer Freundinnen bemerkten wir, dass sie sich auch musikalisch ausdrücken wollen, aber von der männlich dominierten Szene abgeschreckt waren. Die Sichtbarkeit von Frauen in der Szene ist so wichtig.« Umso glücklicher scheint Crutchfield, dass sich das seit ein paar Jahren wandelt: Immer mehr Frauen nehmen nun Drumsticks und Gitarren in die Hand – mit Role-Models wie Waxahatchee im Hinterkopf. Und mit den gleichen Mitteln der Selbstermächtigung und Aktion möchte Crutchfield auch Teil des Widerstands sein: »Das Ziel kann nur lauten: Communitys aufbauen, Festivals veranstalten, Spenden sammeln, sichtbar sein, Compilations machen. Und sich dann wieder am politischen Prozess beteiligen. Vielleicht ist dies das wirklich einzig Coole an Trump: Dass alle begreifen, dass sie wieder aktiv werden müssen.« — Waxahatchee »Out In The Storm« (Merge / Cargo / VÖ 14.07.17) — Auf Tour vom 17. bis 30.09.

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#Pop #Broken Social Scene

Broken Social Scene

DIESE DONNERNDE UMARMUNG Sieben Jahre nach seinem letzten Album hat sich das Bandkollektiv aus Toronto wieder zusammengefunden und liefert mit »Hug Of Thunder« ein starkes Statement für die Freundschaft und die Kraft der Veränderung. Daniel Koch traf die Band auf dem Immergut Festival und plauderte mit Kevin Drew (5. v. l.) und Brendan Canning (2. v. l.) – den kreativen und organisatorischen Köpfen der Band. Fotos: Jenny Schäfer

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ehr Hippie geht gerade nicht: Ich treffe Broken Social Scene auf einer kleinen Waldlichtung im Backstage des Immergut Festivals. Um uns herum selbst gebaute Wohnwagen. Außen grün bemaltes Holz, innen brauner Teppich und Möbel, die man dem Jungen in »Almost Famous« aus dem Zimmer geklaut haben könnte. Die Sonne strahlt, die Luft fühlt sich an, als wären wir in San Francisco. Um mich herum wuseln zwei Dutzend Menschen, darunter immer wieder Musiker aus meinen Lieblingsbands. Denn das ist eines der besonderen Dinge an Broken Social Scene: Man bekommt einen Haufen Bands zum Preis von einer. Emily Haines von Metric ist heute zum Beispiel vertreten, ebenso

Ohad Benchetrit von Do Make Say Think. Amy Milan und Feist sind auf dieser Europatournee leider nicht dabei: Erstere, weil sie gerade das neue Stars-Album »Privilege / We Called It Love« vorbereitet; Letztere, weil sie mit ihrem eigenen Album »Pleasure« tourt. Es ist ein einziges Gewusel und einer der wenigen Momente abseits der Bühne, in dem man das gute Dutzend des Broken-Social-Scene-Kerns zusammenhat. Bevor wir die Gunst der Stunde für ein aktuelles Bandfoto nutzen, greif ich mir jene zwei Mitglieder, die diese Band im Kern zusammenhalten. Weder in Sachen Optik noch in Sachen Gesprächsthemen zerstreuen Kevin Kevin Drew Drew und Brendan Canning mein Gefühl, in Man könnte über jeden einer engagierten Hippie-Kommune gelandet einzelnen Musiker der Band einen Lexikoneintrag zu sein. Beide umweht – obwohl sie aus Kanada schreiben. Kevin sei an diestammen – dieser entspannte Vibe, den man ser Stelle erwähnt, weil er sonst in die besten Jahre gekommenen Sur- neben seiner Solokarriere auch noch das Label Arts & fern nachsagt. Zumindest Kevin ist in seinen Crafts leitet, auf dem in KaZielen allerdings eher getrieben denn gechillt nada zum Beispiel Badbadund sieht im Wirken der Broken Social Scene notgood, Cold Specks, Dan Mangan, Chilly Gonzales, eine Mission: »Als Band hast du nicht viele Fucked Up, Feist und Torres Möglichkeiten, etwas zu verändern. Aber die, veröffentlichen. die du hast, solltest du nutzen. Unser Ziel ist es, dieser selbstverliebten, von riesigen Egos dominierten Zeit eine Gruppe von Freunden entgegenzustellen, die etwas zu sagen hat. Und die zusammenhält, auch wenn bei uns viele Meinungen und kreative Köpfe aufeinandertreffen.«


#Pop #Broken Social Scene

Brendan ergänzt eher bedächtig: »Der Zusammenhalt steht schon mehr im Fokus als auf dem letzten Album. Schwer zu sagen, wie politisch man das bewerten kann. Wir sind nun mal langjährige Freunde mit ähnlichen politischen Ansichten. In erster Linie sind wir positive Menschen und wollen diesen Vibe teilen. Aber wir sind natürlich nicht blind. Wir leben in einer seltsamen, brutalen Welt. Das haben wir erst vorgestern gemerkt, als wir unser erstes Europa-Konzert am Tag nach dem Manchester-Attentat spielen mussten. Deshalb muss unsere Musik Manchester- natürlich auch eine dunkle Seite haben – was Attentat wären wir denn für Künstler, wenn wir das Am Vorabend der nicht sehen würden?« Broken-Social-Scene-Show Allerdings wissen beide, dass sie mit ihrem sprengte sich ein Attentäter Leben in Toronto aus einer komfortablen Poauf dem Konzert von Ariana Grande in die Luft und sition heraus missionieren. Glaubt man dem tötete über 20 meist junge aktuellen Kanada-Hype um Justin Trudeau, Menschen. BSS eröffneten ihr Konzert mit ihrem alten ist dieses Land der Sehnsuchtsort für alle, Freund Johnny Marr als die noch an das Gute im Menschen glauben. Gast und spielten nach Kevin relativiert das schnell: »Klar, es ist toll, einer kurzen Ansprache das zurückgenommene und an dass unser Land so multikulturell geprägt und diesem Abend sehr pas- offen ist. Aber machen wir uns nichts vor: Wir sende Lied »Anthems For A leben im Schatten Amerikas – und das hat Seventeen Year Old Girl«. sich immer schon aufgeführt wie der größte Prolet in der Klasse. Egal, ob da jetzt Obama oder Trump regieren – wir wurden immer rumgeschubst und mussten politische Entscheidungen mit ausbaden. Ich glaube schon, dass Trudeau vielen Menschen Hoffnung gegeben hat, aber ich zweifle daran, dass gesellschaftliche Veränderung jemals von oben kommen kann. Wir sollten unseren Blick auf jene lenken, die uns am nächsten stehen: Freunde, die Familie, die Community – und deshalb eben auch die Nachbarin, die vielleicht sogar Trump gut findet. Denn Trudeau-Hype und Trump-Bashing allein helfen nicht weiter. Es war immer schon im Interesse der Mächtigen, die Menschen gegeneinander aufzuhetzen, sie in Gute und Böse zu unterteilen, bis jeder am anderen vorbeischreit. Dafür gibt es gerade eine ganze Industrie, die Links wie Rechts hervorragende Geschäfte damit macht. Aber wohin bringt uns das?«

Diese Kampfansage für mehr Zusammenhalt und der von Brendan erwähnte Kontrast aus Euphorie und Dunkelheit sind die Essenz von »Hug Of Thunder« – was auch dieses seltsam-schöne Oxymoron im Titel erklärt. Die Gitarren und Bläser sind gewohnt hymnisch, beim Gesang darf jeder mal ran, die Melodien sind beseelt von einer Spielfreude, die man nicht simulieren kann. Und trotzdem heißen die Stücke »Protest Song« und »Mouthguards Of The Apocalypse«. Und eben »Hug Of Thunder«, der in großen Teilen von Leslie Feist geschriebene Titeltrack. Seine Entstehung beschreibt sehr gut, wie diese außergewöhnliche Band arbeitet. Als Feist den Song mit nach Toronto brachte, hatte die Band gerade Brendans Wohnzimmer in ein kleines Studio umgebaut. Kevin erinnert sich: »Ich hatte mich aufs Sofa gelegt, um ein Nickerchen zu halten, als sie der Band den Song vorstellte. Leslie und ich stehen uns sehr nahe, aber sie kann meinen dominanten BandleaderVibe nicht ertragen, deshalb zog ich mich zurück. Alle jammten rum, und als ich wach wurde, merkte ich, dass sie nicht vorankamen. Das wollte zwar keiner hören, aber es stimmte. Dann spielte Brendan diese Bassline, um die Spannung aufzuheben – und plötzlich stimmten alle mit ein.« Brendan ist in dieser Hinsicht allerdings bescheiden. Er sagt, sein Job sei eher gewesen, als Gastgeber »in der Küche zu stehen und für alle zu kochen«. Nach dem Fotoshooting sehe ich dann endlich Broken Social Scene beim Musizieren zu. Und auch wenn der Gig unter Sound-Problemen leidet, spüre ich doch, wie mich »Hug Of Thunder« erst benommen macht und dann fest an das Herz dieser Band drückt. »All along we’re gonna feel some numbness / Oxymoron of our lives«, singen sie, um mich dann donnernd zu umarmen: »Speaking like a hug of thunder / Lit up by the lights of dusk outside.« — Broken Social Scene »Hug Of Thunder« (City Slang / Universal)

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#Pop #Beth Ditto


#Pop #Beth Ditto

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s rollt so schön von der Zunge«, sagt Ditto über den Titel ihres Albums. »Fake Sugar« heißt ihr neues Werk, mit dem sie nach 17 Jahren Gossip nun allein unterwegs ist. Ein Jahr ist es her, dass das Trio sein Ende verkündete, und fünf Jahre, dass das letzte gemeinsame Album erschien. »Das Leben nach der Band fühlt sich an wie nach einer Scheidung«, sagt sie, »allerdings wie nach einer einvernehmlichen, ganz ohne Rosenkrieg«. Konsequent also, dass ihr Album nach der Trennung nur selten an den poppigen, aufpolierten Sound erinnert, der vor allem die letzten Gossip-Alben prägte. »Ich wollte mit ›Fake Sugar‹ nichts Cooles machen. Mir war egal, ob die Leute es mögen«, sagt sie. »Man kann schließlich nicht der Liebling von jedem sein«, weiß Beth Ditto und traut sich weg vom Gegenwarts-Pop und hin zu mehr Nostalgie-Sound. Das neue Album bedient sich bei Retro-Genres wie Rock’n’Roll, Blues, Vintage Soul und Disco. Sehr vordergründig sind außerdem die Country-Einflüsse, für die sie sich Inspirationen aus ihrer Kindheit in den Südstaaten der USA holte. »Als ich jung war, wollte ich immer aus Arkansas weg. Und das möchte ich körperlich immer noch. Allerdings habe ich mittlerweile verstanden, dass mich das alles zu dem gemacht hat, was ich heute bin.« Aus dieser Erkenntnis heraus öffnete sich die 36-Jährige, zumindest mental, für eine Rückkehr zu ihrer Herkunft und macht daraus nun Musik, die bodenständiger ist und nicht gerade wirkt, als würde sie einem Konzept folgen. Das kommt raffinierterweise ihrer kraftstrotzenden Stimme zugute, die dadurch nicht mehr mit einer poppigen Eingängigkeit um Aufmerksamkeit ringen muss. Ähnlich, und ein wenig erfolglos, hatte das auch Lady Gaga mit ihrem jüngsten Album »Joanne« versucht. Beim ersten von drei europäischen Showcases feiern Dittos neue Songs in Berlin Premiere. Alle Shows waren innerhalb weniger Stunden nach Bekanntgabe restlos ausverkauft. Beth Ditto live bleibt auf ewig ein Erlebnis: Auf der Bühne unterhält sie mit ihrer unvergleichlichen Präsenz, und mit ihrer Aufrichtigkeit Sie hat gefehlt. Nicht nur ihre Stimme, die wegen wirkt sie sehr nahbar. Manche Menschen sind einfach für Bühnen gemacht. Dort steht sie ihres Volumens schon mit dem Janis Joplins oder also, mit ihrem kurzen glitzernden T-ShirtAretha Franklins verglichen wurde, sondern vor allem Kleid und der hochtoupierten Retro-Frisur. Sie ihre Attitüde: der Punk, der Trotz und die aufrichtige verteilt Handküsse; nimmt Blickkontakt mit Einzelnen auf; sagt: »You’re beautiful« in die soziale Anti-Haltung, die der Pop-Kosmos so nötig Menge; lässt ihre Unterhose beim Bücken verhat. Nun ist Beth Ditto wieder da und präsentiert im sehentlich, aber entspannt durchblicken; reißt Sommer 2017 ihre erste Solo-LP. Warum sie sich in einen Scherz nach dem nächsten; entscheidet der Modewelt wohler fühlt als in der Musikbranche spontan, Songs der Setlist wegzulassen und lieber Gossip-Evergreens wie »Heavy Cross« und wie sich das Leben als Solokünstlerin anfühlt, hat oder »Love Long Distance« zu spielen, nach sie Osia Katsidou erzählt. denen das Berliner Publikum ruft. Ihre Stimme sitzt, ihre Aura ebenfalls. Ohne Band auf Tour zu sein mache sie nicht nervös. Die Kritik an Gossip habe eh immer sie abbekommen, sagt sie, daher sei jetzt nicht wirklich viel anders, zumindest, was den Umgang mit der Öffentlichkeit angehe. Und den Meinungen etwas entgegenhalten konnte Ditto schon immer. Schließlich war sie von Anfang an Vertreterin vieler Bewegungen, da Frauen unentwegt in Abwehrhaltungen gezwungen werden: Sie bekannte sich zum Feminismus und zu LGBTQ-Rechten und öffnete die Modewelt für unstandardisierte Körper wie ihren. Damit wurde sie zu einem neuen Archetypen, der von einer

Beth Ditto

BULLSHIT AM OHR

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#Pop #Beth Ditto

welche darunter wertvoller sind als andere? »Keiner sagt mir, dass ich irgendwo nicht hingehöre«, beansprucht Ditto und rät: »Du sagst einfach: ›Ich gehöre hierher!‹ Ob sie es akzeptieren oder nicht, ist nicht dein Bier.« Es ist ihre Revolution der Echtheit: »Du bist, wer du bist!« Ditto findet, das muss reichen. Selbst die Modewelt, die gerne Maß anlegt und nach Zentimetern aussortiert, kauft ihr das ab und feiert die »kleine, fette Lesbe aus Arkansas«. Für Jean Paul Gaultier ging sie einst in Paris über den Laufsteg, und für Karl Lagerfeld fungierte sie sogar als Muse. Wenige Karl Lagerfelds Jahre später zog er ihre Kritik auf Muse sich, weil er Adele als »ein bisschen Im Jahr 2009 lobte Lagerzu fett« bezeichnet hatte. Ditto ist feld Beth Ditto zum ersten Mal und sagte öffentlich, er heute sicher: »Adele hat keinen Shit bewundere ihr Selbstbedarauf gegeben. Und außerdem, was wusstsein und ihr Talent. hat man anderes von Karl Lagerfeld Später entwarf er ihr ein eigenes Kleid, und Gossip erwartet?« Sie ist mittlerweile ver- spielten gar auf einer söhnlich, auch, weil sie die Modewelt Chanel-Show. Als Lagerfeld sehr mag, sie sogar der Musikwelt 2012 jedoch Adele als »zu fett« titulierte, gab Beth vorzieht. Beth Ditto findet, dass die Karl einen herrlichen verMenschen dort mehr Spaß machen: balen Arschtritt und sagte: »In der Modewelt sieht jeder ver- »Er ist ein abgemagerter älterer Herr, der sich in viel rückt aus und spricht nicht übers Geschäft, zu enge Klamotten zwängt sondern über die Kunst. Die Musikwelt ist und in seinen Gewohnheisehr patriarchalisch und nicht so lustig. Ich ten festgefahren ist.« mag Männer, aber sie machen dieses Business auch sehr ernst und wettbewerbsgetrieben.« einfachen Ditto selbst ist weder besonders ernst, noch Verhältnissen ist sie sehr dem Wettbewerb zugetan. »Ich Beth Ditto wuchs in einer habe einen Punk-Hintergrund und komme Wohnwagensiedlung in der Kleinstadt Searcy in Arkanaus sehr einfachen Verhältnissen«, erklärt sas auf und musste in ihrer sie. Das alles ist ihr nach wie vor bewusst und Kindheit und Jugend Armut hält sie abseits der Laufstege, roten Teppiche und Missbrauch ertragen. In ihrer Biografie »Heavy und Weltbühnen bescheiden. Das sieht man Cross« schreibt sie: »Wir auch an ihrem Instagram-Account. Darauf hatten nie etwas zu essen teilt sie Bilder aus ihrem Haus in Portland, wo im Haus. Wir hatten auch kein Telefon, um Hilfe zu sie zum Beispiel gelegentlich Babymützen für rufen, wenn die Not zu groß die Kinder ihrer Freunde strickt. »Wenn du wurde.« Über ihren inzwidir meinen Feed anschaust, findest du Kom- schen verstorbenen Onkel Lee Roy, der sie wiederholt mentare von irgendwelchen Tanten von mir. »befummelte«, schreibt Auch meine Mutter äußert sich ständig«, sagt sie, dass er seine »perverse sie. Außerdem sieht man zahlreiche Bilder Form von Sexualität um sich förmlich verströmte«. von ihr und ihrer Frau Kristin Ogata. Nach langjähriger Beziehung haben die beiden vor vier Jahren zeremoniell und kurze Zeit später – nach der Legalisierung der Homo-Ehe in den USA – auch amtlich geheiratet. Auch im Eheleben hat sich Ditto auf die Echtheit besonnen, romantisiert nicht mehr, was Liebe im Alltag bedeutet. »Nothing ever is perfect«, singt sie in der Ballade »Love In Real Life« aus dem neuen Album. Im Grunde ging es bei Beth Ditto ja schon immer um das unmittelbar Echte. Sie nahm es, packte Glitzer drauf und sang mit schallender Stimme davon. Von ihrem neuen Album sagt sie, es bestünde aus ungefilterten Emotionen. Trotz des Titels »Fake Sugar« findet man darin das echte kalorienreiche Ding. Für Ditto gilt nämlich: »Es kann manchmal schön sein, wenn dir Menschen Süßes ins Ohr labern. Aber irgendwann merkst du, dass das alles Bullshit ist.«

»ICH WERDE NIE DARAN GLAUBEN, DASS ES EINE MENSCHENGRUPPE GIBT, DIE INHÄRENT BÖSE ODER FALSCH IST« Beth Ditto

politischen Gegenwart zeugt: »Ich bin eine fette, lesbische Feministin, die kein Blatt vor den Mund nimmt«, sagt sie. Die Frau bleibt Punk. Nicht für die plumpe Rebellion, sondern weil die Ideen hinter den Forderungen ihr wichtig sind. Beharrlich bezieht sie bei Ungerechtigkeiten Stellung, empört sich auf ihren Social-Media-Kanälen über Islamophobie oder die Feindseligkeit gegenüber Trans-Menschen in Trumps Amerika. »Ich werde nie daran glauben, dass es eine Menschengruppe gibt, die inhärent böse oder falsch ist«, sagt Ditto. Der gleiche Impuls hat sie angeregt, KleiKleidung zu dung zu entwerfen, und zwar für Frauen, die entwerfen so aussehen wie sie. Dittos Kleider, Shirts und Über die Kollektion, die sie Overalls sind in Übergrößen erhältlich und über ihre Website bethditto. betonen Kurven, statt sie zu verdecken. Dabei com vertreibt, sagt sie: »Ich wollte Stücke machen, die geht es um Körperpositivität, eine erst junge Jahre halten. Unabhängig Haltung, als deren Speerspitze sie gilt. »Wir von Trends und jenseits sollten als unser bestes Selbst leben, und zwar der großen Modeketten. Ethisch korrekt produziert täglich, in unseren Körpern, so, wie sie sind«, in den USA, als kleine sagt sie über ihren Ansporn fürs Modemachen. Firma ohne ein großes Un- Es freut sie, dass das sogenannte Phänomen ternehmen dahinter.« Das hat natürlich auch seinen Plus-Size – das in seiner Begrifflichkeit zwar Preis: Zwischen 65 und kritisiert wird, weil es wieder um Normierung 395 Dollar kosten die Teile geht – Aufwind erhielt. Allerdings sieht sie die – plus Zollgebühren, da sie aus den USA verschickt Kapitalisierung dahinter auch kritisch. Es ginge werden. hierbei schließlich nicht um Profit, sondern um Akzeptanz von Unterschieden, die sind dem Kapitalismus natürlich nur dann etwas wert, wenn sie auch was abwerfen. »Ein Gutes hat das alles auf jeden Fall, und zwar, dass es mittlerweile eine Sichtbarkeit für diese Mode gibt und dass Menschen sich immer wohler mit sich fühlen«, so Ditto. Sich wohlfühlen, das ist das Credo eines neuen Individualismus, der über Größen und Körperformen hinweg funktionieren soll. Viel zu oft hat die Öffentlichkeit Beth Ditto auf ihre Figur reduziert und sie mit abfälligen Ausdrücken wie Wuchtbrumme betitelt. In dieser plumpen Abhandlung rund um ihren Körper – der übrigens mehr der Norm entspricht als der sonst so photogeshoppte oder schönheitsoperierte Schwindel der Mode- und Medienwelt – geht ihre revolutionäre Botschaft verloren: Menschliche Körper sehen nun mal im echten Leben ganz unterschiedlich aus. Dick, dünn, klein, groß, häufig unsymmetrisch und selten glatt. Wer bestimmt eigentlich,

— Beth Ditto »Fake Sugar« (Sony) — Auf Tour vom 21.09. bis 05.10.


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#Pop #Portugal.The Man

Portugal.The Man

KEINE LIEDER ÜBER FRIEDEN Am Anfang ihrer Karriere haben sich Portugal. The Man gegen die Vorhersehbarkeit entschieden. Auch für ihr neues Album haben sie diesen Grundsatz nicht gebrochen. Es heißt »Woodstock«, hat aber wenig mit den 60ern zu tun, wie John Gourley und Zach Carothers Silvia Silko versicherten. Foto: Jan Philip Welchering

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ach komm, so stumpf sind wir nicht!« brummt Zach auf die Frage, ob man dem originalen WoodstockSound nacheifern wolle. Der Bassist klingt wie sein Instrument und beschränkt sich während des Gesprächs auf ein übersichtliches Vokabular. Ein regelmäßiges »Yeah« oder »Right« nach den Statements seines Bandkollegen reichen ihm oft aus. »Wir haben uns schon genug am Sound der 60er und 70er abgearbeitet«, findet John. »Yeah.« Zach nickt. Ob Letzterer nun Herz, Niere oder Lunge der Band darstellt, kann diskutiert werden. Dass John das unermüdlich arbeitende Gehirn ist, dürfte allerdings feststehen. »Wir könnten uns nicht auf nur ein Genre beschränken. So kann man als Band doch nicht existieren!« erklärt John. »Kennst du Jet noch? Kein Wunder, dass es die nicht mehr gibt. Ich meine: Wie viele Rock’n’Roll-Alben kann man machen?« Genregrenzen erschöpfen sich zu schnell, als dass man sich ihnen unterwerfen würde. Aber auch Plattenbosse scheinen die Jungs kalt zu lassen. »Die kommen vorbei und verlangen mehr Gitarren oder so. Wenn wir

finden, dass mehr Gitarren in den Song gehören, packen wir auch welche drauf. Wenn nicht, machen wir es eben so, wie wir es für richtig halten.« Meistens passiert Letzteres. Die Starrköpfigkeit der Band hat sich ausgezahlt. 2011 veröffentlichten sie »In The Mountain In The Cloud« und knüpften dadurch einflussreiche Bekanntschaften. »Wir haben angefangen, mit Danger Mouse zu arbeiten, und dabei ist ›Evil Friends‹ entstanden. Dann hat er uns sein Studio überlassen, um ein paar Fährten zu verfolgen.« John erzählt das, als wäre es keine große Sache – Ideen suchen, am besten beim Abhängen mit ein paar Freunden: Mike D von den Beastie Boys, John Hill oder Casey Bates schrauben gemeinsam fröhlich an »Woodstock« herum, trinken ein Paar Bier, werfen ein Paar Darts. Was man halt so macht. Gute Atmosphäre im Studio, hier mal ein bisschen was ausprobieren, da mal ein bisschen Name-Dropping veranstalten und sich für das alles drei Jahre Zeit nehmen. Mit Woodstock hat das nicht viel zu tun – genauso wenig wie die Songs auf der gleichnamigen Platte. »Es war wie ein Trigger. Ich habe das alte Woodstock-Ticket meines Vaters gefunden und darüber nachgedacht, wie wichtig Musik damals war. Und diese Wirkung und Macht haben Musiker auch heute noch.« John illustriert seine Erkenntnis an einem mittelmäßig verständ- »Motherless Child« lichen Beispiel: »Ein DJ, der ›99 Problems‹ Die Version, die Haven auflegt, tut im Prinzip dasselbe wie damals Joe als Zugabe in Woodstock gespielt hat, ist ein Negro Cocker, als er auf der Woodstock-Bühne sein Spiritual, das aus der Zeit legendäres Beatles-Cover gesungen hat.« John der Sklaverei stammt grübelt, während Zach ergänzt: »Schau mal, und manchmal auch »Sometimes I Feel Like A ich bin echt nicht politisch, ich bin höchstens Motherless Child« genannt Anarchist. Aber heutzutage werden mensch- wird. Die vermeintlich erste liche Themen politisiert. Also müssen sich Tonaufnahme stammt etwa aus dem Jahr 1870 und Menschen auch politisieren. So wie damals in wurde von den Fisk Jubilee den 60ern.« John führt den Gedanken weiter: Singers gesungen. In »Genau! Schau dich doch mal um: Trump, Le seine Version webte Haven immer wieder den Ruf Pen, Mauern, Terror und der ganze Scheiß, der »Freedom!« ein. nichts anderes bewirkt, als uns alle voneinander zu trennen. Deshalb haben wir als Opener auch Richie Havens Woodstock-Version von ›Motherless Child‹ eingesetzt: Wir fühlen uns alle gerade vielleicht einsam und verzweifelt. Aber es ist, wie es ist: Die Linie wurde in den Sand gezogen, und du kannst nicht mehr daneben stehen und Beachball spielen. Du musst eine Seite wählen, um die Mauern einzureißen!« So wie die Mauern des Songwritings? »Ja, genau. Wir wollen auf ›Woodstock‹ das Gefühl eines guten Festivals vermitteln. Es gibt den Rock-, den HipHop- und den Electro-Song. Wenn du auf ein Festival gehst, willst du doch auch etwas Neues entdecken! Und wenn ich dir ein Mixtape machte, würden sich darauf Missy Elliott und Jimi Hendrix treffen.« Alles völlig klar also: ein fröhlicher Blumenstrauß an Bedeutungen, der auf »Woodstock« für eine herrlich explosive Mischung sorgt. Plötzlich passt auch das Cover zur Platte: ein brennender Rolls-Royce. Fotograf und Künstler Josh Welch hat den Schnappschuss auf dem Weg nach Disneyland gemacht. Es war ein Zufall, der Portugal.The Man dazu verleitet hat, zum ersten Mal kein von John gezeichnetes Werk zu verwenden. »Dieses Bild ist perfekt. Es ist das richtige Symbol für unsere Welt: Es geht um zu viel Reichtum, und alles sollte brennen.« Das klingt ganz schön aggressiv. »Ja klar! Nur über Frieden zu singen bringt ja auch nichts. Wir sind doch keine Hippies!« — Portugal.The Man »Woodstock« (Atlantic / Warner) — Intro empfiehlt die Tour vom 18. bis 30.09.


30 JAHRE

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02.09.2017 TANZBRUNNEN KÖLN - OPEN AIR TICKETS 30,– € ZZGL. VVK-GEBÜHREN


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#Pop #Lea Porcelain

Lea Porcelain

DAZWISCHEN LIEGT EIN REIZ Julien Bracht und Markus Nikolaus sind Lea Porcelain – eine jener seltenen heimischen Bands, die schon jetzt nach internationaler Karriere klingen. Ihr Album »Hymns To The Night« entstand an historischer Stelle: im Funkhaus Berlin, wo einst der Rundfunk der DDR residiert hatte. Annett Bonkowski ließ sich dort von den beiden herumführen, atmete duftkerzengeschwängerte Studioluft und lauschte dem zarten Klang alter Novalis-Verse. Foto: Grey Hutton

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m späten Nachmittag ist die Milchbar durchflutet von Sonnenlicht, das weich auf die Holzverkleidung an den Wänden fällt. Entspannter Jazz dringt aus den Boxen. Draußen vor der Tür fließt die Spree ähnlich gemütlich dahin wie hier drinnen die Zeit. Wir befinden uns am Rande des imposanten Gebäudekomplexes des Berliner Funkhauses in der Nalepastraße, um einen Blick hinter die Kulissen von Lea Porcelain zu werfen – es ist der Ort, an dem Julien Bracht und Markus Nikolaus in den letzten zwei Jahren viel Zeit verbracht haben. Etwas ist passiert in diesen Monaten, in denen die beiden an den Songs ihres Debütalbums mit dem poetisch anmutenden Titel »Hymns To The Night« gearbeitet haben. Sie haben diesen geschichtsträchtigen Ort Stück

für Stück entdeckt und ihn dabei mit eigenen Visionen und Erinnerungen gefüllt. Das Glücksgefühl, hier zu arbeiten, aber auch die Ehrfurcht vor den beeindruckenden Räumlichkeiten stehen dem Duo noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben. Und man Berliner Funkhaus hört es in Antworten wie dieser von Julien: Der Gebäudekomplex »Der Ort ist einfach wie für uns gemacht. Wir wurde ab 1951 zu einem Funkhaus ausgebaut, in haben eine Weile in London gelebt, dort gibt dem später alle überregioes nichts Vergleichbares. In einem Studio ist nalen Sender der DDR ihre das Raumgefühl sehr wichtig. Im Funkhaus Programme produzierten. Inzwischen beherbergt steckt eine wahre Musikseele. Wenn wir klei- es viele Studios und die nere Tiefs haben und eine Leere spüren, gehen besagte Milchbar. 2016 wir in die Milchbar, und das Gefühl ist in einer fand dort das Michelberger Music Festival mit Bon Iver halben Stunde weg. Dann siehst du Nils Frahm, statt, 2017 stellten Depeche wie er da sitzt und an seinem Album arbeitet, Mode ihre LP »Spirit« vor.


#Pop #Lea Porcelain

und drei andere, die das auch tun. Man redet darüber, und plötzlich hat man wieder eine Vision vor Augen.« Wir verlassen die Milchbar und schauen auf dem Weg zum Studio von Lea Porcelain noch schnell »Hymnen an die beim oben erwähnten Nils herein. Zwar ist Nacht« von Novalis er gerade nicht da, schätzt aber ebenfalls die Der Gedichtzyklus von vielen Möglichkeiten des ehemaligen RundFriedrich von Hardenberg, funkgebäudes der DDR. Nicht nur die hohen besser bekannt als Novalis, erschien zuerst im Jahre Decken bieten genügend Raum zur Entfaltung. 1800 und gilt heute als eine Ein Graffiti mit den Worten »We wanted too der bedeutendsten Dich- much« springt sofort ins Auge. Die Ambitionen tungen der Frühromantik. Es ist das einzige größere der Band bleiben hingegen durchaus hoch, Werk, das Novalis zu aber realistisch: »Tiefschläge sind immer ein Lebzeiten veröffentlicht und gewisser Test, wie sehr man eine Sache wirkvollendet hat. lich durchziehen möchte«, sagt Markus aus

vollster Überzeugung. »Eine Menge Bands schreckt dieser harte Weg ab, weil sie nicht bereit sind, so viel zu investieren. Wir wollen jedem, der unsere Musik hört, die Kraft geben, sich selbst und das eigene Element zu finden. Wir wollen beweisen, dass Dinge möglich sind. Irgendwann sieht man das Licht.« Im Studio angekommen, wehen Räucherstäbchen den Duft von Salbei durch den Raum, in dem die Songs auf »Hymns To The Night« entstanden sind. Der Albumtitel ist durchaus wörtlich gemeint, erzählt Julien: »Das ganze Album wurde nachts aufgenommen. Ab Einbruch der Dunkelheit ging es los. Zu dieser Zeit spürt man, dass auf einmal extrem viel Platz für Kreativität da ist, weil der Alltag und all der Stress samt der ganzen Ellbogengesellschaft schlafen.« Mit jedem aufziehenden Morgengrauen kippte die Umsetzung der frühen Ideen: Sie fielen entweder ins Bodenlose oder schafften es in die nächste Produktionsphase, berichtet Markus über den Arbeitsprozess: »Die Grundidee eines Songs steht nach einer Nacht. Wenn sie das nicht tut und den nächsten Morgen nicht überlebt, dann brauchen wir sie eigentlich gar nicht weiterzuverfolgen.« Die im Post-Punk angesiedelten Songs des Debüts sind von Furchtlosigkeit und Angriffslust umgeben und spielen großflächig mit Synthesizer-Texturen und der Idee von Erhabenheit. Und bieten auch Reibungspotenzial, gibt Julien zu: »Ein Album aufzunehmen heißt auch, zu kämpfen. Wir gehen beide durch Höhen und Tiefen, auch in unserer Beziehung zueinander. Alles braucht eine gute Streitkultur. Auch mit jedem Song muss man streiten, damit er es auf das Album schafft.« Der gegensätzliche musikalische Hintergrund kommt der Band dabei zugute. Markus bewegte sich im Künstlerkollektiv Wolf & Lamb, Julien mit seinem elektronischen Output in Sven-Väth-Kreisen: »Wir sind nicht lauwarm, sondern heißkalt. Es ist immer ein Spiel von Gegensätzen, das am Ende etwas Schönes erzeugt«, kommentiert Markus die bandeigene Arbeitsdynamik. Die musikalische Entwicklung wird dabei von zwei kreativen Köpfen gezogen, die sich sowohl der dunklen als auch der lichtdurchfluteten Seite hingeben und den dazwischenliegenden Reiz aufspüren wollen. Ähnlich wie im Gedichtzyklus »Hymnen an die Nacht« von Novalis, der für die Band eine besondere Bedeutung besitzt und passend zum schwindenden Tageslicht unseres Gespräches auch direkt in Auszügen von Markus vorgetragen wird. »Man liest es, und es überkommt einen dieses Gefühl von Wärme und etwas Erfüllendem«, sagt er. »Nicht nur dieses Düstere, sondern auch diese Sehnsucht. Das ist nicht nur eine Erscheinung, sondern eine Gesinnung. Die Menschen suchen schon seit Tausenden von Jahren nach dieser Ruhe. Nicht nach diesem ganzen Überreizten. Die Ideale von damals sind heute noch die gleichen. Deswegen war Zeitlosigkeit bei uns immer ein großes Ding. Das war schon zu unserer Zeit in Frankfurt unser höchstes musikalisches Gut.« Frankfurt und London haben Lea Porcelain mittlerweile für Berlin hinter sich gelassen, um in der Hauptstadt diesen Idealen nachzuspüren und ihre Hymnen an die Nacht vorzutragen – pulsierend, fordernd und etwas wehmütig zugleich. Aber Berlin wird höchstens eine Homebase bleiben, denn ihr Sound, ihr Ehrgeiz und auch ihr internationales Management, das zum Beispiel auch alt-J betreut, werden sicher nicht vor den Grenzen Brandenburgs haltmachen. — Lea Porcelain »Hymns To The Night«

(Lea Porcelain Recordings / Rough Trade)

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#Pop #SXTN

SXTN

VON FOTZEN UND HURENSÖHNEN Mit ausgestrecktem Mittelfinger feiern SXTN den Atzen-Rap. Dabei präsentieren sich die beiden Berlinerinnen genau wie ihre männlichen Aggro-Kollegen. Ihre Battles geben einen Fick aufs System, feiern das Kiffen und degradieren nicht nur Hurensöhne, sondern auch Hurentöchter. Lena Ackermann sprach mit dem Rapperinnen-Duo Juju und Nura über Show-Sexismus und ihr Asozialisierungsprogramm. Foto: Jan Kapitän


#Pop #SXTN

A

ch, Leute, haben wir nicht schon oft genug gehört, wer welche Mutter wie derbe ficken kann? Auch das Bragging darüber, wer den Größten hat, ist mittlerweile durchgelutscht. Aggro-technisch wäre durchaus mal Zeit für Neues. SXTN sind neu, weil sie zu den wenigen Frauen in der deutschen Rap-Szene gehören. Inhaltlich bleibt aber doch alles beim Alten, denn die beiden Rapperinnen stehen felsenfest in Berlins Atzen-Rap-Tradition und bieten daher ein Asozialisierungsprogramm erster Güte. Ihr Track »Die Fotzen sind wieder da«, gibt die Richtung vor: ein großes »Fuck you« mitten in die Fresse, Atzen-Style eben. Es ist nun weiß Gott nicht das erste Mal, dass sich Rapperinnen Fotze nennen. Auch wenn Nura und Juju in ihre Proll-Lyrics immer noch eine extra Schippe Aggression packen. Klar wollen SXTN provozieren – bleibt trotzdem die Frage, ob das am Ende alles nicht mehr als nur stumpfes Beleidigen ist. »Kommt auf den Kontext an, oder?«, fragt Juju zurück, zündet sich eine Kippe an und erklärt: »Wenn ich mich Fotze nenne, ist das genauso, als würde ein Rapper sagen: ›Ich bin ein Hurensohn.‹ Das heißt ja noch lange nicht, dass er nicht sauer ist, wenn ihn auf der Straße jemand so nennt. Vielleicht macht er das ja auch nur, um anderen den Wind aus den Segeln zu nehmen.« Im Battlerap werden Frauen von Männern klassischerweise degradiert. Gedisst werden sie dann, wenn Männer das Gefühl haben, dass Frauen sich wie sie benehmen. Mannsweib ist daher eine besonders beliebte Beleidigung in diesem herrlichen Kreislauf. Nura und Juju zeigen sich davon unbeeindruckt, denn sie wissen, was sie können. »Wir lassen uns nicht provozieren, das geht gar nicht«, sagt Nura. »Außerdem haben wir fast keine Hater mehr, sondern die wahrscheinlich krasseste Community, die ein Rapper überhaupt haben kann.« »Rap ist Männersache, Schlampe«, behauptet Kollegah im Stück »Gangsterarroganz«. SXTN nennen das ShowSexismus. »Wenn er das ernst meinen würde, hätte er uns ja wohl nicht gefragt, ob wir einen Song zusammen performen wollen«, klärt Nura auf. »Rap ist ja auch immer ein Stück Interpretationssache«, fasst Juju zusammen. Aber natürlich geht es auch darum, genauso hart zu sein wie die Jungs. »Wir wollen in dem Game mitmachen, mit anderen konkurrieren und zeigen, dass wir besser sind als sie.« Das klingt dann so: »Geh’ mit dir auf ein’n Sektempfang, ziehe mich wie ‘ne Lesbe an, kläre mir deine Bitches weg und rauch’ am Ende dein letztes Gramm.« Tja, da sieht er natürlich alt aus, der Kollege. Die EP »Asozialisierungsprogramm«, mit der Juju und Nura schon 2016 für Aufregung sorgten, kam mit der Kampfansage »Ich ficke deine Mutter ohne Schwanz« als Opener. Neben Letzterem und der folgenden, für

Frauen immer noch unüblich umfangreichen Fick-dichLiturgie gab es zwei herausstechende Tracks: Nuras Song »Schwarz«, in dem sie aus Markus’ »Ich will Spaß, ich will Spaß« ein böses »Ich bin schwarz, ist kein Spaß« macht, und »HassFrau« mit Alice-Schwarzer-Hook, ein Song, der verstörend unkritisch Sexismus im Rap behandelt. Auf »Leben am Limit« behalten SXTN den ausgestreckten Mittelfinger und sind bereit, verbal weiterhin alles und jeden zu ficken, bemühen aber vor allem altbekannte Bilder. Wie die Geschichte vom Vorstadtjungen, der einen Fick aufs Gesetz gibt und es zum leuchtenden Stern an der Skyline der Großstadtgangster bringt. Leben am Limit bedeutet bei SXTN: Kiffen und Partymachen ist geil, Schule scheiße. Gemixt werden die Raps mit elektronischen Beats, Trap-Elementen und Auto-Tune. Vorbilder im HipHop gibt es für die Band trotz der Nähe zu Atzen-Style Frauenarzt nicht. Nura hat »früher nicht mal Was der Digger in Rap gehört«. Juju, im bekanntesten Problem- Hamburg ist, ist der Atze in Berlin. Der Ausdruck bezirk Berlins aufgewachsen, ist in dem Be- bedeutet so viel wie großer reich schon eher sozialisiert. Nach der Schule Bruder. Der kleine Bruder versuchte sie sich bei Neuköllner Freunden am von Atze ist im Berliner Slang übrigens Keule. Die Mikro. Dort wurden die üblichen Verdächtigen bekanntesten Atzen des gehört: Bushido, dessen Aggro-Kollegen, Kool Rap sind Frauenarzt und Savas. »Wir haben dann irgendwann gemerkt, Manny Marc. Wer erinnert sich noch an die Horden dass diese Art von Rap einfach unser Style ist.« besoffener Neon-GitterbrilIm Video zu »Er will Sex« posiert Juju in Bad- lenträger, die immer wieder Girl-Riri-Manier mit dickem Pelzmantel am deren Party-Mantra »Hey, was geht ab, wir feiern die Pool und macht Hurensöhne heiß, die sie doch ganze Nacht« vor sich her niemals kriegen werden. Die erniedrigendste lallten? Allzweckwaffe im Damen-Battle: Sexentzug. Für ihren Mut, sich der sexistischen Rhetorik Alice-Schwarzerihrer männlichen Kollegen zu bedienen, wer- Hook den die Damen gefeiert. Mit »Ich bin zu für 2007 verlas Alice Schwardich, weil du ‘ne Hure bist« klingen SXTN zwar zer in einer Talkshow den Text des zu Recht indizierhart gegen stumpfe Zeilen wie »Hass Frau, ten Songs »Du nichts ich du nichts, ich Mann, fick mich und halt dein Mann« von Pornorapper Maul« von King Orgasmus One, aber glückli- King Orgasmus One. SXTN benutzten Schwarzers cherweise auch noch verhältnismäßig harmlos. Stimme als Hook für ihren Nura und Juju scheißen ohnehin auf theoreti- Song »Hass Frau«. Ein sche Fragen wie die, ob man als Emanzipation Stück, das SXTN »aus der Sicht eines frauenfeindlifeiern sollte, dass degradierende Inhalte end- chen Mannes geschrieben lich auch mal von Frauen kommen. »Was wir haben«. Die sexistische machen, ist auch manchmal sexistisch, wenn Message bleibt trotz der weiblichen Interpretation man ins Detail geht. Aber wir haben da eben eindeutig; was SXTN mit Spaß dran«, so Juju. »Wir machen uns nicht dem Song genau sagen über jede Kleinigkeit Gedanken, sollte man wollen, ist unklar. Das lassen die Mädels lieber offen. auch nicht, wenn man Kunst machen will. Leute werfen uns ja auch Männerfeindlichkeit vor – das ist doch total hängen geblieben.« Zu ernst dürfe man das alles nicht nehmen. Die abwertenden Texte der Kollegen seien nicht schlimm, Orgi als Typ total okay. Was sagen denn die Mamas über ihre Mädels, die den Deutschrap so genüsslich in den Arsch ficken? Nuras Geschwister und die Mutter sind »alle total stolz«. Jujus Mutter war skeptischer. »Am Anfang meinte sie: ›Nee, was soll das?‹ Sie hört ja keinen Rap. Aber dann hab ich es ihr erklärt, und sie hat es verstanden.« Den Neuköllner Schulhof werden SXTN in jedem Fall erobern. Vielleicht ist sogar noch mehr drin, denn wer braucht schon Neues, wenn Althergebrachtes so gut funktioniert? Oder, in den Worten von SXTN: »Heute ficken wir die Szene, alle anderen sind egal. Wir sind asozial und geil, ihr seid nur asozial.« — SXTN »Leben am Limit« (JINX / Chapter ONE / Universal) — Auf Tour vom 04. bis 29.10.

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FOO FIGHTERS • MUMFORD & SONS

THE XX • HARDWELL • BEATSTEAKS

MARTERIA • ANNENMAYKANTEREIT • CRO MARSHMELLO • TWO DOOR CINEMA CLUB LONDON GRAMMAR • GEORGE EZRA GALANTIS • RUDIMENTAL • METRONOMY MICHAEL KIWANUKA • OLIVER HELDENS • WANDA YELLOW CLAW • DJANGO DJANGO • KUNGS WESTBAM • BOMBA ESTÉREO • THE VACCINES • BEAR’S DEN THE HEAD AND THE HEART • ROOSEVELT • MARTIN JENSEN ANNE-MARIE • THOMAS JACK • LGOONY & CRACK IGNAZ PHANTOGRAM • AMINÉ • ALMA • SIGRID • MIKE PERRY FILOUS • NGHTMRE • DRUNKEN MASTERS • BETSY ALICE MERTON • THE HIM • SAINT WKND • MEUTE INFO & TICKETS: LOLLAPALOOZADE.COM VISIT US:

#LOLLABERLIN


#Kultur

Foto: Peter Otto

#Kultur

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#Kultur #Kino #Luc Besson #Valerian

Luc Besson über »Valerian – Die Stadt der tausend Planeten«

DANKE, JAMES! Der französische Regisseur von »Léon – Der Profi«, »Das fünfte Element« und »Lucy« verknüpft seine Vorliebe für außergewöhnliche Zweierbeziehungen und futuristische Szenarien zu einer Herzensangelegenheit. Patrick Heidmann sprach mit Luc Besson über die Verfilmung seines Lieblingscomics.


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#Kultur #Kino #Luc Besson #Valerian it »Valerian – Die Stadt der tausend Planeten« kehrst du zurück zur Science-Fiction. Ist die Comicverfilmung eine Art Nachfolger von »Das fünfte Element«?

Das Genre ist dasselbe. Aber wenn ich Aufwand und Technik vergleiche, gibt es immense Unterschiede. »Valerian« war bislang meine größte Herausforderung. Vor 20 Jah»Das fünfte ren drehten wir für »Das fünfte Element« Element« 188 Einstellungen mit Spezialeffekten, dieIn dem knallbunten ses Mal waren es 2734 – die 15-fache Arbeit. Science-Fiction-Film spielt Noch vor fünf Jahren wäre es nicht möglich ich brauche länger, weil ich mich mit Kreativen umgebe, Bruce Willis den Taxichauffeur Korben Dallas, dem gewesen, »Valerian« so zu produzieren, wie die sich am Arbeitsprozess beteiligen. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Ideen und Vorschlägen, deswedas Schicksal aus heiterem ich es im Sinn hatte. Himmel in Form der coolen Wann begann die Arbeit an dem Projekt? gen hat sich »Valerian« während seiner Entstehung auch Leeloo (Milla Jovovich) begegnet. Gemeinsam Die Verfilmung der Comicreihe »Valérian Et dauernd verändert. Abgesehen davon erzähle ich keine kämpfen sie fortan gegen Laureline« war lange mein Traum. Als ich die Superhelden-Geschichte. das Böse. Sämtliche Outfits Comics in den 1970er-Jahren las, waren ihre Welche Geschichte wolltest du erzählen? des wunderbaren Ausstattungsfilms stammen vom Geschichten geradezu revolutionär. Schon Es gibt zwei Protagonisten – einen Mann und eine Frau. Modedesigner Jean Paul allein, weil es nicht nur einen männlichen Sie sind Weltraum-Agenten, also eigentlich Cops, die einen Gaultier. Protagonisten, sondern auch eine weibliche Fall zu lösen haben. Die Konstellation ist quasi »›Starsky Heldin gab. Die suchte man in Comics und und Hutch‹ meets ›Mr. & Mrs. Smith‹«. Dazu kommen Science-Fiction-Geschichten sonst vergeblich. Mich haben eine große Portion Humor und die Frage, ob unser Titeldie beiden nie losgelassen, und so fragte ich mich über held seine Kollegin am Ende für sich gewinnen kann. Er ist viele Jahre, ob und wie sich eine Adaption umsetzen ließe. nämlich ganz schön in sie verschossen. Es können noch so Und was machte die Verfilmung schließlich möglich? viele Aliens in dem Film auftauchen, am Ende dreht sich Ich würde sagen: James Cameron. Ganz im Ernst. Er treibt alles um die Dynamik zwischen den beiden. die Technik auf dem Gebiet der Spezialeffekte immer weiter Wie ist es dir gelungen, Rihanna für die Rolle von Bubble voran. Er und Peter Jackson und all die Leute bei Firmen zu gewinnen? wie ILM und Weta waren es, die »Valerian« ermöglicht Ich hatte das Gefühl, sie könnte echtes Talent als Schauhaben. Sie erfinden und entwickeln die Werkzeuge, die spielerin haben. Da sie interessiert war, haben wir uns durchgeknallte Leute wie ich brauchen, um ihre Ideen getroffen. Meine erste Frage lautete: »Willst du wirklich umzusetzen. Bubble in ›Valerian‹ spielen?« Rihanna ist die Göttin der Ist »Valerian« als europäische Antwort auf die großen zeitgenössischen Popmusik. Sie ist die Nummer eins. So jemand muss keine Filme drehen, um ein Weltstar zu Comicverfilmungen aus den USA zu verstehen? Man könnte den Film eher als Gegenstück bezeichnen. sein. Deswegen wollte ich sicherstellen, dass es ihr nicht Er lässt sich kaum mit Filmen von Marvel oder DC ver- bloß darum ging, eine neue Erfahrung zu machen und gleichen. Dahinter steht eine riesige Maschinerie, alles ist ihren Lebenslauf zu erweitern. Ich will mit Menschen straff durchorganisiert. Bei mir geht es chaotischer zu, und zusammenarbeiten, die meine Arbeit auch ernst nehmen. Was hat Rihanna geantwortet?

Dass sie es verdammt ernst meine und unbedingt von mir lernen wolle. Sie machte keinen Hehl daraus, kaum schauspielerische Erfahrungen zu haben. Ja, sie gab sich bemerkenswert bescheiden, vertraute sich mir hundertprozentig an und war quasi Wachs in meinen Händen. Ich fand es höchst erstaunlich, dass sie nicht ständig ihre Entourage im Schlepptau hatte. Sobald die Kamera lief, habe ich mit Rihanna keinen Deut anders gearbeitet als mit den Hauptdarstellern Dane DeHaan oder Cara Delevingne. Mein Gespür hat sich bewahrheitet, und ich bin mir sicher, dass wir auf der Leinwand noch viel von ihr sehen werden. Ich bin schon auf der Suche nach einem neuen Projekt für sie. Warum ist sie nicht auf dem Soundtrack vertreten?

Das war eine bewusste Entscheidung. Ich wollte sie nicht beleidigen, indem ich sie danach frage. Ich wollte Rihanna zeigen, dass es mir um sie als Schauspielerin ging, nicht um sie als berühmten Popstar. Welche Rolle spielt die Musik in »Valerian«?

Die Filmmusik stammt von dem Komponisten Alexandre Desplat. Ich wollte einen opulenten Science-Fiction-Score, so wie den von »Star Wars«. Auf Songs habe ich, so gut es ging, verzichtet. Meine größte Angst ist, dass ein Film nach ein paar Jahren veraltet wirkt – und nichts wirkt so altmodisch wie ein in die Jahre gekommener Popsong. — »Valerian – Die Stadt der tausend Planeten« (F 2017; R: Luc Besson; D: Dane DeHaan, Cara Delevingne; Kinostart: 20.07.17; Universum)

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#Kultur #Kino #Baby Driver

Baby Driver

ESKAPISMUS NACH NOTEN »Shaun Of The Dead«-Regisseur Edgar Wright näht Musicalfilm und Action-Flick an ihren Säumen zusammen. Sein »Baby Driver« ist ein Fest für Zuschauer mit schnellem Popkultur-Verständnis.

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as Genre der Fluchtfahrer-Filme ist recht speziell. Quentin Tarantino fand »Drive« mit Ryan Gosling angeblich nur »vielversprechend«. Vielleicht fehlte ihm damals die augenzwinkernde Meta-Ebene, die sich ein bisschen wie Jetlag anfühlt und in leicht schrägen Dialogen bemerkbar macht. Dann sollte er sich wohl »Baby Driver« ansehen. Dessen Protagonist (Ansel Ergot) heißt Baby, sieht aus wie ein Zwölfjähriger und ist wortkarger als der Terminator. Als Fluchtwagenchauffeur kann niemand Baby das Wasser reichen. Seine Dienste hinterm Steuer hat sich Edelgangster Doc (Kevin Spacey) gesichert, der ihn immer wieder mit illustren Verbrecherkollegen bekannt macht, die derbe einen an der Klatsche haben. So wie Bats (Jamie Foxx) und Buddy (Jon Hamm), zwei kurzweiligpsychopathische Freaks. Weil Baby eigentlich einer von den Guten ist, will er raus aus der Nummer. Und da er sich gerade frisch in eine Kellnerin (Lily James) verliebt hat, möchte er am liebsten mit ihr durchbrennen. Ihre Romanze ist so unschuldig wie Vanilleeis von 1955,

aber dafür haben sie eine gemeinsame Leidenschaft: Musik. T-Rex, Carla Thomas, The Damned, Queen und Young MC – Baby hat für jeden Anlass den richtigen Soundtrack auf den Ohren. Seit einem Tinnitus-Anfall braucht er die Dauerbeschallung auch dringend. Genau wie Baby ist »Baby Driver« außen hart und innen weich. Ein aufregend durchchoreografierter Actionfilm, der alles weglässt,

was an Actionfilmen nervt, und alles, was daran cool ist, in einer überspannteren Form enthält. Um im Bild zu bleiben: »Baby Driver« ist außerdem ein sehr eitler Film – genau wie seine sonnenbebrillte Hauptfigur kann er an keiner glänzenden Oberfläche vorbeigehen, ohne sich mal schnell im Spiegel zu begutachten. Deswegen lungern Typen wie Killer Mike und Big Boi im Restaurant herum, und deshalb werden Gangster, die Eddie No-Nose heißen, von Charakter-Selbstdarstellern wie Red Hot Chili Peppers' Flea gespielt. Auch drehen die Gespräche unter den Verbrechern gerne in dezidiert absurde Bereiche ab, dafür sind die Gewalttätigkeiten zwischendurch zwar durchaus drastisch, aber nicht sadistisch. Schließlich ist »Baby Driver« von der ersten bis zur letzten Sekunde mit diegetischer Musik gepflastert, die einmal als Stichwortgeber funktioniert und außerdem die Action-Geschichte elegant vom Bierernst des traditionell allzu männlich konnotierten Genres befreit. Als neue Mischform ist das eine willkommene Abwechslung, sowohl im Fluchtfahrer-Genre als auch im Blockbuster-Portfolio des Sommers. Und für alle, die sich jemals zu einer Vorstellung einer der etwa 200 Folgen »The Fast And The Furious« haben mitschleifen lassen, ist es eine späte Wiedergutmachung. Alexander Dahas — »Baby Driver« (USA/GB 2017; R: Edgar Wright; D: Ansel Ergot, Kevin Spacey, Jamie Foxx; Kinostart: 27.07.17; Sony)


#Kultur #Kino #Tom Holland #Spider-Man: Homecoming

Tom Holland über »Spider-Man: Homecoming«

KOMMST DU MIT IN DEN ALLTAG? Der 21-jährige Brite Tom Holland träumte als Kind davon, Spider-Man zu sein – im neuesten Reboot wird dieser Traum wahr. Patrick Heidmann erzählte er von den Tücken der Vorbereitung.

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ach Tobey Maguire und Andrew Garfield bist du der dritte Spider-Man innerhalb von 15 Jahren. Wo liegt der Unterschied zu den Vorgängern?

Der Film spielt komplett in der Highschool. Mein Peter Parker ist ein Junge, der damit klarkommen muss, Spider-Man zu sein, und gleichzeitig mit seinen Chemie-Hausaufgaben kämpft. Und dass er oft zu spät kommt und nicht gut darin ist, Mädchen anzusprechen, macht ihm ebenfalls Kummer. »Spider-Man: Homecoming« ist weniger ein Superheldenfilm – genau deswegen werden ihn die Leute hoffentlich mögen. Den Alltag als Teenager in der Schule kennt doch jeder.

eine Maschine angeschlossen ist, die dir während des Trainings kleine Stromstöße verpasst. Dabei werden die Muskeln krasser beansprucht als mit den schwersten Gewichten. Nach dem ersten blieb ich dort – unter falschem Namen und Training konnte ich zwei Tage lang kaum sitmit gefaketem amerikanischen Akzent. Nicht zen, solche Schmerzen hatte ich. Es war sogar einmal die Lehrer waren eingeweiht. Alle ha- schwierig, aufs Klo zu gehen. ben sich gewundert, woher plötzlich dieser Im Film gibt es ein Wiedersehen mit Iron Typ kommt, der von nichts eine Ahnung hat. Man. Wie lief die Zusammenarbeit mit desBist du selbst ein Fan von Spider-Man?

Spider-Man war für mich der Größte! Ich hatte Spider-Man-Bettwäsche, Spider-ManSpielzeug und das passende Kostüm. Jeden Tag sprang ich darin die Treppen herunter. Als ich hörte, dass sie die Rolle neu besetzen würden und die Figur jünger anlegen wollen, bettelte ich meinen Agenten an: »Lass meinen Traum Wirklichkeit werden!« Der 15-jährige Tom Holland wäre ausgeflippt, wenn er das Wobei die Highschool ein spezieller Ort ist. damals gewusst hätte. Stimmt. Deswegen kamen wir auf die Idee, Musstest du dich körperlich auf die Rolle dass ich zur Vorbereitung ein paar Tage un- vorbereiten? dercover eine Highschool besuche. Marvel Ich habe viel geboxt und EMS-Training geschickte mich an die Bronx School of Science. macht. EMS ist der neueste Trend. Eine Art Das Problem war, dass dort alle Schüler kleine Yoga, nur dass man währenddessen unter Mathe- und Naturwissenschaftsgenies sind – Strom gesetzt wird. Und zwar buchstäblich. das komplette Gegenteil von mir. Drei Tage Total schräg. Man trägt einen Anzug, der an

sen Darsteller Robert Downey Jr.?

Ich bin ein Fan von Robert, seit ich ihn in »Chaplin« gesehen habe. Er ist einer der größten Hollywood-Stars – und trotzdem ein normaler Kerl geblieben. Er war jeden Tag zehn Minuten zu früh am Set, schüttelte allen im Team die Hand und arbeitete härter als der Rest. Das hat mir vor Augen geführt, dass man sich treu bleiben muss und nicht abheben darf. Egal, wie berühmt man ist, wie viel Geld man verdient und ob man mit dem Privatjet zur Arbeit kommt. — »Spider-Man: Homecoming« (USA 2017; R: Jon Watts; D: Tom Holland, Robert Downey Jr.; Kinostart: 13.07.17; Sony)

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#Kultur #Kino # Sie nannten ihn Spencer

Sie nannten ihn Spencer

DIE WALLFAHRT DER BUDISTEN Karl-Martin Polds dokumentarisches Roadmovie begleitet zwei Bud-Spencer-Fans auf dem steinigen Weg zu ihrem Idol Carlo Pedersoli. Schon bei dem Gedanken daran bekommt man Appetit auf eine Riesenportion Spaghetti.

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er Filmemacher Karl-Martin Pold führte bislang ein ähnlich bewegtes Leben wie der Held seines ersten Dokumentarfilms, Carlo Pedersoli. Immerhin jobbte Pold schon als Chauffeur des brasilianischen Schriftstellers Paulo Coelho, und eine Weile verkaufte er in Colorado steirisches Brot. Pedersoli, den die Welt als Bud Spencer kennenlernen sollte, war mindestens Jurist, Leistungssportler und Erfinder in einer Person, bevor er den Dampfhammer und die Doppelbackpfeife auspackte. Der deutschen Synchronisation, vor allem dem Dialogschreiber Rainer Brandt, haben wir bekanntlich besonders lustige Versionen jener Western, Komödien und Krimis zu verdanken, mit denen Spencer weltberühmt wurde. Am beliebtesten sind bis heute alle Filme mit Terence Hill an seiner Seite, zum Beispiel »Die rechte und die linke Hand des Teufels« oder

»Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle«. Beste Sonntagnachmittagsunterhaltung mit unnachahmlichen Fressorgien, in der lästige Autoritäten genauso auf die Mütze bekommen wie dumpfe Kleingeister. Achtung, diese Geschichten können Spuren von Anarchismus enthalten! Was die Kritik geflissentlich übersah. Anarchistische Züge – die kann man nun auch Polds Hommage nachsagen, in der Terence-Hill-Sprecher Thomas Danneberg höchstpersönlich Sprüche aus dem Off klopft. Statt eine nüchterne Doku zu drehen, werkelte Pold mehrere Jahre an einer Art Roadmovie, in dem sich die beiden Die-Hard-Fans Marcus Zölch und Jorgo Papasoglou auf den Weg zu ihrem Idol machen – und unterwegs alte Weggefährten Bud Spencers treffen. Die Überlebensgröße, die Spencer noch vor seinem Tod für Marcus und Jorgo erlangt hatte, machte deren

Abenteuer erst möglich. Die Facebookseite von »Sie nannten ihn Spencer« verzeichnete bereits eine sechsstellige Follower-Zahl, als die Premiere des Films noch kaum abzusehen war. Es gibt viele Dinge, auf die keiner wartet – die erste Bud-Spencer-Doku gehört eher nicht dazu. Der Filmemacher fühlte die Berufung, und trotz einiger herber Rückschläge hat sich Pold nicht entmutigen lassen; weder von der strengen Sekretärin des sehr zurückgezogen lebenden Pedersoli, noch von ausbleibenden österreichischen Fördermitteln. Sein Film handelt auch von den vielen kritischen Momenten und hat einige tolle Einfälle zu bieten. Mitunter wirkt es zwar etwas bemüht, wenn Hill-Verschnitt Marcus Zölch und sein blinder Buddy Jorgo Papasoglou sich necken wie ihre Vorbilder – mit Sprüchen à la Rainer Brandt auf den Lippen. Aber gerade in den unbeholfenen Momenten ist ihre Leidenschaft am wahrhaftigsten, und diese bedingungslose Liebe zu Bud Spencer hat den Regisseur offensichtlich äußerst fasziniert. Klar wird Spencer dadurch verklärt. Gleichzeitig ist der Film aber auch den Gründen solcher Idealisierung auf der Spur. Und überhaupt: Aus einem Elefanten kann man nun mal keine Mücke machen. Wolfgang Frömberg — »Sie nannten ihn Spencer« (A/D 2017; R: Karl-Martin Pold; Kinostart: 27.07.17; Neue Visionen)


#Kultur #Kino

Return Of The Atom

ES WERDE LICHT! Seit 2004 wird auf einer kleinen Insel vor der finnischen Stadt Eurajoki ein Atomkraftwerk gebaut. Der Dokumentarfilm beleuchtet die Auseinandersetzungen rund um die strahlende Zukunftsutopie.

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as haben die Filmemacher Mika Taanila und Jussi Eerola wohl am 11. März 2011 gedacht? An diesem Tag ereignete sich nach einem Tsunami im Kernkraftwerk von Fukushima, Japan eine Kettenreaktion, die den Austritt radioaktiver Strahlung zur Folge hatte. Zum Zeitpunkt des Störfalls arbeiteten die beiden Finnen bereits einige Jahre an dem Dokumentarfilm über die Stadt Eurajoki im Südwesten ihrer Heimat. Dort war sieben Jahre zuvor mit dem Bau des ersten europäischen Atommeilers seit der Tschernobyl-Katastrophe 1986 begonnen worden. Taanila und Eerola sammelten fast eine ganze Dekade lang Material, um die Geschichten rund um die kleine Gemeinde und deren reiche Erfahrungen mit der Erzeugung von Atomstrom zu dokumentieren. Auf einer Eurajoki vorgelagerten

Insel existierten bereits zwei Reaktoren, das Städtchen hatte sich offensiv als Standort für einen dritten Block beworben. Davon hängen Arbeitsplätze ab. Und Prestige. Einer der Befürworter vergleicht die wissenschaftliche beziehungsweise architektonische Leistung mit der Errichtung einer Kathedrale. Aber zu genau darf man auf der Baustelle nicht hinschauen, sonst lassen sich ernste Sicherheitsbedenken kaum wegdiskutieren. Das ist eine der Erkenntnisse, die man durch »Die Rückkehr des Atoms« gewinnt. Hundertzehn Minuten, in denen die Bewohner Eurajokis die Bedeutung der riskanten Technologie für den lokalen Arbeitsmarkt betonen, Anti-Atomstrom-Aktivisten die unerwünschten Nebeneffekte aufzählen und souveräne Manager von den hochmodernen Sicherheitsmaßnahmen schwärmen. Atom-Power ist auch in Zeiten erneuerbarer Energien kein Auslaufmodell,

so lernen wir, und zwar nicht nur, weil der Energieverbrauch global ansteigt und CO2Emissionen für den Klimawandel verantwortlich gemacht werden. Aber was ist schon die Menge an Energie, die ein solches Kraftwerk erzeugt, gegen die Kraftreserven, die eine einzige Person mobilisieren muss, um sich jahrelang gegen die Atom-Lobby zu engagieren, die den eigenen Profit über alle berechtigten Zweifel stellt? 2018 soll der Reaktor in Eurajoki endlich in Betrieb genommen werden. Wolfgang Frömberg — »Return Of The Atom – Die Rückkehr der Atomkraft« (FIN/D 2015; R: Mika Taanila, Jussi Eerola; Kinostart: 10.08.17; Real Fiction)

An den meisten Verfilmungen seiner Bücher hat Stephen King wenig auszusetzen, seine Abneigung gegen Stanley Kubricks Adaption von »The Shining« ist allerdings legendär. »Die Filme können die Bücher nicht kaputt machen«, soll er trotzdm mal gesagt haben, »sie stehen noch im Regal, auch wenn die Filme schlecht sind«. Vom Meister im Vorfeld für gut befunden wurden bereits ambitionierte Kino-Produktionen nach zwei seiner besten Werke. »Es« und »Der dunkle Turm«. Letztere baut auf den Geschehnissen des ersten Teils von Kings großem Fantasy-Zyklus auf, in dem er aus allen möglichen Welten eine ganz eigene baut, in deren Mittelpunkt die Abenteuer einer Gruppe um den Revolvermann Roland stehen. Idris Elba spielt den Helden, der es mit dem Mann in Schwarz zu tun hat, in dessen Rolle Matthew McConaughey schlüpft. — »Der Dunkle Turm« (USA 2017; R: Nikolaj Arcel; D: Abbey Lee; Kinostart: 10.08.17; Sony)

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#Kultur #DVD

Fences

LAND DER BEGRENZTEN MÖGLICHKEITEN Denzel Washington inszeniert das Gesellschafts­drama um einen Mann, der ein Stück vom Glück einzäunen möchte.

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as heute gilt, galt in den 1950er-Jahren erst recht: Zäune baut man, um Leute entweder ein- oder auszusperren. Familienvater Troy Maxson ist bei der Stadt Pittsburgh als Müllmann angestellt und träumt trotz Armut und grassierendem Rassismus vom kleinen Glück inklusive Reihenhaus. Er sagt: »Ich baue mir einen Zaun um das, was zu mir gehört.« Die Ungerechtigkeiten des Alltags machen aus Maxson einen kämpferischen, aber zunehmend auch harten Mann, der sich daheim zum dickköpfigen Familienpatriarchen aufschwingt. Das belastet gerade die, die er eigentlich beschützen wollte, und macht schließlich einen Strich durch die Träume seiner beiden Söhne. August Wilsons Pulitzerpreis-gekröntes Theaterstück von 1987 verfolgt die internen und externen Verwerfungen einer schwarzen Arbeiterfamilie über mehrere Dekaden. Denzel Washington spielte Maxson bereits auf der Bühne und nun auch in der Filmversion, bei der er darüber hinaus Regie führte. Für das Publikum ist das Drama eine intensive, kammerspielartige Tour de Force, die in mehrfacher Beziehung unter die Haut geht; Washingtons Filmpartnerin Viola Davis gewann verdient einen Oscar. Alexander Dahas — Intro empfiehlt: »Fences« (USA 2016; R: Denzel Washington; D: Denzel Washington, Viola Davis; VÖ 03.08.17; Universal)

Elle

WAS HAT SIE MIT DEM MESSER VOR? Paul Verhoeven ist zurück, und Isabelle Huppert glänzt in einer Rolle, die keine HollywoodSchauspielerin übernehmen wollte.

Zwischen 1987 und 1997 drehte Regisseur Paul Verhoeven mit »Robocop«, »Basic Instinct«, »Showgirls« und »Starship Troopers« vier berühmt-berüchtigte Filme, bei denen man nicht zu hundert Prozent sicher sein konnte, ob sie Sex, Gewalt und Faschismus im Kino hinterfragen oder doch lieber abfeiern wollten. In »Elle« setzt er auf schwarzen Humor. Die Gesellschaftssatire handelt von einer ehrgeizigen Unternehmerin (Isabelle Huppert), die am helllichten Tag in ihrem Haus vergewaltigt

wird und kurz darauf ein kleines Beil im Hobbymarkt kauft. Statt sofort in den Rachethriller-Modus umzuschalten, zoomt die Handlung auf ihre näheren Bekannten und Verwandten, zu denen sie teilweise recht exzentrische Beziehungen pflegt. Das Motiv sexueller Machtfantasien tritt dabei immer wieder zum Vorschein, und mit einem Mal kommen gleich mehrere Männer als Täter infrage. »Elle« ist die Art von Film, die Claude Chabrol früher gerne gemacht hat, wenn er mal wieder den ach so originellen moralischen Bankrott der Bourgeoisie beleuchten wollte. Das Verbrechen wird nicht verharmlost, doch Außenstehende gibt es in Verhoevens Plot keine,

denn die fantastische Hauptdarstellerin Huppert beleuchtet die verkorkste Seele ihrer eigenen Figur gleich mit. Roman Jansen

— Intro empfiehlt: »Elle« (F/D/B 2016; R: Paul Verhoeven; D: Isabelle Huppert, Laurent Lafitte; VÖ 21.07.17; MFA)



Neil Gaimans Fantasy-Bestseller »American Gods« als Serie. Darin treffen ausgemusterte Götter auf zeitgenössische Fetische. Aber Bryan Fullers Show ist mehr als der Kampf Tradition vs. Moderne.

GÖTTER SIND AUCH NUR MENSCHEN

#Kultur #DVD

American Gods

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A

uf dem Weg nach Amerika, 1697: Ein Sklave kauert zusammengepfercht im Bauch eines Schiffes, Schulter an Schulter mit Hunderten anderen Unglücklichen. Er betet zu seinem Gott, der ihn aus dieser misslichen Lage befreien soll, und Anansi (Orlando Jones) erscheint tatsächlich: Im violett karierten Anzug stolziert er die Treppe herunter und erzählt »Die Geschichte eines Mannes, der gefickt wird«. »Es ist die Geschichte des schwarzen Mannes in Amerika«, fährt er fort und beginnt zu lachen, als die zukünftigen Sklaven ihn irritiert ansehen. »Scheiße, ihr wisst ja noch gar nicht, dass ihr Schwarze seid«, gluckst Anansi. »Ihr denkt tatsächlich, ihr seid einfach nur Menschen.« Zu klagenden Trompeten spinnt er die Geschichte weiter – die Geschichte von Sklaverei, Lynchmorden und Polizeigewalt. Auf die Gefangenen warten in Amerika keine unbegrenzten Möglichkeiten, sondern der Tod. Es gäbe nur eine Möglichkeit, diesem Schicksal zu entkommen. »Let the motherfuckers burn«, zischt Anansi, als er die Sklaven von ihren Ketten befreit. Mr. Nancy, wie er sich im 21. Jahrhundert nennt, ist nur einer der zahlreichen Götter, die mit den Migranten aus sämtlichen Teilen der alten in die neue Welt gelangt sind. Doch sie haben ihre glorreichen Tage hinter sich, da ihre Gläubigen längst verstorben sind. So die Prämisse von Neil Gaimans Roman »American Gods«, den »Hannibal«-Produzent Bryan Fuller als Serie verfilmt hat. Die verlassenen Gottheiten fristen jämmerliche Existenzen und träumen wehmütig von den Tagen, als

man ihnen noch gehuldigt hat. Ihre Position wurde eingenommen von Gottheiten des Spätkapitalismus wie dem selbstverliebten Silicon-Valley-Douchebag Technical Boy oder der von Gillian Anderson porträtierten Media. Zusammen mit dem Protagonisten Shadow Moon (Walter Brittle), einem Ex-Häftling und Witwer, erfahren die ZuschauerInnen von einem Krieg, der zwischen den beiden Parteien geführt werden soll und bei dem man niemandem die Daumen drücken mag. Shadow wird kurz nach seiner Haftentlassung von dem undurchsichtigen Mr. Wednesday (Ian McShane) als rechte Hand angeheuert und befindet sich kurze Zeit später auf einer Fahrt kreuz und quer durch die USA, um SoldatInnen für diesen Krieg zu rekrutieren. Über Shadow, der genauso unwissend ist wie das Publikum, lernen wir den blutdürstigen Czernobog und den Leprechaun Mad Sweeney kennen. Sie sind zynisch und verbittert angesichts der Tatsache, dass sie für neue, moderne Entitäten verlassen wurden. Aber »American Gods« ist weniger eine Geschichte um den Kampf »Tradition« gegen »Moderne« als vielmehr eine Geschichte über Immigration in den Melting Pot USA. Und dieser Melting Pot hat auch Platz für schwule Dschinnis, Liebesgöttinnen in einer Dating-App-Kultur und all jene, die verzweifelt versuchen, sich eine wie auch immer geartete Identität zu bewahren, worauf auch immer diese aufgebaut sein mag. Veronika Kracher — »American Gods« (USA 2017; C: Bryan Fuller, Michael Green; D: Ricky Whittle, Emily Browning; VÖ 27.07.17; StudioCanal)


#Kultur #Games

ARMS

TENNISARM Nintendo präsentiert ein Prügelspiel für seine Spielkonsole Switch. »ARMS« bringt neben einem ausgeprägten Muskelkater auch verblüffend viel Tiefe mit.

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n »ARMS« stehen sich zwei Kämpfer gegenüber und boxen. Dabei werden sie von hinten gefilmt, und bei zwei Spielern teilt sich der Bildschirm. Doch etwas stimmt hier nicht: Die Kämpfer haben keine Arme, sondern tragen eine Art groteske Prothese, lose schlackernde Superarme, die mal aussehen wie Bandnudeln, mal wie Haarbänder, Bandagen oder Ketten. Das Spiel wäre purer Body Horror, wenn es nicht so lustig aussehen würde.

Ernst gemeint sind die Kämpfe allerdings schon. Die Bandwurmfäuste brauchen lange, bis sie das gegnerische Gesicht erreichen, und die Kämpfer können schnell ausweichen. Wer bloß herumfuchtelt, scheitert. »ARMS« verlangt nach Positionsspiel und Timing. Wann muss ich ausweichen, wann blockt der Gegner, wann öffnet er die Deckung? Die zehn Kämpfer sind alle sehr verschieden, sie heilen sich im Kampf, hetzen ihren Roboterhund auf ihre Gegner oder fliegen umher.

Unter Laien eignet sich die Prügelei für eine Stunde Schattenboxen mit anschließendem Tennisarm. Doch der Titel hat Tiefen. Sie mahnen jeden Spieler an, der in einen der höheren Schwierigkeitsgrade stolpert. Es ist wie bei Mario Kart: Das Spiel mag einfach und albern aussehen, es wirklich zu meistern dauert jedoch Monate. Aber nur hier kann man einer resoluten Dame Boxhandschuhe an die Haarzöpfe schnallen und vorlaute Gegner in einen Basketballkorb dunken. Das gilt es zu bedenken. Jan Bojaryn — »ARMS« für Nintendo Switch (Nintendo)

Friday The 13th: The Game

ABSTECHER INS FERIENLAGER Der Alltag im Sommercamp am Crystal Lake ist hart: Gerade noch schmusen die Teenager am Lagerfeuer, schon landet eine Axt in der gemütlichen Runde und spaltet dem Nebenmann den Kopf. Slasher-Legende Jason Voorhees ist zu Besuch, um seinem grobschlächtigen Ruf endlich auch in »Friday The 13th: The Game« alle Ehre zu machen.

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er Pitch klang verlockend: Ein Spieler schlüpft in die Rolle des berühmten Schlächters aus »Freitag der 13.«, sieben weitere dürfen die Teenager steuern, die vor ihm flüchten müssen. Doch was nach stabiler Multiplayer-Action klingt, geht in der Praxis nicht ganz auf. Die veraltete Optik möchte man dem Spiel noch verzeihen, die träge Steuerung und die stumpfen Phasen der Langeweile eher weniger. In drei Levels begeben wir uns entweder als Teenie auf die immer gleiche Schnitzeljagd, um dem Killer zu entkommen, oder spielen selbst den Axtmörder, der die Kids durch den Wald hetzt. Die müssen sich notdürftig bewaffnen

und vor allem kommunizieren, um etwa in einem fix reparierten Wagen aus dem Camp zu düsen. Das ist in seltenen Glücksfällen taktisch und unterhaltsam, meistens aber zäh und eintönig. Als unkaputtbare Übermacht

Jason wiederum toben wir uns in grotesken Splatter-Szenen an unseren Gegenspielern aus. Echte Grusel-Stimmung kommt dabei kaum auf, da kann uns der aufdringliche Horrorfilm-Soundtrack noch so laut ins Headset tröten – zu oft stolpert man über alberne Grafikbugs und ulkige Animationen. Wer eine Handvoll Freunde mit ins Boot holt, könnte dennoch Freude an der Katzund Maus-Jagd finden. Wer aber schnellen, aufregenden HorrorSpaß sucht, sollte einen Bogen um den Crystal Lake paddeln. Hannes Naumann — »Friday The 13th: The Game« für PC, PS4, Xbox One (Gun Media / IllFonic)

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#Kultur #Games passt. Was waren die besonderen Herausforderungen beim Komponieren für das Videospiel im Vergleich zum Songwriting der Band?

Wenn man Musik für ein Spiel komponiert, muss alles immer möglichst einfach zu bearbeiten sein. Man muss jederzeit bereit sein, große Änderungen vorzunehmen, falls sich das Design des Spiels ändert. Für eine Band Songs zu schreiben ist viel einfacher, da man sich dabei nicht an einer äußerlichen Struktur orientieren muss. Der SongwritingProzess bei Lightning Bolt umfasst Jammen, Anhören und Diskutieren. Bei »Thumper« war es viel Rumprobieren, das Erschaffen kurzer eintaktiger Loops und die Konstruktion eines Authoring-Tools, mit dem man die Klänge einfach bearbeiten und in die Spielwelt einbauen kann.

Brian Gibson über

THUMPER

B

ist du selbst ein Gamer?

Ich betrachte mich überhaupt nicht als Gamer, obwohl ich seit Langem ein großer Fan von »Super Mario Brothers«, »Mario Kart« und vielen Klassikern der Nintendo-Ära bin. Ich neige dazu, besonders einfache Bedienung und simple Grafik zu mögen. Das findet man bei modernen Spielen nur noch sehr selten. Der Soundtrack von »Thumper« verströmt mitunter die Stimmung eines Science-Fiction-Films. Gab es bestimmte cineastische Vorbilder?

Ein Videospiel wie ein psychedelischer Rausch. »Thumper« ist eine audiovisuell außergewöhnliche Erfahrung mit einem packenden Soundtrack. Bastian Küllenberg sprach mit Schöpfer Brian Gibson (Lightning Bolt) über »Rhythm Violence«, das Komponieren von Spielmusik und die Entstehung dieses ungewöhnlichen Rhythmusspiels.

Das meiste habe ich tatsächlich im Tourbus aufgenommen, während wir mit Lightning Bolt im November 2015 in Europa unterwegs waren. Mein Laptop wurde auf dieser Tour in Schweden gestohlen, daher musste ich einen Großteil neu produzieren. Der »Thumper«-Soundtrack wurde allerdings nicht live gespielt, sondern hauptsächlich aus Samples, klangliche Identität entwickeln würde, daher Effekten und virtuellen Synths auf meinem habe ich bei anderen Spielen immer nur dar- Laptop gebaut. auf geachtet, was ich besser vermeiden sollte.

Ja! Ich liebe diese unheilvollen, dissonanten Klangflächen von »2001: Odyssee im Weltraum« und die orchestrale Dissonanz des Scores von »Shining«. Diese Filmmusiken beschwören Gefühle abgrundtiefer Furcht herauf. Das ist nichts, was ich so bei Videospielen »Thumper« wird mit dem Slogan »Rhythm je erlebt habe. Es war meine große Hoffnung, Violence« beworben, eine Bezeichnung, die dass »Thumper« seine eigene visuelle und auch gut zum Stil deiner Band Lightning Bolt

Rime

SAND IN DEN SOCKEN Schiffbruch, Filmriss und geheimnisvolle Inseln: Das ist der Stoff, aus dem schon vor Dekaden gute Videospiele gestrickt wurden. »Rime« ist das vielleicht schönste von ihnen.

Das Salzwasser in seinen Ohren ist Enus kleinstes Problem, als er bewusstlos an die Küste einer malerischen Insel gespült wird. Nur langsam kommt er zu sich, die Erinnerungen getrübt vom Schleier einer gepflegten Amnesie. Ein Auftakt, der so schon in Klassikern wie »The Legend Of Zelda: Link’s Awakening« den Entdeckergeist des Spielers zu wecken wusste und auch in »Rime« umgehend Wirkung zeigt. Dazu trägt nicht

Wie genau hast du aufgenommen und produziert? Es klingt so, als basierten viele der Tracks auf einem Basslauf und schichtenweise Effekten.

nur die umwerfende Präsentation bei, sondern auch die Beschaffenheit der Insel selbst: Idyllische Wäldchen, paradiesische Buchten und antike Ruinen dominieren zunächst das unerschlossene Terrain. Und da das Spiel nur äußerst diskret andeutet, was überhaupt zu tun ist, führt einen vor allem die Neugierde immer tiefer in das Herz dieses Eilands. Eigenartige Kreaturen, geheimnisvolle Katakomben und altertümliche Maschinen stellen uns dabei zunehmend vor abstrakte Rätsel, die mit fortschreitendem Spielverlauf immer mehr Fragen aufwerfen. Ob dieser Ort wirklich so friedlich ist, wie er zunächst anmutet,

— »Thumper« für PC, PlayStation 4, PlayStation VR, Xbox One, Nintendo Switch (Drool)

wird immer zweifelhafter. Obwohl in »Rime« kein einziges Wort gesprochen oder geschrieben wird, demonstriert das Spiel immer wieder einen verblüffenden Sinn für Poesie. Eine Qualität, die mit großer Wahrscheinlichkeit dem gut geölten Zusammenspiel der cineastisch inszenierten StudioGhibli-Optik mit dem melodramatischen Orchester-Soundtrack von »Silent Hills«-Komponist Akira Yamaoka geschuldet ist und immer wieder für ausgesprochen emotionale Momente sorgt. Der geringe Schwierigkeitsgrad ist dieser anmutigen Stimmung dabei absolut zuträglich, läuft der Spielfluss so doch gar nicht erst Gefahr, durch frustige

Passagen getrübt zu werden. Sowohl Rätsel als auch Geschicklichkeitseinlagen sind zumeist im ersten Anlauf machbar und laden auch ungeübte Spieler zum Erkunden der Insel ein. In Anbetracht eines Zeitgeistes, der den gehobenen Schwierigkeitsgrad gerne mal mit Qualität verwechselt, ausgesprochen angenehm. Philip Fassing — »Rime« für PlayStation 4, Xbox One, PC, Nintendo Switch (Tequila Works)


#Kultur #Games

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Keine Skills am Controller aber La Paloma pfeifen

Illustration: Alexandra Ruppert

Mit dem futuristischen Rennspiel »WipeOut« gelang dem Entwicklerstudio Psygnosis im Jahr 1995 ein Instant-Klassiker, der vor allem aufgrund seines einflussreichen Club-Soundtracks in Erinnerung blieb. Mit der »WipeOut Omega Collection« kehrt die Reihe in aufpolierter Fassung auf die aktuelle PlayStation zurück. Videospiel-Laie Carsten Schumacher hat ein paar Runden gedreht – ein Protokoll. Moment, so hat man sich in den Neunzigern die Zukunft vorgestellt? Ich muss zu viel mit den GrungeKids abgehangen haben. Das hier sieht vor allem nach von gesichtslosen Monopolisten geführten Corporate-Identity-Metropolen voller aufdringlicher Neon-Reklame aus – oder, wie wir es heute nennen: das Internet. Nur dass ich dort noch den Ad-Blocker einschalten kann. Immerhin ist die Musik hier besser. Glaube ich zumindest, mein konstant an der Leitplanke schleifendes Gefährt macht ganz schön Lärm – oder sind das doch nur Autechre? Bei dem Funkenflug fühlt man sich allerdings eher wie bei Rammstein in der ersten

Reihe. Davon abgesehen vermittelt das Spiel seiner jugendlichen Zielgruppe ein völlig falsches Bild von Verkehrssicherheit: Wärme suchende Raketen schalten lästige Drängler in echt viel zuverlässiger aus. Und explosive Minen legt man in Kurven, dort, wo sie niemand ahnt – ist das denn wirklich so schwierig? Ich stehe auf den Zonen-Modus: bei zunehmender Beschleunigung so wenig Kollisionsschaden wie möglich nehmen. Also im Grunde wie ein normaler Festivalbesuch, nur dass hier die Farben besser sind – sofern man vor der Mainstage beim Bier bleibt. Meine Wertung: sieben von zehn Knicklichtern. — »WipeOut Omega Collection« für PlayStation 4 (Sony)

5. – 6. August

postpost – grand central, düsseldorf

burak yeter Sascha braemer niconé

k-paul

m-22 niklas ibach

jumpa uvm. Infos und Tickets unter desperados.com/flavouredfestival



Foto: Peter Otto

#Life

#Life 71


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#Life #Kunst #Tim Berresheim

Studiobesuch bei Tim Berresheim

KUNST KAPUTT?!


#Life #Kunst #Tim Berresheim

Tim Berresheim ist weltweit einer der Vorreiter der computergenerierten Kunst. Seine Bilder entwickelt er mit aktuellster Technik, jeder Menge Skills und dem heute verfügbaren Know-how. Denn wenn weiterhin Dreiecke auf Leinwände gemalt werden, ist die Kunst auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen, findet Berresheim. Er aber möchte Kunstgeschichte weiterdenken. Senta Best hat nachgefragt, Frederike Wetzels fotografiert.

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m Jahr 2017 muss man als Künstler ein Angebot entwickeln, das mit allem mithalten kann, was sonst so passiert: TV, Festivals, Popkultur und so weiter. Deshalb denke ich, dass man es als Maler gerade sehr schwer hat. Ich möchte nicht tauschen.« Tim Berresheim ist glücklicherweise kein Maler, sondern Musiker und Labelbetreiber – aber vor allem ist er einer der wichtigsten Protagonisten auf dem Gebiet der zeitgenössischen computergenerierten Kunst. Seine Werke werden weltweit ausgestellt – unter anderem in New York, Los Angeles, Berlin, Düsseldorf, Stuttgart und auf der Art Cologne. Neben seiner Kunst hat er gerade eine Kollektion mit Carhartt herausgebracht und zeichnet für die Gestaltung einer Bühne des Open Source Festivals verantwortlich, das am 8. Juli in Düsseldorf stattfindet. Im Rahmen des Festivals bringt er dieser Tage die App »TB – OSF 2017« heraus; mit Emojis, die die Designs der Bühne aufgreifen. Eine weitere App namens »TB – Timoji« enthält viele seiner Kommunikationsgrafiken als Emojis zur Nutzung bei iMessage. Berresheim bietet also einen Rundumschlag in Sachen Popkultur, Musik, Klamotten, Labels und Unterhaltung.

Kotzübel durch die Virtual-Reality-Brille Ich besuche Tim Berresheim in seinem Studio in Aachen. Hier zeigt er mir, wie er arbeitet und worum es ihm bei seinen Werken geht. Die Kunstwelt verweigert sich ganz stark der digitalen Technik, ist tendenziell sowieso langsam und deshalb seit Jahren auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen, so Berresheim: »Kunst war ja immer dieser Ort, der den Unterschied markiert. Künstler machen irgendwas, das es sonst auf der Welt nirgendwo so gibt. Also ist die Kunst in unserer heutigen Welt wieder dazu aufgefordert, einen Unterschied zu markieren. Die Antwort kann aber nicht sein, dass wir uns in einer virtuellen Realität die Bildschirme ganz nah vor die Augen halten. Dabei fühle ich mich von der Industrie missbraucht, die schon in den 90er-Jahren mit aller Kraft versucht hat, uns das aufs Auge zu drücken. Und mittlerweile ist Virtual Reality nicht so viel geiler geworden. Du siehst immer noch Pixel, dir wird kotzübel, wenn du diese Brille aufhast. Die Lösung kann aber auch nicht sein, dass wir noch mal ein Dreieck auf ‘ne Leinwand malen, nur weil die Kunst kapituliert, weil sie mit dem Computer und den Skills der Film-, Werbeund Games-Industrie nicht mithalten kann. Das Angebot muss also anders sein.« Berresheim möchte keineswegs mit der Geschichte der Malerei brechen, sondern im Jahr 2017 einen Umgang damit finden. Der Entstehungsprozess seiner Werke bleibt für den Betrachter zunächst meist schleierhaft – anders als bei einem Maler, dessen Pinselstriche nachvollziehbar sind. Da Berresheim aber möchte, dass man seine Kunst versteht, damit man auch darüber diskutieren kann und die Kunstwelt sich insgesamt weiterentwickelt, will er seine Arbeitsprozesse transparent machen. »Ich möchte Sprache herstellen, damit die Leute über meine Sachen diskutieren können. Damit meine Kunst in ihrem Leben irgendetwas bedeutet. In den 80er-Jahren war das noch was anderes, da war es hart, subkulturelles Wissen ranzukarren und zu vermitteln. Aber heutzutage ist das alles in der Welt, und dank Internet ist ja jeder Tumblr-Blog ähnlich informiert.« Zur Vermittlung der Prozesse haben er und sein Team

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#Life #Kunst #Tim Berresheim

»In den Nullerjahren konnte man sich noch eine Karriere aufbauen, indem man dreimal den Gaußschen Weichzeichner als Plug-in über ein Bildchen ballerte.« Tim Berresheim

beispielsweise die Augmented-Reality-App »TB – Tim Berresheim« entwickelt. Sieht man die Bilder mithilfe der App durch das Smartphone oder Tablet an, werden sie dreidimensional – es kommen also weitere Ebenen hinzu, die Bilder scheinen sich zu bewegen. Zum anderen führt der Künstler bei seinen Ausstellungen Werkstattgespräche und hält Vorträge über seine Kunst.

Geile Gase austricksen Während unseres Gesprächs erklärt Berresheim mir am Computer seinen Arbeitsprozess. Für das Bild »Lemon Law I (AEI23)« nutzt er beispielsweise ein Programm, das Gase simuliert. Sein Ziel dabei: mit dem Computer der Varianz auf die Spur zu kommen, die entsteht, wenn ein Maler seinen Pinsel ein wenig dreht und mit dieser Technik sehr detailreich etwas darstellen kann. Doch das Simulationsprogramm muss Berresheim sich erst einmal für seine Zwecke zurechtbasteln: »Das Programm ist doof, das kann wirklich nur schön Gase machen, aber sonst keine Informationen abgreifen. Nicht fragen, wie schnell bist du an dieser Stelle und wie heißt dein Nachbar – gar nichts. Nur geile Gase. Also habe ich mir einen Trick einfallen lassen: Unter die Gase hab ich schlaue, klebrige Kügelchen programmiert, die von den Gasen mitgenommen werden. Diese Kügelchen kann ich so programmieren, dass sie bestimmte Informationen speichern. Zum Beispiel, woher sie kommen und in welche Richtung sie sich bewegen. Diesen Datensatz kann ich dann visualisieren, indem ich beispielsweise die langsamen Kügelchen grün darstelle und die schnellen orange. Das Ganze sieht dann sehr nach gestischer Malerei aus, nach Fummelei auf der Leinwand. Aber in dem Fall sind es 25 Millionen kleine Härchen, die ihre Länge variieren, je nachdem, wie schnell sie sind.« Eine andere Methode ist ein Simulationsprogramm für Wasserpartikel. Darin programmiert Berresheim eine Säule und lässt durch das so entstandene Röhrensystem maximal viele Wasserpartikel laufen. In den Kurven des Systems programmiert er die Säulenhülle so dünn, dass sie durch den Druck der Wasserpartikel reißt. Wie bei einem Maler, der mit dem Pinsel über die Leinwand fährt, lösen sich an diesen Stellen Spritzer ab. Nur dass die Abplatzungen bei einem Maler durch die Zentrifugalkraft entstehen und bei Berresheim durch die entsprechende Programmierung. Und da der Computer nichts von selbst macht, muss man hier alles »erwarten«, wie Berresheim es nennt, den Rechner also entsprechend mit Informationen versorgen.

Maximalismus in 81.000 Stunden Bei all seinen Bildern geht es Berresheim um Maximalismus: »Meine Arbeit soll maximal vielfältig sein und maximale Informationsdichte enthalten. Bei allem, bei dem man schludern könnte, möchte ich eben nicht schludern, sondern immer mehr Mühe, Arbeit und Skills reinstecken, damit ich am Ende maximal abliefere.« Dafür braucht es nicht nur Skills, sondern vor allem Zeit. Allein die Simulation für eines der Wasserpartikel-Bilder dauerte um die drei bis vier Wochen, der fertige Datensatz ging an eine Renderfarm, wo 600 Rechner sechs bis sieben Tage benötigt haben, um das Bild auszurechnen – insgesamt sind das um die 81.000 Stunden! Glücklicherweise hat Berresheim diese Zeit: Seine Werke verkaufen sich


#Life #Kunst #Tim Berresheim

weltweit, sodass er die Freiheit genießt, viele Monate an einer Handvoll Bilder zu arbeiten. Tim Berresheim hat ein paar Semester Informatik studiert und Stationen in der Filmwelt sowie an der Kunstakademie hinter sich. Das meiste ist aber Autodidaktentum, erzählt er. Im Laufe der Jahre hat er sich ein breites Repertoire an Skills zugelegt und konnte mit seiner Kunst recht schnell Geld verdienen. Dadurch hatte er schnell die Möglichkeit, viel Arbeit und Zeit in seine Werke zu stecken und seinen Vorsprung vor der Konkurrenz immer weiter auszubauen: »In den Nullerjahren konnte man sich noch eine Karriere aufbauen, indem man dreimal den Gaußschen Weichzeichner als Plug-in über ein Bildchen ballerte. Dieses Missverhältnis von Aufwand und Nutzen kennt man heute nur noch von Drogen oder so: wenig reinwerfen, viel zurückbekommen. Diese hohen Margen gibt es heute nicht mehr. Kunst funktioniert meiner Meinung nach nur noch über handwerkliches Geschick, Mühe und so weiter. So unangenehm diese Begriffe auch sind, aber sie werden hier noch mal virulent. Sonst wird die Kunst von der Welt überholt und amselt ab, dann ist sie für immer weg. Wenn sie nicht welthaltig wird, sondern weiterhin Dreieckchen malt, die alle auf Instagram posten, wird es schwierig. Ich bin skeptisch, ob es die Kunst in der Form dann überhaupt noch gibt.«

16 - 20 AUGUST 2017 COLOGNE

ANNENMAYKANTEREIT & FREUNDE

MODERAT

JAMES VINCENT MCMORROW | MOTOR CITY DRUM ENSEMBLE OMAR SOULEYMAN | ROMAN FLÜGEL | RADICAL FACE LA FEMME | FABER | L’AUPAIRE | PERFUME GENIUS | HER MALL GRAB | FIL BO RIVA | TASH SULTANA | JORDAN RAKEI ANTHONY NAPLES | ROMARE (DJ) | PEARSON SOUND | I-F LENA WILLIKENS | COLOGNE TAPE | DANIEL BRANDT & ETERNAL SOMETHING | THOMAS AZIER VOODOO JÜRGENS | MATIAS AGUAYO & THE DESDEMONAS | 47SOUL | ACID ARAB | MARTIN KOHLSTEDT NOGA EREZ | LEYYA | CLARA MOTO | JÚNÍUS MEYVANT | DJ SEINFELD | JADU HEART | CHUCKAMUCK JOSIN | JACQUES | AGAR AGAR | TRISTAN BRUSCH | WOLF MÜLLER & NIKLAS WANDT | APEIRON CREW OUM SHATT | TOWLIE | KRAKÓW LOVES ADANA | OTZEKI | MATT MALTESE … UND VIELE MEHR

FESTIVAL- UND TAGESTICKETS UNTER C-O-POP.DE FÖRDERER

PARTNER

#COPOP17

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#Life #Reportage #Public Service Broadcasting #Wales

Mit Public Service Broadcasting in Wales

JEDES TAL

Seit Jahrzehnten kämpft die ehemalige Kohleregion Südwales mit dem Ende der Schwerindustrie. Steffen Greiner reiste zum Konzert von Public Service Broadcasting, die der Geschichte der Stadt Ebbw Vale ihr Konzeptalbum »Every Valley« widmeten. Vor Ort ließ er sich von ehemaligen Minenarbeitern die traurige Geschichte ihres Tales erzählen. Fotos Shaun Gordon

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atürlich ist es mir erst im Flieger nach London aufgefallen, beim Hören des letzten Tracks »Take Me Home«, eingesungen vom stimmgewaltigen Beaufort Male Choir, der 1897 als Arbeiterchor gegründet wurde: Diese Geschichte hat mehr mit mir zu tun, als mir bewusst war. Ich stamme aus dem Saarland, einer Region, in der sich alles um Kohle und Stahl drehte – genau wie in den Valleys in Südwales. Und genau wie die Gegend in Südwales weiß das Saarland heute nicht, wohin es in einem Europa nach der Schwerindustrie soll. Der Albumtitel »Every Valley« trifft es also ganz gut. Ich erinnere mich noch an die drehenden Räder in den Fördertürmen, die ich vom Balkon meines Elternhauses aus sah. Mein Uropa war noch im Untertagebau, mein Großvater Funktionär bei der Knappschaft. Überall standen diese kleinen Bergmannshäuser, prägten das Straßenbild, und Angst vor dem Feuer am Stahlwerk bei Völklingen hatte ich sowieso. Meine Mutter erzählte mir

vom Grubenunglück in Luisenthal, bei dem Grubenunglück 1962 299 Bergleute starben. In jedem Haus in in Luisenthal der Nachbarschaft fehlte auf einmal ein Vater, Es gibt das Gerücht, dass ein Bruder, ein Sohn, oft genug mehrere, denn viel mehr Bergleute bei diesem Unglück gestorben der Beruf des Bergmanns war quasi erblich. sind. Aber ab 300 hätte es Noch als ich Kind war, hörten die Räder auf, einen landesweiten Trauersich zu drehen. 1997 fanden die letzten großen tag geben müssen, und das war den Bergwerksbossen Demonstrationen gegen die Schließung der dann doch zu unökonoGruben statt, allerdings eher halbherzig, und misch. Also deckelte man in der Tat subventionierte man noch ein paar und machte aus toten Kumpeln verschollene Jahre weiter eine Industrie, in der sowieso nur Kumpel. noch ältere Männer arbeiteten.

Von der Saar an den Ebbw »Bei euch lief das ganz anständig«, sagt Wayne Thomas, Gebietssekretär der National Union of Mineworkers für Südwales. »Hier war einfach Schluss.« Dabei gehörte Wales einmal zu den wichtigsten Kohleregionen der Welt: Zu Hochzeiten der Industrialisierung stellten 620 Gruben ein Drittel der weltweiten Kohleexporte. Ebbw Vale heißt das Städtchen, das ich besuche. Der Regen, der mich durch meine Stunden in London und die Zugfahrt nach Wales begleitet hat, ist schönster Abendsonne gewichen. Die kahlen, monoton grünen Hügel zu beiden Seiten des Flüsschens Ebbw erstrahlen. Es ist still in Ebbw Vale. Zwischen den Reihen kleiner identischer Arbeiterhäuser befinden sich ungepflasterte Wege und schlechte Straßen. Die Stadt müht sich am Hang ab, während das Tal grün und unentschlossen daliegt. Es gibt ein brandneues Sportzentrum mit leerem Parkplatz und EU-Förderschild davor. 62 % stimmten hier für den


#Life #Reportage #Public Service Broadcasting #Wales

Brexit, die höchste Quote in Wales, obwohl die Stadt gewaltige Zuwendungen erhielt – gerade entsteht eine Rennstrecke, die 6000 Arbeitsplätze schaffen soll, was aber niemand glaubt. Ron Stoate, ein ehemaliger Bergmann mit starkem Waliser Akzent, berichtet, dass die Stimmung eher pessimistisch sei. »Jobs gibt es kaum, und sie verschwinden weiterhin. Für die Jungen ist es schwierig, eine Arbeit zu finden oder einfach eine gute Bildung. Als ich jung war, sagten sehr viel ältere Männer zu mir: ›Du weißt ja nicht, was es heißt, zu kämpfen.‹ Aber so was könnte ich heute keinem Jugendlichen sagen. Die wissen, was es heißt. Und sie sollten es nicht wissen müssen.« Im Stadtzentrum von Ebbw Vale: geschlossene Läden, Gus Jones Jewellers und das Eiscafé Love’s. Mittendrin: die Workmen’s Hall von 1907, ein prachtvolles Bauwerk mit Büschen auf den Fensterbänken. Ein Plakat annonciert die »Holistic Wellbeing & Craft Fayre« mit »Reiki, Raffle and Refreshments«, stattgefunden: vor einem Monat. Kommende Highlights des Kulturkalenders: Pink-Floyd-Coverband, Thin-LizzyCoverband und »An Evening of Mediumship with Leigh Gameson«, Eintritt £ 6, am 26. Juli.

Guido Knopp mit Mitteln von »The Wall« An diesem Abend spielt im Ebbw Vale Institute hoch über dem Stadtzentrum eine Band, die in diesem Saal bereits ein Album aufgenommen hat. Public Service Broadcasting heißt sie, also: Öffentlicher Rundfunk. Die

Aufmerksamkeit, die die Band der Stadt widmet, ist hier sichtlich willkommen. Immerhin sind PSB in Großbritannien gut im Rennen, mit Alben in den oberen Chartsrängen und Auftritten auf den großen Festivalbühnen. Die Band funktioniert ein wenig wie das Guido Knopp’sche Geschichtsfernsehen mit den Mitteln von »The Wall« und, wenn man das sich drehende MiniFörderrad auf der Bühne betrachtet, einer Scheibe »Spinal Tap«. Was der Kopf hinter PSB, J. Willgoose Esq. (dessen bürgerlicher Namen hier nicht genannt werden darf), mit einer guten Portion Selbstironie erklärt: »Wir haben keine Angst, uns in eine lächerliche Position zu begeben. Wir nehmen sehr ernst, was wir machen, uns selbst aber nicht. Auf der letzten Tour hatten wir gigantische LEDBildschirme, die aus dem Boden aufstiegen – das war schon ›Spinal Tap‹ in reinster Form!« Während die Musik mit Samples aus Wochenschauen, aktuellen Interviews und alten Fernsehsendungen gefüllt ist, flimmert altes Filmmaterial über die Bühne. Die Band arbeitet stets mit dem British Film Institute zusammen, dem Archiv aller britischen Bewegtbildproduktionen, und jedes ihrer Alben ist einem historischen Thema gewidmet. »Every Valley«, ihr drittes, ist ein Konzeptalbum über den Aufstieg und Niedergang der Kohleindustrie in den Tälern von Südwales. Der elektronisch geprägte Artrock entwickelt dank starker Rhythmus-Sektion und gelegentlichen Brass-Einsätzen einen gehörigen Groove. Kraftwerk sind dann ganz nah. Das Publikum bleibt hingegen eher Prog. »Ich verstehe nicht, warum uns so viele Prog-Fans mögen. Ich mag Pink Floyd und diese Sachen wirklich überhaupt nicht. Aber vielleicht hat uns die Prog-Szene auch ins Herz geschlossen, weil wir uns trauen, lächerlich zu sein«, sinniert J. Willgoose Esq. grinsend.

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#Life #Reportage #Public Service Broadcasting #Wales

Anders als die Vorgänger über das Space Race und die deutschen Luftangriffe entstand das Album nicht im fernen London. Die Gruppe zog nach Ebbw Vale, um die Geschichte der Stadt zu erzählen. »Ich glaube, hier ist es wichtig, die Geografie der Landschaft zu lesen. Das Stahlwerk war früher da unten im Tal, wo jetzt das Sportcenter ist. Als es verschwunden ist, ist das Herz der Stadt verschwunden, der Grund, warum sie überhaupt existiert. Es ist schwer zu sagen, was jetzt der Grund für diese Gemeinschaft und ihre Zukunft sein könnte. Das war das Erste, was ich dachte, als ich auf den Hügeln über der Stadt stand: Warum stehen wir oben auf einem Berg, und das Tal ist leer? Erst da verstand ich: Da war mal was.«

Danke, Thatcher! Dass da heute nichts mehr ist, ist nicht nur die Folge sinkender wirtschaftlicher Relevanz der Schwerindustrie, sondern auch politischer Wille. Noch immer spukt der Miner’s Strike, jener Streik der Bergarbeiter und ihrer Verbündeten 1984/1985, durch das kollektive Gedächtnis der Region. Wenn während des Konzerts Bilder von aufmarschierenden Polizisten oder Arbeiterfrauen auf Barrikaden aufflackern, reagiert das Publikum mit Pfiffen oder Jubel. Als der Streik damals scheiterte, war klar, dass sich die Wirtschaft Europas völlig verändert hatte. Wayne Thomas und Ron Stoate lebten von Lebensmittelmarken, die die Gewerkschaft durch weltweite Solidarität zur Verfügung stellen konnte. »Ich kann niemandem vergeben, der damals den Streik gebrochen hat. Sie haben uns verraten, sie haben sich selbst verraten. Da sind noch immer so starke Gefühle. Nein, wir wollten keine unendlich weiterlaufende Kohleindustrie. Wir wollten einen fairen Schnitt. Wir wollten, dass ein Produkt, das das Land brauchte, weiterhin fair produziert wurde. Stattdessen zerstörte Thatcher die Gewerkschaften.«

»Man denkt bei Bergleuten immer an alte Männer, aber wir waren Kinder. Wir rauchten Dope, bevor wir in den Schacht fuhren.«

Die National Union of Mineworkers hatte Miner’s Strike damals 170.000 aktive Mitglieder, heute sind In einem recht durchschaues 100. Seitdem wird neoliberal durchregiert, baren Versuch, die Macht der Gewerkschaften zu von links wie von rechts. Und Donald Trump brechen, setzte die konserplädiert für einen Kohlebergbau, um dessen vative Regierung Thatcher Sinnlosigkeit und Scheitern alle wissen. Vor damals gemeinsam mit Parlament, Wirtschaft, Meallem die, die Zeugen von dessen Ende waren. dien, Kirche und Polizei ihre »Die Geschichte ist so breit gefächert: die gu- Politik gnadenloser Härte ten Zeiten, das Runterfahren in den Schacht, gegen streikende Bergleute durch. Es ging um den das Anwerben von Bergleuten, später Tech- Erhalt von Arbeitsplätzen nisierung und Kampf«, sagt J. Willgoose Esq. in einer Industrie, die zwar »Das Album erzählt keine echten Ereignisse niemandem guttat – nicht den Arbeitern, nicht der nach, es ist eher expressionistisch, wie die Bild- Umwelt –, die aber dafür sprache des Covers.« Das zeigt die Leere der sorgte, dass in den Valleys Landschaft, das gnadenlos verwaschene Grün. Wohlstand und eine starke,

Das Ende der Talfahrt

selbst organisierte Community entstand, die politisch gefährlich wurde.

Am Morgen nach dem Konzert mache ich einen Ausflug übers Land, zum nationalen Kohle-Museum in Blaenavon, The Big Pit, einem alten Bergwerk. Es wird geleitet von Ceri Thompson, einem früheren Bergmann. »Ja, man spürt den Wandel. Früher war das hier ein Zirkus. Jeder Mann in Wales hatte eine Gitarre. Sonntags kamen ProgRock-Gruppen und coverten Pink Floyd, Grateful Dead oder Steely Dan. Man denkt bei Bergleuten immer an alte Männer, aber wir waren Kinder. Wir rauchten Dope, bevor wir in den Schacht fuhren.« Jetzt fahren die gealterten Kumpel mit Touristengruppen nach unten. Wales hat sich verändert. Jedes Tal hat sich verändert. Nicht immer zum Schlechten. Auch im Saarland sind die Gruben und Eisenhütten heute Kulturdenkmäler, es gibt zwar noch ein bisschen Stahl, aber auch eine IT-Branche, die wohl besser läuft, als man vor ein paar Jahren vermutet hätte, und wie überall wird elektronische Musik in Industrieruinen gespielt. »Ich spazierte neulich mit einer Gruppe alter Bergleute auf den Gipfel eines Hügels hier im Tal, Leute, mit denen ich zur Schule gegangen bin, und meinte: ›Ist ganz schön grün geworden, oder?‹ Und weißt du, was die sagten?« prustet Ceri in einer Mischung aus Lachen und Husten: »Viel zu viele bloody trees hier!« — Public Service Broadcasting »Every Valley« (PIAS / Rough Trade / VÖ 07.07.17)


D I E

K O M P L E T T E

1 .

S T A F F E L

„KOMPLEX, DÜSTER, BLUTIG UND VISUELL HERAUSRAGEND. HAT DAS ZEUG ZUM SERIENMEILENSTEIN!“ CINEMA

„QUENTIN TARANTINO IST EIN WAISENKIND DAGEGEN!“ F.A.Z.

„EINE GROSSE FANTASYSAGA À LA GAME OF THRONES.“ ENTERTAINMENT WEEKLY

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COLLECTOR’S EDITION Hochwertig verpackt im Digipak mit Schuber und 24-seitigem Booklet inklusive Eposidenguide, 6 Postkarten und über zwei Stunden Bonusmaterial!

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Foto: Peter Otto

#Style

#Style

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#Style #Bademode #Köllefornia

Sonnenbrille: Cheap Monday, Shirt & Schmuck: Model’s own


#Köllefornia #Bademode #Style

LIFE’S A BEACH Wir waren mit dem top trainierten Big Ballermike und der superhotten Maliburocky an der rheinischen Riviera. Mike lebt das »La Kölsche Vita« und hat mit Musikpartner Gianni La Bamba Hymnen wie »Drup wie Jupp« kreiert oder den Hall&Oates-Hit »Out Of Touch« als »Wat sull dä Quatsch« neu interpretiert. Das funktioniert auch für Nicht-Kölner. Ein Interview mit ihm findet ihr auf intro.de! Fotos: Patrick Essex & Frederike Wetzels, Foto-Assistenz: Natasha aufm Kamp, Styling: Frederike Ebert, Models: Big Ballermike, Maliburocky

Mike Shirt, Sonnenbrille & Bandana: Model’s own, Badehose: Anzoni, Badeschlappen: Brudilette Maliburocky Cap: Dad’s Cap, Badeanzug: Asos, Schuhe: Lika Mimika, Sonnenbrille: Model’s own

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#Style #Bademode #Kรถllefornia


#Style #Bademode #Köllefornia

Hemd & Schmuck: Model’s own, Badeanzug: Vero Moda

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#Style #Bademode #KÜllefornia Mike Hemd & Schuhe: Model’s own, Badeshorts: Anzoni Maliburocky Jacke: Powerpaint80s, Shorts: Vero Moda, Sandalen: Reef


a perfect fit for every Body

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Cheap Monday

100% ORGANIC COTTON DENIM Sustainability made in Sweden: Seit letztem Jahr erhöht Cheap Monday kontinuierlich den Anteil an recycelten Materialien seiner Kollektionen. Für die Herbst- und Winterkollektion dieses Jahres setzt die Stockholmer Marke bei Denim sogar zu 100 Prozent auf Baumwolle aus nachhaltigem Anbau.

Cheap Monday steht für Mode irgendwo zwischen düster-rebellisch, extravagant und minimalistisch. Vor allem für ihre perfekt sitzenden Jeans ist die Modemarke bekannt. Da Baumwolle für den Herstellungsprozess von Jeans die zentralste Rolle spielt, erhöht die nachhaltig denkende Denim-Brand den Anteil an organischer und recycelter Baumwolle mit jeder Saison. Ab der kommenden Kollektion stellt Cheap Monday alle Jeans komplett aus Organic Cotton her. Für andere Apparel-Teile erhöht das Label nach und nach den Anteil an nachhaltigen Materialen wie recyceltem Polyester, Organic Cotton und Tencel. Außerdem kann in den Stores des Labels jeder seine alte, aussortierte Kleidung und sogar Heimtextilien abgeben und somit aktiv zum Recycling-Prozess beitragen.

Arket by H&M

ZEITLOS GUT Die H&M-Gruppe ruft diesen Herbst ein neues Projekt ins Leben: Arket, einen »modernen Marktplatz«. Hier wird es relevante, zeitlose Mode geben, die nicht von kurzlebigen Trends abhängig ist.

Labels angeboten werden, die ins Konzept passen. So weit, so bekannt. Was ganz neu ist: In den Filialen werden die Kunden außerdem in atmosphärischen Cafés die kulinarischen Kreationen der nordischen Küche genießen »Arket« bedeutet auf Schwedisch »Blatt können. Wir sind gespannt, was das GeschwisPapier« – auf diesem will H&M ein neues Ka- terchen von Cos, Monki und & Other Stories pitel seiner Geschichte schreiben. Ende August zu bieten hat. öffnet der erste Store in London seine Tore. Gleichzeitig wird der Online-Shop gelauncht, der 18 europäische Länder mit Basics und Lieblingsstücken versorgen soll. Männer, Frauen und Kinder dürfen sich auf qualitätsfokussierte Kleidung mit funktionellem Design freuen. Auch Home-Artikel kommen ins Sortiment. Neben zeitlosen Klassikern aus eigenem Hause sollen auch ausgewählte Teile von anderen

Havaianas

BRASILIERINAS Ein Sommer ohne Havaianas ist nicht nur für Brasilianer schwer vorstellbar, auch hierzulande erfreuen sich die Zehentrenner aus Kunststoff schon seit Jahrzehnten größter Beliebtheit. Doch die Marke hat noch viel mehr für die heiße Jahreszeit in petto: neben brandneuen Espandrilles im Ballerina-Look gibt es jetzt auch Strandtaschen und Luftmatratzen. Die Spring/Summer-Kollektion 2017 bietet eine gewohnt bunte Vielfalt der brasilianischen Schläppchen: Neben schlichten Unisex-Modellen mit klassisch weißer, roter und grüner Sohle gibt es Sohlen mit Emojis, Minions oder abstrakten Malereien. Sommerliche Motive, Comic-Prints, Streifen und Anker zieren einige Sohlen der zahlreichen Männermodelle. Die Espandrilles kommen in verschiedenen Ausführungen und wurden außerdem mit einer Gummisohle bestückt, was sie zeitgemäßer, praktischer und langlebiger macht. Auch für Frauen gibt es den klassischen Leinenschuh in vielen Farben, und für diesen Sommer sogar mit elegantem Knöchelband und schlankem Schnitt. Zusätzlich gibt es für den Strand wasserdichte Gummi-Bags, in denen wichtige Utensilien sandsicher verpackt werden können. Eine Luftmatratze in Flip-Flop-Optik sorgt für die perfekte Versorgung im Wasser.



PRESENTED BY

DIE ANTWOORD ▃ BONOBO LIVE ◊ M.I.A. ▀ PHOENIX ▂ THE KILLS ◊ BILDERBUCH ≈ FATBOY SLIM* ▁ RICHIE HAWTIN CLOSE ▄ MODESELEKTOR DJ ▥ DIXON ▁ TALE OF US ◊ SAMPHA ▃ SOHN ▀ MØ ▥ WARPAINT ▃ GLASS ANIMALS ◊ SOULWAX ▂ CLAPTONE ▃ KÖLSCH DJ ≈ KATE TEMPEST ▁ KAMASI WASHINGTON ◊ MARCEL DETTMANN ▥ ADAM BEYER ▂ RECONDITE LIVE ▌▌ ÂME B2B RØDHÅD ▂ MACEO PLEX ▃ HERCULES & LOVE AFFAIR ▃ JON HOPKINS DJ ◊ ELLEN ALLIEN ▥ HVOB & WINSTON MARSHALL AGENTS OF TIME ▃ AGORIA ▁ ANDREA OLIVA ▀ ANDY BUTLER DJ ▀ AURORA HALAL LIVE ▥ B.TRAITS* ▃ BASSDEE ▂ BARKER & BAUMECKER ◊ BEN FROST LIVE ▃ BICEP LIVE ▁ BJARKI LIVE ▀ CINTHIE ≈ CATZ ’N DOGZ ▂ COURTESY ▁ DAN BEAUMONT ≈ DANIEL AVERY ▥ DARK SKY ▀ DAVE ▌▌ DAVIS ▄ DEKMANTEL SOUNDSYSTEM ◊ DEMIAN ▀ DENIS HORVAT ≈ DENIS SULTA ◊ DENGUE DENGUE DENGUE! ▀ DJ DEEP ▃ DOLAN BERGIN ▁ ED ED* ▂ EGYPTIAN LOVER ◊ ELISABETH ▥ FJAAK LIVE ▁ FRANCOIS X ▀ GAJEK ◊ GUSGUS ≈ HAIYTI ▌▌ HONNE ▁ JENNIFER CARDINI ▁ JIMI JULES ▃ JOB JOBSE ▁ JOHN OSBORN B2B PABLO MATEO ◊ JONAS RATHSMAN* ▀ JP ENFANT ≈ JULIA GOVOR ▥ KIDDY SMILE LIVE ▂ KONSTANTIN ▁ KONSTANTIN SIBOLD ▃ LAKUTI ▌▌ LIL SILVA ▁ LORENZO SENNI LIVE ▥ MAGGIE ROGERS ▂ MALL GRAB ◊ MARIE DAVIDSON LIVE ▃ MASSIMILIANO PAGLIARA ◊ MAVI PHOENIX ▥ MICHAEL MAYER ▁ MK ≈ MONOLOC ▥ MUTINY ON THE BOUNTY ▂ NAO ▁ NOGA EREZ LIVE ▀ RADIO SLAVE ≈ RAMPUE LIVE ◊ RED AXES ▥ RED RACK’EM ◊ RROXYMORE ▁ SISYPHOS ▥ SKATEBÅRD ▃ SONJA MOONEAR ▂ SOULECTION SHOWCASE ▀ SYLVAN ESSO ◊ TEREZA ▄ THE LEMON TWIGS ▀ TIJANA T ▃ TINI ▁ TOM MISCH LIVE ▥ TONY HUMPHRIES ▂ TRIKK ▥ VOLVOX ▃ VON WEGEN LISBETH ▄▌ WHOMADEWHO DJ ◊ ZEBRA KATZ LIVE ▁ ZOPELAR LIVE ▀ * PRE-PARTY WITH FATBOY SLIM & MORE ON 13 JULY

14—16 JULY 2017 FERROPOLIS GERMANY #melt2017

#20yearsofmelt

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#Review

# Review Spalter

Unsere liebsten Platten

Lorde Melodrama

01 Waxahatchee Out In The Storm

Universal

Lorde verabschiedet sich vom Electro-Minimalismus und versucht sich an allem, was der Werkzeugkasten des Eklektizismus hergibt. Aber ist das Comeback einer der aufregendsten Stimmen des Pop nur mutig oder auch gelungen? Noch mehr battle unter: www.intro.de/spezial/spalter

02 Faber Sei ein Faber im Wind 03 Lea Porcelain Hymns To The Night 04 Broken Social Scene Hug Of Thunder 05 Max Richard Leßmann Liebe in Zeiten der Follower 06 Portugal.The Man Woodstock

So minimalistisch, wie der Opener »Green Light« einsteigt, klingt es, als mache Lorde genau da weiter, wo sie 2013 mit ihrem Debüt aufgehört hat. Aber zu der Zeile »...brand new sounds in my mind« explodiert der Song in euphorisch-überdrehten Pop – allein in dieser Nummer passiert mehr als auf der gesamten »Pure Heroine«. Damit wäre auch klargestellt, dass Lorde keine Lust auf Wiederholungen hat und ihren Stil neu definiert: weg vom grazilen Electro-Pop im leicht sedierten The-xx-Style, hin zu üppigeren Arrangements und mehr Pop. Auf ihrem Debütalbum kommentierte die damals 16-Jährige ihre Generation zynisch-distanziert wie eine etwas glamourösere Version von Daria Morgendorffer. Durch »Melodrama« ziehen sich nun das Thema einer zerbrochenen Beziehung und die Erkenntnis, dass keine noch so exzessive Party den Liebeskummer wirklich übertönen kann. Songs wie »Sober« fangen dieses Gefühl Angesichts des Textes von Kollege Bruns gewinnt perfekt ein und denken im Moment man den Eindruck, dass von nun an kein Weg des Rausches schon das leere Gefühl mehr an Lorde vorbeiführt. In Wahrheit kann am Tag danach mit. »Supercut« man aber auch in Zukunft ganz gut ohne sie kondensiert das ganze Thema auf auskommen. Es ist richtig, dass »Melodrama« der Album einen einzigen Gänsehaut-Moment, gewordene Befreiungsschlag ist, den die Popwelt erwartet wenn der Beat plötzlich schweigt hat – künstlerisch wie persönlich. Nach den Eindrücken und und Lordes Stimme völlig allein und Erfahrungen der letzten Jahre, ganz offenbar auch einem Postzerbrechlich klingt, um dann zu volBreak-up-Blues, versucht die Neuseeländerin nun tatsächlich ler Stärke zurückzufinden. Niemand alles, was im Pop en vogue und Erfolg versprechend ist. Und sonst erzählt heute so eindrücklich natürlich ist Lorde auch Talent genug, um diesen Songs davon, was es heißt, jung zu sein. ihren Stempel aufzudrücken. Nur als Album funktioniert »Melodrama« ist schon jetzt ein »Melodrama« musikalisch kaum. Auch wenn Eklektizismus Garant für viele Top-10-Jahreslisten und Mut heutzutage von einer breiteren Öffentlichkeit mehr und zementiert die Vorahnung, dass denn je bejubelt werden (siehe Bon Iver, Kanye West), sind die Lorde noch lange prägend für die meisten der Songs in sich zu dünn und stromlinienförmig, als Popwelt sein wird. dass die große Varianz als Ganzes beeindrucken könnte. Man Dominik Bruns höre nur die drei vorab erschienenen Singles »Green Light«, »Liability« und »Perfect Places« in Reihe und versuche sie miteinander in Verbindung zu bringen. Hinzu kommt, dass gerade die Stücke gegen Ende des Albums immer schlichter werden (»Supercut«, »Perfect Places«). Respekt ist also angesichts von so viel Forscherdrang angebracht, mit dem Jubel muss man aber noch bis zu Lordes nächstem Album warten. Da kann »Green Light« noch so ein großartiger Hit sein. Christian Steinbrink

07 Algiers The Underside Of Power 08 Royal Blood How Did We Get So Dark? 09 Beth Ditto Fake Sugar 10 Phoenix Ti Amo

Eure liebsten Platten 01 Kraftklub Keine Nacht für Niemand 02 Rise Against Wolves 03 Marteria Roswell 04 London Grammar Truth Is A Beautiful Thing 05 Feist Pleasure 06 alt-J Relaxer 07 Kendrick Lamar Damn. 08 Dua Lipa Dua Lipa 09 Cigarettes After Sex Cigarettes After Sex 10 Linkin Park One More Light

Schickt eure Top 10 an charts@intro.de. Alle Einsender nehmen an unseren Ver­losungen teil!

91


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#Review #Platten vor Gericht

Platten vor Gericht Intro-Leserinnen und -Leser: Mittippen und via intro.de Juror werden!

1

Noga Erez Off The Radar City Slang / Universal

2

Cigarettes After Sex Cigarettes After Sex Partisan / PIAS / Rough Trade

3

Alt-J Relaxer Infectious / PIAS / Rough Trade

4

Ride Weather Diaries Wichita / PIAS / Rough Trade

5

Käptn Peng & Die Tentakel Von Delphi Das Nullte Kapitel

Ellen Allien

Eric Pfeil

DJ Supermarkt Olli Banjo Marcus Liesenfeld

Ø 4,80

Ø 10,00

Ø 4, 20

Ø 6,90

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Moderat Moderat

Nikki Sudden alles

Prefab Sprout Steve McQueen

Björk Post

Dillon This Silence Kills

Silver Jews alles

Phoenix United

Snoop Dogg Doggystyle

Jeff Mills Waveform Transmission

Wolfgang Ambros alles bis ca. 1983

Fleetwood Mac Rumours

Korn Life Is Peachy

Schwung und Energy! Motiviert mich, die Band mal live zu sehen. Ich mag die Bearbeitung der Vocals und die Beat-Strukturen.

Tolles Album. Melancholisch, aber echt schön. Hätte hinter der Stimme keinen Mann erwartet. Werde ich mir im Dezember in Berlin live ansehen. Sehr abwechslungsreiche, abgefahrene Arrangements. Ab und zu vielleicht schon etwas over the top und mir zu kathedralisch. Aber gutes Album insgesamt. Yeah! Ein Album, das ich hoch und runter hören werde. Die Gitarren gehen unter die Haut. Das ist das perfekte Sommeralbum.

Oh nee, das ist nicht mein Geschmack. Sicher ist der eine oder andere lustige Text dabei, aber anhören kann ich mir so was nicht.

Erst dachte ich: »Cool, da liegen Blues-Samples drunter.« Dann hab ich gesehen, dass ich aus Versehen noch meine RobertJohnson-Playlist anhatte. Bandnamen wachsen unter Badezimmerkacheln. Ich mag einen Song lang den unterdurchbluteten Gesang. Muss sofort was von Dean Wareham hören. Fairport Convention beim Zahnarzt. Wahrscheinlich gut.

Ich bin in meiner musikalischen Entwicklung gerne kurz vor Britpop stehen geblieben.

Der Chef der Band, Robert Gwisdek, hat mich angeblich mal in einem deutschen Film gespielt. Bin daher befangen.

Die Welt braucht mehr Musik, die klingt wie niemand sonst! Crazy Shit. Danke.

Britische Trübsal wabert im Brooklyner Nebel. Oder andersrum. Das REOSpeedwagon-Cover hilft auch nicht.

Leider schon immer zu intelligent für mich, aber dennoch eine große und total eigenständige Band.

War mal eine meiner Lieblingsbands. So ein Comeback ist aber auch ‘ne schwierige Sache.

Entspannt unverkrampfter und vor allem nicht doofer HipHop aus D-Land. Was fällt denen denn ein?

Kreismusik / Soulfood

6

Lea Porcelain Hymns To The Night Lea Porcelain / Kobalt / Rough Trade

7

Pixx The Age Of Anxiety

Der Albumtitel trifft es für meinen Geschmack ganz gut. Bloß zu viel. Überproduziert.

Tolles Album. Es hat Seele und Kraft. Aber die Stimme ist für mein Gehör zu glatt.

Das ist vermutlich Wave.

Würde ich nicht ausschalten, wenn es im Autoradio liefe.

4AD / Beggars / Indigo

7

Marteria Roswell Four / Sony

9

Lola Marsh Remember Roses Barclay / Universal

10

Linkin Park One More Light

Die Stimme transportiert für mich keine Emotion, die Beats knallen nicht, und es klingt zusammengebastelt.

Die Songs sind zum Mitsingen und haben Seele. Es sind gute Songs. Die musikalische Umsetzung ist sehr brav, glatt und spricht mich nicht an.

2

Das ist überhaupt nicht mein Fall.

Angler-Rap.

Wenn Sie mal wieder ein tolles Buch lesen wollen, empfehle ich »Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge« von Rainer Maria Rilke. Ich mochte Linkin Park immer schon für ihren Humor.

Shoegaze ohne einen Hauch von Eigenständigkeit. Fass ohne Boden 2017.

Konnte schon in den 1980ern die Stimmen bei 4AD nicht ertragen. Leider auch die hier.

Auf dem Olymp ist es einsam, und die Action ist leider immer weiter unten. Kannste besser.

Bunter Folk-Pop für den »Eurovision Song Contest« 2018.

Klingt wie ‘ne Karikatur dieser amerikanischen Band Linkin Park.

Warner

All Time Faves

Wow! Abgefahren. Bisschen chaotisch, aber saugeil. »Pity« klingt nach Kinderzimmer, aber im positiven Sinne. Interessantes Album. Nichts zum Nebenbeihören. Die Stimme klingt nach Nick Cave. Alle spielen vor meinem inneren Auge ihre Instrumente mit Federhall und schwingen dabei ihre langen, dünnen Haare im Fahrtwind. Indie-Soul-Pop-Gerät. Das ist schmuddelig, geschmackssicher und für Gitarrenmusik echt tanzbar. Der Sänger lullt ins Mic, so, wie’s sein muss. Geiler Sound. Klingt britisch. Geradlinig, bodenständig und trotzdem zum Wegfliegen. Super Album, würde ich mir privat kaufen.

Hat mir letzte Woche ein Kumpel gezeigt, und ich hab’s mir prompt in ‘ner Radiosendung gewünscht. Super Texte. Abgefahrene Noten. Voll mein Geschmack. Obergeil! Ich mag die düsteren Flächen. Die haben als Kids bestimmt Depeche Mode gefeiert. Weiß nicht, was der Sänger singt, aber ich hab das auch schon gefühlt. Was ‘ne Stimme! Warum muss ich an Annie Lennox denken? Sehr schöne Platte mit zauberhafter Stimmung. Man fühlt sich in einen Zauberwald entführt. Lovely! Kenn’ ich natürlich! Bei den Texten geht’s in die Tiefe. Geil, so viel Freiheit und Kreativität bei deutschem HipHop rauszuhören. Obergeile Platte. Übergeil, da will ich tanzen! Gute Popmusik, die ich mir gerne morgens auf dem Weg ins Studio anhöre. Zwar nicht ganz mein Film, aber super gemacht! Ich als alter Korn-Fan hab’ Linkin Park, Limp Bizkit und Co. immer schon gehatet. War für mich immer ein Abklatsch des Originals. Fühle mich hochgradig verschallert.


#Review #Platten vor Gericht

Hans Maria Richter

Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen

Schlachthofbronx

Elif

Ø 6,18

Ø 7,30

Ø 4,50

Ø 6,60

8,9

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8,9

9

4,9

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Uwe Dzwonek

Henrike Schröder

Leser

Intro

Ø 5, 20

Ø 4,10

Ø

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5

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2

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Nicht meine Tasse Tee. Aber schon sehr gut.

5

8

Popmusik, aber irgendwie anders. Prima!

5

Ziemlich gut für HipHop. Sehr musikalisch, mutig und gute Texte. Kaufe ich mir.

Bin (leider) zu stumpf, zu alt und zu unmodern für so einen Sound. Um genau zu sein, bin ich für 90 % aller Musik zu stumpf, zu alt und zu unmodern.

Nettes Popalbum, klingt aber ein bisschen zu schwedisch produziert, sprich: zu clean.

Diese Platte hört sich für mich nach Grenzenlosigkeit an. Sie hat Struktur und trägt dennoch Wahnsinn in sich. Sehr geil!

Politisch, provokant, exotisch. M.I.A. kommt in den Sinn.

Mama sagt: »Klingt wie ‘ne Kunstausstellung.« Papa meint: »Da kann man ja gar nicht zu tanzen.« Wird bei uns jetzt in Dauerschleife gehört. Perfekt über Kopfhörer im Zug durch Ostwestfalen.

7,09

3

Für wen »Lalalalalala« ein Refrain ist, der sollte keine Musik machen. Ja, ich meine euch, Bibi und alt-J!

6,99

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6,50

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Ganz nett, aber dann hören wir lieber CocoRosie.

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Einfach schrecklich.

3

0

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2,60

Neil Young Harvest

Jonathan Richman & The Modern Lovers Rockin’...

69 Boyz 199Quad

Panic At The Disco A Fever You Can’t Sweat Out

Curtis Mayfield Curtis

Bloc Party Silent Alarm

Aphex Twin ... I Care Because You Do

The Four Tops Greatest Hits

The Congos Heart Of The Congos

Michael Jackson Thriller

Prolapse Pointless Walk To Dysmal Places

Bright Eyes Digital Ash In A Digital Urn

The Cure The Head On The Door

Talulah Gosh Rock Legends Vol. 69

Ricardo Villalobos Alcachofa

London Grammar Strong

The Cure Disintegration

Kate Nash Made Of Bricks

Das ist ein schwer erträglicher Name — alt wird man damit nicht. Aber die Musik ist super! Als Mazzy-Star-Bewunderer muss ich da mitgehen. Eine sensible Variante von Kid Rock. Mir persönlich ist der musikalische Aufwand zu groß. Schöne Hintergrundmusik — bis der Kitsch beginnt. Drei Punkte dafür, dass Ride die einzige Band sind, von der ich ein T-Shirt habe. Drei für das Album. Die restlichen Punkte dafür, dass es sogar gut ist. Für deutschen HipHop bin ich kein guter Ansprechpartner. In mir klingen die ganze Zeit Fettes Brot und eine etwas bravere Variante von Eins Zwo. Man kann nicht sagen, sie würden ihr Konzept halbherzig durchziehen. Ansonsten klingt das für mich wie OMD mit Indie-Gebrutzel. Immerhin ein klarer Standpunkt.

Die Songs kommen nicht so recht bei mir an. Electro-Produktion mit female voice. Sehr sympathisch, aber auch einfach nicht meine Tasse Tee. Es hört sich für mich an, als wollten die Sänger künstlich dumm klingen. Wenigstens ist hier viel gute Gesinnung im Spiel, besser als Käptn Peng auf jeden Fall. Ist das Mainstream? Falls ja, dann ist es gar nicht mal so schlecht. So wie damals Gabrielle. »You’re Mine« ist sehr gut.

Nachdem man Lea Porcelain gehört hat, wird man hier sanft abgeholt. Dann aber wird klar warum: Profi-abgecheckte Autoradio-Mucke mit vielen Micky-Maus-Stimmen.

Der Name ist mir zu kernig, aber die Musik ist toll. Mischung aus »Lonesome Town« von Ricky Nelson und den ruhigen The-Jesus-AndMary-Chain-Songs. Aus Wikipedia: »Ob sich die Band als Delta, Difference oder alt-J (alt tschej) ausspricht, ist unbekannt.« So was Beklopptes. Und trotzdem erfolgreich. Ein bisschen zu amtlich für meinen Geschmack, aber gut.

Erinnert mich zum Teil an die bunte Platte von De La Soul. Cool. Die muss ich unbedingt mal wieder hören. Hammerplatte!

Ich bewundere Rapper immer dafür, dass die sich so viel Text merken können. Das müssen extrem intelligente Menschen sein.

Profi-Pop, über den sich ein Norddeutscher-Rundfunk-Redakteur bestimmt auch sehr freut.

Solche Musik läuft immer während der BundesligaÜbertragung auf NDR 2. Mit diesem Album werden sie dem Musikredakteur bestimmt eine Freude bereiten.

Entspannt. Leider gibt’s wenig Unterschiede zwischen den Songs. Das ganze Album ist eher eine Werbung für Ridebecken.

Überraschend und geil produziert. Super Dynamik mit interessanten Sounds und gutem Songwriting. Außerdem schön organisch gemacht. Tut niemandem weh. Macht jetzt aber auch nicht Riesenspaß. Etwas weniger wall of sound wär auch schön gewesen.

Bestimmt kann man mit denen Backstage supergut Bier trinken, aber so angefunkter Moinsen-Rap ist musikalisch einfach nix für uns.

Als Konzeptalbum mit dem Titel ganz gut, hätte aber ein bisschen kürzer oder zumindest abwechslungsreicher sein können.

Es gibt gut verstimmt und schlecht verstimmt. Hier trifft eher Letzteres zu. Recht eintönig.

Beats sind ganz nett, eher was für die Kids zum easy Konsumieren und Rumhängen.

Die beste Platte, um sich einen Rotwein aufzumachen, mit seinen Liebsten zu chillen und den Abend ausklingen zu lassen.

Ein Must-have für jeden Musikliebhaber, der wieder Bock auf Alternatives hat und dem Radio-Alltag entfliehen möchte.

Das ist ein Album, das ich auf jede Autofahrt mitnehmen würde. Am besten noch irgendwo an einem See anhalten, Bier auf und die Musik richtig aufdrehen. Diese Platte macht Spaß, ist humorvoll. Gute Texte. Gute Beats. Smart. Ich kannte es vorher nicht und bin jetzt Fan.

Als ich den Namen las, dachte ich an eine zarte Stimme. Doch im Gegenteil: Diese Platte ist elektronisch, männlich, Indie und so schön kaputt aufgenommen. Like. »The Age Of Anxiety« ist gut gemacht, aber aktuell nicht mein Ding. Ich hab’s ein Mal gehört, reicht dann aber auch.

Ich habe das Gefühl, dass Marteria mit diesem Werk für mehr Frieden auf der Welt sorgen möchte. Bei mir kam das an. Sehr geile Messages. Hörenswert! Ich mag tiefe weibliche Stimmen, die man auch auf dieser Platte hört. Es erinnert mich an Lana Del Rey, bloß dass hier nicht alles so extrem dramatisch ist. Ich muss ehrlich sagen, dass mir die Platte nicht so gut gefällt. Ich habe das Gefühl, dass alles, was Linkin Park mal ausgemacht hat, verschwunden ist.

Tanzt eng umschlungen bei Kerzenschein, lasst die Hüllen fallen, langsam ... und danach ... na ja, ihr wisst schon. Zeitlupenmusik mit schön androgyner Stimme. Facettenreich! Die Scheibe darf mehrfach gehört werden. Vorzüglich, dass die Stadionfeuerzeuge in den Taschen bleiben werden.

Vom Liegestuhl aus ziehen weiße Sommerwölkchen vorüber. Auch ohne das Gitarrengewitter vergangener Tage ein schönes Popalbum.

Fantasievolle Texte, verspielte Musik. Würde als Film bei arte im Jugendprogramm laufen.

Gemalt mit dunklen Klangfarben. Es rinnen jedoch keine dicken, schwarzen Farbtränen die Leinwand hinunter. Das Kolorit strahlt wohlige Wärme aus. Sie lässt ihren Träumen, auch Albträumen, zu Synthie-Dream-Pop freien Lauf. Ein paar Tracks funktionieren sicher gut im Radio und auf dem Dancefloor. Postpubertäre Poetry, belanglose Klänge. Entma(r)terialisierung!

Hier treffen sich Lana Del Rey und ein paar weitere Protagonisten der Popmusik zum sommerlichen Frühstück. Leicht verdaulich, nicht sonderlich originell. Ein Versuch, Scheiße in Gold zu verwandeln? Lange nicht so schlimm auf die Ohren bekommen! Da höre ich lieber meinem Nachbarn beim Rasenmähen zu.

Hat da jemand was von Auflösen gesagt? Klingt sinnvoll.

Da wippt sogar meine Mutter kurz skeptisch mit — »klingt wie Neue Deutsche Welle« —, bevor sie die Rosen gießen geht.

Mir fällt keine Situation ein, in der ich das hören würde. »Vielleicht als Filmmusik für was, das grad den Bach runtergeht«, schlägt meine Mama vor. Schwierig. Für ein Urteil würde ich das zweite Album noch abwarten.

Auf Platte würde ich es nicht durchhören, aber live bin ich dabei! Immer.

»Lana Del Rey ist das aber nicht, oder?« — »Nee, Lola Marsh.« — »Ach, Lola, Lana ... Aber Lana Del Rey mag ich.«

»Schon die Erwähnung von Punkten ist hier zu viel!« — meine Mama, entsetzt.


94

#Review Melodie in den Kopf und explodiert lautlos. Hört euch diesen Headtrip an, bevor es zu spät ist. »Through solidarity, your pain is my pain.« Christian Steigels

Spektakel der Ausgabe

Broken Social Scene Hug Of Thunder City Slang / Universal / VÖ 07.07.17

Das kanadische Allstar-Kollektiv um Kevin Drew und Brendan Canning erschüttert die Konkurrenz. Das ist nicht einfach Rockmusik, das ist eine Offenbarung!

Es gibt nicht viele Alben, die sich so vehement gegen triviale Genrezuschreibungen sträuben wie »Hug Of Thunder«. Als Rezensent tut man in solchen Fällen gut daran, auf hochtrabendes Schwadronieren zu verzichten und einfach eine uneingeschränkte Empfehlung auszusprechen. Done. Früher, die älteren Leser dürften sich noch erinnern, hieß so was dann Pflichtkauf. Heutzutage zumindest Pflichtstream. Auf welchen Kanälen auch immer – das fünfte Broken-Social-Scene-Album muss ins Ohr, denn der erste Teil der Platte ist quasi eine Neudefinition zeitgemäßer Rockmusik und schreddert lässig altbackene Standards. Beatle’eske Pop-Fanfaren, Tribal-Drums und rhythmusorientierte Gitarrenarbeit von Prog bis Akustik bilden das Fundament für schichtgelagerte Melodiebögen. Darüber legen sich immer wieder wetteifernde Gesangseinlagen der unzähligen beteiligten Akteure. Die zweite Hälfte des Albums speist sich größtenteils aus sphärisch wabernden, semi-elektronischen Parts, die kompositorisch das Level der ersten locker halten können. Es bleibt rätselhaft, warum die Band nicht längst einen ähnlich überhöhten Ikonenstatus wie Arcade Fire genießt. Der anteilige Input namhafter Mitstreiter wie zum Beispiel Leslie Feist, Emily Haines von Metric oder Stars-Mitglied Amy Millan lässt das Album Stück für Stück größer werden als die sowieso schon beträchtliche Summe seiner einzelnen Teile. »Hug Of Thunder« ist epochal. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Thorsten Streck

Algiers The Underside Of Power Matador / Beggars / Indigo

Besser wird’s in diesem Jahr nicht mehr: Fäuste hoch für den unvergleichlichen Noise-Soul-Postpunk von Algiers! »Through solidarity, your pain is my pain«, sagt Franklin James Fischer. Solidarität – in den USA unter Donald Trump kein hohes Gut, siehe Krankenversicherung und Klimaschutz – ist ein zentrales Thema der zweiten Platte der ursprünglich aus Atlanta, Georgia stammenden Band. Der politische Kampf ist

elementar für Fischer und Co., es geht um Rassismus, Polizeigewalt, Neoliberalismus, Machtmissbrauch. Die mittlerweile zum Quartett angewachsene Band ist nicht nur verkopft, auch musikalisch gehören Algiers zum Aufregendsten, was in diesem Jahr auf Vinyl gepresst werden wird. Noise-Rock trifft auf R’n’B, Postpunk zerstört Northern Soul, Industrial vögelt Gospel – man kann es kaum definieren, aber man möchte dazu mit Genossinnen die Innenstadt reclaimen oder eine ganze Nacht lang mit einem alten Kadett durch die Industriehölle einer x-beliebigen Großstadt rauschen, stets die Faust solidarisch in die Höhe gereckt. Der sogleich umwerfende Opener »Walk Like A Panther«, der natürlich die Black-PantherBewegung referenziert, dazu der Titeltrack, der das Schlingern zwischen Sixties-Soul und fast schon an Throbbing Gristle erinnerndem Lärm exemplarisch einfängt. Und inmitten dieses Höllenritts kommt dann auf einmal »Mme Rieux«, pflanzt eine traurig-schöne

Amplifier Trippin’ With Dr Faustus Rockosmos / Al!ve

Früher ein Tsunami aus Wucht und Woge, heute fein ausgearbeitete Kunstrock-Tradition: Amplifier befinden sich im Wandel. An die früheren Alben des Quartetts aus Manchester erinnert man sich vor allem wegen ihrer Wucht. Eine unerbittliche, mitreißende wall of sound. Breit aufgebauter, komplex arrangierter Rock an der Grenze zum Noise, wo dieser nicht karg scheppert, sondern sich ausproduziert sogar in Boxen von Bang & Olufsen gut machen würde. »The Octopus« von 2011 klang tatsächlich wie der Meeresgigant, der seine gigantischen Arme auf die Planken der verfluchten Karibik drischt. Kein Wunder, dass »Silvio« als Schlüsselstück dieses Albums damals erst einmal zur Seite gelegt wurde. Das Konzept erzählt die Geschichte von Fausts Pakt mit dem Teufel anhand des mephistophelischen Silvio Berlusconi neu, nun also auf ganzer Albumlänge. Somit sind Amplifier heute: Prog. Artrock. Verspielt, verschnörkelt und auf seltsame Weise traditionell. Die Rhythmusgruppe huldigt ständig den klassischen Alben von Tool. Gesang, Gitarrenfarbtöne und Aufbau werfen ihre Leinen in die 1970er aus, als Yes das Genre maßgeblich prägten, Marillion noch kompliziert waren und Peter Gabriel mit Fuchsmaske auftrat. Je nach Vorliebe ist das zu viel des Guten oder ein echter Grower. Oliver Uschmann

die Disco. »Man Of The World« ist durchweg gelungen, auch wenn dem Album die Hits fehlen, um in der Breite durchzustechen. Aber dafür gibt es schließlich Vampire Weekend. So macht Baio zwar teilweise die bessere Musik, sie verbleibt aber eher Eingeweihten. Christian Steinbrink

Olli Banjo Großstadtdschungel Bassukah / Delta / VÖ 14.07.17

»Großstadtdschungel« ist ein mächtig pumpendes, wortgewandtes Kaleidoskop des Zeitgeistes. Mal den Nerv treffend, mal weit über das Ziel hinausschießend. Die besten Momente hat Olli Banjos neues Album, wenn es privat wird. Nicht als Selbstoffenbarung, sondern beim Blick in die Kampfzonen des Beziehungsdschungels. »Arschloch dumme Sau« bietet einen fulminanten Schlagabtausch zwischen zweien, die sich das Leben zur Hölle machen und dabei nicht gegen die Schwerkraft ihrer Liebe ankommen. »Bruce Willis« ist eine höchst amüsante Lebensberatung für junge Männer, die zu wenig vom Macho-Gen mitbekommen haben und einen Grundkurs im männlichen Minimum brauchen. Was für ein Kontrast zum Standardchauvinismus des Gangsta-Rap, der das Kind immer gleich mit der Badewannenfabrik ausschüttet. Banjos Flow bleibt erstklassig, ebenso seine Beats. Die Assonanzen surfen über die wuchtigen Wogen der Rhythmen wie Hawaiis bester Mann auf dem Bord. Die politischen Einlassungen hingegen sind unfair: Banjo zeichnet mit gröbsten Strichen das uralte Bild des hässlichen Deutschen, verkneift sich aber jede Kritik an nichtdeutschen Faschisten, wie PA Sports sie kürzlich in einem Interview mit »TV Straßensound« so genial vorgetragen hat. Und als Lösung Brandsätze in den Magdeburger Landrat werfen zu wollen rollt jedem zivilisierten Demokraten die Fußnägel auf. Oliver Uschmann

Baio Man Of The World Glassnote / Caroline / Universal

Christopher Baio nutzt die Auszeit Vampire Weekends für ein zweites Soloalbum, mit dem er eindrucksvoll und tanzend die Weltpolitik kommentiert. »Learning to live with a decision, when it’s not the one I would’ve made« sind die Zeilen, mit denen Christopher Baio im Opener »Vin Mariani« seines zweiten Soloalbums die hilflose Stimmung der Post-Trump-USA in Worte fasst. Der Song beschreibt den Rückzug ins Private, in die Beziehung, die im Moment der Ernüchterung als einzige Trost spenden kann: die Liebe. Auch abseits von diesem Song konnte der Vampire-Weekend-Bassist die fatalen machtpolitischen Entwicklungen in der westlichen Welt nicht unkommentiert lassen, und er hat für die Menschen seines Alters und Geistes die richtigen Worte gefunden. Überhaupt sind die zehn neuen Songs von einer ähnlichen Smartness gekennzeichnet, die auch Vampire Weekend ausmacht: Baio entwickelte einen eklektischen, reichhaltigen und gleichzeitig schlanken Stil, der alle Türen offen lässt und zu dem sich dennoch Frust wegtanzen lässt. Teilweise besitzt das ähnlich verschachtelte Afrobeat-Rhythmen wie seine Hauptband, teilweise fischt das in Synthieund Electro-Pop oder weist gleich direkt in

Boris Dear Sargent House / VÖ 14.07.17

One does not simply listen to Boris! Die Japaner mögen zugänglicher geworden sein, auf ihrem neuen Album »Dear« geizen sie aber weiterhin mit Schlupflöchern. Boris zu hören war schon immer in erster Linie ein Kraftakt. Daran hat sich auch ein Vierteljahrhundert nach Bandgründung kaum etwas geändert: Wer nicht die nötige Erleuchtungsstufe mitbringt, den wird das Trio an den zehn neuen Findlingen auf »Dear« schlicht zerschellen lassen. Diese Sperrigkeit ist jedoch nicht Breite, Tempo oder Verzerrungsgrad geschuldet, sondern liegt in der stilistischen Streuung der derben Antihymnen begründet. Boris können nämlich alles: Von J-Pop über Classic- und Stoner-Rock bis hin zu Noise und Drone wird gespielt, was gefällt. Dabei amalgamieren sie nicht, sondern teilen ihre Alben vorwiegend in Parzellen auf, die jeder Song selbstständig zu beackern hat. Für das ursprünglich als Abschiedsalbum geplante »Dear« musste dieses dramaturgiefeindliche Prinzip natürlich ganz besonders


#Review gelten. Allerdings bedeutet nicht jedes neue Stück auch eine neue Chance – dafür hat hier das Dunkel die Zügel viel zu fest in der Hand. Das Warten auf »Dear« ähnelt so dem Warten auf das grummelnde Sommergewitter, und der Opening-Track der Mammutplatte fasst die Umstände in einem Akronym zusammen: »D.O.W.N.« steht für »Domination Of Waiting Noise«. Ein Menetekel, das Boris auf die Spitze treiben, bis sie dem knorrigen Koloss in »Distopia Vanishing Point« schließlich auf den Schwanz treten und ihn regelrecht aufjaulen lassen. Ein Hinweis auf ein Leben jenseits des Krachs? Schon möglich, dass er sich auf diese Weise zu erkennen gibt: der Anreiz, weiter im Geröll zu wühlen, bis sich der Boden auftut. Oder der Himmel? Es ist noch nichts entschieden. Valentin Erning

Ben Lukas Boysen & Sebastian Plano Everything Erased Tapes / Indigo / VÖ 28.07.17

Vom Kleinsten ins Ganze: Ben Lukas Boysen und Sebastian Plano illustrieren eine bewusstseinserweiternde Reise, die für das Schöne dieser Welt sensibel macht. Das Videospiel »Everything« von David O’Reilly ist ein kontemplativer Trip in die kleinsten Teile des Universums. Man wählt darin selbst, als welches Partikel man interaktiv seine Umgebung erforscht: Man startet als

Stern in einer entfernten Galaxie, als Teil einer Pflanze oder als winzige Mikrobe, interagiert mit seiner Umwelt, öffnet das Auge für die Schönheit des so häufig Unsichtbaren. Der Elektronik-Künstler Ben Lukas Boysen und der argentinische Cellist Sebastian Plano wirken mit ihren meditativ-cineastischen Klanglandschaften wie dafür geschaffen, dieses traumwandlerische Spielerlebnis adäquat zu illustrieren. Ihr Soundtrack, der auch losgelöst von der virtuellen Reise ganz ausgezeichnet funktioniert, öffnet mit schwerelosen Soundtexturen und zärtlichen Streicher-Arrangements die Tür nach innen, wäre im Kino mit Sicherheit in den visionären Filmexperimenten eines Terrence Malick oder eines Darren Aronofsky zu finden und lässt uns in betörender Weise nach und nach in ein transzendentales Befinden gleiten. Eine wahrhaft kosmische, aufs Faszinierendste suggestive Hörerfahrung. Kristof Beuthner

League, Gang Of Four – die Liste ließe sich quasi endlos fortführen. »Wir hatten eine Million verrückter Ideen im Kopf«, erklärt Sänger Dary Palumbo über den Entstehungsprozess von »Living Arrangements«. Der Sänger der Post-Hardcore-Helden Glassjaw, dessen Stil sich im Laufe der Jahre immer mehr Richtung Tanzbarkeit entwickelte, zeichnet gemeinsam mit Richard Penzone für Color Film verantwortlich. Zusammengetan haben sich die beiden bereits vor fünf Jahren, bis zum Debüt hat es dann aber ein Weilchen gedauert. Die akribische Arbeit hat sich indes gelohnt. Der Auftakt »We’d Kill Each Other« beginnt als New-Wave-Disco auf Speed, um dann in ein Suicide-Pact-Mantra zu münden, und das alles in schlanken eineinhalb Minuten. »Bass In Seven« mit seinen Rhythmuswechseln ist ein Gruß in die Glassjaw-Vergangenheit, »Restless Summer« startet mit einer Gitarre direkt aus Richard Linklaters »Dazed And Confused« und wird dann zum Tanz-Hit im Schafspelz. Die Hookline »A restless summer in L.A.« könnte den Sommer überdauern. Vielleicht sogar den nächsten. Christian Steigels

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Dass wir uns nicht missverstehen: Es geht hier um Hardcore. Im Oldschool-Sinn von D.R.I., nur eben zeitweise wahnwitzig schnell. Dave Lombardo (Ex-Slayer, Fantômas) hatte das Bedürfnis, sich aufgrund des BataclanMassakers den Frust von der Seele zu dreschen, und zog Justin Pearson (The Locust, Retox) und Michael Crain (Retox) hinzu. Als Gespräche darüber liefen, inwiefern das Debüt über Ipecac erscheinen solle, wurde auch noch Mike Patton schanghait, und ab ging die Rutschpartie. Schlussendlich war die Raserei etwas arg kurz, sodass die gesetzten Herren (wir reden hier vom Geknüppel etwa 50-Jähriger) noch eine kompakt eingepeitschte Version des Bauhaus-Klassikers »Bela Lugosi’s Dead« dazusetzten und am Ende immer noch eine Minute früher fertig waren als Slayer bei »Reign In Blood«. Dann noch mit dem vermutlich hässlichsten Albumcover seit Langem versehen – fertig. Für Patton war’s ein reiner Erholungstrip, eine Reise in die eigene musikalische Vergangenheit. Das kann aber auch nur behaupten, wer seine Freizeit ansonsten mit John Zorn verbringt. Carsten Schumacher

Color Film Living Arrangements Epitaph / Indigo

Die frühen 1980er haben angerufen, sie finden das Debüt von Color Film ziemlich gut. Und sie haben recht. Simon Reynolds dürfte die Debütplatte von Color Film mögen, schließlich arbeiten sie sich durch einen guten Teil der Belegschaft von seinem Postpunk-Standardwerk »Rip It Up And Start Again«: Heaven 17, The Human

Dead Cross Dead Cross Ipecac / PIAS / Rough Trade / VÖ 04.08.17

Kreisch! Dave Lombardo und Mike Patton toben sich den Frust von der Seele und prügeln die Scheiße auch noch schneller durch, als Slayer es bei »Reign In Blood« geschafft haben.

Beth Ditto Fake Sugar Sony

Ihre Hochphase mag rund zehn Jahre zurückliegen, das heißt aber noch lange nicht, dass Beth Dittos erstes Soloalbum kein Hit werden kann. Ist es nämlich.

- THE HOLLYWOOD REPORTER

AB 13.7. DIGITAL ERHÄLTLICH AB 3.8. AUF BLU-RAY™, BLU-RAY 3D™, DVD UND 4K ULTRA HD facebook.com/KongSkullIslandDE

warnerbros.de


Es ist gefühlt ewig her, dass uns Beth Ditto mit The Gossip vom Hocker gehauen hat und zur feministischen und body positive Popkulturikone wurde. Nach Karl-LagerfeldProps, der Auflösung ihrer Band, einer eigenen Modekollektion und einer ersten Solo-EP gibt es jetzt also ihr eigenes Album. Das ist kein Meisterwerk, nicht mal eine große Überraschung. Und jetzt kommt das fette Aber: »Fake Sugar« ist trotzdem ein ordentliches Album geworden. Ditto wendet sich wieder dem eingängigen, bebenden Tanzflächen-Pop zu, spickt ihn mit kitschigem Drama (»Lover«), setzt Geisterbahn-Soundeffekte (»Do You Want Me To«), und manchmal gibt’s auch ein paar Country-Anleihen (»Fake Sugar«), denn Ditto hat sich von den Südstaaten inspirieren lassen. Die Off-Beats sind allgegenwärtig, dazu ihre nach wie vor herausragende Stimme. Die wütende Dringlichkeit von früher ist Beth Ditto aber zusammen mit dem Rest Punk abhandengekommen. Das hier ist ganz einfach Pop. Dafür entschädigt uns Ditto aber mit einem Hit nach dem anderen, denn ausnahmslos zu allen Songs kann man sehr gut tanzen. Julia Brummert

ROMANO

25.10. Dresden, Scheune 26.10. Leipzig, UT Connewitz 27.10. Erfurt, Kalif Storch 28.10. Nürnberg, Festsaal Künstlerhaus 02.11. München, Strom 03.11. Freiburg, Waldsee 04.11. Stuttwart, Im Winzemann 06.11. Frakfurt, Zoom 07.11. Köln, Gebäude 9 09.11. Berlin, Columbiahalle 10.11. Hamburg, Docks 11.11. Bremen, Tower 12.11. Hannover, Musikzentrum

SAGE THE GEMINI

10.09. Berlin, Lido 11.09. Hamburg, Uebel & Gefährlich 12.09. Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld 26.09. München, Ampere 27.09. Frankfurt, Zoom

EMA

21.09. Münster, Sputnik Café 23.09. Köln, King Georg 26.09. Berlin, Berghain 27.09. München, Kranhalle 09.10. Nürnberg, Z-Bau

ZAK ABEL

29.09. Berlin, Gretchen

ODESZA

07.10. Berlin, Astra Kulturhaus

SOHN

31.10. Stuttgart, LKA Longhorn 14.11. Leipzig, Täubchental 15.11. Berlin, Columbiahalle 17.11. Frankfurt, Gibson

FATIMA YAMAHA

02.11. Berlin, Arena Club 03.11. Hamburg, Uebel & Gefährlich 04.11. Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld

!!! (CHK CHK CHK)

05.11. Köln, Luxor 06.11. Berlin, Festsaal Kreuzberg 09.11. München, Strom

BONOBO

08.11. München, Tonhalle 09.11. Köln, Palladium

CASHMERE CAT

NICK HAKIM

MOGWAI

MIGHTY OAKS

13.10. Berlin, Bi Nuu 14.10. Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld

14.10. Berlin, Columbiahalle 16.10. Hamburg, Docks 17.10. Köln, E-Werk 02.11. Leipzig, Täubchenthal 03.11. München, Backstage

SYLVAN ESSO

26.10. Berlin, Astra Kulturhaus 27.10. Köln, Kulturkirche 29.10. Hamburg, Mojo Club 01.11. München, Ampere

13.11. Köln, Stadtgarten 14.11. Berlin, Lido

15.11. Berlin, Tempodrom 16.11. Hamburg, Mehr! Theater 23.11. Köln, Palladium

NICK MURPHY

FKA CHET FAKER 22.11. Berlin, Columbiahalle 23.11. Köln, Live Music Hall

LONDON GRAMMAR

30.10. Berlin, Huxleys

25.11. Köln, Palladium 28.11. Hamburg, Mehr! Theater 08.12. Stuttgart, Hegel-Saal 09.12. München, Tonhalle 10.09. Berlin, Lollapalooza

WOLF ALICE

IBEYI

MURA MASA 30.10. Berlin, Festsaal Kreuzberg 01.11. Hamburg, Mojo Club 02.11. Köln, Luxor

meltbooking.com facebook.com/wearemeltbooking

Auch wenn sie schon ätzend oft totgesagt wurde, ist die Indie-Disco noch immer quicklebendig. Mit »The Early Days« erhält sie sowohl Chronik als auch Handlungsvorlage. Ist die Indie-Disco schon am Punkt ihrer Musealisierung angelangt? Zumindest ein bisschen vermitteln diese Compilation und ihr Name den Eindruck: Sie enthält ausschließlich alte Stücke, mindestens fünf Jahre haben sie auf dem Buckel, die meisten aber deutlich mehr. Gleichzeitig gibt die Zusammenstellung auch das sichere Gefühl, dass die Indie-Disco nie hätte sterben müssen, wenn in ihr öfter diese Songs gelaufen wären: ein Ritt durch die Jahrzehnte, ein Querschnitt der IndieSubstile, eine gute Mischung aus Hits (Joy Division, Cure, Pixies) und solchen Stücken, die es eigentlich hätten werden sollen. Und wie es in solchen Nächten eben war (oder eigentlich noch ist), drängt nicht jeder Song alle Randsteher auf die Tanzfläche – aber manche zwingen dorthin. Natürlich: Wer selbst Kenntnisse und Material besitzt, um Indie-DJ-Ambitionen zu pflegen, braucht diese Compilation nicht. Denen, die einfach nur tanzen und ihre private Indie-Disco feiern wollen, kann sie aber als der richtige, reizende Soundtrack dienen. Denn der Indie-Schwof mag nicht mehr jedermanns Mode sein, tot ist er aber ganz sicher nicht. Henrik Hamelmann

02.12. Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld 03.12. Berlin, Lido 04.12. Hamburg, Knust

Diverse Coming Home by Tocotronic Stereo Deluxe / Warner

Nach Sven Väth, Nouvelle Vague und Jazzanova reihen sich nun auch Tocotronic in die Autorenschaft der Compilation-Serie »Coming Home« ein. Mixtapes waren eigentlich immer nur was für Angeber. Sie gaben vor, ein geiles Geschenk für jemand anderes zu sein, und waren doch nur Referenzhuberei und Ausdruck der eigenen Geilheit. »Oh, schau her, das alles kenne ich, ein so breit gefächertes Musikwissen habe ich, diese Band kennst du noch nicht, und zu meiner kosmopolitischen Abrundung habe ich sogar noch ein Mainstream-Ding dazugepackt.« Ekelhaft. Aber es sind hier schließlich die Besten, Tocotronic, die mit »Coming Home« eine vielfältige und einwandfreie Mischung an Songs zusammengestellt haben. Selbstverständlich fällt man also darauf rein und imaginiert sich herbei, wie man die Jungs schwärmend anglotzt und »Wooow« sagt. Vielleicht hätte es auch einfach eine Spotify-Playlist getan, aber warum denn nicht auch mal eine Compilation-Platte im Schrank stehen haben, auf der sich sowohl Jazz als auch Funk, Indie, Pop und Punk befinden? In der nunmehr neunten Ausgabe von »Coming Home« gibt es unter anderem Songs von Andreas Dorau, den Wipers, Ty Segall, Courtney Barnett, Frankie Goes To Hollywood und Phosphor. Bei einigen Tracks erfährt man auch, woher Tocotronic den einen oder anderen ihrer Sounds vielleicht herhaben könnten. Trotz eingestaubt wirkendem Format kann man also wirklich noch was lernen. Wooow. Paula Irmschler

DiverseThe Early Days Unter Schafen / Al!ve

Diverse Too Slow To Disco Vol. 3 How Do You Are? / Rough Trade

Der Spießer-Wahnsinn geht weiter: die vierte Ausgabe der Compilation-Reihe mit unfassbar uncoolen Yachtpop-, Softrockund Blue-Eyed-Soulfunk-Perlen der 1970er und 1980er von der US-Westküste. Der Trend zur Cheesiness ist nicht zu stoppen. Warum auch? Immerhin ist Sommer. Deshalb kommt nach den ersten beiden Teilen der »Too Slow To Disco«-Serie und zuletzt der tollen Women-Ausgabe »The Ladies Of Too Slow To Disco« (ohne Volume-Nummerierung) nun die vierte Sammlung von Musik, die die Geschmackspolizei noch vor wenigen Jahren komplett aus dem Verkehr gezogen und in der Asservatenkammer der Popgeschichte verstaut hätte. Aber es gibt ja Marcus Liesenfeld alias DJ Supermarkt, der mit seiner Superkraft in die Kellerverliese eindringt und die Raritäten für die ganze Welt rettet. Damit es nicht langweilig wird, hat er erneut auch links und rechts des Gangs geschaut, was da noch so an seltenen Schwämmen wächst. So gibt es diesmal auch Sounds aus Philadelphia (The Markley Band), von drei Briten (Vapour Trails), zwei Schweden (Stars’n’Bars), einem Kanadier (Dwight Druick) und sogar von den Grateful Dead. Außerdem wird es souliger und jazziger. Und manches Stück lohnt sich allein schon wegen der wundervollen Texte, wenn sich zum Beispiel Pratt & McClain in »Whachersign« beschweren: »The stars say you should love me a lot, I can’t understand why you do not.« Oder wenn David Gates in »Silky« »Porsche or Mercedes« auf »envy of the ladies« reimt. Ob ironisch oder nicht – das ist wohl einfach das neue Cool. Natürlich ist das eine Compilation und hat als solche auch schwächere Momente. Aber allein für Killertracks wie »I Love You« von Weldon Irvine oder »Special Delivery« von Billy Mernit ist sie unverzichtbar. Also: Badeschaum ins Planschbecken, Gin Tonic in die Coffee Mug, Wayfarer auf die Nase und relaxen! Claudius Grigat


IMMER NOCH INDIE? MIT CHRISTIAN STEINBRINK Indie mag keine Hitze. Daher hier neun Platten, von denen man sich perfekt Luft zufächeln lassen kann.

Nahezu perfekt zur aktuell schwülen Luft passt der angereicherte Lo-Fi-Pop auf »Blast Off Through The Wicker« (Western Vinyl) von Art Feynman. Ein sanfter, psychedelischer Vibe durchzieht das Debüt des Kaliforniers, dessen Songs meist von repetitiven Kraut- und Afrobeat-Rhythmen getragen werden und trotz aller Sonnigkeit alternativlos auf die Tanzfläche ziehen. Arthur Russell poppt immer wieder als Referenz auf, und das ist nicht zu hoch gegriffen, denn Feynman bekommt in seinen zehn Tracks sogar dessen souligen Glam hin. Sehr reichhaltig und sogar noch besser. Ihre Hasenmasken könnten Sleep Party People bei diesen Temperaturen langsam ablegen. Denn auch ohne Verkleidung trägt ihr hymnischer Post-Indie, wie ihr viertes Album beweist. »Lingering« (Joyful Noise) besticht durch vielschichtige postrockige Arrangements, sinnliche Melodieführungen und Sounds, bei denen sich die Dänen nach wie vor auf anregende Art und Weise an Radiohead, Grizzly Bear und The Antlers anlehnen. Letztere sind in Person von Peter Silverman sogar mit einem Chorsatz auf dem Album vertreten, was SPP-Frontmann Brian Batz wie ein Ritterschlag vorgekommen sein muss. John Murry entführt seine Hörer auf »A Short History Of Decay« (Tenor Vossa) tief in die Wurzeln des US-Songwritings. Um seine unter der Hitze des Südens matt ächzenden Stücke baut er ein Gewand aus 1990er-Lo-Fi-Indie-Rock, meist reduziert, selten wirklich rockig, aber immer auf den Punkt. Natürlich sind diese Songs düster, atmen Cash, aber auch andere Legenden wie Sparklehorse, Mark Eitzel oder sogar Elliott Smith. Sie wirken distanziert, besitzen aber so viel Seele, dass man als Liebhaber dieses Stils nicht vorbeihören darf. Ähnlich verschwitzt trotz Abendkühle klingt The-War-On-Drugs-Bassist Dave Hartley auf seinem programmatisch betitelten Album »I Can Feel The Night Around Me« (Western Vinyl) unter dem Alias Nightlands. Hier paaren sich Synthies und getragene Beach-Boys-Melodien im Mondschein ähnlich autistisch, wie man es von War On Drugs kennt. Die süßlichen Harmonien weisen falsche Fährten, strahlen aber unwiderstehliche Reize aus. Und mit diesen Songwriting-Fähigkeiten hätte es Hartley auch locker zum maßgeblichen Songwriter der War On Drugs bringen können. Mit Pedro The Lion gehörte David Bazan in der ersten Hälfte der 2000er zur gefühligen Speerspitze der damals grassierenden EmoSongwriter-Welle, und das völlig zu Recht: Er schrieb Songs, die ganz besondere, stets wiedererkennbare Harmonien besaßen und sich so im kollektiven Gedächtnis festsetzten. Danach war Bazan zwar durchaus aktiv, aber fast nur noch in den heimischen USA. Jetzt ist er mit seiner neuen Band Lo Tom zurück und

weckt mit dem tollen selbstbetitelten Album (Barsuk) Erinnerungen. Die acht Songs klingen zwar etwas indierockiger als damals, besitzen aber immer noch die sehnsüchtige Qualität von Bazans Songwriting.

»Epilogue« (Dumont Dumont), die Debüt-EP der Kölnerin Josin, erscheint mir quasi aus dem Nichts und verblüfft mit einer ebenso tiefen wie komplexen Klasse in einem Stil, der sich zwischen Thom Yorkes Gesangsharmonien, der verhallten Abstraktion von Ry X und den Erzählungen Sóleys einordnet. Die fünf Songs der EP hat Josin bei Letzteren auch schon als Support-Act auf Tour ausprobiert, allerdings nicht in der Komplexität der Studio-Versionen. Die offenbaren zumindest ansatzweise Josins volles Potenzial und machen Lust auf mehr, viel mehr. Nach sechs Studioalben sei es Beach House zugestanden, eine Compilation namens »B-Sides And Rarities« (Bella Union) zusammenzutragen. Das 14 Aufnahmen umfassende Album, das wirklich ausschließlich Raritäten enthält, gewinnt dadurch seinen Charme, dass es mittels einzelner Stücke die ganz eigenen Reize der unterschiedlichen Schaffensphasen der Band wachruft. Und diese Reize wirken tatsächlich noch so stark wie in den Jahren, in denen die jeweiligen Dream-Pop-Alben des Duos für Aufsehen sorgten. Nach einer längeren Auszeit zeigt sich das stilprägende kanadische Label Constellation in den letzten Monaten wieder sehr aktiv und veröffentlicht eine Reihe Platten aus seinem eng verzweigten Umfeld, die mehr mit krachenden Experimenten als mit Postrock zu tun haben. »A Common Truth« (Constellation) von Saltland ist da nur bedingt eine Ausnahme: Zwar besitzt die Platte einen verträumtpsychedelischen Grundton, die weitgehend mit Streichern besetzten Arrangements haben aber auch eine bedrohlich dräuende Komponente. Hauptverantwortlich dafür ist Cellistin Rebecca Foon, die unter anderem auch schon bei Silver Mt Zion mittat.

Erstaunlich ist, was Emil Amos auf seinem recht programmatisch betitelten Album »Filmmusik« (Pelagic) vorlegt: Eigentlich ist der Mann als Instrumentalist in Postrock- und Metal-Bands wie Grails oder OM bekannt, hier versammelt er eine Reihe Groove-zentrierter Soundscapes, die als Soundtrack für unheimlich glimmende Kinofilme durchaus gut taugen würden. Das erinnert mal an Danger Mouse, dann wieder an Badalamenti, ist nicht immer perfekt gelungen, aber durchaus avanciert und auf eine eigene Art stimmungsvoll.

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#Review

Andreas Dorau Die Liebe und der Ärger der Anderen Staatsakt / Caroline / Universal / VÖ 07.07.17

Großgeschriebener POP zwischen DadaHouse, Weisheit und Krabbelgruppe – Dorau halt mal wieder, aber auch nach 30 Jahren ein Ereignis. Popstars sind in Deutschland je nach Zählweise nicht existent – oder zahlreich und peinlich. Andreas Dorau muss aber in jedem Fall und eigentlich in jeder Dimension von Pop dazugezählt werden. Er hatte Erfolg bei den Massen (»Fred vom Jupiter«, 1981; »Girls In Love«, 1996), stellte seine ersten eigenen Singles aber her, indem er mit der Zirkelspitze Flohmarkt-Platten überkratzte. Dass Pop im Idealfall das Zusammentreffen von Kunst und Kindergarten ist, mit Anteilen von starkem Selbstvertrauen und Lust an der Provokation, wussten so viele vor ihm ja nun auch nicht. »Die Liebe und der Ärger der Anderen« ist natürlich wieder beste Dorau-Schule; avantgardistische Dada-Abzählvers-Poesie und schöne House-Beats formen Weisheit: »Liebe ergibt keinen Sinn. Mal macht sie Freude, mal ist sie wieder sehr schlimm. Liebe ist, wenn man genau hinguckt, nichts weiter als ein bourgeoises Konstrukt.« Mitgeholfen haben diesmal alle von Ja, Paniks Andreas Spechtl bis Snap!s Luca Anzilotti. Vielleicht denken die sich schon länger das, was ich beim Hören dieses Konzept-Doppelalbums über Liebe und Ärger gedacht habe: Ich möchte ihn mit allen guten Menschen zusammen heiraten, diesen Dorau! Steffen Greiner

The Drums Abysmal Thoughts Anti- / Indigo

»But I still love you, I love you, I still do« – »Abysmal Thoughts« ist das Zeugnis von jemandem, der endlich ordentlich im Sattel sitzt. Jonathan Pierce ist nicht unbedingt die erste Person, die einem beim Wort »Mastermind« einfällt. Genau das ist er aber. Nenn doch mal alle Mitglieder von The Drums – Antwort: Tja, da gibt es nur noch Pierce. Wer der Typ vom Albumcover ist, der an seinem Turnschuh schnüffelt, will man lieber gar nicht wissen. Dass sich der ewig junge Beach-Boy von der ständigen Unsicherheit über den Fortgang der Band mal erholen würde, hätte man, er inklusive, nicht mehr vermutet. The Drums wirkten zuletzt uninspiriert, verwirrt, der Drops schien gelutscht. Und nun das: Im Zuge seiner Depression hat Pierce das beste Drums-Album seit dem Debüt »The Drums« aus dem Jahr 2010 per Home-Recording komplett allein geschrieben, alle Instrumente selbst eingespielt und insbesondere mit dem Song »Heart Of Basel« einen der größten Hits seiner Karriere aufgenommen. So zu tun, als sei jetzt alles tiptop, kommt ihm dennoch nicht in den Sinn. Vielmehr lässt »Abysmal Thoughts« neben Rausch und Leichtigkeit auch genug Raum für fiese Emotionen und Düsternis. Und trotzdem klingt alles gewohnt abgeklärt, kühl, schlendernd und nach Zitroneneis, wie es nur ein Jonathan Pierce vermag. Hier ist endlich jemand, wo er hingehört. Paula Irmschler

Faber Sei ein Faber im Wind Fyfe The Space Between Vertigo Berlin / Universal / VÖ 07.07.17

ADA / Warner

Fabers Chanson-Pop bleibt auch auf Albumlänge die aktuell beste Methode, um das Leben mal aus der Sicht jener Menschen zu sehen, mit denen man sonst eigentlich gar nichts zu tun haben möchte. Das Feuilleton überschlägt sich schon seit März darüber, wie die fiktive Ex-Freundin auf »Sei ein Faber im Wind« mit diversen vulgären Beleidigungen verteufelt wird. Auf seinem Debüt liefert der junge Schweizer mit dem Wuschelkopf nun in großen Portionen weiteres Futter für alle, die zwischen Erzähler und Autor (hier: Songschreiber) nicht unterscheiden können, und lässt seine lyrischen Ichs besserwissende Nostalgie versprühen, fürs Vaterland demonstrieren, Lolitas bezirzen und voyeuristisch auf das Elend der Welt und »Brüstebeinearschgesicht« blicken. Zynische, augenzwinkernde Gesellschaftskritik: Das trifft die inhaltliche Dimension des ChansonBegriffs punktgenau, musikalisch fließen darüber hinaus Rock, Folk und (nicht nur dank der stets markanten Posaune) immer wieder Polka mit ein. Gerade auch deswegen ist »Sei ein Faber im Wind« eine willkommene Abwechslung zum grassierenden deutschsprachigen Radio-Poprock und greift dir auch mal etwas forscher unter das Shirt, wo Bosse und Joris immer nur schmusen wollen. »Es ist so schön, dass es mich gibt«, heißt es im Opener »Wem du’s heute kannst besorgen« – und an dieser Stelle kann man die Zeile dann doch einmal direkt auf den Autor übertragen. Jan Martens

Fyfe spielt klavierlastigen Electro-Pop, der bisweilen heroische Züge annimmt. Da kann es doch nur um Verlustängste gehen. Weinerlichkeit wäre ein zu starkes Wort, aber wie Paul Dixon alias Fyfe auf seinem zweiten Album vom tanzbaren Electro-Pop zu einer mit Pathos beladenen Klavierbeichte abstürzt, ist schon bemerkenswert. Sicher gehen zwei verstorbene Freunde, das Ableben eines Familienfreundes und schließlich der geliebten Großmutter nicht spurlos am Gefühlskostüm oder dem künstlerischen Schaffen vorbei – und obwohl der in London lebende Endzwanziger sich gegen die intimen Einflüsse durchaus gewehrt hat, sind sie doch Teil des neuen Albums geworden. Ein bewusster Kontrast zu seinem kräftigen und vehementen Debüt unter dem Alias Fyfe, nachdem er sich 2013 von seinem ersten Projektnamen David’s Lyre getrennt hatte. Strenge Klavierklänge ziehen sich durch durchaus hoffnungsvolle Kompositionen, der tickende Beat verstummt letztendlich beim Schlussstück »Closing Time«, einer stockend-spröden Klavierballade, der Dixon seinen einnehmenden Falsettgesang auferlegt. Eine Reise zwischen Geburt und Tod, wie Fyfe es selbst umschreibt, die auch mit vermeintlich inkompatiblen Stilmitteln ein ehrliches, aber durchweg trübseliges Stück Popgeschichte darstellt. Klaas Tigchelaar

Fleet Foxes Crack-Up Nonesuch / Warner

Auf dem Cover des Comeback-Albums der New-Folker aus Seattle dampft und brodelt die See. Aus gutem Grund. Die ersten Sekunden von »Crack-Up« wirken sehr verhalten: ein geraunter Gesang und gezupfte Akustikgitarren, die nahtlos dort ansetzen, wo das Schlussstück vom Vorgänger »Helplessness Blues« vor sechs Jahren endete. Wenig später entfächern sich die für die Fleet Foxes typischen Harmoniegesänge. Noch ein wenig später reißen energetisch geschrubbte Gitarren unvermittelt das Ruder herum. Ein technischer Fehler? Nein, nur die Bestätigung, dass Mastermind Robin Pecknold und Band auf ihrer dritten Odyssee noch etwas weiter in unwegsame Gewässer vorstoßen. Schon als Vorabsingle durfte das fast neunminütige »Third Of May / Ōdaigahara« herhalten. Nun gibt es als Opener einen Dreiteiler, der wie ein unwettergeschütteltes Schiff zwischen orchestralen Tsunamis und kurzen folkigen Atempausen hin und her geschleudert wird. Auch der Rest der fast einstündigen Reise fließt ineinander oder kollidiert abrupt, wechselt zwischen melancholischem Mäandern und stürmischen Turbulenzen, immer wieder angetrieben von Streichern, Klavier und Bläsern. Dazu besingt Pecknold die Dilemmata menschlicher Existenz mit poetischen, referenzgeladenen Zeilen. Nein, eine sonnige Vergnügungsfahrt ist »Crack-Up« nicht, eher eine fordernde Studienreise. Es ist anstrengend, kann langfristig aber durchaus seinen Mehrwert entfalten. Nina Gierth

Goldie The Journey Man Metalheadz / Cooking Vinyl / Sony

Auch mehr als 25 Jahre nach seinem Debüt ist sich die alte Goldlocke nicht zu schade dafür, happy Tanzfläche und melancholische Deepness zusammenzubringen. Der King ist back. Der Meister aller Klassen. Darf ich vorstellen: Goldie. Der ehemalige Weltstar der Sprayer-Szene, der schon mit Björk zusammen war, als wir noch in die Hose gemacht haben (zumindest einige von uns). Der außerdem Jungle und D’n’B wie kaum ein anderer mitgeprägt hat. Und auch mit 52 Jahren wirkt der Wolverhampton Warrior kein bisschen müde. Auf »The Journey Man« geht es wieder um alles. Man vergisst ja viel zu leicht, dass Jungle als böser Zwillingsbruder des Dancehall meist politisch war, Themen wie Diskriminierung und Ausbeutung gang und gäbe waren. Vor allem in der Jungle-Revival-Welle der letzten knapp fünf Jahre wird dies vernachlässigt, werden die schnellen Breakbeats nur noch auf ihre »Kiffability« abgeklopft. Doch nicht mit Goldie. Zusammen mit sieben Stimmen und Gastmusikern huldigt er in 16 Stücken nicht nur den musikalischen Formeln, sondern beleuchtet gleichzeitig, wer Goldie eigentlich ist, was ihn umtreibt. Dafür driftet er zwischendurch in TripHop ab, hier und da grüßen auch Dubstep oder Grime. »Ich betrachte Musik nicht wirklich aus Produzentensicht, sondern eher wie ein Regisseur«, beschreibt er seinen Blickwinkel. Vorbildern wie Stanley Kubrick oder P.T. Anderson kommt er dabei recht nah. Filmhafter war Musik selten. Let’s go on a journey with this man. Lars Fleischmann


tocotronic

Coming

Ohne dem großen Big Boi auf die Füße treten zu wollen: Sein drittes Soloalbum ist ganz sicher nicht sein bestes. »Boomiverse« (Sony) versucht vor allem mit spannenden Features zu überzeugen. Dieses Mal dabei: Gucci Mane, Pimp C, Snoop Dogg, Killer Mike, Jeezy und Kurupt. Die stellenweise hochgepitchten Vocals und der Trap-Rap des OutKast-Mitglieds fühlen sich aber mehr nach Plastik als nach einem überragenden Spätwerk an. Wo sind die Hits, wo der rote Faden, fragt man sich. Und: Was haben Songs wie »Chocolate« zu bedeuten? Ihm haben wir einen der schönsten Hits der 2000er zu verdanken: 2002 erschien Cody ChesnuTT kurz im Rampenlicht, als The Roots seinen Song »The Seed« mit dem Zusatz 2.0 aufnahmen. Der Track wurde zum Hit, aber ChesnuTT verschwand wieder in der Versenkung und wurde crackabhängig. Sein 30 Tracks starkes Debüt »The Headphone Masterpiece« ist nicht nur ein Meisterwerk voller Soul und Schmerz – es ist ebenfalls ein Album, dem man das auch nach Jahren noch anhört. Die Stücke hatte ChesnuTT damals in seinem Schlafzimmer auf einem Vier-Spur-Gerät aufgenommen. Heute ist der Künstler aus Atlanta gesund und ambitioniert wie nie. Sein neues Album »My Love Divine Degree« (One Little Indian) ist eine Mischung aus Neo-Soul, Funk, Rock, Blues und HipHop, das von ChesnuTTs außergewöhnlicher Stimme seinen Stempel erhält.

Während die einen Gs noch in der Sonne Kaliforniens chillen, schmieden andere schon wieder große Pläne. So wie Deutschlands versammelte Produzenten-Elite, die mit ihrer Beat-Compilation »20 Gs« (Kabul Fire) pünktlich zum G20-Gipfel ein Zeichen gegen Abschottungspolitik und Ausbeutung setzt. Produzent und Labelchef Farhot hat es geschafft, fast alle namhaften und aufstrebenden Beatkünstler auf einer Veröffentlichung zu versammeln. Mit dabei sind: DJ Desue, The Krauts, Dexter, Suff Daddy, Brenk Sinatra, Bazzazian, Ghanaian Stallion sowie Samy Deluxe und das Kreuzberger KitschKrieg-Kollektiv. Das Großartige an dem Release ist aber die Tatsache, dass der Erlös an ein Schulbauprojekt in Afghanistan gespendet wird. Gangster mit Herz und Talent eben.

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Eine Mischung aus experimentellem BeatUntergrund und zeitgenössischer Popmusik macht aus Gerards neuer LP »AAA« (Futuresfuture) die logische Konsequenz seiner beiden Vorgängeralben. Während der Wiener MC textlich wieder viel Persönliches preisgibt, schafft er gleichzeitig auch eine Reflexion unserer Zeit, die aus den Augen des mittlerweile 30-Jährigen relevanter als noch vor ein paar Jahren erscheint.

hlen v o

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. coming home – die w w.intro compilation reihe von Bekannten künstlern mit ihren persönlichen lieBlingssongs für zuhause.

coming home von tocotronic feat. the modern lovers, ty segall, fuck, u.s. girls, Wipers, the vaselines, phosphor u.v.a. aB sofort erhältlich als cd und doWnload

Nach seinem 2013er-Album »Der Wolf im Schafspelz« und dem Projekt Inglebirds ein Jahr später wurde es ruhig um DCVDNS. Nun ist der Saarländer zurück und lässt mit seinem neuen Album »Der erste tighte Wei$$e« (Urban) keine Provokation und kein Klischee aus. »Wer denkt, die Erde sei eine Scheibe und macht bergeweise Scheine? Es ist I-C-H – der erste tighte Wei$$e«, spittet der Saarländer in Anlehnung an den »letzten tighten N****« Taktlo$$ und Savas, dessen Doubletime-Talent für ewig in Neonfarben in unseren Gehörgängen festsitzt. Ein junger MC, der sich über die Benachteiligung des weißen Mannes ärgert und mit der US-Flagge schmückt? Wenig überraschend, aber dennoch schockierend.

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Top Dawg Entertainment haut diesen Sommer ein besonderes Release raus: SZA, die einzige Dame in der übertalentierten Westcoast-RapSchmiede, zeigt in 14 Tracks, wie gelassen man den klassischen Rap-Fan mit dem smoothen R’n’B-Gläubigen an einen Tisch bringen kann. SZA gibt so die Steuerungstaste im Rädchen TDE und legt mit »CTRL« (RCA) ein besonders starkes Debüt vor. Die Popsongs wie »Drew Barrymore« und »Doves In The Wind« mit Label-Kollege Kendrick Lamar sind ein echter Genuss. Grenzenlos sexy, emanzipiert und konsequent präsentiert sich die Sängerin vor allem sexuell befreit – wie ihr erster Track »Supermodel« demonstriert: »Let me tell you a secret. I been secretly banging your homeboy. Why you in Vegas all up on Valentine’s Day?« Gute Frage. Auch bei SZA gilt privat: Wer nicht hört, muss fühlen. Wir dürfen zum Glück beides.

Wie so oft fing alles mit Pharrell Williams an, dem Hüter der Beats und Talente, der den Compton-Rapper und damaligen Teenager Buddy alias Simmie Sims 2012 als ersten Künstler auf seinem Label I Am Other signte. Um den Rest kümmerte sich MC Buddy im Laufe der Jahre selbst. Es folgten ein paar Features mit Kendrick Lamar (»Staircases«) und eigene Veröffentlichungen, die aber nur wenige interessierten. Heute überrascht der 23-Jährige gemeinsam mit Produzent Kaytranada mit der EP »Ocean & Montana« (I Am Other), die ganz im Stile des Produzenten sommerliche Vibes mit Westcoast-Flow à la Vince Staples verbindet. Songs wie »A Lite« und »Guillotine« machen Lust auf See und Abendsonne mit Kaltgetränk in der Hand. Ich vermute, so was Ähnliches hatten sich die beiden auch vorgestellt, als sie diese EP produzierten.

Coming

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Für sein neues Album fischt Long-Beach-Boy Vince Staples thematisch und stilistisch in neuen Gewässern. »Big Fish Theory« (Def Jam), das bereits vor Monaten viral mit einem Goldfisch angekündigt wurde, beschäftigt sich mit der Wahrnehmung von Rap in der heutigen Zeit. Dahinter brettern in Songs wie dem Opener »Crabs In The Bucket« Beats in Dub-Manier los und geben den Takt für die ganze LP vor. Das basslastige »BagBak« und das politische »Big Fish« mit Juicy J demonstrieren die Klasse, in der Staples mittlerweile spielt.

tocotronic

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Um die schönste Jahreszeit genießen zu können, braucht es nicht viel, aber den passenden Groove. Hier ein paar Kandidaten, die den Sommer auf Vinyl gepresst haben.

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Marika Hackman I’m Not Your Man Caroline / Universal

Schluss mit lähmendem Geister-Folk: Marika Hackman hat den Reset-Knopf gedrückt und eine selbstbewusste, kantige Indie-Rock-Platte aus dem Boden gestampft. Marika Hackmans zweites Album startet mit einem zynischen Lachen. Dann baut sich ein energisches Stück Musik auf, das so tut, als hätte es den Vorgänger »We Slept At Last« nie gegeben: »Boyfriend«. Vergessen ist das hypnotische Fingerpicking auf der Akustischen, vergessen die verhangene Lyrik – es regiert der Klartext. Mitschuld an der neuen Kantigkeit trägt die Band The Big Moon, die Hackman im Studio den Rücken frei hielt, während sie sich den Teenagertraum erfüllte, Herz- und Mundstück einer Krachband zu sein und endlich einmal unverblümt über lesbische Liebe, Sex und Beziehungskisten zu singen. Das Resultat ist ein bissiger, federnder Indie-Rock, gespickt mit packenden Hooks und Licks, der immer wieder verstohlen zum Grunge hinüberschielt. Symptomatisch für das Zerstreuungspotenzial dieses Albums ist der Song »So Long«, der mit seiner Gitarre allen Ernstes »Butterfly« von Crazy Town in Erinnerung ruft. Erst im stillen »Cigarette« erinnert Hackman wieder an diejenige, als die man sie nach ihrem Debüt vorschnell abzustempeln versucht war. Vorübergehend. Dass auf »I’m Not Your Man« scheinbar beliebige Details mit Kampfgeist aufgeladen sind, wird in aller Bildlichkeit auf der Webseite der Londonerin offenbar. Dort lässt sich interaktiv aufklären, ob Marika auf dem Cover tatsächlich Gesichtscreme auf ihre Apfelschnitze gibt – und wie mit Eiern, Gurken und Kakteen dem musikindustriellen Patriarchat die Stirn zu bieten ist. Wichtiges Empowerment in Klang, Wort und Bild – Nachschlag unbedingt erwünscht. Valentin Erning

19.07. München Freiheiz 20.07. CH-Nyon Paleo Festival 21.07. CH-Pfaeffikon Reeds Festival 22.07. Marburg KFZ 23.07. Berlin Festsaal Kreuzberg 24.07. Hannover Faust

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HAIM Something To Tell You Vertigo Berlin / Universal / VÖ 07.07.17

Mit ihrem zweiten Album etablieren die HAIM-Schwestern ihren Stil und sich selbst auf der zeitlosen Ebene der PopstarWelt – beides mit großem Erfolg. Trotz all der Zerstreuung, die das glamouröse Popstar-Leben in der Trendsetter-Gang Taylor Swifts den HAIM-Schwestern in den Jahren seit ihrem 2013er-Debütalbum »Days Are Gone« bot, haben sie ihre Passion nicht aus den Augen verloren. Im Gegenteil: Auch wenn sie für ihr Zweitwerk »Something To Tell You« letztendlich fast vier Jahre brauchten, haben sie ihren Stil wenn schon nicht jetzt erst gefunden, so doch wenigstens vertieft. Dazu gehört, dass der Rock ihrer Jugend auf den elf neuen Songs kaum noch eine Rolle spielt. Stattdessen kombiniert das Trio die Harmonien des Westküsten-Softrock der Spätsiebziger-Fleetwood-Mac mit enorm vielfältigen, leichten und ungelenk hüpfenden R’n’B-Elementen. In mehr oder weniger starken Ausprägungen zieht sich diese Formel

durch das ganze Album, trägt es und vermittelt eine reizende Stimmung, die genauso substanziell wie anschlussfähig wirkt. Dazu gehört aber auch, dass HAIM die Suche nach glasklaren Single-Hits nicht besonders ernst genommen haben – selbst an Madonna in den 1980ern erinnernde Stücke wie »Nothing’s Wrong« reihen sich eher ins Gesamtgebilde ein als herauszustechen. Die bei HAIM gleichermaßen hoch ausgeprägten Qualitäten Kreativität und Können sorgen aber dafür, dass diese Strategie die goldrichtige war. »Something To Tell You« zeigt, dass HAIM gekommen sind, um zu bleiben, und dass auch keine wie auch immer geartete Mode ihrer voraussichtlich großen und langen Karriere in die Quere kommen wird. Christian Steinbrink

Hans Maria Richter Die Welt zu Gast beim Feind Chateau Lala / Broken Silence

Das neue Outfit des ehemaligen SambaChefs Knut Stenert bietet altbewährten Indie-Pop-Rock ohne Überraschungen. »Hier, ist bestimmt was für dich«, sagte der Skinhead hinter der Ladentheke des Plattenladens meiner Heimatstadt, gab mir das Tape und grinste seinen Kumpel an. Gemeint war: Diesem Schülerwürstchen gefällt sicher dieser Indie-Rock-Irgendwas. Er hatte recht, kurze Zeit später kaufte ich mir die ganze Samba-Platte, eine Art Landvariante der Hamburger Schule. Mehr als 20 Jahre später macht Knut Stenert immer noch Musik, nach mehreren eher unbeachteten Samba-Platten nun als Hans Maria Richter. »Die Welt zu Gast beim Feind« ist in seinen guten Momenten wie dem eingängigen »Perlen« oder dem Rausschmeißer »Unter dem Schirm« souveräner Indie-Pop-Rock, meist klingt die Platte jedoch schlecht abgehangen wie ein Räucherschinken im Partykeller einer Münsteraner Reihenhaussiedlung. Die Rätselhaftigkeit früherer Samba-Texte ist zudem nicht selten einer klareren Sprache gewichen. Aber wer braucht schon fehlende Subtilität, da kann man ja auch »Sing meinen Song« anschauen. Okay, das war gemein, da ist Richter beziehungsweise Stenert dann doch weit von entfernt. Aber trotzdem, wirklich brauchen tut man dieses Album kaum. Am Rande: Den Plattenladen in meiner Heimatstadt gibt es nicht mehr, keine Ahnung, was der Skinhead von damals heute macht. Gefallen hätte ihm aber auch diese Platte von Hans Maria Richter sicher nicht. Christian Steigels

Halsey Hopeless Fountain Kingdom Capitol / Universal

Auf ihrem zweiten Album vereint Halsey den Underdog-Tonfall von New Americana mit breit angelegtem Pop und tragischer Romantik. Mit großen Gesten und zugleich sehr aufrichtigen Texten spickte Halsey bereits


#Review Infos & Tickets: www.concertteam.de

MASCHINENRAUM MIT PHILIP FASSING

Festivals und Afterhour im Freien? Nicht ganz: Die spannendsten Neuveröffentlichungen aus dem Fach für elektronische Musik sehnen sich nur wenig nach Sonnenschein.

Mit einem verhältnismäßig späten Auftakt wird bei Hessle Audio das nunmehr zehnte Jahr eingeläutet, dafür aber einer der spannendsten Protagonisten aus Bristols berühmtberüchtigter Club-Szene verpflichtet: Batu. Seines Zeichens ebenfalls Labelbetreiber und Veranstalter, demonstriert der Brite mit seiner EP »Marius« (Hessle Audio) eine beeindruckende Bandbreite an Spielarten, die von perkussiv dominierten Übungen in Sachen Minimalismus über atmosphärisch treibenden Techno bis hin zu kosmisch rotierenden Ambient-Skizzen reichen. Bastian Volker alias Baaz hat derweil vier neue Tracks veröffentlicht, von denen man wirklich keinen einzigen missen möchte. Der Berliner hat sich mit seinen intimen und unprätentiösen Interpretationen verschiedenster Spielarten aus dem erweiterten Spannungsfeld der elektronischen Musik ohnehin schon eine Menge Freunde gemacht – mit »Two (For You)« dürften es noch ein paar mehr werden. Irgendwo an der Schnittstelle von verrauscht-melancholischen House-Miniaturen und anmutigen AmbientCollagen macht Baaz nämlich ziemlich viel ziemlich richtig. Obwohl das schwedische Duo Minilogue mit seinen zu gleichen Teilen versponnenen und euphorisierenden Club-Hits perfekt in die Ära des Minimal-Techno passte, bot es immer ein wenig mehr als die bloße Abarbeitung am damaligen Zeitgeist. Eine Vermutung, die Sebastian Mullaert als eine Hälfte des Duos auch mit seinen Solo-Exkursionen immer wieder zu unterstreichen wusste. Diesen Job macht auch »All The Keys Are Here« (Apollo) hervorragend und vereint vier organisch wuchernde, atmosphärisch gehaltene Versuchsanordnungen zu einem stimmungsvollen Kurztrip. Man muss schon sehr genau aufpassen, um wirkliche jede noch so seltsame Inkarnation von Inga Copeland mitzubekommen. Einst avancierte sie an der Seite von Dean Blunt als das kongenial betitelte Duo Hype Williams zum Kritikerliebling, mittlerweile hat sie aber recht abstrakte Pfade beschritten und ist immer wieder unter neuen Künstlernamen in Erscheinung getreten. Nun also Lolina mit der EP »Lolita« (lolina.bandcamp.com): drei verschwurbelte Grime-Instrumentale als Fundament für Copelands mal konfuse, mal geniale Monologe, wenig Erkenntnisgewinn im Allgemeinen und doch die Faszination dafür, wie sich aus dem Spiel mit der Künstleridentität so viel machen lässt.

Mit ihrem durch und durch organisch konstruierten Sound an der Schnittstelle von Disco und Deep House konnten sich Daniël Leseman und Hans Peeman alias Fouk bereits weit über ihre niederländische Heimat hinaus eine treue Hörerschaft erspielen. Mit »With Lasers« (Heist) kehren sie nun auf das Label ihrer nicht minder

populären Landsleute Detroit Swindle zurück und liefern wie gewohnt ab. Verspielte Bassläufe, groovende Schlagzeug-Loops, quirlige Vintage-Synthesizer und jede Menge Funk erinnern den Hörer jede Sekunde daran, mit wem man es hier zu tun hat.

Claude Speeed ließ Freunde obskurer Electronica-Klänge bereits im Jahr 2010 mit seinem American-Men-Projekt aufhorchen, das wie sein später folgendes Debütalbum noch bei Hudson Mohawkes Label LuckyMe erschien. Während der Wechsel des Labels bereits 2015 vollzogen wurde, erscheint mit »Infinity Ultra« (Planet Mu) nun auch das erste Album unter neuer Flagge. Claude Speeeds angenehm eigenartiger Signature-Sound klingt auch hier noch so, als hätten Brian Eno und Steve Reich einen nie erschienenen Playstation-Soundtrack zusammen aufgenommen: Ambient zu Zeiten eines allgegenwärtig verklärten Retrofuturismus eben.

Andrea Di Ceglie, Fedele Ladisa und Luigi Tutolo konnten in den vergangenen Jahren als Agents Of Time bereits auf namhaften Labels wie Correspondant oder Ellum Musik veröffentlichen, für ihre EP »Xylo« (Curle) wechseln sie nun noch einmal das Lager. Stilistisch bleibt sich das italienische Trio dabei durchweg treu, erlaubt sich auf einem Track wie »20 Seconds To Mars« aber hier und da ein wenig Trance, bevor es mit »Polarized« wieder in heimische AcidGefilde geht. Eine Handschrift, die immer noch mit jeder Veröffentlichung an Kontur gewinnt und sich deutlich von anderen Einträgen in die Label-Kataloge dieser Welt absetzen kann. Der Name DC Salas dürfte nicht jedem sofort ein Begriff sein, schließlich hat die Musik des Belgiers bisher eher übersichtliche Kreise gezogen. Eine Feststellung, die in Kürze hoffentlich anders ausfällt, denn der bürgerlich Diego Cortez Salas getaufte Produzent beweist mit seinem Debütalbum »The Unspoken« (Biologic) ein ausgeprägtes Talent für melodische und unprätentiöse Songs an der Schnittstelle von Techno, House und Pop. Ein Triumvirat, das nicht häufig zu guter Musik führt, hier aber tatsächlich gut zusammengeht. Mit »Reflections – Mojave Desert« (Pluto) veröffentlicht Sam Shepherd alias Floating Points den ersten Teil einer neuen Serie, die sich mit den Charakteristika ursprünglicher Naturlandschaften auseinandersetzt und auch genau dort aufgenommen und von der Regisseurin Anna Diaz Ortuño filmisch umgesetzt wird. Der erste Teil wurde im Joshua-Tree-Nationalpark der nordamerikanischen Mojave-Wüste aufgezeichnet und pendelt launisch zwischen schwülen Postrock-Passagen, Feldaufnahmen, psychedelischen Jazz-Einlagen und atmosphärischen Ambient-Ausflügen.

12.07.2017 | Köln | Live Music Hall

talib KWeli and the Soul rebelS 25.07.2017 | Essen | Zeche Karl

We are ScientiStS 25.07.2017 | Köln | Live Music Hall

reSidente

23.08.2017 | Düsseldorf | ZAKK Club

WatSKY

25.08.2017 | Dortmund | FZW

rogerS

19.09.2017 | Köln | YUCA am CBE

barbagallo 21.09. | Frankfurt | 11er Music Club · 23.09. | Düsseldorf | The Tube 02.11. | Köln | Blue Shell

Jaimi FaulKner 03.10.2017 | Dortmund | FZW Club

tim Vantol 06.10.2017 | Köln | YUCA am CBE

tom thaler & baSil 10.10. | Bochum | Zeche · 11.10. | Köln | CBE 17.10. | Münster | Sputnik Halle

madeline Juno 13.10.2017 | Köln | Palladium

Sigur róS 14.10.2017 | Köln | Palladium

lorde

15.10.2017 | Oberhausen | Turbinenhalle 2

irie rÉVoltÉS 16.10.2017 | Köln | Kantine

aStrid S

24.10.2017 | Köln | Gloria Theater

aimee mann 03.11.2017 | Köln | Theater der Wohngemeinschaft

chelou

12.11.2017 | Köln | E-Werk

FinK

17.11. | Köln | Underground · 25.11. | Dortmund | FZW Club

antiheld 26.11.2017 | Köln | CBE

Public SerVice broadcaSting 27.11.2017 | Köln | Live Music Hall

blacK rebell motorcYcle club 08.12. | Münster | Sputnik Café · 09.12. | Köln | Luxor 10.12. | Bochum | Zeche · 11.12. | Frankfurt | Zoom

SteVe‘n‘SeagullS

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20.10.17 LINGEN

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27.10.17 LINGEN s c h ö n

a n d e r s T O U R

ihr Debüt »Badlands«. Nun beginnt auch ihr Nachfolger »Hopeless Fountain Kingdom« mit nichts Geringerem als dem Prolog aus »Romeo und Julia«. Die Sängerin aus New Jersey hat das Talent, Abgründigkeit und Melodrama zu einem grandios romantischen Ganzen zu vereinen. Schon der Titel des Debüts hatte dystopische Konnotationen, und auch auf dem neuen Album setzt sich Ashley Frangipane mit einer düsteren Zukunft auseinander. Doch »Hopeless ...« ist radiotauglich und weniger alternativ als der Vorgänger. Obwohl auch Themen wie ihre Erfahrung mit psychischen Störungen thematisiert werden (»Devil In Me«), erzählt das Album vor allem von einer tragischen Liebesbeziehung, die Halsey vollkommen unsubtil an Shakespeare anlehnt. Dabei klingt es, als hätte sie sich bei den renommiertesten Pop-Produzenten bedient, die es momentan gibt. Musiker wie Greg Kurstin (The Bird And The Bee), Cashmere Cat, Sia, The Weeknd und Quavo (Migos) haben mitgewirkt. Am wichtigsten wirkt das Duett »Strangers« mit Lauren Jauregui von Fifth Harmony: eine musikalische Hommage an schnellen 1980er-Synthie-Pop und eine authentische Darstellung einer lesbischen Beziehung. Für Mainstream-Pop ist das tatsächlich außergewöhnlich, besonders, da beide Sängerinnen offen bisexuell sind. Gleichzeitig hagelte es aber auch massenweise Kritik an der Single »Now Or Never«, deren Ähnlichkeit mit Rihannas »Needed Me« offensichtlich ist. Songs wie »Alone« oder »100 Letters« haben kraftvollen Unterbau, maßgeschneiderte Komposition und zeugen genauso von Halseys Selbstkritik wie von ihrem simultanen Faible für Nabelschau. Als Kontrast steht dagegen das ungewohnt reduzierte und nur vom Piano begleitete »Sorry«. So ist »Hopeless ...« ein Pop-Album, das zeitweise nerven kann und dann wieder durch seine Unverblümtheit und Eingängigkeit herausragt. Elisabeth Haefs

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Idles Brutalism

Sammlung 13 Song gewordener Ohrfeigen. Allerdings eine, bei der man gern zum Masochisten wird. Jan Martens

Japanese Breakfast Soft Sounds From Another Planet Dead Oceans / Cargo / VÖ 14.07.17

Aus dem Schatten ins Licht: Japanese Breakfast agiert auf ihrem zweiten Album experimenteller und expressiver. Gleichzeitig ist die betörende Schüchternheit ihres sanften Indie-Pop immer noch unverkennbares Stilmittel. Wenn das Leben aufgrund einschneidender Erlebnisse aus den Fugen gerät, ist der Wunsch nach einer besseren Welt naheliegend. Manche suchen dafür sogar andere Planeten auf. Die Protagonistin von Japanese Breakfast, Michelle Zauner, schrieb ihr erstes Album kurz nach dem krebsbedingten Tod ihrer Mutter. Zeit für die Verarbeitung blieb kaum, da der verhuschte Indie-Pop auf »Psychopomp« schnell verzauberte und Zauner sich mit Themen wie Erfolg und Ruhm auseinandersetzen musste. Um das eigene Seelenheil zu forcieren, sucht sie die Lösung nun im Überirdischen. Das Konzept des zweiten Albums ist demnach ein spirituelles. Erlösung im Weltall. Dem großen thematischen Rahmen entsprechend wählt Zauner expressivere Mittel. Bedroom-Pop ade? Nicht ganz, doch ist der musikalische Farbkasten größer geworden. Folk-Chanson-Elemente, Saxofone, mehr Mut zu Pop. Die an Kate Bush erinnernde Stimme von Zauner hält hier abermals alles zusammen, und gerade, wenn eine Ahnung von Konsens-Pop entsteht, positioniert sie sich mit einer verschrobenen Demo-Ästhetik wie in »Jimmy Fallon Big« deutlich gegen jedwede Gefälligkeit. Dazu gibt es große und kleine Melodien, Querverweise auf Gruppen wie Velvet Underground und einen zauberhaften Girl-Pop-Charme. Kai Wichelmann

Balley / Cargo

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W W W.E V EN T I M.D E

11.11.17 LINGEN Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen, unter der Ticket-Hotline 0591 912950 oder 0591 9144144 sowie auf www.eventim.de und www.emslandarena.com

Die Stimme des unzufriedenen britischen Proletariats findet spätestens seit dem Aufstieg der Sleaford Mods breites Gehör. So keifend-aggressiv wie beim Punk der Idles klang sie allerdings selten. Kleine Warnung vorweg: Es wäre eine ziemlich dumme Idee, den Idles jenen Vergleich mit dem Nottinghamer HipHop-Duo persönlich vorzutragen. Deren Frontmann Joe Talbot wirkt nämlich – zumindest bei LiveAuftritten –, als würde er jedem, der ihm blöd kommt, mindestens den Zigarettenstummel im Auge ausdrücken – eigene Bandmitglieder inklusive. Zudem genügen Talbot im Gegensatz zu den Plappertaschen Mods meist wenige prägnante Phrasen oder Schlagworte, um seinen Frust über Mittelklassen-Scheinheiligkeit, engstirnige Kunstkritiker und nicht zuletzt Post-Brexit-England auszudrücken. Würde ein ausgestreckter Mittelfinger ein Geräusch verursachen, das man auf Platte bannen könnte, wären es wahrscheinlich noch weniger. Ohne großen Anspruch auf Virtuosität sägen dazu die Gitarren, poltern stumpf die Drums und spielt der Bass seine Noten – oder in manchen Songs auch Note, Singular. Kein Zufall, dass dieser rohe Minimalismus auch ziemlich genau die moderne Architektur-Epoche des Brutalismus beschreibt, die »Brutalism« ihren Namen gab. Ebenso wenig Zufall, dass da das Wörtchen »brutal« drinsteckt, schließlich ist das Debüt der Idles in seinem Kern nicht mehr als eine

Kamikaze Girls Seafoam Big Scary Monsters / Al!ve

Die Kamikaze Girls beweisen nicht nur einmal mehr, dass auch Mädchen wütend, traurig und ängstlich sind – sie können diese Gefühle sogar in atmosphärisch dichten DIY-Punk verpacken. Schon lange ist Hardcore-Punk zumindest in seiner qualitativen Speerspitze keine klassische Macho-Bastion mehr. Zwar kommt im Fall der aus Leeds stammenden Kamikaze Girls nur eine Hälfte der Mitglieder wirklich ohne Y-Chromosom aus, doch bereichert Sängerin und Gitarristin Lucinda Livingstone mit ihrer hallenden Stimme dieses manchmal etwas ausgetretene Genre um eine sehr eigene Melange aus Wut und Zerbrechlichkeit. Den passenden Kontext bekommt diese durch einen Sound, der neben sägenden Gitarren auch Raum für die eine oder andere fragile Melodie lässt, zu der Morrissey in seinen besten Zeiten von niemals erlöschenden


ZIEGENBLUT & MÖTÖRÖL MIT CARSTEN SCHUMACHER

Nach der freundlichen Übernahme des Friesen in der letzten Ausgabe gibt’s nun wieder das reguläre Durcheinander mit verwirrenden Botschaften aus der Welt der Gitarren.

Ziehen wir mit der Sonne, beginnen wir in Japan: Heaven In Her Arms haben auf ihrem dritten Album »White Halo« (Moment Of Collapse) ihren Sound und die für Japan typische Dramatik wie mit einem Brennglas auf Stecknadelkopfgröße gebracht, über die See geschossen und dort in einer Kaskade explodieren lassen. Nüchternere Beschreibungen sind in diesem Fall nicht angebracht. Natürlich könnte es auch um eine von der 14-MillionenEinwohner-Stadt Tokio zerquetschte Seele gehen, die sich auf der Spitze eines Berges vor den Toren der Metropole bis zur Erschöpfung und in Epik den Belag von den Stimmbändern kreischt. In jedem Fall aber zählt die Verve. Und in die haben sich Heaven In Her Arms in sehr schöner Weise und mit landestypischem Pathos mit Anlauf reingeschmissen.

Und wer denkt beim Thema Japan nicht gleich an Live-Aufnahmen: »Tokyo Tales« von Blind Guardian beispielsweise (nicht zu verwechseln mit den »Tokyo Tapes« der Hannoveraner Pyramiden-Baumeister Scorpions). Wer denkt nicht direkt an legendäre Ansagen wie »Fantasticfantasticfantastic!« oder »Greatgreatgreatgreatgreaaaat!«? »Live Beyond The Spheres« (Nuclear Blast) ist das mittlerweile dritte Live-Album, hat kein »Barbara Ann« oder andere Songs der Beach Boys in petto, bietet dafür aber ein Update der Setlist und vergisst die Klassiker nicht. Aufgenommen wurde das Ganze diesmal allerdings auf der Europa-Tour. Wann kommt endlich das »Live At The Niederrhein«-Album?

Dann lieber Weirdo-Kram: Wenn man sich vorstellt, tagsüber bei 2Raumwohnung, The Baseballs oder den Berliner Philharmonikern als Brotmusiker zu schuften, würde man des Nachts vielleicht auch den Irrsinn als Fluchtpunkt suchen. Dem Quartett Squintaloo erging es jedenfalls so. Sie wähnen sich unter der Knute einer »mächtigen, finsteren und oft zornigen Oma«, die sie letztlich aufs Meer schickte, wo ihnen Dinge erschienen, die unsereins hart mit psychedelischen Drogen induzieren müsste. Genauso klingt »Über Bord!« (Haensel & Gretel). Wie der Tanz dreier in allen Farben schimmernder Kraken oder wie die Musik von Zappa, Rush und Mr. Bungle in gesangloser und traumähnlicher Form.

Wer weiter taucht, kommt in die Tiefseewelt von Bardspec, dem Ambient-Projekt von Enslaved-Gitarrist Ivar Bjørnson und TodayIs-The-Day-Sänger Steve Austin. Beide suchen auf ihrem Debüt »Hydrogen« (By Norse) nach den Wracks von Tangerine Dream, Klaus Schulze und Biosphere. Erstaunlicher als die Musik selbst ist dabei die Tatsache, dass sie von ebendiesen beiden Akteuren gemacht wurde. Auf der anderen Seite klingt das Ergebnis dem ähnlich, was Darkthrone-Drummer Fenriz bereits 1993 mit Neptune Towers gemacht hat, ebenfalls Bezug nehmend auf Krautrock- und

Synthie-Pioniere wie Edgar Froese und Klaus Schulze – nur ist »Hydrogen« um einiges besser produziert. Apropos »besser produziert«: Kreator haben gerade ihre 1980er-Alben »Endless Pain«, »Pleasure To Kill«, »Terrible Certainty« und »Extreme Aggression« (alle ADA) als Remaster neu aufgelegt und sich in der Ausstattung nicht lumpen lassen. So kommen die CDs als Hardcover mit Vinyl-Cover-Faksimile (inklusive Preisschild), liebevoll gestaltetem Booklet und jeder Menge von Mille geschriebenen Begleittexten, dazu Magazinausrisse, Fotos aus dem Proberaum und allerlei Band-Devotionalien aus den jeweiligen Phasen. In dieser Form definitiv keine Geldschneiderei! Doch zurück zu den Geheimtipps: Suffocate For Fuck Sake haben zwar in den vergangenen zehn Jahren keine einzige Show gespielt, aber mit »In My Blood« (Moment Of Collapse) endlich einen Nachfolger zu ihrem letzten Album mit dem abendfüllenden Titel »Blazing Fires And Helicopters On The Frontpage Of The Newspaper. There’s A War Going On And I’m Marching In Heavy Boots« veröffentlicht. Ein Album, das wie ein Puzzle aus 5.000 Teilen mit einer Spannweite von Doom bis Post-Hardcore und -Metal bei einer guten Portion Sludge wirkt. Ein feines Stück Fleißarbeit und eine schöne Erzählweise, wären da nicht die ständig einsetzenden Sprachsamples von Radiomoderator Bosse Lundquist – auf Schwedisch! Das klingt dann manchmal, als würde beim Radiohören immer mal wieder ein fremder Sender überlagern.

Kurz noch zum Sport: Die aus Melbourne stammende Power-Punk-Band Clowns erinnert auf ihrem dritten Album »Lucid Again« (This Charming Man) ein wenig an Fucked Up und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, gegenüber dem Vorgänger »Bad Blood« etwas abgerundet zu wirken. Sie hat aber ein derart starkes Album aufgenommen, dass gerade das zum letztlichen Durchbruch verhelfen könnte. »Lucid Again« hat ordentlich Dampf auf dem Kessel, wirkt catchy und dennoch nicht zu vorhersehbar und wäre damit eine der besten Punk-Platten für den Sommer. Dem gegenüber stünden wohl Sabbath Assembly mit »Rites Of Passage« (Svart). Auf dem Album passen sie die 1960 vom Ethnografen Arnodl van Gennep definierten Lebensphasen in ihrer düsteren Art an die Jetztzeit an. Auffällig ist dabei, dass die einstigen OkkultRocker durch die beiden neuen Gitarristen Kevin Hufnagel (Gorguts, Dysrhythmia) und Ron Varod (Kayo Dot, Zvi) einen deutlichen Schritt Richtung Prog/Experimental-Metal tun. Auch wenn Sängerin Jamie Myers den Sound natürlich weiterhin prägt, markiert das Album damit eine neue Lebensphase der Band. Es wird also kompliziert auf dem Blocksberg.

JOSÉ GONZÁLEZ

13.07. FREIBURG 02.11. BERLIN 07.11. WIESBADEN

TOM SCHILLING & THE JAZZ KIDS

20.10. WESTHOFEN 21.10. REUTLINGEN 22.10. NÜRNBERG 24.10. AUGSBURG 25.10. ULM 26.10. – 28.10. KALTERN (IT)

THE MAINE 23.09. BERLIN 24.09. KÖLN 25.09. HAMBURG

LAMBERT

BALBINA 19.11. 20.11. 21.11. 23.11. 24.11. 25.11. 27.11. 29.11. 30.11. 02.12.

STUTTGART HEIDELBERG MÜNCHEN AARAU (CH) AUGSBURG FRANKFURT KÖLN ESSEN MÜNSTER POTSDAM

09.07. 04.08. 22.09. 23.09. 24.09. 25.09. 26.09. 27.09. 28.09. 27.10. 22.11. 23.12.

BIELEFELD NEUKIRCHEN JENA DRESDEN LEIPZIG NÜRNBERG ZÜRICH (CH) LUDWIGSBURG WIESBADEN MÜNCHEN BERLIN HAMBURG AUSVERKAUFT

MOGLI 28.09. 29.09. 30.09. 26.10. 27.10. 28.10. 29.10. 01.11. 02.11. 16.11.

LEIPZIG DORTMUND DRESDEN HANNOVER KÖLN AUSVERKAUFT MÜNCHEN FRANKFURT BERLIN HAMBURG AUSVERKAUFT DÜSSELDORF

MICHAEL SCHULTE 02.11. 03.11. 04.11. 05.11. 07.11. 08.11. 09.11. 11.11. 12.11. 14.11. 15.11. 16.11. 17.11. 18.11.

OSNABRÜCK BERLIN LEIPZIG DRESDEN MÜNCHEN STUTTGART HEIDELBERG BREMEN FRANKFURT HAMBURG DORTMUND HANNOVER WUPPERTAL KIEL

NICOLA CRUZ 27.10. BERLIN

AMBER RUN 01.11. 02.11. 03.11. 04.11. 05.11.

FRANKFURT BERLIN HAMBURG KÖLN MÜNCHEN

SAM AMIDON 28.10. DÜSSELDORF 29.10. HAMBURG 30.10. BERLIN

HEIN COOPER 08.09. 09.09. 10.09. 12.09. 13.09. 14.09. 15.09. 16.09.

FRANKFURT DÜSSELDORF HAMBURG HANNOVER STUTTGART ERLANGEN FREIBURG MÜNCHEN

ALIOCHA

18.11. BERLIN 19.11. HAMBURG

SELECTIVE ARTISTS www.selectiveartists.de


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#Review Lichtern oder Veganismus gesungen hätte. Angesichts dessen muss man nicht mal mehr auf Songtitel wie »Deathcap« oder »Weaker Than« schauen, um vom Gesamtpaket an (fast) gleichnamige Emo-Bands erinnert zu werden. Nur das abschließende »I Don’t Want To Be Sad Forever« wirkt durch seine »We don’t need war, we need love«-Zeilen dann doch überspitzt klischeehaft. Einer willkommenen neuen Stimme im Chor des Punk kann man aber auch ein unüberlegtes Wort verzeihen. Jan Martens

King Gizzard And The Lizard Wizard Murder Of The Universe Heavenly / PIAS / Rough Trade

EINZIGES NRW OPEN AIR

EINZIGES NRW OPEN AIR

15.07.2017 SPARKASSENPARK M‘GLADBACH

29.07.2017 SPARKASSENPARK M‘GLADBACH

Musikalische Apokalypse: Mit ihrem zweiten Album dieses Jahres liefern King Gizzard And The Lizard Wizard einen reißerischen Psychedelic-Soundtrack zum Ende des Universums. Was haben King Gizzard And The Lizard Wizard nur für einen monströsen Output: Zehn Alben präsentierte die Combo aus Melbourne seit der Bandgründung 2012, allein für 2017 versprach sie ganze fünf! Mit »Murder Of The Universe« liegt nun das zweite vor, und die Australier zementieren damit ein weiteres Mal ihren Ruf als Rock’n’Roll-Tausendsassas. Nie wandern sie die zuvor eingeschlagene Marschroute weiter, stets biegen sie auf einen neuen, unbekannten und oft mysteriösen Pfad ab. Und dieses Mal führt der in eine geniale dreiteilige Apokalypse: Zunächst liefern sich in Teil eins Mann und Bestie in mit glühenden Gitarren-Riffs und trippigen Harmonien versehenen Variationen zweier rivalisierender Songs einen unerbittlichen Kampf, bevor sich in Teil zwei ein wahnwitziges KrautrockScharmützel zwischen dem »Lord Of Lightning« und dem »Balrog« entzündet. Beide Kapitel stellen eine faszinierende Mischung aus furiosem Psych-Rock und nebulösem Spoken Word dar, für die sich die Band mit Singer/Songwriterin Leah Senior stimmliche Unterstützung ins Boot holte. Der letzte Abschnitt der Platte leitet dann das Ende des fiktiven Universums ein. Dafür verantwortlich: der mächtige Roboter Han-Tyumi, der alles mit seiner todbringenden Kotze zerstört und auf den letzten Tracks selbst den von einem technisch perfekten Gitarren-, Drum- und Geräusch-Massaker begleiteten Gesang zu übernehmen scheint. Von solch in allen Belangen schier unfassbar kreativen Alben dürfen King Gizzard And the Lizard Wizard gern auch zehn pro Jahr auf den Markt werfen. Tobias Tißen

erste Rockband ein Konzert in Nordkorea. »Also sprach Zarathustra« entstand nun für ein Theaterstück unter Leitung von Regisseur Matjaž Berger. Seine Materialauswahl reiht sich in die zahlreichen Auseinandersetzungen der Band mit Faschismus ein. Einige Textstellen, in denen Zarathustra den Starken das Recht zubilligt, sich zu nehmen, was sie wollen, und den »Überflüssigen« den Tod wünscht, wurden immer wieder als sozialdarwinistisch interpretiert. Auch die Lehre vom »Übermenschen« diente als philosophischer Boden für die NS-Ideologie. Laibach bedienen sich wie bei vielen ihrer früheren Werke des Prinzips der Überaffirmation. Die Inszenierung und das Herausschälen einzelner Textstellen geschieht bei ihnen nicht mit dem Ziel der Ironie, Satire, Übertreibung oder kritischer Distanz, sondern soll zu einer »affirmativen Überidentifizierung« führen. Zitate werden einer düsteren elektronischen Soundkulisse überlassen, sodass es dem Hörer vor Faszination und Ekel schaurig über den Rücken läuft. Es ist bei Laibach wichtiger, das Gesamtwerk eines begnadeten, politisch engagierten Künstlerkollektivs zu betrachten, als die einzelne Aktion. Eine Platte wie diese mit dem Handwerkszeug der Pop-Kritik fassen zu wollen muss scheitern. Konstantin Maier

Lapalux Ruinism Brainfeeder / Ninja Tune / Rough Trade

Ein Schwebezustand zwischen Wachen und Schlafen, zwischen Diesseits und Jenseits diente Lapalux als Inspiration für sein neues Album »Ruinism«. Bisher galt Stuart Howard, so heißt der aus Essex stammende Produzent im bürgerlichen Leben, als einer der zugänglicheren Produzenten des von Flying Lotus geführten Labels Brainfeeder. Diese Zugänglichkeit ist nun das erste Opfer des »Ruinsim« geworden. Lapalux schichtet eher assoziativ verfremdete, gepitchte Sounds, Stimmen und Samples übereinander. Alles wirkt luzid in einen nebulösen Traum gehüllt. Ganz losgelöst von allem Irdischen, taucht wie in »Falling Down« zusätzlich die elfengleiche Stimme der Isländerin JFDR auf. Die Clubbanger oder den elektronischen Soul der Vorgänger-Alben sucht man hier fast vergebens, auch wenn Lapalux mit »Essex Is Burning« oder »Flickering« kurz durchscheinen lässt, dass er wüsste, wie das geht. Teilweise fühlt man sich wirklich etwas verloren: Wie geht das hier weiter? Wo führt es hin? Auch wenn Lapalux auf der Zielgeraden des Albums einzulenken scheint und sein hervorragendes Gespür für somnambule, verspulte Tanz-Tracks durchscheinen lässt, wirkt das Album in sich wirr, mäandert ziellos vor sich hin. Großes Talent besitzt Lapalux ohne Frage, aber etwas mehr Kohärenz hätte dem Hörer hier weitergeholfen. Konstantin Maier

Laibach Also sprach Zarathustra EINZIGES NRW OPEN AIR

EINZIGES NRW OPEN AIR

05.08.2017 SPARKASSENPARK M‘GLADBACH

28.08.2017 SPARKASSENPARK M‘GLADBACH

TICKETS UNTER: WWW.TICKETMASTER.DE

Mute / PIAS / Rough Trade / VÖ 14.07.17

Laibach veröffentlichen ein Album für eine Theateradaption zum Werk »Also sprach Zarathustra« von Friedrich Nietzsche. Laibach blicken auf eine lange Geschichte voll von politischem Aktivismus und Kunstgriffen zurück. Erst kürzlich spielten sie als

Laurel Halo Dust Hyperdub / Cargo

Auf ihren ersten Alben brillierte Laurel Halo bereits als eklektizistische Klangstudentin. Mit »Dust« verwischt sie endgültig die Grenzen zwischen Sample und Instrument.


HEIMSPIEL MIT KRISTOF BEUTHNER

Zwischen Plüschsesseln und Festivalbühnen, Bierdosen und Game Boys, stillen Wäldern und schwarzem Samt: zehn Mal Musik, die man in nächster Zeit gerne und viel hören darf.

Beginnen wir besinnlich mit Christian Maiwald alias Mayforest, dessen selbstbetiteltes Debüt (mayfore.st) mit flächigen Ambient-Texturen die Naturschönheit eines stillen Waldes einfängt und somit per se schwer kitschverdächtig ist. Um in die allzu offensichtliche Falle zu tappen, sind die kryptisch mit »-)(-« oder »~------~« betitelten Stücke aber schlicht zu kontemplativ, meditativ und betörend und so dem Output von Künstlern wie Loscil oder A Winged Victory For The Sullen nah. Etwas mehr Rhythmus gibt es bei Mathias Götz unter dem Alter Ego Le Millipede, der die Stücke seines selbstbetitelten Debüts aus dem Jahr 2015 für »Mirror Mirror« (Alien Transistor) von Joasihno, Saroos und anderen remixen ließ. Da mischt sich dezente Elektronik mit antiker Krimi-Score-Romantik und Jazz, was das Album zu einem adäquaten Begleiter für kleine Stadtclubs mit Plüschsesseln und BioLimonade aus Indie-Manufakturen macht. Schön verspielt und hypnotisch. Ein wirklich spannendes Projekt hat der Berliner Sebastian Counts mit ToiToiToi am Start, dessen Debüt es nur unter der Hand gab, sodass »Im Hag« (Ghost Box) die erste regulär erhältliche LP darstellt. Hier findet man auf 19 mehr oder weniger skizzenhaften Tracks ein wahres Sammelsurium aus schrägen Tönen zwischen Jazz, Game-Boy-Fiepsen, Sprachgewirr und entspannten Beats. Was sich sehr anstrengend liest, ist in Wirklichkeit überaus zurückgelehnt und filigran. Muss man sich drauf einlassen, lohnt sich dann aber. Bescheidwissern ist Tonia Reeh durch ihre Solo-Werke und ihre Teilnahme an Projekten wie Monotekktoni oder Masonne auf dem Berliner Label Sinnbus ein Begriff; zusammen mit Rudi Fischerlehner bildet sie nun das Duo La Tourette. Der Bandname lässt in Verbindung mit dem Albumtitel »The Great Mickey Mouse Swindle« (Solaris Empire) skurrilen Gaga-Pop befürchten, in Wirklichkeit aber hören wir hier sehr stilvollen, elektrifizierten und angejazzten Drama-Pop, der erahnen lässt, warum man Reeh eine klangliche Nähe zu Amanda Palmer nachsagt. Lorraine, im Kern nur aus Eliane Oesch und Hajo Cirksena (Frames, Ove) bestehend, versammeln auf ihrer selbstbetitelten Debüt-EP (officiallorraine.wordpress.com) eine Truppe großartiger, aus anderen Bands bekannter Musiker wie Sönke Torpus an der Trombone und Jonas Meyer am Keyboard. Sanft treibend legt sich Oeschs Stimme mit viel Klasse und erhabener Anmut über sechs dezent angejazzte, nachtdunkle Samtpopsongs. Musik für stille Stunden.

Seit acht Jahren existieren die Duct Hearts aus München schon, nach etlichen Singles und EPs veröffentlicht die Band jetzt endlich ihr Debütalbum »Feathers« (Time Is A Color). Und obwohl sich das Trio in der Vergangenheit auch im Emo sehr wohlfühlte – was man vor allem an den rau-impulsiven Ausbrüchen merkt, die hier hin und wieder die Führung übernehmen –, ist »Feathers« vor allem ein klassisches Postrock-Album mit anschwellenden Crescendi, einbrechenden Soundwänden und wahrhaft malerischer Melodieführung. Und eben mit Gesang. Dringend zu empfehlen. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt zu Depart, deren »Find Yourself A Light« (Recordjet) die Hörer in die Hochzeit veritabler Indie-Bands aus hiesigen Gefilden wie frühe Slut oder die großartigen Readymade zurückführt. Depart erreichen allerdings nie deren Leichtigkeit, sondern suhlen sich zwischen wunderbar druckvollen Gitarren-Parts, energetischen Drums und leidenschaftlichen Vocals in schönster adoleszenter Melancholie.

Bei Kosmonovski handelt es sich um ein aus neun Musikern bestehendes Bandkollektiv, dessen Debüt »Augen zu und Furcht« (This Charming Man) in Münster eine vortreffliche Label-Heimat gefunden hat. Wer sich noch gerne an Muff Potter, die Band des heute eher als Buchautor agierenden Nagel, erinnert, dürfte sich an dieser Platte erfreuen: Der zackige Indie-Rock mit durch die Bank spürbarem Punk-Ansatz macht vieles ganz genauso richtig. Muff Potter und dazu die frühen Kettcar haben garantiert auch Lester gehört. Für »Die Lüge vom großen Plan« (Bakraufarfita) haben sich die fünf Münchner deren Pop-Appeal geborgt. Ansonsten haust die Band eher im Punk, fein ablesbar an Songtiteln, die »Dackelblut« oder »Halbe Distanz« heißen und zwar nichts Neues erzählen, diese Tatsache aber schön zupackend und rumpelig zelebrieren. Spätestens beim Riff des zweiten Songs »Blickdicht« hat einen die Band. Das würde in einer besseren Welt bei kleinen Festivals auf dem Land eine gute Rolle spielen. Dort sind schon seit geraumer Zeit Liedfett zu Hause, deren neuestes Werk »Phoenix aus der Flasche« (Ferryhouse) zum Großteil live eingespielt wurde. Diese Unmittelbarkeit hört man den elf Songs auch an, aber das ist halt nichts Außergewöhnliches für ein Trio, das im Liedermacher-Punk-Pop zu Hause ist. Als Neuerung hat sich die Band ein echtes Schlagzeug anstelle der obligatorischen Cajon gekauft. Sonst ist alles beim Alten: alltagsweise, unaufdringliche Lyrik zwischen Gesellschaftsverdruss und Aufbruchslust.

Rocket From The Crypt 09.07.17 10.07.17 12.07.17 13.07.17

Hamburg, Knust Düsseldorf, Zakk B, Festsaal Kreuzberg München, Strom

Ryan Adams

16.07.17 Berlin, Tempodrom

Devendra Banhart

16.07.17 München, Muffathalle

The Shins

14.08.17 Hamburg 15.08.17 Berlin 16.08.17 Köln

Get Well Soon + Lambchop 05.08.17 Karlsruhe, Zeltival

Daniel Lanois 12.08.17 14.08.17 15.08.17 16.08.17 19.08.17

Berlin, Heimathafen Hamburg, Kampnagel Köln, Kulturkirche München, Ampere Frankfurt, Zoom

Perfume Genius

16.08.17 Schorndorf, Manufaktur

DJ Shadow

17.09.17 Berlin 18.09.17 München 22.09.17 Mannheim

Courtney Marie Andrews 12.09.17 Berlin, Privatclub

Girlpool 14.09.17 15.09.17 16.09.17 18.09.17

Köln, Artheater Hamburg, Golem B, Kantine am Berghain Frankfurt, Zoom

Fazerdaze

21.09.17 Berlin, Musik & Frieden

Rhys Lewis

Novo Amor King Creosote Fenne Lily 20.09.17 Berlin 21.09.17 Köln

21.09.17 Berlin, Privatclub 23.09.17 Köln, Artheater

Clap Your Hands Say Yeah

25.09.17 B, Kantine am Berghain

The Amazons

29.09.17 Berlin, Privatclub 15.11.17 Frankfurt, Zoom 20.11.17 Schorndorf, Manufaktur

Slowdive

03.10.17 Berlin, Huxleys 04.10.17 HH, Uebel & Gefährlich

Mt. Wolf

28.09.17 Berlin 29.09.17 Hamburg

J. Bernardt

07.10.17 Heidelberg, Halle 02 08.10.17 Köln, Artheater 09.10.17 Berlin, Privatclub

The Dream Syndicate

19.10.17 HH, Uebel & Gefährlich 21.10.17 B, Festsaal Kreuzberg

Leyya

29.10.17 Frankfurt, Ponyhof Club 30.10.17 B, Kantine am Berghain

Shout Out Louds 09.10.17 München 10.10.17 Erlangen 11.10.17 Leipzig 12.10.17 Köln 13.10.17 Hamburg 14.10.17 Berlin

Hurray For The Riff Raff 02.11.17 Berlin, Privatclub

Ride

05.11.17 Berlin, Astra

Jason Isbell + Tift Merritt

07.11.17 HH, Uebel & Gefährlich 08.11.17 B, Columbia Theater

The Barr Brothers

The War On Drugs

03.11.17 Köln 20.11.17 München 21.11.17 Hamburg 22.11.17 Berlin

10.11.17 Köln, Studio 672 12.11.17 Berlin, Privatclub

Island 16.11.17 17.11.17 18.11.17 22.11.17

Idles

Köln, Blue Shell Hamburg, Häkken B, Kantine am Berghain München, Unter Deck

26.11.17 Münster, Gleis 22 27.11.17 Hamburg, Molotow 28.11.17 Köln, Gebäude 9

Benjamin Clementine

18.11.17 Hamburg 19.11.17 München 20.11.17 Köln 21.11.17 Berlin 22.11.17 Dortmund

Tickets & Infos: www.schoneberg.de


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#Review Freunde gewagter Genre-Mixturen können aufhorchen: Endlich haben auch Alternative-R’n’B, Musique concrète, Cool Jazz und Detroit-Nuancen die Hochzeitsglocken läuten lassen. Was erst nach verkrampfter Ehe klingt, entfaltet auf Albumlänge eine überraschend abwechslungsreiche Beziehung, die als klassisches Beispiel dafür durchgeht, wie aus der Symbiose von Bekanntem etwas völlig Neues entstehen kann. Laurel Halos süffisant verspielte Samplekunst ist taktgenau arrangiert, luzid und trotzdem verträumt, reizt die Limits ihres Klangspektrums aber nie zu stark aus. Dabei verlangen die tonal und konzeptionell dicht aneinandergeketteten Stücke dem Hörer ein hohes Maß an Aufmerksamkeit ab, um zu voller Blüte zu gelangen. Vom dubbig-tropischen Flirren des Openers »Sun To Solar« über das metallisch jazzende Interlude »Arschkriecher« bis zum staubtrockenen SpokenWord-Kopfkino »Who Won?« ist es ein vertrackter Weg durch stickige Tunnel, vorbei an sterilen Bauhausfassaden und futuristisch dekonstruierten Museen, deren Formen mit »Dust« durchaus ein akustisches Äquivalent gestiftet wird. Ohnehin wirkt es so, als hätte sich Halo von postmoderner Architektur beeinflussen lassen, um ihre Musik zugleich distanziert und künstlerisch involviert zu gestalten. Bei allen Details erscheinen tatsächlich nur ihre Gesangseinlagen an manchen Stellen etwas deplatziert – ein Element, das auf diesem Album jedoch auch als wohlüberlegtes Stilmittel gelten kann. Nils Schlechtriemen

Lea Porcelain Hymns To The Night Lea Porcelain Recordings / Kobalt / Rough Trade

Die Nacht hat viele Gesichter: Zwei Berliner inszenieren ihre Antithese zum lauten Nachtleben in der Hauptstadt als düster-synthetische Postpunk-Katharsis.

Markus Nikolaus und Julien Bracht hatten die Nase voll von Berlins Nächten. Sie suchten einen eigenen Blickwinkel auf die Nacht, wollten Repräsentanten eines individuellen Empfindens sein. Auf dem Debütalbum als Lea Porcelain, das völlig konsequent »Hymns To The Night« heißt, zeichnen sie ein düster-unterkühltes, nachdenkliches und zutiefst melancholisches Nachtbild, in dem man von Pop gewohnte Songstrukturen lange suchen muss – die musikalischen Visionen des Duos wirken wie repetitiv inszenierte Momentaufnahmen. Und weil kein Moment dem anderen gleicht, ist die Nähe zu Kraut, New und Cold Wave sowie Postpunk auch nur der kleinste gemeinsame Nenner der zwölf Hymnen. Dabei brechen sie die maschinelle Monotonie aus hallenden Drums und weitläufigen Synthie-Flächen immer wieder auf, wenn sie in »A Year From Here« etwa eine Ukulele mit wehen Klängen von Sonnenstrahlen künden lassen. Doch die sind nicht in Sicht: »Hymns To The Night« ist eine schwarz verhangene, in ihrer Introspektion absolut faszinierende Ode an die Stunden, in denen außer langer Dunkelheit nicht das Geringste gewiss ist. Kristof Beuthner

Soloalbum »Liebe in Zeiten der Follower« taugen kann? Nun ja, die deutschsprachigen Chansons von Leßmann sind nicht nur musikalisch irgendwie bewusst verstaubt – die Themen und Texte wirken ebenfalls nostalgisch verklärt: Trinken, Liebe, Kneipe, Frauen. Auch wenn Leßmann stets bemüht ist, zeitlose Bilder entstehen zu lassen, wirken diese zumeist ihrer nostalgischen Sehnsucht verhaftet. Selbst die Soundkulisse mit holpernden Klavierläufen und großen Orchestrierungsgesten erinnert oft eher an Big Band oder Max Raabe als an Chansoniers wie Charles Aznavour. Es gibt durchaus auch schöne Momente wie »Lied aus dir«, hier funktioniert die Entzeitlichung, weil Liebe wohl nicht alt wird. Insgesamt begleitet das Album aber ein großes Fragezeichen: Ist das ernst gemeint, und wenn ja: wieso? Leßmann kann hervorragend texten, das hat er schon zur Genüge unter Beweis gestellt; es wäre schön, wenn er das schrullige Nostalgie-Orchester und diese Haltung dafür zu Hause ließe. Denn wer will schon einen 24-jährigen Sven Regener? Konstantin Maier

Max Richard Leßmann Liebe in Zeiten der Follower

Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen It’s OK To Love DLDGG

Caroline / Universal / VÖ 21.07.17

Tapete / Indigo / VÖ 14.07.17

Ein Nostalgie-Move von einem norddeutschen Chansonier: Max Richard Leßmann singt in Big-Band-Manier von Kneipen, Lippenstiften und Brigitte Bardot. Insgesamt ist das etwas zu viel nostalgisches Feeling. Der junge Mann, der auf den Namen Max Richard Leßmann hört, ist einigen vielleicht bereits als Sänger der Husumer Indie-Band Vierkanttretlager bekannt. Husum, die graue Stadt am Meer, liegt in Nordfriesland, hier ist es immer nass, und es gibt Schafe. Wie das alles jetzt für eine These zu seinem neuen

Die Liga um die Ex-Superpunks Carsten Friedrichs und Tim Jürgens liefert gewohnt solide. Dank ihnen wird nebenbei auch der große Kölner Pfandflaschenbetrug aufgeklärt. Seit dem Ende von Superpunk lindert Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen den herben Verlustschmerz verlässlich mit ihrem augenzwinkernden Rumpel-Soul. Warum also an dem Erfolgsrezept irgendwas ändern? Solange es noch Geschichten über alltägliche Tragödien, Verfettung, den EisGerd oder einen Pfandflaschenbetrug in Köln zu erzählen gibt,

20.-23. SEPT. 2017 500 KONZERTE · BETH DITTO · MAXÏMO PARK · PORTUGAL. THE MAN · TUA · FABER · MOOP MAMA · OWEN PALLETT & S T A R G A Z E · LOVE A · DISPATCH · SONGHOY BLUES · ALL THEM WITCHES · ALICE MERTON · WELSHLY ARMS · YASMINE HAMDAN · ZEAL & ARDOR · DILLON · CHARLIE CUNNINGHAM · THE DRUMS · TIMBER TIMBRE · MEUTE · OSCAR AND THE WOLF · ARCANE ROOTS · KELLY LEE OWENS · THE MARCUS KING BAND · TOM GRENNAN · WAXAHATCHEE · WUCAN · ARY · ANTJE SCHOMAKER · BETSY · CLAP YOUR HANDS SAY YEAH · CURRENT SWELL · EMA · FINDLAY · FRIENDS OF GAS · ISOLATION BERLIN · KING CREOSOTE · LION SPHERE · NEWTON FAULKNER · RATIONALE · SERO · SKOTT · SLOWY & 12VINCE · SLØTFACE · SUFF DADDY & THE LUNCH BIRDS · THE AMAZONS · THE DISTRICTS · THIS IS THE KIT · DANIEL BRANDT & ETERNAL SOMETHING · SOL HEILO · MARIKA HACKMAN · LYGO · LEONIDEN · LÙISA · CANDELILLA · SIR WAS · PIXX · FAZERDAZE · LET‘S EAT GRANDMA · BLOOD COMMAND · UVM. ARTS · FILM · WORD · WORKSHOPS & MORE · KONFERENZ · 260 PROGRAMME ZUR MUSIK- UND DIGITALWIRTSCHAFT FESTIVALTICKET VON 30,00 € BIS 95,00 € INKL. GEBÜHREN · KONFERENZTICKET AB 173,00 € INKL. GEBÜHREN

REEPERBAHNFESTIVAL.COM NOTHING BUT

HOPE PASSION AND

Organiser: Reeperbahn Festival GbR & Inferno Events GmbH & Co. KG


so lange muss auch Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen existieren. Der 1960er-Northern-Soul-Beat geht immer noch gut rein, die Hammond-Orgel treffsicher ins Ohr. Mal tobt sich die Band mit knackigen Bläsersätzen in Richtung Ska aus, in »Die Welt braucht mehr Leute so wie dich« geht es sogar etwas waviger zu. Obligatorisch der Background-Chor aus prominenten alten Bekannten wie Dorau, Begemann und Konsorten. Wem das alles nicht miesepetrig genug ist, der soll doch Tocotronic hören. Alle anderen dürfen dabei bleiben: Es ist schon okay, DLDGG zu lieben. Thorsten Streck

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Melvins A Walk With Love And Death Ipecac / PIAS / Rough Trade / VÖ 07.07.17

Declan McKenna What Do You Think About The Car? Columbia / Sony / VÖ 21.07.17

Schon bevor Declan McKennas Debüt überhaupt erschienen ist, kann man prophezeien, dass dieser blutjunge Songwriter spätestens zum zweiten Album von den Titelseiten einschlägiger Musikmagazine lachen wird. Zehn Euro drauf? Der Grund für diese Prognose liegt nicht (nur) darin, dass sich wahrscheinlich jede Kamera Hals über Kopf in den gerade erst 18-jährigen McKenna verlieben muss, so lasziv und schnuffelig, wie er vom Cover seines ersten Albums herunterschmachtet. Auch musikalisch zeigte der Brite bereits mit seinen Singles das Potenzial, zum neuen Konsens-Songwriter aller zu werden, die sich beim Wort »Pop« nicht vor Ekel im Schrank einsperren. Diese Songs waren nämlich nicht nur clevere Ohrwurmgaranten irgendwo zwischen Jake Bugg und Ed Sheeran, sondern auch inhaltlich eigen genug, um sich beispielsweise im Falle von »Brazil« den kontroversen Austragungsort der letzten Herrenfußball-WM zum Thema zu nehmen. Dass ein so junger Musiker mit allerlei Vorschusslorbeeren in Form von Nachwuchspreisen und mit Verträgen winkenden Labels überschüttet wurde, überrascht nicht. Ungewöhnlicher aber ist, wie sehr »What Do You Think About The Car?« sie in vollem Umfang rechtfertigen kann. Auch auf Albumlänge behält McKenna nämlich den richtigen Riecher für gefällige, aber nie zu glatte Popsongs, auch wenn dem Hörer deren Hit-Tauglichkeit nur selten so sehr mit dem nackten Hintern ins Gesicht springt, wie es etwa die Auskopplung »The Kids ...« noch tat. Da bahnt sich das nächste große Ding an – ich glaube, ich setze gleich einen Zwanziger. Jan Martens

Mt. Wolf Aetherlight CRC / Al!ve

Das Londoner Trio Mt. Wolf lässt sich Zeit für ein intensives, ausladendes Musikerlebnis und führt auf seinem Debüt Sigur Rós, The National und Bon Iver zusammen. Es muss die Stimme von Sebastian Fox sein, die inmitten der hypnotisierenden Synthie-Klanglandschaften, sanften Gitarren und Chöre eine traumartige Atmosphäre erschafft. Er nimmt sich dabei Zeit und Raum für ein genüssliches Musikerlebnis, ohne auf eine Punktlandung zu bestehen. »Aetherlight« fließt vor sich hin, genauso ungreifbar, wie es der Titel suggeriert. Dabei ist es wunderschön, einnehmend und wirklich wohltuend. Mt. Wolf haben bereits 2012 ihre erste EP veröffentlicht, nach Besetzungswechseln und einer vorläufigen Trennung dauerte es aber bis jetzt, ein Album zu produzieren. Sänger und Gitarrist Fox hat das Album zusammen mit Stevie McMinn und Al Mitchell aufgenommen. Das sorgsam durchkomponierte Ergebnis liegt irgendwo zwischen Filmmusik, elektronisch angehauchtem Folk und dahinschwebendem Postrock. Melancholie (»Hex«) und Verzückung liegen hier so dicht beieinander, dass es einen innerlich in andere Sphären entführt (»Bohemia«). Die Unverständlichkeit mancher Texte trägt zur gewollten Mystifizierung bei und kann insofern gerne verziehen werden. Elisabeth Haefs

Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Die Melvins zeigen auf ihrem ersten Doppelalbum, dass zusammenpasst, was nicht zwangsläufig zusammengehört. Das neue Melvins-Album enthält praktisch zwei neue Veröffentlichungen in einer. Während »Death« eine »normale« Melvins-Rock-Platte ist, präsentiert »Love« den Soundtrack zu Jesse Nieminens Film »A Walk With Love And Death«. »Death« kommt mit schweren, langsamen und drohenden Tracks, tollen heroischen Chören, psychedelischen Elementen und kraftvollen Gitarrensoli – eine grundsolide Angelegenheit also. »Love« hingegen zeigt mit elektronischem Gepiepse und Geklingel, Field-Recordings zwischen Schwimmbadszenario, Flugzeugbrummen und Zeitlupenstimmen, Dialogschnipseln und allgemein einer unglaublichen Experimentierfreude eine ganz andere Seite des Trios aus Seattle. Da kämpfen Rückwärts-Rätselhaftigkeiten mit gequälten 1960er-Orgeln, infernalischem Kiffer-Gegniedel, entmenschtem Geschrei, Gestöhn und Hochgeschwindigkeits-Jazz. Diese Irren! Großartig! Als musikalische Gäste sind zudem Joey Santiago (Pixies), Teri Gender Bender und Anna Waronker (That Dog) dabei. Andreas Brüning

TOUR 2017, TEIL 1: 27.09. BREMEN / 08.09. DÜSSELDORF / 29.09. LUDWIGSHAFEN / 30.09. MARBURG / 01.10. SOEST / 03.10. REUTLINGEN / 04.10. KARLSRUHE / 05.10. SCHORNDORF / 06.10. REGENSBURG / 07.10. FREISING / 25.10. A-DORNBIRN / 26.10. A-WIEN / 27.10. A–SALZBURG / 28.10. A–GRAZ TEIL 2: 15.11. - 01.12.

Mise En Scene Still Life On Fire Ferryhouse / Warner

Nach längerer Schaffenssiesta sorgen Mise En Scene wieder für gesellschaftstadelnden Stimulus. »Still Life On Fire« greift voll in die Punk- und Alternative-Palette und ist nicht nur rauer, sondern auch reifer als sein Vorgänger. Filmtheoretisch meint Mise En Scene die Erfassung szenisch angeordneter Wirklichkeit. Auf dem Zweitwerk des kanadischen Quartetts offenbart der Name jedoch mehr als gefällige Wortspiele, vielmehr scheint es diesem darum zu gehen, Optimierungsillusionen als das zu entlarven, was sie sind: kümmerliches Geltungsverlangen. Musikalisch vermutet man hinter den abgewetzten Punk- und GarageArrangements (»Closer«, »Light In The Night (Lies)«) zunächst kratzige Wegweiserinnen wie Le Tigre oder Sleater-Kinney. Dass mit eskapistischer Scheinheiligkeit (»The Real Thing’s Not Enough«) oder feministischem Aufbegehren in »Waster« auch Topoi der Riot-Grrrls verhandelt werden, wirkt angesichts dessen nur konsequent. Mise En Scene sind jedoch keine trauernden Nostalgiker, in der zweiten Hälfte wird das Album weitaus bauschiger. Dank ungleich harmonischerer Klangkompositionen – Synthesizer und Glockenspiele schleichen sich vermehrt ein – können sich nun auch unverbesserliche Indie-Pop-Fantasten in deutlich geschmeidigeren Atmosphären suhlen. Ein schärferes Profil ist nach ihrem Debüt »Desire’s Despair« in jedem Fall erkennbar. »Still Life On Fire« ist nicht mehr ganz so süßlich wie sein Vorgänger, wirkt rundweg emanzipiert und ist es nicht nur deshalb wert, aufmerksam entdeckt zu werden. Benni Bender

Kevin Morby City Music Dead Oceans / Cargo

»City Music« ist ein Konzeptalbum über das Leben in der Stadt. Kevin Morby ist dabei weniger Flaneur als vielmehr stiller Beobachter, der mit der Zigarette in der Hand am Fenster steht und das Treiben aus der Ferne beobachtet.

BEGINNER TOUR 2017 25.10. FLENSBURG / 26.10. AURICH / 27.10. GÖTTINGEN / 28.10. KOBLENZ / 30.10. KARLSRUHE / 31.10. MÜNCHEN / 01.11. FULDA / 02.11. KREFELD

DEICHKIND NIVEAU WESHALB WARUM LIVE 2017

28.07. D re s d e n 2 9.07. B e rli n 0 5.0 8. M ö n c h e n g la d ba c h 2 5.0 8 . Ha m b u rg 26 .0 8 . M ü n s te r 0 9.0 9. M ü n c h e n A ll e s we i te re a u f d e i c h k i n d.d e


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#Review Kevin Morby war früher Mitglied der Psych-Folk-Band Woods, wandelt aber schon seit ein paar Jahren auf Solopfaden. Sein letztes Album »Singing Saw« verhalf ihm zu größerer Aufmerksamkeit. Um die MiniRadio-Hits »Dorothy« und »I Have Been On A Mountain« spann er destruktive und düstere Balladen, die so originär waren, dass er von da an mit der Kritikerliebling-Visitenkarte hausieren gehen konnte. Dem tendenziell depressiven Charakter des Vorgängers setzt er nun eine lebensbejahendere Platte entgegen, Morby hat sich quasi vom Bett zum Fenster heraufgearbeitet. Und was er beim Blick durch das Fenster sieht, sind Menschen, die auf Bahnen warten, vereinzelt vorbeiziehende Autos, die die melancholische Lethargie des Morgens brechen. Die Mannigfaltigkeit städtischen Lebens scheint sich bei ihm in einer größeren stilistischen Spannbreite auszudrücken. Die für Morby typischen herrlich müden Liebeslieder wie »Come To Me Now« werden diesmal auch von kurzen RockabillyNummern wie »1234« abgelöst. Der langsame Bar-Jazz in »Dry Your Eyes« dann ist der Soundtrack für den heißesten Tag des Sommers – so langsam zieht das Stück seine Runden. Insgesamt ist »City Music« eine abwechslungsreiche Platte, die nicht immer die Magie ihres Vorgängers erreicht, den Ruf Morbys als einer der derzeit besten amerikanischen Songwriter aber problemlos festigt. Kai Wichelmann

Eric Pfeil 13 Wohnzimmer Trikont / Indigo

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anathema.ws

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Der singende Musikkritiker geht mit seinem dritten Album in die Wohnzimmer seiner Fans. Das MTV-Unplugged09.06.2017 11:10:53 Uhr Album des Eric Pfeil kommt mit augenzwinkernder Gitarrenmelancholie und Bierflaschenklirren. Man bekommt angesichts von »13 Wohnzimmer« den Eindruck, dass das, was den Ex-»Fast Forward«-Redakteur und RollingStone-Kolumnisten am meisten interessiert, das Ende ist. Allem voran das Ende des Lebens. Aber auch das Ende von Paarbeziehungen, das Ende von Wegen, das Ende der Zeit und das Ende von Western. So kommt es, dass er selbst seine Songs auch ziemlich düster findet. Kein Wunder bei Zeilen wie »Ich hab’ in Kneipen gelebt und auf den Tischen getanzt und heute hab’ ich Demut vor den Dingen und eine Riesenangst«. Was er dabei wohl bewusst geflissentlich verkennt, ist, dass er seit jeher über einen feinen und elaborierten Humor verfügt – und diesen auch äußerst effektiv einsetzt. Gerne lässt er dabei einfach den Reim für sich arbeiten. Zeilen wie »Du sagst, du glaubst nicht an Gott, aber du hast’s auch lang nicht versucht« zeigen zudem seinen Hintersinn. Und auch eine gewisse Hinterlist: Seine neuen Songs geben durch ihre Live-on-Tape-Lo-Fi-Produktion mehr denn je vor, zur scheinbar endlos andauernden neuen deutschen Gefühligkeitswelle zu passen. Tatsächlich aber haben sie permanent ein Böhmermann-Grinsen im Gesicht. Eines, das Dauerironie signalisiert. Außerdem haben sie die eine oder andere wirklich hübsche Melodie und glänzen durch tolle Gastmusiker von Erdmöbel und Kofelgschroa. Durch ihre Qualität überstehen sie auch die ziemlich blöde Idee mit den Wohnzimmer-Aufnahmen samt Kinderquaken, Kirchenglocken und Geschirrklappern. Eric Pfeil sagt, er habe damit die Perfektion des Studios vermeiden und Ecken und Kanten reinbringen wollen, wie seine Indie-Helden Sebadoh oder Guided By Voices. Bloß fehlten jenen teilweise auch

einfach die Mittel. Vielleicht hätte Pfeil sich angesichts dieser konstruierten Authentizität per Wohnzimmer auch einfach selbst beim Wort nehmen sollen: »Mir ist die Sache mit der Realität am Ende auch gar nicht mal so wichtig. Aber wenn ich mich verliebe und wenn ich mich besaufe, dann mach’ ich das auch richtig.« Claudius Grigat

Mura Masa Mura Masa Polydor / Universal / VÖ 14.07.17

Auf seinem Debütalbum vereint der junge britische Produzent Mura Masa R’n’B äußerst gelungen mit Pop und EDM. Auch wenn Großbritannien nicht gerade für sein gutes Wetter bekannt ist, liefern Briten seit Jahren die besten Alben für den Sommer. In den vergangenen Jahren waren dafür Jamie xx, Metronomy, Disclosure oder Jungle verantwortlich. Das diesjährige Brit-Album des Sommers stammt von Alex Crossan alias Mura Masa. Die ersten SoundCloud-Tracks veröffentlichte er noch im Kinderzimmer auf der Kanalinsel Guernsey, mit dem Umzug nach Brighton folgten LiveShows, Mixtapes, EPs und Feature-Gäste wie Nao und Jay Prince, mittlerweile wohnt der 21-Jährige in London. Das Debütalbum sollte ursprünglich »To Fall Out Of Love To« heißen und im vergangenen Jahr erscheinen, nun kommt es verspätet und selbstbetitelt. Es versammelt neben bereits veröffentlichten Kollaborationen mit A$AP Rocky, Charli XCX und Nao auch Features von Damon Albarn und A.K. Paul. Crossan setzt aber auch vermehrt auf seine eigene Stimme, etwa auf dem Trap-lastigen Opener »Messy Love« oder dem japanisch anmutenden »Give Me The Ground«. Er vereint verschiedenste Genres von Pop (»1 Night«) und R’n’B (»What If I Go?«) über EDM (»All Around The World«) bis Dancehall (»Nuggets«). »Mura Masa« ist ein gelungenes Album, das seinen stimmigen Abschluss mit dem autogetunten Gesang von Damon Albarn auf »Blu« findet. Zwar schlägt Crossan neben all seinem Hit-Appeal auch von Liebeskummer geplagte melancholische Töne an, trotzdem ist sein Debüt wie gemacht für eine Romanze im Sommer. Louisa Zimmer

Michael Nau Some Twist Full Time Hobby / Rough Trade

Der Songwriter aus Maryland versucht’s mal mit Gemütlichkeit und legt ein entspanntes Album voller Detailverliebtheit vor. Michael Naus Debüt »Mowing« trieb mit all den schönen Momenten manch einem Musikliebhaber Tränen in die Augen. Leider blieb es aufgrund des kleinen Release-Rahmens bei nur so manch einem und nicht einigen anderen Entdeckern. Auch sein neues Werk ist ein perfekt formuliertes Empfehlungsschreiben, für das der Songwriter seinen Sound noch weiter ausdefiniert hat. Matthew E White wird angesichts all des Retrogefühls, das »Some Twist« vom ersten Ton in Gedenken an Lee Hazlewood versprüht, sicherlich entzückt mit dem Rauschebart wippen. Zugleich tauscht Nau jedoch die starken Hooks des


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ESSEN ZECHE CARL ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ 26.07. NÜRNBERG CLUB STEREO ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ 27.07. STUTTGART CLUBCANN ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ 29. SEPTEMBER – 01. OKTOBER 2017 · DORTMUND ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ PORTUGAL. THE MAN · SLOWDIVE ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ Portugal.The Man THE DISTRICTS · DRANGSAL · MOGLI · THE VEILS · ISLAND ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ Woodstock WARHAUS · LEONIDEN · FAZERDAZE · VOODOO JÜRGENS ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ THE AMAZONS · GURR · ADNA · WAXAHATCHEE ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ LEWIS CAPALDI · ASTRONAUTALIS · IDER · CONSOLERS ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ VAN HOLZEN VISIONS STAGE · VAL SINESTRA VISIONS STAGE ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ TICKETS: 01806 62 62 80* & (040) 413 22 60 ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ *€ 0,20 / ANRUF AUS DEM FESTNETZ, MOBILFUNK MAX. € 0,60 / ANRUF ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ ↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖↖ ↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗↗ Vorgängers gegen das flüchtige und überaus wohlig klingende Gesamtbild ein. Hier soll kein Stück aus der Reihe treten und die Schunkelstimmung stören. So dauert es ganze sechs Songs, bis Nau in »Oh, You Wanna Bet?« etwas an der Dramaturgieschraube dreht und sich von Fuzz-Gitarren anschubsen lässt. Für Aufruhr sorgt er sonst nur im allerkleinsten Rahmen, wenn er beispielsweise in »Wonder« am Ende sichtlich vergnügt mit den Feedbacks spielt, kleine Off-Beat-Elemente wie Ostereier versteckt oder mit Zeilen wie »Everyone’s carrying something / Maybe you’re carrying me and I’m carrying you« für ein seliges Lächeln beim Hörer sorgt. Selten klang ein Album ohne nennenswerte Höhepunkte so wunderbar stimmig. Sebastian Jegorow

von einer recht dreckigen Rock-Combo zum Pop-Act entwickelt haben. Von der zappeligen Frühphase abgesehen, an deren Sohle noch die dreckigen Spuren ungefilterten NoiseRocks klebten, schien Popmusik später immer mehr das vorderste Ziel. Egal, ob dafür Glam-Elemente oder Modernismen wie auf dem letzten, von Danger Mouse produzierten Album »Evil Friends« nötig waren. Auf der neuen Platte abstrahiert die Band ihr bisheriges Sounddesign, dessen Kernbaustein stets 1960er-Rock gewesen ist, so sehr, dass man sie nicht auf Anhieb wiedererkennt. So ist auf »Number One« produktionstechnisch so viel los, dass dem Hörer ganz schwindelig wird. Alles ist auf der Höhe der Zeit produziert, das Schlagzeug kommt gefühlt aus dem Computer. Auf »Mr. Lonely« darf Fat Lip rappen und Sänger John Gourley seine Stimme mit Auto-Tune verzerren. Durchatmen ist aber möglich, denn die Experimente, die Portugal. The Man hier probieren, gelingen. Bloß mit Gitarrenmusik hat das nur noch wenig zu tun. Das darf man schade finden, kann es aber auch begrüßen. Kai Wichelmann

Presents

Island / Universal / VÖ 14.07.17

Oh Wonder komponierten für »Ultralife« größtenteils elektronischen AlternativePop mit viel Klavier und Gefühl. Nur hier und da wird der Tonfall etwas zu süßlich. Mit Songs wie »Lose It« wurden Oh Wonder einem größeren Publikum bekannt: Josephine Vander Gucht und Anthony West arbeiten seit 2014 zusammen, das selbstbetitelte DIY-Debüt veröffentlichten sie 2015. Ihre Taktik, jeden Monat einen Song zu veröffentlichen, hatte bis dahin einen kleinen Hype ausgelöst. Ihr Stil besticht durch eher klassische Melodien, einfach zu hören und gefällig, eine besondere Note bringt die elektronische Instrumentierung hinein. Ganz zu schweigen von der Harmonie der beiden Stimmen, die meist gemeinsam ertönen – und zwar nicht zweistimmig, sondern im Einklang. West singt in der Regel einfach eine Oktave tiefer als Vander Gucht. Trotz aller Ästhetik klingt auf dieser Platte auch eine gewisse Gelassenheit durch. Titel wie »High On Humans« mögen manchmal zu viel des Guten und Begeisterten sein, zwischen lauter verliebten Texten taucht dann jedoch das gedämpfte »Solo« als angenehme Abwechslung und Zelebrierung des Alleinseins auf. »Heavy« wiederum lässt eher die 1990er aufleben, andere Titel wie das übereuphorische »Ultralife« oder »Waste« dagegen sind deutlich zeitgenössisch. Die ganze Magie des Duos kommt bei »Slip Away« zum Vorschein: einer beinah eintönigen Ballade, die zum Ende hin einen beeindruckenden Sog entwickelt. Elisabeth Haefs

Atlantic / Warner

»Woodstock« hat wenig mit dem damit assoziierten Musikstil zu tun. Dafür aber viel mit dem Freiheitsgefühl, für das das Festival ebenfalls stand. Die Komfortzone der Freiheit wissen Portugal.The Man für ihr bis dato untypischstes Album zu nutzen. Pop hat viele Gesichter und kann durch verschiedenste musikalische Wege erreicht werden. Beim Durchhören älterer Platten von Portugal.The Man fällt in jedem Fall sehr deutlich auf, wie sehr die Amerikaner sich

E V E R Y VA L L E Y T O U R

08.11.17 18.11.17 20.11.17 26.11.17

XL / Beggars / Indigo

Mit »OK Computer« wurden Radiohead 1997 zu der Band, der man alles zutraute und von der man noch mehr erwartete. Zum Jubiläum erscheint die LP als remasterte Edition mit unveröffentlichten Songs. Der Einfluss von »OK Computer« lässt sich kaum hoch genug einschätzen. Nicht nur künstlerisch, wie das Album einfach in einem Rutsch die Ästhetik von Muse, Coldplay und David Finchers »Fight Club« antizipiert hat. Nein, das Album hat direkt vorweggenommen, wie sich die Jahre nach seinem Release anfühlen würden. Und wie eine gute Dystopie bleibt »OK Computer« auch nach Jahrzehnten anschlussfähig und immer wieder neu deutbar. Seine bedrückende Vision von Entfremdung und der Verschmelzung von Mensch und Maschine ist heute noch genauso eindringlich wie damals, wenn nicht noch mehr. Das Jubiläums-Release poliert das Album nun mit einem Remastering auf. Das Intro von »Airbags« sägt sich jetzt noch fieser ins Gehirn, Thom Yorkes Stimme schwebt noch ein bisschen mehr über allem. Die zweite CD liefert neben acht bereits bekannten B-Seiten drei bisher unveröffentlichte Songs. »Lift« ist ein unbestreitbarer Hit, der schon damals das Potenzial gehabt hätte, ein zweites »Creep« zu werden, aber eben nicht in das Gesamtkonzept des Albums passte. Man kann sich kaum ausmalen, welche Kämpfe die Band ausgefochten haben muss, um einen solchen Hit in der Schublade verschwinden zu lassen, um stattdessen das sechseinhalbminütige Ungetüm »Paranoid Android« als Single zu veröffentlichen. »I Promise« steht in Sachen Hit-Potenzial nur knapp hintendran und zeigt, wie viel Angst Radiohead damals hatten, zu berühmt zu werden. Nur das für den »Mit Schirm, Charme und Melone«-Soundtrack aufgenommene »Man Of War« fällt etwas schwächer aus und klingt wie ein zu verkopfter Bond-Titelsong. Chris Martin hat mal gefragt, was wohl passieren würde, wenn man Dick Cheney »OK Computer« vorspielt. Wir sollten es den KIs, die unsere Zukunft prägen werden, vorspielen, damit sie uns ein bisschen besser verstehen. Dominik Bruns

HELTER SELTZER

TOUR 2017

MÜNCHEN KRANHALLE BERLIN FRANNZ CLUB HAMBURG KNUST KÖLN YUCA

02.09.17 KÖLN LUXOR 03.09.17 BERLIN MUSIK & FRIEDEN 04.09.17 HAMBURG KNUST 05.09.17 FRANKFURT BROTFABRIK 06.09.17 MÜNCHEN KRANHALLE

WAY BACK WHEN IV


110

#Review im menschlichen Beharren auf Neuerungen sowie Erinnern an Errungenschaften. Das Album hallt so noch tagelang nach, denn es trifft nicht unseren Nostalgie-Sinn, sondern einen neuralgischen Punkt im Jetzt. Kerstin Kratochwill

Ska-Einsprengsel sind sie so schwierig zu unterscheiden wie einzelne Kampfsequenzen in einer Bud-Spencer-Keilerei. Als Hymne bleibt vor allem »Say Goodbye To Our Heroes« hängen, eine Mitgröl-Ode an verdiente Punklegenden, die aber gut ein oder zwei Minuten Spielzeit mehr hätte vertragen können. Oliver Uschmann

Public Service Broad­ casting Every Valley PIAS / Rough Trade / VÖ 07.07.17

Public Service Broadcasting haben sich dem Art-Rock verschrieben. Ihr neues Album ist ein Gesamtkunstwerk aus verschiedenen kombinierten Medien, das die Zukunft der Menschheit mit Mitteln der Vergangenheit erfasst: Retro-Futurismus in seiner schönsten Form. Public Service Broadcasting übernehmen auf »Every Valley« tatsächlich einen öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag und erzählen die universelle Geschichte von den Abgehängten auf dem vernachlässigten Land. Doch ihr Soundtrack der verlassenen Gemeinden ist nicht typisch englisch und fast überall in der westlichen Welt erschreckend aktuell. Das Projekt legt unter gesprochenes Archivmaterial über den Niedergang der Steinkohleindustrie in Wales eine treibende Musik aus Drums, Gitarren und elektronischen Schnipseln. Die Referenz Kraftwerk schimmert immer wieder durch, doch die Menschmaschine ist hier mehr Mensch denn Maschine: Vor allem Elemente wie der warme Gesang von Camera-Obscura-Sängerin Tracyanne Campbell auf »Progress«, der mit Vocoder-Stimmen konfrontiert wird, verhindern eine distanzierte Herangehensweise an das sperrige Thema. Public Service Broadcasting heben das Genre der Progressive Music auf ein neues Level, der Fortschritt zeigt sich nicht im technologischen, sondern

Rancid Trouble Maker Epitaph / Indigo

Der Trouble von Rancids Punkrock-Rangelei kommt ohne große Einzelchoreografie aus. Spaß macht sie trotzdem. Musikalisch ist es bis heute erstaunlich, dass Rancid im Zuge des von Green Day und The Offspring angefachten Punk-Hypes Mitte der 1990er mit ins Establishment des Erfolgs gespült wurden. Den Pop-Appeal oben genannter Herren oder den zeitlosen, an Folk und Mersey Beat geschulten Ohrwurmcharakter der meisten MelodycoreBands teilten sie nie. Stattdessen: Tradition, Straße, Bier-Atem, Schwingerfaust und Dreck an der Hose. Womöglich erklärt diese Aura als authentische Gewächse der »Malochersümpfe von Berkeley« ihre Anziehungskraft. In Kombination mit der Ska-Tradition ihrer legendären Vorgängerband Operation Ivy und der fetten, zugänglichen, wuchtig-wummsigen Produktion, wie sie Brett Gurewitz als typischen Epitaph-Sound etabliert hat. Ihr neuntes Album lebt vollständig von dieser Stimmung und kaum von der Klasse der recht profillosen Stücke. Abseits der seltenen

INTERPOL

Ride Weather Diaries Wichita / PIAS / Rough Trade

Shoegazers of the world unite: Ride haben nach mehr als 20 Jahren eine neue Platte veröffentlicht. Für Andy Bell (nicht zu verwechseln mit dem Erasure-Sänger gleichen Namens) lief es ganz gut in den vergangenen zwei Dekaden. Als Bassist von Oasis und später von Liam Gallaghers Nachfolgeband Beady Eye dürfte der Kühlschrank stets passabel gefüllt gewesen sein, und Musikmachen in großen Stadien vor enthusiasmierten Fans gefällt den meisten professionellen Musikern ja auch ganz gut. Allein das Schicksal seiner eigenen Band Ride – in den frühen 1990ern mit zwei bahnbrechenden Shoegazer-Alben erfolgreich und hernach, wie so viele Kapellen, von den beiden alles auffressenden großen Britpop-Bands der 1990er verschluckt – ließ ein Gefühl des Unvollendeten zurück. Bis heute: Mehr als 20 Jahre nach ihrer letzten LP vereinigen sich Ride nun endlich wieder, und das in Originalbesetzung. Die dazugehörige

PERFORMING TURN ON THE BRIGHT LIGHTS

26 CAR SEAT HEADREST | RAZZ AUG

GURR | GIANT ROOKS | ABAY

27 KYTES | PICTURES AUG

THE ROB RYAN ROADSHOW THE DEAD LOVERS | AND MORE CUSTOM BIKE SHOW IN DER WHEELS AREA | RIDE OUT ORIGINAL MOTODROM | DELICIOUS FOOD & DRINKS NEW HERITAGE MARKET IM GENERAL STORE | KIDS AREA

ALTES KRAFTWERK RUMMELSBURG

Comeback-Platte »Weather Diaries« ist ein mehr als solides und in Teilen begeisterndes Album geworden. Der Opener »Lannoy Point« kriegt den Fan sofort, diese drängenden Gitarren, diese Gesangsmelodie, diese wall of sound – hach. Der Titeltrack ist ein Monolith von Song, man möchte unwillkürlich die Augen schließen, um jede einzelne Gitarrenspur sehen zu können. »Cali« klingt sommerlicher, als es Rides Heimat Oxford je sein könnte. Klar, Überhits wie die immer noch unfassbaren »Leave Them All Behind« oder »Twisterella« kann man wohl nicht noch mal schreiben. Aber mit »Weather Diaries« beanspruchen Ride eine Daseinsberechtigung, die man nicht jeder wiedervereinigten UK-Band aus den 1980ern oder 1990ern bescheinigen kann. Christian Steigels

WWW.PUREANDCRAFTED.COM | #PUREANDCRAFTED

Hans-Joachim Roedelius & Arnold Kasar Einfluss Deutsche Grammophon / Universal

»Einfluss« stellt schon jetzt die fruchtbarste und wundervollste Kooperation des Jahres dar. Ein unbeschreiblicher, zeitloser Zauber. Wären sie erfunden, ihr Zusammentreffen ergäbe einen patenten Bildungsroman samt stimmig kontrastierender Figurenzeichnung. Der 83-jährige Hans-Joachim Roedelius, Urvater des Krautrock in Deutschland, und der


Mehr Informationen und Tickets unter fourartists.com 30 Jahre jüngere Arnold Kasar, der nicht zu Hippiezeiten, sondern in den 1990ern im wiedervereinten Berlin Elektronik und Jazz kreuzte. Der Altmeister improvisiert, folgt Eingebungen und kann bis heute keine Noten lesen. Der Jungmeister plant, folgt Kompositionsideen und hat eine klassische Klavierausbildung. An die Tasten setzte sich beim ersten Treffen allerdings Roedelius. Er präparierte das Klavier mit Filz, damit sein hauchzarter Anschlag noch weicher klingt, und zog Kasar in seine Welt der Spontaneität. 30 Stücke entstanden in drei Tagen, doch eigentlich natürlich in Jahrzehnten, in denen in diesen beiden Seelen etwas wuchs, das nun in »Einfluss« seine Manifestation fand. Hypnotisch, knisternd, romantisch und doch experimentell. Klavier und Synthesizer. Stücke, die so klingen, wie sie heißen (»Wiese«, »Mollmaterial«). Zugleich eine zusammenhängende Reise, 19 Kapitel lang. Eine unvergessliche, die auf die eigene Seele Einfluss nimmt. Oliver Uschmann

der erst 23-jährige Spund aus Illinois, kein Pop-Poseur, sondern scheint sich als bescheidener, cooler Songwriter zu entpuppen. So eingängig sind die kleinen, feinen Melodien zwischen Kinderlied und Jingle, so markant ist der Gesang, der klingt, als würden Henning May und Marcus Mumford wild übereinander herfallen und rumknutschen. Sensor spielt dazu einen performativen Americana ohne folkloristische Attitüde. Das Lagerfeuer bleibt dem Hörer dankenswerterweise und geschmackssicher erspart, stattdessen radelt er auf einem Faltrad nonchalant durch die von The Shins oder Foxygen gezeichneten Suburbs. »Andy Warhol’s Dream« wächst rasch zu einem kühnen Epos von falschen Helden und Versprechungen heran, denen Sensor mit sinnlicher Attitüde begegnet. Mathias Meis

29.11. 30.11. 02.12. 05.12. 08.12.

HAMBURG HAMBURG • 01.12. BREMEN KÖLN • 04.12. MÜNSTER MÜNCHEN • 06.12. STUTTGART WIEN • 09.12. ZÜRICH

10.12. 12.12. 15.12. 19.12.

FRANKFURT A.M. NÜRNBERG •13.12. DRESDEN HANNOVER • 16.12. SCHWERIN ROSTOCK • 20.12. ROSTOCK

TOUR 2017/18

22.11. HANNOVER • 23.11. HAMBURG 25.11. BREMEN • 26.11. KÖLN 27.11. DORTMUND • 28.11. NEU ISENBURG 29.11. SAARBRÜCKEN 02.12. BERN • 03.12. RAVENSBURG 04.12. MÜNCHEN • 05.12. WIEN • 06.12. LINZ 08.12. INNSBRUCK • 09.12. STUTTGART 10.12. NÜRNBERG • 14.12. DRESDEN • 15.12. ERFURT 16.12. LEIPZIG • 24.02.2018 BERLIN

04.10. FRANKFURT A. M. • 05.10. MÜNCHEN 06.10. KÖLN • 08.10. HAMBURG • 09.10. BERLIN 10.10. ESSEN • 11.10. FREIBURG • 13.10. HEIDELBERG 14.10. BASEL • 15.10. STUTTGART • 17.10. NÜRNBERG 18.10. LEIPZIG • 19.10. DRESDEN • 20.10. MÜNSTER

Single Mothers Our Pleasure Royal Blood How Did We Get So Dark Warner

Generelle Abneigung gegen Rockmusik ist normalerweise geprägt von überholtem Machismo, lahmer Repetition und dumpfem Stargehabe. Das Duo aus Brighton bringt jetzt Sonnenlicht in diesen dunklen Poser-Hinterhof. Beeindruckend ist bei Royal Blood auf der Nerd-Seite natürlich zunächst das Line-up, das drückenden Krach für eine ganze Kompanie veranstaltet, aber lediglich aus Schlagzeuger Ben Thatcher und Bassist/Sänger Mike Kerr besteht. Schlüsselkomponenten sind verschiedene Effektpedale und Verstärker, die wahlweise Bässe, Gitarren oder beides zur gleichen Zeit zum Leben erwecken können, während der Schlagzeuger sich punktgenau die Seele aus dem Leib prügelt. Nicht weit weg sind da auch die Klischees, die Jimmy Page, QOTSA oder auch Muse bis tief in die Nacht verfolgen: Gitarrenriffs, Rockposen, handgemachter Männerschweiß. Kerrs Stimme setzt da einen melodisch-versöhnlichen Kontrapunkt in variablen Tonhöhen, und letztlich hat die steinzeitliche Rockmusik nicht völlig ohne Grund 50 Jahre überlebt. Hier spielt das Windmühlengitarren-Gehabe auf der Höhe der Zeit, facettenreich, pointiert, mit einer genialen Balance zwischen nacktem Stahlbeton und fein strukturiertem, italienischem Terrazzo. Klaas Tigchelaar

Big Scary Monsters / Al!ve

Single Mothers meint eigentlich mehr »single festes Bandmitglied«: Andrew Thomson lässt sich auf dem zweiten ordentlichen Album seines Indie-Punk-Projekts schon von der fünften Backing-Band unterstützen. Andrew Thomson vergleicht Single Mothers mit einem Apartment, in dem jeder neue Gast, der dort einkehrt, ein kleines Geschenk in Form einer musikalischen Idee liegen lässt. Doch anstelle des rauen Hardcore-Albums, das man aufgrund der vergangenen Kollaborationen und Touren mit Bands wie Pianos Become The Teeth oder The Bronx hätte erwarten können, ist »Our Pleasure« insgesamt ein vergleichsweise energieloses, dafür aber auch das wohl zugänglichste Release der Single Mothers. Riffs wie in »Rollercoaster« etwa sind vom Alternative Rock gemopst; »Leash«, auf dem Thomson seine sonst meist gesprochenen Vocals tatsächlich einmal gegen LoFi-Gesang eintauscht, entspricht wiederum einer gedrosselten Variante der Japandroids. Der Vergleich passt auch geografisch: Die kommen nämlich ebenfalls aus Ontario, einer Region Kanadas, in der sich Thomson vor ein paar Jahren dem traditionsreichen Beruf des Goldgräbers widmete. Ob er dabei auch das eine oder andere glänzende Nugget fand, wissen wir leider nicht. Wirklich geeignete Mitmusiker aufgetrieben zu haben ist aber auch schon Schatz genug. Nach »Our Pleasure« sollte der wackere Glücksritter Thomson den nur nicht schon wieder wegtauschen. Jan Martens

31.10. LUDWIGSHAFEN ENJOY JAZZ FESTIVAL@DAS HAUS

06.11. KÖLN BÜRGERHAUS STOLLWERCK

07.11. HAMBURG

15.10. BERLIN • 17.10. MÜNCHEN 18.10. FRANKFURT • 26.10. STUTTGART 29.10. ERLANGEN

20.10. 22.10. 23.10. 26.10.

Jagjaguwar / Cargo

Trevor Sensor ergänzt die Garde der IndieSongwriter um verspielte Stile und eine beeindruckende Stimme. Wo kommen nur die vielen talentierten Wuschelköpfe her, die man sofort packen möchte, um sie mit sich in das stimulierende Nachtleben zu reißen? Die Antwort lautet: Jagjaguwar Records. Doch im Gegensatz zu vielen seiner Label-Kollegen ist Trevor Sensor,

Shabazz Palaces Quazarz – Born On A Gangster Star & Quazarz Vs. The Jealous Machines beide Sub Pop / Cargo / VÖ 14.07.17

Experimenteller Rap, gechannelt von Zeta Reticuli – im zeitgenössischen HipHop ist niemand weiter draußen als Shabazz Palaces.

12.11. BERLIN ASTRA

KÖLN - ARTHEATER HAMBURG - NOCHTSPEICHER BERLIN - MUSIK & FRIEDEN MÜNCHEN - MILLA

06.10. HAMBURG • 07.10. LEIPZIG 08.10. BERLIN • 09.10. ERLANGEN 12.10. MÜNCHEN • 22.10. KÖLN 23.10. WIESBADEN • 24.10. MÜNSTER

T H E WAT E R E U R O P E TO U R 2 0 1 7

Trevor Sensor Andy Warhol’s Dream

MOJO CLUB

12.09. KÖLN ARTHEATER 13.09. MÜNCHEN STROM 14.09. BERLIN MUSIK & FRIEDEN 16.09. HAMBURG MOLOTOW

19.09. MÜNCHEN - MUFFATCAFÉ 20.09. ERLANGEN - E-WERK 21.09. BERLIN - BAUMHAUSBAR 22.09. LEIPZIG - RATSTONNE 23.09. HAMBURG REEPERBAHN FESTIVAL


112

#Review Vielleicht sind es das metallisch angehauchte Klima oder die mittlerweile von sanfter Radioaktivität spiegelglatt desinfizierten Felsen der Westküste, vielleicht auch ein Cocktail von Arznei-angereichertem Trinkwasser und Trichlorpropan, der Künstler von Kalifornien bis Washington State immer wieder zu kreativen Höhenflügen inspiriert. Ishmael Butler und Tendai Maraire alias Shabazz Palaces wirken rein äußerlich jedenfalls wie sedierte Karikaturen von Bootsy Collins und sind im Großraum Seattle heimisch, wo sie mit ihren ersten beiden Alben »Black Up« und »Lese Majesty« bei Kritik und Liebhabern abstrakter Rap-Kunst schnell zu größerem Ansehen gelangten. Danach wucherte der Fame auch weltweit, als die internationale Presse bemerkte, welch heißer Scheiß hier gerade im pazifischen Nordwesten köchelte. Als Teil des Kollektivs Black Constellation, das Musiker, Modedesigner und visuelle Artisten umfasst, assimilieren Butler und Maraire Einflüsse aus verschiedensten Kunstbereichen und gleichen sie ihrer Idee von psychedelischem Trademark-Rap an, für den sie auch schon mit Westcoast-Größen wie Flying Lotus oder Thundercat kooperierten. Auf den beiden Alben »Quazarz – Born On A Gangster Star« und »Quazarz Vs. The Jealous Machines« greifen die Palaces erneut in die Sample-Trickkiste und verschmelzen 1970er-Exotica mit Funk, Synthie-Pop mit Cloud Rap, rauchenden UK Bass mit Library Music, Boom Bap mit Nuancen arabischer Folklore – alles geprägt durch etwas mehr Pop-Appeal als auf vorigen Veröffentlichungen. Die Ergebnisse taumeln zwischen den erfinderischen Singles von cLOUDDEAD, Däleks kryptischer Endzeitlyrik und den urbanentrückenden Beatscapes von Quasimoto oder Company Flow. Durch 1001 Filter gejagt, ohne Style einzubüßen, brillieren Shabazz Palaces auf diesem Alben-Duo mit vertrackten Arrangements und unendlichen Details in ihrem ganz eigenen Rap-Prisma. Nils Schlechtriemen

Songhoy Blues Résistance

Ansonsten zeigen sich Songhoy Blues auf »Résistance« musikalisch äußerst vielseitig: Mit Elementen aus HipHop, Soul und R’n’B, mit Fiedeln und einem Kinderchor ergänzen sie ihren auf steten Rhythmen und repetitiven Strukturen aufbauenden Desert Blues. Der ist so spannend und frisch, dass das WeltmusikLabel nur noch denjenigen ausreicht, die allen Ernstes glauben, dass diese Schublade allumfassend sei. Jan Martens

Kane Strang Two Hearts And No Brain Dead Oceans / Cargo

Indie-Gitarren-Pop und Teenage Angst gehören untrennbar zusammen. Kane Strang stellt das auf diesem Album voller SongDiamanten erneut unter Beweis. Die Vorlesung »Neuseeländischer IndieRock I: Der Dunedin-Sound und sein nachhaltiger Einfluss« hielt ich schon vor einigen Monaten an gleicher Stelle in einer Besprechung des Debüts der tollen Fazerdaze. Kane Strang schlägt nun in die gleiche Kerbe. Sein Gitarren-Pop ist eher straight als schräg, der Klang rau und verzerrt. Aber: Der Mann hat Melodien, die direkt aus den sich überschlagenden Teenage-Fantasien darüber, wie das Leben so sein wird, gefallen sein könnten: die Liebe, das Verstoßen – das erinnert an Wavves oder Mikal Cronin, also an genau jene kalifornische Garage-Surf-Schule, die ihre Inspiration aus der Szene der neuseeländischen Stadt Dunedin in den 1980ern zog, der Heimatstadt Strangs. Sein zweites Album ist voller potenzieller Ohrwürmer, mit »Two Hearts And No Brain« ist es aber nicht korrekt betitelt, denn clever ist der Sound obendrein. Allenfalls ist es auf der vollen Länge etwas zu eintönig, sodass die als Singles brillanten Tracks ein wenig zu arg ineinander verschwimmen. Aber das tun, wenn es Sommer ist, ja selbst die schönsten Erinnerungen. Steffen Greiner

Transgressive / Coop / PIAS / Rough Trade

Songhoy Blues liefern mit ihrem zweiten Album »Résistance« erneut einen Grund, die Weltmusik-Abteilung des Plattenregals mal mit mehr als Manu Chao aufzufüllen. Zuallererst ist Weltmusik natürlich ein furchtbarer Begriff. Schließlich trennen Mali und seine Hauptstadt Bamako keine galaktischen Entfernungen von Seattle oder Manchester, vielleicht abgesehen von den politischen und sozialen Entstehungsbedingungen: Wo westlichen Musikern höchstens mal der mit Gras vollgestopfte Tour-Bus an der Grenze aufgehalten wird, gründeten sich Songhoy Blues überhaupt erst als Reaktion auf die Verfolgung durch eine dschihadistische Gruppierung, die Musik im Norden Malis grundsätzlich verbieten wollte. Um der aufgrund solcher Unruhen immer wieder befeuerten Stigmatisierung Afrikas als Mutter Erdes Sorgenkind entgegenzuwirken, schickten Garba, Aliou und Oumar Touré (allesamt nicht miteinander verwandt) ihrem Zweitwerk mit »Bamako« einen Song voraus, der das Nachtleben in der malischen Hauptstadt beschreibt. Bläser und Funk-Gitarren passen zur Botschaft, den genauen Inhalt versteht freilich nur, wer der Songhai-Sprache mächtig ist, in der die Band ihre Texte verfasst. Zumindest ein bisschen verständlicher für das westliche Ohr wird es nur, wenn Iggy Pop auf »Résistance« das Mikrofon ergreift.

Stephan Sulke Liebe ist nichts für Anfänger Staatsakt / Caroline / Universal

Was auf »Liebe ist nichts für Anfänger« federleicht klingt, enthält in Wahrheit Fallen und doppelte Böden. Das spitzzüngige Spätwerk eines selbstironischen Meisters. Für uns Sprösslinge der Babyboomer ist Stephan Sulke vor allem eine Kindheitserinnerung. Ende der 1970er besaßen unsere Eltern seine klassischen Alben auf Vinyl oder Kassette im veraschten Raucherauto. Sulke nummerierte sie mit Unterbrechungen bis Ende der 1980er schlicht durch. Hießen Alben von Reinhard Mey »Ich bin aus jenem Holze« oder »Mein Achtel Lorbeerblatt«, hießen Sulke-Platten »1«, »3« und »6«. Der Lebenskünstler, der sich auch schon als Maler, Bildhauer, Autor und Bauherr betätigte, ist ein melancholischer Ironiker. Das war einem als Kind wenig bewusst. Böse seziert er die Psychologie von Beziehungen, die Narrenfreiheit

für »Blöde«, die Phänomene des Alterns oder die Arroganz des Zentraleuropäers angesichts der Lebensumstände in der ihm wenig vertrauten Restwelt. Der Sound ist dabei stets raffiniert mit dem Thema verwoben. Wann Sulke loungige Bläser, trappelnde CountryBanjos, dämmerige Abendbalkon-Streicher oder einen Hauch von Salsa einbaut, ist niemals Zufall. Inhalt und Form bedingen sich, doppelte Böden tun sich auf. Für den Chef des Labels Staatsakt war das Signing von Sulke eine Sensation: Er hat nun einen Kindheitshelden unter Vertrag. Oliver Uschmann

Washed Out Mister Mellow

Throwing Muses, Belly, Liz Phair, The Breeders oder Veruca Salt beliebte Referenzpunkte für Katie Crutchfields introvertiert-ruppige Coming-of-Age-Alben als Waxahatchee. Auf »Out In The Storm« hatte die Endzwanzigerin aus Alabama nun mit John Agnello einen Produzenten, der schon für Sonic Youth und Dinosaur Jr. an den Reglern saß. Kein Wunder also, dass Crutchfields erneut stark autobiografisch geprägtes neues Werk nicht nur gut nach vorne geht, sondern auch wieder mächtig nach Zeitreise klingt. Das gilt vor allem für den Opener »Never Been Wrong« mit seiner Laut/Leise-Dynamik und der gedoppelten Mädchenstimme zur Schrammelgitarre, die powerpoppige Single »Silver« und das grungige »No Question«. Doch selbst in den ruhigeren und akustischen Momenten ist dank Crutchfields Stimme eine Kristin Hersh oder Tanya Donelly nie weit. Und die funkelnde Ballade »Sparks Fly« könnte vom Soundtrack einer alternativen HighschoolRomanze von 1993 stammen. Oder von 2017. Spaß machen diese Songs nämlich auch heute noch. Nina Gierth

Stones Throw / Groove Attack

Wer Ernest Greene für einen Langweiler hält, sollte dringend »Mister Mellow« hören: Auf diesem Visual-Album spielt Washed Out Beliebigkeit und Kalkül agil gegeneinander aus. Als hätte er es selbst gespürt: Ernest Greene, dessen musikalische Anstrengungen als Washed Out bislang zuverlässig der eigenen Harmlosigkeit zum Opfer fielen, stockt sein neues Album um eine visuelle Ebene auf. Damit nicht genug: Auch im Sound ist reichlich Crunch verbaut, und gleich zum Aperitif wird die alte Lethargie scheinbar demonstrativ bis an die Kotzgrenze abgehustet. Was folgt, ist akustische Schleppnetzfischerei; die Chillwave-Odyssee scheint damit beendet. Während »I’ve Been Daydreaming My Entire Life« als Track-Titel den Bruch mit dem Gewesenen abermals unterstreicht, hat sich Greene das paradoxe Siechtum der Generation Y als Albumthema ausgeguckt. Mit einer visuellen Dreingabe, die ähnlich verhackstückt daherkommt wie die Lebenswelt manches Millennials, gewinnt die grundlegend kontraststärkere Musik zusätzlich an Profil. Auch altbekannte Washed-Out-Muster leben in diesem nicht ohne Humor collagierten Kosmos überraschend auf. Die Freude darüber, den Musiker nicht länger dahindämmern zu hören, sondern als kurzentschlossenen Klangkrämer zu erleben, bewirkt ihr Übriges. Gefühligkeit tritt in den Hintergrund; es scheint, als ließe Greene nun stoisch die Reize seiner Umwelt auf sich einprasseln und tackere sie dann an Ort und Stelle zusammen. Elf Videokünstler arbeiteten ihm dabei zu, entstanden ist ein im positiven Sinne flatterhaftes, teils erfrischend befremdliches Animations-Patchwork, das sich stimmig mit den angejazzten Sound-Essays des Albums verbindet, ohne die Melodien zu kurz kommen zu lassen. Auch wenn dafür getrickst werden musste: »Mister Mellow« ist ein Gewinnertyp. Valentin Erning

Waxahatchee Out In The Storm Merge / Cargo / VÖ 14.07.17

Katie Crutchfields stilistische Rückgriffe auf die 1990er sind auf ihrem vierten Album prägnanter denn je. Seit »Cerulean Salt« sind die etwas weniger krawalligen Riot-Grrrl-Zeitgenossinnen

Zoot Woman Absence Snowhite / Rough Trade

Das 1980er-Synthie-Pop-Revival hat sich selbst überlebt, während Zoot Woman noch immer da sind. Neben ausgefeilten, kurzweiligen Songs haben sie diesmal auch Kylie Minogue für ein Feature ins Studio gekriegt. Eigentlich schien die Zeit für Bandkopf Stuart Price und die beiden Blake-Brüder Adam und Johnny abgelaufen zu sein. Denn seit sie 2001 mit dem Debüt »Living In A Magazine« in Erscheinung traten und die androgynen Dancepop-Sounds der 1980er neu auffächerten, blieben sie diesem Stil konsequent treu. Dass man die musikalische Qualität aber nicht unbedingt nach Jahrzehnten sortieren muss, zeigt sich nach »Star Climbing« von 2014 auch auf dem neuen Album, dessen Mix aus Rückwärtsgewandtheit und Pop-Genialismus eine neue Ebene erklimmt. Mittlerweile stehen die kultigen SynthesizerModelle von Roland oder Oberheim wieder als Neuauflagen im Musikladen, die damit generierten Sounds sind in großformatigen TV-Werbekampagnen angekommen. Aber Zoot Woman haben auch das Songwriting im Rückspiegel, kleine Farbtupfer aus Krautrock oder Soul runden das Klangbild gefällig ab. Und dann ist mit Gastsängerin Kylie Minogue auf »Still Feel Like The First Time« noch eine Ikone der 1980er vertreten. Sanfte Ironie oder Kumpel-Gefallen? Immerhin hat Stuart Price ihr ja bei diversen Hits der Neuzeit, etwa »Can’t Get You Out Of My Head«, geholfen. Das lässt nur den Schluss zu, dass man dem Gestern nicht souveräner hinterherjagen kann, als es Zoot Woman weiterhin unbeirrt tun. Klaas Tigchelaar


SEI EIN FABER IM WIND 07.07.17


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#Intro empfiehlt

INTRO EMPFIEHLT

Für alle von uns empfohlenen Touren verlosen wir auf intro.de jeweils 3×2 Tickets. Mehr Tour-Präsentationen unter intro.de/termine oder #intro empfiehlt

Beach Fossils

Cypress Hill

Kevin Devine

Lake

Keine andere Band inszeniert elektrische Indie-Gitarren so transparent und luftig wie diese New Yorker. Nach vier Jahren Pause veröffentlichen Beach Fossils ihr drittes Album »Somersault«, mit dem sie sich endgültig vom DIY-Sound vergangener Tage verabschieden.

Das Stoner-Lager des HipHop zieht schon seit 1988 Anhänger aus verschiedensten Winkeln der Musiklandschaft an und gönnt ihnen immer mal wieder einzigartige Live-Konzerte – diesen Sommer auch in Deutschland.

16 Jahre, neun Alben und noch immer auf der Suche nach einem tieferen Sinn: Der New Yorker Singer/Songwriter mit der unverwechselbaren Stimme kommt mit neuem Album und seiner Goddamn Band auf Tour.

Die detailversessenen Studio-Bastler um das Songwriter-Ehepaar Ashley Eriksson und Elijah Moore bringen ihre Songs besonders live zum Strahlen – ganz im Stil ihrer Wegbereiter Brian Eno, David Byrne und Joni Mitchell.

— 28.08. Offenbach — 29.08. Berlin — 31.08. Hannover — Geht weiter!

— 15.07. Göttingen — 17.07. Münster — 18.07. Köln — 19.07. Oberhausen — 20.07. Neunkirchen — 21.07. Mainz

— 01.09. Dresden — 03.09. Berlin — 05.09. Düsseldorf — 06.09. Schorndorf — 07.09. Frankfurt a. M. — 08.09. Aachen — 09.09. Köln — 10.09. Hamburg

Die Liga Der Gewöhn­ lichen Gentlemen

Nas

P!nk

Ty Segall

Wo Superpunk aufhörten, geht Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen stechenden Schrittes weiter: Wer den fantasievollen Northern Soul von Carsten Friedrichs und seinen Genossen live erleben will, bekommt diesen Sommer endlich wieder Gelegenheit dazu.

Die Rap-Legende aus Brooklyn, die zuletzt mit Aloe Blacc kollaborierte, an diversen Soundtracks mitwirkte und mittlerweile auf zehn vielfach ausgezeichnete LPs zurückblicken kann, will es noch einmal wissen und kommt für zwei Konzerte nach Deutschland.

Sie hat das ehrlichste Lachen des Popgeschäfts und auch die meisten Hits: Seit ihrem Debüt im Jahr 2000 hat P!nk sieben Alben veröffentlicht und davon weltweit über 60 Millionen verkauft. Nun kommt die charmante Sängerin für zwei Konzerte nach Berlin.

Zum zweiten Mal ein selbstbetiteltes Album? Wieso nicht. Schließlich hat sich Ty Segall in diesem Jahr wieder darangemacht, sein verrauchtes Garage-Rock-Rezept zu verfeinern. Klar, dass das neue Material direkt live ausprobiert werden will.

— 14.07. Hamburg — 15.07. Berlin — Geht weiter!

— 04.07. Hamburg — 05.07. Berlin

— 11.+12.08. Berlin

— 24.08. Berlin

The Shins

Regina Spektor

The Strumbellas

M. Ward

Seit seiner Jugend macht James Mercer Musik, ist Songwriter, Multiinstrumentalist und Sänger bei Broken Bells und The Shins. Nach fünf Jahren Verschnaufpause geht es mit Letzteren und dem neuen Album »Heartworms« wieder auf Tour.

Sieben Alben und Arbeiten für Film und Theater machten sie im UK und den USA zum Star. Nur in Deutschland ist Regina Spektor, die Frau mit der zarten Stimme, fast noch ein Geheimtipp. Diesen Sommer kommt die 37-Jährige mit ihrem sanften Indie-Pop für einen Termin nach Berlin.

Die kanadischen Strumbellas zählen hierzulande zu den angesagten Sternen am FolkpopHimmel. Um dieser Ehre auch live gerecht zu werden, tourt das Sextett unermüdlich weiter und weiter – diesen Sommer auch durch hiesige Clubs und Hallen.

»And I think that I can drive slower than you can«, croont M. Ward auf seinem aktuellen Album »More Rain«. Zumindest so lange, bis der Tausendsassa aus Portland wieder auf der Bühne steht und seinen über 17 Jahre gereiften Sound mit viel Drive zum Besten gibt.

— 24.07. Heidelberg — 26.07. Erlangen — 27.07. Leipzig — 28.07. Hamburg

— 12.08. München — 13.08. Köln

— 20.08. Hamburg — 22.08. München — Geht weiter!

— 14.08. Hamburg — 15.08. Berlin — 16.08. Köln

— 14.08. Berlin


#Termine

TOURDATEN The Afghan Whigs 08.08. München

Allah-Las

Deerhoof

27.08. Hamburg 28.08. Darmstadt

03.08. Diepholz 06.08. Köln 08.08. Frankfurt a. M.

Deichkind

Andreas Dorau

Depeche Mode mit Algiers

07.07. Berlin 09.08. Hamburg 25.08. Berlin

Andromeda Mega Express Orchestra

29.07. Berlin 05.08. Mönchengladb.

04.07. Gelsenkirchen

Devendra Banhart 16.07. München

18.08. Jena 25.08. Berlin 26.08. Hamburg

Die Höchste Eisenbahn

Anna Depenbusch

Intro empfiehlt

08.07. Hamburg 21.07. Würselen 22.07. Ingelheim 23.07. Dreieich 11.08. Dresden 12.08. Leipzig 13.08. Nauen 24.08. Lübeck 25.08. Braunschweig

At The Drive-In 23.08. München

Intro empfiehlt

The Avalanches 03.07. Köln

Bad Religion

09.07. Köln 11.07. Berlin 12.07. Wiesbaden 17.07. München 18.07. Stuttgart 19.07. Saarbrücken 25.07. Hamburg 26.07. Hannover

Band Of Horses

14.08. Berlin 15.08. München 30.08. Frankfurt a. M.

Beginner

21.07. Trier

The Bloody Beetroots

22.07. Leipzig

Die Sterne 03.08. Rostock

The Dillinger Escape Plan

08.08. Nürnberg 15.08. Köln 16.08. Leipzig

Dub FX

31.08. Leipzig

Feist

20.07. Mainz 24.07. Berlin 02.08. München

Foreign Diplomats 15.08. Mainz 16.08. Hamburg 17.08. Mannheim 18.08. Köln

Friends Of Gas

21.07. Ulm 16.08. Wetzlar 18.08. Saarbrücken 19.08. Freiburg 24.08. Leipzig

Funny van Dannen 15.08. Frankfurt a. M.

God Is An Astronaut

10.08. Dresden

GoGo Penguin

03.08. Berlin

18.08. Hamburg

Breaking Benjamin

Guns N’ Roses

08.08. Berlin 20.08. München

10.07. A-Wien

Brian Wilson

11.07. Berlin

19.07. Frankfurt a. M.

Car Seat Headrest 21.08. Dortmund 22.08. Hamburg 26.08. Berlin

Coldplay

06.07. Hamburg

Conor Oberst

05.08. Dresden 15.08. Frankfurt a. M. 16.08. Erlangen

Cruise van Cleef mit Clueso, Tim Neuhaus, Patrick Richardt 05.07. List

Hanni El Khatib Hauschka

01.08. Frankfurt a. M. 25.08. Hannover

Ho99o9

10.07. Berlin

Intro empfiehlt

House Of Pain

04.07. Berlin 05.07. Hamburg 13.07. Köln 14.07. München

Interpol

10.08. A-Wien 16.08. München

Jessica Pratt 22.08. Jena

Jimmy Eat World 29.08. Nürnberg

Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi mit Pavlidis, Lemur 10.08. Würzburg

Kate Nash

16.08. Frankfurt a. M. 17.08. Düsseldorf 18.08. Hamburg 19.08. Berlin

Kesselhaus Acoustics mit Avec, Bender & Schillinger, Joel Havea, Nosoyo, Serafyn, Klan, Phela, Lasse Matthiessen, Hanna Leess, Sarah Lesch, ATOGK, Lukas Meister, Meadows, Lilly Among Clouds, L. Droese 04.07.–29.08. Berlin

Kettcar

17.08. Karlsruhe 18.08. Hamburg

Intro empfiehlt

Kevin Morby

mit Hand Habits

03.07. Frankfurt a. M.

Lee Fields & The Expressions 17.07. Essen

Life Of Agony 16.08. Münster 23.08. Leipzig 24.08. Berlin

Lil Wayne

13.08. Köln 15.08. Stuttgart

Neonschwarz

28.07. Ventschau 03.08. Elend 16.08. Übersee 18.08. Großpösna

Norah Jones

13.07. Hamburg 17.07. Berlin

The Notwist

04.08. Westergellersen 25.08. Storkow

The Offspring 21.08. Köln

Of Montreal 20.07. Berlin

Intro empfiehlt

Oum Shatt 21.07. Varel 03.08. Diepholz 16.08. Köln

Paramore

03.07. Hamburg

Intro empfiehlt

Parcels

22.07. Varel 04.08. Neukirchen 10.08. Rees-Haldern Geht weiter!

Parquet Courts 23.08. Weinheim

Patti Smith

12.07. Berlin

Pere Ubu

29.08. Dresden 30.08. Köln

Pet Shop Boys 17.07. Bochum

Philipp Poisel

Max & Iggor Cavalera

Preoccupations

04.08. Karlsruhe 08.08. Frankfurt a. M. 09.08. Freiburg

Michael Rother Play NEU!

22.07. Berlin

07.07. Frankfurt a. M.

The Naked And Famous

16.08. Frankfurt a. M.

Sea Moya

15.07. Augsburg 18.08. Hamburg 26.08. Storkow

Sinkane

29.07. Dortmund 04.08. Diepholz

Intro empfiehlt

Sinnbus Signale

mit Yeah But No*, Odd Beholder, Fiordmoss**

23.08. Berlin 24.08. Hamburg 30.08. Frankfurt a. M. Geht weiter!

15.07. München 16.07. Berlin

Samiam

22.07. Trier 28.07. Lindau 29.07. Aachen 30.07. Münster 01.08. Wiesbaden 02.08. München 03.08. Berlin 04.08. Elsdorf

The Thurston Moore Group 04.07. Dresden

Tinariwen

White Wine

Woody Allen & His New Orleans Jazz Band

Die kommen, die Festivals

Twin Peaks

18.07. Köln 19.07. Berlin 20.07. Hamburg

U2 mit Noel Gallagher’s High Flying Birds 12.07. Berlin

Watsky

12.08. Rothenburg ob der Tauber 15.08. Frankfurt a. M. 22.08. Dortmund 23.08. Düsseldorf

Waving The Guns 07.07. Prölsdorf

21.07. München 12.08. Rees-Haldern 19.08. Dornstadt 26.08. Storkow

11.–12.07. Hamburg

Xavier Rudd

03.07. München 06.07. Leipzig

Y‘akoto

19.08. Hamburg

Yello mit 2raumwohnung 31.08. Berlin

Young Fathers

Stereo Total

Zebra Katz

03.07. Köln

05.08. Hamburg

Studio Braun

Die kommen, die Touren Alin Coen Band (07.–23.09.) Barbagallo (19.–21.09.) I’m Not A Band (01.–30.09.) Joan Shelley (03.–05.09.) Konni Kass (27.09.–01.10.) Lambert (22.09.–23.11.) Maxïmo Park (25.09.–01.10.) Mt. Wolf (28.–29.09.) Novo Amor (20.–21.09.) Portugal. The Man (18.–30.09.) Spiral Stairs (29.09.–09.10.) The Districts (16.–29.09.) Timber Timbre (20.–24.09.) Tora (22.09.–23.10.) Von Wegen Lisbeth (27.–28.09.)

28.07. Breitenbach 29.07. Dortmund 08.08. Frankfurt a. M.

Spoon

25.08. Berlin

15.07. Gräfenhainichen 28.07. Berlin

Angst macht keinen Lärm (02.–03.09.) Burger Invasion (08.–09.09.) Fritz DeutschPoeten (01.–02.09.) Golden Leaves (16.–17.09.) Lollapalooza Berlin (09.–10.09.) Müssen alle mit. (02.09.) Musikschutzgebiet (01.–03.09.) Reeperbahn-Festival (20.–23.09.) SWR3 New Pop (14.–16.09.) Way Back When (29.09.–01.10.)

09.07. Hamburg 21.07. Varel

St. Paul & The Broken Bones

15.07. Darmstadt 16.07. Lörrach 17.07. Erlangen 20.07. Dresden

Tale Of Us

Ryan Adams

Mount Kimbie

13.07. Kassel 14.07. Jena 15.07. Karlsruhe

The Pretty Reckless

Midnight Oil

17.07. Frankfurt a. M. 18.07. Freiburg

Scott Bradlee‘s Postmodern Jukebox

Sylvan Esso

13.08. Berlin

Monophonics

07.07. Leipzig 08.07. Mönchengladb. Geht weiter!

10.08. Schorndorf 16.08. Mainz

16.08. Stuttgart 22.08. Münster 23.08. Frankfurt a. M.

18.07. Frankfurt a. M.

Scooter

Sophia Kennedy

Pisse

06.07. Frankfurt a. M.

20.07. Wurster Nordseeküste 27.07. Frankfurt (Oder) 16.08. Übersee

Peaking Lights

Mastodon

Mark Lanegan Band

Schmutzki

29.07. Mainz 30.07. Breitenbach 15.08. Berlin 16.08. Hamburg

04.07. Stuttgart

25.08. Hamburg 26.08. Köln

08.07. Tuttlingen 29.07. Rostock 05.08. Osnabrück 10.08. Aschaffenburg

18.07. München* 19.07. Berlin* 20.07. Hamburg* 21.07. Jena* 22.07. Berlin**

21.07. Ulm 29.07. Mönchengladb. 06.08. Schwetzingen 18.08. Braunschweig 24.08. Dresden 26.08. Magdeburg Geht weiter!

Lucinda Williams

Samy Deluxe

Da gehen wir hin Tipps der Redaktion#254

Und wo geht ihr hin? intro.de #konzerte

Frederike Ebert

14.07. Gräfenhainichen

Open Source Festival Melt Festival Giegling Labelnight Ritournelle c/o pop

Talib Kweli & Soul Rebels

Kristina Engel

14.07. Gräfenhainichen

10.07. Frankfurt a. M. 11.07. München 12.07. Köln

Thees Uhlmann 16.08. Düsseldorf 17.08. Großpösna 18.08. Hamburg

Intro empfiehlt

Thee Oh Sees 08.08. Hamburg

Feist A Summer’s Tale Conor Oberst Haldern Pop Melt Festival

Holger Risse Melt Festival M. Ward Friends Of Gas Pearson Sound Front Line Assembly

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#Live #Festival

Highfield Festival

Chiemsee Summer

Ein See, ein Haufen fetter Headliner, ein treues Publikum – das ebenso schlichte wie überzeugende Konzept des Highfield Festivals wird auch in diesem Jahr aufgehen, obwohl man den See bekanntlich vor einigen Jahren austauschen musste.

Das Chiemsee Summer bringt nicht nur Festivalfans mit der typischen Urlaubsidylle zusammen, sondern verbindet zusätzlich musikalische Genres und ganze Festivals.

Wenn man beim Taubertal des Nächtens vor der Hauptbühne steht und den Blick über die gar nicht so weit entfernt liegende Altstadt schweifen lässt, freut man sich immer wieder über diesen Anblick und die Tatsache, dass dieses Festival bereits seit 1996 existiert, ohne dass sich spießige Bewohner zu sehr über die lauten jungen Leute aufregen würden. Da soll doch noch mal einer sagen, es gäbe keine bayrische Gastfreundschaft – was man angesichts der Einwanderungspolitik der CSU glatt glauben könnte. Neben der schönen Kulisse weiß das Taubertal wieder mit einem Line-up zu punkten, das eine gute Grätsche hinbekommt zwischen »massenwirksam« und »geschmäcklerisch«. Mit Casper, Billy Talent, Rise Against und Biffy Clyro kann man ja nix falsch machen – während es schon eher mutig ist, der sehr sehr geilen Posthardcore-Band The Amity Affliction die Hauptbühne zur besten Sendezeit zu überlassen.

Aber es wird ein besonderes August-Wochenende, denn das Highfield feiert sein 20. Jubiläum. Da passt es doch gut, dass man mit Billy Talent, Die Toten Hosen, Placebo, The Offspring, Thees Uhlmann und Beginner ein paar Acts im Line-up hat, die es gleichzeitig schaffen, Nostalgiker in Wallung zu bringen und auch die Jungen abzuholen. Altbekannte wie Casper und Kraftklub, die beim Highfield immer wieder für einen totalen Abriss sorgen, kommen ebenfalls zum Stormthaler See in Großpösna bei Leipzig, um ihre Glückwünsche zu überbringen – die wir hier natürlich auch noch loswerden wollen: »Alles Gute zum 20., Highfield! Hast dich gut gehalten!«

Das Chiemsee Summer versteht es, Dinge zu verbinden: die unglaubliche Kulisse der bayrischen Idylle zwischen Bergen und dem Chiemsee mit einer ausgelassenen Festivalatmosphäre. Oder gleich zwei Festivals, die früher beide im schönen Übersee am Chiemsee stattfanden und scheinbar wenig Gemeinsamkeiten hatten: Das Chiemsee Rock und das Chiemsee Reggae Summer sind seit 2014 eins und verbinden seitdem Rock-Energie mit Reggae-Entspanntheit – das Ganze natürlich mit dem Urlaubsflair am »Bayrischen Meer«. Musikalisch erwartet die Besucher ein internationales Line-up zwischen Reggae, HipHop, Electro und Alternative Rock. Abwechslung ist somit naturgemäß das Steckenpferd des auf 25.000 Besucher ausgelegten Festivals.

Daniel Koch

Daniel Koch

Henrike Schröder

— 10.–13.08. Rothenburg ob der Tauber — Alligatoah, Anti-Flag, Antilopen Gang, Biffy Clyro, Billy Talent, Blues Pills, BRKN, Bukahara, Casper, Counterfeit, Die Rakede, Django 3000, Emil Bulls, Fiddler’s Green, Heisskalt, In Extremo, Itchy, Jennifer Rostock, Kyle Gass Band, Liedfett, Marathonmann, Rise Against, Rogers, Skinny Lister, The Amazons, The Amity Affliction, Von Wegen Lisbeth, Watsky u. v. a.

— 18.–20.08. — Großpösna — Beginner, Biffy Clyro, Billy Talent, Casper, Clueso, Die Toten Hosen, Donots, Milky Chance, Placebo, The Offspring, Thees Uhlmann, Turbostaat u. v. a.

— 16.–19.08. Übersee — Antilopen Gang, Beginner, Biffy Clyro, Billy Talent, Casper, Clueso, Feine Sahne Fischfilet, Frittenbude, Irie Révoltés, The Offspring, Turbostaat, Wanda u. v. a.

TAUBERTAL Die Rothenburger Eiswiese, die Tauber, das Tal, die fancy beleuchtete Altstadt – damit gesegnet, ist das Taubertal eines der wenigen Festivals, das sich auch auf einer Postkarte, die man Mutti schicken kann, gut macht. Zum Glück ist’s ungleich aufregender als ein Urlaub in bayrischer Postkartenidylle.

Obstwiesen Festival Eines der größten Umsonst & Draußen Festivals feiert dieses Jahr Jubiläum – mit alten Weggefährten, Newcomern und lieb gewonnenen Traditionen.

Johnossi

einzuladen, die jenen Feldweg schon zuvor entlanggestapft sind. Gegen eine kleine Camping‑ bzw. Parkgebühr gibt es hier zwei Tage lang Konzerte, eingeleitet durch einen Filmabend, der traditionell am Auf einer Wiese zwischen Feldweg und dichtem Donnerstag bei Einbruch der Dunkelheit stattfindet. Wald findet das Obstwiesenfestival in der Nähe von Henrike Schröder Ulm dieses Jahr – als eines der ältesten Umsonst & — 17.–19.08. Dornstadt — Der Ringer, Die Autos, Ebbot Lundberg Draußen – zum 25. Mal statt: ein guter Anlass, um & The Indigo Children, Faber, Golden Dawn Arkestra, Granada, neben vielversprechenden Newcomern auch Acts Gurr, Johnossi, Meute, Talisco, White Wine u. v. a.


#Live #Festival

Ruhrpott Rodeo

Appletree Garden

Nature One

New Horizons

»This is just a punk rock song«, singen die Headliner Bad Religion. Aber dies ist nicht nur ein Punk-Festival. Es ist eines der größten Deutschlands, gelegen zwischen Pott und Niederrhein.

Das Appletree Garden besticht durch entspannte Beschaulichkeit, floralem Flair und sagenhaft verwunschener Dekoration. Ein Geheimtipp ist es nicht mehr, dafür hat es das Renommee eines Entdeckerfestivals.

Obwohl in ganz Deutschland Festivals der elektronischen Tanzmusik wie Pilze aus dem Boden schießen, bleibt die Nature One eines der wichtigsten Festivals dieser Art – und das seit 1995.

Zwei Festivalsommer musste der Nürburgring unbespielt in die Geschichte eingehen, doch in diesem Jahr erlebt er gleich mehrere Giganten. Eines davon im Auftrag der Electronic Dance Music.

Die blumige Techno-Ästhetik der Plakate lügt nicht: Die 90er waren nie weg, sie sind auf der Nature One mehr als lebendig. Mitten im ländlichen Hunsrück kommen die überzeugtesten Raver zusammen und feiern unter freiem Himmel und in Bunkertunneln. Über 300 Acts legen hier auf vier Bühnen und weiteren Clubs wie dem niederländischen »Masters of Hardcore«Zelt auf – begleitet von einer kunstvollen Lightshow. Und die Raketenbasis ist als Location natürlich noch mal spektakulärer als die üblichen Rennstrecken und Flughäfen: Dass hier im Kalten Krieg noch NATO-Raketen stationiert waren, macht die friedliebende Technoparty und das diesjährige Motto »We call it home« umso symbolträchtiger.

Der Ring, wie er liebevoll genannt wird, hat sich diesen Sommer für das Spektakel Rock am Ring bereits ein Wochenende lang in eine Spielwiese vorwiegend rocklastiger Musik mit drei Bühnen verwandelt. Das New Horizons mit der Ausrichtung auf elektronische Musik schreitet jetzt ebenfalls selbstbewusst zur Tat: Zu seiner Feuertaufe wird sich die Dimension im August mehr als verdoppeln. Die Veranstalter ALDA platzieren gleich sieben Bühnen am Ring, auf denen 150 DJs für ein feierwütiges und spektakelsüchtiges Publikum performen. Klangvolle Namen wie »Trancetonia« oder »Garden of Goa« beherbergen dann Stars aus den Bereichen EDM, Techno und Hardcore. Auf zu neuen Horizonten mit 128 bpm!

So namhaft, wie das Festival in einschlägigen Szenen ist, präsentiert sich in diesem Jahr auch das Line-up mit großen Namen der Punkszene. Bereits seit letztem Jahr dürfen sich Fans auf die Melodic-Hardcore-Band Bad Religion aus Los Angeles freuen, deren Teilnahme da schon bestätigt wurde. Auch die Hauptstadt des Punk schickt aus ihrer Wiege mit den Oi!-Punkrockern Cock Sparrer alteingesessene Vertreter vorbei. Liest man im Line-up weiter, kann man sich sicher sein, in diesem Jahr Punkrock bis Hardcore von seiner traditionsreichsten Seite erleben zu können. Punk’s not dead. Weder in Hünxe noch anderswo. Um mit dem Song abzuschließen, mit dem dieser Text begann: »We do what we want and we think what we please.«

Die Veranstalter besitzen ein geradezu sagenhaftes Händchen für etablierfähige Newcomer. So gibt es einige Künstler – wie etwa AnnenMayKantereit – die dem Festival im niedersächsischen Diepholz im Nachhinein ihren kometenhaften Aufstiege zu verdanken haben. Komplettiert wird das Feld durch allseits erfahrene Größen der Indie-, Pop- und Electro-Branche. Ohne große Wandertouren fürchten zu müssen, beheimatet der im Wald gelegene Bürgerpark mit 5.000 Besuchern kaum mehr Menschen als ein ausgereifter Konzertsaal. Leider ist das Appletree schon ausverkauft. Aber keine Bange – der Vorverkauf für 2018 beginnt unmittelbar nach Ausklang der diesjährigen Ausgabe.

Helen von Daacke

Benni Bender

— 21.–23.07. Hünxe — Bad Religion, D.O.A., Die Kassierer, Die Lokalmatadore, Ignite, Irie Révoltés, Peter And The Test Tube Babies, Rantanplan, Samiam, Slime, Terrorgruppe u. v. a.

— 03.–05.08. Diepholz — Allah-Las, Coma, Die Höchste Eisenbahn, Drangsal, Faber, Fil Bo Riva, Goldroger, Gurr, Heinz Strunk, Voodoo Jürgens, Warhaus u. v. a.

Henrike Schröder — 04.–06.08. Kastellaun — Aka Aka feat. Thalstroem, Dominik Eulberg, Felix Kröcher, Klaudia Gawlas, Man At Arms, Mark’Oh, Moguai, Moonbootica, Ostblockschlampen, Paul van Dyk, Sven Väth, Wankelmut, u. v. a.

Helen von Daacke — 25.–26.08. Nürburg — Afrojack, Alesso, ATB, Axwell & Ingrosso, Chris Liebing, Claptone, Dimitri Vegas & Like Mike, Felix Jaehn, Gestört aber GeiL, Robin Schulz, Tiësto u. v. a.

UrbanArt! HipHop Festival Hier trifft HipHop auf Industriekultur: Das UrbanArt! HipHop Festival zeigt urbane Kunst im UNESCO-Weltkulturerbe Völklinger Hütte.

Sido

aus Stahl eine beeindruckende Kulisse für die Konzerte der über 20 Rapper. Zwischen Hochöfen, Sinteranlage und Erzhalle entsteht so aus IndusBereits zum dritten Mal versammelt das Festival triekultur und urbanem HipHop ein einzigartiges die großen und kleinen Namen der hiesigen HipHop- Live-Kunstwerk. Szene. Neben dem Line-up wird hier jedoch auch Henrike Schröder die Location zum Highlight: Die Völklinger Hütte — 14.07. Völklingen — 3Plusss, Ace Tee & Kwam.e, Audio88 & gehört als stillgelegte Eisenhütte zum UNESCOYassin, Bausa, Bonez MC & RAF Camora, Edgar Wasser, Nimo, Weltkulturerbe und schafft mit Millionen Tonnen Sido, Ufo361 u. v. a.

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#Live #Festival

BIG DAY OUT Es ist schon erstaunlich, was der JZI-Anröchte e. V. alle zwei Jahre mit dem Big Day Out Festival auf die Beine stellt. Dieses Jahr darf man sogar auf einen ganz besonderen Meilenstein blicken.

Es ist heutzutage völlig selbstverständlich, dass sich auf den Festivalplakaten der Nation ein internationaler Headliner neben den anderen reiht. Als Besucher könnte man so fast den Eindruck gewinnen, dass es nichts Einfacheres gibt, als mal eben eine namhafte Band von jenseits des Atlantiks oder auch nur jenseits des Ärmelkanals fürs Line-up zu gewinnen. Dass solche Hürden gerade für kleinere Festivals gar nicht so einfach zu nehmen sind, wird dabei gerne mal vergessen. Umso erstaunlicher, dass es dem Big Day Out mit seinen vergleichsweise einfachen Strukturen und vielen ehrenamtlichen Helfern gelungen ist, genau das zu stemmen und Billy Talent für seine diesjährige Ausgabe zu buchen. Es sei ihnen gegönnt, denn mit einem Festival, das nur alle zwei Jahre stattfindet, ist es vermutlich gar nicht so einfach, einen bleibenden Eindruck bei den Besuchern zu hinterlassen. Wenn nicht schon geschehen, dürfte das aber spätestens dieses Jahr passieren. Und falls Billy Talent noch Zeit haben, steht sogar noch eine Eintragung ins goldene Buch der Gemeinde Anröchte auf dem Plan. Philip Fassing — 04.–05.08. Anröchte — Alligatoah, Billy Talent, Bosse, BRKN, Donots, Emil Bulls, Heisskalt, Joris, Kyle Gass Band, Liedfett, Marathonmann, Monsters Of Liedermaching, The Amity Affliction, The Intersphere u. v. a.

A Summer's Tale

Mini Rock

Festivals sind laut und unübersichtlich, alle betrinken sich stumpf und grölen rum, und sowieso: Ihr seid zu alt für den Scheiß? Das A Summer’s Tale beweist das Gegenteil.

Aufwachen auf der Waldlichtung und dann kurz über den Neckar zum Festival und dem dortigen Weißwurstfrühstück – beim Mini-Rock kann man’s entspannt angehen lassen.

Viele Festivals schreiben in ihre FAQ, dass man sich gut überlegen soll, seine Kinder mit herzubringen. Beim A Summer’s Tale jedoch sind sie ausdrücklich erwünscht, sie haben sogar ihre eigene Bühne mit Programm, das auch die Eltern unterhält. Das Festival liegt in der Lüneburger Heide. Wer mag, kann ein Fahrrad ausleihen und eine kleine Tour machen. Oder sich die Zeit am Nachmittag mit einem der zahlreichen Workshops oder Lesungen vertreiben oder sich an den außergewöhnlichen Food-Ständen den Bauch vollschlagen. Beim A Summer’s Tale geht es sehr entspannt zu, aber nicht langweilig. Es ist einfach mit seinen Besucherinnen und Besuchern erwachsen geworden – das gute Erwachsen.

Das Mini-Rock-Festival ist ein bis heute ehrenamtlich geführtes Open Air. Ausgehend von der Frage, wie man das Freizeitangebot für Jugendliche in der Region verbessern könnte, entstand 2004 in Horb am Neckar die Idee für ein Festival, das im Jahr darauf erstmalig stattfand. Seitdem steigerte sich die Besucherzahl von 2.000 auf 12.000, was das »Mini« im Namen schon etwas anachronistisch erscheinen lässt. Damit wuchsen aber auch das Angebot und die Zahl der Bands. Heute spielen die Acts abwechselnd auf zwei Bühnen, sodass man theoretisch alles mitbekommen könnte. Wem das zu viel wird, der kehre einfach kurz zum Campingplatz auf der eingangs erwähnten Waldlichtung zurück.

Julia Brummert

Carsten Schumacher

— 02.–05.08. Luhmühlen — Bear’s Den, Bernd Begemann, Conor Oberst, Die Sterne, Element Of Crime, Feist, Franz Ferdinand, Get Well Soon, Heinz Strunk, Johnossi, Judith Holofernes, Nagel, Pixies, PJ Harvey, Rocko Schamoni, The Notwist u. v. a.

— 03.–05.08. Horb am Neckar — 257ers, Alex Mofa Gang, Ali As, Brett, Captain Capa, Enter Shikari, Eskimo Callboy, Feine Sahne Fischfilet, Megaloh, Milliarden, Mother’s Cake, MoTrip, Rogers, Schmutzki, Smile And Burn, Val Sinestra, Weekend, Yakuzi u. v. a.

Øyafestivalen Das Øya zeigt, dass Groß-Festivals auch in freundlich-entspannter Atmosphäre möglich sind.

Lykke Li

der Stadt. Der Park ist umgeben von Museen und Universitäten und umfasst auch einen sehenswerten Das Øya gehört zu einer Reihe von skandinavi- Botanischen Garten, der einen reizenden Kontrast schen Festivals, die Jahr für Jahr zwar äußerst nam- zu den Headliner-Shows von Lana Del Rey, Feist haft besetzt sind, gleichzeitig aber auch mit einer und The xx bieten dürfte. unvergleichlich entspannten Atmosphäre glänzen. Christian Steinbrink Das war schon früher so, als das Festival noch im — 09.–12.08. N-Oslo — Angel Olson, Feist, Lana Del Rey, Lykke Li, Middelalderparken direkt am Fjord beheimatet war, Mac DeMarco, Mø, Peter Bjorn And John, Pixies, Ryan Adams, aber auch jetzt im Tøyenparken etwas zentraler in Spiritualized & Oslo-Filharmonien, The Shins, The xx u. v. a.


#Live #Festival

RELOAD Beste Adresse für auf die Fresse ist in Niedersachsen am letzten Augustwochenende das Reload Festival. Wobei sich das »auf die Fresse« in erster Linie auf die Musik bezieht, die von der Bühne dröhnen wird, und auf die Pogo-Gruppen, die sich davor versammeln werden.

Schön zu sehen, wie das harte Festival in Sulingen nach diversen Umzügen als Open Air etabliert zu sein scheint. Wer zum Beispiel die Lokalpresse verfolgt und die Kreiszeitung zum Frühstück liest, weiß, dass die Stadtoberen gerade bemüht sind, die aktuelle Spielstätte langfristig zu sichern. Trotz der konstruktiven Bestrebungen wird sich das musikalische Aggressionspotenzial der auftretenden Bands wie gewohnt und gewünscht entladen. Wikinger-Metal gibt’s von Amon Amarth, politisch wird es bei Anti-Flag und Heaven Shall Burn, Gender-Bender-Post-Hardcore kommt von Life Of Agony und Irisch-Volltrunkenes von Mr. Irish Bastard. Besonders ans Herz gelegt sei der Auftritt der holländischen Band The Charm The Fury. Die hatten Team Intro schon Anfang des Jahres auf dem Eurosonic Festival begeistert, wo Shouterin Caroline Westendorp eine Stunde lang auf der Theke eines Pubs stand und von dort oben das Publikum anbrüllte, während die Band von der Bühne aus den Laden zerlegte. Daniel Koch — 24.–27.08. Sulingen — Amon Amarth, Anti-Flag, Bullet For My Valentine, Caliban, Heaven Shall Burn, Life Of Agony, Max Raptor, Mr. Irish Bastard, Prong, Skindred, Terror, The Charm The Fury, Trivium u. v. a.

Judith Holofernes

Ruhr­ triennale

Pure& Crafted

Ab Mitte August macht die Ruhrtriennale die Gegend zwischen Duisburg und Dortmund für sechs Wochen wieder zum spannendsten Kulturort des Landes.

Die Kombination aus Motorradkultur und Gitarrenmusik geht in diesem Jahr mit neuer Location und einem ganz besonderen Konzert in die dritte Runde.

Allein schon die vielen Orte der Industriekultur, an denen die Ruhrtriennale stattfindet, machen das Festival sehenswert. Und auch wenn der Fokus der Veranstaltungsreihe auf Kunst, experimenteller und klassischer Musik liegt, umfasst sie doch einige außerordentliche PopKonzerte: Zuvorderst die Ritournelle, mit der die Triennale seit einigen Jahren eröffnet wird, aber auch die Shows von Lambchop und Timber Timbre oder Arca dürften sich deutlich von landläufigen Hallen-Shows unterscheiden. Abseits davon empfiehlt es sich, einfach den Horizont zu erweitern und in die reizende Melange aus alten Industrieorten und avancierter Kultur einzutauchen. Denn es gibt kaum einen spannenderen Weg, das Ruhrgebiet und seine Geschichte kennenzulernen.

Fünfzehn Jahre sind vergangen, seitdem Interpol ihr Debüt »Antics« veröffentlicht haben. Zum Jubiläum spielt die Band das Album beim Pure&Crafted am Stück. Interpol sind aber natürlich nicht die Einzigen, die hier auftreten, am Samstag bietet das Festival noch viel mehr für Fans der Gitarrenmusik. Am Sonntag dann steht die Motorradkultur im Mittelpunkt des Geschehens. Für fünf Euro Eintritt kann man sich im Maschinenhaus des alten Kraftwerks Rummelsburg in Berlin Custom Bikes anschauen, verschiedene Klamotten- und Zubehörfirmen kennenlernen und lecker essen – alles unter dem Motto »New Heritage«. Für Spannung sorgen dann noch die Mutigen – oder sollte man sagen: die Verrückten –, die an der Steilwand im Motodrom ihre Runden drehen.

Christian Steinbrink

Julia Brummert

— 18.08.–30.09. Bochum, Dortmund, Essen, Mülheim (Ruhr), Duisburg, Gladbeck, Dinslaken — Arca, Lambchop, Nicolas Jaar, S O H N u. v. a.

— 26.–27.08. Berlin — Abay, Car Seat Headrest, Giant Rooks, Gurr, Interpol, Kytes, Pictures, Razz, The Dead Lovers u. v. a.

Fuchs & Hase

Folk im Park

Das Stadtstrand-Festival Fuchs & Hase in Düsseldorf geht in die vierte Runde. Im Treibgut vor dem Stahlwerk treten bei dieser Open-Air-Reihe sechs unterschiedliche Künstlerinnen und Künstler auf, zu denen sich auch noch SupportBands gesellen. Carsten Schumacher

Songwriter-Musik im Marienpark von Nürnberg, das bedeutet kleine Bühnen und ein Kinderbereich mit Zirkuszelt. Stämmige Security braucht es hier nicht, im Gegenteil ist die Mitnahme von Picknickdecken ausdrücklich erwünscht. Denn hier sitzt man lieber gechillt auf dem Rasen und lauscht der guten Musik. Carsten Schumacher

— 29.08.–08.09. Düsseldorf — Alin Coen Band, Andreas Kümmert, Judith Holofernes, Maeckes & Die Katastrophen, Maxim, Vincent Weiss

Charlie Cunningham

— 23.07. Nürnberg — Charlie Cunningham, Folk’s Worst Nightmare, Kim Jannsen, Marlon Williams u. v. a.

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#Live #Festival

ROCCO DEL SCHLACKO Man nehme eine Mischung aus Rock, Pop und Indie, vermenge diese mit einer saarländischen Waldlichtung und gebe einen Hauch Wahnsinn dazu – heraus kommt dieses Open Air Festival mit Ponyhof.

Zur besten Sommerzeit strömen rock- und partybegeisterte Gäste zu einem Gelände, auf dem Bühnen auf die Namen »Sauwasen« und »Ponyhof« hören und das sich in einer Stadt namens Püttlingen im Köllertal befindet. Die Tradition der Köllerbacher Dorffeste wird Mitte August unterbrochen vom Rocco, wie man es liebevoll abkürzt, das sich von Donnerstag bis Sonntag zuträgt. Zur musikalischen Untermalung des Spektakels sind Künstler aus dem deutschsprachigen Raum vertreten, aber auch welche von »überm großen Teich«, die langjährige Fans und Neuentdecker locken. Da das Rocco schon lange kein Unbekannter mehr ist in der Festivallandschaft, zählt es mittlerweile rund 24.000 Besucher, die friedlich zusammen campen, tanzen, Musik hören. So friedlich wie auf keiner Kirmes und auf keinem Stadtfest und das wundert viele: Als verhältnismäßig große Veranstaltung kommt man hier mit einer Handvoll Polizisten aus, worauf die Veranstalter auch zu Recht stolz sind. Das schafft nun ja auch nicht jeder. Helen von Daacke — 10.–12.08. Püttlingen — Adam Angst, Alligatoah, Anti-Flag, Antilopen Gang, Billy Talent, Casper, Faber, Gurr, Heaven Shall Burn, Irie Révoltés, Madsen, Pennywise, Rise Against, SDP, The Amity Affliction, Von Wegen Lisbeth, Zugezogen Maskulin u. v. a.

Parookaville

Utopia Island

Das EDM-Open-Air Parookaville setzt seine eigene Erfolgsgeschichte auch im dritten Jahr nahtlos fort. Bill Parookas Gemeinde wächst dabei ständig.

Das Utopia Island lässt sich nicht nur ganz entspannt wie ein Kurzurlaub genießen, es bietet außerdem eine Plattform für lokale Künstler.

Die größte Erfolgsgeschichte der hiesigen Festival-Szene in den letzten Jahren hört auf den Namen Parookaville. Im Zuge des EDM-Trends feierte das beim niederrheinischen Weeze beheimatete und vom belgischen Tomorrowland beeinflusste Open Air einen berauschenden Start. Aber auch abseits von Moden beeindruckt das Parookaville mit einer ausgesucht kreativen und liebevollen Gestaltung und der Idee einer eigenen Stadt für ein Party-Wochenende, inklusive Reisepass, Gefängnis und Kirche. In diesem Jahr soll das Festival wieder ein Stückchen größer, das Gelände ein bisschen fantasievoller werden. Nur am Line-up wird sich wenig ändern: Es umfasst weiterhin den Großteil der angesagtesten EDM-Acts weltweit. Und Bürgermeister ist weiterhin Bill Parooka.

Ursprünglich von einem regionalen Fußballclub als »Havana Nights« gegründet, feiert das Utopia Island dieses Jahr seine fünfjährige Residenz am Aquapark in Moosburg, knapp eine Stunde von München entfernt. Irgendwo zwischen Kirmes, Strandurlaub und Open Air erbaut sich das Festival gemeinsam mit seinen Besuchern ein Urlaubsparadies, das nicht mit Angeboten spart: Nach dem Frühstück am Foodmarkt kann im türkisblauen Badesee geplanscht und anschließend am Sandstrand entspannt werden, bevor es zu den Konzerten geht. Das EDM‑trächtige Line‑up samt einigen poppigen und lokalen Acts lädt auf vier Bühnen zum Mittanzen ein. Dabei versucht das Festival stets, bekannte Künstler mit Newcomern aus der Region zusammenzubringen.

Henrik Hamelmann

Henrike Schröder

— 21.–23.07. Weeze — Afrojack, Armin van Buuren, Axwell & Ingrosso, Bassjackers, Danny Avila, David Guetta, DVBBS, Martin Solveig, Moguai, Paul Kalkbrenner, Robin Schulz, Steve Aoki, Sven Väth, Tiësto u. v. a.

— 10.–12.08. — Moosburg — Adana Twins, ATB, Chefket, Claptone, Dominik Eulberg, Drunken Masters, Gabriel Ananda, Granada, Grandtheft, K.I.Z, Marteria, Netsky, Tchami, Tinie Tempah u. v. a.

Jenseits von Millionen Wer es kuschelig mag, ist auf dem kleinfeinen Jenseits von Millionen auf der Burg Friedland in der Niederlausitz am ersten August-Wochenende am besten aufgehoben.

Hanna Leess

Leute Leben reinbringen: familiäre Stimmung, eine dörfliche Idylle, eine kleine Burg, die aussieht wie jene, die man von Playmobil im Kinderzimmer stehen hatte. Dazu gibt es wie immer ein Line-up mit Man spottet ja so gerne über die Provinz, wenn viel Gespür für ein gutes Indie-Wochenende. man es als junger Mensch erst mal zu einem schlecht Daniel Koch bezahlten Job in einer überfüllten Metropole ge— 04.–05.08. Friedland — Botschaft, Fun Fare, Hanna Leess, schafft hat. Dieses Festival zeigt dir nun aber gnaIlgen-Nur, Isolation Berlin, Karies, Odd Couple, Oum Shatt, denlos, was Provinz hat und kann, wenn die richtigen Wilga u. v. a.


#Live #Festival

TROSSE KULT Seit mehr als zehn Jahren bringt der Trosse Kult e.V. aufregende Musik in die Ecken des Münsterlandes, in denen sonst nicht so viel Aufregendes passiert. Auch diesen Sommer kann das aus einem regionalen Kulturverein entsprungene Festival mit tollen Acts begeistern.

Wen es in das gemütliche Städtchen Rheine verschlägt, der kommt für gewöhnlich nicht unbedingt als Erstes darauf, dass nur wenige Kilometer von hier einmal im Jahr die Fäuste zu treibenden PunkrockHymnen in die Luft gereckt werden. Eine Leidenschaft, die das seit mehr als zehn Jahren in dieser eher ländlichen Region stattfindende Trosse Kult ermöglicht. Einst als regionaler Kulturverein gegründet, ist der Kult inzwischen deutschlandweit für seine sommerliche Zusammenkunft bei bester Musik bekannt. Das alljährliche Festival wird von dem Verein dementsprechend als Kernaufgabe verstanden, und die wird hier tatsächlich sehr vorbildlich erledigt. Ein Umstand, der schon längst Fans aus ganz Deutschland anlockt und den Einheimischen zur Abwechslung mal die Konzert-Reise nach Münster oder Osnabrück spart. Kurz: Wer in dem inzwischen recht ausgewachsenen Angebot an Festivals mit Schwerpunkt für härtere Gitarrenklänge etwas sucht, das wirklich organisch aus der Region entstanden ist, sollte sich das Trosse Kult durchaus mal näher anschauen. Philip Fassing

Open Source

c/o pop

Eine Rennbahn, ein Wald und ein vielseitiges musikalisches Angebot mit einigen Newcomern machen das Open Source auch dieses Jahr wieder zu einem Festival der ganz eigenen Art. Auch, dass es hier keine versumpften Zeltlandschaften oder ewig weite Wege gibt, ist für viele ein großes Plus.

Seit 13 Jahren befindet sich Köln jeden Sommer eine Woche lang im Musik-Ausnahmezustand: Dann nämlich, wenn die c/o pop stattfindet.

Zum achten Mal findet das Festival statt, wieder auf dem Gelände der Düsseldorfer Galopprennbahn. Zwischen den Bäumen des Grafenberger Waldes gelegen, kann auf drei größeren Bühnen jeweils unterschiedliche Musik bewundert werden. Und auch Kunstschaffenden bietet das Open Source eine Plattform. In einem eigens eingerichteten Teil des Festivalgeländes besteht die Möglichkeit, diverse künstlerische Umsetzungen zu bestaunen oder auch selbst aktiv zu werden. Ein Festival für Kunstinteressierte, Naturgenießer und Liebhaber der neuesten Musik.

Was das bedeutet? Als Nachfolger der unverschämterweise von der Hauptstadt abgeworbenen Popkomm finden in dieser Woche in allen möglichen und unmöglichen Locations Konzerte statt. Und zwar so viele, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hinhören soll. Obwohl es ursprünglich um elektronische Popmusik ging, stehen mittlerweile auch E-freie Bands auf den Bühnen, wie in diesem Jahr beispielsweise AnnenMayKantereit und der Songwriter Faber. Doch bevor jetzt jemand wegen Etikettenschwindel auf die Barrikaden geht: Moderat, Roman Flügel und wie sie alle heißen werden in diesem Jahr auch nicht fehlen. Seit 2009 hängt dem Musikprogramm zusätzlich ein Kongress für Musik- und Medienschaffende an.

Felix Schönberger

Senta Best

— 08.07. Düsseldorf — Trentemøller, The Temper Trap, Antilopen Gang, Die Sterne, Mount Kombi, Austra, Gaika, Bar, Illa J, Ogoya Nengo, Chogori, Love Machin, Eiger Nordwand u. v. a.

— 16.–20.08. Köln — AnnenMayKantereit, Brett, Chuckamuck, Der Ringer, Faber, Fil Bo Riva, Friends Of Gas, Her, James Vincent McMorrow, Júníus Meyvant, L’aupaire, Matias Aguayo, Matt Maltese, Moderat, Oum Shatt, Roman Flügel, Voodoo Jürgens u. v. a.

— 05.08. Rheine — Adam Angst, Cassandra Call, Dampfmaschine, Kyle Gass Band, Pennywise, Tim Vantol, Corner Case u. v. a.

Kinkerlitzchen Das ehemalige Rock an der Mühle findet 2017 zum zweiten Mal unter neuem Namen und zum ersten Mal mit eigenem Campingplatz statt.

Kat Frankie

im Vergleich zu anderen tatsächlich ein Kinkerlitzchen ist. Der Kinoabend beginnt freitags nach einem intimen Konzert von Kat Frankie, während Nicht nur seinen Namen, sondern auch das Kon- zehn Bands wie gewohnt den Samstag unter freiem zept hat das »schönste Dorffest der Welt« im letzten Himmel einnehmen werden. Am Ende gibt es ein Jahr verändert. Als Kinkerlitzchen weitete das Festi- Feuerwerk und dann gehen alle auf die Tanzfläche. val sein Programm auf zwei Tage aus und integrierte Henrike Schröder auch cineastische Beiträge ins Programm. Gerade einmal 20 Euro kosten die Zwei-Tages-Tickets, was — 11.–12.08. Metelen — Goldroger, Kat Frankie, Woman u. v. a.

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#Live #Festival

Sziget Der multikulturelle Festivalgigant auf der Donauinsel – oder besser gesagt »Island of Freedom« – bietet auch in diesem Jahr wieder eine Erfahrung zwischen Städtetrip und Partyrausch.

Einmal im Jahr wird die »Island of Freedom« inmitten der Donau in Budapest zu einem multikulturellen Schmelztiegel mit Musik, Kunst und Theater. Etwas abseits des Stadtkerns wird hier ein Open Air auf die Beine gestellt, bei dem alles etwas größer, weiter, höher ist. In Zahlen bedeutet das: eine Woche, über 50 Bühnen, etwa 200 Programmpunkte,

knapp 500.000 Besucher. Früher warb man für das Sziget mit den – ganz festivaluntypisch – niedrigen Bierpreisen. Heute reicht ein Blick auf das Plakat, um zu wissen, dass ein Besuch beim genrevielfältigen Festival – das sich trotz des Gigantismus einen Hauch von Hippietum bewahrt hat – lohnt. Denn hier findet man nicht nur weltbekannte Acts, sondern auch kleine Perlen. Henrike Schröder — 09.–16.08. H-Budapest — alt-J, Biffy Clyro, Billy Talent, Interpol, Kasabian, Macklemore & Ryan Lewis, Major Lazer, Mando Diao, P!nk, PJ Harvey, Steve Aoki u. v. a.

Haldern Pop Seit nunmehr 34 Jahren schreitet das Haldern Pop unaufhaltsam gen Spitze der beliebtesten Festivals in Deutschland voran. Als Magnet für Indie-, Pop- und Folk-Begeisterte weiß das Open Air vor allem durch ausgezeichnetes Booking rauszustechen.

ein. Auch das Line-up (2013 wie 2014 ebenfalls mit dem Helga!®-Award für »Feinstes Booking« ausgezeichnet) weiß zu überzeugen, schließlich kommen an der Reeser Lohstraße Jahr um Jahr Koryphäen der Indie- und Singer/SongwriterSzene zusammen. Neben der Mainstage und dem fabulösen Spiegelzelt, gilt allen voran die Von niederrheinischer Idylle umgeben, bürgt örtliche St. Georg Kirche als Aushängeschild das Festival wie kaum ein anderes für treffliche unvergleichlicher Festivalschauplätze. Rahmenbedingungen: Spätsommerliches Kli- Benni Bender ma, familiäres Flair und ein unweit gelegener — 10.–12.08. Rees — Bear’s Den, Bilderbuch, Clueso, See brachten dem Haldern bereits 2013 den Conor Oberst, Faber, Käptn Peng & Die Tentakel Von Helga!®-Award für den »Schönsten Zeltplatz« Delphi, Kate Tempest, The Afghan Whigs u. v. a.

Melt Nicht nur wegen des unvergleichlichen Schauplatzes unterhalb der Riesenbagger im Freilichtmuseum Ferropolis ist das Melt zu einer Institution der deutschen Festivallandschaft aufgestiegen. Zum 20-jährigen Jubiläum darf man sich vor allem wieder auf das vielschichtige Line-up freuen.

der Strand- bis zur Waldbühne oder, wie es hier heißt: von Gremmin Beach bis Sisyphos. Daneben präsentiert das Melt auch auf der Medusa- und der Big-Wheel-Stage unterhalb der riesenhaften Tagebau-Bagger von unterschiedlichen Techno-Spielarten über Indie- oder Punkrock bis hin zu Synthie-Pop, R’n’B und Um die verwunschene Tagtraum-Atmo- HipHop alles, was der affinen Kennerschaft sphäre in Gräfenhainichen zu konservieren, Dopaminschübe beschert. braucht es nicht nur das Urlaubs-Flair einer Benni Bender Halbinsel, sondern auch das entsprechend — 14.–16.07. — Gräfenhainichen — Bilderbuch, Bonobo, entspannte Setting. Die einmalige Auswahl Claptone, Die Antwoord, Fatboy Slim, M.I.A., Modesan außergewöhnlichen Stages reicht dabei von elektor, Phoenix, Richie Hawtin, SOHN, Soulwax u. v. a.

Acoustic Summer Düsseldorf kennt man als glitzernde Modeund Kunst-Metropole, doch auch die ruhigen Klänge haben hier ein Zuhause:

beispielsweise auf Torpus & The Art Directors und deren nicht minder spannendes Nebenprojekt Ove. Zudem wird Stefan Honig, SänBereits zum sechsten Mal findet das Acoustic ger der gleichnamigen Indie-Pop-Band, eines Festival in der Landeshauptstadt NRWs statt. seiner charmanten Solo-Sets spielen. Bei der Sommer-Ausgabe 2017 kann man sich Frank Wolther auf viel handgemachte Songwriter-Sounds auf — 19.08. Düsseldorf — Anna Katt, Honig, Ilka Lancelle, zwei Bühnen im Weltkunstzimmer freuen: Jagular, Ove, Raoky, The Lion & The Wolf, Torpus & The neben der irischen Wahlberlinerin Wallis Bird Art Directors, Walking On Rivers, Wallis Bird u. v. a.

Honig


#Live #Festival

Juicy Beats Was als Ein-Tages-Festival begann, ist mittlerweile auf die doppelte Größe angewachsen und mixt weiterhin musikalische Stile wie Pop, Rock, HipHop und Electro mit einem bunten Sortiment an Früchten.

verschachtelten Westfalenpark und bevölkerten die 20 Open‑Air‑Bühnen, die sich frisch und zeitgenössisch der ganzen musikalischen Bandbreite widmeten. Dazu passt die jüngste Neuerung: ein Rap‑Contest im nahe gelegenen Aufgeteilt auf verschiedene, nach Früch- Club FZW als Warm‑up‑Veranstaltung am Tag ten benannte Areas, wird der Westfalenpark vor dem Festival. zum bunten Obstsalat, in dem sich Mango Henrike Schröder an Sternfrucht und Kirsche reiht. Gespräche wie »Ich bin Pfirsich, und du?« – »Ana- — 28.–29.07. Dortmund — Alle Farben, Bilderbuch, Christian Steiffen, Cro, Dirty Doering, Drunken Masters, nas!« sind so an der Tagesordnung. Jeweils Faber, Frittenbude, Fünf Sterne Deluxe, Giant Rooks, 25.000 Besucher tummelten sich im letzGoldroger, Megaloh, Mighty Oaks, Moonbootica, OK ten Jahr an beiden Tagen im wunderschön Kid, SDP, Sinkane, SSIO, Trailerpark u. v. a.

Olgas Rock Seit 2000 findet im namensgebenden Oberhausener OLGA Park das Festival statt, bei dem es traditionell heißt: »Eintritt frei!«

Nicht Helga, sondern Olga ist gefragt, wenn im August bis zu 20.000 Freiluft- und Musikliebhaber im oberhäusischen Ruhrpott zusammenkommen. An der Vesticher Straße finden sich vor allem Rock- und Punk-Bands ein, wenngleich sich immer mehr Künstler anderer Stile ins Line-up einreihen. Dass die Veranstalter ihre Besucher für lau empfangen können, ist allen voran den zahlreichen Supportern zu verdanken. Ganz ohne kommerziellen Trubel

vermag das Festival dennoch renommierte Acts an Land zu ziehen, die den Schauplatz der Landesgartenschau 1999 wieder in einen Treffpunkt für spätsommerlichen Rabatz und ein formvollendetes Festivalerlebnis verwandeln. Zwei Tage Musik ohne Eintritt – das ist in Zeiten höheren Sicherheitsaufwandes und geringerer Zuschüsse eine echte Leistung. Benni Bender — 11.–12.08. Oberhausen — Any Given Day, Der Butterwegge, Face To Face, Good Riddance, Itchy, Keine Zähne Im Maul Aber La Paloma Pfeifen, Los Placebos, Neufundland u. v. a.

Dour »5 Tage Liebe und Musik« – das Dour Festival setzt zwischen Amor und belgischen Kartoffelstreifen vor allem auf ein abermals originelles Line-up.

Sieben Bühnen, eine ausgedehnte Bandbreite musikalischer Vielfalt, 230.000 Spaß- und Klangverliebte sowie die besten Pommes der Welt: Im belgischen Dour versteht man was von Superlativen. Aus aller Herren Länder schwärmen Festivalverzückte nicht nur für, sondern auch in die französischsprachige Wallonie. Nachdem sich auf die Premiere 1989 gerade mal 2000 Menschen verirrten, ist das

Dour mittlerweile an der Spitze der europäischen Festivals angekommen. Ein numinoses Genre-Allerlei aus etlichen Techno-Varianten (Drum’n’Bass, Dubstep, Deep House, Minimal u. a.) plus HipHop, Reggae, Indie-Rock, Punk und Metal macht das 120-stündige Spektakel zum polymorphen Aushängeschild diverser Stilpräferenzen und gilt darüber hinaus als Schmiede zukünftig angesagter Newcomer. Benni Bender — 12.–16.07. B-Dour — Carl Craig, De La Soul, Die Antwoord, Jon Hopkins, Justice, M.I.A., Phoenix, Solange, Trentemøller, Two Door Cinema Club u. v. a.

Alínæ Lumr Oma Helga liest alljährlich jene Bands vor, die auf der Burg, in Hinterhöfen oder Gärten von Storkow spielen werden.

Ein Rahmenprogramm dient einzig dem Zweck, den Austausch zwischen Musikfans und Bewohnern zu fördern. Ein familiärer Das Alínæ Lumr ist ein kleines, exquisit und gut in seine Umgebung eingebetteter gebuchtes Indie-Festival in direkter Nachbar- Festivalurlaub. schaft eines Naturparks mit seltenen Tierarten. Carsten Schumacher Und die 10.000-Seelen-Gemeinde Storkow — 25.–27.08. Storkow — Dear Reader, Deerhoof, Klez.e, empfängt die Besucher zwischen den Wäldern Oum Shatt, Ten Fé, The Notwist, Timber Timbre, White und Seen Brandenburgs mit offenen Armen. Wine u. v. a.

Dear Reader

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#Live #Festival

Because we are friends Von drei auf sechs Bühnen: Beim Because We Are Friends umfasst das Programm mittlerweile 150 Acts und geht vier Tage und Nächte rund um die Uhr.

Ein Festival dreht auf: Neben dem Schwerpunkt Techno und Tech-House plus der Handvoll Drum’n’Bass-, Reggae- und Dub-Acts gibt es ein Kontrastprogramm aus Trashmusik und Singer/Songwriter, und jetzt kommen auch noch ein Theaterstück, Kinoprogramm und Workshops dazu. Das Gelände ist fantasievoll gestaltet, es gibt ein veganes und vegetarisches Essensangebot und neue Bereiche

mit Installationen und Spielen. Die Festivalwährung wurde ab- und Komposttoiletten angeschafft. Was an dieser Stelle an Gewinn übrig bleibt (pecunia non olet – Geld stinkt nicht!), wird Viva Con Agua gespendet. Nur 18 Jahre alt sollte man sein, wenn man sich nach Nordwestmecklenburg aufmacht, denn »Muttizettel« werden hier nicht akzeptiert. Carsten Schumacher — 27.–30.07. Jesendorf — Blind Observatory, Bondi, Bonjour Ben, Christian Kuhlmann, Dirrty Dishes, DJ Smut, Fjaak, Gunnar Stiller, Matthias Meyer, Ron Albrecht Schaefer & Søn Oskar., Schlepp Geist, Umami u. v. a.

Deichkind im SparkassenPark Die Hamburger Rasselbande Deichkind feiert Jubiläum und kommt dafür auch in den SparkassenPark nach Mönchengladbach. Wir hatten vorab ein paar Fragen ...

Eure schönste Festivalerfahrung?

zum 20-Jährigen! – Wie feiert ihr das?

Was macht euch zum besten Live-Act?

Vielen Dank, liebe Leute! Wir feiern das, indem wir uns Raum schenken. Als Privatmenschen. Das Gute daran ist, dass wir immer noch sehr viel Spaß an Deichkind haben. Arbeiten ohne Druck – weder finanziell noch terminlich. Das ist wahre Lebensqualität.

Wir sind immer einsatzfähig, ob Oma gestorben ist oder die Magen-Darm-Grippe in der Crew wütet, wir gehen immer auf die Bühne. Wir sind die Penner ohne Grenzen.

Ich hab mal einen Rollstuhlfahrer gesehen, der über unseren Moshpit getragen wurde. Oder Bad Religion oder Monster Magnet zu sehen, wie sie sich unsere Show reinziehen Moin erst mal und herzlichen Glückwunsch und total steilgehen.

Helen von Daacke — 05.08. Mönchengladbach — Deichkind

Flow Mit seinen Kunstausstellungen und der stilistischen Bandbreite ist das Flow das Festival-Goldstück des Nordens.

Es braucht eine weite Reise in den Norden, doch es gibt wohl kein europäisches Festival, das Kunst und eingängige Popmusik so gelungen und organisch zusammenbringt wie das Flow in Helsinki. Dabei hilft auf besondere Weise das Gelände des Open Airs, ein ehemaliges Gaskraftwerk. Seine Gebäude wurden erhalten und bilden nun die außergewöhnliche Kulisse für kleine und große Konzertbühnen, Ausstellungsräume und eine breite Vielfalt an

MADville Nicht verrückt, aber zumindest der Wirklichkeit entrückt präsentiert sich das MADville auch dieses Jahr. Denn das Festival, das auf dem Flugplatz Giebelstadt bei Würzburg angesiedelt ist, sieht sich als Botschafter von Liebe und Glückseligkeit fern von tristem Alltagstrott. Einen ganzen Tag lang können sich die Besucher hier zu mehr als einem Dutzend DJs die Trägheit von den Knochen tanzen, im Künstlerdorf den Kopf in die Wolken stecken und im Foodcourt ganz neue kulinarische Erfahrungen machen. Wenn es, wie die

gastronomischen Angeboten, oft mit lokalen Bezügen. Stilistisch setzt sich das Flow in seinem Line-up ebenfalls keine Grenzen: Popstars spielen neben nischigen Neuentdeckungen, Electro und HipHop gehen genauso wie IndieRock und Hardcore. Aus der Innenstadt sind es nur ein paar Straßenbahnstationen zum Festivalgelände – ein urbaneres Flair findet man bei Großfestivals eigentlich nirgendwo. Christian Steinbrink — 11.–13.08. FIN-Helsinki — Angel Olsen, Aphex Twin, Frank Ocean, Goldfrapp, Jon Hopkins, Lana Del Rey, London Grammar, Moderat, Ryan Adams, The xx u. v. a.

Internationales Sommerfestival Veranstalter selbst sagen, »Ein Ausblick in die Zukunft« ist, dann kann man diese Utopie kaum erwarten. Tatsächlich erlebbar macht sie das Dorf voller MAD (Music, Art, Dance) dann bald wieder für jeden Fan von elektronischen Klängen und friedlichem Genuss. Auf in einen Tag rosige Zukunft! Felix Schönberger

— 08.07. Giebelstadt — Dominik Eulberg, Ellen Allien, Kollektiv Turmstrasse, Markus Kavka, Monika Kruse u. v. a.

Art meets Pop – zeitgenössische Performances aus der ganzen Welt vereint in der Freien und Hansestadt. Hamburg wird ja auch das Tor zur Welt genannt. Da liegt es nahe, hier eines der großen europäischen Festivals für performative Künste zu veranstalten, das Artists aus verschiedensten Bereichen und der ganzen Welt zu sich einlädt. Drei Wochen im August bieten Kampnagel und ausgewählte andere Orte – erstmals auch die Elbphilharmonie – ein künstlerisches Angebot, das sich von Tanz, Theater, Performance über Film, Musik

und bildende Künste erstreckt. Gegründet wurde das Festival in den 80ern und widmet sich seitdem aktuellen Themen in poptheoretischer Behandlung. Mit über 50 Produktionen präsentiert es den Besuchern ein vielschichtiges Programm mit ästhetischem Fokus und weltoffener Devise. Helen von Daacke

— 09.–27.08. Hamburg — Andreas Dorau, Beach House, Mocky, Rufus Wainwright, Tindersticks u. v. a.


G E T R E A DY

20

Die Jubiläums-Checkliste Jubiläums-Checkliste Die

Packlistensind sindVertrauenssache, Vertrauenssache,es eshat hatsich sichschon schonmancher mancherschwarz schwarzgeärgert, geärgert, Packlisten weil wichtige Dinge Jägerzaun oder Hausbar zu Hause vergessen wurden. weil wichtige Dinge wiewie Jägerzaun oder Hausbar zu Hause vergessen wurden. FesFestivalguide hat nicht umsonst 20 Jahre Erfahrung angesammelt. Wir teilen gern tivalguide hat nicht umsonst 20 Jahre Erfahrung angesammelt. Wir teilen gern … …

KLAMOTTEN

Unterwäsche Socken Jacke Lange Hose Kurze Hose Hemd T-Shirts Longsleeve (Kapu-)Sweater Regenjacke Feste Schuhe/Gummistiefel Flip-Flops/Badelatschen Badehose/Bikini Hut/Kappe/Mütze (Helden–)Strumpfhose H YG I E N E

Handtuch Bürste/Kamm Deo (Roll-on) Reiseapotheke (individuell ausrüstbar, z.B. Aspirin, Kohletabletten, Magnesium, Zeckenzange) Zahnbürste/Zahnpasta Duschgel/Shampoo (gut: biologisch abbaubar) Kondome Binden/Tampons Handspiegel Toilettenpapier Taschentücher/Küchenrolle Feuchttücher Duschhaube Vaseline (Schmelzbereich ab 38°)

C A M P I N G B E DA R F

Zelt Plastikplane (unter das Zelt) Heringe (ggf. Hammer)/Abspannleinen Schlafsack Iso-Matte Picknickdecke Besteck/Geschirr Kochset Kaffeekocher/Espressokanne Spülmittel (gut: biologisch abbaubar)/ Spülschwamm Campingstühle Campingtisch Pavillon Lebensmittel: z.B. Dosen/Kekse/JunkFood/Brot/Thüringer Bratwürste/ Fleisch/Tofu/Obst/Bier/Kaffee/Tee/ Salz/Pfeffer etc. Getränke: Bier/Wein/Gin/Tonic/Cola/ Limo Schneidebrett/–messer Aufbewahrungsbehälter Campingkocher/Grill/Anzünder/Kohle Dosenöffner/Flaschenöffner/Korkenzieher Feuerzeug/Streichhölzer Müllbeutel S U R V I VA L

(Dynamo-)Taschenlampe (ggf. mit ausreichend Batterien/Akkus) Taschenmesser Wasser/Wasserkanister/Tetrapak (Sonnen)creme/Après Lotion Ohrenstöpsel Sonnenbrille (+Etui) Mücken-/Zeckenschutzspray

A U F K E I N E N FA L L V E R G E S S E N

Ticket 1. Hilfe-Set EC-Karte/Bargeld Handy (+ Ladegerät/Powerbank) Gaffa-Tape OPTIONAL

Rauchwaren/ Zigaretten Brustbeutel/Bauchtasche/Gürteltasche Kontaktlinsen(lösung) Selfie-Stick Edding Lady–Gaga–Kostüm Kerzen Schere & Tesafilm (Bändchen kleben) Cocktail-Shaker Lampions Ukulele Kamera Kopfkissen Nähzeug Luft–/Penispumpe Bücher/Musik/Film–Projektor Zeltbeleuchtung Kuscheltier Vorhängeschloss Konfetti/Glitter Ball (für Flunkyball) Seifenblasen Fahnenmast Luftsofa Wasserspielzeug Badetuch/Bademantel (gestreift) G R AT I S seit 20 Jahren www.festivalguide.de

SONDERAUSGABE

ALLE INFOS FÜR DIE OPEN AIR SAISON 2017

Packlisten sind Erfahrungssache. Wer mehr Tipps & Tricks und alles Wissenswerte für die Festivalsaison sucht, findet es im neuen Festivalguide Magazin 2017! Jetzt überall gratis erhältlich und online auf festivalguide.de

»Ich war nie der Drei-Bier-Typ«

MARTERIA über Festivals früher und heute


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D ER H E LGA!® 2 017 ... und du bestimmst, wer ihn bekommt!

Der Helga!® wird fünf Jahre alt! Zum Jubiläum gibt es eine Jury bestehend aus der am meisten gemobbten Berufsgruppe der jüngeren Gegenwart: Journalisten! Und auch #festivalfanatics wie ihr können wieder abstimmen. Votet für das beste Festival unter www.festivalguide.de und gewinnt Tickets für die AwardShow am 21. September in Hamburg mit garantiert mehr Dosenbier als bei jeder Echo-Verleihung! Der Helga!® ist der unabhängige Festival-Award, verliehen von


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OBST WIESEN FESTIVAL.de

MSGL

17 19 AUG

umsonst+ draussen

TZGEBIET

MUSIKSCHU

FESTIVA 2017

Schnipo Schranke Audio88 & Yassin C a p ta i n P l a n e t M ä d n ess & D Ö ll

Dornstadt/Ulm

#JOHNOSSI

Leoniden Birth of Joy

Chima Ede Der Ringer Tom james

Blackberries sea moya Meadows Tremaire suzan köcher wir bringen kalten kaffee mit

#Hundreds #TALISCO

More to come...

#MEUTE #FABER #SKIP AND DIE #AV AV AV #EBBOT LUNDBERG

#SEKUOIA #GRANADA AND THE INDIGO CHILDREN #STEAMING SATELLITES #GURR #DER RINGER #GOLDEN DAWN ARKESTRA #TEKSTI-TV 666

01.-03.09.2017

Grünhof/Homberg(EFZE)

Alle Infos und Tickets unter www.musikschutzgebiet.de

#THE CRISPIES #SIEGFRIED AND JOY #WHITE WINE #FOREIGN DIPLOMATS #DIE AUTOS

nick mulvey charlie cunningham marlon williams kim janssen burkini beach folks worst nightmare

11. &12. August 2017

SO 23.07. MARIENBERGPARK .. NURNBERG

Foto: Laurel Halo © Phillip Aumann

ANDREAS DORAU BEACH HOUSE LAUREL HALO / ESMARK / FALLBEIL MOCKY & FRIENDS DANIEL LANOIS TINDERSTICKS INSALAR SEUN KUTI & EGYPT 80 DOPPLEREFFEKT WOLFGANG VOIGT PRES.: GAS (LIVE) F.S.K. SOPHIA KENNEDY / DIE VÖGEL RUFUS WAINWRIGHT EROBIQUE DEERHOOF

17.7. /// St Paul and the Broken BoneS ...................................... 26.7. /// the StrumBellaS ...................................... 16.8. /// Conor oBerSt ..................................... 14.9. /// hein CooPer ..................................... 26.9. /// Voodoo JürgenS ..................................... 10.10. /// Shout out loudS ..................................... 5.10. /// Von Wegen liSBeth ..................................... 9.10. /// huSky ..................................... 29.10. /// loyle Carner

WWW.e-Werk.de

www.kinkerlitzchen-festival.de

e-Werk ErlangEn MUSIKPROGRAMM:

MILLIARDEN KAT FRANKIE GOLDROGER SAY YES DOG WOMAN BERGFILM GURR UVM.

Film- & Musikfestival Film- & Musikfestival Film- & Musikfestival Film- & Musikfestival

www.folkimpark.com


128

www.hafen2.net

SCHLACHTHOF WIESBADEN MURNAUSTR.1 65189 WIESBADEN

07.07. FR

KYLE GASS BAND

12.07. MI

BAD RELIGION / ITCHY

21.07. FR

FRANCESCO TRISTANO / DAVID GREILSAMER / GENEVA CAMERARA

04.08. FR

EXTRABREIT

31.08. DO

SHRED KELLY

21.09. DO

NEWTON FAULKNER

23.09. SA

THE SISTERS OF MERCY

24.09. SO

SLØTFACE

28.09. DO

SOUNDS & SIGHTS NO. VIII: LAMBERT

30.09. SA

MAXIMO PARK

02.10. MO

LISA WHO (KREATIVFABRIK)

04.10. MI

FAYZEN

07.10. SA

DAN OWEN

09.10. MO

IRIE RÉVOLTÉ

09.10. MO

TIM VANTOL

11.10. MI

MAX PROSA

13.10. FR

ORISHAS

14.10. SA

FABER

22.10. SO

RIN

23.10. MO

HUSKY

26.10. DO

INTERGALACTIC LOVERS

29.10. SO

ANGUS & JULIA STONE

02.11. DO

WARHAUS

06.11. MO

LEE FIELDS & THE EXPRESSIONS

07.11. DI

JOSÉ GONZÁLEZ & THE STRING THEORY

11.11. SA

OH WONDER

27.11. MO

SCHNIPO SCHRANKE

29.11. MI

GENTLEMAN – MTV UNPLUGGED LIVE 2017

01.12. FR

MANDO DIAO

Unser komplettes Programm findet ihr im Internet unter

schlachthof-wiesbaden.de

J J U U L L 20

PRÄSENTIERT

17

HAFEN 2

LIVE

FR 07 The Grasping Straws, Boo Hoo FR 07 The Urban Voodoo Machine SO 09 Frau Wolf DO 13 Emily Jane White SA 15 Bye Benico, Blue Crime, Spill Gold SO 16 Fabian DI 18 Xixa SA 22 Le Trouble SO 23 Paperplanes

N. E S D A M E. N R E T S E

DI ANKE. R H C S O . SCHNIP YESTER

E. POLL SOOKE KE (US). A L . E IN LOV LOCAS

TEX ATION: MODER

02.09.17 DAS FESTIVAL IN STADE

BÜRGERPARK. EINLASS: 12 UHR. BEGINN: 13 UHR.

HAFENKINO OPEN AIR

jeden DO, FR, SA DO 27 Axolotl Overkill HAFEN 2 Nordring 129, D 63067 Offenbach

sommer 17

SA 01.07.17

Illa J

So 02.07.17

TInI Thomsen’s maxsax

Enjoy jAzz SummEr

Fr 21.07.17

RonJa von Rönne

SA 29.07.17

Chop suey Club boaT paRTy

VorSchAu SA 16.09.17

mC Rene

So 24.09.17

anna DepenbusCh

Di 26.09.17

The veIls

Di 10.10.17

ChuCkamuCk

Do 12.10.17

De-phazz

Do 19.10.17

peTeRlIChT Heidelberg – Am Karlstor 1 www.karlstorbahnhof.de

Präsentiert von: Mit freundlicher Unterstützung von:

Eine Veranstaltung von:


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U Di. 18.07.2017 | Blue Shell, Köln

03.07. ZOOM 21:00 KEVIN MORBY

TERMINE AB JULI 2017

07.07. ZOOM 20:00 MOUNT KIMBIE 20.07. ZITADELLE MAINZ 20:00 FEIST 25.07. PALMENGARTEN 19:30 MIGHTY OAKS

29.07. Liveurope Bühne @ JUICY BEATS Faber, I Heart Sharks, Pins, Joy Wellboy, Ten Fè

12.  Internationaler  Musiksommer 5.7. 6.7. 10.7. 26.7. 9.8. 17.8. 19.8.

Rebeca Lane The Hooters Rocket from the Crypt Kumbia Queers Rob Lynch Kate Nash Shantel & Bucovina Club Orkestar 23.8. Watsky Infos & Tickets

zakk.de

07/07 CALYPSONIC STEEL ORCHESTRA 14/07 YOUTH BRIGADE FESTIVAL 29/07 LIVEUROPE BÜHNE @JUICY BEATS: FABER, PINS, JOY WELLBOY,... 15/08 TRIVIUM 16/08 KYLE GASS BAND 21/08 CAR SEAT HEADREST 22/08 WATSKY 24/08 FZW INDIE NIGHT: ALASKA GOLD RUSH,COALS,U.V.A. 25/08 ROGERS 08/09 MUK.E 17: ATARI TEENAGE RIOT,... 12/09 MORITZ GARTH 13/09 JONAH 17/09 JUICE=JUICE 18/09 ALAZKA 22/09 DAS HÖCHSTE DER GEFÜHLE FESTIVAL: TORA, THE FRANK LIN ELECTRIC, PHIA, DINO JAUBERT, U.A. 24/09 THE SISTERS OF MERCY SOLD OUT! 29WAY BACK WHEN 01/10 FESTIVAL 2017 03/10 TIM VANTOL & BAND 05/10 RIN 06/10 BRKN 07/10 KEIMZEIT 08/10 SILVERSTEIN 09/10 SXTN 10/10 IRIE RÉVOLTÉS SOLD OUT! 11/10 GUANO APES 12/10 ALI AS 13/10 BAMBULE 2017: TORCH, TONI L, U.V.A. 16/10 KASALLA 18/10 VON WEGEN LISBETH 20/10 KÄPTN PENG & DIE TENTAKEL VON DELPHI 22/10 BLOND 26/10 MONTREAL 27/10 DIE APOKALYPTISCHEN REITER 29/10 BAUSA 30/10 KUULT 03/11 INTERGALACTIC LOVERS 05/11 FAISAL KAWUSI 07/11 SHANTEL & BUCOVINA CLUB ORKESTAR INFOS & TICKETS WWW.FZW.DE

WWW.FACEBOOK.DE/FZWEVENT FZW | RITTERSTR. 20 | 44137 DORTMUND

01.08. PALMENGARTEN 19:30 HAUSCHKA 08.08. PALMENGARTEN 19:30 TINARIWEN 08.08. ZOOM 21:00 ALLAH - LAS 15.08. PALMENGARTEN 19:30 FUNNY VAN DANNEN 15.08. ZOOM 21:00 WATSKY

TWIN PEAKS special guest: Strand Child

So. 06.08.2017 | Club Bahnhof Ehrenfeld, Köln

ALLAH-LAS

BRITISH LION special guest: Kobra And The Lotus So. 13.08.2017 | Blue Shell, Köln

M. WARD LUCINDA WILLIAMS

T

Mi. 30.08.2017 | Gloria, Köln

MUTEMATH

Sa. 02.09.2017 | E-Werk, Köln

BREAKING BENJAMIN

NEWTON FAULKNER Fr. 22.09.2017 | Luxor, Köln

WELSHLY ARMS THIRD EYE BLIND So. 24.09.2017 | Die Kantine, Köln

BELA B, PETA DEVLIN & SMOKESTACK LIGHTNIN‘

MAXIMO PARK BETH DITTO

Mo. 09.10.2017 | E-Werk, Köln

MACHINE GUN KELLY Do. 12.10.2017 | E-Werk, Köln

Di. 19.09.2017 | Die Kantine, Köln

MATISYAHU

VON WEGEN LISBETH

Mo. 30.10.2017 | E-Werk, Köln

Mi. 20.09.2017 | Live Music Hall, Köln

SEETHER

BANKS

Mo. 07.08.2017 | Westfalenhalle 1, Dortmund

So. 08.10.2017 | Palladium, Köln

13.09. BATSCHKAPP 20:00 BEAR´S DEN

Do. 12.10.2017 | Palladium, Köln

16.09. GIBSON 19:30 2RAUMWOHNUNG

Sa. 21.10.2017 | Palladium, Köln

ALL TIME LOW Di. 07.11.2017 | Palladium, Köln

Do. 09.11.2017 | König-Pilsener-Arena, Oberhausen

Do. 09.11.2017 | Palladium, Köln

28.09. ZOOM 21:00 THE VEILS 30.10. ZOOM 21:00 MOTORPSYCHO 06.11. MOUSONTURM 20:00 THE RESIDENTS 08.11. ZOOM 21:00 SUN KIL MOON

Di. 21.11.2017 | Phoenixhalle, Dortmund Fr. 24.11.2017 | Palladium, Köln

Fr. 01.12.2017 | ISS Dome, Düsseldorf

Sa. 02.12.2017 | Lanxess Arena, Köln

10.11. MOUSONTURM 20:00 SVEN REGENER 22.11. JAHRHUNDERTHALLE 20:00 MILKY CHANCE 23.11. ZOOM 21:00 DENZEL CURRY 28.11. HUGENOTENHALLE 19:00 KONTRA K. TICKETS MOUSONTURM: TEL 069.405.895-20 WWW.MOUSONTURM.DE INFOS BROTFABRIK: WWW.BROTFABRIK.INFO

WEITERE VERANSTALTUNGEN: WWW.MARKUSGARDIAN.DE

E

Mi. 20.09.2017 | Luxor, Köln

Di. 26.09.2017 | E-Werk, Köln

08.09. BROTFABRIK 20:00 HEIN COOPER

27.09. JAHRHUNDERTHALLE 20:00 CLUESO

A

Mo. 25.09.2017 | Live Music Hall, Köln

Sa. 26.08.2017 | Die Kantine, Köln

Mo. 25.09.2017 | Palladium, Köln

20.09. + 21.09. MOUSONTURM 20:00 PUSSY RIOT THEATRE

D

Fr. 22.09.2017 | Gebäude 9, Köln

Fr. 11.08.2017 | Luxor, Köln

29.08. PALMENGARTEN 19:30 DOTA

20.09. ZOOM 21:00 RIN

P

prime entertainment www.prime-entertainment.de

DIE TOTEN HOSEN KRAFTKLUB · K.I.Z U.A.


130

#Preview #Demnächst #Katz und Goldt

Demnächst: Intro #255 — 28.08.2017

Grizzly Bear, The Circle, EMA, Casper, Hausbesuch bei Ulrich Holbein, Magical Mystery Tour, Mogwai, The National


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