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ippnw thema
Juni 2019 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung
Radioaktivität kennt keine Grenzen – Europa braucht den Atomausstieg
EUROPÄISCHE ATOMPOLITIK
Europa steigt aus – oder? Ein Blick über den Kontinent
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us deutscher Sicht erscheint das Thema Atomkraft im letzten Kapitel angekommen. Der gesellschaftliche Diskurs ist gewonnen, die Ewiggestrigen, die bis zuletzt an den hohlen Versprechen der Atomlobby hingen, sind verstummt. Atomenergie hat keine Zukunft in diesem Land, das Ende des letzten Meilers ist in Sicht und jetzt geht es scheinbar nur noch darum, wie Staat und Gesellschaft mit den toxischen Hinterlassenschaften des Atomzeitalters möglichst verantwortungsvoll und umsichtig umgehen. Doch blickt man über den Tellerrand unseres nationalen Diskurses, stellt man fest, dass die Schlacht in anderen Teilen Europas noch nicht geschlagen ist. Immer noch gibt es Länder, in denen es die Atomlobby schafft, mit ihrer Propaganda die öffentliche Meinung und die Politik zu beeinflussen. Ein Blick über den europäischen Kontinent zeigt die divergierenden Stadien auf, in denen sich die einzelnen Länder befinden.
Die Sauberen 29 Staaten quer durch Europa hatten nie Atomkraftwerke oder haben diese bereits abgeschaltet: Island, Irland, Norwegen,
Dänemark, Estland, Litauen, Lettland, Polen, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kroatien, Serbien, Kosovo, Nord-Mazedonien, Albanien, Moldawien, Griechenland, Italien, San Marino, Monaco, der Vatikan, Portugal, Andorra, Malta, Aserbaidschan und Georgien. In einigen Ländern, wie Österreich und Italien, wurde die Atomkraft durch Gesetze und Volksentscheide verboten und existierende Atomkraftwerke abgeschaltet, während Polen als einziges Land ohne Atomenergie immer wieder mit dem Gedanken spielt, einzusteigen.
Die Aussteiger Sieben Staaten mit laufenden Atomkraftwerken steuern derzeit auf einen Ausstieg hin: Deutschland, Belgien, Schweden,
die Schweiz, die Niederlande, Spanien und Slowenien. Deutschland hat den Atomausstieg nach Fukushima festgelegt und seitdem bereits zehn der insgesamt 17 Atomreaktoren abgeschaltet. Bis Ende 2022 sollen auch die verbleibenden sieben Reaktoren vom Netz gehen, die Energieproduktion durch Effizienz- und Sparmaßnahmen, erneuerbare Energien und Gaskraftwerke aufgefangen werden. Gleichzeitig hält Deutschland an der Urananreicherung in Gronau und der Brennstäbefertigung in Lingen fest, forscht in Karlsruhe an neuen Atomtechnologien und setzt sich auch auf internationaler Ebene weiterhin für die Förderung der Atomenergie ein, so dass der von der Bevölkerung erkämpfte Atomausstieg von Seiten der Regierung weiterhin untergraben wird.
Spanien, die Schweiz und Schweden eint eine politische Zwiespältigkeit bezüglich der Atompolitik. Sowohl die Schweiz als auch Spanien und Schweden hatten einst militärische Atomprogramme, die eine robuste zivile Atominfrastruktur voraussetzte. Mittlerweile haben alle drei Länder den Griff nach der Bombe aufgegeben, die zivile Atomindustrie jedoch ist geblieben. In allen drei Ländern und auch in Belgien gab es politische Beschlüsse zum Atomausstieg, die mit der Zeit relativiert oder sogar zurückgenommen wurden – ähnlich wie dies in Deutschland durch die Entscheidung zur Laufzeitverlängerung 2010 geschah, wo der mühsam austarierte gesellschaftliche Konsens zum Atomausstieg durch Druck aus der Industrie torpediert wurde.
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Spätestens seit der Atomkatastrophe von Fukushima jedoch hat sich in all diesen Ländern die Erkenntnis durchgesetzt, dass neue Atomreaktoren politisch nicht realisierbar sind. So steuern Belgien, Spanien, die Schweiz und Schweden alle unweigerlich auf ein Ende der zivilen Atomenergie zu, wenn auch in unterschiedlichem Tempo, wie in zwei Schwerpunktartikeln in diesem Heft noch näher erläutert wird. In den Niederlanden und in Slowenien steht jeweils noch ein Atomreaktor. Beide sollen bis zum Ablauf der Laufzeit betrieben und dann nicht mehr ersetzt werden.
Die Einsteiger Mit massiver finanzieller und logistischer Unterstützung aus Russland planen zwei Länder in Europa den Einstieg in die Atomenergie: Weißrussland und die Türkei. Obwohl Weißrussland von der Atomkatastrophe von Tschernobyl so umfassend betroffen war, wie kein anderes Land, hat sich die autoritäre Regierung den Einstieg in die Atomenergie auf die Fahnen geschrieben. Mit finanzieller und logistischer Unterstützung durch Russland baut der Staat seit 2013 in Astravets, an der Grenze zu Litauen, zwei Atomreaktoren, die Ende 2019 bzw. Mitte 2020 ans Netz gehen sollen. In der Türkei wird seit 2015 ein AKW gebaut. 2019 wurde das Fundament des ersten Reaktors in Akkuyu fertig gestellt, der 2023 ans Netz gehen soll. Drei weitere Reaktoren sind auf dem Gelände geplant. Das AKW wird von der russischen Staatsfirma Rosatom gebaut und soll auch nach Fertigstellung in russischem Besitz bleiben und betrieben werden. Neben dieser einseitigen Vertragslage wird auch die Erdbebengefahr in der Region und die mangelnde Sicherheitskultur in der Türkei als kritisch gesehen. Ein weiteres AKW-Projekt in Sinop, welches mit japanischer Hilfe gebaut werden sollte, wurde 2018 aus
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wirtschaftlichen Gründen beendet. Ein drittes Projekt im erdbebengefährdeten Ostthrakien, nahe Istanbul, wurde bislang nicht weiter verfolgt. Profitieren dürfte von diesen Deals vor allem Russlands militärische und zivile Atomindustrie, denn durch den Bau von Atomkraftwerken im Ausland erzeugt man eine Nachfrage an Ingenieuren, Wissenschaftlern, Technikern und Zulieferern, die auch für das militärische Atomprogramm dringend benötigt werden. Der Export ziviler Atomtechnologie führt so zu einer indirekten Quersubventionierung von Forschung, Entwicklung, Nachwuchsförde-
rung und Ausbildung im militärischen Bereich der Atomindustrie – ein Prinzip, wie es ganz ähnlich auch durch die USA, Frankreich und Großbritannien praktiziert wird.
Die Ausbauer
garien). Haupttreiber der Bauprojekte sind die Atomwaffenstaaten Frankreich, Russland und China, die mit ihren Staatskonzernen Planung, Bau, Finanzierung und in einigen Fällen sogar den Betrieb übernehmen.
Zehn Staaten mit laufenden Atomreaktoren setzen offiziell weiter auf Atomkraft: Vier bauen aktuell bereits neue Meiler – Finnland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Slowakei – in sechs Staaten sind neue Reaktoren in Planung (Armenien, Rumänien, die Tschechische Republik, die Ukraine, Ungarn und Bul-
In Finnland, im Vereinigten Königreich und in Frankreich baut der französische Staatskonzern EDF derzeit jeweils ein neues Atomkraftwerk vom Typ EPR. Sowohl im finnischen Olkiluoto als auch im französischen Flammanville sind die Bauvorhaben mehr als zehn Jahre in Verzug. Die ursprünglich angesetzten Kosten ha-
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ben sich an beiden Standorten mehr als verdreifacht. Die Debakel um den EPR führten zum Ausstieg von Siemens aus der AKW-Sparte und zum wirtschaftlichen Ruin der ebenfalls beteiligten Firma Areva. Mittlerweile wurde diese vom französischen Steuerzahler gerettet und die Bauprojekte somit künstlich am Leben erhalten. Die meisten Expert*innen rechnen mit weiteren Kostensteigerungen und Verzögerungen und einige zweifeln sogar daran, ob der EPR jemals in Betrieb genommen werden kann. Dies wirft natürlich die Frage auf, weshalb ein Land wie das Vereinigten Königreich nun ebenfalls in Hinkley Point einen EPR bauen lassen will, obwohl jetzt schon klar ist, dass der eventuell irgendwann einmal erzeugte Strom deutlich teurer sein wird als Strom aus Photovoltaik, Windkraft, Gas oder anderen Energieformen. Auch hier scheint vor allem die Notwendigkeit einer nachhaltigen Quersubventionierung des strauchelnden militärischen Atomprogramms des Landes im Vordergrund zu stehen. Somit ist es unerheblich, ob Olkiluoto, Flammanville oder Hinkley Point jemals ans Netz gehen: der Nutzen für die Atomindustrie hat sich bereits durch den milliardenschweren und jahrzehntelangen Bau eingestellt. Es tut sich was, im Atomsektor – das soll die Botschaft sein. In Russland sind, wie in anderen Atomwaffenstaaten auch, die zivile und militärische Atomindustrie eng mit einander verzahnt und werden mit großzügigen staatlichen Subventionen ausgebaut. Neben dem Bau neuer Atomwaffen wird daher auch in neue Atomkraftwerke investiert, in die Forschung und Entwicklung neuer Brenn-
stoffe und Atomtechnologien und in sogenannte schwimmende Atomreaktoren, wie sie erstmals auf der Akademik Lomonossow eingesetzt werden sollen, welches im November 2019 die nördliche Stadt Pewek mit Strom versorgen soll. Von den 37 aktuell laufenden Reaktoren in Russland stammen 30 noch aus der Zeit vor Tschernobyl, sind also mittlerweile 30–50 Jahre am Netz. 2009 ging im AKW Rostow bei Wolgodonsk der erste Reaktorneubau nach über 20 Jahren Baupause ans Netz. Seit einigen Jahren unterstützt Russlands staatseigener Atombetrieb Rosatom Reaktorneubauten in Ländern, die für Russlands Außenpolitik geostrategische Bedeutung haben: in der Türkei baut und finanziert Russland das neue AKW in Akkuyu, welches auch von Rosatom betrieben werden soll. Weitere Länder, in denen Russlands Atomindustrie aktiv ist und den Bau von Atomkraft fördert sind Ungarn, die Slowakei, die Tschechische Republik, Weißrussland, Armenien, Kasachstan, Iran, Indien, China und Bangladesch. Im eigenen Land werden offiziellen Plänen zufolge aktuell vier neue Reaktoren gebaut, 23 weitere Reaktoren sollen landesweit in Planung sein, wobei Rosatom selbst kürzlich aufgrund der zunehmenden Unwirtschaftlichkeit von Atomstrom einen Großteil dieser Projekte auf unabsehbare Zeit verschoben hat. Von einem Ausstieg aus der Atomenergie ist Russland somit weit entfernt.
Ländern scheint der Technologie aufgeschlossen gegenüber und während sich in Polen bis auf vollmundige Ankündigungen, irgendwann einmal eine Ausschreibung für den Bau eines Atomreaktors zu starten bislang nicht viel geschehen ist, gibt es in der Tschechischen Republik ernsthafte Pläne, am Standort Dukovany einen neuen Reaktor bauen zu lassen oder zumindest den existierenden so umzurüsten, dass er zwanzig Jahre länger laufen könnte. Im slowakischen Mochovce wurde 2008 nach 16jähriger Baupause mit italienischer Hilfe erneut mit der Konstruktion von zwei neuen Reaktoren begonnen. Mit einer Verzögerung von rund sechs Jahren sollen die Reaktoren nun dieses Jahr ans Netz gehen – trotz zahlreicher Berichte über Sicherheitsdefizite und Baupannen. Und auch in Ungarn baut der russische Konzern Rosatom am Standort Paks zwei Reaktoren. Pläne für neue Atomreaktoren in der Ukraine, Armenien, Bulgarien und Rumänien hingehen sind noch in sehr frühen Stadien und bislang nicht mehr als vage Ankündigungen. Eine ausführliche Auflistung aller europäischer Staaten und ihrer aktuellen Atompolitik findet sich online unter: www.ippnw.de/bit/atomausstieg_europa
Neben diesen Staaten sind es vor allem die reaktionären Regierungen der vier Visegrád-Staaten, Polen, die Tschechi-
sche Republik, Ungarn und die Slowakei, die künftig auf Atomenergie setzen wollen. Die Bevölkerung in allen vier
Alex Rosen ist Vorsitzender der deutschen IPPNW.
IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer
Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE39100205000002222210, BIC:
Verantwortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland
BFSWDE33BER
Redaktion: Sabine Farrouh (V.i.S.d.P.), Angelika Wilmen, Regine Ratke Layout: Regine Ratke, Samantha Staudte
Sämtliche namentlich gezeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung
Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körtestraße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69
der Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke bedürfen der schriftlichen Geneh-
80 74 0, Fax 030 / 693 81 66, E-Mail: ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de
migung.
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Die militärischen Verstrickungen der URENCO In Deutschland ausgeblendet: Zivilmilitärische Interdependenzen in der Atomindustrie
Die Atomwaffenindustrie braucht die zivile Atomkraft. Das belegt unter anderem die Politik des internationalen Atomkonzerns URENCO, der in Deutschland die Urananreicherungsanlage Gronau betreibt. Die URENCO ist mit der Atomwaffenindustrie verflochten. Der Konzern beteiligt sich in Großbritannien auch an der Entwicklung militärisch nutzbarer Reaktoren. In der gleichen Zeitperiode, in der wir den Niedergang der zivilen Atomindustrie erleben, beobachten wir, dass alle Atomwaffenstaaten ihre Waffensysteme umfassend erneuern. Das schließt die landgestützten und vor allem die seegestützten Systeme (mit Atomwaffen bestückte U-Boote) ein. Die Bedrohung durch Atomwaffen steigt weltweit. In allen Atomwaffenstaaten wird die Entwicklung neuer Atomreaktoren subventioniert. Und trotz immenser Kosten hält die Atomindustrie an der Entwicklung einer neuen Atomreaktorgeneration fest: kleine modulare Reaktoren (SMR). Da die Atomkonzerne die Kosten dafür selbst nicht aufbringen wollen, sind sie auf staatliche Subventionen angewiesen. In der EU werden Forschungsgelder aus dem Euratom-Haushalt genommen. Der deutsche Bundestag, der den Ausstieg aus der zivilen Atomkraft längst beschlossen hat, hat pikanterweise am 9. Mai 2019 den Ausstieg aus Euratom-Vertrag und den damit verbundenen Subventionen für Atomforschung abgelehnt.
Atomwaffen und Atomkraft benötigen dieselbe Technologie Beide, Atomwaffen und Atomkraft, benötigen Spaltstoffe – in erster Linie angereichertes Uran oder Plutonium – sowie die Technologien, um waffenfähige Spaltmaterialien zu extrahieren und zu verarbeiten. Das macht die sogenannte zivile Nutzung
DAS ATOMKRAFTWERK WATTS BAR (USA) ERFÜLLT SOWOHL ZIVILE ALS AUCH MILITÄRISCHE ZWECKE.
der Atomkraft so ambivalent. Zudem entsteht in Atomkraftwerken Plutonium, ein weiterer Stoff, mit dem sich Atombomben bauen lassen.
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n der Atomtechnologie spielt die Urananreicherung eine zentrale Rolle. Atomkraftwerke benötigen einen Anreicherungsgrad von drei bis fünf Prozent, Atombomben benötigen 90 Prozent. Für einen Atomreaktor in atomgetriebenen Unterseebooten werden in der Regel ebenfalls hohe Anreicherungsgrade des Uranbrennstoffs benutzt, damit die U-Boote lange unter Wasser fahren können. In diesem Zusammenhang macht die jetzt angekündigte Produktion von HALEU bei URENCO USA durchaus Sinn. (High Assay Low Enriched Uranium, dieses ist auf zwischen 5 und 20 Prozent angereichert.) Auch die Tatsache, dass das Verteidigungsministerium der USA im Januar 2019 offiziell bekanntgab, dass die Umweltprüfung für HALEU abgeschlossen wurde, enthält Hinweise, wofür das Militär HALEU eigentlich benutzen möchte: für atomstromgetriebene U-Boote und für die Stromversorgung des Militärs an entlegenen Kampfschauplätzen. 5
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er zivilmilitärische Zusammenhang wird allerdings von den Medien in Deutschland und in der deutschen Politik oft unterschlagen, ja sogar ausgeblendet. Paradebeispiel sind die Urananreicherungsanlage der URENCO-Gruppe in Gronau und die in den Karlsruher Forschungseinrichtungen betriebene Forschung am Thorium-Flüssigsalzreaktor, der atomwaffenfähiges Uran 233 produzieren kann.
Die Politik von URENCO – und die Urananreicherung in Gronau URENCO ist ein weltweit agierender Konzern in der Urananreicherung, der zehn Prozent des Weltmarkts beliefert. Er hat vier Standorte: Gronau (Deutschland), Almelo (Niederlande), Capenhurst (Großbritannien) und Eunice (USA). Eigentümer und Betreiber der Urananreicherungsanlage Gronau sind die deutschen Energiekonzerne RWE und EON gemeinsam, RWE-Chef Wiegand sitzt im Direktorium des Gesamtkonzerns und bestimmt die internationale Politik mit.
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Da die Anreicherung in den URENCO-Zentrifugen auch die Herstellung von waffenfähigem Uran ermöglicht, weist der URENCO-Konzern eine sehr hohe militärische Brisanz auf. Er unterliegt einem Kontrollsystem im Rahmen des Vertrages von Almelo (1970). Die Regierungen Großbritanniens, der Niederlande und Deutschlands sind gemäß diesem Vertrag durch einen sogenannten Gemeinsamen Ausschuss mit Vetorecht an der Aufsicht über das Unternehmen beteiligt.
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RENCO hat zur Zeit Lieferverträge für die Brennstoffversorgung von maroden grenznahen AKWs in Doel und Tihange, Belgien sowie nach Cattenom, Frankreich. URENCO sorgt für die Brennstoffversorgung der deutschen, schwedischen und ukrainischen Atomkraftwerke. Doch die Lieferverträge in Deutschland werden in nur wenigen Jahren enden, vorausgesetzt, dass es in der Ausstiegspolitik der Bundesregierung keine Rolle rückwärts gibt. Noch besorgniserregender ist jedoch die Lieferung in die Krisenregion der Vereinigten Arabischen Emirate, für das AKW Barakah, dessen vier Atommeiler ab Ende 2019 ans Netz gehen sollen. Unklar bleibt die Situation bezüglich der geplanten AKWs in Saudi-Arabien. Saudi-Arabien möchte in den nächsten 20 bis 25 Jahren 16 AKWs bauen und dabei seine eigenen Uranvorräte nutzen, um den gesamten Brennstoffzyklus selbst bereitzustellen. Der sich zuspitzende Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien einerseits und die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die Trump-Administration andererseits zeigen, wie dringend eine internationale Politik der atomaren Rüstungskontrolle ist und wie eng die Zukunftspläne der Atomwaffenindustrie mit der zivilen Nutzung der Atomkraft verbunden sind. 2017 wurde die Absicht der
URENCO bekannt, angereichertes Uran in das AKW Watts Bar I zu liefern. Dort wird mittels spezieller Brennstäbe Tritium für US-Atomwaffen hergestellt. Im Zusammenhang mit der Entwicklung von kleinen modularen Reaktoren, deren Entwicklung besonders in Atomwaffenländern von der jeweiligen Regierung unterstützt wird, hat URENCO Großbritannien zusammen mit anderen Atomfirmen ein Konsortium gegründet, das sehr kleine, nur modulare Vier-Megawatt-Reaktoren nach dem Kugelhaufen-Reaktor-Typ entwickeln soll. Der Vorteil soll sein, dass der Reaktor nur alle fünf bis zehn Jahre neu mit Brennstoff versorgt werden muss, was klar für militärische Nutzungen in abgelegenen Kampfgebieten spricht.
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iese modularen Atomreaktoren sollen mit HALEU betrieben werden. Ein solcher Reaktor könnte per Lastwagen oder Flugzeug transportiert werden und nach 10 bis 20 Jahren zum Neubeladen mit atomaren Brennstäben wieder in die USA befördert werden. Kurz nachdem das US-Verteidigungsministerium verkündet hatte, dass es die Firma Centrus Energy beauftragen würde, eine eigens militärisch nutzbare Urananreicherungsanlage mittels Zentrifugentechnik aufzubauen, verkündete auch URENCO USA, dass man den möglichen Anreicherungsgrad auf 19,75 Prozent erhöhen, also HALEU herstellen wolle.
Argumente für die These von zunehmenden zivilmilitärischen Interdependenzen Es sind hauptsächlich Atomwaffenländer wie China, Pakistan, Indien, Russland und die USA, die in AKW-Neubauten investieren. Führungspersönlichkeiten aus Politik und Industrie in den USA sagen es inzwischen offen: Wir sind auf die zivile Nutzung der Atomenergie angewiesen, damit wir Atomwaffen bauen können: „The entire US nuclear enterprise – weapons, naval propulsion, non-proliferation, enrichment, fuel services and negotiations with international partners – depends on a robust civilian nuclear industry.“ Ohne zivile Nutzungen der Atomkraft sind auf Dauer Atomwaffen für die jeweiligen Atomwaffen-Staaten nicht herstellbar. Der Atomexperte Mycle Schneider dazu: „Bei der zivilmilitärischen Überlappung geht es vor allem um gegenseitige Abhängigkeiten des zivil-militärischen Atomkomplexes: Das Militär bedient sich aus demselben Fundus an Ingenieuren, Fachleuten (...) wie die zivile Atomindustrie. Die Kompetenzen, um die es geht, Sicherheits- und Konzeptstudien, Material- und Alterungsprobleme und so weiter, das sind alles dieselben.“
Fazit Wie auch zu Beginn der Entwicklung der sogenannten zivilen Atomindustrie in den 50er und 60er Jahren müssen wir deren Werbesprüchen mit Misstrauen begegnen. Die besseren Energieversorgung kann schon heute viel besser mit Erneuerbaren Energien gewährleistet werden. In diesem Bewusstsein sollten die Friedensbewegung, ICAN und die Anti-Atom-Bewegung sehr viel enger zusammenarbeiten. 6
Dr. Angelika Claußen ist Präsidentin von IPPNW Europa.
Foto: Global 2000 / CC BY-ND 2.0
BLOCKADE VON HINKLEY POINT IM OKTOBER 2012
Geht die Atomenergie den Bach runter? Die Situation der Atomindustrie in Großbritannien
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ie Firma Rolls Royce versucht derzeit, den Großteil ihres zivilen Atomgeschäfts in Großbritannien abzustoßen. Auch der Energieriese EDF versucht seit einem Jahr, einen Käufer für seine überalterte Reaktorflotte zu finden. Es ist unwahrscheinlich, dass sich Käufer finden, zumindest, wenn ein vernünftiger Preis erzielt werden soll. Der britische Energieriese Centrica versucht seit Jahren, sich seines Geschäftsanteils von 20 Prozent an EDF Energy zu entledigen. 2012 hatte es sich aus der umstrittenen Entwicklung von Hinkley Point C zurückgezogen und damit 200 Millionen Pfund in den Sand gesetzt. Die Firmen wollen aussteigen, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Kernbrennstoffe sind weit teurer als die bei Null liegenden Kosten von Wind und Sonne. Die 14 gasgekühlten AGR-Reaktoren sind nicht nur unökonomisch, sie sind uralt und haben ihre ursprünglichen Laufzeiten fast alle überschritten. Einige gehören mit 43 Jahren zu den ältesten laufenden Reaktoren in Europa. Manche haben schon gefährliche Risse in ihren Graphit-Moderatoren. Es gibt einen Typenfehler bei allen AGR – deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie vom Netz gehen. Dann wäre der Druckwasserreaktor von Sizewell der letzte verbleibende in Großbritannien. Fazit: Die Aussichten sind düster für die bestehende Atomindustrie in Großbritannien. Gleichzeitig sind Neuentwicklungen schwierig, wenn nicht zum Scheitern verurteilt. Toshiba hat sich nach dem Kollaps
seiner Atomsparte aus dem umstrittenen NuGen-Atomkraftwerk in Cumbria zurückgezogen. Hitachi, legte sein Programm ebenfalls im Januar auf Eis – Grund seien finanzielle Schwierigkeiten. Das betrifft auch den 20-Milliarden Pfund teuren Neubau des AKW Wylfa. Die zerstörten Hoffnungen der lokalen Wirtschaft und Verwaltung bringen einige Aufregung mit sich. Doch die Zeichen der Zeit sind offensichtlich, selbst wenn lokale Geschäftsleute und Politiker*innen sie nicht lesen wollen.
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ealität ist: Regierungen, Banken, Versorgungsunternehmen und Energiekonzerne ziehen sich seit vielen Jahren weltweit nach und nach aus Atomprojekten zurück. Diese Realität ist jetzt in Großbritannien angekommen. Die wichtigste und überraschendste Entwicklung ist jedoch, dass die britische Regierung anscheinend dabei ist, von der Atomenergie zur Offshore-Windkraft zu wechseln. Alle Indizien weisen in diese Richtung. In einer Regierungserklärung vom 6. Februar 2019 kündet der Staatssekretär für Wirtschaft, Greg Clark im House of Commons an, die Regierung überarbeite ihre Energiestrategie. Das Haus war fast leer, weil die meisten Abgeordneten erschöpft vom Vortag waren – von nicht-endenden Brexit-Debatten. Die Regierung hatte das vorausgesehen und konnte so vermeiden, Stellung zu verschiedenen schwierigen Fragen zu nehmen, unter anderm zu dem offensichtlichen Wechsel in der Energiepolitik. Clarks Rede wurde von den Abgeordneten kaum und von den Medien überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. 7
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ine gründliche Lektüre zeigt jedoch, dass die Regierung nach Jahren endlich Notiz von sinkenden Preisen Erneuerbarer Energien genommen hat, gegenüber steigenden Kosten der Atomenergie. Die warmen Worte bezüglich der Atomenergie waren eher Lippenbekenntnisse – denn für den Weiterbau der AKWs in Moorside und Wylfa B/Oldbury wurden keine weiteren Finanzmittel angekündigt. Der in Regierungskreisen einflussreiche Prof. Dieter Helm, schloss, „kein noch so intelligenter Vertrags- und Regulierungsrahmen (…) kann die schweren Herausforderungen wegzaubern, denen die Atomenergie gegenübersteht (...) die hohen Vorabkosten (…), das Risiko- und Sicherheitsmanagement, und die Herausforderung der Atommüllentsorgung.“ Die Regierung scheint sich also von ihren AKW-Plänen abzuwenden. So hat sie jetzt zugestimmt, 558 Millionen Pfund in die Entwicklung von Offshore-Windprojekten zu stecken – Taten sagen mehr als Worte. Der einzige verbleibende Reaktor im Bau ist Hinkley Point C, wo der erste Beton im Dezember 2018 gegossen wurde. Durch eine Serie von finanziellen, legalen und technischen Hindernissen wird das Projekt zur Wackelpartie. Ungekürzter englischer Originaltext unter www.tiny.cc/fairlie Dr. Ian Fairlie ist Berater zu den Umweltfolgen von radioaktiver Strahlung.
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Schweiz: Atomausstieg mit Hindernissen s geht zu langsam, zwei Schritte vorwärts, dann einen zurück, manchmal auch drei. Die Schweiz tut sich schwer mit der Umsetzung des Atomausstiegs. Dieser ist seit der Volksabstimmung vom Mai 2017 – mit dem JA der Stimmberechtigten zur Energiestrategie 2050 – an und für sich beschlossene Sache. Der Schweizerische Bundesrat (BR) hatte im Vorfeld artikuliert, die Schweizer AKWs sollten so lange laufen, wie sie sicher sind. Der BR hat dann jedoch mit einer unglaublichen Machtdemonstration am 7. Dezember 2018 eine Revision der Kernenergieverordnung beschlossen, die die geltenden Sicherheitskriterien für den Kernkraftwerksbetrieb aushebelt. Im Fokus ist dabei das marode Kernkraftwerk Beznau KKWB, das durch diesen Beschluss uneingeschränkt in Betrieb bleibt. Diese Änderung der Regeln im laufenden Spiel ist Ausdruck der Abhängigkeit des BR von den Empfehlungen des Eidgenössischen Nuklearen Sicherheitsinspektorates (ENSI). Dies gipfelt in einem Faktenblatt des Bundesamtes für Energie, welches sich unter anderem zur Behauptung versteigt, „Statistische Auswertungen bei größeren Bevölkerungsgruppen zeigen, dass bei Strahlendosen unterhalb von 100 Millisievert keine Gesundheitseffekte nachweisbar sind.“ Dies ist umso unverständlicher, da der BR am 2. März 2018 signalisiert hatte, dass er von den neuesten Studienergebnissen zu den Gesundheitseffekten niedriger ionisierender Strahlendosen Kenntnis genommen hat – unter spezieller Erwähnung der INWORKS-Studie. Auf Anregung der IPPNW Schweiz wurde nun eine parlamentarische Interpellation lanciert, die eine Klärung dieser offensichtlichen Widersprüche verlangt.
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olange diese Strahleneffekte von der obersten Bundesbehörde geleugnet werden, ist eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich. Ebenfalls ist in Sachen KKWB noch ein Bundesgerichtsentscheid hängig. Weitere parlamentarische Vorstöße betreffen die häufigen sicherheitsrele-
Foto: IPPNW Schweiz
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Eidgenössische Behörden leugnen die Gesundheitsrisiken der Atomenergie
DIE IPPNW, SCHWEIZ AUF EINER KLIMA-DEMONSTRATION
vanten Störfälle – bis hin zur Dokumentenfälschung – im KKW Leibstadt sowie einen durch den Ständerat geforderten Expertenbericht zu nuklearen Risiken. Besorgniserregend ist der Ruf nach neuen Kernkraftwerken angesichts des Klimawandels – trotz Ausstiegsbeschluss! Die IPPNW Schweiz hat sich hier den gewaltfreien Klimademonstrationen der Jugendlichen angeschlossen und weist wo immer möglich auf die Untauglichkeit der Kernkraft als Lösung des Klimaproblems hin. Es braucht nach wie vor eine kontinuierliche atomkritische Präsenz in der Öffentlichkeit. Wertvolle Schützenhilfe leisten hier die kürzlich erschienen Bücher „Atomfieber“ von Michael Fischer (zur Geschichte der Atomenergie in der Schweiz) sowie „Wohin mit dem Atommüll“ von Marcos Buser, ebenfalls die publizistische Aufarbeitung des massiven Kernkraftwerkunfalls von Lucens 1969 der Stärke 5 auf der INES-Skala, sowie die transparente Darstellung der irrwitzigen Anstrengungen der Schweizer Armee zur Entwicklung einer eigenen Atombombe.
tigen Lerneffekt nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima gibt. Eine erneute Initiative für die schnellere Abschaltung der verbleibenden KKW ist zur Zeit nicht in Sicht. (Das KKW Mühleberg wird im Dezember 2019 aus wirtschaftlichen Gründen von Netz gehen.) Braucht es wirklich einen weiteren Super-GAU, um auch die Schweizer Bevölkerung zur definitiven Abkehr von der Atomenergie zu bewegen? Um die nuklearen Risiken erneut ins Bewusstsein zu bringen, untersucht eine Studie unter der Leitung von Dr. Frédéric-Paul Piguet aus Genf die extremen Folgen eines großen Unfalls in einem Schweizer AKW. An der Studie ist auch die IPPNW Schweiz beteiligt. Pikant – wenn auch längst vermutet: Bereits bei durchschnittlichen Wetterverhältnissen wäre ein Unfall im KKW Leibstadt Ursache für viele Tausende strahleninduzierte Krebsfälle und Herzenskreislauferkrankungen in Deutschland – mehr als in der Schweiz.
Die Ablehnung der Volksinitiative „für Dr. Claudio Knüsli ist Onkologe einen geordneten Ausstieg aus der Kernund Vorstandsenergie“ vom Herbst 2016 zeigt, dass es mitglied der PSR/ IPPNW Schweiz bedauerlicherweise noch keinen nachhal8
AKW TIHANGE, BELGIEN
Belgien: Diskussion wird verweigert
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„Bröckelreaktoren“ von Tihange und Doel bleiben am Netz – ein Risiko für die ganze Region
ihange – diesen Namen kennt im Großraum Aachen inzwischen jeder. In Tihange an der Maas steht eins der beiden belgischen Atomkraftwerke mit drei Blöcken, die jeweils 1975, 1983 und 1985 ans Netz gingen. Tihange 1 sollte eigentlich 2015 abgeschaltet werden. Aber die belgische Politik entschied anders und verlängerte kurzerhand die Laufzeit um zehn Jahre bis 2025. T2 soll 2023 vom Netz und T3 2025. Aber schon mehren sich die Stimmen belgischer Politiker*innen nach weiterer Verlängerung der Laufzeit; die Energiesicherheit könne sonst nicht gewährleistet werden. Fakt ist, dass in Belgien zu wenig in alternative Energien investiert wurde. Es gibt also einen überalterten Block von jetzt 44 Jahren und darüber hinaus einen Block, T2, bei dem 2012 erstmalig Risse in den Schmiederingen des Reaktordruckbehälters festgestellt wurden. Bei einer erneuten Untersuchung 2015 wurde eine deutlich höhere Zahl von Rissen mit einer deutlich größeren Ausdehnung entdeckt. Das zweite belgische Kraftwerk ist Doel. Es liegt im Hafen von Antwerpen in einer der am dichtesten besiedelten Gegenden Europas. Im Umkreis von 75 km leben neun Millionen Menschen. In Doel gibt es vier Reaktorblöcke, D1 und D2 gingen 1975, D3 1982 und D4 1985 in Betrieb. Genau wie in Tihange wurde die Laufzeit der beiden ältesten Meiler einfach um 10 Jahre verlängert. Auch sie sind 44 Jahre alt und sollen noch sechs Jahre weiterlaufen. Auch bei Doel 3 wurden Haarrisse festgestellt. Die Zahl stieg von 8.062 in 2012 auf 13.047 in 2015. Manche Risse sind 17cm groß! Diese Haarrisse sind Wasserstoffeinschlüsse – an ihnen scheiden sich die Geister. Während die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC nach von ihr an-
geordneten Untersuchungen die Meinung vertritt, dass die Risse bei der Herstellung des Stahls des Druckbehälters entstanden und daher unbedenklich seien, befürchten unabhängige Expert*innen wie die Materialwissenschaftlerin Ilse Tweer aus Wien, dass die Wände des Druckbehälters bei einer akuten Notkühlung aufreißen und ihr radioaktives Inventar freigeben könnten. 2012 hat die FANC angeordnet, das Notkühlwasser auf 40 Grad vorzuheizen. Scheinbar befürchtet sie doch einen thermischen Schock. April 2018 fand in Aachen eine Fachtagung der Internationalen Vereinigung unabhängiger Nuklearexperten (INRAG) u. a. mit Greg Jaczko statt, dem ehemaligen Leiter der US-amerikanischen Atomaufsichtsbehörde, sowie Dieter Majer, dem ehemaligen Chef der deutschen Atomaufsichtsbehörde. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Risse vor Erteilung der Genehmigung hätten entdeckt werden müssen und T2 und D3 hätten gar nicht genehmigt werden dürfen. Sollten sie während des laufenden Betriebes entstanden sein, sei ein sofortiges Abschalten ein Muss. In einer im Sommer 2018 veröffentlichten Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission hält diese die Untersuchungen und Schlussfolgerungen der belgischen FANC, dass die Risse bei der Produktion entstanden seien, für plausibel. Daraus folgerten verschiedene Medien, dass T2 und D3 sicher wären.
Voraussetzungen zu schweren Schäden am Reaktorkern bis hin zur Kernschmelze führen kann. Im April 2018 wurde in Doel 1 ein Leck an einer Wasserleitung im Notkühlsystem festgestellt. Vier andere Meiler mussten aufgrund von Betonverfall in den Decken von Gebäuden in unmittelbarer Nähe der Reaktorbauten für längere Zeit heruntergefahren werden. Letzten Herbst war nur eins der sieben belgischen AKW in Betrieb. Schon 2016 beschwerte sich der damalige Leiter der FANC, Jeff Bens, über die Nachlässigkeit von Electrabel, dem Betreiber der belgischen AKW. Ganz gleich, was wir erfahren und wie besorgt die Bevölkerung unserer Region ist, von der Bundeskanzlerin kommt keinerlei Reaktion. Nach der oben erwähnten RSK-Studie nimmt auch die Bundesumweltministerin Abstand von Forderungen nach Abschalten und sieht zur Zeit auch keine Möglichkeit, die Brennelementlieferung von Lingen nach Tihange und Doel zu unterbinden.
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n der Europäischen Union ist Energiepolitik Ländersache. Außerdem ist der Betreiber von Tihange und Doel Engie Electrabel eine Tochterfirma von Engie Frankreich, an der der französische Staat mit 25 Prozent beteiligt ist. Opfert Frau Merkel unsere Region, um zumindest auf diesem Gebiet ihrem Freund Emmanuel Macron nicht in die Parade zu fahren?
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ber es sind nicht nur die Risse, die Sorgen bereiten. Immer wieder gab es in den letzten Jahren Probleme, die das Abschalten des einen oder anderen Kraftwerks erforderten. Im Februar 2018 meldete die FANC eine Häufung von Percusor-Fällen in Tihange 1. Bei einem Percusor handelt es sich um einen Zwischenfall in einem AKW, der unter bestimmten 9
Odette Klepper ist IPPNWMitglied.
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Weiterführende Informationen zu den Risiken der Atomkraft: •
www.ippnw.de/atomenergie
•
www.hibakusha-worldwide.org/de • www.dont-nuke-the-climate.org • www.tschernobylkongress.de • www.nuclear-risks.org/de • www.radioactive-olympics.org
Sie wollen mehr? Die Artikel und Fotos dieses Heftes stammen aus unserem Magazin „IPPNW-Forum“, Ausgabe Nr. 158, Juni 2019. Im Mittelpunkt der Berichterstattung des IPPNW-Forums stehen „unsere“ Themen: Atomenergie, Erneuerbare Energien, Atomwaffen, Friedenspolitik und soziale Verantwortung in der Medizin. In jedem Heft behandeln wir ein Schwerpunktthema und beleuchten es von verschiedenen Seiten. Darüber hinaus gibt es Berichte über aktuelle Entwicklungen in unseren Themenbereichen, einen Gastkommentar, Nachrichten, Kurzinterviews, Veranstaltungshinweise und Buchbesprechungen. Das IPPNW-Forum erscheint vier Mal im Jahr. Sie können es abonnieren oder einzelne Ausgaben in unserem Online-Shop bestellen.
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