Foto: © Dermot Tatlow / CARE/ laif
ippnw thema
März 2020 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung
Für ein gesundes Klima: Aufrüstung stoppen, Frieden fördern!
KRIEG & KLIMA
Friedens- und Klimabewegung gehören zusammen Abrüstung schützt unseren Planeten
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arum wir uns als Friedensbewegung mit der Klimabewegung zusammentun sollten? Vieles spricht dafür. Die Artikel dieses Themenschwerpunkts zeigen auf, welch einen immensen Fußabdruck die Militärs haben, warum durch die Gefahr zunehmender Konflikte auch ein Atomkrieg wahrscheinlicher wird, welche Folgen dies hätte und warum wir uns aktiv einbringen müssen. Die starke Klimaerwärmung mit ihren katastrophalen Folgen wird seitens der Militärs schon lang nicht mehr bezweifelt. Das USMilitär beispielsweise und auch das deutsche Verteidigungsministerium setzen sich intensiv mit den Folgen des Klimawandels auseinander. Dabei werden hauptsächlich die Gefahren für die jeweilige „nationale Sicherheit“ betont, die die Klimakatastrophe mit sich bringt: Extremwetterereignisse wie Dürren werden sich verschärfen, Überschwemmungen, Stürme und Brände ganze Länder verwüsten, wodurch es über eine Zunahme von Nahrungsmittelunsicherheit, Arbeitsplatzverlust, zunehmender Armut, Krankheitsausbrüchen und sozialen Spannungen zu Migration kommen wird. Einzeln oder in Kombination werden die Auswirkungen besonders die schon instabilen und armen Staaten treffen und wirtschaftliche Entwicklungen, die zum Beispiel in der Infrastruktur von Bildung und Gesundheit erreicht wurden, gefährden oder vernichten. So werden Dürren inzwischen allgemein als „Verstärker“ und Mitursache von Kriegen gesehen, wie zum Beispiel in Darfur (Sudan) oder im Syrienkrieg. Dies könnte schnell zu einem Konflikt zwischen Atommächten führen, zum Beispiel in Indien/Pakistan.
Hier sehen die Militärs ihre Aufgaben – Angst vor „Failed States“ und Terrorismus; „Naturkatastrophen“ mit der Notwendigkeit von humanitärer Hilfe und „Sicherung“ bzw. Abschottung ihrer Territorien vor Millionen von fliehenden Menschen. Diese drei Hauptaktionsgebiete kommen natürlich verpackt im Mäntelchen der Menschenrechte, alle sollen dort leben können, wo sie gerade sind. Zudem führen die Militärs Risikoabschätzungen für ihre Stützpunkte durch, da auch diese häufig in klimavulnerablen Gegenden liegen.
Klimabewegung immer wieder genannt, mit der Schlussfolgerung, wie viele Jahre uns noch verbleiben, um mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Wenn aber durchschnittlich 153 Millionen Tonnen CO²-Äquivalente pro Jahr allein durch das kriegführende US-Militär ausgestoßen werden, was dem Dreifachen von Schwedens Verbrauch entspricht, dann wird deutlich, dass uns noch viel weniger „Budget“ und damit Zeit zur Verfügung steht, um die weltweiten Emissionen auf Null zu reduzieren.
Ein neu angefachter Konflikt, der durch die Erwärmung und das Abschmelzen der Arktis erst möglich wird, ist der Streit um die dort lagernden Erdöl- und -gasreserven. Dies ist natürlich besonders pervers, da die Extraktion selbiger die Klimakatastrophe weiter anheizen würde.
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Militär und Emissionen Alles oben Genannte betrifft jedoch die Adaptation, also den Umgang mit den Folgen der Klimakatastrophe. Das Militär und hier vor allem das US-Militär sind für enorme Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nur haben die USA schon vor Kyoto erfolgreich Lobbying betrieben, damit die Emissionen der Militärs, militärischer Übungen usw. aus den Berichten ausgenommen werden. Die USA werden das Paris-Abkommen dieses Jahr verlassen und in den IPCC Reporting Guidelines werden die militärischen Emissionen größtenteils ausgenommen. Dies bedeutet, dass das vom IPCC errechnete, der Menschheit noch zur Verfügung stehende CO²-Budget zu groß ausfällt. Dieses Budget wird von Fridays for Future und der 2
uch wenn das US-Militär unbestreitbar der größte Einzel-Verschmutzer ist, sollten wir auch vor der eigenen Haustür kehren. Die Bundeswehr bzw. das Verteidigungsministerium sieht sich nicht in der Lage, die entstehenden Emissionen während einzelner Manöver zu berechnen, wie aus einer kleinen Anfrage der Linken aus 2019 hervorgeht. Mit dem Argument, der personelle und zeitliche Aufwand rechtfertige sich nicht, da die Emissionen der mobilen Systeme der Bundeswehr nur 0,07 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands betragen. Dies kann stark bezweifelt werden, wenn man allein die Beobachtungen z.B. der „Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung“ heranzieht, die die Flugstunden der Bundeswehr zu Trainingszwecken protokollieren und daraus Emissionen berechnen. Zudem ergeben die CO²-Emmissionen von Eurofighter-, Tornado-, Transall- und A310-Flügen im Jahr 2015 mit 323.565.297 kg CO²-Äquivalent bereits knapp die Hälfte der für 2015 angegebenen Gesamtemissionen aller mobilen Systeme der Bundeswehr.
KLIMASTREIK, BERLIN 2019
Militär und Klimagerechtigkeit
Militär und Mitigation
Betrachtet man allein den finanziellen Aspekt der Gerechtigkeitsdebatte und die Kosten der Kriege dieser Welt, benötigt ein denkender Mensch eigentlich keine Zahlen, um schnell zu erkennen, dass dieses Geld dringend anderswo benötigt wird – und zwar um den ärmeren Nationen bei Klimaadaptation und -mitigation zu helfen und die Erwärmung auf zwei Grad Celsius weltweit zu begrenzen. Die weltweiten Militärausgaben stiegen in 2018 auf insgesamt über 1.800 Milliarden USD. Dabei führen die USA mit 649 Milliarden und China mit 250 Milliarden vor Saudi-Arabien, Indien und Frankreich. Im Vergleich: ein UN-Gremium wollte 100 Millionen USD pro Jahr für die ärmeren Länder der Welt sammeln, um sie in ihrer Klimapolitik zu unterstützen. Diese Gelder wurden zwar zugesagt, aber bisher nicht gezahlt. Während also die militärisch Mächtigen Geld verschwenden, Emissionen produzieren und damit das Überleben aller, nicht nur im Krieg, gefährden, werden dringend benötigte Gelder nicht gezahlt.
Aufgrund von Anschlägen auf TreibstoffTransporte hat das US-Militär begonnen, Soldaten mit Hybridfahrzeugen, persönlichen Solarpanels oder größeren Panels für Camps auszustatten. Auch „Bio“-Treibstoffe werden in geringem Maße verwendet.
Betrachtet man die Etats des Verteidigungs – und des Umweltministeriums, zeichnet sich in Deutschland ein ähnliches Ungleichgewicht zwischen Militär- und Umweltausgaben ab. Während dem Verteidigungsministerium im Jahr 2019 43,2 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, beläuft sich der Etat des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit auf nur 2,29 Milliarden Euro – 0,6 Prozent des gesamten Haushaltes.
Prof. Neta Crawford argumentiert, dass das US-Militär als größter Einzelkonsument weltweit, durch seine Größe massive positive Auswirkungen auf die gesamte militärische Industrie und Infrastruktur hätte, würde es komplett auf Erneuerbare umsteigen. Da sträubt sich in mir natürlich alles – und es ist in sich auch nicht logisch. Würden alle, einschließlich der Militärs, auf Erneuerbare umsteigen, bräuchten wir kein Öl mehr – zahlreiche Kriege wären noch sinnloser als sowieso schon. Zudem ist das US-Militär auf Jahrzehnte gefangen in Anwendung und Verbrauch CO²-emittierender Systeme durch den Besitz von Flugzeugen, Fahrzeugen, Waffensystemen etc., die nicht in ein paar Jahren umgetauscht werden können. Die Lösung kann also nur Abrüstung heißen. Was muss geschehen? » Kriege müssen enden, um Emissionen zu verhindern, Umweltzerstörung aufzuhalten und die Klimakatastrophe auf ein noch erträgliches Maß zu begrenzen
» Emissionen der Militärs und ihrer Zulieferindustrie müssen von den jeweiligen Regierungen ans IPCC berichtet werden. » Auf lokaler Ebene können zivile, friedensbildende Maßnahmen Gemeinschaften helfen, Konflikte friedlich auszutragen. » Die Klimakatastrophe darf nicht „versicherheitlicht“ werden, also als ein Sicherheitsproblem betrachtet werden, dass einer militärischen Antwort bedarf, sondern muss als globale Krise eines Politik- und Wirtschaftssystems behandelt werden. Was tun? » Wir können mit Aktiven der Klimabewegung vor Ort sprechen, auf die Problematik und gemeinsamen Ziele aufmerksam machen. » Unsere Bundestagsabgeordneten auffordern, auf eine Verringerung des Militäretats und Nennung der CO²-Emissionen der Bundeswehr hinzuwirken im Sinne des Klimaschutzes (und natürlich des Friedens). » Unser Umfeld über die Thematik informieren. Material und Quellen stellt die IPPNW gerne zur Verfügung. Mehr Infos & Quellen unter: ippnw.de/bit/klima-militaer
» Die Rüstungsindustrie muss konvertiert und klimaneutral gemacht werden. » Rüstungs- und Militärbudgets müssen gesenkt werden, um Klimaschutzbudgets zu erhöhen. 3
Dr. Katja Goebbels ist im Vorstand der deutschen IPPNW.
Foto: US Air Force, gemeinfrei
OPERATION „DESERT STORM“: US-KAMPFJETS ÜBER BRENNENDEN ÖLQUELLEN IN KUWAIT (1991)
Auf Kriegsfuß mit dem Klima Laut der Crawford-Studie ist das US-Militär zentraler Antreiber des Klimawandels
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as Militär verbraucht ungeheure Mengen an fossilen Brennstoffen, zerstört die Umwelt und trägt wesentlich zum Klimawandel bei. Gleichzeitig werden die weltweiten Ressourcen knapper und Rohstoff-Kriege drohen in Zukunft zuzunehmen, wovor sogar in US-Militär- und Geheimdienstkreisen gewarnt wird. Das eigentliche Problem besteht aber darin, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung heute 80 Prozent der globalen Ressourcen verbrauchen und 80 Prozent der weltweiten Abfallmenge verursachen. Um diesen Status Quo zu erhalten, werden weltweit Kriege und RegimeChange-Operationen durchgeführt. Die ökologischen Verwüstungen der globalen Militärmaschinerien sind und waren grauenvoll. Krieg, der Unterhalt und die Instandhaltung von Militärapparaten und ihrer Stützpunkte gehören zu den größten Verbrauchern von Energie und anderen Ressourcen und setzen erhebliche Umweltschadstoffe frei – hier nur einige Beispiele: » Weltweit verbraucht das Militär große Mengen fossiler Brennstoffe und setzt beträchtliche Mengen an Treibhausgasen frei, die zum anthropogenen Klimawandel beitragen, besonders im Globalen Norden.
Alleine das US-Militär benötigte im Jahr 2017 jeden Tag (!) etwa 42,9 Millionen Liter Öl, dabei wurden mehr als 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert.
Vietnam und ist dort für massive Krebserkrankungen und Gendefekte verantwortlich. Klimaabkommen: Leerstelle Militär
» Mehr als die Hälfte der Hubschrauber der Welt werden für militärische Zwecke verwendet und etwa ein Viertel des Verbrauchs von Düsentreibstoffen stammen von Militärflugzeugen, von denen die meisten ineffizient, kohlenstoffintensiv und umweltschädlich sind. » Durch Kriege und die damit verbunden Folgeaktionen kommt es zu großflächigen Zerstörungen von Wald, Böden und Natur, wichtigen CO²-Senken, die der Menschheit im Kampf gegen den globalen Klimawandel verloren gehen. » Als massiv zerstörerisch erwies sich der großflächige Einsatz von nahezu 100.000 Tonnen Herbiziden wie Agent Orange im Vietnamkrieg, um Wälder zu entlauben. Dies traf 4,8 Millionen Vietnames*innen, führte zu 400.000 Todesfällen sowie Behinderungen und Gendefekten bei 500.000 Kindern. Die Pflanzenwelt konnte sich über Jahrzehnte nicht regenerieren, die Zahl der Tierarten ging deutlich zurück. Das darin enthaltene Dioxin verseucht noch heute 4
„In der heutigen Klimadiskussion über die Verursacher und Folgen des menschengemachten Klimawandels gibt es eine schwerwiegende Lücke, denn ein wesentlicher und wichtiger Punkt wird ausgespart: Die `Übersee-Aktivitäten´ des Militärs, die auch durch ein UNO-Mandat gedeckt sind, wurden – und zwar weltweit – aus dem Kyoto-Protokoll (1997) und dem Pariser Klimaschutzabkommen (2015) ausgeklammert. (...)“ Wie das Militär aus den Büchern der Kohlenstoffbilanz verschwunden ist, erfahren Sie ebenfalls in der IMI-Studie von Marc Werner.
» Als ebenso vernichtend für das Klima erwies sich der Rückzug der irakischen Streitkräfte aus Kuwait im Golfkrieg 1991. Ein NASA-Bericht kommt zu dem Schluss: Als sich irakische Streitkräfte aus Kuwait zurückzogen, setzten sie über 650 Ölquellen in Brand und beschädigten fast 75 weitere, die dann Rohöl durch die Wüste
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„Der Klimawandel wird die Konkurrenz um Ressourcen verschärfen, insbesondere um Wasser. Er wird die Gefährdung von Küstengebieten erhöhen. Er wird den Streit um Territorien und landwirtschaftlich nutzbare Regionen anheizen. Er wird Migration auslösen und fragile Staaten noch fragiler machen.“ NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer 2009 und in den Persischen Golf „ausspuckten“. Schätzungsweise ein bis 1,5 Milliarden Barrel Öl wurden in die Umwelt abgegeben. Nachdem die meisten verbrannt waren, landeten 25 bis 40 Millionen Barrel in der Wüste und elf Millionen Barrel im Persischen Golf (Quelle: Remote Sensing of Environment 2012) » Flächenverbrauch und Wiederaufforstung: Die großflächige Kontamination der weltweiten US-Militärstützpunkte – sowohl im In- wie auch im Ausland – mit hochgiftigen Chemikalien, die in die Böden und das Grundwasser gelangen, erschwert eine ökologische Wiederaufforstung massiv. Es könnten noch unzählige andere Punkte aufgeführt werden, wie das Militär mithilft, die Welt in ein Treibhaus und eine ökologische Wüste zu verwandeln. Die Crawford-Studie: Das US-Militär als zentraler Treiber des Klimawandels Die USA befinden sich seit Ende 2001 kontinuierlich im Krieg, wobei das US-Militär und das Außenministerium derzeit in mehr als 80 Ländern an Antiterroroperationen beteiligt sind. All dieser Einsatz massiver militärischer Gewalt erfordert Energie, viel Energie, der größte Teil davon in Form von fossilen Brennstoffen. Die im Juni 2019 von Neta C. Crawford von der Boston University veröffentlichte Studie untersucht detailliert den militärischen Kraftstoffverbrauch für die US-Kriege nach dem 11. September 2001 und die Auswirkungen dieses Kraftstoffverbrauchs auf die Treibhausgasemissionen. Der beste Schätzwert der Treibhausgasemissionen des US-Militärs von 2001, als die Kriege mit der US-Invasion in Afghanistan begannen, bis 2017, ergibt, dass das US-Militär in diesem Zeitraum 1.212 Millionen Tonnen Treibhausgase (...) freigesetzt hat. In einem Jahr sind die Emissionen des Pentagons größer als die gesamten Treibhausgasemissionen vieler kleinerer Länder. Diese Schätzung konzentriert sich nur auf die direkten militärischen Emissionen des US-Department of Defense. Eine voll-
ständige Abrechnung der mit dem Krieg und seiner Vorbereitung verbundenen Gesamtemissionen würde jedoch auch die Treibhausgasemissionen der Rüstungsindustrie umfassen. (...) Hier wiederum kommt Crawford zu folgendem Resümee: „Wenn die Hälfte dieser militärisch bedingten Emissionen auf die Kriege nach dem 11. September zurückzuführen ist, dann hat die US-Kriegsproduktion von 2001 bis 2017 etwa 2.600 Millionen Megatonnen CO2-Äquivalentes Treibhausgas ausgestoßen, was durchschnittlich 153 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entspricht.“ Das ist mehr als die dreifache Menge an Treibhausgasemissionen, die Schweden 2017 (50,8 Mio. Tonnen) verbraucht hat. Energie- und Treibstoffverbrauch des US-Militärs Hauptquelle des fossilen Brennstoffverbrauchs sind der Krieg und dessen Vorbereitung. Das US-Department of Defense (DOD) ist der größte Einzelverbraucher von Energie in den USA und in der Tat der größte institutionelle Verbraucher von Erdöl weltweit. Seit 2001 verbraucht das DOD konstant zwischen 77 und 80 Prozent (!) des gesamten Energieverbrauchs der USRegierung. Die „ökologischen Fußabdrücke“ der Kriege und Besatzungen der USA zeigen fast den gesamten US-Militärverbrauch fossiler Brennstoffe. Insgesamt kauften die USA von 1998 bis 2017 2,4 Milliarden (!) Barrel Erdölkraftstoff. Ein Barrel Öl entspricht knapp 159 Liter. Umgerechnet ergibt das also die astronomische Zahl von mindestens 381.600.000.000 Liter Rohöl, die in nur 19 Jahren verbraucht wurden. Durchschnittlich also über 20.000.000.000 Liter Erdöl pro Jahr.
die Vorbereitung auf klimabedingte Unsicherheiten, auch wenn es weiterhin dafür sorgt, dass die Amerikaner relativ kostengünstigen Zugang zu importiertem Öl haben. (...) Laut Crawford haben die USA hier eine wichtige politische Entscheidung zu treffen: Richten sie ihre Außenpolitik und militärische Präsenz weiterhin darauf aus, den Zugang zu fossilen Brennstoffen zu sichern? Oder reduzieren sie den Einsatz fossiler Brennstoffe, einschließlich der eigenen Abhängigkeit des Militärs drastisch und vermindern damit die Notwendigkeit, den Zugang zu den globalen Ölressourcen militärisch zu überwachen? Eine Verringerung des militärischen Treibstoffverbrauchs wäre in mehrfacher Hinsicht von Vorteil, argumentiert Prof. Crawford. Unter anderem würde die drastische Senkung des Verbrauchs an fossilen Brennstoffen durch das US-Militär die gesamten Treibhausgasemissionen der Vereinigten Staaten signikant reduzieren. Die Stillegung militärischer Basen könnte auch zu einer erheblichen Kohlenstoffbindung führen, wenn diese öffentlichen Flächen wieder aufgeforstet werden. Zusammenfassend lassen sich wichtigsten Befunde der Studie auf folgenden Punkt bringen: Die Reduzierung des fossilen Brennstoffverbrauchs des Pentagon hätte enorm positive und kaum zu überschätzende Auswirkungen auf den Klimawandel, den Umweltschutz allgemein, die Bewahrung der Artenvielfalt und am wichtigsten natürlich, den Frieden. Dies ist ein Auszug aus der IMI-Studie von Marc Werner: „Das US-Militär – Auf Kriegsfuß mit dem Klima“ vom 4.11.2019 www.imi-online.de/download/ IMI-Studie2019-7-US-Klima-Web.pdf
Bedrohungen der nationalen Sicherheit durch Ölabhängigkeit und Klimawandel (...) Das DOD geht davon aus, dass der Klimawandel eine Katastrophe für die Institution und den Planeten sein wird. Das Pentagon konzentriert seine Bemühungen auf die Anpassung an den Klimawandel und 5
Marc Werner ist freier Mitarbeiter der IMI und Autor der Studie „Auf Kriegsfuß mit dem Klima.“
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Atomwaffen: Die größte Gefahr für das Erdklima Atomwaffen und Klimakatastrophe sind Gefahren, die sich gegenseitig verstärken
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tudien renommierter Atmosphärenforscher zeigen, dass weniger als 0,5 Prozent des globalen nuklearen Arsenals, das auf Städte in nur einer Region der Welt gerichtet ist, massive Feuerstürme entzünden würden, die Millionen Tonnen Rauch hoch in die Atmosphäre schleudern würden. Dieser Rauch würde innerhalb von Wochen den gesamten Globus bedecken und die Welt darunter für mehr als zwei Jahrzehnte abkühlen, austrocknen und verdunkeln. Die Sonne würde den dunklen Rauch in und über der Stratosphäre erhitzen und damit die Atmosphäre um mehr als 50 Grad Celsius aufwärmen. Das Ozon, das uns vor der schädlichen UV-Strahlung der Sonne schützt, würde sich in Folge rasch abbauen.
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ereits 100 Bomben, die der von Hiroshima entsprechen – eingesetzt beispielsweise in einem Krieg zwischen Indien und Pakistan, würden über fünf Millionen Tonnen Rauch erzeugen und die durchschnittlichen Oberflächentemperaturen um 1,5 Grad senken, mit einer viel größeren Abkühlung von 5-8 Grad über großen Landmassen. Der daraus resultierende anhaltende Rückgang der weltweiten Nahrungsmittelproduktion würde zwei Milliarden Menschen in Gefahr bringen, zu verhungern. Die derzeitigen Arsenale Indiens und Pakistans – letzteres ist das am schnellsten wachsende der Welt – bestehen zusammen aus 270-290 Atomwaffen, die mindestens Hiroshimagröße haben. Diese nukleare Hungersnot würde sich durch die chemische und radioaktive Verseuchung großer Gebiete, die für Menschen sowie Pflanzen und Tiere an Land und im Meer schädliche UV-Strahlung, die Unterbrechung von Transport, Landwirtschaft und der Verteilung von Saatgut, Dünger, Treibstoff und Pestiziden noch verschärfen.
Würden nur die von Russland und den USA in Hair-Trigger-Alarm gehaltenen Langstreckenatomwaffen eingesetzt, die innerhalb weniger Minuten abgeschossen werden können, würden die brennenden Städte geschätzte 50 Millionen Tonnen Rauch in die Atmosphäre abgeben. Dies hätte eiszeitliche Bedingungen zur Folge – eine Temperaturminderung um fünf Grad im Vergleich zu heute.
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tomwaffen und unkontrollierter Klimawandel bedrohen unsere Zukunft existenziell. Sie verschärfen sich gegenseitig, und müssen beide bekämpft werden. Das eine schädigt unsere Biosphäre jeden Tag, das andere könnte sie unwiderruflich zerstören und die menschliche Zivilisation in weniger als einem Tag beenden. Der einzige zuverlässige Weg, einen Atomkrieg zu verhindern, ist die Beseitigung von Atomwaffen, bevor sie wieder eingesetzt werden. Eine klimagestresste Welt ist ein besonders gefährlicher Ort für Atomwaffen
„[Nach dem Atomkrieg] ist die vom Menschen verursachte globale Erwärmung die größte Bedrohung für das menschliche Leben auf dem Planeten.“ Admiral Chris Barrie (Australien) Militär- und Sicherheitsinstitute in der ganzen Welt warnen, dass die globale Erwärmung ein überragendes Sicherheitsrisiko darstellt, das andere Bedrohungen verstärkt. Die US-Geheimdienste warnten den US-Kongress im Januar 2019 in ihrer jährlichen Beurteilung der weltweiten Bedrohungen, dass die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung den Stress für die Gemeinschaften auf der ganzen Welt erhöhen und die globale Instabilität verschärfen, wodurch die Gefahr eines Atomkriegs zunimmt. 6
Die Zahl der internationalisierten gewaltsamen Konflikte ist seit 2010 stark angewachsen: von 6 auf 20 pro Jahr 2017/18. Die wachsende Unsicherheit bei der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung und andere Belastungen, die durch den Klimawandel verschärft werden, tragen dazu bei, dass bewaffnete Konflikte weiter zunehmen. Die Zahl der Menschen, die weltweit gewaltsam vertrieben werden, ist so hoch wie nie zuvor – Ende 2018 waren es 70,8 Millionen. Atomkraft befeuert die Verbreitung von Atomwaffen Bei einer Umweltanalyse, die 1977 der Ausweitung des kommerziellen Uranabbaus in Australien vorausging, wurde erkannt, dass die Atomkraft zu einem erhöhten Atomkriegsrisiko beiträgt und dass „dies die ernsteste Gefahr ist, die mit der Industrie verbunden ist.“ Jede Urananreicherungsanlage kann nicht nur für reaktorgeeignetes, sondern auch für waffenfähiges Uran verwendet werden. Weltweit verfügen derzeit 14 Staaten über solche Anlagen. Eine ursprünglich in Australien neu entwickelte Lasertechnologie könnte die Anreicherung von Uran kompakter und unauffälliger machen. Hochangereichertes Uran (HEU) ist eines der beiden spaltbaren Materialien, die zum Bau von Atomwaffen verwendet werden. Das andere ist Plutonium, das zwangsläufig im Inneren von Kernreaktoren entsteht, da Uranatome Neutronen absorbieren. Unsere australische Geschichte unterstreicht die untrennbaren Verbindungen des „Trojanischen Pferdes“. Die Regierung begann Ende der 1960er Jahre mit dem Bau des ersten australischen AKWs in Jervis Bay, vor allem, um Australiens Fähigkeit zum Bau eigener Atomwaffen zu beschleunigen. Der Vorsitzende der Atomenergie-
Foto: Ralf Schlesener
kommission John Philip Baxter sprach von „der unauflösbaren Verbindung zwischen der friedlichen und militärischen Nutzung von Nuklearmaterial“. In einem Briefing an den Innenminister hieß es 1969: „Aus den Gesprächen mit den Offizieren der AAEC geht hervor, dass beim Aufbau der australischen Atomindustrie die Möglichkeit der Herstellung von Atomwaffen vorgesehen werden soll ...“. Im selben Jahr schrieb Minister Bill Wentworth an den damaligen Verteidigungsminister Malcom Fraser: „(...) Alles, was wir tun, muss als normaler Schritt der friedlichen Atomindustrie dargestellt werden können. Auf diese Weise können wir uns eine ‚kurzfristige nukleare Option‘ erhalten, ohne öffentliche Empörung zu erregen, und die Option zu einem späteren Zeitpunkt ergreifen, wenn die Ereignisse es erfordern – ohne dass öffentliche Empörung Zeit hat, sich zu entwickeln...“.
programme zu unterstützen, offensichtlich geworden – etwa in Frankreich, Russland, Großbritannien oder den USA. Radiologische Gefahren durch Reaktoren Atomreaktoren und ihre Abklingbecken enthalten große Mengen an Radioaktivität, die langlebiger ist als die von Kernwaffen erzeugte. Beide erfordern eine kontinuierliche Kühlung. Im Gegensatz zu den verschiedenen Schichten technischer Sicherungen um Atomreaktoren herum haben die Becken nur ein einfaches Dach über sich. Bei dem Super-GAU in Fukushima Dai-ichi etwa befanden sich 70 Proeznt der Gesamtradioaktivität in den Abklingbecken. Ähnliches wie in Fukushima könnte passieren, wenn Terroristen die Strom- oder Kühlwasserversorgung von Reaktoren und/oder Abklingbecken lange genug unterbrechen, um eine Kernschmelze und/oder Explosion zu verursachen. Der Fall könnte ebenfalls als Resultat eines Cyberangriffs eintreten. Eine einzige große Atomexplosion könnte einen so starken elektromagnetischen Impuls auslösen, dass die Stromversorgung, elektronische Geräte und auch Reaktoren über weite Regionen nicht mehr funktionieren.
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OPERATION TEAPOT, NEVADA 1955 Die beiden existenziellen Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, die Klimakatastrophe und der Atomkrieg, verlangen nach konkreten Lösungen. Bei der Förderung der angeblich „klimafreundlichen“ Atomkraft kann es allerdings nur Verlierer geben. Da die Kosten der Atomenergie mehr als doppelt so hoch sind wie die von Wind und Sonne, ist die Motivation einiger Regierungen, die zivile nukleare Infrastruktur und das Fachwissen der Arbeitskräfte aufrechtzuerhalten, um ihre Atomwaffen-
er Kernphysiker und Friedensnobelpreisträger Joseph Rotblat hat gezeigt, dass ein nuklearer Angriff auf Kernreaktoren oder Lager für abgebrannte Brennstoffe massiven radioaktiven Niederschlag zur Folge hätte. In verschiedenen Konflikten hat es bereits Angriffe auf Atomreaktoren gegeben: Dazu gehören mehrere Angriffe zwischen Iran und Irak während des Krieges 1980-88, die Luftangriffe Israels auf im Bau befindliche Atomreaktoren im Irak (1981) und in Syrien (2007), der südafrikanische Minen-Angriff des ANC auf das unfertige AKW Koeberg, die Angriffe der USA auf verschiedene irakische Atomanlagen im Jahr 1991 und der Abschuss irakischer Scud-Raketen auf den israelischen Kernreaktor Dimona. Somit stellt jede der 413 in Betrieb befindlichen Reaktoren und anderen Atomlagen 7
in 31 Ländern eine starke radiologische Waffe dar. Viele von ihnen befinden sich in der Nähe großer Ballungsräume. Sie könnten schwere und ausgedehnte radioaktive Verseuchung verursachen, die die langfristige Evakuierung großer Gebiete erforderlich machen würde. Das Netz der Verbindungen zwischen Atomwaffen, AKWs und den Materialien, die sie antreiben, ist vielschichtig und untrennbar. Die Atomkraft kann die Klimakrise nicht lösen und verschärft die existenzielle Gefahr, die von Atomwaffen ausgeht. Unser Verständnis der Herausforderung der Klimakrise muss sich um die Gefahr eines plötzlichen nuklearen Winters erweitern. Eine gesunde und nachhaltige Zukunft für alles Leben auf der Erde setzt voraus, dass wir den raschen Übergang zu erneuerbaren Energiesystemen und einen Nettoausstoß von Null-Kohlenstoff-Emissionen anstreben und dass wir Atomwaffen verbieten und beseitigen – mit äußer-ster Dringlichkeit. Der effektivste Weg für alle Staaten, die nukleare Bedrohung zu entschärfen und Sicherheit zu schaffen, ist der Beitritt zum Atomwaffen-Verbotsvertrag. Dieses historische Abkommen beinhaltet ein kategorisches und umfassendes Verbot. Es ist der einzige international definierte Weg zu einer atomwaffenfreien Welt. Es baut auf den erheblichen Fortschritten auf, die bei der Kontrolle von biologischen und chemischen Waffen, Landminen und Streumunition erzielt wurden. Ein Vertrag, der die Ächtung der Waffe kodifiziert und einen Standard für alle Staaten vorsieht, ist der Schlüssel zum Fortschritt für jede unterschiedslos wirkende, inhumane Waffe. Die Erfahrung zeigt: Solche Waffen sind nur zu kontrollieren, wenn ein Abkommen sie verbietet.
Tilman Ruff ist Co-Präsident der internationalen IPPNW.
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Umwelt, Ökonomie und Gewalt Wir brauchen Klimagerechtigkeit und ein aktives „Weltbürgertum von unten“
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as heiße, trockene Jahr 2019 dürfte es vielen vor Augen geführt haben: Auch unser Land ist vom Klimawandel betroffen. Im Herbst wurde gemeldet, dass der Oktober 2019 der wärmste Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen ist (schon Juni und Juli hatten diesen Rekord gebrochen!). Auch wurde im Sommer 2019 in Deutschland die höchste hierzulande je gemessene Temperatur registriert (42,6 Grad in Lingen/Emsland!).
Der Wohlstand unseres Landes beruht auf der imperialen Lebensweise, mit der sich die Industrienationen den Erdball unterworfen haben. Die ganze Welt dient, schrieb der Weltbürger Stefan Zweig schon 1929, „knechtisch Europas Bedarf“, und zum „Bedarf“ gehören heute nicht nur Rohstoffe und Nahrungsmittel, die in riesigen Mengen aus Übersee importiert wer-
RETTUNGSEINSATZ VON SEA-WATCH (2016)
den, sondern auch die Ausfuhr des Abfalls: 6,1 Millionen Tonnen Plastikmüll fallen jährlich in Deutschland an (damit sind wir Spitzenreiter in Europa!), davon wird rund die Hälfte nach Asien exportiert, womit sie für die amtliche Statistik allen Ernstes als „recycelt“ gilt; ein Buchhaltungstrick, der nur als Volksverdummung bezeichnet werden kann.
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uch, dass wir die Folgen des Klimawandels – Anstieg der Durchschnittstemperaturen, Veränderung der Großwetterlage mit häufigeren Extremereignissen wie Dürren oder Starkregen usw. – nur in recht begrenztem Umfang spüren, liegt an unserer imperialen Lebensweise. Diese ist nämlich sehr erfolgreich dabei, das zu betreiben, was der Ökonom „Externalisierung der Kosten“ nennt. Dies auch auf ökologischem Gebiet: Wir ruinieren die Erde – aber die Folgen davon bekommen in erster Linie und in voller Härte die anderen zu spüren, die Menschen auf der Südhalbkugel 8
nämlich. Deshalb ist es wichtig, die Ende 2019 berichtete Tatsache, dass die Jahre 2010 bis 2019 laut UNO weltweit als das heißeste Jahrzehnt seit Beginn systematischer Wetteraufzeichnungen 1881 gelten, mit anderen Daten in Zusammenhang zu bringen: Etwa mit der Schreckensziffer der 70,5 Millionen Menschen, die derzeit (2019) laut UN-Flüchtlingshilfswerk weltweit auf der Flucht sind, rund 50 Prozent mehr als noch im Jahr 2009! „Es ist dieses Verschont-geblieben-Sein von den Folgen des Raubbau- und Verschwendungskapitalismus, was es den Bürgerinnen und Bürgern des Globalen Norden besonders schwer macht, die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Umweltkrise zu ziehen“, schrieb Jürgen Zimmerer, Professor an der Universität Hamburg, am 11. Januar 2020 in einem bemerkenswerten Kommentar der „Süddeutschen Zeitung“:
Foto: Brainbitch /CC BY-NC 2.0
Folgen des Klimawandels sind etwa bei uns überwinternde Zugvögel – von der stark gewachsenen Population der Störche bleiben etliche Tiere im Winter hier, ähnlich verhält es sich mit den Eichelhähern. Auch bei den Fischen gibt es Veränderung: Sowohl die Zahl als auch die Größe der Renken im Starnberger See und der Felchen im Bodensee vermindern sich. Freilich: Sieht man von der deutlich steigenden Sterberate bei Temperaturen von über 40° ab, halten sich negative Folgen des Klimawandels für Leib und Leben bei uns sehr im Rahmen. Auch dass Menschen durch Unwetter und/oder Überschwemmungen Hab und Gut verlieren, kommt zum Glück recht selten vor – jedenfalls im Vergleich zu anderen Ländern, in denen massive Katastrophen immer häufiger auftreten, was unseren Zeitungen freilich meist nur eine Sieben-Zeilen-Meldung wert ist …
„Wie soll man zur Kursumkehr bereit sein, wenn bisher immer alles gut ging? Wieso soll man von der bequemen Wachstumsideologie Abstand nehmen, wenn die dadurch verursachten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verwerfungen weit entfernt stattfinden? Den Preis für diese Form des Kapitalismus zahlen nach wie vor Mensch und Natur am anderen Ende der Welt.“ Fraglich ist freilich, ob es dabei bleibt. Angesichts der weltweiten Migrationsbewegung ist derzeit noch Abschottung die Devise der Stunde, und es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwelche Politiker*innen gebetsmühlenartig fordern, der Schutz der EU-Außengrenzen müsse verbessert werden. Diese Abschottungstendenz hat eine lange Vorgeschichte – schon vor dreißig Jahren, im Juli 1990, hatte die „Süddeutsche Zeitung“ geschrieben: „Das Wort des früheren algerischen Präsidenten Boumedienne, die besitzlosen Massen des Südens würden dereinst in ihrer Not den reichen Norden einfach besetzen, wird für viele Franzosen bereits zur Vision nordafrikanischer boat people ...“ (25. Juli 1990). Also hat man seither Mauern gebaut und Zäune errichtet und ist stolz, wenn man einen Migrationsweg wie die berüchtigte „Balkanroute“ unterbunden hat – was die ebenfalls vielzitierte „Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort“ betrifft, ist indes so gut wie gar nicht geschehen, insbesondere nicht hinsichtlich möglicher Veränderungen an der durch und durch ungerechten Weltwirtschaftsordnung. „Die Ungleichheit in der Weltwirtschaft ist eine der größten Herausforderungen der modernen Zeit“, sagte der scheidende US-Präsident Barack Obama auf seiner letzten Europareise (in Athen, 16. November 2016). Schade freilich, dass
solche treffenden Einsichten von den politisch Verantwortlichen allzu oft erst gegen Ende ihrer Amtszeit offen ausgesprochen werden – wenn es nicht mehr ihre eigene Aufgabe, sondern die der anderen ist, aus der Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen ...
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abei steht uns die wirklich große weltweite Wanderung vermutlich noch bevor – die Weltgesellschaft wird kommen. Es fragt sich nur, ob dies unter schmerzhaften Kämpfen geschieht, ganz im Sinne der erwähnten ProphezeiKLIMASTREIK IN BERLIN 2019 hung des früh verstorbenen Politikers und muslimischen Theologen Houari Boumedienne aus Algerien (1927- selber die Entstehung eines solchen gewalt78, s.o.), oder ob dieser weltumgestaltende schwangeren Klimas herbeigeführt oder zuProzess doch noch in konstruktive Bahnen mindest geduldet hat – der setzt sich vor gelenkt werden kann. Für diese zweite Va- der Geschichte doppelt ins Unrecht.“ riante ist ein aktives Weltbürgertum in meinen Augen eine conditio sine qua non – ein olche Worte waren 1990 offenkundig „Weltbürgertum von unten“, neben und in den Wind gesprochen. Wollen wir jenseits der Regierungen und, wo nötig, noch einmal drei Jahrzehnte ungenutzt auch gegen sie! verstreichen lassen? Oder werden wir es fertigbringen, Konsequenzen aus der unVor dreißig Jahren, 1990, habe ich für die umgänglichen Erkenntnis zu ziehen, dass kurz zuvor mit dem Friedensnobelpreis aus- sich die Folgen der globalen ökologischen gezeichnete IPPNW die Studie „Naturzer- Veränderung nur dann friedlich bewältigen störung: Die Quelle der künftigen Kriege“ lassen werden, wenn wir Millionen von vorgelegt. Damals hätte es noch die Mög- Menschen „das Recht, Rechte zu haben“ lichkeit gegeben, vorbeugend gegen die (Hannah Arendt), nicht länger verweigern, drohende Klimakrise anzuarbeiten – drei indem wir stur auf unseren Privilegien beJahrzehnte später ist diese Chance vertan. harren? Den Klimawandel zu verhindern Der Klimawandel ist da und lässt sich al- – das liegt nicht mehr in Bereich unserer lenfalls abmildern – aber das heißt ja nicht, Möglichkeiten. Wie wir seinen Folgen bedass er zwangsläufig in neue Kriege mün- gegnen wollen, sehr wohl. den muss. Ein zentraler Satz meiner Studie von 1990 hatte gelautet: „Zeiten wachsender Not und Verelendung und offenkundiger Ausweglosigkeit für Millionen Menschen in einer immer ungerechteren Welt sind ein idealer Nährboden für Schwarmgeister, Eiferer, Fanatiker und Terroristen. Wer sich Dr. Till Bastian allerdings nur vordergründig über deren ist Arzt, Autor Worte und Taten empört, ohne sich Reund IPPNWchenschaft darüber abzulegen, inwieweit er Mitglied.
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Weiterführende Informationen: •
ippnw.de/frieden
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watson.brown.edu/costsofwar
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www.imi-online.de/2020/01/20/ klima-umwelt-krieg Flyer „Stop War, Fund Peace“ über den Zusammenhang von Klimawandel, Krieg und Militär im IPPNW-Shop bestellen: shop.ippnw.de oder als Download: ippnw.de/bit/fridays_for_peace
Sie wollen mehr? Die Artikel und Fotos dieses Heftes stammen aus unserem Magazin „IPPNW-Forum“, Ausgabe Nr. 161, März 2020. Im Mittelpunkt der Berichterstattung des IPPNW-Forums stehen „unsere“ Themen: Atomenergie, Erneuerbare Energien, Atomwaffen, Friedenspolitik und soziale Verantwortung in der Medizin. In jedem Heft behandeln wir ein Schwerpunktthema und beleuchten es von verschiedenen Seiten. Darüber hinaus gibt es Berichte über aktuelle Entwicklungen in unseren Themenbereichen, einen Gastkommentar, Nachrichten, Kurzinterviews, Veranstaltungshinweise und Buchbesprechungen. Das IPPNW-Forum erscheint vier Mal im Jahr. Sie können es abonnieren oder einzelene Ausgaben in unserem Online-Shop bestellen.
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