IPPNW forum 161/2020 – Die Zeitschrift der IPPNW

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Foto: © Dermot Tatlow / CARE/ laif

ippnw forum

das magazin der ippnw nr161 märz2020 3,50€ internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

- Neun Jahre Fukushima - Proteste gegen NATO-Manöver „Defender“ - Uranmüllexporte nach Russland stoppen!

Für ein gesundes Klima: Aufrüstung stoppen, Frieden fördern!


ippnw thema

Unsere neue Reihe

Aus den Schwerpunktthemen des IPPNW-Forums

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aus: IPPNWforum 160 dezember 2019 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

Sept ember 2019 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

Foto: © Ralf Schlesener

Foto: © Max Ernst Stockburger

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Menschenrechte verteidigen! Gesundheitliche Folgen von Flucht

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März 2019 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

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Dezember 2018 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

September 2018 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

Foto: Atombombengeschäft

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Juni 2019 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

Foto: © Lasse Lecklin

Foto: Atombombengeschäft

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Nukleare Aufrüstung in Europa: Höchste Zeit für das Atomwaffenverbot!

In unserer neuen zehnseitigen Publikationen „IPPNW-Thema“ finden Sie alle Artikel der Schwerpunkte aus dem IPPNW-Forum. Damit haben Sie für Veranstaltungen und Büchertische eine kompakte Publikation, die Informationen zu einem bestimmten Thema bündelt, und die Sie an Interessierte weitergeben können. Die Ausgaben des IPPNW-Themas können in der Geschäftstelle oder über den Online-Shop der IPPNW für einen Euro bestellt werden: shop.ippnw.de

Radioaktivität kennt keine Grenzen – Europa braucht den Atomausstieg

Humanität und Menschenrechte statt Ausgrenzung und Abschottung

Gegen die Militarisierung der EU – Europa als Friedensprojekt gestalten

Divestment: Kein Geld für Atomwaffen

Per FAX an 030/693 81 66

Ich möchte folgende Ausgaben des IPPNW-Thema bestellen (bitte Menge angeben): 12/2019 Menschenrechte verteidigen! Gesundheitliche Folgen von Flucht 9/2019 Nukleare Aufrüstung in Europa: höchste Zeit für ein Atomwaffenverbot! 6/2019 Radioaktivität kennt keine Grenzen – Europa braucht den Atomausstieg!

03/2019 Gegen die Militarisierung der EU – Europa als Friedensprojekt gestalten 12/2018 Humanität und Menschenrechte statt Ausgrenzung und Abschottung 9/2018 Divestment: Kein Geld für Atomwaffen

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IPPNW Deutsche Sektion Körtestraße 10 10967 Berlin

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EDITORIAL Angelika Claußen ist IPPNWPräsidentin für Europa.

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ür eine engere Zusammenarbeit von Friedensund Klimabewegung spricht vieles. Unser Themenschwerpunkt zeigt auf, wie immens der ökologische Fußabdruck der Militärs ist, warum ein Atomkrieg durch zunehmende Konflikte wahrscheinlicher wird, welche Folgen dies hat und weshalb wir uns aktiv einbringen müssen. Das Militär verbraucht ungeheure Mengen an fossilen Brennstoffen, zerstört die Umwelt und trägt wesentlich zum Klimawandel bei. Auch wenn das US-Militär unbestreitbar der größte Einzel-Verschmutzer ist, sollten wir in Deutschland vor unserer eigenen Haustür kehren. Wir müssen Druck auf die Politik ausüben, die Rüstungs- und Militärbudgets zu senken, meint Katja Goebbels. Die US-Professorin Neta Crawford hat die Klimaschäden durch das US-Militär seit 2001 in beeindruckender Weise untersucht. Marc Werner gibt mit der IMI-Studie „Das US-Militär – Auf Kriegsfuß mit dem Klima“ einen Überblick über ihre zentralen Ergebnisse und Forderungen. Der Co-Präsident der internationalen IPPNW Tilman Ruff warnt: „Eine klimagestresste Welt ist ein besonders gefährlicher Ort für Atomwaffen“. Der effektivste Weg für alle Staaten, die nukleare Bedrohung zu entschärfen und Sicherheit zu schaffen, sei der Beitritt zum Atomwaffen-Verbotsvertrag. Der Autor Till Bastian wiederum fragt, wie ein Ausstieg aus den verhängnisvollen Zusammenhängen von Ökonomie und zunehmend gewaltbasierten Verhältnissen möglich ist. Die Fotos auf Seite 20f. entstammen der Ausstellung „Klimaheldinnen“ von CARE Deutschland. Mit Tatkraft und Erfindungsreichtum loten diese Frauen neue Möglichkeiten aus, sich dem Klimawandel anzupassen und ihren Gemeinschaften eine Zukunft zu sichern. Auf dem Titelfoto: Klimaheldin Jade Begay / Peoples Climate March im April 2017 in Washington DC (USA). Eine anregende Lektüre wünscht Angelika Claußen 3


INHALT NATO: The New World Disorder

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THEMEN The New World Disorder. NATO-Gegengipfel in London und Proteste gegen „Defender 2020“....................................8 Atombomber: Nein danke! Kein neues Trägersystem

Foto: © henry@henrykenyonphotography.com

für Atomwaffen in Deutschland!...............................................................10 Sicherheit neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik............................................................................................... 12 Wir klagen an! Menschenrechte sind nicht verhandelbar..........14 Uranmüllexporte nach Russland stoppen!..........................................16 Neun Jahre nach dem Super-GAU: Schilddrüsenkrebs in Fukushima............................................................................................................. 18

Menschenrechtstribunal: Wir klagen an!

SERIE

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Die nukleare Kette: Atomtests auf Amchitka................................... 19

SCHWERPUNKT Klimaheldinnnen................................................................................................ 20

Grafik: kreativkolours / freepik.com

Friedens- und Klimabewegung gehören zusammen .................... 22 Auf Kriegsfuß mit dem Klima: Das US-Militär als Antreiber des Klimawandels....................................................................... 25 Atomwaffen: Die größte Gefahr für das Erdklima.......................... 26 Umwelt, Ökonomie und Gewalt................................................................. 28

WELT Klimakiller Militär: Friedens- und Klimabewegung gehören zusammen

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Den Haag: Dringender Appell gegen Atomwaffen.......................... 30

RUBRIKEN Editorial.......................................................................................................................3 Meinung......................................................................................................................5 Nachrichten..............................................................................................................6 Aktion........................................................................................................................31 Gelesen, Gesehen.............................................................................................. 32 Gedruckt, Geplant, Termine........................................................................ 33 Gefragt..................................................................................................................... 34 Impressum/Bildnachweis.............................................................................. 33 4


MEINUNG

Dr. Alex Rosen ist Co-Vorsitzender der deutschen IPPNW.

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Nach dem Mord an dem iranischen General Qassem Soleimani blickte die Welt kurzzeitig in den Abgrund. Es droht ein neuer Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten.

er Iran reagierte moderat auf den US-Angriff, hat aber als Reaktion auf die „gezielte Tötung“ weitere Teile des Iran-Atomabkommens ausgesetzt und angedroht, aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen. Sollte der Iran das Atomabkommen kündigen, droht ein atomares Wettrüsten zwischen Mittelmeer und persischem Golf. Dies würde auch die europäische Sicherheit bedrohen: Neben dem Atomwaffenstaat Israel und dem Iran haben auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Türkei immer wieder atomare Ambitionen demonstriert. Volkswirtschaftlich sinnlose zivile Atomprogramme werden vorangetrieben, um sich den Griff auf die Bombe zu ermöglichen. Wenn der Iran sein ziviles Atomprogramm wieder vollständig aufnehmen sollte, wird Saudi-Arabien darauf reagieren. Der Unterstützung der USA kann sich das saudische Königreich dabei sicher sein: Im letzten Jahr räumte die US-Regierung gegenüber dem Kongress ein, US-Unternehmen Ausfuhrgenehmigungen für den Verkauf sicherheitsrelevanter Atomtechnologie nach Saudi-Arabien erteilt zu haben.

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eutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich müssen gemeinsam mit Russland und China mit Hochdruck nach Lösungen zu suchen, um das Atomabkommen noch zu retten. Mittelfristig sollten Deutschland und die EU die Idee einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten vorantreiben. Es ist dringend notwendig, die Staaten der Region an einen Tisch zu bringen – angelehnt an das Vorbild der KSZE. Solange atomare Abschreckung Teil nationaler Sicherheitsdoktrinen ist, besteht stets die Gefahr einer Eskalation und letztlich eines Einsatzes von Atomwaffen. Daher müssen Atomwaffen völkerrechtlich verboten werden. Der Atomwaffenverbotsvertrag ist der realistischste Weg zu einer koordinierten Abschaffung aller Atomwaffen. 5


Lauras Eye –CC BY-ND 2.0

Foto: SETC_Italy – CC BY-ND 2.0

N ACHRICHTEN

Afghanistan-Papers decken Irreführung der Öffentlichkeit auf

Doomsday Clock: Nur noch 100 Sekunden bis Mitternacht

Keine Angabe zur Klimabilanz der Bundeswehr

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ie US-Regierung musste geheim gehaltene Dokumente über den Krieg der NATO in Afghanistan am 9. Dezember 2019 offenlegen. Der Bericht des SonderGeneralinspekteurs für den Wiederaufbau Afghanistans John Sopko umfasst 2.000 Seiten mit 428 Interviews hoher Generäle, Diplomat*innen und Entwicklungshelfer*innen. Die „Afghanistan Papers“ legen die systematische Vertuschung und Kriegslügen sowie die Täuschung der USBevölkerung offen. Es wurden Statistiken manipuliert, ein positiver Verlauf der Operation vorgetäuscht – mit offiziellen Aussagen, die die Situation verschleierten. Douglas Lute, einer der wichtigsten Afghanistan-Berater von Präsident George W. Bush und Barack Obama, äußerte sich in dem Bericht wie folgt: „Uns fehlte ein grundlegendes Verständnis von Afghanistan – wir wussten nicht, was wir taten. Wir hatten nicht den blassesten Schimmer.“ Für einen Krieg, der weder ein genaues Ziel noch einen Plan verfolgte, wurden seit 2001 von der US-amerikanischen Regierung mehr als 900 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Laut dem IPPNW Body Count sind dem Krieg bis Ende 2013 184.000 bis 248.000 Menschen zum Opfer gefallen. Nach 18 Jahren Krieg in Afghanistan kontrollieren die Taliban immer noch rund die Hälfte des Landes. Das Ausmaß der Korruption im Land ist dramatisch und ein Ende des Krieges ist bei Weitem nicht in Sicht.

m Februar 2020 hat der Beirat des Bulletin of the Atomic Scientists die Weltuntergangsuhr („Doomsday Clock“) auf 100 Sekunden vor Mitternacht gestellt, so nah wie noch nie seit 1947. Die Entscheidung der Wissenschaftler*innen, die Zeit in Sekunden anzugeben, soll auf die bedrohliche Weltsituation aufmerksam machen, die nicht mehr in Minuten, sondern in Sekunden ausgedrückt werden müsse. Die Wissenschaftler*innen begründeten ihre Entscheidung aufgrund der zunehmenden atomaren Aufrüstung, der Aufkündigung bzw. Nichtverlängerung von Rüstungskontrollverträgen (z.B. INF-Vertrag, New Start), Bedrohungen durch den Klimawandel sowie aufgrund von Cyberangriffen und Desinformationskampagnen via Internet. Sharon Squassoni vom Wissenschaftsbeirat erklärte, dass eine der wenigen Fragen, auf die sich die Atomwaffenstaaten einigen konnten, ihr Widerstand gegen den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen sei. Dies demonstriere den Unwillen der Atomstaaten, zur Entspannung der derzeitigen Situation beizutragen. Jedes Jahr stellen Wissenschaftler*innen des Bulletin of Atomic Scientists die Weltuntergangsuhr. Der Zeiger rückt näher an Mitternacht, je wahrscheinlicher die Welt vor dem Untergang steht und entfernt sich, wenn die weltpolitische Lage sich entspannt. Mehr Infos: https://thebulletin.org/

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it einer kleinen Anfrage hat sich die Fraktion Die LINKE nach der Klimabilanz der Bundeswehr erkundigt. Der letzte Klimaschutzbericht der Bundesregierung 2018 enthält nur eine Referenz zur Klimarelevanz der Bundeswehr, es heißt: „Die Emissionen der militärisch genutzten Fahrzeuge bleiben … unberücksichtigt“. Auch auf Nachfrage der Fraktion Die LINKE gibt die Bundesregierung keine Auskunft über die CO²-Emissionen der Bundeswehr in einzelnen Manövern, Übungen, Auslandseinsätzen sowie Fliegerhorsten. Die Beantwortung wäre aufgrund des immensen manuellen Aufwands der Zusammentragung der Daten nicht möglich. Außerdem wird auf den geringen Anteil der Emissionen der Bundeswehr verwiesen, welche nur 0,07 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands ausmachten. Die Bundeswehr ist derzeit an 13 Kampfeinsätzen beteiligt und rotiert seit 2017 in Bataillonstärke alle sechs Monate von Deutschland nach Litauen und zurück. Die militärischen Aktivitäten der Bundeswehr im In- und Ausland sind entgegen der Aussagen der Bundesregierung emissionsrelevant und müssen als Faktor in die Klimabilanz eingerechnet werden. Dazu erklärt Dr. Katja Goebbels, Vorstandsmitglied der IPPNW: „Es muss möglich sein, z. B. die Anzahl Flugstunden Flugzeugtyp und Verbrauch darzulegen, um die Umwelt- und Gesundheitsschäden … abbilden zu können.“


N ACHRICHTEN

Nahost-„Friedensplan“ versucht einseitige Fakten zu schaffen

US-Präsident Trump hebt Landminenverbot auf

Proteste gegen NATO-Großmanöver „Defender 2020“

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nde Januar 2020 stellten US-Präsident Donald Trump und der israelische Ministerpräsident Netanjahu einen „Friedensplan“ für den Nahen Osten vor. Die Nichteinbeziehung Palästinas in der Ausarbeitung verurteilte den Plan im Vorhinein zum Scheitern. Der Plan sieht eine Zwei-Staaten Lösung vor und legt Jerusalem als alleinige Hauptstadt Israels fest. Außerdem sollen die israelischen Siedlungen im Westjordanland anerkannt und ein Stopp des Siedlungsbaus für vier Jahre verhängt werden. Zusätzlich wird die Annexion des Jordantals durch Israel legitimiert. Im Gegenzug sollen sich die derzeitigen palästinensischen Gebiete vergrößern. Jedoch umfassen diese weiterhin weniger als 50 Prozent des im Oslo-Abkommen vorgesehenen Gebiets. Keine der im Oslo-Friedensprozess vorgesehenen Vereinbarungen zugunsten der palästinensischen Seite werde in diesem Plan auch nur annähernd erfüllt. Die IPPNW-Vorsitzende Susanne Grabenhorst erklärte in einer Pressemitteilung: „Wir verurteilen jeglichen Versuch, einseitig Fakten zu schaffen, Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen oder das Existenzrecht der jeweils anderen Seite zu negieren. Ein „Friedensplan“, der einer Seite ohne deren Partizipation aufgedrückt wird, ist zum Scheitern verurteilt. Auch die Drohung, die Annexionen ohne Einverständnis der Palästinenser*innen unilateral durchzusetzen, wird nicht dazu beitragen, Akzeptanz für eine Konfliktlösung zu schaffen“.

m 31. Januar 2020 hat die US-Regierung eine neue Landminenpolitik verkündet, die es US-Truppen wieder erlaubt, jederzeit und überall auf der Welt Antipersonenminen einzusetzen. Auch die Produktion kann von US-Unternehmen wieder aufgenommen werden. Dies steht in diametralem Widerspruch zu dem völkerrechtlichen Verbot von Antipersonenminen durch die Konvention von Ottawa. Antipersonenminen gehören zu den Waffen, die besonders grausame Verletzungen verursachen und wahllos töten – was gegen jede Regel des Völkerrechts verstößt. Der jahrzehntelange Einsatz von Antipersonenminen hat ein langfristiges Erbe an Tod, Verletzungen und Leid hinterlassen. In mehr als 80 Prozent aller Fälle töten oder verletzen diese unbeteiligte Zivilist*innen – oftmals erst Jahre später. „Auch wenn Trump sogenannte intelligente Antipersonenminen verspricht: Bisher hat noch kein Waffensystem fehlerfrei funktioniert. Landminen sind zu Recht international geächtet. Auch die neuen Minen werden also Opfer fordern und jedes Opfer ist eines zuviel“, erklärt der IPPNWVorsitzende Dr. Alex Rosen. Seit 1997 verbietet die Ottawa-Konvention, die inzwischen von 164 Staaten ratifiziert wurde, jeglichen Umgang mit dieser Waffenkategorie. Dennoch leben heute mehr als 60 Millionen Zivilist*innen mit der täglichen Angst vor Landminen.

Weitere Infos der „International Campaign to Ban Landmines“: icbl.org 7

m Januar hat das militärische Großmanöver „Defender Europe 20 “ begonnen. Maßgeblich unterstützt wird die NATOÜbung durch Deutschland, das schon aufgrund seiner geographischen Lage als logistische Drehscheibe dient. Die Truppenverlegung von Februar bis Mai 2020 ist die größte in Europa seit Ende des Kalten Krieges. Bis zu 20.000 US-Soldat*innen mit schwerem Gerät werden über den Atlantik und anschließend quer durch Europa an die russische Grenze transportiert. Insgesamt werden sich 37.000 Soldat*innen aus 16 NATO-Staaten sowie aus Finnland und Georgien beteiligen. Diese Kräfte sollen die militärische Überlegenheit der NATO demonstrieren – an der NATO-Ostflanke und damit direkt an der Grenze zu Russland. Deutschland fungiert als Drehscheibe der Truppenverlegungen aus den USA und den anderen beteiligten Staaten. Neben den möglichen politischen und militärischen Folgen einer solchen militärischen Demonstration der NATO werden die Umweltbelastungen durch die Transporte und das Manöver selbst neue Dimensionen erreichen. Der Bundesausschuss Friedensratschlag und die Kooperation für den Frieden rufen anlässlich der Ostermärsche dazu auf, sich im Interesse von Frieden in Europa und für Ausgleich mit Russland demonstrativ gegen NATO-Großmanöver zu stellen. Statt militärischem Säbelgerassel brauche es eine Politik der Entspannung und politische Konfliktlösungen. Weitere Infos: www.antidef20.de


FRIEDEN

The New World Disorder NATO-Gegengipfel in London und Proteste gegen „Defender 2020“

In der ersten Dezemberwoche 2019 fanden sich in London die Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder zusammen, um den 70. Geburtstag des Militärbündnisses zu feiern. Aus diesem Grund versammelten sich auch Hunderte Friedensaktivist*innen am Rande des Gipfels, um über die militärischen Operationen der NATO zu informieren und friedliche Alternativen zur aktuellen Weltpolitik zu entwickeln. Auf der Agenda des Bündnisses stand unter anderem das NATO-Militärmanöver „Defender 2020“.

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ei der laut Bundeswehr „größten Truppenverlegung aus den USA seit einem Vierteljahrhundert“, sollen im Frühjahr 2020 etwa 37.000 Soldat*innen, dabei ca. 4.000 Angehörige der Bundeswehr, durch Europa Richtung Baltikum und Polen marschieren. Auf einer Homepage der Bundeswehr, die über das Manöver informiert, hört sich dies aus friedenspolitischer Sicht alarmierend an: „Transportkolonnen in der Nacht auf deutschen Autobahnen, lange Güterzüge, die durch deutsche Bahnhöfe gen Osten rollen, Panzer auf Binnenschiffen im Ruhrgebiet: Wenn die Amerikaner im kommenden Jahr mit Defender Europe 20 die Verfahren zur Verlegung von umfangreichen Kräften aus den USA nach Osteuropa üben, wird Deutschland aufgrund seiner geo-strategischen Lage im Herzen Europas zur logistischen Drehscheibe.“ „Defender Europe 2020“ ist kein einmaliges Ereignis, sondern wird im Zwei-Jahres-Turnus stattfinden. Die Anlandung der Kriegsmaschinerie soll unter anderem über deutsche Häfen und Flughäfen wie Bremerhaven, Nürnberg, Berlin, Hamburg, Frankfurt (Main) und auch über den US-amerikanischen Militärstützpunkt in Ramstein abgewickelt werden. Vielen erscheint dies 75 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs als Drohung, die zu

einer direkten Konfrontation zwischen NATO und Russland führen könnte. Man könnte auch sagen, dass die ehemaligen Alliierten USA, Frankreich und Großbritannien damit ein geschichtsvergessenes Signal an die ehemaligen Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition senden. Auch wird die Umweltbelastung durch das Manöver allseits stark kritisiert, so soll es bei dem großen Verkehrsaufkommen zu extrem hohen CO²-Emissionen kommen.

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ür den Transport des Militärequipments wird die europäische Infrastruktur von Straßen, Schienen und Häfen genutzt. Dabei wird nicht nur das öffentliche Leben gestört, sondern es entstehen auch enorme Kosten für die Steuerkassen. Die Frage nach dem Ziel des Manövers wird von der Bundeswehr offen dargestellt: „Die Veränderung der sicherheitspolitischen Lage in Europa mit einer möglichen Bedrohung der Sicherheit, insbesondere der NATO-Staaten in Osteuropa erfordert vom Bündnis die Fähigkeit, starke militärische Kräfte schnell in die Region verlegen zu können.“ Dass die USA und die NATO hier offen einen Militärschlag gegen Russland üben, wird nicht eindeutig erwähnt. Doch die internationale Friedensbewegung, wie in London bei den Protesten zu sehen, sieht in der NATO ein gefährliches, aggressiv agierendes Kriegsbündnis, das 8

nach Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Pakts längst hätte aufgelöst werden sollen, aber stattdessen weiterhin das Feindbild Russland aufrecht erhält und schürt.

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in den Weltfrieden förderndes internationales Verteidigungsbündnis sollte nach Ansicht von NATO-Gegner*innen anders auftreten und auf Entspannungspolitik und Diplomatie setzen, anstatt an den Grenzen militärisch aufzumarschieren. Doch „Defender 2020“ war nicht das einzige Thema des Gegengipfels „The new World Disorder“ des internationalen Netzwerkes „No to War – No to NATO“, der von der „Kampagne für nukleare Abrüstung (CND)“ und der „Stop the War Coalition (StWC)“ organisiert wurde. In der gut gefüllten Bloomsbury Central Baptist Church im Herzen Londons sprachen internationale Friedensaktivist*innen wie z.B. der Kriegsveteran und Schriftsteller Tariq Ali (Großbritannien), der bereits zu Zeiten des Vietnam-Krieges eine entscheidende Rolle in der britischen Friedensbewegung spielte. Ihm schlossen sich weitere Aktivist*innen aus unterschiedlichen internationalen Friedensorganisationen in einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „The New World Disorder“ an.


Foto: © henry@henrykenyonphotography.com

PROTESTE IM DEZEMBER 2019 IN LONDON

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er Diskussion folgten verschiedene Workshops mit Themen wie „NATO und der kalte Krieg“, „Öl, Krieg und der mittlere Osten“, „Rassismus und Islamophobie“ und „Konflikte, Klimawandel und Militarisierung“. Außerdem wurde viel Raum für Austausch zwischen internationalen Organisationen gegeben – Beziehungen konnten ausgebaut werden. So kam es im Workshop „NATO und Atomwaffen“ zu einer Zusammenkunft verschiedener Organisationen, die sich gegen europäische Atomwaffen-Stützpunkte engagieren. Rae Street (UK, CND), Jeannie Toschi M. Visconti (Italien, CNGNN), Lisann Drews (Deutschland, IPPNW und „Stopp Airbase Ramstein“), Ludo de Brabander (Belgien, „Vrede“) und Guido van Leemput (niederländischer Parlamentarier) informierten sich gegenseitig über die Aktionen gegen Atomwaffen in ihren Ländern und begannen, ein europäisches Treffen zu planen, das die verschiedenen Organisationen zu mehr Austausch und Vernetzung zusammenbringen sollte. In einem abschließenden Podium wurden Strategien und Alternativen diskutiert, unter anderem mit der schlagkräftigen US-amerikanischen Antikriegsaktivistin Medea Benjamin (CODEPINK) und Kate Hudson, der britischen Geschäftsführerin der CND. Die Diskutant*innen waren sich einig, dass der Militarisierung und Expansion der NATO nur mit Solidarität und Entschlossenheit entgegnet werden könne und müsse. Die Veranstaltung wurde von der „Partei der europäischen Linken“ finanziell maßgeblich unterstützt.

Der NATO-Gipfel wurde auch von umfangreichen Protesten auf den Straßen Londons begleitet. So versammelten sich am Abend des 3. Dezember 2019 Tausende Demonstrant*innen am Trafalger Square, um nach einer Kundgebung zum Buckingham Palace zu laufen, wo die Politiker*innen, unter anderem der US-amerikanische Präsident Donald Trump, zu einem Abendessen bei der Queen eingeladen waren. Nicht überraschend kamen viele Organisationen und Kampagnen zusammen, um nicht nur gegen die Anwesenheit Trumps und seine spaltende und populistische Politik zu demonstrieren, sondern auch ihren Unmut über Boris Johnsons umstrittene Kampagne für die anstehenden Parlamentswahlen in England auszudrücken. Ein großes Thema auf der Demonstration war auch das britische Gesundheitssy-stem. Viele Briten zeigten sich besorgt darüber, was ein Trump-Johnson-Deal für die Zukunft des öffentlichen Gesundheitssy-stems in Großbritannien bedeuten würde. Außerdem wurde gegen Trumps rassistische Äußerungen und seine Rechtsaußen-Agenda protestiert. Die steigenden Militärausgaben und die Expansion der NATO in neue Regionen wie Lateinamerika und Afrika bewegten ebenfalls viele Demonstrant*innen. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu (Linke) verdeutlichte auf der Auftaktkundgebung am Trafalgar Square, dass die Welt atomwaffenfrei werden und der ewige Krieg in vielen Teilen der Welt beendet werden müsse – der militärische Apparat solle dafür entschieden abgebaut werden. 9

Dies müsse bedeuten, sich von der NATO zu verabschieden und eine Außenpolitik zu entwickeln, die Sicherheit nicht durch Krieg, sondern durch Frieden, Gerechtigkeit und Respekt für alle Völker gewährleistet. Die Veranstalter der Demonstration monierten im Nachhinein, dass die Aktionen in der medialen Berichterstattung über den NATO-Gipfel keine oder kaum Erwähnung fanden. Die britischen Medien und auch führende politische Parteien hätten die NATO mehrheitlich als ein für den Weltfrieden vorteilhaftes und auch notwendiges Bündnis dargestellt. Umfragen hätten aber gezeigt, dass in Großbritannien die Zahl der NATO-Befürworter in der Bevölkerung von 42 auf 25 Prozent gefallen sei (im Vergleich von 2017 und 2019). Bündnis „No to War – No to NATO“: www.no-to-nato.org Aufruf des Bündnisses „Stopp Defender 2020“: www.antidef20.de Termine „Defender“-Proteste: www.friedenskooperative.de/aktion/ defender-2020-proteste Offizielle Infos der Bundeswehr zu „Defender 2020“: www.bundeswehr.de/ de/organisation/streitkraeftebasis/uebungen/defender-europe-20

Lisann Drews ist IPPNW-Ärztin und Mitglied im Koordinierungskreis der Kampagne „Stopp Airbase Ramstein“.


FRIEDEN

Atombomber: Nein danke! Kein neues Trägersystem für Atombomben in Deutschland!

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ür die 2020er Jahre ist eine deutliche Aufrüstung der in Deutschland vorgehaltenen Atomwaffenkapazitäten geplant. Die Atombomben in Büchel sollen durch die neue B61-12 Atombombe ersetzt werden. Sie kann nach dem Abwurf gelenkt werden und bietet mehr Möglichkeiten zur Variation der Sprengkraft. Zudem soll das Kampfflugzeug Tornado, das einzige Trägersystem der Bundeswehr für die in Deutschland gelagerten US-Atombomben, ab 2025 durch ein moderneres Kampfflugzeug ersetzt werden.

fighter oder F/A-18 den Ausschlag geben könne und den F/A-18 von Boeing begünstige. Kurz zuvor hatte US-Verteidigungsminister Mark Esper mitgeteilt, dass die Zertifizierung des Eurofighters zum Atombombeneinsatz drei bis fünf Jahre länger dauern würde als die des F/A-18. Die mindestens fünf Milliarden Euro Anschaffungskosten für die Flugzeuge, die entweder an Boeing oder an das europäische Eurofighter-Konsortium gehen, spielen dabei sicherlich eine Rolle. Dass die Maxime „America first“ auch bei Rüstungsprojekten der europäischen Verbündeten gelten soll, wird seitens der USA nicht geheim gehalten.

Protest oder selbst eine Kenntnisnahme der deutschen Öffentlichkeit blieben bisher jedoch weitestgehend aus. Bei ihrem Antrittsbesuch in den USA im Oktober 2019 gelang es der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die Neuanschaffung eines nuklearen Trägersystems zu besprechen, ohne das Wort „Atomwaffen“ öffentlich zu verwenden. Nur auf Nachfrage von Journalist*innen ging sie darauf ein, dass die Neuanschaffung von Kampfflugzeugen wegen der nuklearen Teilhabe mit den USA verhandelt werden muss. Es ist ein leicht durchschaubares Manöver der Verteidigungsministerin, zu versuchen, eine derart wichtige Entscheidung über die militärische Strategie der Bundesrepublik unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit zu treffen. Sie tut das im Wissen, dass 67 % der Deutschen die US-Atomwaffen in Büchel ablehnen und eine breite Mehrheit von 68 % einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag befürwortet (Umfrage YouGov Deutschland vom 01.bis 03. April 2019 mit 2.038 Personen).

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enn es aber um das Leben oder grausame Sterben von Millionen von Menschen in einem nuklearen Konflikt geht, sollten wir uns diesem Denken entgegenstellen! Die alten Tornado-Kampfflugzeuge können durch eine nichtnukleare Version des Eurofighters ersetzt werden. Das ist auch deutlich günstiger, weil das selbe Flugzeugmodell schon benutzt wird und macht Deutschland zudem unabhängiger vom Militär der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Fortführung der nuklearen Teilhabe und die Neuanschaffung eines nuklearen Trägersystems muss unbedingt im Parlament diskutiert werden, da sie den Spielraum der deutschen Außenpolitik auf Jahrzehnte festlegt! Für eine Behandlung dieses entscheidenden Sicherheitsthemas im Parlament statt hinter verschlossenen Türen plädierte die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ICAN in einer Pressemitteilung vom 10. Oktober 2019. Die deutsche Bevölkerung sollte die Möglichkeit haben, sich über die Hintergründe der geplanten nuklearen Aufrüstung und die dauerhafte Stationierung von Massenvernichtungswaffen in Deutschland zu informieren.

In einer Stellungnahme vor ihrer Reise nach Washington spricht sie davon, dass bei der Nachfolge des Tornados der „bruchlose Erhalt aller Fähigkeiten“ essenziell sei. Der Eurofighter der Luftwaffe besitzt bereits die Schlüsselfähigkeiten des Tornados wie Bekämpfung von Bodenzielen und Luftabwehr sowie elektronische Kriegsführung, ist aber nicht für den Atomwaffeneinsatz zertifiziert. Nach dem USA-Besuch der Verteidigungsministerin Anfang Oktober 2019 schrieben die großen deutschen Tageszeitungen, dass der Kauf des F/A-18 Jets von Boeing wahrscheinlicher werde. Am 4. Oktober 2019 titelte das Handelsblatt, dass der Einsatz von Atomwaffen bei der Entscheidung zwischen Euro-

Wenn Deutschland eine aktivere Rolle bei der Gestaltung der Zukunft anstrebt, gibt es zwei plausibel erscheinende Optionen: die Entwicklung zur militärischen Großmacht oder die Stärkung der Diplomatie und der institutionalisierten Friedensarbeit, beispielsweise in EU, OSZE und Vereinten Nationen. Als viertgrößte Wirtschaftsmacht und als Hochtechnologieland könnte Deutschland durch die geplante Erhöhung der Militärausgaben auf zwei Pro10


PROTEST GEGEN NEUE ATOMBOMBER, BERLIN 2019

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil entgegen. Deutschland würde damit vertragsbrüchig (Nichtverbreitungsvertrag) und solle für Abrüstung eintreten, anstatt sich an einer nuklearen Aufrüstungsspirale zu beteiligen. Auch der neue SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans forderte Anfang des Jahres, dass alle Atomwaffen, einschließlich der russischen, aus Europa verschwinden sollen. Wenn die SPD ihr friedenspolitisches Erbe annehmen sollte, wäre das in der Tat ein großer Fortschritt auf dem Weg in die sicherheitspolitische Zukunft Deutschlands.

zent des BIP zur drittgrößten Militärmacht nach den USA und China und noch vor Russland aufsteigen. Bis diese militärischen Kapazitäten voll einsatzfähig sind, werden jedoch Jahre vergehen. Zudem ist Widerstand der deutschen Bevölkerung sowie der europäischen Partner Frankreich und Großbritannien zu erwarten. Diese stehen deutschem Großmachtstreben aus gutem Grund skeptisch gegenüber. Anstatt zu versuchen, den militärischen Rückstand zu den nuklear bewaffneten Großmächten des 20. Jahrhunderts aufzuholen, sollte sich Deutschlands Strategie besser auf nichtmilitärische Konfliktlösung ausrichten. Die Bundesrepublik Deutschland könnte sich sofort als Friedensmacht des 21. Jahrhunderts etablieren. Sie kann dabei an jüngste Erfolge anknüpfen, wie das Iran-Abkommen, an dem Deutschland als einziges nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats mit dem Iran verhandelt hat. Deutschland spielt trotz militärischer Zurückhaltung eine wichtige Rolle in der Lösung des Ukraine-Konfliktes und hat im Januar eine internationale Konferenz zum Bürgerkrieg in Libyen ausgerichtet. Wegen der vergleichsweise guten Beziehungen zu wichtigen Ländern außerhalb des westlichen Bündnisses wie Russland, China, Indien und vielen Staaten Lateinamerikas, Afrikas und des Nahen Ostens sowie einem großen finanziellen Beitrag zur UN ist Deutschland, abgesehen von den fünf Veto-Mächten, der wichtigste Akteur in der internationalen Diplomatie. Durch einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag kann die Bundesrepublik ihre Glaubwürdigkeit stärken und beispielsweise bei Verhandlungen mit dem Iran oder Staaten wie Indien oder Pakistan, die bereits Atomwaffen besitzen, als neutraler Vermittler und überzeugter Advokat für Abrüstung auftreten.

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s wird in diesem Jahrzehnt entschieden, ob Massenvernichtungswaffen noch für viele Jahre die Sicherheit Europas und der Welt bedrohen dürfen. Der Verteidigungsministerin muss deutlich gemacht werden, dass die Anschaffung eines atomwaffenfähigen Kampfflugzeuges nicht mehr, sondern weniger Sicherheit in Europa schafft. Auch europäische Atomwaffen sind keine Lösung für die nukleare Bedrohung der Welt. Um es mit den Worten von ICAN zu sagen: Let 2020 be the beginning of the end of nuclear weapons!

Büchel 2020 Die ICAN/IPPNW-Protestwoche in Büchel findet vom 03.-07. Juli 2020 am Fliegerhorst statt. Am Samstag, dem 04. Juli ist IPPNWMitgliederversammlung und Party der Studierendengruppen, am Sonntag gibt es eine Wanderung um den Stützpunkt. Am Montag wird der am Wochenende vorbereitete bunte und laute Protest durchgeführt, Dienstag wird das dreijährige Jubiläum des Verbotsvertrags gefeiert. Kommt zahlreich, Büchel ist so wichtig wie nie zuvor! Weitere Infos unter buechel.nuclearban.de

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er französische Präsident Emmanuel Macron hat im Februar 2020 erneut einen Vorschlag zu einer nuklearen Partnerschaft in Europa unterbreitet. EU-Staaten könnten sich an Militärübungen der „Force de Frappe“-Einheiten beteiligen. Noch weiter gehende Pläne, nämlich dass die Franzosen ihre Atomwaffen unter EU- oder NATO-Kontrolle stellen sollten, brachte Johann Wadephul (CDU) in einem Interview im Tagesspiegel ins Spiel. Ungewohnt deutlich stellten sich dem Sigmar Gabriel (SPD) und

Johannes Oehler ist Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik und Mitglied bei ICAN Deutschland Kontakt: joda@icanw.de 11


FRIEDEN

Sicherheit neu denken Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik

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Foto: Fated Snowfox / CC BY-NC 2.0

ie weltweiten ökologischen, politischen und sozialen Herausforderungen und Konflikte lassen sich mit militärischen Mitteln nicht nachhaltig lösen. Wie schaffen wir also einen Paradigmenwechsel weg von der jetzigen Politik, die „Verantwortung“ in erster Linie militärisch versteht hin zu einer Sicherheitspolitik, die nicht mehr auf Gewalt und Krieg fußt, sondern auf Kooperation und auf dem Wohlergehen aller Menschen und der Natur? Das Szenario „Sicherheit neu denken: Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“ zeigt auf, wie Deutschland analog dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie bis zum Jahr 2040 militärische Rüstung und Denken überwinden könnte. Das Szenario wurde auf Beschluss der

Evangelischen Landeskirche in Baden entwickelt. 2018 veröffentlichten die drei Autoren Ralf Becker, Stefan Maaß und Christoph Schneider-Harpprecht das Konzept „Sicherheit neu denken“.

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hr Szenario beschreibt das Ziel einer zivilen Außen- und Sicherheitspolitik ohne Militär für Deutschland und weitere europäische Länder. Am Beispiel von Deutschland werden die Möglichkeiten der gewaltfreien Selbstbehauptung in einer demokratischen und an den Menschenrechten orientierten Gesellschaft durch konkrete Schritte bis zum Jahr 2040 skizziert. Davor wird ein Beschluss des deutschen Bundestags als ein wichtiger Meilenstein anvisiert: Das Parlament entscheidet sich in dem Szenario „für den Umstieg Deutschlands von

einer militärischen zu einer nachhaltigen zivilen Sicherheitspolitik“. Die Umsetzung beruht auf folgenden fünf Säulen: 1. Gerechte Außenbeziehungen Deutschland leistet seinen Beitrag zur globalen Gerechtigkeit, indem es das Klima-Abkommen von Paris 2015 konsequent umsetzt, eine faire Handelspolitik realisiert, konsequent in nachhaltige Entwicklung investiert und ökologische Ressourcen nur entsprechend seines Weltbevölkerungsanteils in Anspruch nimmt. 2. Nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten Deutschland ist aktiver Teil einer Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und unterstützt den Aufbau einer afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur. 3. Teilhabe an der internationalen Sicherheitsarchitektur Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist die Schlüsselorganisation für Krisenprävention und Konfliktbearbeitung. Im Jahr 2040 entsendet Deutschland außerdem 50.000 Friedensfachkräfte in internationale UN-Friedensmissionen. 4. Resiliente Demokratie Deutschland stärkt entschlossen den Aufbau einer zivilen Konfliktkultur. Es finden flächendeckende Fortbildungen in konstruktiver Konfliktbearbeitung statt; Mediationszentren zur Prävention innergesellschaftlicher und internationaler Konflikte werden etabliert. 5. Konversion von Bundeswehr und Rüstungsindustrie Teile der Bundeswehr werden bis 2040 zu einem Internationalen Technischen Hilfswerk transformiert. Aus Deutschland und weiteren europäischen Ländern werden

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Das Szenario „Sicherheit neu denken: Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“ zeigt auf, wie Deutschland bis zum Jahr 2040 Rüstung und militärisches Denken überwinden könnte.

keine Waffen mehr exportiert, eine Konversion der Rüstungsproduktion zur zivilen Produktion wird sozialverträglich gestaltet. Die Initiative beschreibt als Ziel für die Zeit nach 2040 eine starke OSZE als alleiniges übergreifendes Sicherheitssystem in Europa, das heißt, sie strebt langfristig eine Überwindung der NATO zugunsten eines internationalen UN-Sicherheitssystems mit regionalen Sicherheitsräten an. Ein Punkt, der in unserem Verein sicherlich kontrovers diskutiert werden wird, ist aber, dass die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO zunächst akzeptiert wird in der Erwartung, dadurch größere Chancen auf Mehrheiten in der deutschen Bevölkerung zu erreichen. Dazu schreibt die Initiative: „Kurz- und mittelfristig erscheint uns die Realisierung einer zivilen Sicherheitspolitik Deutschlands nur als Mitglied der NATO realistisch, da sich ansonsten keine Mehrheit unserer Bevölkerung und deren Vertreter*innen im deutschen Bundestag für eine konsequente zivile Sicherheitspolitik finden ließe. Die weitere Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO soll ja bis 2040 eine zunehmend und danach ausschließliche Mitgliedschaft mit rein zivilen und polizeilichen Beiträgen sein. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass der starke zivile Beitrag Deutschlands auch bei anderen NATO-Staaten das Verständnis und die Wertschätzung für diese Art nachhaltiger Sicherheitspolitik erhöht“.

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ie Szenariotechnik ist eine Methode der strategischen Planung, die sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft verwendet wird. Ihr Ziel ist es, mögliche Entwicklungen der Zukunft zu analysieren und zusammenhängend darzustellen. Beschrieben werden dabei alternative zukünftige Situationen sowie Wege, die zu diesen zukünftigen Situationen führen. Szenarios stellen hypothetische Folgen von Ereignissen auf, um auf kausale Prozesse und Entscheidungsmomente aufmerksam zu machen.

Das Szenario „Sicherheit neu denken“ enthält drei Szenarien, die mögliche Entwicklungen von 2018 bis 2040 umreißen. Neben dem bereits erwähnten Positivszenario gibt es ein Trendszenario, in dem die gegenwärtige Entwicklung der Militarisierung der Gesellschaft und der Welt bis zum Jahr 2040 umrissen und weitergedacht wird. Und schließlich ein Negativszenario, in dem die negativen Wirkungen von Entscheidungen im wirtschaftlichen, ökologischen und militärischen Bereich ignoriert werden und das Militär konsequent ausgebaut wird. Für diesen schlimmsten anzunehmenden Fall zeichnet die Analyse ein Bild von eskalierenden Konflikten, Drohneneinsätzen, einer Weltwirtschaftskrise, Hungersnöten, „Klimaflüchtlingen“ und einer wachsenden nuklearen Bedrohung.

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ut, dass das Konzept nicht bei diesem Schreckensszenario stehenbleibt. Das „Positivszenario“ zeigt, dass es politische Spielräume jenseits des militärischen Sicherheitsdenkens gibt. Die Autoren beschreiben mögliche Schritte auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die im Sinne einer „Friedenslogik“ nicht nur auf die eigenen Interessen ausgerichtet ist, sondern globale Folgen ihres Handelns reflektiert und einbezieht. Es ist eine Vision von Staaten, die nicht mehr Gewalt und Abschreckung, sondern Kooperation und das Wohlergehen aller Menschen als Voraussetzungen nachhaltiger Sicherheit sehen. Folgende Maßnahmen zur Umsetzung der Vision sind geplant: Zuerst soll mittels einer breiten Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit das Konzept ziviler Sicherheitspolitik bei immer mehr Akteur*innen der Zivilgesellschaft, Kirchen, Parteien und Verbänden bekannt gemacht werden. Gleichzeitig werden weitere Kooperationspartner*innen gesucht und das Konzept inhaltlich weiterentwickelt. Schließlich wird begleitend eine politische Kampagne für eine zivile Sicherheitspolitik vorbereitet.

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Sie können sich im Frühstadium dieser kommenden großen Kampagne lokal oder regional einbinden und ihre politische Entwicklung mitbestimmen. Die Vision einer friedlicheren Gesellschaft, die auf Gewaltprävention, stabile Beziehungen und Kooperation setzt, empfinde ich als ausgesprochen motivierend. Erstmals wurde mit dem Szenario ein gangbarer Weg dorthin aufgezeigt. Das macht Mut und Hoffnung, weitere Schritte zu gehen in Richtung einer umfassenden Transformation unserer Gesellschaft.

Die IPPNW gehört neben der DFG-VK, pax christi, dem Bund für soziale Verteidigung sowie mehreren evangelischen Landeskirchen zu den Organisationen, die sich in der Initiative „Sicherheit neu denken“ zusammengeschlossen haben. Bundesweit wird die Initiative derzeit von 14 Organisationen und dem Koordinator Ralf Becker unterstützt. Das Szenario liegt in einer Kurzfassung als auch als Langfassung vor. Mittlerweile gibt es die Kurzfassung auch in englischer und französischer Sprache. Wer sich weiter über Möglichkeiten der Beteiligung informieren möchte, findet das Konzept und weitere Informationen unter www.sicherheitneudenken.de Sie können auch den Koordinator der Initiative Ralf Becker in Ihre Stadt/Ihren Ort einladen und einen Vortrag zum Thema „Sicherheit neu denken“ organisieren. E-Mail: Ralf.Becker@ekiba.de

Angelika Wilmen ist Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecherin der IPPNW.


SOZIALE VERANTWORTUNG

Wir klagen an! Menschenrechte sind nicht verhandelbar

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om 23.–25. Oktober 2020 findet in Berlin ein Menschenrechtstribunal mit dem Fokus auf das Recht auf Leben und körperliche und seelische Unversehrtheit sowie das Recht auf Gesundheit statt, bei dem Menschenrechtsverletzungen durch Zeugenaussagen dokumentiert werden. Auf der Anklagebank sind die europäische und insbesondere die deutsche Migrationspolitik.

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Zugang zur Gesundheitsversorgung: Die Bundesrepublik Deutschland hat zahlreiche internationale Abkommen unterzeichnet, in denen das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung anerkannt wird. Viele Gruppen von Migrant*innen und Geflüchteten haben jedoch keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsversorgung. Neben Diskriminierung durch Gesundheitsfachkräfte und Sprachbarrieren sind es auch gesetzliche Bestimmungen, die den Zugang behindern.

ls engagiertes medizinisches Fachpersonal setzen wir uns insbesondere auch für die Rechte von Geflüchteten und den Zugang zu medizinischer Versorgung aller Menschen ein. In diesem Bereich sehen wir uns jedoch anhaltend gravierenden Missständen gegenüber. Eine auf Ausgrenzung und Ablehnung ausgerichtete Asylpolitik, die unmenschliche Zustände schafft und Menschen traumatisiert und die zu beobachtende Ohnmacht der durch uns betreuten Patient*innen macht uns wütend. Sie wirken neben strukturellen Barrieren im Gesundheitssystem und einer regelmäßigen Konfrontation mit Diskriminierungen und gesellschaftlichem Rassismus. Die Achtung und Umsetzung aller Menschenrechte ist für uns unumstößlich. Und doch sehen wir in der öffentlichen Debatte eine zunehmende Aufweichung und Flexibilität in Bezug auf ihre Gültigkeit für alle Menschen.

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Auswirkungen der Lebensverhältnisse in Massenunterkünften auf die psychische und physische Gesundheit: Die unfreiwillige Unterbringung in Asylunterkünften und die damit verbundenen Reglementierungen verletzten oft grundlegende Menschenrechte, wie z. B. die Unverletzlichkeit der Wohnung, sowie die Achtung des Privat- und Familienlebens. Eine Unterbringung an solchen Orten ist für die meisten Bewohner*innen eine zusätzliche psychische und physische Belastung, zusätzlich zu den anderen Herausforderungen, mit denen sie bereits konfrontiert sind.

Da es an einer juristischen Strafverfolgung solcher Menschenrechtsverletzungen mangelt, und um die öffentliche Wahrnehmung dahingehend zu sensibilisieren, wollen wir gemeinsam in einem politischen Bündnis ein Menschenrechtstribunal mit dem Fokus auf das Recht auf Leben und körperliche und seelische Unversehrtheit sowie das Recht auf Gesundheit veranstalten. Durch die Sammlung und Veröffentlichung von Zeug*innenaussagen der direkt Betroffenen wollen wir gesundheitsbezogene Menschenrechtsverletzungen dokumentieren und eine kritische Reflektion der juristischen und sozialen Umstände erwirken. Dabei ist das Ziel, Geflüchtete als Subjekte von Würde und grundlegenden Rechten sichtbar zu machen.

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Aufenthaltsstatus, Abschiebung und Gesundheit: Zu der grundsätzlichen Problematik von Abschiebungen kommen weitere Verschärfungen der Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung (Asylpaket II 2016, GRG 2019) der letzten Jahre hinzu. Im Vordergrund der Gesetzesnovellen stehen Fragen der Sicherheit und der Ordnungspolitik. Sie führen zu einer eklatanten Missachtung der Bedürfnisse und Rechte besonders schutzbedürftiger Personen im Asylverfahren und zielen unter anderem darauf ab, Ab-

In Form eines öffentlichen Tribunals soll durch Zeug*innenaussagen zu den folgenden Punkten die europäische und insbesondere die deutsche Migrationspolitik angeklagt werden. Eine unabhängige Jury wird dann im Oktober Zeug*innen und Expert*innen öffentlich anhören und nach Beratung rechtsprechen. 14


Für die Organisation dieses Tribunals hat sich ein Bündnis aus verschiedenen MSOs und NGOs sowie Einzelpersonen gebildet. Bündnispartner*innen sind aktuell: Borderline Europe, Women in Exile, Medibüro Berlin, Solidarity City Bündnis Berlin, Yaar, Respect, Ärzte der Welt, VDÄÄ, Flüchtlingsrat Brandenburg und wir von der IPPNW. Das von uns organisierte Menschenrechtstribunal reiht sich in eine Serie von Tribunalen zur europäischen Migrationspolitik ein. Zuvor haben bereits Tribunale in Palermo, Paris, Barcelona, London und Brüssel stattgefunden.

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Kriminalisierung von Solidarität: Engagierte Einzelkämpfer*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die humanitäre Hilfe anbieten und sich für die Grundrechte von Asylsuchenden, Geflüchteten und Papierlosen einsetzen, haben in den letzten Jahren europaweit eine zunehmende Politisierung und Kriminalisierung erfahren. Prominente Beispiel sind Carola Rackete und die NGO Sea-Watch, darüber hinaus sind mittlerweile auch Lifeguards, Ärzt*innen, Journalist*innen, Seelsorger*innen, Lehrer*innen und Freiwillige betroffen.

Erste Ideen zu diesem Tribunal entstanden bereits 2017 in München und wurden von unserem Mitglied Tom Nowotny in den Arbeitskreis Geflüchtete und Asyl getragen. Gemeinsam mit vielen weiteren Bündnispartner*innen freuen wir uns wahnsinnig, Sie und Euch jetzt für den 23.–25. Oktober 2020 in das Refugio Berlin zu unserem Menschenrechtstribunal einladen zu können. Auf dem Weg dahin benötigen wir weiter jede Unterstützung – ob Engagement, Zeit oder Geld. Wir sammeln auf einer interaktiven Karte Veranstaltungen verschiedener Organisationen, die sich mit dem Tribunal und den Inhalten assoziieren möchten und es so unterstützen. Deshalb freuen wir uns über die Zusendung von Terminen. Wenn Sie beruflich oder persönlich in Kontakt mit möglichen Zeug*innen für dieses Menschenrechtstribunal stehen, treten wir ebenfalls gerne mit Ihnen in Kontakt.

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Deutschlands Rolle in der EU-Grenzpolitik – und die Folgen für Leben und Gesundheit: Neben einem allgemeinen Trend zur Verschärfung der Asylgesetzgebung in Deutschland wird zusammen mit anderen EU-Staaten an der gemeinsamen Abschottungspolitik gearbeitet. Diese beinhaltet neben einer zunehmenden Kriminalisierung von Unterstützungssystemen wie Seenotrettungsorganisationen und der Unterbringung von Geflüchteten in überfüllten Hotspots auch das Zusammenwirken mit Drittstaaten, um migrierende Menschen schon vor der Grenze abzuhalten. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind mitunter tödlich.

Weitere Infos unter ippnw.de/bit/tribunal und ppt.transnationalmigrantplatform.net

Susanne Dyhr ist Referentin für soziale Verantwortung. Carlotta Conrad ist Mitglied des Vorstands der * Gender- und altersspezifische Aspekte sowie die Thematik psydeutschen IPPNW chologischer Traumata finden unter den jeweiligen Anklagepunkund aktiv im AK ten Beachtung. Flucht & Asyl. 15

Grafik: kreativkolours / freepik.com

schiebungen von schwer kranken und traumatisierten Menschen zu erleichtern.


Uranmüllexporte nach Russland stoppen Proteste von Anti-Atom-Aktivist*innen von Gronau bis Novouralsk

Im Mai 2019 starteten sie klammheimlich wieder – die Uranmüllexporte von der deutschen Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau zur russischen Atomstadt Novouralsk bei Jekaterinburg.

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eder die Bundesregierung noch die Betreiber der Urananreicherungsanlage und auch nicht die NRW-Landesregierung als Atomaufsicht informierten die Öffentlichkeit über den neuen Deal zur Entsorgung von insgesamt 12.000 Tonnen abgereichertem Uran. Doch mittlerweile hat sich das Bild gewandelt, denn seit Bekanntwerden der Urantransporte regen sich in Deutschland, den Niederlanden und auch in Russland Proteste.

Urananreicherung für den Weltmarkt Betreiber der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau ist der multinationale Urankonzern Urenco, der mit seinen vier Urananreicherungsanlagen der weltweit zweitgrößte Urananreicherer nach dem russischen Staatskonzern Rosatom ist. Urenco gehört zu je einem Drittel dem britischen und dem niederländischen Staat, das deutsche Drittel teilen sich RWE und EON. Aufgrund der friedenspolitischen Brisanz der Urananreicherung haben sich die britische, niederländische und deutsche Regierung weitreichende Aufsichtsrechte über Urenco gesichert. Allein in Gronau wird für fast jedes zehnte AKW weltweit Uran angereichert. Rund die Hälfte der Produktion in Gronau geht derzeit in die USA, zu den AKW-Kunden zählen unter anderem Tihange und Doel in Belgien, aber auch die Ukraine, Japan

und seit jüngstem der nukleare Neueinsteiger am Persischen Golf, die Vereinigten Arabischen Emirate. Die UAA Gronau ist vom bundesdeutschen Atomausstieg bislang komplett ausgeschlossen und soll unbefristet weiterlaufen.

Problemfall Uranmüll Eines der größten Probleme der Urenco ist der anfallende Atommüll, allein in Gronau jährlich rund 50.00 Tonnen abgereichertes Uran in Form von Uranhexafluorid (UF6). Dennoch gibt es in Gronau nach offizieller Lesart praktisch keinen Atommüll. Ermöglicht wird diese skurrile Situation durch einen politischen Taschenspielertrick, denn die Urenco darf selbst entscheiden, ob sie ihre radioaktiven Abfälle als Atommüll definiert oder nicht! Und so reden Urenco, Bundesregierung und NRW-Landesregierung beharrlich von „Wertstoffen“. Um diese Gemengelage besser zu verstehen, sollte man sich zunächst anschauen, wie die Atommüllentsorgung in Gronau eigentlich funktionieren sollte: Nach der geltenden Genehmigungslage sollte das abgereicherte Uranhexafluorid für eine langfristige Lagerung eigentlich in chemisch stabileres Uranoxid (U3O8) umgewandelt werden. Uranhexafluorid (UF6) verwandelt sich nämlich schon bei der Berührung mit Luftfeuchtigkeit in absolut tödliche Flusssäure. So wurde in Gronau 16

ST. PETERSBURG

für knapp 60.000 Tonnen Uranoxid eine eigene Lagerhalle erbaut, was für ungefähr zehn Betriebsjahre reichen würde. Die Uranoxid-Lagerhalle steht jedoch seit Fertigstellung 2014 leer und soll es laut Urenco auch bis mindestens 2024 bleiben.

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er Grund dafür liegt auf der Hand: Würde Urenco dort seine Uranabfälle einlagern, gäbe es kein juristisches Schlupfloch mehr, um eine Deklarierung als Atommüll zu vermeiden. Das würde hohe Rückstellungen für die Atommüllentsorgung nach sich ziehen, alle zehn Jahre den Bau weiterer Lagerhallen erfordern und die Dividenden von RWE und EON würden schwinden und sich in Verluste verwandeln. Zudem hätte die NRW-Landesregierung einen neuen Atommüll-Standort in NRW zu verantworten und die Bundesregierung müsste allein für diesen Uranmüll einen neuen Endlagerstandort suchen – vor die-

Fotos: Greenpeace Russia

ATOMENERGIE


Fotos: Greenpeace Russia

NOVOURALSK sem Hintergrund profitieren also alle deutschen Beteiligten von einem Export des riesigen Problems. Wie teuer Atommüllentsorgung tatsächlich ist, erlebt Urenco gerade in Großbritannien, wo eine konzerneigene Dekonversionsanlage für das abgereicherte britische UF6 gebaut wird. Eigentlich sollte die Anlage bereits 2015 in Betrieb gehen und 400 Mio. Pfund kosten. Mittlerweile liegen die Baukosten bei über 1 Mrd. Pfund und der Betriebsbeginn verzögert sich weiter.

Russland als deutsche Atommüllkippe Nach einigen Versuchen, das Gronauer Uran in Frankreich umwandeln zu lassen, haben sich Urenco, RWE, EON und die beteiligten Regierungen nunmehr wieder nach Osten gewandt. Schon von 1995 bis 2009 waren allein aus Gronau rund 27.300 Tonnen abgereichertes UF6 nach Russland gegangen. Russische Umweltorganisationen wie Ecodefense und Greenpeace Russland schätzen, dass in jenen Jahren aus Westeuropa – also auch aus den Niederlanden, Frankreich und womöglich auch Großbritannien – deutlich mehr als 100.000 Tonnen abgereichertes UF6 nach Russland gelangten. Dort lagern inzwischen an vier Standorten von Novouralsk bis Angarsk am Baikalsee über eine Million Tonnen dieser radioaktiven Hinterlassenschaft – ein immenser Atommüllberg. Aus diesem Grund stellte Rosatom die Importe aus Westeuropa 2009 ein, weil auch der russische Staat keine Lösung für die Uranmüll-Beseitigung anbieten kann.

Warum tut sich der russische Staat nun die neuen Importe an? Im Gegensatz zu den 1990er Jahren dürften heute machtund wirtschaftspolitische Aspekte im Vordergrund stehen: Sollte Rosatom nun auf Lieferungen von eigenem Natururan als Gegenleistung für die Annahme des Gronauer Uranmülls bestehen, könnte sich Rosatom für Gronau oder eine der anderen Urenco-Anlagen einen Marktanteil von bis zu 20 Prozent bei der Belieferung mit Natururan sichern. Rosatom würde damit zu einem wichtigen strategischen Atompartner der drei Urenco-Regierungen.

Proteste von Gronau bis Novouralsk Doch nachdem Anti-Atomkraft-Initiativen und lokale Ratsmitglieder im Münsterland die neuen Uranmülltransporte im Herbst 2019 aufgedeckt hatten, berichteten nicht nur viele deutsche Medien ausführlich und kritisch, sondern auch russische Medien. Es kam zu zahleichen Mahnwachen in Gronau und an der Bahnstrecke, zweimal wurde ein Uranzug mit Abseilaktionen für mehrere Stunden aufgehalten und in den Verladehäfen von Amsterdam und St. Petersburg zeigte Greenpeace Präsenz. Besonders beeindruckend war, dass auch an anderen Orten in Russland protestiert wurde und erstmals auch am Zielort, in der geschlossenen Atomstadt Novouralsk. Die Polizei schritt sofort ein, doch der staatliche Atomkonzern Rosatom zeigte sich verunsichert. Im November 2019 kündigte Rosatom deshalb an, man wolle den Uranmüllberg nun abbauen – doch brauche man dafür bis 2080. Außerdem müsse man vielleicht zwei neue Schnelle Brüter bauen, um das abgereicherte Uran zusammen mit Plutonium in neue Mischoxid-Brennelemente einzusetzen. Dient der Gronauer Uranmüll nun also sogar zur Rechtfertigung dafür, dass Russland seine Plutoniumwirtschaft ausbaut?

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Die Bundesregierung zeigt sich von alledem unbeeindruckt. Sie hat primär die Vermeidung weiterer Atommülllager in Deutschland sowie den Erhalt der Urananreicherung im Auge, die NRW-Landesregierung will zudem RWE und EON nicht das Geschäft erschweren. Was Russland mit dem deutschen Uranmüll macht, interessiert in Berlin und Düsseldorf niemanden. Ein Skandal, wie die beteiligten Umweltorganisationen und Anti-Atomkraft-Initiativen finden. Ende Januar überreichten Greenpeace Russland und Ecodefense im Bundesumweltministerium 70.000 russische Unterschriften gegen die Uranmüllexporte aus Gronau. Konkrete Zusagen aus Berlin: Fehlanzeige.

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nd so werden die Proteste zwischen Gronau und Novouralsk weitergehen. Am 10. Februar 2020 gab es in Münster eine entsprechende Demo, am 10. April findet in Gronau am Karfreitag der nächste überregionale Ostermarsch zur UAA statt und am 28. April 2020 wird RWE auf der Jahreshauptversammlung wieder mit den Folgen der konzerneigenen Atompolitik konfrontiert.

Die Hauptforderung bei alledem ist natürlich die Stilllegung der Urananreicherungsanlage in Gronau – denn nur wenn die Produktion eingestellt wird, wird es auch keinen neuen Uranmüll mehr geben. Weitere Infos unter www.sofa-ms.de oder www.urantransport.de

Matthias Eickhoff ist aktiv beim Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.


SCHILDDRÜSENKREBSFÄLLE IN FUKUSHIMA, 2012-20

Schilddrüsenkrebs in Fukushima

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Neun Jahre nach dem Super-GAU Trend 3: Sinkende Teilnehmer*innenzahlen Die Zahl der Untersuchten sinkt seit Jahren. Waren es in der Erstuntersuchung von 2011-14 noch rund 300.000 Kinder bzw. Jugendliche, deren Schilddrüsen abgetastet und geschallt wurden, sank diese Zahl in der Zweituntersuchung von 2014-16 um 10% auf rund 270.000 und in der Drittuntersuchung von 2016-18 um weitere 10% auf mittlerweile nur noch knapp 218.000. Bislang wurden in der Viertuntersuchung erst rund 125.000 junge Leute untersucht. In relativen Zahlen ausgedrückt, ist der Prozentsatz der untersuchten Kinder in Fukushima von anfangs 78,8% im 1. Screening auf 71,0% im 2. Screening, 57,2% im 3. Screening und aktuell im laufenden 4. Screening auf 32,9% gesunken.

m 13. Februar 2020 wurden in Fukushima vom Aufsichtskomitee der Schilddrüsenstudie die neuen Studiendaten vorgestellt (Stand 30. September 2019). Es zeichnen sich dabei vor allem drei Trends ab:

Trend 1: Steigende Zahl von Schilddrüsenkrebsfällen In der Erstuntersuchung in Fukushima fand man 101 bestätigte Krebsfälle, in der 2. Screeningrunde 52, in der 3. Screeningrunde weitere 24 und in der aktuell laufenden 4. Runde kam es bereits zu acht Neudiagnosen. Ein weiterer Fall wurde in der Kohorte der 25-jährigen gefunden, einer neu geschaffenen Sonderkategorie, die außerhalb der Hauptstudie läuft. Hinzu kommen elf Schilddrüsenkrebsfälle, die bei Kindern aus der Untersuchungskohorte diagnostiziert wurden, allerdings nicht im Rahmen der Screeninguntersuchungen sondern im Universitätsklinikum Fukushima. Diese Fälle werden nicht offiziell zu den Studienergebnissen gezählt – eine Strategie der Fukushima Medical University (FMU), um die „offiziellen“ Fallzahlen niedrig zu halten. Somit liegt die Gesamtzahl an Schilddrüsenkrebsfällen in Fukushima aktuell bei 196 (185 offizielle Fälle aus den Reihenuntersuchungen, elf Fälle aus der Universitätsklinik Fukushima).

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ei vielen klinischen Studien gibt es Aussteiger, die zu Nachuntersuchungen nicht mehr erscheinen. In Fukushima scheint dahinter jedoch ein System zu stecken: Seit Jahren besuchen Mitarbeiter*innen der FMU Schulen, um Schüler*innen über ihr „Recht auf Nichtteilnahme“ aufzuklären. So wird bewusst in Kauf genommen und gefördert, dass sie aus der Studie austreten. Haben die Wissenschaftler*innen Sorge, dass der beunruhigende Trend der steigenden Zahl an Schilddrüsenkrebsfällen anhält? Sind ihnen die Daten unangenehm, die der seit Beginn der Atomkatastrophe verbreiteten These widersprechen, dass der mehrfache Super-GAU zu keinen zusätzlichen Krebserkrankungen führen würde? Wer steckt hinter diesen Maßnahmen, die zunehmend die Integrität und Aussagekraft der eigenen Studie gefährden? Ist es die Regierung in Tokio, die sich die Renaissance der Atomenergie in Japan auf die Fahnen geschrieben hat? Oder die Atomenergie-Lobbyorganisation IAEO, die die FMU finanziell und logistisch bei der Durchführung der Studie „unterstützt“? Diese und andere unangenehmen Fragen wurden leider auch auf dieser Sitzung des Aufsichtskomittees nicht gestellt. Das ausführliche Papier finden Sie unter ippnw.de/bit/schilddrüsenkrebs

Die offizielle Neuerkrankungsrate an Schilddrüsenkrebs bei jungen Menschen unter 25 Jahren in Japan beträgt pro Jahr rund 0,59 pro 100.000. Heute, neun Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe in der untersuchten Bevölkerung von mittlerweile knapp 218.000 Patient*innen wären demnach 11 oder 12 Schilddrüsenkrebsfälle zu erwarten gewesen. Die tatsächliche Zahl in Fukushima liegt allerdings mindestens um das 17-fache darüber. Eine Erklärung dafür haben die Forscher*innen der FMU nicht. Trend 2: Steigende Raten an Knoten und Zysten Wie schon in den vorausgegangenen Untersuchungsreihen finden die Forscher*innen weiter steigende Raten an Knoten und Zysten in den Schilddrüsen. Waren es im 1. Screening noch 48,5%, stieg diese Rate im 2. Screening auf 59,8 %, im 3. Screening auf 64,9% und im aktuellen 4. Screening auf 65,7 %, wobei dazu gesagt werden muss, dass hier bislang nur für knapp 43 % der Studienkohorte Ergebnisse vorliegen. Der Trend scheint sich jedoch seit Jahren zu verstetigen – auch hier bleiben die Wissenschaftler*innen auf der Sitzung des Aufsichtskommittees Antworten schuldig.

Dr. Alex Rosen ist Kinderarzt und Co-Vorsitzender der deutschen IPPNW. Mitarbeit: Marla Feldwisch, Studentin der Internationalen Beziehungen. 18


SERIE: DIE NUKLEARE KETTE

Atomtests auf Amchitka Vor 35 Jahren zündeten die US-Streitkräfte die Atombombe „Long Shot“ Auf der nordpazifischen Insel Amchitka wurden insgesamt drei unterirdische Atombombentests durchgeführt. Im Zuge der Proteste gegen die Atomdetonationen auf Amchitka entstand die Anti-Atombewegung Greenpeace.

Amchitka, USA Atomwaffentests Auf der nordpazifischen Insel Amchitka wurden insgesamt drei unterirdische Atombombentests durchgeführt. Vor allem der umstrittene „Cannikin“-Test führte zu großem Widerstand, da man befürchtete, er könne Erdbeben oder Tsunamis auslösen. Im Zuge der Proteste gegen die Atomdetonationen auf Amchitka entstand die Anti-Atombewegung Greenpeace.

Um Atombomben testen zu können, deren Sprengkraft zu groß für das Testgelände in Nevada war, wählte die US-amerikanische Atomenergiekommission die kleine Alëuten-Insel Amchitka aus – einen militärischen Außenposten, nur 140 Kilometer entfernt vom sowjetischen Marinestützpunkt Petropawlowsk. Dennoch zündeten die US-Streitkräfte am 29. Oktober 1965 die Atombombe „Long Shot“ in einem 700 m tiefen Loch.

Hintergrund Um Atombomben testen zu können, deren Sprengkraft zu groß für das Testgelände in Nevada war, wählte die US-amerikanische Atomenergiekommission die kleine Alëuten-Insel Amchitka aus – einen militärischen Außenposten des Zweiten Weltkrieges, nur etwa 140 Kilometer entfernt vom sowjetischen Marinestützpunkt Petropawlowsk in Sibirien. Die Insel war zwar unbewohnt, aufgrund ihres vulkanischen Ursprungs jedoch tektonisch höchst instabil. Dennoch zündeten die USStreitkräfte am 29. Oktober 1965 die Atombombe „Long Shot“ mit einer Sprengkraft von 80 Kilotonnen in einem 700 m tiefen Loch. Es sollten so Daten gewonnen werden, um künftig unterirdische Atombombentests der UdSSR besser aufspüren zu können.

1971: Der Atomsprengkopf für den Cannikin-Test auf der Aleuten-Insel Amchitka wird in den Schacht herabgelassen. © Lawrence Livermore National Laboratory

Es sollten so Daten gewonnen werden, um künftig unterirdische Atombombentests der UdSSR besser aufspüren zu können. „Milrow“, eine zweite Testexplosion, folgte am 2. Oktober 1969. Die Nachricht, dass ein dritter Test mit einer noch größeren Bombe auf Amchitka durchgeführt werden sollte, rief rasch internationale Kritik hervor. Viele befürchteten, dass eine unterirdische Explosion dieses Ausmaßes möglicherweise Erdbeben und Tsunamis auslösen könnte. In Vancouver gründeten Antiatom-Aktivisten das „Don’t Make A Wave“-Komitee, aus dem später Greenpeace hervorging. Trotz massiver Proteste setzten die USA ihre Testreihe fort und zündeten im November 1971 eine Fünf-Megatonnen-Bombe in einem 1,8 km tiefen Schacht. Der „Cannikin“-Test schuf eine gigantische unterirdische Höhle und einen 1,6 km großen Krater. Die Explosion hob den Boden um etwa sechs Meter, löste Erdrutsche aus und riss riesige Schneisen in das gesamte Testgelände. Sie wurde mit einem Wert von sieben auf der Richterskala registriert.

„Milrow“, eine zweite Testexplosion mit einer Megatonne Sprengkraft, folgte am 2. Oktober 1969. Die Nachricht, dass ein dritter Test mit einer noch größeren Bombe auf Amchitka durchgeführt werden sollte, rief rasch internationale Kritik hervor. Viele befürchteten, dass eine unterirdische Explosion dieses Ausmaßes möglicherweise Erdbeben und Tsunamis auslösen könnte. In Vancouver gründete eine Gruppe von Antiatom-Aktivisten das „Don’t Make A Wave“-Komitee, aus dem später die Organisation Greenpeace hervorging. Trotz massiver Proteste setzten die USA ihre Testreihe fort und zündeten am 6. November 1971 eine Fünf-Megatonnen-Bombe in einem 1,8 km tiefen Schacht. Der sogenannte „Cannikin“-Test schuf eine gigantische unterirdische Höhle und einen 1,6 km großen Krater. Die Explosion hob den Boden um etwa sechs Meter, löste Erdrutsche aus und riss riesige Schneisen durch das gesamte Testgelände. Die Explosion wurde mit einem Wert von sieben auf der Richterskala registriert.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Robert Hunter, Mitbegründer von Greenpeace, spricht auf einer Demonstration gegen die US-Atomtests auf Amchitka im September 1971 in Peace Arch, White Rock, BC, Kanada. © Brian Wyndham

Das „International Institute of Concern for Public Health“ (IICPH) gibt an, dass etwa 2.000 Arbeitskräfte an den Atombombentests auf Amchitka beteiligt waren. Sie alle waren nicht mit wirksamer Schutzkleidung ausgestattet und wurden radioaktiven Partikeln wie Tritium oder Cäsium-137 ausgesetzt. Es erfolgte lediglich eine beschränkte Überwachung der Strahlendosen. Aufzeichnungen über die Strahlenexposition wurden rasch vernichtet, sodass es bis heute nicht möglich ist, das Ausmaß der Strahlenbelastung zu beziffern,

dem die Belegschaft ausgesetzt war. Krebsraten in dieser Gruppe, insbesondere die von Leukämien und Lymphomen, sind Berichten zufolge jedoch hoch. Bis heute wurden jedoch keine umfassenden Studien oder groß angelegte medizinische Nachuntersuchungen durchgeführt.1 Radioaktives Material verbreitete sich in unterirdischen Höhlen, die durch die Explosion entstanden waren, sowie im Grundwasser, von wo es möglicherweise ins Meer gelangte. Die Annahme, dass tiefe Gesteinsschichten die freigesetzte Radioaktivität zurückhalten würden, erwies sich, wie Feldstudien zeigten, als optimistische Illusion.2 So fanden Greenpeace-Biologen auf Amchitka in den Jahren 1996 und 1997 Plutonium-239/240 und dessen Zerfallsprodukt Americium-241 in Proben von Süßwasserpflanzen und Bächen. Greenpeace schloss daraus, dass es zu umfangreichen radioaktiven Lecks ins Grundwasser und in den Ozean gekommen sein musste. Die Region ist seismologisch instabil und beherbergt aktive Vulkane. Dadurch ist das langfristige Risiko eines Übertritts von Radioaktivität in den Pazifik relativ hoch. Betroffen wäre hiervon vor allem die indigene Bevölkerung der Alëuten, da sie ihren Nahrungsbedarf in hohem Maße durch Meerestiere deckt.3

Ausblick Aufgrund des beträchtlichen Expositionsrisikos und der nachweislich inadäquaten Überwachung der Strahlendosen erhielt die Amchitka-Belegschaft im Entschädigungsgesetz für Berufserkrankungen von Angestellten im Energiebereich aus dem Jahre 2000 den Status einer „Speziellen Expositionskohorte“.4 So haben sie zwar theoretisch einen Kompensationsanspruch, wenn sie an strahleninduzierten Erkrankungen wie Krebs erkranken. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass die Bewilligung von Leistungen nicht einfach ist. Auch sind die Rufe nach einer angemessenen Aufarbeitung der Folgen der Atombombentests auf Amchitka für Umwelt und Gesundheit, vor allem der indigenen Bevölkerung der Nachbarinseln, nie abgeebbt. Auch sie sind Hibakusha.

Quellen 1 „Amchitka Nuclear Test Workers to Gain Compensation for Occupational Illnesses“. Webseite des International Institute of Concern for Public Health, 31.10.00. http://iicph.org/amchitka_compensation 2 Benning et al. „The effects of scale and spatial heterogeneities on diffusion in volcanic breccias and basalts: Amchitka Island, Alaska“. J Contam Hydrol. 2009 May 12;106(3-4):150-65. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19328590 3 Miller P. „Nuclear Flashback: Report of a Greenpeace Scientific Expedition to Amchitka Island, Alaska – Site of the Largest Underground Nuclear Test in U.S. History“. Greenpeace, 30.10.96. www.fredsakademiet.dk/ordbog/uord/nuclear_flashback.pdf 4 „Special Exposure Cohort (SEC)“. Webseite des National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH). www.cdc.gov/niosh/ocas/ocassec.html

Amchitka, 2008. © Donna A. Dewhurst – U.S. Fish and Wildlife Service

Hibakusha weltweit

Eine Ausstellung der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) Körtestr. 10 | 10967 Berlin ippnw@ippnw.de | www.ippnw.de V.i.S.d.P.: Dr. Alex Rosen

Folgen für Umwelt und Gesundheit wasser und in den Ozean gekommen sein musste. Die Region ist seismologisch instabil und beherbergt aktive Vulkane. Dadurch ist das langfristige Risiko eines Übertritts von Radioaktivität in den Pazifik relativ hoch. Betroffen ist vor allem die indigene Bevölkerung der Alëuten, da sie ihren Nahrungsbedarf in hohem Maße durch Meerestiere deckt. Die Amchitka-Belegschaft erhielt nach einem Entschädigungsgesetz (2000) den Status einer „Speziellen Expositionskohorte“. So haben sie zwar theoretisch einen Kompensationsanspruch, wenn sie an strahleninduzierten Erkrankungen wie Krebs erkranken. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass die Bewilligung von Leistungen nicht einfach ist.

Das „International Institute of Concern for Public Health“ gibt an, dass an den Tests etwa 2.000 Arbeitskräfte beteiligt waren. Sie waren nicht mit wirksamer Schutzkleidung ausgestattet und wurden radioaktiven Partikeln ausgesetzt. Es erfolgte nur eine beschränkte Überwachung der Strahlendosen. Aufzeichnungen über die Strahlenexpo­sition wurden rasch vernichtet. Krebsraten in dieser Gruppe, insbesondere die von Leukämien und Lymphomen, sind Berichten zufolge jedoch hoch. Bis heute wurden jedoch keine umfassenden Studien oder Nachuntersuchungen durchgeführt. Radioaktives Material verbreitete sich in unterirdischen Höhlen, die durch die Explosion entstanden waren, sowie im Grundwasser, von wo es möglicherweise ins Meer gelangte. Die Annahme, dass tiefe Gesteinsschichten die freigesetzte Radioaktivität zurückhalten würden, erwies sich als Illusion. So fanden Greenpeace-Biologen auf Amchitka in den Jahren 1996-97 Plutonium-239/240 und dessen Zerfallsprodukt Americium-241 in Proben von Süßwasserpflanzen und Bächen. Greenpeace schloss daraus, dass es zu umfangreichen radioaktiven Lecks ins Grund-

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Dieser Text ist ein Ausschnitt aus der IPPNW-Posterausstellung „Hibakusha Weltweit“. Die Ausstellung zeigt die Zusammenhänge der Nuklearen Kette: vom Uranbergbau über die Urananreicherung, zivile Atomunglücke, Atomfabriken, Atomwaffentests, militärische Atomunfälle, Atombombenangriffe bis hin zum Atommüll und abgereicherter Uranmunition. Sie kann ausgeliehen werden. Weitere Infos unter: www.hibakusha-weltweit.de


FATIMA MAHMOUD MOHAMMAD ABURUB, WESTBANK

HAOUA ABDOULAYE, NIGER 20

Fotos: © Vlad Sokhin/CARE

Fotos: © Jonas Opperskalski/CARE

DILMANI KUJUR, INDIEN

Fotos: © Helena Schaetzle/CARE

KLIMAHELDINNEN


Weitere Infos über die Ausstellungen von CARE finden Sie unter: www.care.de/care-hilfe/bildung-indeutschland/ausstellungen

Klimaheldinnen Eine Ausstellung von CARE Deutschland

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ie Farmerin Dilmani Kujur (Indien) hat fünf Prozent ihres Ackerlandes in ein Wasserreservoir zur Bewässerung der Felder umgewandelt. Die Fünf-Prozent-Regel hilft inzwischen auch anderen Familien, ihren Erträge zu verbessern und zusätzliche Lebensmittel auf dem Markt zu verkaufen. Auch Fatima Mahmoud Mohammad Aburub (Westbank, Palästina) hat mit Unterstützung von CARE eine eigene Wasserzisterne angelegt, um ihre Oliven bewässern zu können. Allein versorgt sie ihren blinden Ehemann, drei Kinder, den Olivenhain sowie 19 Ziegen und Schafe. Haoua Abdoulaye (Niger) wendet neue Methoden für den Anbau von Sorghum-Hirse an, und ernährt das Dorf mit dem Vertrieb von Seifen, die die Frauen daraus herstellen. Jade Begay (USA) ist eine Aktivistin und organisiert Demonstrationen. Ihr „Indigenous Environmental Network” berät zu neuen ökologischen Lösungen wie etwa der Renaturierung von Küstenzonen oder der Finanzierung von Solarenergieprojekten. Sie möchte zur Wiederherstellung der ökologischen Balance des Planeten beitragen. Insgesamt stellt die Ausstellung von CARE zwölf Frauen vor, die Veränderung schaffen und das Leben in ihren Gemeinschaften verbessern.

Fotos: © Dermot Tatlow / CARE

er Klimawandel bedroht die Existenz von Menschen weltweit, indem er die Lebensgrundlagen vieler Menschen zerstört. In vielen Regionen fliehen Menschen vor den Folgen des Klimawandels, weil ihre Heimat unbewohnbar wird. Die CARE-Ausstellung „Klimaheldinnen“ poträtiert Frauen, die durch ihr individuelles Handeln im Kampf gegen die Klimakatastrophe zum Vorbild geworden sind.

JADE BEGAY,USA 21


KRIEG & KLIMA

Friedens- und Klimabewegung gehören zusammen Abrüstung schützt unseren Planeten

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arum wir uns als Friedensbewegung mit der Klimabewegung zusammentun sollten? Vieles spricht dafür. Die Artikel dieses Themenschwerpunkts zeigen auf, welch einen immensen Fußabdruck die Militärs haben, warum durch die Gefahr zunehmender Konflikte auch ein Atomkrieg wahrscheinlicher wird, welche Folgen dies hätte und warum wir uns aktiv einbringen müssen. Die starke Klimaerwärmung mit ihren katastrophalen Folgen wird seitens der Militärs schon lang nicht mehr bezweifelt. Das US-Militär beispielsweise und auch das deutsche Verteidigungsministerium setzen sich intensiv mit den Folgen des Klimawandels auseinander. Dabei werden hauptsächlich die Gefahren für die jeweilige „nationale Sicherheit“ betont, die die Klimakatastrophe mit sich bringt: Extremwetterereignisse wie Dürren werden sich verschärfen, Überschwemmungen, Stürme und Brände ganze Länder verwüsten, wodurch es über eine Zunahme von Nahrungsmittelunsicherheit, Arbeitsplatzverlust, zunehmender Armut, Krankheitsausbrüchen und sozialen Spannungen zu Migration kommen wird. Einzeln oder in Kombination werden die Auswirkungen besonders die schon instabilen und armen Staaten treffen und wirtschaftliche Entwicklungen, die zum Beispiel in der Infrastruktur von Bildung und Gesundheit erreicht wurden, gefährden oder vernichten. So werden Dürren inzwischen allgemein als „Verstärker“ und Mitursache von Kriegen gesehen, wie zum Beispiel in Darfur (Sudan) oder im Syrienkrieg. Dies könnte schnell zu einem Konflikt zwischen Atommächten führen, zum Beispiel in Indien/Pakistan.

Hier sehen die Militärs ihre Aufgaben – Angst vor „Failed States“ und Terrorismus; „Naturkatastrophen“ mit der Notwendigkeit von humanitärer Hilfe und „Sicherung“ bzw. Abschottung ihrer Territorien vor Millionen von fliehenden Menschen. Diese drei Hauptaktionsgebiete kommen natürlich verpackt im Mäntelchen der Menschenrechte, alle sollen dort leben können, wo sie gerade sind. Zudem führen die Militärs Risikoabschätzungen für ihre Stützpunkte durch, da auch diese häufig in klimavulnerablen Gegenden liegen.

Klimabewegung immer wieder genannt, mit der Schlussfolgerung, wie viele Jahre uns noch verbleiben, um mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Wenn aber durchschnittlich 153 Millionen Tonnen CO²-Äquivalente pro Jahr allein durch das kriegführende US-Militär ausgestoßen werden, was dem Dreifachen von Schwedens Verbrauch entspricht, dann wird deutlich, dass uns noch viel weniger „Budget“ und damit Zeit zur Verfügung steht, um die weltweiten Emissionen auf Null zu reduzieren.

Ein neu angefachter Konflikt, der durch die Erwärmung und das Abschmelzen der Arktis erst möglich wird, ist der Streit um die dort lagernden Erdöl- und -gasreserven. Dies ist natürlich besonders pervers, da die Extraktion selbiger die Klimakatastrophe weiter anheizen würde.

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Militär und Emissionen Alles oben Genannte betrifft jedoch die Adaptation, also den Umgang mit den Folgen der Klimakatastrophe. Das Militär und hier vor allem das US-Militär sind für enorme Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nur haben die USA schon vor Kyoto erfolgreich Lobbying betrieben, damit die Emissionen der Militärs, militärischer Übungen usw. aus den Berichten ausgenommen werden. Die USA werden das Paris-Abkommen dieses Jahr verlassen und in den IPCC Reporting Guidelines werden die militärischen Emissionen größtenteils ausgenommen. Dies bedeutet, dass das vom IPCC errechnete, der Menschheit noch zur Verfügung stehende CO²-Budget zu groß ausfällt. Dieses Budget wird von Fridays for Future und der 22

uch wenn das US-Militär unbestreitbar der größte Einzel-Verschmutzer ist, sollten wir auch vor der eigenen Haustür kehren. Die Bundeswehr bzw. das Verteidigungsministerium sieht sich nicht in der Lage, die entstehenden Emissionen während einzelner Manöver zu berechnen, wie aus einer kleinen Anfrage der Linken aus 2019 hervorgeht. Mit dem Argument, der personelle und zeitliche Aufwand rechtfertige sich nicht, da die Emissionen der mobilen Systeme der Bundeswehr nur 0,07 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands betragen. Dies kann stark bezweifelt werden, wenn man allein die Beobachtungen z.B. der „Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung“ heranzieht, die die Flugstunden der Bundeswehr zu Trainingszwecken protokollieren und daraus Emissionen berechnen. Zudem ergeben die CO²-Emmissionen von Eurofighter-, Tornado-, Transall- und A310-Flügen im Jahr 2015 mit 323.565.297 kg CO²-Äquivalent bereits knapp die Hälfte der für 2015 angegebenen Gesamtemissionen aller mobilen Systeme der Bundeswehr.


KLIMASTREIK, BERLIN 2019 Militär und Klimagerechtigkeit

Militär und Mitigation

Betrachtet man allein den finanziellen Aspekt der Gerechtigkeitsdebatte und die Kosten der Kriege dieser Welt, benötigt ein denkender Mensch eigentlich keine Zahlen, um schnell zu erkennen, dass dieses Geld dringend anderswo benötigt wird – und zwar um den ärmeren Nationen bei Klimaadaptation und -mitigation zu helfen und die Erwärmung auf zwei Grad Celsius weltweit zu begrenzen. Die weltweiten Militärausgaben stiegen in 2018 auf insgesamt über 1.800 Milliarden USD. Dabei führen die USA mit 649 Milliarden und China mit 250 Milliarden vor Saudi-Arabien, Indien und Frankreich. Im Vergleich: ein UN-Gremium wollte 100 Millionen USD pro Jahr für die ärmeren Länder der Welt sammeln, um sie in ihrer Klimapolitik zu unterstützen. Diese Gelder wurden zwar zugesagt, aber bisher nicht gezahlt. Während also die militärisch Mächtigen Geld verschwenden, Emissionen produzieren und damit das Überleben aller, nicht nur im Krieg, gefährden, werden dringend benötigte Gelder nicht gezahlt.

Aufgrund von Anschlägen auf TreibstoffTransporte hat das US-Militär begonnen, Soldaten mit Hybridfahrzeugen, persönlichen Solarpanels oder größeren Panels für Camps auszustatten. Auch „Bio“-Treibstoffe werden in geringem Maße verwendet.

Betrachtet man die Etats des Verteidigungs – und des Umweltministeriums, zeichnet sich in Deutschland ein ähnliches Ungleichgewicht zwischen Militär- und Umweltausgaben ab. Während dem Verteidigungsministerium im Jahr 2019 43,2 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, beläuft sich der Etat des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit auf nur 2,29 Milliarden Euro – 0,6 Prozent des gesamten Haushaltes.

Prof. Neta Crawford argumentiert, dass das US-Militär als größter Einzelkonsument weltweit, durch seine Größe massive positive Auswirkungen auf die gesamte militärische Industrie und Infrastruktur hätte, würde es komplett auf Erneuerbare umsteigen. Da sträubt sich in mir natürlich alles – und es ist in sich auch nicht logisch. Würden alle, einschließlich der Militärs, auf Erneuerbare umsteigen, bräuchten wir kein Öl mehr – zahlreiche Kriege wären noch sinnloser als sowieso schon. Zudem ist das US-Militär auf Jahrzehnte gefangen in Anwendung und Verbrauch CO²-emittierender Systeme durch den Besitz von Flugzeugen, Fahrzeugen, Waffensystemen etc., die nicht in ein paar Jahren umgetauscht werden können. Die Lösung kann also nur Abrüstung heißen. Was muss geschehen? » Kriege müssen enden, um Emissionen zu verhindern, Umweltzerstörung aufzuhalten und die Klimakatastrophe auf ein noch erträgliches Maß zu begrenzen

» Emissionen der Militärs und ihrer Zulieferindustrie müssen von den jeweiligen Regierungen ans IPCC berichtet werden. » Auf lokaler Ebene können zivile, friedensbildende Maßnahmen Gemeinschaften helfen, Konflikte friedlich auszutragen. » Die Klimakatastrophe darf nicht „versicherheitlicht“ werden, also als ein Sicherheitsproblem betrachtet werden, dass einer militärischen Antwort bedarf, sondern muss als globale Krise eines Politik- und Wirtschaftssystems behandelt werden. Was tun? » Wir können mit Aktiven der Klimabewegung vor Ort sprechen, auf die Problematik und gemeinsamen Ziele aufmerksam machen. » Unsere Bundestagsabgeordneten auffordern, auf eine Verringerung des Militäretats und Nennung der CO²-Emissionen der Bundeswehr hinzuwirken im Sinne des Klimaschutzes (und natürlich des Friedens). » Unser Umfeld über die Thematik informieren. Material und Quellen stellt die IPPNW gerne zur Verfügung. Mehr Infos & Quellen unter: ippnw.de/bit/klima-militaer

» Die Rüstungsindustrie muss konvertiert und klimaneutral gemacht werden. » Rüstungs- und Militärbudgets müssen gesenkt werden, um Klimaschutzbudgets zu erhöhen. 23

Dr. Katja Goebbels ist im Vorstand der deutschen IPPNW.


Foto: US Air Force, gemeinfrei

OPERATION „DESERT STORM“: US-KAMPFJETS ÜBER BRENNENDEN ÖLQUELLEN IN KUWAIT (1991)

Auf Kriegsfuß mit dem Klima Laut der Crawford-Studie ist das US-Militär zentraler Antreiber des Klimawandels

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as Militär verbraucht ungeheure Mengen an fossilen Brennstoffen, zerstört die Umwelt und trägt wesentlich zum Klimawandel bei. Gleichzeitig werden die weltweiten Ressourcen knapper und Rohstoff-Kriege drohen in Zukunft zuzunehmen, wovor sogar in US-Militär- und Geheimdienstkreisen gewarnt wird. Das eigentliche Problem besteht aber darin, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung heute 80 Prozent der globalen Ressourcen verbrauchen und 80 Prozent der weltweiten Abfallmenge verursachen. Um diesen Status Quo zu erhalten, werden weltweit Kriege und Regime-Change-Operationen durchgeführt. Die ökologischen Verwüstungen der globalen Militärmaschinerien sind und waren grauenvoll. Krieg, der Unterhalt und die Instandhaltung von Militärapparaten und ihrer Stützpunkte gehören zu den größten Verbrauchern von Energie und anderen Ressourcen und setzen erhebliche Umweltschadstoffe frei – hier nur einige Beispiele: » Weltweit verbraucht das Militär große Mengen fossiler Brennstoffe und setzt beträchtliche Mengen an Treibhausgasen frei, die zum anthropogenen Klimawandel beitragen, besonders im Globalen Norden.

Alleine das US-Militär benötigte im Jahr 2017 jeden Tag (!) etwa 42,9 Millionen Liter Öl, dabei wurden mehr als 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert. » Mehr als die Hälfte der Hubschrauber der Welt werden für militärische Zwecke verwendet und etwa ein Viertel des Verbrauchs von Düsentreibstoffen stammen von Militärflugzeugen, von denen die meisten ineffizient, kohlenstoffintensiv und umweltschädlich sind. » Durch Kriege und die damit verbunden Folgeaktionen kommt es zu großflächigen Zerstörungen von Wald, Böden und Natur, wichtigen CO²-Senken, die der Menschheit im Kampf gegen den globalen Klimawandel verloren gehen. » Als massiv zerstörerisch erwies sich der großflächige Einsatz von nahezu 100.000 Tonnen Herbiziden wie Agent Orange im Vietnamkrieg, um Wälder zu entlauben. Dies traf 4,8 Millionen Vietnames*innen, führte zu 400.000 Todesfällen sowie Behinderungen und Gendefekten bei 500.000 Kindern. Die Pflanzenwelt konnte sich über Jahrzehnte nicht regenerieren, die Zahl der Tierarten ging deutlich zurück. Das darin enthaltene Dioxin verseucht noch heute 24

Vietnam und ist dort für massive Krebserkrankungen und Gendefekte verantwortlich.

Klimaabkommen: Leerstelle Militär „In der heutigen Klimadiskussion über die Verursacher und Folgen des menschengemachten Klimawandels gibt es eine schwerwiegende Lücke, denn ein wesentlicher und wichtiger Punkt wird ausgespart: Die `Übersee-Aktivitäten´ des Militärs, die auch durch ein UNO-Mandat gedeckt sind, wurden – und zwar weltweit – aus dem Kyoto-Protokoll (1997) und dem Pariser Klimaschutzabkommen (2015) ausgeklammert. (...)“ Wie das Militär aus den Büchern der Kohlenstoffbilanz verschwunden ist, erfahren Sie ebenfalls in der IMI-Studie von Marc Werner.

» Als ebenso vernichtend für das Klima erwies sich der Rückzug der irakischen Streitkräfte aus Kuwait im Golfkrieg 1991. Ein NASA-Bericht kommt zu dem Schluss: Als sich irakische Streitkräfte aus Kuwait zurückzogen, setzten sie über 650 Ölquellen in Brand und beschädigten fast 75


KRIEG & KLIMA

„Der Klimawandel wird die Konkurrenz um Ressourcen verschärfen, insbesondere um Wasser. Er wird die Gefährdung von Küstengebieten erhöhen. Er wird den Streit um Territorien und landwirtschaftlich nutzbare Regionen anheizen. Er wird Migration auslösen und fragile Staaten noch fragiler machen.“ NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer 2009 weitere, die dann Rohöl durch die Wüste und in den Persischen Golf „ausspuckten“. Schätzungsweise ein bis 1,5 Milliarden Barrel Öl wurden in die Umwelt abgegeben. Nachdem die meisten verbrannt waren, landeten 25 bis 40 Millionen Barrel in der Wüste und elf Millionen Barrel im Persischen Golf (Quelle: Remote Sensing of Environment 2012) » Flächenverbrauch und Wiederaufforstung: Die großflächige Kontamination der weltweiten US-Militärstützpunkte – sowohl im In- wie auch im Ausland – mit hochgiftigen Chemikalien, die in die Böden und das Grundwasser gelangen, erschwert eine ökologische Wiederaufforstung massiv. Es könnten noch unzählige andere Punkte aufgeführt werden, wie das Militär mithilft, die Welt in ein Treibhaus und eine ökologische Wüste zu verwandeln. Die Crawford-Studie: Das US-Militär als zentraler Treiber des Klimawandels Die USA befinden sich seit Ende 2001 kontinuierlich im Krieg, wobei das US-Militär und das Außenministerium derzeit in mehr als 80 Ländern an Antiterroroperationen beteiligt sind. All dieser Einsatz massiver militärischer Gewalt erfordert Energie, viel Energie, der größte Teil davon in Form von fossilen Brennstoffen. Die im Juni 2019 von Neta C. Crawford von der Boston University veröffentlichte Studie untersucht detailliert den militärischen Kraftstoffverbrauch für die US-Kriege nach dem 11. September 2001 und die Auswirkungen dieses Kraftstoffverbrauchs auf die Treibhausgasemissionen. Der beste Schätzwert der Treibhausgasemissionen des US-Militärs von 2001, als die Kriege mit der US-Invasion in Afghanistan begannen, bis 2017, ergibt, dass das US-Militär in diesem Zeitraum 1.212 Millionen Tonnen Treibhausgase (...) freigesetzt hat. In einem Jahr sind die Emissionen des Pentagons größer als die gesamten Treibhausgasemissionen vieler kleinerer Länder. Diese Schätzung konzentriert sich nur auf die direkten militärischen Emissionen

des US-Department of Defense. Eine vollständige Abrechnung der mit dem Krieg und seiner Vorbereitung verbundenen Gesamtemissionen würde jedoch auch die Treibhausgasemissionen der Rüstungsindustrie umfassen. (..) Hier wiederum kommt Crawford zu folgendem Resümee: „Wenn die Hälfte dieser militärisch bedingten Emissionen auf die Kriege nach dem 11. September zurückzuführen ist, dann hat die US-Kriegsproduktion von 2001 bis 2017 etwa 2.600 Millionen Megatonnen CO2-Äquivalentes Treibhausgas ausgestoßen, was durchschnittlich 153 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entspricht.“ Das ist mehr als die dreifache Menge an Treibhausgasemissionen, die Schweden 2017 (50,8 Mio. Tonnen) verbraucht hat. Energie- und Treibstoffverbrauch des US-Militärs Hauptquelle des fossilen Brennstoffverbrauchs sind der Krieg und dessen Vorbereitung. Das US-Department of Defense (DOD) ist der größte Einzelverbraucher von Energie in den USA und in der Tat der größte institutionelle Verbraucher von Erdöl weltweit. Seit 2001 verbraucht das DOD konstant zwischen 77 und 80 Prozent (!) des gesamten Energieverbrauchs der US-Regierung. Die „ökologischen Fußabdrücke“ der Kriege und Besatzungen der USA zeigen fast den gesamten US-Militärverbrauch fossiler Brennstoffe. Insgesamt kauften die USA von 1998 bis 2017 2,4 Milliarden (!) Barrel Erdölkraftstoff. Ein Barrel Öl entspricht knapp 159 Liter. Umgerechnet ergibt das also die astronomische Zahl von mindestens 381.600.000.000 Liter Rohöl, die in nur 19 Jahren verbraucht wurden. Durchschnittlich also über 20.000.000.000 Liter Erdöl pro Jahr. Bedrohungen der nationalen Sicherheit durch Ölabhängigkeit und Klimawandel (...) Das DOD geht davon aus, dass der Klimawandel eine Katastrophe für die Institution und den Planeten sein wird. Das Pentagon konzentriert seine Bemühungen auf 25

die Anpassung an den Klimawandel und die Vorbereitung auf klimabedingte Unsicherheiten, auch wenn es weiterhin dafür sorgt, dass die Amerikaner relativ kostengünstigen Zugang zu importiertem Öl haben. (...) Laut Crawford haben die USA hier eine wichtige politische Entscheidung zu treffen: Richten sie ihre Außenpolitik und militärische Präsenz weiterhin darauf aus, den Zugang zu fossilen Brennstoffen zu sichern? Oder reduzieren sie den Einsatz fossiler Brennstoffe, einschließlich der eigenen Abhängigkeit des Militärs drastisch und vermindern damit die Notwendigkeit, den Zugang zu den globalen Ölressourcen militärisch zu überwachen? Eine Verringerung des militärischen Treibstoffverbrauchs wäre in mehrfacher Hinsicht von Vorteil, argumentiert Prof. Crawford. Unter anderem würde die drastische Senkung des Verbrauchs an fossilen Brennstoffen durch das US-Militär die gesamten Treibhausgasemissionen der Vereinigten Staaten signikant reduzieren. Die Stillegung militärischer Basen könnte auch zu einer erheblichen Kohlenstoffbindung führen, wenn diese öffentlichen Flächen wieder aufgeforstet werden. Zusammenfassend lassen sich wichtigsten Befunde der Studie auf folgenden Punkt bringen: Die Reduzierung des fossilen Brennstoffverbrauchs des Pentagon hätte enorm positive und kaum zu überschätzende Auswirkungen auf den Klimawandel, den Umweltschutz allgemein, die Bewahrung der Artenvielfalt und am wichtigsten natürlich, den Frieden. Dies ist ein Auszug aus der IMI-Studie von Marc Werner: „Das US-Militär – Auf Kriegsfuß mit dem Klima“ vom 4.11.2019 www.imi-online.de/download/IMI-Studie 2019-7-US-Klima-Web.pdf

Marc Werner ist freier Mitarbeiter der IMI und Autor der Studie „Auf Kriegsfuß mit dem Klima.“


KRIEG & KLIMA

Atomwaffen: Die größte Gefahr für das Erdklima Atomwaffen und Klimakatastrophe sind Gefahren, die sich gegenseitig verstärken

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tudien renommierter Atmosphärenforscher zeigen, dass weniger als 0,5 Prozent des globalen nuklearen Arsenals, das auf Städte in nur einer Region der Welt gerichtet ist, massive Feuerstürme entzünden würden, die Millionen Tonnen Rauch hoch in die Atmosphäre schleudern würden. Dieser Rauch würde innerhalb von Wochen den gesamten Globus bedecken und die Welt darunter für mehr als zwei Jahrzehnte abkühlen, austrocknen und verdunkeln. Die Sonne würde den dunklen Rauch in und über der Stratosphäre erhitzen und damit die Atmosphäre um mehr als 50 Grad Celsius aufwärmen. Das Ozon, das uns vor der schädlichen UV-Strahlung der Sonne schützt, würde sich in Folge rasch abbauen.

B

ereits 100 Bomben, die der von Hiroshima entsprechen – eingesetzt beispielsweise in einem Krieg zwischen Indien und Pakistan, würden über fünf Millionen Tonnen Rauch erzeugen und die durchschnittlichen Oberflächentemperaturen um 1,5 Grad senken, mit einer viel größeren Abkühlung von 5-8 Grad über großen Landmassen. Der daraus resultierende anhaltende Rückgang der weltweiten Nahrungsmittelproduktion würde zwei Milliarden Menschen in Gefahr bringen, zu verhungern. Die derzeitigen Arsenale Indiens und Pakistans – letzteres ist das am schnellsten wachsende der Welt – bestehen zusammen aus 270-290 Atomwaffen, die mindestens Hiroshimagröße haben. Diese nukleare Hungersnot würde sich durch die chemische und radioaktive Verseuchung großer Gebiete, die für Menschen sowie Pflanzen und Tiere an Land und im Meer schädliche UV-Strahlung, die Unterbrechung von Transport, Landwirtschaft und der Verteilung von Saatgut, Dünger, Treibstoff und Pestiziden noch verschärfen.

Würden nur die von Russland und den USA in Hair-Trigger-Alarm gehaltenen Langstreckenatomwaffen eingesetzt, die innerhalb weniger Minuten abgeschossen werden können, würden die brennenden Städte geschätzte 50 Millionen Tonnen Rauch in die Atmosphäre abgeben. Dies hätte eiszeitliche Bedingungen zur Folge – eine Temperaturminderung um fünf Grad im Vergleich zu heute.

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tomwaffen und unkontrollierter Klimawandel bedrohen unsere Zukunft existenziell. Sie verschärfen sich gegenseitig, und müssen beide bekämpft werden. Das eine schädigt unsere Biosphäre jeden Tag, das andere könnte sie unwiderruflich zerstören und die menschliche Zivilisation in weniger als einem Tag beenden. Der einzige zuverlässige Weg, einen Atomkrieg zu verhindern, ist die Beseitigung von Atomwaffen, bevor sie wieder eingesetzt werden. Eine klimagestresste Welt ist ein besonders gefährlicher Ort für Atomwaffen

„[Nach dem Atomkrieg] ist die vom Menschen verursachte globale Erwärmung die größte Bedrohung für das menschliche Leben auf dem Planeten.“ Admiral Chris Barrie (Australien) Militär- und Sicherheitsinstitute in der ganzen Welt warnen, dass die globale Erwärmung ein überragendes Sicherheitsrisiko darstellt, das andere Bedrohungen verstärkt. Die US-Geheimdienste warnten den US-Kongress im Januar 2019 in ihrer jährlichen Beurteilung der weltweiten Bedrohungen, dass die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung den Stress für die Gemeinschaften auf der ganzen Welt erhöhen und die globale Instabilität verschärfen, wodurch die Gefahr eines Atomkriegs zunimmt. 26

Die Zahl der internationalisierten gewaltsamen Konflikte ist seit 2010 stark angewachsen: von 6 auf 20 pro Jahr 2017/18. Die wachsende Unsicherheit bei der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung und andere Belastungen, die durch den Klimawandel verschärft werden, tragen dazu bei, dass bewaffnete Konflikte weiter zunehmen. Die Zahl der Menschen, die weltweit gewaltsam vertrieben werden, ist so hoch wie nie zuvor – Ende 2018 waren es 70,8 Millionen. Atomkraft befeuert die Verbreitung von Atomwaffen Bei einer Umweltanalyse, die 1977 der Ausweitung des kommerziellen Uranabbaus in Australien vorausging, wurde erkannt, dass die Atomkraft zu einem erhöhten Atomkriegsrisiko beiträgt und dass „dies die ernsteste Gefahr ist, die mit der Industrie verbunden ist.“ Jede Urananreicherungsanlage kann nicht nur für reaktorgeeignetes, sondern auch für waffenfähiges Uran verwendet werden. Weltweit verfügen derzeit 14 Staaten über solche Anlagen. Eine ursprünglich in Australien neu entwickelte Lasertechnologie könnte die Anreicherung von Uran kompakter und unauffälliger machen. Hochangereichertes Uran (HEU) ist eines der beiden spaltbaren Materialien, die zum Bau von Atomwaffen verwendet werden. Das andere ist Plutonium, das zwangsläufig im Inneren von Kernreaktoren entsteht, da Uranatome Neutronen absorbieren. Unsere australische Geschichte unterstreicht die untrennbaren Verbindungen des „Trojanischen Pferdes“. Die Regierung begann Ende der 1960er Jahre mit dem Bau des ersten australischen AKWs in Jervis Bay, vor allem, um Australiens Fähigkeit zum Bau eigener Atomwaffen zu beschleunigen. Der Vorsitzende der Atomenergie-


programme zu unterstützen, offensichtlich geworden – etwa in Frankreich, Russland, Großbritannien oder den USA. Radiologische Gefahren durch Reaktoren Atomreaktoren und ihre Abklingbecken enthalten große Mengen an Radioaktivität, die langlebiger ist als die von Kernwaffen erzeugte. Beide erfordern eine kontinuierliche Kühlung. Im Gegensatz zu den verschiedenen Schichten technischer Sicherungen um Atomreaktoren herum haben die Becken nur ein einfaches Dach über sich. Bei dem Super-GAU in Fukushima Dai-ichi etwa befanden sich 70 Proeznt der Gesamtradioaktivität in den Abklingbecken. Ähnliches wie in Fukushima könnte passieren, wenn Terroristen die Strom- oder Kühlwasserversorgung von Reaktoren und/oder Abklingbecken lange genug unterbrechen, um eine Kernschmelze und/oder Explosion zu verursachen. Der Fall könnte ebenfalls als Resultat eines Cyberangriffs eintreten. Eine einzige große Atomexplosion könnte einen so starken elektromagnetischen Impuls auslösen, dass die Stromversorgung, elektronische Geräte und auch Reaktoren über weite Regionen nicht mehr funktionieren.

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OPERATION TEAPOT, NEVADA 1955 Die beiden existenziellen Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, die Klimakatastrophe und der Atomkrieg, verlangen nach konkreten Lösungen. Bei der Förderung der angeblich „klimafreundlichen“ Atomkraft kann es allerdings nur Verlierer geben. Da die Kosten der Atomenergie mehr als doppelt so hoch sind wie die von Wind und Sonne, ist die Motivation einiger Regierungen, die zivile nukleare Infrastruktur und das Fachwissen der Arbeitskräfte aufrechtzuerhalten, um ihre Atomwaffen-

er Kernphysiker und Friedensnobelpreisträger Joseph Rotblat hat gezeigt, dass ein nuklearer Angriff auf Kernreaktoren oder Lager für abgebrannte Brennstoffe massiven radioaktiven Niederschlag zur Folge hätte. In verschiedenen Konflikten hat es bereits Angriffe auf Atomreaktoren gegeben: Dazu gehören mehrere Angriffe zwischen Iran und Irak während des Krieges 1980-88, die Luftangriffe Israels auf im Bau befindliche Atomreaktoren im Irak (1981) und in Syrien (2007), der südafrikanische Minen-Angriff des ANC auf das unfertige AKW Koeberg, die Angriffe der USA auf verschiedene irakische Atomanlagen im Jahr 1991 und der Abschuss irakischer Scud-Raketen auf den israelischen Kernreaktor Dimona. Somit stellt jede der 413 in Betrieb befindlichen Reaktoren und anderen Atomlagen 27

in 31 Ländern eine starke radiologische Waffe dar. Viele von ihnen befinden sich in der Nähe großer Ballungsräume. Sie könnten schwere und ausgedehnte radioaktive Verseuchung verursachen, die die langfri-stige Evakuierung großer Gebiete erforderlich machen würde. Das Netz der Verbindungen zwischen Atomwaffen, AKWs und den Materialien, die sie antreiben, ist vielschichtig und untrennbar. Die Atomkraft kann die Klimakrise nicht lösen und verschärft die existenzielle Gefahr, die von Atomwaffen ausgeht. Unser Verständnis der Herausforderung der Klimakrise muss sich um die Gefahr eines plötzlichen nuklearen Winters erweitern. Eine gesunde und nachhaltige Zukunft für alles Leben auf der Erde setzt voraus, dass wir den raschen Übergang zu erneuerbaren Energiesystemen und einen Nettoausstoß von Null-Kohlenstoff-Emissionen anstreben und dass wir Atomwaffen verbieten und beseitigen – mit äußer-ster Dringlichkeit. Der effektivste Weg für alle Staaten, die nukleare Bedrohung zu entschärfen und Sicherheit zu schaffen, ist der Beitritt zum Atomwaffen-Verbotsvertrag. Dieses historische Abkommen beinhaltet ein kategorisches und umfassendes Verbot. Es ist der einzige international definierte Weg zu einer atomwaffenfreien Welt. Es baut auf den erheblichen Fortschritten auf, die bei der Kontrolle von biologischen und chemischen Waffen, Landminen und Streumunition erzielt wurden. Ein Vertrag, der die Ächtung der Waffe kodifiziert und einen Standard für alle Staaten vorsieht, ist der Schlüssel zum Fortschritt für jede unterschiedslos wirkende, inhumane Waffe. Die Erfahrung zeigt: Solche Waffen sind nur zu kontrollieren, wenn ein Abkommen sie verbietet.

Tilman Ruff ist Co-Präsident der internationalen IPPNW.

Foto: Ralf Schlesener

kommission John Philip Baxter sprach von „der unauflösbaren Verbindung zwischen der friedlichen und militärischen Nutzung von Nuklearmaterial“. In einem Briefing an den Innenminister hieß es 1969: „Aus den Gesprächen mit den Offizieren der AAEC geht hervor, dass beim Aufbau der australischen Atomindustrie die Möglichkeit der Herstellung von Atomwaffen vorgesehen werden soll ...“. Im selben Jahr schrieb Minister Bill Wentworth an den damaligen Verteidigungsminister Malcom Fraser: „(...) Alles, was wir tun, muss als normaler Schritt der friedlichen Atomindustrie dargestellt werden können. Auf diese Weise können wir uns eine ‚kurzfristige nukleare Option‘ erhalten, ohne öffentliche Empörung zu erregen, und die Option zu einem späteren Zeitpunkt ergreifen, wenn die Ereignisse es erfordern – ohne dass öffentliche Empörung Zeit hat, sich zu entwickeln...“.


KRIEG & KLIMA

Umwelt, Ökonomie und Gewalt Wir brauchen Klimagerechtigkeit und ein aktives „Weltbürgertum von unten“

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as heiße, trockene Jahr 2019 dürfte es vielen vor Augen geführt haben: Auch unser Land ist vom Klimawandel betroffen. Im Herbst wurde gemeldet, dass der Oktober 2019 der wärmste Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen ist (schon Juni und Juli hatten diesen Rekord gebrochen!). Auch wurde im Sommer 2019 in Deutschland die höchste hierzulande je gemessene Temperatur registriert (42,6 Grad in Lingen/Emsland!).

Der Wohlstand unseres Landes beruht auf der imperialen Lebensweise, mit der sich die Industrienationen den Erdball unterworfen haben. Die ganze Welt dient, schrieb der Weltbürger Stefan Zweig schon 1929, „knechtisch Europas Bedarf“, und zum „Bedarf“ gehören heute nicht nur Rohstoffe und Nahrungsmittel, die in riesigen Mengen aus Übersee importiert wer-

RETTUNGSEINSATZ VON SEA-WATCH (2016)

den, sondern auch die Ausfuhr des Abfalls: 6,1 Millionen Tonnen Plastikmüll fallen jährlich in Deutschland an (damit sind wir Spitzenreiter in Europa!), davon wird rund die Hälfte nach Asien exportiert, womit sie für die amtliche Statistik allen Ernstes als „recycelt“ gilt; ein Buchhaltungstrick, der nur als Volksverdummung bezeichnet werden kann.

A

uch, dass wir die Folgen des Klimawandels – Anstieg der Durchschnittstemperaturen, Veränderung der Großwetterlage mit häufigeren Extremereignissen wie Dürren oder Starkregen usw. – nur in recht begrenztem Umfang spüren, liegt an unserer imperialen Lebensweise. Diese ist nämlich sehr erfolgreich dabei, das zu betreiben, was der Ökonom „Externalisierung der Kosten“ nennt. Dies auch auf ökologischem Gebiet: Wir ruinieren die Erde – aber die Folgen davon bekommen in erster Linie und in voller Härte die anderen zu spüren, die Menschen auf der Südhalbkugel 28

nämlich. Deshalb ist es wichtig, die Ende 2019 berichtete Tatsache, dass die Jahre 2010 bis 2019 laut UNO weltweit als das heißeste Jahrzehnt seit Beginn systematischer Wetteraufzeichnungen 1881 gelten, mit anderen Daten in Zusammenhang zu bringen: Etwa mit der Schreckensziffer der 70,5 Millionen Menschen, die derzeit (2019) laut UN-Flüchtlingshilfswerk weltweit auf der Flucht sind, rund 50 Prozent mehr als noch im Jahr 2009! „Es ist dieses Verschont-geblieben-Sein von den Folgen des Raubbau- und Verschwendungskapitalismus, was es den Bürgerinnen und Bürgern des Globalen Norden besonders schwer macht, die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Umweltkrise zu ziehen“, schrieb Jürgen Zimmerer, Professor an der Universität Hamburg, am 11. Januar 2020 in einem bemerkenswerten Kommentar der „Süddeutschen Zeitung“:

Foto: Brainbitch /CC BY-NC 2.0

Folgen des Klimawandels sind etwa bei uns überwinternde Zugvögel – von der stark gewachsenen Population der Störche bleiben etliche Tiere im Winter hier, ähnlich verhält es sich mit den Eichelhähern. Auch bei den Fischen gibt es Veränderung: Sowohl die Zahl als auch die Größe der Renken im Starnberger See und der Felchen im Bodensee vermindern sich. Freilich: Sieht man von der deutlich steigenden Sterberate bei Temperaturen von über 40° ab, halten sich negative Folgen des Klimawandels für Leib und Leben bei uns sehr im Rahmen. Auch dass Menschen durch Unwetter und/oder Überschwemmungen Hab und Gut verlieren, kommt zum Glück recht selten vor – jedenfalls im Vergleich zu anderen Ländern, in denen massive Katastrophen immer häufiger auftreten, was unseren Zeitungen freilich meist nur eine Sieben-Zeilen-Meldung wert ist …


„Wie soll man zur Kursumkehr bereit sein, wenn bisher immer alles gut ging? Wieso soll man von der bequemen Wachstumsideologie Abstand nehmen, wenn die dadurch verursachten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verwerfungen weit entfernt stattfinden? Den Preis für diese Form des Kapitalismus zahlen nach wie vor Mensch und Natur am anderen Ende der Welt.“ Fraglich ist freilich, ob es dabei bleibt. Angesichts der weltweiten Migrationsbewegung ist derzeit noch Abschottung die Devise der Stunde, und es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwelche Politiker*innen gebetsmühlenartig fordern, der Schutz der EU-Außengrenzen müsse verbessert werden. Diese Abschottungstendenz hat eine lange Vorgeschichte – schon vor dreißig Jahren, im Juli 1990, hatte die „Süddeutsche Zeitung“ geschrieben: „Das Wort des früheren algerischen Präsidenten Boumedienne, die besitzlosen Massen des Südens würden dereinst in ihrer Not den reichen Norden einfach besetzen, wird für viele Franzosen bereits zur Vision nordafrikanischer boat people ...“ (25. Juli 1990). Also hat man seither Mauern gebaut und Zäune errichtet und ist stolz, wenn man einen Migrationsweg wie die berüchtigte „Balkanroute“ unterbunden hat – was die ebenfalls vielzitierte „Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort“ betrifft, ist indes so gut wie gar nicht geschehen, insbesondere nicht hinsichtlich möglicher Veränderungen an der durch und durch ungerechten Weltwirtschaftsordnung. „Die Ungleichheit in der Weltwirtschaft ist eine der größten Herausforderungen der modernen Zeit“, sagte der scheidende US-Präsident Barack Obama auf seiner letzten Europareise (in Athen, 16. November 2016). Schade freilich, dass

solche treffenden Einsichten von den politisch Verantwortlichen allzu oft erst gegen Ende ihrer Amtszeit offen ausgesprochen werden – wenn es nicht mehr ihre eigene Aufgabe, sondern die der anderen ist, aus der Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen ...

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abei steht uns die wirklich große weltweite Wanderung vermutlich noch bevor – die Weltgesellschaft wird kommen. Es fragt sich nur, ob dies unter schmerzhaften Kämpfen geschieht, ganz im Sinne der erwähnten ProphezeiKLIMASTREIK IN BERLIN 2019 hung des früh verstorbenen Politikers und muslimischen Theologen Houari Boumedienne aus Algerien (1927- selber die Entstehung eines solchen gewalt78, s.o.), oder ob dieser weltumgestaltende schwangeren Klimas herbeigeführt oder zuProzess doch noch in konstruktive Bahnen mindest geduldet hat – der setzt sich vor gelenkt werden kann. Für diese zweite Va- der Geschichte doppelt ins Unrecht.“ riante ist ein aktives Weltbürgertum in meinen Augen eine conditio sine qua non – ein olche Worte waren 1990 offenkundig „Weltbürgertum von unten“, neben und in den Wind gesprochen. Wollen wir jenseits der Regierungen und, wo nötig, noch einmal drei Jahrzehnte ungenutzt auch gegen sie! verstreichen lassen? Oder werden wir es fertigbringen, Konsequenzen aus der unVor dreißig Jahren, 1990, habe ich für die umgänglichen Erkenntnis zu ziehen, dass kurz zuvor mit dem Friedensnobelpreis aus- sich die Folgen der globalen ökologischen gezeichnete IPPNW die Studie „Naturzer- Veränderung nur dann friedlich bewältigen störung: Die Quelle der künftigen Kriege“ lassen werden, wenn wir Millionen von vorgelegt. Damals hätte es noch die Mög- Menschen „das Recht, Rechte zu haben“ lichkeit gegeben, vorbeugend gegen die (Hannah Arendt), nicht länger verweigern, drohende Klimakrise anzuarbeiten – drei indem wir stur auf unseren Privilegien beJahrzehnte später ist diese Chance vertan. harren? Den Klimawandel zu verhindern Der Klimawandel ist da und lässt sich al- – das liegt nicht mehr in Bereich unserer lenfalls abmildern – aber das heißt ja nicht, Möglichkeiten. Wie wir seinen Folgen bedass er zwangsläufig in neue Kriege mün- gegnen wollen, sehr wohl. den muss. Ein zentraler Satz meiner Studie von 1990 hatte gelautet: „Zeiten wachsender Not und Verelendung und offenkundiger Ausweglosigkeit für Millionen Menschen in einer immer ungerechteren Welt sind ein idealer Nährboden für Schwarmgeister, Eiferer, Fanatiker und Terroristen. Wer sich Dr. Till Bastian allerdings nur vordergründig über deren ist Arzt, Autor Worte und Taten empört, ohne sich Reund IPPNWchenschaft darüber abzulegen, inwieweit er Mitglied.

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WELT

Dringender Appell

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Internationale Friedenskonferenz zur nuklearen Abrüstung im Friedenspalast von Den Haag

Die Konferenz diente als Plattform für den Dialog zwischen wichtigen Akteuren. Der Vorsitzende der Konferenz Peter Buijs (NVMP) sprach über die laufenden Bemühungen seiner Organisation. Basierend auf medizinisch-humanitären Argumenten der IPPNW konnte in den Niederlanden eine Gesellschaftskoalition ins Leben gerufen werden, die zu parlamentarischen Resolutionen geführt hat. Eine davon führte dazu, dass die Niederlande als einziges NATO-Mitglied an den Verhandlungen zum Atomwaffenverbot teilnahmen. Diese Entscheidung wurde 2017 von einem Kabinett der politischen Mitte (Rutte-II) getroffen. Das nachfolgende Kabinett Rutte-III, eins der rechten Mitte, entschied später, die niederländische NATO-Mitgliedschaft könne nicht von der nuklearen Abschreckung getrennt werden und die nukleare Abschreckung sei daher nicht mit dem Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) vereinbar. Das Treffen wurde durch den niederländischen Außenminister Stefan Blok eröffnet, der die Gespaltenheit der niederländischen Regierung zum Ausdruck brachte, die einerseits an der NATO-Politik der nuklearen Abschreckung festhalte, andererseits starke humanitäre Überzeugungen und den Wunsch nach einer vollständigen Beseitigung von Atomwaffen äußere. Er zitierte den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow: „Alle Nationen sollten erklären, dass Atomwaffen vernichtet werden müssen. Das ist nötig, um uns selbst und unseren Planeten zu retten“. Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft wie Beatrice Fihn (ICAN), Ira Helfand

(IPPNW) und Mary Robinson (ehemalige Präsidentin Irlands und ehem. Hohe Kommissarin der UN für Menschenrechte) stellten medizinische, humanitäre, rechtliche und praktische Aspekte der nuklearen Abrüstung vor. Ihre Botschaft lautete: Nukleare Abrüstung ist genauso dringend wie die Eindämmung des Klimawandels. Ihre Umsetzung erfordert den politischen Willen insbesondere der NATO-Staaten. Für die Staaten des Globalen Südens ist der TPNW ein rechtlicher Weg in Richtung der nuklearen Abrüstung und der Überwindung des Paradigmas der nuklearen Abschreckung. Robinson forderte die Niederlande auf, die Führung zu übernehmen, um eine Verbindung zwischen dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) und dem TPNW herzustellen. Sie appellierte an die kleineren Länder, eine führende Rolle bei der nuklearen Abrüstung zu spielen, so wie es Irland in den 70ern beim NPT getan hatte.

digte. Der ehemalige US-Staatssekretär Tom Countryman warnte, ein konventioneller Krieg könne zu einem bestimmten Zeitpunkt der Eskalation leicht zu einem Atomkrieg werden. „Es gibt keinen begrenzten Atomkrieg“, warnte er. „1.700 Atomwaffen sind in höchster Alarmbereitschaft!“ Die europäischen Länder sollten nicht auf die USA warten, sondern konkrete Schritte einleiten und den Dialog mit Russland aufnehmen, um Abrüstungsgespräche zu beginnen. Eine niederländische Schauspielerin rezitierte den Aufruf: „Lasst uns aufwachen!“ Der Bürgermeister von Den Haag Johan Remkes beendete das Treffen mit der Nachricht, dass der niederländische König dem NVMP-Vorsitzenden Buijs eine königliche Auszeichnung für seine Bemühungen auf dem Gebiet der Sozialmedizin, insbesondere in Bezug auf Atomwaffen, verliehen hat.

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ußenpolitische Expert*innen aus Russland, den USA, den Niederlanden und anderen NATO-Staaten präsentierten ihre Ansichten: Sie freuten sich auf die bevorstehende NPT-Konferenz und lobten die Notwendigkeit des NPT, während die NATO-Vertreterin das Paradigma der nuklearen Abschreckung gegen Atomwaffen aus militärischer Sicht vertei30

Dr. Angelika Claußen ist IPPNW-CoPräsidentin für Europa. Peter Buijs ist Vorsitzender der Dutch Physicians for Peace.

Foto: NVMP

u ihrem 50. Geburtstag hat die niederländische IPPNW-Mitgliedsorganisation Dutch Physicians for Peace (NVMP) zusammen mit dem niederländischen Außenministerium am 26. November 2019 eine Friedenskonferenz zur atomaren Abrüstung organisiert. Ziel war es, auf die wachsenden Risiken eines neuen nuklearen Wettrüstens und die Möglichkeit eines (nicht) beabsichtigten Atomkriegs zu verweisen.


Foto: DFG-VK

AKTION

Kein Krieg gegen Iran! Kundgebung am Brandenburger Tor

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Foto: DFG-VK

und 200 Friedensaktivist*innen protestierten am 11. Januar 2020 in Berlin gegen eine militärische Eskalation des Konflikts zwischen den USA und Iran. Am Brandenburger Tor forderten sie eine gewaltfreie und zivile Konfliktlösung und die Verweigerung der Unterstützung für einen US-Militäreinsatz durch die Bundesregierung. Bei einem Straßentheater drohten sich Schauspieler*innen von Donald Trump und Irans obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei zunächst, unterzeichneten dann aber unter Vermittlung von Bundeskanzlerin Angela Merkel das Iran-Atomabkommen. Der Gitarrist und Sänger Pablo Miro begeisterte mit internationalen Friedensliedern. Zum Protest aufgerufen hatten unter anderem die IPPNW, die Deutsche Friedensgesellschaft, pax christi Deutschland und die NaturFreunde Deutschlands.

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G ELESEN

Die Schande Europas

Frieden! Jetzt! Überall!

Der Soziologe Jean Ziegler liefert Friedens- und Menschenrechtsaktivist*innen wichtige Informationen zum Thema Flucht und Asyl.

Der sehr empfehlenswerte Sammelband mit Appellen, Aufsätzen, Essays und Analysen wirbt für eine neue Entspannungspolitik.

ie Schande Europas, über die Ziegler schreibt, hat zwei Gesichter. Das erste sind die „Hotspots“ genannten Erstaufnahmelager in Griechenland, in denen insgesamt 39.000 Geflüchtete eingesperrt sind, ein Drittel von ihnen Kinder. Im Lager Moria auf Lesbos etwa, ausgelegt für 6.000 Menschen, sind weit über 18.000 interniert. Mit zahlreichen Fakten beschreibt der Autor, was die vor Krieg, Willkür und Hunger Geflohenen erwartet, die es lebend an Land geschafft haben. Von wegen „Auffanglager“ – eingefangen werden sie, um viele Jahre in Elend und Hoffnungslosigkeit weggesperrt zu bleiben, mangelernährt, ohne ausreichende Hygiene und gesundheitliche Versorgung. Dabei soll, wie der Autor darlegt, der Prozess der „Relokalisierung“ (die Zuweisung eines Platzes, an dem sie leben können) nach sechs Monaten abgeschlossen sein. Tatsächlich dauert schon die Registrierung meist mehr als drei Jahre! Zuständig sind formal die griechischen Behörden – tatsächlich sind sie abhängig von den europäischen Einrichtungen Frontex, EUROPOL und EASO, für die Fluchtgründe kaum eine Rolle spielen.

rieden muss in den Zeiten eines neuen Rüstungswettlaufs wieder zu einem zentralen Thema unserer Gesellschaft werden: Das ist die Botschaft dieses Buches. Es fordert zu einer öffentlichen Debatte über Frieden und Sicherheit auf. Aus Furcht vor Russland, als Reaktion auf das „America first“ von US-Präsident Donald Trump oder aus Angst vor Gewalt und Terror: Die Gespenster des Kalten Krieges kommen zurück. Wir befinden uns mitten in einem neuen Rüstungswettlauf. Die Friedensbewegung müsse dagegen halten, zusammen mit dem „anderen Amerika“, das den autoritären und ignoranten Kurs des weißen Hauses stoppen will, so die Herausgeber. Die deutsche Bundesregierung könne in der Entspannungspolitik zwischen Ost und West im Rahmen der Europäischen Union eine führende Rolle einnehmen.

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„Abrüsten gegenüber Russland heißt vor allem auch medial abrüsten“, schreibt die Schriftstellerin Daniela Dahn in ihrem Aufsatz. Und weiter: „Das kostet nichts und man sollte meinen, das könnte mit gutem Willen zu schaffen sein. Es ist quasi ein Besinnen auf die ursprüngliche Wortbedeutung: Ein Medium ist ein Vermittler, der bei Streitigkeiten beide Seiten zu Wort kommen lässt und das Urteil nicht vorgibt, sondern friedfertig im öffentlichen Austausch fällt. Ein Mediator hilft, Konflikte nicht eskalieren zu lassen.“

Schande Europas, das zweite Gesicht – das sind ebenso zwischen der EU und der Türkei 2016 geschlossene Verträge und Beschlüsse europäischer Gremien, die das alleinige Ziel haben, Europa vor dem Andrang der Flüchtlinge zu „schützen“. Federführend für die EU: Kanzlerin Merkel. Aus ihnen leiten sich die schändlichen und in vielen Fällen mörderischen „Pushback“Operationen ab, bei denen von den Besatzungen der dort agierenden Frontex- und NATO-Kriegsschiffe sowie griechischen Patrouillen Flüchtlingsboote gewaltsam in die türkischen Gewässer zurückgestoßen werden. Oder: an der 750 Kilometer langen Mauer, die die Türkei an der Grenze zum nordwestlichen Syrien gegen Flüchtlinge errichtet hat, werden automatische MGs gegen Fliehende eingesetzt.

Mein Fazit: Das Lesen dieser Zusammenstellung unterschiedlicher Sichtweisen, Herangehensweisen und Schlussfolgerungen, die sich mit dem Frieden auseinandersetzen, ist eine lohnende Lektüre. Michael Müller, Peter Brandt und Reiner Braun (Hrsg.): Frieden! Jetzt! Überall! Ein Aufruf, mit 50 Beiträgen u.a. von Katarina Barley, Frank Bsirske, Daniela Dahn, Daniel Ellsberg, Sigmar Gabriel, Michail Gorbatschow, Stephan Hebel, Reiner Hoffmann, Götz Neuneck, Horst Teltschik, Willy van Ooyen, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Sahra Wagenknecht, Hubert Weiger, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Westendverlag, 22,- Euro, 336 Seiten, ISBN: 978-3-86489-249-3

Leider folgt Ziegler in diesem Buch einfach den Leitmedien, wenn es um geostrategische Interessen im Nahen und Mittleren Osten oder um Hintergründe und Tatsachen z.B. in Syrien geht. Das mindert nicht den Nutzen seines Zeigefingers auf die Schande Europas für alle, die in Sachen Flucht und Asyl tätig sind. Jean Ziegler: Die Schande Europas, Bertelsmann, 15,- Euro, 144 Seiten, ISBN: 978-3-570-10423-1 Jürgen Sendler

Angelika Wilmen

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G EDRUCKT

TERMINE

Informationsblatt Atomenergie Derzeit versucht die Energielobby wieder, Atomenergie als „saubere Energie“ und „Klimaretter“ zu verkaufen. Doch die Argumente sprechen dagegen. Fossile und atomare Energiegewinnung bedrohen Umwelt und Gesundheit. Beide Energieformen fördern den Raubbau an Umwelt und Natur und führen zu schweren Menschenrechtsverletzungen in den rohstoffliefernden Ländern. Eine Doppelseite A4, vierfarbig: ippnw.de/bit/info-atomenergie

Risiken und Nebenwirkungen der Atomenergie Warum Atomenergie das Klimaproblem nicht lösen kann

und „Klimaretter“ zu verkaufen. Doch die ArguDerzeit versucht die Energielobby wieder, Atomenergie als „saubere Energie“ Umwelt und Gesundheit: Kohle und Gas durch mente sprechen dagegen. Fossile UND atomare Energiegewinnung bedrohen Atomenergie durch das Risiko von Kernschmelzen und schädliche Feinstaubbelastung, Umweltzerstörung und Erderwärmung, Raubbau an Umwelt und Natur und führen zu schweren der Freisetzung von Radioaktivität. Beide Energieformen fördern den Ärzte für die Verhütung des AtomMenschenrechtsverletzungen in den rohstoffliefernden Ländern. Die Internationalen schnellstmöglichen Ausstieg aus der fossilen und krieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) fordern den atomaren Energieproduktion.

Ärztinnen und Ärzte der IPPNW warnen:

Atomenergie ...

1.ist gefährlich

Innerhalb von 32 Jahren gab es drei große Atomkatastrophen: Three Mile Island (USA), Tschernobyl (Ukraine) und Fukushima (Japan). Das heißt im Durchschnitt eine große Katastrophe alle 10 bis 11 Jahre.

Die KiKK-Kinderkrebsstudie hat nachgewiesen: „Je näher ein Kleinkind am AKW wohnt, desto größer ist das Risiko für das Kind, an Krebs und Leukämie zu erkranken“. Ähnliches droht auch Arbeiter*innen in AKWs und Menschen in Uranabbaugebieten.

3.ist teuer

4.produziert CO

5.ist global

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Atomenergie produziert circa doppelt so viel CO2 wie Solarkraft und sechs Mal so viel wie Windkraft – das für die Atommülllagerung anfallende CO2 in den kommenden Jahrtausenden noch nicht eingerechnet.

Pro Kilowatt ist Atomenergie heute die teuerste Option, Energie zu produzieren – und die Kosten für Uranabbau und Atommülllagerung sind da noch gar nicht mit eingerechnet.

untauglich

Die meisten Länder der Welt haben weder Atomstrom noch die dafür nötige Infrastruktur und nötigen Finanzmittel. Erneuerbare Energien sind hingegen in fast jeder Region der Erde realisierbar.

ist zur Klimarettung

6.irrelevant

Selbst wenn zeitnah 900 neue AKWs gebaut werden könnten, würde die Atomenergie weniger als 5 % des weltweiten Treibhausgasausstoßes verhindern.

7.ist Grundlage für Atomwaffen

Atomwaffenprogramme wären ohne die zivile Nutzung der Atomenergie nicht finanzier- und realisierbar.

Information

2.verursacht Krebs

MÄRZ 2.-21.3. Ausstellung: Hibakusha Weltweit in Offenbach 25.3. Uranabbau und Atomwirtschaft in Afrika, Vortrag von Angelika Claußen und Lars Pohlmeier in Bremen 28.3. „Wut ist ein Geschenk“, Lesung mit Arun Gandhi in Ulm

APRIL 04.4. Gemeinwohlökonomie, Vortrag und Diskussion in Landsberg am Lech

Aktionsmaterial: Radioactive Olympics

9.-13.4. 60 Jahre Ostermärsche April/Mai NATO-Großmanöver Defender kommt durch Deutschland

Die Olympischen Sommerspiele in Japan stehen vor der Tür. Geplant sind auch Wettkämpfe im radioaktiv kontaminierten Fukushima: Dagegen protestieren wir. Plakate, Flyer, Unterschriftenlisten und andere Materialien können Sie für Veranstaltungen ihrer Regionalgruppe bei uns bestellen.

24.-26.4. Treffen „Brücken der Verständigung“ in Sarajevo 26.4. Jahrestag von Tschernobyl 27.4.-22.5. NPT-Überprüfungskonferenz, New York

Alle Materialien finden Sie zum Anschauen unter issuu.com/ippnw – Bestellung unter: shop.ippnw.de – kontakt@ippnw.de oder telefonisch: 030 6980 74-0

30.4.-17.7. Wanderung „Frieden in Bewegung“

MAI   G EPLANT Das nächste Heft erscheint im Juni 2020. Das Schwerpunktthema ist:

Radioactive Olympics: Spiele in Japan Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 162 /Juni 2020 ist der 30. April 2020. Das Forum lebt von Ihren Ideen und Beiträgen. Schreiben Sie uns: forum@ippnw.de

IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die

Das Forum erscheint viermal jährlich. Der Be-

Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer

zugspreis für Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag

Verantwortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland

enthalten. Sämtliche namentlich gezeichnete Arti-

Redaktion: Ute Watermann (V.i.S.d.P.), Angelika

kel entsprechen nicht unbedingt der Meinung der

Wilmen, Regine Ratke

Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke

Freie Mitarbeit: Marla Feldwisch

bedürfen der schriftlichen Genehmigung.

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum,

Redaktionsschluss für das nächste Heft:

Körte­straße 10, 10967 Berlin,

30. April 2020

Telefon: 030 6980 74 0, Fax 030 693 81 66,

Gestaltungskonzept: www.buerobock.de,

E-Mail: ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de,

Layout: Regine Ratke; Druck: DDL Berlin

Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft,

Papier: Recystar Polar, Recycling & FSC.

Kto-Nr. 2222210, BLZ 100 20 500,

Bildnachweise: S.7 Mitte: DFG-VK;

IBAN: DE39 1002 0500 0002 2222 10,

nicht gekennzeichnete:

BIC: BFSWDE33BER

privat oder IPPNW.

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8.-9.5. IPPNW-Jahrestreffen in Rotenburg / Wümme mit Vorträgen von Prof. Dr. Maja Göpel, Prof. Dr. Ulrich Gottstein und Bärbel Höhn 25.-29.5. IPPNW-Weltkongress „Abrüstung, Entwicklung und Gesundheit“ in Mombasa, Kenia

JULI 3.-7.7. IPPNW/ICAN-Aktionstage in Büchel 5.-12.7. Aktionswoche Ramstein

Vormerken!

OKTOBER 23.-26.10.2020

Menschenrechtstribunal Berlin


G EFRAGT

6 Fragen an … Sharon Dolev

Leiterin des METO-Projekts und Direktorin des Israeli Disarmament Movement

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Sie sind die Leiterin von METO, der „Middle East Treaty Organization“. Worum geht es? Idee von METO ist es, einen Raum für Menschen aus dem Nahen Osten zu schaffen, um gemeinsam mit internationalen Experten einen Weg zu einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen Osten („die Zone“) zu finden. Während Diplomaten, Staaten und sogar zivilgesellschaftliche Organisationen diese Zone für unmöglich halten, ist unserer Meinung nach der gute Wille der wichtigste fehlende Faktor – wie auch die Fähigkeit, sich überhaupt vorzustellen, dass dies möglich ist. METO hat einen Vertragsentwurf erarbeitet, um die Beteiligten in einen neuartigen Diskurs einzubinden. Wir suchen Lösungen, statt über Hindernisse zu sprechen – denn die meisten Hindernisse sind nur deshalb vorhanden, weil es keinen guten Willen gibt.

wurf arbeiten konnten, wollten wir einige der Außenministerien dabei unterstützen, mit einem stärkeren Engagement auf die Konferenz zu kommen. Im Vorfeld der nächsten Konferenz im November 2020 müssen wir zukünftige Hindernisse identifizieren und den lösungsorientierten Diskurs für die spezifischen Themen aufrechterhalten, die das nächste Treffen stören könnten, wie z.B. den Iran-Deal oder die regionale Sicherheit.

5

Glauben Sie, dass die bevorstehende Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags (NPT) Fortschritte in Bezug auf die Zone und den Atomwaffen-Verbotsvertrag bringen wird? Leider glauben wir nicht, dass der NPT derzeit Fortschritte ermöglicht. Die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten in der UN wollen vorerst nicht über einen Zeitplan für die Abrüstung sprechen, obwohl dies ihre Verpflichtung im Rahmen des NPT wäre. Wir befürchten, dass die Vertragsstaaten des Atomwaffensperrvertrages sich nicht auf ein Schlussdokument einigen und deshalb die Schuld auf „die stagnierende Lage im Nahen Osten“ schieben könnten, so wie schon 2015. Eine echte Lösung für die Zone kann nur von außerhalb des NPT kommen, da Israel nicht im NPT ist. Die NPT-Mitglieder sollten sich stattdessen auf ihre eigenen Verpflichtungen konzentrieren und gleichzeitig die Bedeutung der Konferenz im November anerkennen.

2

Sie haben an der UN-Konferenz für eine nuklear- und massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen Osten im November 2019 in New York teilgenommen. War diese Konferenz ein Erfolg? Die Konferenz über die Zone war ein Erfolg, schon weil sie stattgefunden hat. Der Aufruf an alle Staaten in der Region sowie fünf Atommächte verlief positiv. Es geht um ein lösungsorientiertes jährliches Treffen mit dem Ziel, ein rechtsverbindliches Dokument zu erarbeiten. Die USA und Israel blieben als einzige fern. Es ist eine große Leistung, fast alle Staaten des Nahen Ostens (inklusive Iran) in einem Raum zu haben und sich auf eine Erklärung zu einigen, die die großen Gräben im Nahen Osten aufbricht.

6

Was sind die nächsten Schritte? Wir wollen uns stärker an internationale Friedensaktivisten und -organisationen wenden, um unseren Ansatz während der NPT-Konferenz zu unterstützen. Die staatlichen Vertreter fordern wir auf, sich „besser um den Nahen Osten zu kümmern“. Wir arbeiten an einem vierten Vertragsentwurf, der Lösungen für einige Kernfragen aufzeigt. Wir erhalten Unterstützung internationaler Experten, die sich an einem kontinuierlichen Diskurs beteiligen. Die Arbeit von METO in der Region zielt 2020 darauf ab, die Gespräche zwischen den Konferenzen aufrechtzuerhalten. Zu unserer Konferenz im November wollen wir einige Vorschläge zur Lösung der erwarteten Hindernisse erarbeiten, und zwar durch Runde Tische, Veröffentlichungen und Treffen mit Regierungsmitgliedern und Think-Tanks aus der ganzen Region. In Israel strebt METO mit ICAN Israel eine Kampagne an, die eine offene Diskussion über die Position Israels in der Zone und die Israels Teilnahme an künftigen Konferenzen fordert.

3

Wie ist die Erklärung zu beurteilen? Auch wegen ihrer inklusiven, friedlichen Sprache ist diese Erklärung ist ein Erfolg. Israel wird ungewöhnlicherweise nicht namentlich erwähnt. Indem wir an alle Staaten im Nahen Osten appellieren, wird Israel an den Tisch eingeladen, wo ein Konsens dafür sorgen kann, dass es sich nicht isoliert oder von der Mehrheit überwältigt fühlt.

4

Welche Rolle hat die Zivilgesellschaft gespielt? Während die Staaten ihre eigenen Agenden haben, ist es Aufgabe der Zivilgesellschaft, einen lösungsorientierten Diskurs zu führen. Unsere Kampagnenarbeit und unsere drei Vertragsentwürfe haben Wirkung gezeigt. Durch eine Reihe von Runden Tischen und Online-Meetings, bei denen Diplomaten, Akademiker, Experten und Aktivisten in einem informellen Rahmen am Vertragsent34


ANZEIGEN

Bei dieser sechsten Begegnungsreise lernen wir das Leben der Palästinenser*innen in der Westbank und in Jerusalem kennen, ihre Hoffnungen und ihre Probleme. Wir informieren uns über die Folgen der israelischen Besiedlungs- und Besatzungspolitik mit Mauern, Zäunen und Kontrollpunkten. Wir treffen Friedens- und Menschenrechtsgruppen aus Israel und Palästina, die uns ihre Sicht der Situation erläutern.

Stopp Airbase Ramstein: Keinen Drohnenkrieg! „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!“ Aktionswoche 5.–12. Juli 2020 www.ramstein-kampagne.eu

I PPNW XXIII WO R L D C O N G R E S S Disarmament, Development and Health

MAY 25th-29th, 2020 | MOMBASA, KENYA Nuclear Weapons | Climate change and conflict | Demilitarization, Energy Choices & Sustainable Development | Peace & Health More information and registration on: www. ippnwafrica.org 35

Foto: ©istock/mtcurado

Begegnungsfahrt Palästina / Israel 6. bis 19. September 2020


Öffentliche Vorträge auf dem IPPNW-Jahrestreffen 8.– 10. Mai 2020 Rotenburg / Wümme Freitag, 8. Mai, 20:00 Uhr Herausforderung Klimakrise – Neue Realitäten erfordern neue Ökonomien » Prof. Dr. Maja Göpel, Politökonomin, Expertin für Klimapolitik, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung , anschließend Diskussion

Samstag, 9. Mai, 10:00 Uhr Friedenspolitische Impulse durch erneuerbare Energien in Afrika » Bärbel Höhn, Energiebeauftragte für Afrika beim Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit

www.ippnw.de/bit/mv Freitag, 8. Mai 18:30 Uhr Markt der Aktionsmöglichkeiten 19:30 Uhr Vortrag: 75 Jahre nach Kriegsende und Hiroshima-Nagasaki. Rückblick und Auftrag » Prof. Dr. Ulrich Gottstein, IPPNW-Ehrenvorstand 20:00 Uhr Vortrag: Herausforderung Klimakrise – Neue Realitäten erfordern neue Ökonomien

Samstag, 9. Mai 9:45 Uhr Begrüßung 10:00 Uhr Vortrag: Friedenspolitische Impulse durch erneuerbare Energien in Afrika 11:30 Uhr Input und Debatte: Der Nahostkonflikt

13:00 Uhr Mittagspause 14:00 Uhr IPPNW-Mitgliederversammlung Berichte » Gemeinsamer Bericht von Vorstand, Geschäftsstelle und Studierenden » Schatzmeisterin » Revisor*innen » International Councillor Aussprache und Entlastung des Vorstands 15:00 Uhr Anträge und Resolutionen 17:30 Uhr Verschiedenes ab 19:00 Uhr Abendessen im Restaurant Aira (Buhrfeindhaus) 20:00 Uhr Gemütliches Beisammensein mit musikalischer Begleitung

Sonntag, 10. Mai 9:00 Uhr Treffen der IPPNW-Arbeitskreise 10:15 Uhr Workshops 12:00 Uhr Plenum 12:30 Uhr Ende des Treffens 13:00-14:00 Uhr Führung durch das Jüdische Museum Cohn-Scheune Ort: Agaplesion Diakonieklinikum Buhrfeindsaal, Mutterhausgelände Elise-Averdieck-Straße 17 27356 Rotenburg


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