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Meinung
Dr. Gisela Penteker ist Türkeibeauftragte der deutschen IPPNW.
Seit wir in die Türkei fahren, seit mehr als 20 Jahren, haben wir immer wieder Kolleginnen und Kollegen getroffen, die von der Regierung verfolgt werden, weil sie sich für eine menschenrechtsbasierte und ethische Medizin einsetzen.
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Ärztinnen und Ärzte geraten oftmals ins Visier der Verfolgung. Konfliktthemen mit der Staatsmacht sind die verbreitete Folter in Polizeistationen und Gefängnissen – die Situation in den überfüllten Gefängnissen und die Verweigerung der Behandlung oder Entlassung von kranken Gefangenen – der Umgang mit lang andauernden Hungerstreiks und die Folgen. Es geht hier um Gewalt gegen Frauen, um den Assimilationsdruck und die militärische Gewalt gegenüber Minderheiten. Kriminalisiert wird auch Erste Hilfe für Verletzte bei Demonstrationen. 2016 wurden Tausende Mediziner*innen und andere Akademiker*innen entlassen, weil sie sich gegen den völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Afrin aussprachen. Engagement in der Gesundheitsgewerkschaft, in der Ärztekammer oder der Menschenrechtsstiftung führen ebenso zu Verfolgung wie solidarischer Einsatz für die Pressefreiheit.
Einige Kolleg*innen, die nach ihrer Entlassung als Ärzte in die Politik gegangen waren, haben ihre Immunität als Abgeordnete verloren oder sind als Bürgermeister abgesetzt worden. Der Vorwurf lautet oft auf „Terrorpropaganda“ oder „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“, so auch bei dem zu neun Jahren Haft verurteilten Arzt und Bürgermeister von Diyarbakir, Adnan Selcuk Mizrakli.
Derzeit wenden wir uns mit Briefen an die türkischen Behörden, um einen Freispruch des Kollegen Serdar Küni zu unterstützen, dem Gefängnis droht, weil er Patient*innen während bewaffneter Auseinandersetzungen in Cizre nicht an die Behörden gemeldet hat. Das Verfahren gegen die international renommierte Gerichtsmedizinerin Prof. Sebnem Korur Fincanci wurde auf den 6. Mai 2021 verschoben. Korur Fincanci ist Vorsitzende der Türkischen Ärztekammer. Die Gerichte haben ihren ursprünglichen Freispruch aufgehoben und bedrohen sie mit bis zu 14 Jahren Gefängnis wegen der Teilnahme an einer Aktion für Pressefreiheit. Der Mediziner Seyhmus Gökalp, Ehrenvorstand der Türkischen Ärztekammer – aufgrund anonymer Beschuldigungen seit November 2020 inhaftiert – wurde Anfang Februar freigelassen, aber auch sein Verfahren steht noch aus. Unsere Möglichkeiten der Unterstützung und Solidarität sind zwar begrenzt, aber dennoch wichtig.