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IPPNW-Initiator Bernard Lown im Alter von 99 Jahren gestorben Unerlaubte BrennelementExporte aus Lingen New-Start-Vertrag um fünf Jahre verlängert
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Bernard Lown, der Initiator und Mitbegründer der internationalen IPPNW, ist am 16. Februar 2021 im Alter von 99 Jahren gestorben. Lown wurde am 7. Juni 1921 in Litauen als Sohn eines Schuhmachers geboren. Die Familie emigrierte 1935 in die USA. Das Studium der Medizin absolvierte er an der University of Maine und promovierte 1945 an der Johns Hopkins University School of Medicine. Lown hätte auch den Nobelpreis für Medizin verdient: Er hat die Elektrodefibrillation maßgeblich mitentwickelt, mit der das tödliche Kammer-Flimmern unterbrochen werden kann. Weltweit ist seither mit dieser Methode Hunderttausenden von AkutPatient*innen das Leben gerettet worden.
Lown gehörte zu den Medizinern, die 1960 die Physicians for Social Responsibility ins Leben riefen und sich gegen die nukleare Kriegsgefahr engagierten. Die medizinisch-wissenschaftliche Kooperation mit der Sowjetunion führte ihn mit Prof. Evgenij Chazov, Direktor des Nationalen Herzforschungs-Instituts in Moskau und ebenfalls Kardiologe, zusammen. Lown appellierte an seinen sowjetischen Kollegen, die Ärzteschaft in Ost und West dürfte angesichts eines drohenden Atomkriegs nicht schweigen. Mit einer gemeinsamen Erklärung sechs sowjetischer und US-amerikanischer Ärzte folgte 1980 die Gründung der IPPNW. Stellvertretend erhielten Lown und Chazov 1985 den Friedensnobelpreis. Im April 1997 ernannte die deutsche IPPNW-Sektion Bernard Lown zu ihrem Ehrenmitglied. Im Januar 2021 wurde bekannt, dass Framatome/ANF im Dezember 2020 und Januar 2021 mehrfach Brennelemente in die Schweiz und nach Belgien ausgeführt hatte, ohne dass es vollziehbare Ausfuhrgenehmigungen geben hätte. In einem Brief an den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD) forderten deshalb mehrere Anti-Atomkraft-Initiativen und Verbände (darunter auch die IPPNW) ein entschiedenes Eingreifen der LandesAtomaufsicht gegen den Brennelementehersteller Framatome/ANF aus Lingen. Bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück sind bereits mehrere Strafanzeigen wegen des Verdachts auf unerlaubte Ausfuhr von Kernbrennstoffen anhängig, unter anderem gegen die beteiligten BrennelementSpediteure.
In dem Brief an Minister Lies beklagen die Initiativen und Verbände dessen bisherige Untätigkeit. Sie fordern unter anderem, dass der Minister die Öffentlichkeit über die Sachlage aufklärt, und dass er Framatome und die Spediteure zu atomaufsichtlichen Gesprächen ins Ministerium vorlädt. Zudem erwarten die Initiativen und Verbände von Lies eine aktive Koordinierung mit dem Bundesumweltministerium sowie den zuständigen Bundesämtern BAFA (Export) und BASE (Transport). Die Initiativen und Verbände fordern die sofortige Aussetzung aller Brennelementexporte aus Lingen bis zur Klärung der Vorwürfe sowie die Aberkennung der nach dem Atomgesetz nötigen „Zuverlässigkeit“ für Framatome/ANF. D ie USA und Russland haben am 26. Januar 2021 vereinbart, den atomaren Rüstungskontrollvertrag für weitere fünf Jahre zu verlängern. Das ist für IPPNW und ICAN zwar ein willkommenes Signal für die Bereitschaft der USA und Russlands wieder über Rüstungskontrolle zu reden, doch seien weitere Abrüstungsmaßnahmen notwendig. Das machten auch die Wissenschaftler*innen des Bulletin of Atomic Scientists deutlich: Am 27. Januar 2021 ließen sie die Zeiger der sogenannten „Weltuntergangsuhr“ auf symbolische 100 Sekunden vor Mitternacht stehen.
Sowohl Russland als auch die USA haben in den letzten Jahren Milliarden in den Bau und die Modernisierung ihrer Atomwaffensysteme investiert. Wichtige Abrüstungsverträge wie der INF-Vertrag zur Begrenzung von Mittelstreckensystemen sowie der Vertrag über den offenen Himmel wurden aufgekündigt. Mit der Amtsübernahme von Joe Biden könnten die Beziehungen zu Russland nun wieder neu belebt werden. Dass Russlands Außenminister Sergej Lawrow vor dem Hintergrund weiterer möglicher Sanktionen gegen Russland mit dem Abbruch der Beziehungen gedroht hat, sei allerdings ein Alarmsignal, so IPPNW-Vorstandsmitglied Lars Pohlmeier. „Das Verhältnis von NATO und Russland war in den vergangenen Jahren bestimmt von gegenseitigen Schuldzuweisungen und der Rückkehr zu alten Feindbildern. Um diese zu überwinden, ist kluge Diplomatie gefragt, eine Stärkung der Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur sowie weitere Fortschritte in der nuklearen Abrüstung“, so Pohlmeier.
Türkischer Militäreinsatz gegen die PKK im Nordirak Trotz COVID-19: Weitere Abschiebungen nach Afghanistan Aktivist*innen tauschen Schilder in Büchel
Die türkische Armee hat Anfang Februar eine viertägige Offensive gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK im Nordirak durchgeführt. Das Verteidigungsministerium teilte mit, die Operation „Adlerkralle 2“ in der Provinz Dahuk nahe der türkischen Grenze habe unter anderem das Ziel, PKK-Stellungen zu zerstören. Man wolle zudem „Terrorangriffe“ aus dem Nordirak verhindern. Der Versuch der türkischen Armee, sich dauerhaft festzusetzen, sei vereitelt worden, erklärte das Hauptquartier der kurdischen Volksverteidigungseinheiten nach dem Rückzug der türkischen Truppen.
Bereits im Juni 2020 hatte die Türkei die Luft- und Bodenoffensiven „Adlerkralle“ und „Tigerkralle“ im Nordirak gestartet. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages äußerte danach Zweifel daran, dass der Einsatz mit dem Völkerrecht vereinbar war. Zu dem Zeitpunkt habe sich kein bewaffneter Angriff seitens der PKK und damit auch keine Selbstverteidigungslage für die Türkei erkennen lassen, die den Verstoß gegen das Gewaltverbot gegenüber dem Irak rechtfertigen könnte. Laut Medienmeldungen engagiert sich die Bundesregierung trotz türkischen Embargos im benachbarten Nordsyrien. Dort regiert ein multiethnisches Bündnis dessen stärkste Kraft die Kurdenpartei PYD ist. Der Tagesspiegel zitierte aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Helin Evrim Sommer. Danach hat das Bundeskabinett für das Gesundheitswesen, Hygiene und Lebensmittel in Nordsyrien circa 14 Millionen Euro ausgegeben. M itten im Lockdown hat die Bundesregierung am 9. Februar 2021 erneut 26 Männer in das Kriegs- und Krisengebiet Afghanistan abgeschoben. Damit ist Deutschland von der reduzierten Abschiebepraxis zur Praxis der Sammelabschiebungen zurückgekehrt. Wider alle rechtlichen Grundlagen: Denn das Oberverwaltungsgericht Bremen und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg haben festgestellt, dass auch gesunde, alleinstehende Männer ohne soziales Netzwerk in Afghanistan nicht dorthin abgeschoben werden dürfen. Im Rahmen der Corona-Pandemie hätte sich die wirtschaftliche Lage drastisch verschlechtert, so dass elementarste Bedürfnisse nicht gedeckt würden und die Wahrscheinlichkeit eines Lebens am Rande des Existenzminimums groß sei. Hinzu kommt, dass Afghanistan von COVID-19 besonders stark betroffen sei und das dortige Gesundheitssystem den Belastungen nicht standhalte. Afghanistan wurde im Global Peace Index schon zweimal als das gefährlichste Land der Welt eingestuft.
Der Sammelcharter am 9. Februar 2021 war der erste Abschiebeflug aus Deutschland seit der informellen „Joint Declaration on Migration Cooperation“, die die Europäische Union und Afghanistan im Januar unterzeichnet haben und die für unbestimmte Zeit gelten soll. Demnach können künftig monatlich bis zu 500 Flüchtlinge aus der EU nach Afghanistan abgeschoben werden. Zum Inkrafttreten des UN-Atomwaffenverbotsvertrags am 22. Januar 2021 haben 20 Friedensaktivist*innen Warnschilder der Bundeswehr am Fliegerhorst Büchel durch neue UN-Schilder ersetzt: „Achtung Massenvernichtungswaffen. Atombomben sind seit heute verboten.“ Die Gruppe agierte als Delegation der Vereinten Nationen und führte das UN-Emblem auf dem Schutzhelm und auf den neuen Schildern mit sich. Coronakonform in Zweierteams begann die Umrüstung des Zaunes in der Nähe des Haupttores. Die Aktivist*innen positionierten sich anschließend auf dem Kreisel am Haupttor und präsentierten beim Schichtwechsel der Soldat*innen eine Flagge mit der Aufschrift „Nuclear Weapons are Banned“. Die Aktionsgruppe forderte die Bundesregierung auf, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen und entsprechend aus der nuklearen Teilhabe auszusteigen und den Sitz in der nuklearen Planungsgruppe aufzugeben. Ein sofortiger Abzug der Atomwaffen aus Deutschland wäre die zwingende Folge.
Am folgenden Tag fand auf der Friedenswiese zudem eine Dankandacht statt. „Es ist für uns ein großer Tag, dass nun dieser Vertrag Gültigkeit hat. Die Bomben, auch die in Büchel, sind nun als völkerrechtswidrig anerkannt“, erklärte Rüdiger Lancelle aus Cochem. Aufgrund der Corona-Pandemie war nur eine kleine Zahl an Besucher*innen zugelassen. Gemeinsam wurde ein Gebet der Vereinten Nationen gesprochen und Worte des Dankes und der Hoffnung aus der Bibel gelesen.