IPPNW forum 133/2013 – Die Zeitschrift der IPPNW

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- Uranmunition: Krankheit und tod auf raten - AKW-Katastrophenschutz: veraltet und überfordert - 6 Fragen an Niko Paech

Zielscheibe Mensch: Gesundheitliche, soziale und ökonomische Folgen des weltweiten Kleinwaffenhandels

© Thomas Billhardt / By courtesy of CAMERA WORK Fotoarbeiten von Thomas Billhardt sind bei CAMERA WORK erhältlich / www.camerawork.de

ippnw forum

das magazin der ippnw nr133 märz13 3,50€ internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung


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Editorial Helmut Lohrer ist International Councillor der IPPNW Deutschland und Initiator des IPPNWKleinwaffenkongresses.

Grafik: Control Arms

The only thing that stops a bad guy with a gun is a good guy with a gun.“ Dieser Satz, mit dem die amerikanische Rüstungslobby ihre Forderung nach noch mehr Waffen untermauert, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Torheit: Die Zahl der in den USA mit Kleinwaffen Ermordeten ist im Verhältnis 30-mal höher als in Großbritannien, wo ein strenges Waffenrecht herrscht.

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benso irrsinnig ist die Behauptung unserer Kanzlerin, durch Rüstungsexporte in alle Welt zur Stabilität beitragen zu wollen.

Was treibt Menschen an, fortlaufend Waffen zu produzieren, sie zu verkaufen und damit die Voraussetzung für immer mehr Tod und Elend zu schaffen? Was für eine Welt stellen wir uns vor? Eine, in der sich alle bewaffnen und letztlich der Stärkere seinen Willen durchsetzt? Ganz im Zeichen unseres näher rückenden Kongresses „Zielscheibe Mensch“ bringt das Forum mit dieser Ausgabe Beiträge, die sich mit dem Wahn der Rüstung und dem Handel damit auseinandersetzen.

L

esen Sie von der „Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung“ und der Ausstellung „Visions of Hope“. Maria Valenti vom internationalen Büro der IPPNW in Boston schildert die jahrelange Kleinwaffen-Arbeit der IPPNW. Florian Hugenberg schreibt über die medizinischen und sozialen Folgen der Kleinwaffengewalt in Kenia, wo er an einer wissenschaftlichen Untersuchung zu dem Thema teilgenommen und darüber promoviert hat. Jürgen Grässlin, der wohl profilierteste Kritiker deutscher Rüstungsexporte, informiert uns über die Firma Heckler & Koch, den bedeutendsten Hersteller von Kleinwaffen Europas. Schließlich lesen Sie ein Interview mit Andrew Feinstein über den internationalen Waffenhandel. Den genannten Autoren können Sie übrigens auf dem Kongress „Zielscheibe Mensch“ persönlich begegnen, wozu Sie herzlich eingeladen sind. Helmut Lohrer

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inhalt Uranmunition: Krankheit und Tod auf Raten

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Themen Veraltet und überfordert. ..................................................................................8 Strahlenrisiko für Kinder unterschätzt..................................................10 Eine historische Chance................................................................................ 12

Irak 2005 / © Khajak Vartanian

Schleichender Tod.............................................................................................14 Begegnung mit dem Anderen.....................................................................16 Ein anderer Blick................................................................................................17 PLUTONIUM ODE............................................................................................. 18

Kleinwaffen Große Geschäfte mit großem Leid

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Schwerpunkt Funken der Hoffnung...................................................................................... 20 Das Ziel ist Prävention................................................................................... 22

Foto: James Robert Fuller/ Mit freundlicher Genehmigung der Austellung „Visions of Hope“

Geheilte Wunden, zerstörte Leben. .........................................................24 Zielscheibe Weichziel. .................................................................................... 26 Händler des Todes............................................................................................ 28

Welt Das Humanitäre im Fokus. .......................................................................... 30

Atomwaffen: Eine humanitäre Katastrophe

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Rubriken Editorial.......................................................................................................................3 Meinung......................................................................................................................5 Nachrichten..............................................................................................................6 Aktion........................................................................................................................31 Gelesen, Gesehen............................................................................................. 32 Gedruckt, Geplant, Termine. ...................................................................... 33 Gefragt..................................................................................................................... 34 Impressum/Bildnachweis.............................................................................. 33


Meinung

Angelika Claußen war von 2005 bis 2011 Vorsitzende der IPPNW Deutschland.

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Die Intervention der NATO hat die Lebensbedingungen der Bevölkerung in Afghanistan bisher kaum verbessert. Die Mehrheit der Menschen ist immer noch bitterarm. Mehr als die Hälfte der Kinder leidet unter chronischer Unterernährung, die Kinder- und Müttersterblichkeit ist hoch.

n Afghanistan kommen Menschen aber nicht nur durch Hunger und Krankheiten ums Leben. Sie sterben bei Drohnenangriffen der NATO oder Selbstmordattentaten der Aufständischen. Der Halbjahresbericht der UN Assistance Mission listet vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 1.145 getötete Zivilisten und 1.954 Verletzte auf. Milliarden Euro sind nach Afghanistan geflossen, doch der Aufbau ziviler Strukturen und die Gewährleistung der Grundrechte auf Leben, Nahrung und Gesundheit waren offensichtlich nicht beabsichtigt. Seit Beginn des von den USA angeführten Krieges standen militärische Ziele im Vordergrund: erst der Kampf gegen Al Quaida, dann die Niederschlagung des Aufstands der Taliban. Viele Menschen in Afghanistan hatten erwartet, dass ihnen bei der Errichtung von demokratischen Strukturen und der Auflösung der Milizen der Warlords geholfen würde. Stattdessen sorgten die Interventionsmächte dafür, dass eine Gruppe von früheren Warlords, Drogenbaronen und Stammeschefs um den Regierungspräsidenten Karzai wieder feste Machtpositionen erhielten.

W

as sind die Bedingungen dafür, Frieden zu schaffen in einem vom Bürgerkrieg geschundenen Land? Friedenskonsolidierung heißt, politische, wirtschaftliche, soziale und psychologische Konsequenzen des Krieges zu bewältigen. Dazu müssen alle am Krieg beteiligten Gruppen entwaffnet und Polizei und Justiz aufgebaut werden. Zu einer Transformation der Bürgerkriegsgesellschaft gehören der Aufbau einer zivilen Verwaltung, Rechtsstaatlichkeit und Verfassung. Zwischen verfeindeten Gruppen müssen Versöhnungsprozesse organisiert, Flüchtlinge wieder eingegliedert werden. Notwendig ist zudem der Aufbau einer lokalen Ökonomie sowie medizinischer und sozialer Versorgungsstrukturen. Wir sollten Friedenskonsolidierung als eine höchst komplexe Aufgabe begreifen, die nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte beanspruchen kann und die die Nachbarländer in diesen Prozess mit einbezieht. Der Abzug der ausländischen Truppen samt privater Sicherheitsfirmen ist Voraussetzung für Frieden in Afghanistan. Unsere Bundesregierung steht in der Pflicht, das zivilgesellschaftliche Engagement im Land mit den notwendigen Finanzen zu unterstützen. Die ersten elf Jahre des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan haben mehr als 7 Milliarden Euro gekostet. Dem standen nur 2,13 Milliarden für Wiederaufbau und Entwicklung des Landes gegenüber.

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NAchrIchtEN

„Türkei.atomfrei“: Atomkritische Webseite jetzt online

Irak-Kinderhilfe: Ein normales Leben für die 2-jährige Hawra

Baustopp für umstrittenes IlisuStaudammprojekt

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H

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eit Anfang des Jahres informiert die Webseite nukleersiz.org („Türkei atomfrei“) in türkischer Sprache über die Gefahren der Atomenergie. Die Internetseite, die vom Verein für grünes Denken mit Unterstützung der Deutschen Sektion der IPPNW und der Türkeivertretung der Heinrich Böll Stiftung ins Leben gerufen wurde, möchte die größte und wichtigste Informationsquelle der türkischen Antiatombewegung werden. Dr. Ümit Sahin, Mitkoordinator der Webseite kritisiert die ' „unsaubere Informationslage zum Thema Atomenergie“ in der Türkei. Die Bevölkerung werde durch Webseiten von Befürwortern der Atomenergie in die Irre geführt und falsch informiert. Die neue Initiative möchte durch ihre Informationskampagne nun dazu beitragen, diesen Missstand zu beheben.

awra, ein zweijähriges Mädchen aus dem Irak, wurde Ende 2012 erfolgreich im Göttinger Herzzentrum operiert. Das Kind litt unter der so genannten Fallot’schen Tetralogie, einer Herzerkrankung, die ohne medizinische Hilfe tödlich verläuft. Durch die Vermittlung der Kinderhilfe-Irak der IPPNW und mit Unterstützung des Vorstandes der Universitätsmedizin Göttingen wurde es ermöglicht, das Kind in Deutschland zu operieren. Dr. Ruschewski, der die Operation ausgeführt hat, geht davon aus, dass „Hawra ohne die Operation in Deutschland nicht überlebt hätte“.

Anlässlich des Starts der Webseite veranstalteten die Koordinatoren dieses Projekts Anfang Januar eine Podiumsdiskussion in Istanbul. Eingeladen war dabei auch die ehemalige Vorsitzende der deutschen Sektion der IPPNW, Dr. Angelika Claußen, die über ihre Erfahrungen einer Reise in das japanische Katastrophengebiet um die havarierten Atomreaktoren von Fukushima berichtete. Dabei sprach sie insbesondere über die gesundheitlichen Folgen der Katastrophe für Kinder und stellte klar, dass die Nutzung von Atomenergie als schmutzige, gefährliche und teure Energiequelle endlich beendet werden müsse.

Aufgrund der prekären Sicherheitslage im Irak sind dort nicht genügend Spezialisten vorhanden, die einen solchen Eingriff vornehmen könnten. Doch auch finanziell hätte sich die Familie des Mädchens eine derartige Behandlung nicht leisten können. Deshalb haben die Kinderhilfe-Irak der IPPNW und die Universitätsmedizin Göttingen die Kosten für die medizinische Behandlung, aber auch für Flug und Unterkunft gemeinsam getragen. Dr. Martin Siess, Vorstand der Krankenversorgung der Universitätsmedizin Göttingen lobt die IPPNW ausdrücklich: „Wir sind beeindruckt von der Arbeit und dem humanitären Einsatz der IPPNW Kinderhilfe-Irak.“ Nach dem erfolgreichen Verlauf der Operation wird Hawra nun ein normales Leben führen können wie andere Kinder ihres Alters.

Mehr unter: kurzlink.de/tuerkeiatomfrei Türkische Webseite: nukleersiz.org

Mehr unter: kurzlink.de/hawra Irak-Kinderhilfe: ippnw.de/irakhilfe 6

as oberste Verwaltungsgericht der Türkei hat am 7. Januar einen Baustopp für das hoch umstrittene IlisuStaudammprojekt im Südosten der Türkei angeordnet, an dem auch Unternehmen aus Deutschland und Österreich beteiligt sind. Damit besteht wieder Hoffnung für die Gegner des Bauvorhabens, das die Umsiedlung Zehntausender Menschen sowie große Schäden für die Natur und die Zerstörung wertvoller Kulturgüter im Südosten der Türkei nach sich ziehen würde. Die türkische Architekten- und Ingenieurskammer (TMMOB) hatte bereits mehrfach gegen das Projekt geklagt, da bestehende Umweltgesetze bei der Planung und beim Bau des Staudamms ignoriert wurden. Bereits im Jahre 2011 konnte die TMMOB einen juristischen Erfolg verbuchen, der allerdings durch Gesetzesänderungen der türkischen Regierung zunichtegemacht wurde. Die Gegner des Dammes befürchten nun, dass die Regierung auch das aktuelle Urteil zu umgehen versucht. Dennoch messen sie dem Urteil eine große Bedeutung bei: „Nach dem jetzigen Gerichtsurteil können die europäischen Unternehmen endgültig nicht mehr die Augen davor verschließen, dass sie sich an einem Rechtsbruch beteiligen“, kommentiert Heike Drillisch von der Initiative „Gegenströmung“, die mehr Verantwortung von Unternehmen bei der Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards einfordert.

Mehr unter: www.stopilisu.com


NAchrIchtEN

Wege zu einer atomwaffenfreien Welt

Nordkorea testet erneut Atombombe

Auf nach Büchel: 24-StundenAnti-Atomwaffen-Happening

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nternational ist eine Welt ohne Atomwaffen ein einvernehmlich erklärtes Ziel. Doch praktisch verstoßen alle Atomwaffenmächte durch permanente Aufrüstung gegen diese Bekundung und entsprechende UN-Resolutionen. Was kann die Zivilgesellschaft also tun, um den Abrüstungsprozess voranzutreiben? Dieser Frage widmete sich Mitte Februar eine öffentliche Veranstaltung in Berlin sowie eine nukleare Abrüstungskonferenz für Diplomaten und Politiker aus aller Welt im Auswärtigen Amt. Die IPPNW gehörte zu den Mitorganisatoren und Veranstaltern. Tadatoshi Akiba, ehemaliger Bürgermeister von Hiroshima und neuer Vorsitzender der Middle Powers Initiative, begrüßte in seiner Rede den neuen Fokus der Abrüstungsbewegung auf die humanitären Folgen von Atomwaffen. Da im Falle eines atomaren Angriffs die medizinische Infrastruktur zerstört wird und effektive humanitäre Hilfe unmöglich wäre, äußerte sich auch der internationale IPPNW-Vorsitzende Dr. Lars Pohlmeier erfreut, dass humanitäre Fragen in der Atomwaffendebatte neues Gewicht erhalten. Im Hinblick auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf waren sich die Teilnehmer der Veranstaltung aber einig, dass in Deutschland die Forderung nach der Beendigung der nuklearen Teilhabe und einem Abzug der verbliebenen US-Atomwaffen im Vordergrund stehen solle. Zudem müsse sich Außenminister Guido Westerwelle für den Beginn von Verhandlungen über eine Nuklearwaffenkonvention einsetzen. Mehr unter: blog.ippnw.de/?p=787

ordkorea hat am 12. Februar 2013 erneut einen Atomtest durchgeführt. Die IPPNW hat den Test verurteilt und das sofortige Inkrafttreten des umfassenden Atomteststoppvertrags gefordert. Nordkorea ist das einzige Land, das seit dem Abschluss des Atomteststoppvertrags 1996 noch Atomtests durchführt. Barack Obama wollte laut Vorabberichten der New York Times in seiner „Rede zur Lage der Nation“ eigentlich eine Reduzierung der US-Atomwaffen auf 1.000 bis 1.100 ankündigen. Doch die geplante Ankündigung verschwand aus der Rede. Stattdessen wiederholte Obama nur sein Vorhaben, die Verhandlungen mit Russland über Abrüstung fortsetzen zu wollen. Man kann nur vermuten, dass der nordkoreanische Führer Kim Jong Un daran schuld ist. Denn der Atomtest zielte auf Obama – und der amerikanische Präsident hat darauf berechenbar reagiert: mit Stärke. Da passt Abrüstung nicht ins Bild. Im Januar jährte sich die Kündigung des Atomwaffensperrvertrags durch Nordkorea zum zehnten Mal. „Die Weltgemeinschaft hat sich mit den Gründen Nordkoreas für den Austritt nie ernsthaft auseinander gesetzt“, meint Xanthe Hall, Atomwaffenexpertin der IPPNW. Diese Auseinandersetzung sei aber notwendig, sonst könne die Situation in Asien eskalieren. Weitere Sanktionen würden die hungernde Bevölkerung Nordkoreas nur weiter schwächen. „Die bisherige Zuckerbrot und Peitsche-Strategie gegenüber Nordkorea hat offensichtlich versagt.“ Mehr unter: kurzlink.de/nordkorea 7

n Büchel sind noch immer ca. 20 USAtombomben stationiert. Im Koalitionsvertrag von 2009 heißt es, die Bundesregierung werde sich für deren Abzug einsetzen. Die tatsächliche Politik der Bundesregierung aber steht dazu im Widerspruch: Im Mai 2012 gab sie dem Verlangen der USA nach Modernisierung der in Büchel gelagerten Atomwaffen nach. Sie wären damit viel präziser und lenkfähiger als die alten. Ihr Einsatz soll weniger sogenannte „Kollateralschäden“ verursachen. Damit könnte die Hemmschwelle sinken, diese Waffen auch einzusetzen. Deshalb will die Kampagne „atomwaffenfrei.jetzt“ zusammen mit zahlreichen Friedensinitiativen im August 2013 wenige Wochen vor der Bundestagswahl mit einer großen Aktion Druck auf PolitikerInnen aller Parteien ausüben. Der im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung und im Bundestagsbeschluss vom März 2010 geforderte Abzug der US-Atombomben aus Büchel muss endlich umgesetzt werden. Mit einem 24-stündigen musikalischem Happening unter dem Motto „Abrüstungsinstrumente. Rhythm beats bombs!“ soll vom 11.-12. August friedlich für eine atomwaffenfreie Welt demonstriert werden. Zugesagt haben u. a. bereits die „Lebenslaute“, die zuletzt mit ihrer klassischen Konzertblockade 2012 vor den Toren der Rüstungsschmiede Heckler & Koch begeisterten. Weitere MusikerInnen und Bands werden noch gesucht!

Alle Informationen unter: www.atomwaffenfrei.de/buechel


AtOMENErGIE

BEISPIEL AtOMKrAFtWErK GUNDrEMMINGEN Nürnberg

Veraltet und überfordert

Heilbronn

Ellwangen

Öttingen

Schwäbisch Gmünd

Katastrophenschutz um Atomkraftwerke

Aalen

Stuttgart

Ingolstadt Rain

D

Neuburg

er Katastrophenschutz bei einem AKW-Unfall mit Freisetzung radioaktiver Spaltprodukte ist veraltet und zu kleinräumig ausgelegt. Durch solche Unfälle können wesentlich mehr Menschen und viel größere Regionen schneller und anhaltender radioaktiv belastet werden als bisher angenommen. Der Katastrophenschutz wäre damit hoffnungslos überfordert. Eine effektive Katastrophenschutzvorsorge ist bei einem atomaren Super-GAU im dicht besiedelten Deutschland unmöglich.

Geislingen Reutlingen Laichingen

Langenau

Blaubeuren

Augsburg

Ulm

Ehingen Krumbach

Schwabmünchen

Biberach

München Memmingen Kaufbeuren

Ravensburg

Jedes Atomkraftwerk hat für einen Unfall mit radioaktiver Freisetzung einen Katastrophenschutzplan. Das jeweilige Landratsamt in AKW-Nähe soll diesen Plan im Ernstfall umsetzen. Die Rahmenplanung dafür ist Ländersache. Die Länder orientieren sich dabei an der Katastrophenschutzrahmengesetzgebung des Bundes.

Kempten

25 km

Bodensee

50 km

rADIOAKtIvE BELAStUNG KINDEr: DEr 25-KMrADIUS ISt INSGESAMt rADIOAKtIv BELAStEt. DIE GEPLANtEN NOtFALLStAtIONEN UND AUFFANGLAGEr LIEGEN IN StArK KONtAMINIErtEN GEBIEtEN.

Alles ist bestens geregelt – zumindest theoretisch Es gibt kostenlose Broschüren für die Haushalte in AKW-Nähe. Darin ist beschrieben, wie sich die Menschen im Ernstfall verhalten sollen (zu Hause bleiben, Fenster und Türen schließen, Radiodurchsagen beachten, erst nach Aufforderung hoch dosiertes Jod in einer Apotheke abholen). Auch eventuelle Evakuierungen sind geplant, aber wie? Erst nach 48 Stunden stehen die Einsatzkräfte bereit, nehmen private Busse und die Bundesbahn in Beschlag, sichern schon vorher geplante Ausfallstraßen und Bahnhöfe, richten Notfallstationen mit Duschen und Fahrzeugwaschanlagen ein, beschlagnahmen frische Kleidung und bringen die Menschen mit Bussen und der Bahn in Auffanglager außerhalb des Landkreises. Zur geordneten Planung dieser Maßnahmen wurde um jedes Atomkraftwerk ein in 12 Sektoren geteilter 25-km-Radius gezogen.

Nürnberg

Heilbronn

Ellwangen

Öttingen

Schwäbisch Gmünd Aalen

Stuttgart

Ingolstadt Rain

Neuburg

Geislingen Reutlingen Laichingen

Langenau

Blaubeuren

Augsburg

Ulm

Ehingen Krumbach

Schwabmünchen

Biberach

So weit so gut, aber: Alle bisherigen Planungen setzen voraus, dass erst nach 48 Stunden radioaktives Material aus dem Unfallreaktor entweicht und dass diese Zeit genutzt werden kann, um alles vorzubereiten. Es wird angenommen, dass nur 12 Stunden lang eine nennenswerte Freisetzung radioaktiver Partikel erfolgt. Die geplante Evakuierungskapazität der Einsatzkräfte ist lediglich für 2 Sektoren des 25-km-Radius ausgelegt und auch alle anderen vorbereiteten Katastrophenschutzmaßnahmen enden am Kilometerstein 25.

München Memmingen Kaufbeuren

Ravensburg Kempten

25 km

Bodensee

50 km

rADIOAKtIvE BELAStUNG ErWAchSENE: rEGIONEN NAhE AM AKW KöNNEN WENIGEr BELAStEt SEIN, ALS ENtFErNtErE. WENN DEr WIND SIch DrEht, DrOhEN rADIOAKtIvE BELAStUNGEN UND EvAKUIErUNGEN AUch IN MüNchEN UND StUttGArt.

Innenkreis mit Sektoren = 25-km-Radius Radioaktive Kontamination

50-km-Radius

Evakuierungsrouten

Zwei deutsche Regierungsstudien widersprechen diesen bisherigen Annahmen für den Katastrophenschutz: 1. Die „Risikostudie Kernkraftwerke Phase B“ von 1989. Dort werden (z. B. bei Kernschmelzen im Hochdruckpfad) schnellere Unfallzeitraster und weitere Belastungsentfernungen beschrieben. Beides wurde bei allen bisherigen Katastrophenschutz-Planungen nicht berücksichtigt, obwohl schon lange bekannt.

100-km-Radius

Auffanglager 8


2. Die „Analyse der Vorkehrungen für den anlagenexternen Notfallschutz für deutsche Kernkraftwerke basierend auf den Erfahrungen aus dem Unfall in Fukushima“, veröffentlicht im Frühjahr 2012 durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und erstellt, weil beim Super-GAU von Fukushima über lange Zeit (Wochen und nicht Stunden) hochgiftiges und hoch radioaktives Material in die Umgebung gelangt und über ganz Japan verteilt worden ist. In der BfS-Studie sind die AKW-Standorte Unterweser (Norddeutschland) und Philippsburg (Süddeutschland) mit modernen Wettermodellrechnungen (RODOS) und anhaltenden radioaktiven Freisetzungen für vier Zeit-Szenarien in Übereinstimmung gebracht worden. Die Ergebnisse belegen eine höhere radioaktive Belastung und weitaus größere kontaminierte Areale als bisher angenommen.

Neuer IPPNW-Vergleich mit der veralteten Evakuierungsplanung Ich habe daraufhin in einer eigenen Arbeit die BfS-Daten für Erwachsene und für Kinder bildhaft auf das AKW Gundremmingen übertragen und mit der dortigen veralteten offiziellen Evakuierungsplanung verglichen. Die IPPNW-Grafiken zeigen deutlich, dass bisherige Planungen von einer zu geringen räumlichen Verteilung des radioaktiven Materials ausgehen. Daraus ergibt sich: » Es ist notwendig, viel schneller zu reagieren, denn radioaktives Spaltmaterial kann schon deutlich früher als 48 Stunden nach dem Unfall freigesetzt werden. » Es ist notwendig, sich auf Wochen und Monate dauernde Freisetzungen radioaktiven Spaltmaterials einzustellen und nicht nur auf 12 Stunden. » Es droht, dass die Umgebungsregion wesentlich höher radioaktiv belastet wird als bisher angenommen. » Es droht, dass an den vorgesehenen Standorten für Notfallstationen und Auf-

fanglager je nach Windrichtung die Strahlenbelastung besonders hoch sein kann, sodass Retter und Gerettete gefährdet würden. » Es droht, dass wesentlich größere Gebiete evakuiert werden müssen. Die bisher angenommene Ausdehnung der Verstrahlungsgebiete (25-km-Radius) ist viel zu kleinräumig; tatsächlich ist ein 100 bis 170-km-Radius realistischer. » Bei Annahme kurz dauernder Emissionen konnte man mit nur einer Hauptwindrichtung rechnen. Bei über mehrere Tage und Wochen anhaltenden Belastungen sind wechselnde Windrichtungen für die radioaktive Verfrachtung wahrscheinlich. Zügige Evakuierungsmaßnahmen werden so in vielen Regionen gleichzeitig erforderlich.

» Die Gebiete mit notwendiger Zwangsumsiedlung werden zahlreicher und größer. Evakuierung bedeutet dann: Zwangsumsiedlung über viele Jahrzehnte ohne die Möglichkeit einer Rückkehr.

Was ist zwischenzeitlich geschehen? Die Innenminister haben eine „Arbeitsgruppe Fukushima“ gegründet und deren Mitglieder „tagen und tagen und tagen“. Der Bundesumweltminister hat die Strahlenschutz-Kommission „als unabhängiges Expertengremium“ beauftragt und deren Mitglieder „tagen und tagen und tagen ebenfalls“ ... und wenn sie nicht gestorben sind, dann tagen sie noch heute …

» Bei anhaltender Strahlenbelastung und erforderlicher großräumiger Evakuierung ist es nicht möglich, Menschen, die aus organisatorischen Gründen zunächst in ihren Wohnungen bleiben mussten, ohne Gesundheitsgefährdung aller Beteiligten aus der belasteten Region in Sicherheit zu bringen. » Entgegen der bisherigen Empfehlung, dass zur Jodblockade der Schilddrüse nur eine einmalige Einnahme erforderlich sei, müsste zum Schutz vor Schilddrüsenkrebs radioaktiv unbelastetes Jod hoch dosiert über viele Tage eingenommen werden. » Die bisher geltenden Eingreifrichtwerte für eine dauerhafte Umsiedlung müssen neu diskutiert werden. Entsprechend den japanischen Erfahrungen ist der bisherige Richtwert von 100 Millisievert/Jahr auf höchstens 20 Millisievert/Jahr zu senken. Selbst dieser Wert wird von Strahlenschützern infrage gestellt, weil er zahlreiche zusätzliche Krebsfälle und andere Folgeerkrankungen in Kauf nimmt. In den betroffenen Evakuierungsgebieten würden deshalb deutlich mehr Menschen mit den Folgen einer dauerhaften Zwangsumsiedlung konfrontiert als bisher angenommen.

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Politik und die Behörden werden uns nicht helfen. Wir müssen dafür sorgen, dass alle jetzt noch laufenden AKW schon jetzt abgeschaltet werden. Der Schutz der Bürger muss vor wirtschaftlichen Interessen der AKW-Betreiber Vorrang haben. Wir brauchen eine Energiewende in Bürgerhand!

Reinhold Thiel ist Vorstandsmitglied der IPPNW und engagiert sich gegen Atomenergie und für die Energiewende.


Atomenergie

Strahlenrisiko für Kinder unterschätzt Fukushima-Bericht der WHO

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ie große Mehrheit der Menschen in Fukushima sei nach dem GAU nur geringen Strahlendosen ausgesetzt gewesen, behauptete die WHO im Mai letzten Jahres in ihrem vorläufigen Bericht. Die zu erwartende effektive Gesamtdosis für die Bewohner der Präfektur Fukushima habe in den ersten 12 Monaten laut Bericht 1-10 Millisievert pro Jahr betragen. An einigen „exemplarischen Standorten“ würden jedoch auch Werte von 10-50 Millisievert pro Jahr erreicht. Auch wenn die zusätzliche effektive Strahlendosis in einigen Ortschaften mehr als das sechs- bis dreißigfache der üblichen Hintergrundstrahlung beträgt, stellt sie laut den AutorInnen des Berichts kein relevantes Risiko dar, weil sie unterhalb der staatlich festgelegten Referenzwerte liegen würde.

Es wird nicht erwähnt, wo oder durch wen die Proben des WHOBerichts gesammelt wurden. Klar ist jedoch, dass sich die Messwerte im Bericht maßgeblich von denen des japanischen Wissenschaftsministeriums und unabhängigen Quellen unterscheiden. »» Die Strahlenexposition durch kontaminiertes Leitungswasser wurde nicht in die Berechnungen einbezogen, obwohl selbst die IAEO vor erhöhter Radioaktivität durch Jod-131 in Leitungswasserproben gewarnt hatte. »» Die Strahlenbelastung der Anwohner der 20-km-Evakuierungszone ging nicht in die Berechnungen ein, da die AutorInnen davon ausgingen, dass diese aufgrund der Evakuierung keiner relevanten Strahlung ausgesetzt waren. Diese Unterlassung ist besonders bedenklich, da die Evakuierung unkoordiniert und überstürzt erfolgte, sodass zahlreiche Menschen mit großer Verspätung oder gar in Gegenden mit noch höherer Strahlenlast evakuiert wurden. Hinzu kommt, dass die prophylaktische Verteilung von Jodtabletten unterlassen wurde und die betroffene Bevölkerung dem Risiko einer erhöhten Verstrahlung durch Jod-131 ausgesetzt wurde.

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ie wichtige Information, dass das Risiko für Krebs und andere strahleninduzierte Krankheiten proportional zur Strahlendosis steigt, wird von der WHO allerdings unterschlagen. Der international anerkannte BEIR-VII-Bericht zu den biologischen Effekten ionisierender Strahlung zeigt auf, dass selbst die niedrigste Strahlendosis Zellschäden und genetische Mutationen verursachen kann und darum kein unterer Schwellenwert für Strahlenschäden existiert. Eine zusätzliche Belastung von 10 Millisievert pro Jahr entspräche 500 Thoraxröntgen innerhalb eines Jahres – eine nicht zu vernachlässigbare Mehrbelastung – vor allem, wenn es um Kleinkinder oder Schwangere geht.

Besondere Belastung der Kinder Der WHO-Bericht kommt zu dem Schluss, die effektive Dosis aller Einwohner der Präfektur Fukushima liege im selben Bereich, unabhängig vom Alter. Durch diese fehlende Differenzierung werden Erwachsene, Kinder und sogar Säuglinge in ein stark verallgemeinerndes Schema gepresst. Aber Kinder verbringen in der Regel mehr Zeit im Freien als Erwachsene. Sie spielen auf dem Boden, in Sandkästen, am Strand oder im Garten und werden so in stärkerem Maß Schadstoffen ausgesetzt. Kleinkinder haben zudem die Angewohnheit, alles, auch Erde, in den Mund zu stecken. Im Mai 2011 veröffentlichte das Japanische Ministerium für Wissenschaft und Technologie Ergebnisse von Bodenproben aus Kindergärten und Schulen, die an allen Messpunkten stark erhöhte Werte für Jod-131 und Cäsium-137 fanden.

Nicht diskutiert wird zudem die unterschiedliche strahlenmedizinische Relevanz von inhalierten oder mit der Nahrung aufgenommenen Strahlungsquellen und der externen Strahlenbelastung.

Grundannahmen fehlerhaft Problematisch ist nicht nur die Interpretation der angegebenen Gesamtdosen, sondern auch deren Herleitung. Wesentliche Annahmen, die den Berechnungen zugrunde liegen, sind höchst spekulativ und zum Teil offensichtlich fehlerhaft:

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»» Die Schätzungen der Gesamtemissionen an Radioisotopen fallen im WHO-Bericht signifikant geringer aus als die von unabhängigen Forschungsinstitutionen und TEPCO.

inder sind strahlenempfindlicher als Erwachsene. Ihre Haut besitzt relativ zur Körpermasse eine größere Oberfläche und ist durchlässiger, sodass mehr Strahlung absorbiert wird. Aufgrund ihres höheren Atemminutenvolumens atmen Kinder mehr Schadstoffe ein. Schnellerer Zellstoffwechsel und höhere Zellteilungsraten erhöhen das Risiko, dass Mutationen maligne Erkrankungen verursachen, bevor dies von den Schutzmechanismen des Körpers verhindert werden kann. Da Immunsystem und Zellreparaturfähigkeit bei Kindern noch nicht voll entwickelt sind, können sie die Entstehung von Krebs nicht adäquat verhindern. Das ungeborene Kind kann über die Nabelvene oder durch radioaktive Isotope in der Harnblase der Mutter verstrahlt werden. Darüber hinaus werden radioaktive Isotope wie Jod-131 auch mit

»» Ein großer Anteil der geschätzten Gesamtexposition wird durch internalisierte Strahlungsquellen verursacht, vor allem durch Luft, Wasser und Nahrung. Berechnungen dieser Strahlungsdosen werden stark durch die Art der Probennahme und die Festlegung des Probenumfangs beeinflusst. Gerade hier liegt jedoch das Problem des WHO-Berichts. So wurden in den ersten vier Monaten nach der Katastrophe nur 39 Eier aus der Präfektur Fukushima und 18 aus dem restlichen Japan analysiert und daraus die interne Strahlenexposition für 120 Millionen Menschen abgeleitet. 10


Schilddrüsenuntersuchung bei einem Jungen in der „Fukushima collaborative clinic“, einer privaten Klinik, die unabhängige Screenings anbietet. © Ian Thomas Ash 2013 www.DocumentingIan.com

der Muttermilch übertragen. All dies wurde offenbar im Bericht nicht berücksichtigt oder als unerheblich erachtet.

Nagasaki aus dem Jahr 2000 zeigte nur bei 0,8 % der Kinder Schilddrüsenzysten. Im September 2012 wurde eine zweite Studie mit den Ergebnissen von weiteren 42.060 Ultraschalluntersuchungen an Kindern aus Fukushima veröffentlicht. Erneut wiesen etwa 43 % der kindlichen Schilddrüsen Knoten und Zysten auf.

Risikoorgan Schilddrüse Jod-131 hat eine relativ kurze physikalische Halbwertzeit von acht Tagen und kann bei Inkorporation durch seine Beta- und Gammastrahlung Schilddrüsenkrebs verursachen. Die österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sowie TEPCO veröffentlichten Studien, die die Emissionen von Jod-131 in den ersten drei Tagen des Reaktorunglücks von Fukushima auf 3,19-3,9 x 1017 Bq schätzten, also etwa 18-22 % der Gesamt­ emission von Jod-131 in Tschernobyl. Der WHO-Bericht gibt die Emission von Jod-131 nur mit 1,24-1,59 x 1017 Bq an. Die Differenz bleibt im Bericht unerklärt. Basierend auf diesen niedrigen Emissionsangaben und den oben erwähnten Unzulänglichkeiten kommen die AutorInnen auf eine durchschnittliche Schilddrüsendosis für Bewohner der Präfektur Fukushima während des ersten Jahres nach der Katastrophe von 10 bis 100 Millisievert, während an bestimmten Orten Schilddrüsendosen bei Säuglingen bis zu 200 Millisievert erwartet werden können. Für das übrige Japan wurden Schilddrüsendosen von 1−10 Millisievert geschätzt.

Unabhängigkeit der Autoren infrage gestellt Der wichtigste Kritikpunkt am Bericht der WHO ist jedoch der offensichtliche Mangel an Objektivität. Mit einem Expertengremium, das vornehmlich aus Mitarbeitern der IAEO und ihren nationalen Mitgliedsorganisationen besteht, deren oberstes Ziel die Förder­ ung der Atomenergie ist, und mit Ergebnissen, die so signifikant von unabhängigen oder staatlichen Untersuchungen abweichen, liest sich der Bericht wie ein Versuch, die Folgen der Katastrophe von Fukushima herunterzuspielen. Was die Betroffenen jedoch brauchen, sind unabhängige, wissenschaftliche Einschätzungen, frei vom Verdacht der Einmischung und Beeinflussung durch Atom­industrie und Atomenergiebehörden. Benötigt werden gesundheitsbasierte Ansätze statt Versuche der Industrie, die Effekte der anhaltenden Emission radioaktiver Isotope in der Luft, im Boden und im Wasser sowie die Kontamination großer Teile des Nordpazifiks und des japanischen Festlands herunterzuspielen. Die WHO muss ihre Unabhängigkeit bei der Beurteilung von Gesundheitsrisiken durch Strahlung wiedererlangen.

A

m 26. April 2012 veröffentliche die Regierung der Präfektur Fukushima die ersten Ergebnisse des „Resident Health Management Survey“. An 38.114 Kindern zwischen 0 und 18 Jahren wurden Ultraschalluntersuchungen der Schilddrüsen durchgeführt. Bei 35 % der untersuchten Kinder fanden die Mediziner Schilddrüsenzysten. Diese Befunde sind ausgesprochen untypisch. Eine vergleichbare Ultraschallstudie an Kindern aus

Unter: www.fukushima-disaster.de finden Sie Dr. Alex Rosens neueste Analyse des WHO-Berichtes vom 28. Februar 2013.

Das aktuelle IPPNW-Update 2013 „Die gesundheitlichen Folgen von Fukushima“ von W. Eisenberg, H. Paulitz und R. Thiel finden Sie unter: www.ippnw.de/atomenergie/atom-gesundheit

Alex Rosen ist Facharzt für Kinderheilkunde und IPPNWMitglied. 11


Frieden

Eine historische Chance Die UN-Konferenz über eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Mittleren und Nahen Osten

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Sicherheitsrat, der angesichts der Legitimierung mehrerer NATOKriege in den letzten zwei Dekaden, so in Kosovo, in Afghanistan und zuletzt in Libyen, ohnehin im Verdacht steht, das Vollzugsorgan der USA und des Westens zu sein. Des Weiteren eröffnet die UN-Konferenz ein Fenster der Hoffnung für Entspannung und vertrauensbildende Schritte, für den Abbau von Feindbildern und für die Perspektive der gemeinsamen Sicherheit und regionalen Kooperation in der Region. Die UN-Konferenz könnte daher auch zur Antriebskraft der regionalen Kooperation und der gemeinsamen Sicherheit werden, wie sie von der IPPNW-Initiative einer zivilgesellschaftlichen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO) seit längerer Zeit verfolgt wird. Die UN-Konferenz hat das Potenzial, diese Entwicklung zu beschleunigen und vor allem auch die Staaten der Region für eine Perspektive der friedlichen Gestaltung ihrer Beziehungen zusammenzubringen. Deshalb wurde die UN-Konferenz auch von den Blockfreien Staaten, von der internationalen Zivilgesellschaft und von zahlreichen Staaten der Region begrüßt.

tell Dir vor, es gibt eine realistische Alternative, um den Konflikt um das iranische Atomprogramm friedlich beizulegen. Aber die Bundesregierung und die westlichen Staaten insgesamt ignorieren diese Alternative so gut sie können und entscheiden sich für eine Politik von Sanktionen und Kriegsdrohungen, die aller Wahrscheinlichkeit nach in einen katastrophalen neuen Krieg im Mittleren und Nahen Osten führen könnte. Die friedliche Alternative ist die UN-Konferenz zur Einrichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone (WMDFZ – Weapons of Massdestruction Free Zone) im Mittleren und Nahen Osten. Zum Hintergrund: Die Überprüfungskonferenz der Vereinten Nationen zum Atomwaffensperrvertrag beschloss nach beinahe 30 Jahren Diskussion und vergeblichen Versuchen im Mai 2010 auf Initiative der blockfreien Staaten, endlich eine Konferenz zur Einrichtung einer solchen Zone für den Mittleren und Nahen Osten vorzubereiten. Dazu wurde der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon beauftragt, alles zu tun, damit diese Konferenz spätestens 2012 beginnen kann. Finnland hat sich bereit erklärt, als Gastgeberland die Konferenzdurchführung zu unterstützen. Der Unterstaatssekretär im finnischen Außenministerium, Jaakko Laajava, wurde als Koordinator bestellt, der die UN-Konferenz mit großem Aufwand vorbereitet hat, die vom 16. - 17. Dezember 2012 in Helsinki stattfinden sollte. Sie wurde jedoch – offensichtlich auf Betreiben der USA und Israels – kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben, ein nach menschlichen Maßstäben der Vernunft völlig inakzeptabler Vorgang.

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m krassen Gegensatz dazu hüllen sich westliche Regierungen und Medien über diese friedenspolitisch höchst wichtige UN-Initiative konsequent in Schweigen. Man gewinnt beinahe den Eindruck, die UN-Konferenz zu einer massenvernichtungs­ waffenfreien Zone wäre nie beschlossen worden. Obama hat die UN-Konferenz bei seiner Rede in der UN-Vollversammlung im September 2012 nicht einmal erwähnt. Auch in Europa scheinen sich nur skandinavische Staaten ernsthaft für das Zustandekommen der Konferenz einzusetzen. Die deutsche Bundesregierung bekundet zwar nach außen und lediglich verbal ihre Zustimmung zur UN-Konferenz und dem Ziel einer massenvernichtungswaffenfreien Zone in der Region, beteiligt sich jedoch gleichzeitig durch den Export von atomar umrüstbaren U-Booten kräftig am nuklearen Wettrüsten im Mittleren und Nahen Osten. Ein glaubwürdiger Beitrag zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Atomwaffen und Entstehung von neuen Atomstaaten sieht aber anders aus! Im deutschen Parlament wurden in den letzten Jah-

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atsächlich ist jedoch die UN-Konferenz wie ein Geschenk des Himmels. Sie stellt den völkerrechtlich geeigneten Rahmen auch für die Behandlung des Konflikts um das iranische Atomprogramm dar und ist, im Unterschied zu den Verhandlungen im Rahmen der 5 + 1 Gespräche, frei von eskalierenden Drohmechanismen und ermöglicht ferner auch einen Dialog auf Augenhöhe. Wenn es stimmt, dass der Iran nach Atomwaffen strebt, wie der Westen behauptet, dann gehört dieser Konflikt erst recht in die geplante UN-Abrüstungskonferenz und nicht in den UN12


Fachgespräch Der IPPNW für Politiker und Diplomaten zum Thema „UN-Konferenz für eine massenvernichtungs­ waffenfreie Zone im Mittleren und Nahen Osten“ im Januar in BErlin

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itte unterstützen sie die Petition für eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten: http://kurzlink.de/wmdfz

eine atomwaffenfreie Zone im Mittleren und Nahen Osten sollte wesentlich stärker als bisher in der deutschen Friedensbewegung diskutiert werden. Noch besser wäre es, dieses Thema zu einem gemeinsamen Schwerpunkt der Friedensbewegung zu machen, um den Druck auf die Politik zu stärken. Folgende Ziele könnten helfen, dem zivilgesellschaftlichen Widerstand eine politische Orientierung zu geben:

ren immer wieder über Kriegseinsätze in Somalia, in Afghanistan und anderen Staaten der Welt debattiert, selten oder fast nie über den aktiven und glaubwürdigen Einsatz für Frieden schaffende Optionen wie beispielsweise die UN-Konferenz.

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ei einer nüchternen Betrachtung und angesichts folgenreicher Konsequenzen westlicher Iran-Politik stellen sich unweigerlich mehrere offene Fragen: Geht es dem Westen überhaupt um die Verhinderung einer Atommacht Iran und des Wettrüstens in der Region? Und wenn ja, warum blockiert er dann eine von der UN initiierte Alternative, die am besten geeignet ist, diese Ziele auf friedlichem Wege zu erzielen? Oder aber geht es ihm um ganz andere Ziele, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden? Warum strebt Israel die militärische Vernichtung von Irans Nuklearanlagen an – die unverhohlenen Kriegsdrohungen dazu lassen daran keinerlei Zweifel – anstatt den friedlichen Weg zur Lösung des Nuklearkonflikts und der Abrüstung in der gesamten Region einzuschlagen?

»» Sich dafür einzusetzen, dass im Deutschen Bundestag und im Europaparlament, eine parlamentarische Debatte über die UNKonferenz stattfindet. »» Die Bundesregierung aufzufordern, dass sie die Lieferung sämtlicher Waffen nach Israel, die das atomare Wettrüsten im Mittleren und Nahen Osten anheizen, sofort stoppt und darüber hinaus auch von den geplanten Waffenexporten nach Saudi-Arabien und anderen Staaten der Region absieht. Hier bietet sich eine Kooperation mit der „Aktion Aufschrei“ der Friedensbewegung an.

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»» Sich für den baldigen Beginn der UN-Konferenz und die Mitwirkung der Zivilgesellschaft daran einzusetzen und darauf hinzuwirken, dass die Konferenz ihre Arbeit auf jeden Fall auch dann aufnimmt, wenn einzelne Staaten zur Teilnahme nicht oder noch nicht bereit sind. Es kommt vor allen Dingen darauf an, eine Dynamik von Verhandlungen und vertrauensbildenden Maßnahmen herzustellen, der sich kein Staat aus der Region, auch nicht Iran oder Israel, entziehen kann.

in Krieg gegen den Iran dürfte – darüber gibt es weltweit unter Friedensforschern keinen Zweifel – nicht nur für die Menschen, für die Wirtschaft, für die Umwelt und für die Demokratieentwicklung im Iran und in der Region, sondern auch für Europa und den Weltfrieden gravierende Folgen haben. Die Menschen scheinen offenbar dafür ein besseres Gespür zu haben als ihre Volksvertreter. Immerhin haben sich laut einer aktuellen Forsa-Umfrage der IPPNW zur Verhinderung iranischer Atomwaffen, sofern der Iran sie anstreben sollte, 80 % der Deutschen eindeutig für Verhandlungen, z. B. im Rahmen der UN-Konferenz über eine atomwaffenfreie Zone ausgesprochen. Lediglich 7 % befürworteten den militärischen Weg. Diese positive Haltung verpflichtet die Politik zum Nachdenken. Aber auch die Zivilgesellschaft dürfte sich nicht entmutigen lassen. Grade bei diesem bahnbrechenden Friedensprojekt und wegen dessen perspektivischer Bedeutung für eine der krisenhaftesten Regionen der Welt, ist ein langer Atem vonnöten. Das Thema UN-Konferenz für

Mohssen Massarrat ist iranisch-deutscher Friedensforscher und Initiator einer zivilgesellschaftlichen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten. 13


FrIEDEN

Schleichender Tod Neuer Report zu den gesundheitlichen Folgen von Uranmunition

Uranmunition hat schwerwiegende Folgen für die betroffenen Menschen und für die Umwelt. Sie muss deshalb geächtet werden. Zu diesem Ergebnis kommt der Report „Die gesundheitlichen Folgen von Uranmunition – Die gesellschaftliche Debatte um den Einsatz einer umstrittenen Waffe“, den die deutsche Sektion der IPPNW in Zusammenarbeit mit der ICBUW (International Coalition to Ban Uranium Weapons) im Dezember 2012 veröffentlicht hat.

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eltweit werden Uranwaffen eingesetzt, vor allem um Panzer und Bunker zu zerstören. Die USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, Griechenland, die Türkei, Israel, Pakistan, Saudi-Arabien, Thailand und andere Staaten besitzen diese Waffen – insgesamt sollen etwa zwanzig Armeen Uranmunition in ihren Arsenalen führen. Obwohl der Einsatz von DU-Munition (von engl. Depleted Uranium, abgereichertes Uran) nicht im Einklang mit bestimmten Grundsätzen und Regeln des Humanitären Völkerrechts steht, gibt es

bisher keine Konvention zum Verbot von DU-Waffen. Zuerst wurde DU von den USA und Großbritannien im Zweiten Golfkrieg 1991 eingesetzt, später in Bosnien und Serbien 1995, im Kosovo 1999 sowie im Irakkrieg 2003. Durchgesickerte Dokumente der US-Armee und der Bundeswehr weisen auf DU-Einsatz auch in Afghanistan hin. Das wird von den USA und Großbritannien bisher jedoch dementiert. Vermutlich hat die NATO auch im Libyenkrieg DU-Munition eingesetzt.

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bgereichertes Uran besitzt eine extrem hohe Dichte (18,95 g/cm³ oder 1,7-mal dichter als Blei). DU-Geschosse haben deshalb eine viel größere Durchschlagskraft als andere Munition. Bei einem Treffer entzündet sich das auf über 3000 Grad Celsius erhitzte Metall im Inneren des Panzers oder Gebäudes selbst, das getroffene Ziel verbrennt. Dabei entsteht ein Uranoxid-Aerosol mit Partikelgrößen im Nanobereich, das sich mit dem Wind weiträumig verteilt und mit Staub immer wieder aufgewirbelt wird.

DU-Waffen töten nicht nur beim Einsatz, sondern auch noch Jahrzehnte später. Zunehmend erkennen auch Gerichte den Kausalzusammenhang zwischen Kontakt mit DU-Staub und bestimmten Krebserkrankungen an. So hat Italien im Jahr 2009 30 Millionen Euro als Wiedergutmachungsfonds für kranke und für die Angehörigen verstorbener Soldaten bereitgestellt. Am 26. Juni 2004 verurteilte ein Gericht in Rom das Verteidigungsministerium dazu, der Familie des Soldaten Stefano Melone 500.000 Euro zu zahlen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sein Tod „durch die Einwirkung von radioaktiven und krebserregenden Substanzen“ während seines Militärdienstes auf dem Balkan verursacht wurde. Er wurde nur 40 Jahre alt. Auch Gerichte in Florenz (2008 – Fall Marica) und Cagliari (2011 – Fall Melis) verfügten Entschädigungen im Zusammenhang mit Uran-Folgekrankheiten. Den Angehörigen des Soldaten Andrea Antonci sprach im Oktober 2012 ein Gericht in Rom Anspruch auf eine Millionen Euro zu. Uranmunition wurde als eindeutiger Grund für die Entschädigung genannt. In

WINzIGE DU-PArtIKEL GELANGEN DUrch EINAtMEN, AUFNAhME MIt WASSEr ODEr NAhrUNGSMIttELN, ABEr AUch üBEr WUNDEN IN DEN MENSchLIchEN KörPEr UND BEStrAhLEN DAS UMLIEGENDE GEWEBE.


Großbritannien bekam der Golfkriegsveteran Kenny Duncan im Jahr 2004 von einem schottischen Gericht eine Kriegsrente zugesprochen. Auch hier wurde die Korrelation zwischen der Verwendung von Uranmunition und der Erkrankung anerkannt.

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U macht aber nicht nur Soldaten krank. Für die betroffene Zivilbevölkerung sind die Gesundheitsfolgen noch größer, weil die Menschen dauerhaft in den mit Uran verseuchten Regionen leben. Die winzigen DU-Partikel gelangen durch Einatmen, durch Aufnahme mit Wasser oder Nahrungsmitteln, aber auch über Wunden in den menschlichen Körper. Im Blut gelöstes DU wird in wenigen Tagen über die Nieren ausgeschieden, aber im Skelett eingelagerte Uranpartikel verbleiben dort

jahrelang und bestrahlen die umliegenden Zellen mit Alpha-Teilchen. Das verursacht Knochentumore und Leukämie. Etwas größere eingeatmete Uranpartikel werden in der Lunge abgekapselt oder in regionale Lymphknoten transportiert, wo sie die Zellen in der Nachbarschaft langfristig schädigen, sodass Krebs entstehen kann. Über die Plazenta erreicht DU auch ein ungeborenes Kind und führt je nach Schwangerschaftsstadium zu schweren Fehlbildungen und Behinderungen. DU schädigt lebende Zellen auf zweifache Weise: Als Schwermetall ist es chemotoxisch, als radioaktive Substanz radiotoxisch. Beide Wirkungen potenzieren sich.

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isher sind keine systematisch-epidemiologischen Studien zu den gesundheitlichen Folgen für die betroffenen Bevölkerungsgruppen der Kriegsgebiete durchgeführt worden. Schon nach dem Zweiten Golfkrieg hatten irakische Ärzte über eine Zunahme angeborener Fehlbildungen und Kinderleukämien berichtet. Diese Veröffentlichungen wurden jedoch von den USA und Großbritannien als unwissenschaftlich abqualifiziert. Im Rahmen einer Universitätspartnerschaft arbeiten irakische, deutsche und japanische Ärzte seit 2004 daran, ein Krebsregister für die Region Basra zu erstellen. Der Bericht der Studiengruppe weist auf einen deutlichen Anstieg von Lungen- und Brustkrebs hin, Erkrankungen des Lymphsystems und Leukämie treten ebenfalls gehäuft auf. 2010 gab die WHO zusammen mit dem irakischen Gesundheitsministerium eine Studie in Auftrag, mit der Art und Frequenz der Fehlbildungen in sechs irakischen Provinzen untersucht werden sollen.

kungs-Modelle der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) revidiert werden müssen. Diese berücksichtigen vorwiegend die Wirkung externer Strahlung und vernachlässigen die kontinuierliche interne Strahlung durch inkorporierte Nuklide. Trotz dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse über langfristige, schwerwiegende Gesundheitsschäden durch DU scheut sich die deutsche Bundesregierung nach wie vor, die Ächtung dieser Waffen zu fordern.

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ie ICBUW hat gemeinsam mit der IPPNW und IALANA (International Association of Lawyers against Nuclear Arms, JuristInnen gegen Atomwaffen) bereits Anfang 2005 einen Vertragsentwurf für ein Verbot der Entwicklung und Herstellung, der Lagerung, der Weitergabe und des Einsatzes von Uranwaffen vorgelegt. Als einen ersten Schritt zur Ächtung dieser Waffen sehen IPPNW und ICBUW die Anfang Dezember 2012 von der UNGeneralversammlung verabschiedete Resolution zum Thema Uranmunition. Sie wurde mit großer Mehrheit von 155 JaStimmen gegen 4 Nein-Stimmen (USA, Großbritannien, Frankreich und Israel) angenommen. In dieser Resolution findet sich zum ersten Mal die Bezugnahme auf das Vorsorgeprinzip: Danach müsste der Verwender von Uranmunition deren Ungefährlichkeit für Umwelt und Zivilbevölkerung vor einem Einsatz nachweisen. Den ausführlichen Report finden Sie unter: www.kurzlink.de/uranmunition

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ahlreiche DU-Studien mit menschlichen Zellkulturen und mit Labortieren, vorwiegend Ratten und Mäusen, haben schwere schädigende Effekte auf den Fötus und den Schwangerschaftsverlauf sowie Krebs auslösende Wirkungen in fast allen Organsystemen zweifelsfrei nachgewiesen. Diese neuen Studienergebnisse machen deutlich, dass die Dosis-Wir15

Winfrid Eisenberg ist Facharzt für Kinderheilkunde und einer der Autoren der Studie zur Uranmunition.


Frieden

Szene aus „A World Not Ours“

Begegnung mit dem Anderen 28. Friedensfilmpreis der internationalen Filmfestspiele Berlin

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Ramallah und in Gaza mutige Festivalleiter und Kinobetreiber, die die Chancen dieses einzigartigen Films erkennen und ihn ihrem Publikum zeigen.

er 28. Friedensfilmpreis der Internationalen Filmfestspiele Berlin ging an den palästinensisch-dänischen Regisseur Mahdi Fleifel für seinen Dokumentarfilm „A World Not Ours“. Der Film zeigt das Leben von Palästinensern in einem Flüchtlingslager im Süden des Libanon.

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eben der intensiven Sichtung vieler Berlinale-Filme setzte die Friedensfilmpreis-Gruppe während der Festspiele ihre Solidaritätsaktion mit dem iranischen Regisseur Jafar Panahi im dritten Berlinale-Jahr fort, diesmal mit dem leisen, beharrlichen Protest „Er sollte hier sein“ (siehe S. 31). Panahi war wegen seiner Unterstützung für die Demokratiebewegung im Iran 2010 zu 20 Jahren Arbeitsverbot und Hausarrest verurteilt worden – mit Androhung einer 6-jährigen Haftstrafe bei Zuwiderhandlung. Sein Film „Parde“ (Closed Curtain), im vergangenen Jahr am Kaspischen Meer illegal gedreht, ist ein ebenso mutiges wie verzweifeltes Aufbegehren gegen diese Auflagen.

In der Begründung der Jury heißt es: „Sein Vater und er dokumentieren mit der Kamera das Leben der Familie und des Lagers, mit liebevollem Blick und Humor – über dreißig Jahre hinweg. Deutlich wird die zermürbende Situation der Menschen ohne Hoffnung und Zukunft im Lager, das zu einer Insel der Isolation wird. Aus Fleifels Erinnerungen entsteht ein dichtes Bild vom Leben im Niemandsland. Der Film befreit sich völlig von den üblichen Schemata der Einordnung der Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern. So wird er zu einem Plädoyer für einen neuen Friedensprozess im Nahen Osten.“

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uf der Pressekonferenz nach der Uraufführung des Films hatte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi versöhnende Worte gefunden: „Es gab vielleicht ein paar Fehler und Probleme in meinem Land, was diese Filmemacher angeht. Da stimme ich zu. Ich persönlich finde, dass wir im Umgang mit diesen Filmemachern mehr Gelassenheit und Geduld haben sollten. Diese Fälle sollten mit mehr Nachsicht und Geduld behandelt werden.“ (3sat Kulturzeit vom 12.2.2013) Aber gleich nach Ende der Berlinale kamen harsche Töne und Drohungen aus Teheran: Der iranische Vize-Kulturminister, Dschawad Schmaghdari protestierte gegen die Aufführung von Panahis Film in Berlin. „Im Iran müssen Filme mit Erlaubnis gedreht und auch mit Erlaubnis ins Ausland geschickt werden, daher ist die Produktion und Aufführung dieses Films illegal und dementsprechend eine Straftat“. Bis jetzt habe man Geduld gezeigt. „Aber nicht wir, sondern die Polizei ist für so etwas zuständig.“ Damit rief er zu Panahis Strafverfolgung auf. (taz vom 20.2.2013) Unter solchen gesetzlichen Auflagen sind keine Friedensfilme zu schaffen.

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leifels Film zeigt die Ausweglosigkeit dieses Lagerlebens: Die Zugänge werden von der libanesischen Armee kontrolliert, die Lagerinsassen haben Arbeitsverbot. Fleifels Protagonist und Freund ist vom auf-der-Stelle-tretenden Leben im Lager zermürbt und desillusioniert. Jahrelang Funktionär der Fatah gewesen und von dieser finanziell unterstützt, kehrt er nun dieser Organisation den Rücken und schmäht deren Führung als korrupt, ebenso wie die der Hamas. Der Film verzichtet auf Ideologien oder Propaganda. Er bringt uns Menschen in diesem Lager nahe. Unabhängig davon, ob wir ihre Äußerungen oder die des Regisseurs im Film teilen, können wir ihnen zuhören und verstehen, warum sie so reden und so sind. Den anderen zu kennen, Mitgefühl für ihn zu empfinden und die Fähigkeit zu lernen, sich in dessen Schuhe zu stellen, ist eine Voraussetzung für Frieden. Mahdi Fleifels Film „A World not Ours“, ermöglicht diese Begegnung, dafür erhielt er den Friedensfilmpreis. Die Jury hat die Hoffnung, dass dieser Film einmal in palästinensischen und in israelischen Schulen gezeigt werden könnte. Eine Hoffnung, die heute vielleicht naiv erscheint. Aber ein neuer Friedensprozess im Nahen Osten ist alternativlos, und in diesem Prozess braucht es auch solche Filme. Schade, dass nachträgliche irritierende und inakzeptable Äußerungen des Regisseurs zur Shoah und zur Existenz Israels die mediale Aufmerksamkeit um den Friedensfilmpreis 2013 beherrschten – Äußerungen, mit denen Fleifel in die üblichen Formeln und Sprüche zurückfällt und das Gesprächsangebot, das sein Film macht, vielleicht zerstört. Aber vielleicht finden sich in Jerusalem und in Beirut, in

Weitere Informationen: www.friedensfilm.de

Ulla Gorges ist Mitarbeiterin der IPPNW. 16


Studierende

Ein anderer Blick

Daniel Mutonga aus Kenia war im letzten Jahr mit dem IPPNW Programm famulieren & engagieren als Gaststudent in Deutschland.

Eindrücke eines Gaststudenten in Deutschland

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Heim verabredeten wir uns für Freitag, da sollte ich selbst ein bisschen im Sozialprojekt mitarbeiten. Aber es gelang mir dann doch nicht, überhaupt in irgendeinem Sozialprojekt mitzumachen. Ich kam ein paar Minuten zu spät im Büro an und verpasste den Kälte-Bus. Mein Versuch, die U-Bahn zu nehmen und das Team bei seiner nächsten Station auf der Mönckebergstraße zu erwischen, schlug ebenfalls fehl. So fuhr ich nach Hause, ziemlich enttäuscht, dass ich mich noch immer nicht auf die deutsche Pünktlichkeit eingestellt hatte.

m Montag ging es um Viertel vor acht los. Ich frühstückte Kaffee, Brot und Käse im Auto auf der Fahrt nach Hemmoor, wo Dr. Gisela Penteker arbeitet. Jeden Morgen empfingen wir Patienten zwischen 9 und 12 Uhr. Nach einem Imbiss erledigten wir nachmittags die Hausbesuche. Wir besuchten ältere Patienten, die es nicht mehr schaffen, in die Praxis zu kommen. Die meisten leben in Altenheimen, andere zogen es vor zu Hause zu wohnen und manche, die es sich leisten konnten, lebten in kleinen Einzimmer-Appartments, wo zweimal täglich eine Krankenschwester vorbeischaut.

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rotz des Schnees besuchte ich die Reeperbahn, Altona, den Jungfernstieg und andere wundervolle Plätze. Kaja führte mich in Hamburg herum. Wir besuchten ein Life-Konzert von Migranten, die in Hamburg leben. Wir nahmen ein paar Souvenirs vom Markt mit und kauften Trommelstöcke für meinen Musikunterricht daheim. Ich traf andere sozial und politisch engagierte junge Leute. Am frühen Morgen meines Abreisetages brachte mich Bettina zum Bahnhof. Ich hatte gemischte Gefühle. Ich war traurig, meine neuen Freunde zu verlassen und glücklich, nach Kenia mit einem reichen Erfahrungsschatz zurückzukehren.

Hausarzt auf dem Lande Die Hausarztpraxis war für mich eine ganz neue Erfahrung. In Kenia hatte ich nie erlebt, dass Ärzte Hausbesuche machen. Obwohl Gisela sagte, dass es ein aussterbender Beruf sei, genoss ich irgendwie die entspannte Atmosphäre – so ganz anders als die Arbeit in einer hektischen Klinik. In Giselas Praxis zu sein, war für mich nostalgisch. Denn es waren doch meine eigenen Besuche bei unserem Hausarzt gewesen, die meinen Berufswunsch geprägt hatten. Aber seit Beginn meiner klinischen Ausbildung war ich nur in einem großen Krankenhaus gewesen. Ich war auch beeindruckt von Giselas gutem Verhältnis zu ihren Patienten. Sie kannte ihre sozialen, finanziellen und psychologischen Probleme – ganz anders als die Ärzte in großen Krankenhäusern. Sie half sogar den Flüchtlingen, die häufig ihre Praxis aufsuchten.

Zusammengefasst: Ich lernte Krankenhäuser, Privatpraxen, medizinische Fakultäten, Privatwohnungen und Projekte kennen und lebte zusammen mit IPPNW-Mitgliedern und ihren Familien. Der Aufenthalt brachte mich dazu, meine beruflichen Ambitionen und meine zukünftigen Ziele zu überdenken. Ich empfehle das f&e Programm allen Medizinstudenten, die an humanitärer Arbeit interessiert sind und das Gesundheitssystem eines anderen Landes kennenlernen wollen. Ich kann es kaum erwarten, andere IPPNW-Studierende, die nach Nairobi kommen zu beherbergen oder wenigstens mit ihnen zusammenzukommen.

Es schneite wieder. Am Wochenende bereitete ich für meine Gastfamilie ein kenianisches Mahl zu: Ugali, Spinat und Fisch mit allen möglichen Zutaten, die wir im Laden finden konnten.

Das Sozialprojekt, das nicht zustande kam Kaja, ein IPPNW-Mitglied, holte mich am Hamburger Hauptbahnhof ab und brachte mich zu Bettinas Wohnung, wo ich für die kommende Woche zu Gast war. Am nächsten Morgen traf ich Doris von der Caritas in der Nähe vom Hafen Sankt Pauli. Unterwegs hatte ich Obdachlose gesehen, die in dieser Kälte unter einer Eisenbahnbrücke schliefen. Ich erfuhr von Doris, dass Migranten ohne Papiere (ohne Arbeitserlaubnis, Krankenversicherung) und Wohnungslose bei der Caritas freie medizinische Versorgung erhalten. Viele der Älteren hatten eitrige Wunden, Diabetes oder Bluthochdruck, während viele der Jüngeren unter Läusen oder Krätze infolge mangelnder Hygiene litten. Die meisten Obdachlosen in Hamburg waren Männer. Ich fragte mich, welche geschlechtsspezifische Verteilung es wohl unter den Obdachlosen daheim in Nairobi gibt. Nach einer kurzen Führung durch das

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nd zum Schluss: So viele Menschen, meine Familie eingeschlossen waren daran beteiligt, dass meine deutsche Erfahrung so ein großer Erfolg geworden ist. Ich danke ihnen allen. Daniel Mutonga aus Kenia

Den vollständigen Text sowie die Berichte der drei anderen f&e Gaststudenten 2012 aus dem Kosovo, Nepal und der Türkei können Sie (in englisch) nachlesen unter: studis.ippnw.de/famulieren-engagieren/fe-gaeste-2012 17


IPPNW-cONcErtS

PLUTONIUM ODE Wort und Musik – Texte des Atomzeitalters

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ie Schauspieler Udo Wachtveitl, Sabine Kastius und Gert Heidenreich lesen Texte von Günther Anders, Terry Tempest Williams und Allen Ginsberg. Das gesprochene Wort wird verstärkt durch Klassik und Jazz, gespielt von Mitgliedern der Berliner Philharmoniker u. a..

Nach diesem Film war für viele Wochen unser erster Gedanke nach dem Aufwachen „Atom“. Unsere IPPNW-Aktivitäten nahmen Formen an. Heute leben wir wieder, wie Günther Anders schon 1957 sagte, „im Zeitalter der Unfähigkeit zur Angst und sehen darum passiv der Entwicklung zu“.

Günther Anders beginnt seine Gebote des Atomzeitalters mit den Worten: „Dein erster Gedanke nach dem Aufwachen heiße ‚Atom’. Denn du sollst deinen Tag nicht mit der Illusion beginnen, was dich umgebe, sei eine stabile Welt. Was dich umgibt, ist vielmehr etwas, was morgen schon ein Gewesenes sein kann ...“

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er hat heute noch solche Gedanken nach dem Aufwachen? Ich erinnere mich an damals. Wir hatten diese Angst einmal. Was uns Anfang der 80er Jahre umgab – Pershing-II und SS-20 – konnte mit den Worten von Günther Anders nicht treffender beschrieben werden. Wie so viele andere auch wollten wir uns erst einmal nicht damit auseinandersetzen. Es wurde zwar von „Overkill“ und „Megatoten“ gesprochen, aber es berührte uns nicht. Anders nennt den Grund dafür: „Vorstellen können wir uns vielleicht 10 Tote; mehr leistet die Vorstellung nicht.“ Erst nachdem wir den beklemmenden BBC-Dokumentarfilm „War Game“ von Peter Watkins sahen, änderte sich unser Bewusstsein. In diesem Film wird in drastischen und sehr realistischen Szenen ein Atomangriff auf eine englische Kleinstadt gezeigt. Wir verließen verstört die Vorstellung und versetzten uns in die Lage der Überlebenden. Mein erster Gedanke war: Wie können wir diesem Schicksal entkommen, falls es uns treffen sollte? Ich wollte für uns eine Lösung bereithalten, falls wir einen Atomkrieg erleben und überleben sollten. Ich fragte auf dem Heimweg meine Frau, ob sie als Apothekerin nicht die Möglichkeit habe, Zyankali für uns zu besorgen.

nders öffnet uns die Augen und kritisiert u. a. unseren Ressort-Fimmel: „Dinge, um die ich mich nicht sorgen darf, um die brauche ich mich auch nicht zu sorgen“, denn die Kompetenz liegt bei den Militärs und Politikern. Falsch! Es betrifft uns deshalb, „weil es uns treffen kann“. Er fordert uns auf, nicht zu feige zu sein, Angst zu haben. Er erinnert uns daran, dass die Möglichkeit der Apokalypse unser Werk ist: Jeder steht gleich nah zum möglichen Ende. Und so hat auch jeder das gleiche Recht und die gleiche Pflicht, seine Stimme warnend zu erheben. Er endet mit der Warnung: „Wenn es uns: dir, dir und mir, nicht gelingt, die Menschheit mit dieser Einsicht anzufüllen, dann sind wir verloren.“ Den Worten von Günther Anders, folgt die Erzählung „Der Clan der einbrüstigen Frauen“ von Terry Tempest Williams. Von 1951 bis 1962 fanden in der Wüste von Nevada oberirdische Atomversuche statt. „Ich gehöre zu einem Clan von einbrüstigen Frauen. Sowohl meine Mutter als auch meine beiden Großmütter und sechs Tanten hatten eine Brustamputation. Sieben von ihnen sind tot (...) Vor 1960 hatte in unserer Familie nur eine mit Krebs zu tun. (...) Was Statistiken nicht sagen, ist, dass das größte Krebsrisiko vielleicht darin besteht, in Utah zu leben (...).“ Neben diesen persönlichen und historischen Ereignissen erzählt sie auch vom zivilen Ungehorsam mutiger Frauen, die ihr von den Atomtests radioaktiv verseuchtes Land besetzen.

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m dritten Teil der CD hören wir die glühende „Plutonium-Ode“ von Allen Ginsberg. Ginsberg rechnet ab mit „Denkformen von Nationen aus denen bürokratische und entsetzlich bewaffnete teuflische Industrien hervorwuchern, plötzlich entworfen mit der Kraft von fünfhundert Milliarden Dollar (...) den Heilpraktikern der Schwarzen Künste.“ Das ausführliche Booklet enthält die Chronik „Das Atomare Feuer“. Bestellung und weitere IPPNW-Concerts-Veröffentlichungen: www.ippnw-concerts.de Ingrid und Peter Hauber/IPPNW-Concerts



Kleinwaffengewalt

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affengewalt schließt Schulen, leert Märkte, belastet das Gesundheitswesen, zerstört Familien, schwächt Rechtsstaatlichkeit und verhindert, dass humanitäre Hilfe bedürftige Menschen erreicht. Bewaffnete Gewalt tötet – direkt und indirekt – Hunderttausende Menschen jedes Jahr und verletzt unzählige mehr, häufig mit lebenslangen Konsequenzen. Sie ist eine permanente Bedrohung für den Respekt der Menschenrechte.

Foto: Albert Gonzalez Farran/UNAMID/2011

(aus der Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung)


Alle Tafeln der Ausstellung und weitere Informationen unter: genevadeclaration.org/visions-of-hope

Funken der Hoffnung Die „Genfer Erklärung über bewaff nete Gewalt und Entwicklung“ und die Ausstellung „Visions of Hope“ Leben frei von der Bedrohung durch bewaffnete Gewalt ist ein menschliches Grundbedürfnis. Es ist eine Voraussetzung für menschliche Entwicklung, Würde und Wohlbefinden“, heißt es in der „Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung“. Ihre Unterzeichner verpflichten sich, bewaffnete Gewalt nicht nur als Frage der Sicherheit zu betrachten, sondern auch ihre sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen zu berücksichtigen. Denn: Wo Gewalt und bewaffnete Konflikte herrschen, ist nachhaltige Entwicklung nicht möglich. Und wo Armut und Ungleichheit herrschen, steigt die Gefahr gewalttätiger Auseinandersetzungen.

Linke Seite: Sudan. Ein Kind sammelt Munition vom Boden in Rounyn/Nord-Darfur. Der Großteil der Bevölkerung in Rounyn floh nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition in Lager für Vertriebene. Links unten: Demokratische Republik Kongo. Ein AK-47-Gewehr wird zersägt, um es unbrauchbar zu machen. In Zusammenarbeit mit internationalen Geldgebern hat die Regierung der DRK an Programmen teilgenommen, die zum Ziel haben die Weiterverbreitung von ungesicherten und zurückgelassenen Waffen durch ihre Zerstörung zu begrenzen.

Die internationale Fotoausstellung „Visions of Hope“, deren über 100 Schautafeln erstmals im Sommer 2012 in Genf gezeigt wurden, verdeutlicht diesen Zusammenhang, macht aber auch Hoffnung: 45 Fotos eingereicht von Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen zeigen, wie weltweit durch Entwicklungsprojekte, Friedensarbeit und vielfältiges Engagement Wege gefunden werden, die Verpflichtungen der „Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung“ zu realisieren.

Rechts unten: Somalia. 74 % der Haushalte in Somaliland besitzen mindestens eine Schusswaffe. Die sichere Lagerung der Waffen durch eine verund anschließbare Verschalung – geliefert und vertrieben von der dänischen Minenräumungsgruppe – vermeidet Unfälle im Haushalt und Diebstahl.

Foto: Gwenn Dubourthoumieu/MAG

Foto: Peter Müller/DDG 21


Kleinwaffengewalt

Das Ziel ist Prävention Das IPPNW-Programm „Aiming for Prevention“

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ehr als eine Million Menschen sterben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich durch Gewalt, noch höher ist die Zahl derer, die physisch und psychisch verletzt werden.

US-Dollar, was 249 pro Person entspricht und 20 US-Dollar für Militärausgaben gegenüber 24 für das Gesundheitswesen pro Person im Afrika südlich der Sahara. Angesicht dessen wird die Dimension der Aussage des Generalsekretärs deutlich.

Infolge von Kleinwaffengewalt sterben jedes Jahr Hunderttausende, und Millionen tragen Verletzungen davon. Während der Welt­gesundheitsversammlung (World Health Assembly) 1996 erklärte die WHO Gewalt „zu einem der Hauptprobleme für die Gesundheit weltweit“ und forderte Lösungsstrategien.

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ewalt steht dem Erreichen der UNMillennium-Entwicklungsziele im Weg, weshalb die WHO verstärkte Entwicklungshilfe für gesundheitsbezogene Ansätze zur Gewaltprävention forderte. Diese können helfen, Ursachen und Folgen von Waffengewalt zu identifizieren, ermöglichen es Regierungen und der Zivilgesellschaft, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen und angemessene Hilfe für die Opfer bereitzustellen. Mediziner und Angehörige von Gesundheitsberufen haben im Bezug auf gesundheitsbezogene Gewaltprävention eine einzigartige Stellung inne und sind geradezu prädestiniert, zu derartigen Initiativen beizutragen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte im Sommer 2012 auf einer Versammlung für den Vertrag zur Regulierung des Handels mit konventionellen Waffen (Arms Trade Treaty, ATT), dass „die Welt überbewaffnet ist, der Frieden aber unterfinanziert“. Die weltweiten Militärausgaben von 2011 betrugen insgesamt 1,7 Billionen

as „Aiming for Prevention“-Programm der IPPNW ist eine Reaktion auf den Aufruf der WHO und hat eine führende Rolle dabei übernommen, die speziellen Kompetenzen der Mediziner bei der Prävention von Kleinwaffengewalt einzubringen. Das Programm gründet sich auf eine Ethik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. IPPNW-Sektionen, in deren Ländern Kleinwaffengewalt eine signifikante Gesundheitsgefahr darstellt, beteiligen sich an dem Programm. Seit der UN-Konferenz über den illegalen Kleinwaffenhandel (UNPoA) im Jahre 2001, in deren Nachgang die IPPNW die erste internationale Gesundheitskonferenz unter dem Titel „Aiming for Prevention“ einberufen hat, zählt die IPPNW zu den wichtigsten Akteuren auf diesem Gebiet. Als Schwerpunkte unseres Engagements haben wir Forschung, (Weiter-) Bildung, Ausarbeitung politischer Maßnahmen sowie medizinische Hilfe für die Opfer bestimmt.

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uf internationaler Ebene waren wir innerhalb der letzten zehn Jahre die führende NGO aus dem Bereich Medizin und Gesundheit im UNPoA-Prozess, in der UN und bei anderen Treffen, die sich den Verhandlungen über einen Waffenhandelskontrollvertrag (ATT) widmeten. Dieser soll den internationalen Waffenhandel 22

regulieren und der Verletzung von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht durch Waffen vorbeugen. Bisher gibt es keine derartigen Reglungen. Wir haben dabei zahlreiche Podiumsdiskussionen über die gesundheitlichen Aspekte des Themas durchgeführt, Strategiepapiere und medizinische Expertise in die Delegationen von Nichtregierungsorganisationen eingebracht, und das Thema über unsere fesselnden „One Bullet Stories“ erfolgreich bekannt gemacht.

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m Lenkungsausschuss der Koalition für die Waffenkontrolle (Control Arms Coalition), einem Zusammenschluss von NGOs, die sich für die Verabschiedung des ATT einsetzen, sind wir die einzige Stimme aus dem Gesundheitsbereich. Auch auf der zweiten Diplomatenkonferenz zum ATT, die in New York im Februar 2013 stattfand, spielte die IPPNW eine aktive Rolle. Wir haben es auch in Angriff genommen, in Berufsgruppen, die sich traditionell mit Unfallprävention und Gesundheitsrisiken beschäftigen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass durch Kleinwaffen ausgeübte Gewalt ein Problem des Gesundheitswesens ist. Dazu präsentieren wir auf den Weltkonferenzen für Unfallprävention und Sicherheit zahlreiche Publikationen und Informationsmaterial. In Zusammenarbeit mit anderen internationalen Gesundheitsorganisationen, wie etwa dem „US-Center for Disease Control and Prevention“, der Weltgesundheitsorganisation oder dem „Internationalen Komitee des Roten Kreuzes“ haben wir Kon-


Jemen: Ein Junge steht in einem Flüchtlingslager für Essen an, nachdem er vor den andauernden Kämpfen in der Provinz Sa'ada geflohen ist. Foto: Paul Stephens/ Mit freundlicher Genehmigung der Ausstellung „Visions of Hope“

ferenzen zu Themen wie „Gesundheit und Krieg“ organisiert.

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it dem Ziel, politische Entscheidungsträger aufzuklären, haben wir zahlreiche Hintergrundpapiere über Kleinwaffengewalt und deren gesundheitliche Folgen veröffentlicht, z. B. im „Journal of Public Health Policy“ (2007) und in der Zeitschrift „Medicine, Conflict & Survival“ (2008). Wir beteiligen uns außerdem aktiv an internationalen Arbeitsgruppen, etwa an der „Violence Prevention Alliance“ (VPA) der WHO und arbeiten mit Forschungseinrichtungen zusammen, die auf diesem Gebiet eine Schlüsselrolle innehaben, wie der „Small Arms Survey Genf“. Auf nationaler, regionaler, und lokaler Ebene haben unsere Sektionen es immer wieder geschafft, den Gesundheitsaspekt in die Debatte über Gewalt durch Kleinwaffen einzubringen und dabei eine Vielzahl verschiedener Aktivitäten entwickelt, wie zum Beispiel: »» Die grundlegende Forschung an Krankenhäusern zur Dokumentation sowohl der humanitären Kosten als auch der Kosten für das Gesundheitssystem durch Gewalt mit Kleinwaffen in Regionen, wo Waffengewalt ein weitverbreitetes Problem ist (z. B. in El Salvador, Liberia, Papua Neuguinea sowie mehreren afrikanischen Ländern). »» Die Aufklärung über die gesundheitlichen Auswirkungen über die Medien, wie z. B. durch das Radioprogramm „Bringing Peace to the People“ in Nigeria.

»» Informations- und Aufklärungsarbeit durch Konferenzen und Workshops, einschließlich der gemeinsamen Organisation des bevorstehenden Kongresses „Zielscheibe Mensch – zu den sozialen und gesundheitlichen Folgen des globalen Kleinwaffenhandels“ mit der deutschen Sektion der IPPNW. »» Hilfe für Opfer wie z. B. in Sambia, wo 30 österreichische Medizinstudenten der IPPNW mit Partnern aus Sambia an einem langfristigen Forschungs- und Bildungsprojekt arbeiten, um die Versorgung und Rehabilitation von Gewaltopfern zu verbessern. »» Politische Initiativen: So haben etwa 1.700 Beschäftigte aus 58 Ländern aus dem Gesundheitswesen einen „Medical Alert for a strong ATT“ unterzeichnet. Dieser Aufruf für eine umfassende Regelung des Waffenhandels wurde durch das nigerianische IPPNW-Mitglied Dr. Ogebe Onazi während einer ATT-Diplomatenkonferenz im Juli 2012 an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon persönlich übergeben.

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ußerdem hat die IPPNW Empfehlungen herausgegeben, um einzelnen Ländern zu helfen, ihre nationalen Aktions­pläne zur Prävention von Gewalt durch Kleinwaffen umzusetzen. Dabei wurde empfohlen:

»» Berichte über den Fortschritt der Präventionsprogramme in die UNPoA-Berichte aufzunehmen. »» Sicherzustellen, dass das Gesundheitswesen in den nationalen Ausschüssen 23

zum Thema Kleinwaffen angemessen repräsentiert wird. »» Eine nationale Datenerhebung zu den durch Kleinfeuerwaffen verursachten Todesfällen und damit zusammenhängenden Kosten durchzuführen. »» Forschung in Krankenhäusern und Gemeinden zu unterstützen, die detaillierte Informationen über Schusswaffenverletzungen sammeln. »» Die Beteiligung von Medizinern und Angestellten des Gesundheitswesens innerhalb lokaler Präventionsprogramme zu unterstützen. »» Die Unterstützung für die Opferhilfe zu erhöhen. »» Mitarbeiter im Gesundheitswesen, Studierende, Medien, Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger darüber aufzuklären, wie stark das Gesundheitswesen durch Kleinwaffengewalt belastet wird. »» Gruppen, die sich für Sicherheit und Unfallprävention einsetzen, dazu zu ermutigen, sich stärker für die Prävention von Verletzungen durch Kleinwaffen einzusetzen.

Maria Valenti leitet das IPPNWProgramm „Aiming for Prevention“.


Kleinwaffengewalt

Geheilte Wunden, zerstörte Leben Opfer von Kleinwaffengewalt in Kenia

Junge Männer mit Schussverletzungen im Kenyatta National Hospital, Nairobi

Ich bin gegen 6:00 Uhr aus dem Haus gegangen und wollte zur Arbeit gehen, da haben sie mich einfach niedergeschossen. Ohne Vorwarnung. Dann haben sie mich ausgeraubt und sind geflüchtet. Ich habe mich zurück zum Haus geschleppt und meine Frau hat mich ins Krankenhaus gefahren“. Der 37-jährige Elektriker Christopher Wade wurde auf dem Weg zur Arbeit von Unbekannten angeschossen und ausgeraubt. Er hat Glück gehabt. Die Kugel streifte die rechtsseitige Bauchwand, ohne in das Abdomen einzudringen. Nach nicht einmal 45 Minuten war er im Krankenhaus, die Wunde wurde ausgeschnitten, gereinigt (debridiert) und verbunden und er konnte zügig wieder entlassen werden. Der 21-jährige Warsen Adan hatte weniger Glück. Gegen 4:00 Uhr morgens wurde der junge Mann, der sich selbst als „businessman“ bezeichnete von Räubern niedergeschossen. Die Kugel durchschlug das Abdomen und verletzte den Dickdarm (Sigma). Gegen 6:00 Uhr wurde er von Freunden ins Kenyatta National Hospital gebracht. Sein Bauch wurde eröffnet (laparotomiert) und ein künstlicher Darmausgang (Descendostoma) wurde angelegt. Nach 9 Tagen im Krankenhaus konnte er entlassen werden. Nach 6 Monaten sollte er sich zur Rückverlegung des künstlichen Darmausganges (Reanastomosierung) wieder vorstellen.

Schussverletzung im Abdomen

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liud Njenga geriet in eine Schießerei zwischen Kriminellen und der Polizei. Was genau geschehen und wie er ins Krankenhaus gekommen ist, weiß der 27-jährige Hilfsarbeiter nicht mehr. Er wurde von mehreren Kugeln getroffen, wobei eine ihn in den Rücken traf und das Abdomen durchschlug. Am Kenyatta Hospital wurden Bauch und Brustkorb eröffnet (laparotomiert und sternotomiert). Das Zwerchfell wurde genäht und eine Dickdarmentfernung mit künstlichem Darmausgang (Kolonresektion mit Ileostomaanlage) durchgeführt. Nach initialer Erholung wurde das Ileostoma zurück verlegt. Er blieb für insgesamt 52 Tage im Krankenhaus.

Durchschuss durch beide Beine

Der 17-jährige James Mwiko wurde unter ungeklärten Umständen in die linke Brust geschossen. Das Projektil durchschlug den linken Brustkorb (Hemithorax) und verursachte einen HämatoPneumothorax. Nach Anlage einer Thoraxdrainage links und Gabe von zwei Blutkonserven erholte er sich zunächst gut, entwickelte aber im Verlauf eine Rippenfellentzündung (septische Pleuritis) und starb 18 Tage später am sekundären Infekt. „Ich habe wirklich Glück gehabt“, sagte Christopher Wade bei der Entlassung, „aber es ist schon ein sehr seltsames Gefühl, wenn dich jemand umbringen wollte. Ich bin gleichzeitig dankbar und wütend. Es wird lange dauern, bis meine Frau und ich diesen Tag verdaut haben.“

Kibera-Slum in Nairobi 24


Für Warsen Adan kommt neben der Verarbeitung des Erlebten Kontrollen und strenge Gesetze der Waffenplage Herr zu werden. noch ein weiteres ganz existenzielles Problem hinzu. „So wie ich Trotzdem werden die Opfer der Kleinwaffengewalt nach wie vor jetzt bin, wird es schwer werden, eine Arbeit zu finden. Ich hoffe allein gelassen. meine Freunde und Verwandten helfen mir und meiner Familie.“ Bei Entlassung betrug der von ihm privat zu tragende Teil der Kliur ca. 10 % der kenianischen Bevölkerung sind im Besitz nikrechnung 64.580 Kenianische Schilling (ca. 600 Euro). Als Geeiner Krankenversicherung. Noch 2006 wurden fast 30 % legenheitshändler gab er an, zwischen 50 und 100 Euro im Monat aller Gesundheitskosten in Kenia von der Bevölkerung als „Outzu verdienen. Er lebt mit seinen Eltern und sechs Geschwistern of-pocket payments“ selbst bezahlt. Zwar gibt es zunehmend Bein Huruma, einem kleineren Slum in Nairobi. Das Geld für die strebungen, günstige Versicherungen für Niedriglohnempfänger Klinikrechnung haben seine Eltern bei Freunden und Verwandten zu entwickeln, aber auch deren Policen sind für einen Großteil der geliehen. Wann er das Geld für die Stoma-Rückverlagerung zu- Bevölkerung nicht bezahlbar. Nach einer Studie des kenianischen sammenhaben wird, weiß er nicht. Zuerst muss er das geliehene Ministeriums für Planung und Entwicklung leben ca. 44 % der Geld zurückzahlen. Auch die Stoma-Versorgung bereitet ihm Einwohner Nairobis unterhalb der mit ca. 26 Euro pro ErwachSorgen. Stoma-Material ist in Nairobi teuer und schwer zu be- senem und Monat angegebenen Armutsgrenze. kommen. Auch hat ihre Unterkunft weder fließend Wasser noch eine eigene Toilette. Zwar gibt es in den meisten Slums Latrinen, In unserer 2006 am Kenyatta National Hospital Nairobi über 6 Toilettenpapier oder Möglichkeiten zum Waschen sucht man je- Monate durchgeführten Studie zählten Walter Odhiambo von doch vergebens. Auch würden viele Latrinen, der IPPNW Kenia und ich 120 Patienten mit selbst wenn sie von der Stadtverwaltung oder Schusswaffenverletzungen. In einer FolgeFür viele Opfer beginnt der von NGOs errichtet worden sind, von lokalen studie zählte Walter Odhiambo, sogar über Kampf ums Überleben erst „Landlords“ als ihr Eigentum betrachtet und 700 Fälle in zwei Jahren. In unserer Studie nach dem Krankenhaus. sie verlangen Geld für die Benutzung. betrug der privat zu tragende Teil der Klinikrechnung im Mittel fast das Dreifache desFür Eliud Njenga stellt sich das Problem ähnlich dar. Er lebt in sen, was die Familie des Patienten normalerweise pro Monat zum Kamukunji, einem Slum in der Nähe der Innenstadt. Auch er lebt Leben hat. Eine finanzielle oder logistische Unterstützung nach unter erbärmlichen Bedingungen in einem Wellblechverschlag Krankenhaus­entlassung fehlt gänzlich. inmitten von Müll und Abwässern ohne fließend Wasser und sanitäre Einrichtungen. Nach 52 Tagen im Krankenhaus und einer rotz vielfacher Diskussionen um eine bessere OpferversorRechnung von gut 500 Euro steht Eliud Njenga vor dem Ruin. gung blieben die Forderungen nach kostenloser Behandlung Auch er lebte von Gelegenheitsjobs. Er ist verheiratet und hat ein oder finanziellen Kompensationen für die Opfer von KleinwaffenKind. Wenn es seiner Frau nicht gelungen ist, das Geld für die gewalt ungehört. Berechtigte Argumente wie „Und was ist mit den Miete aufzutreiben, sitzen sie nun auf der Straße. Dazu leidet er vielen Opfern des Straßenverkehrs?“ bis hin zu zynischen Komseit der AP-Rückverlegung unter Durchfällen und hat noch immer mentaren wie „Und wie willst Du Opfer und Täter unterscheiden? bei jedem Schritt Schmerzen. Einen neuen Job zu finden wird Die Hälfte hatte die Kugel bestimmt verdient“ sind in der Debatte nicht einfach. zu hören.

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Den vielen Opfern der täglichen Waffengewalt hilft diese Debatte nicht. Für viele von ihnen beginnt der Kampf ums Überleben erst nach dem Krankenhaus.

eispiele wie diese gibt es zu Hunderten. Auch wenn diese „Fälle“ bereits einige Jahre alt sind, hat sich an der grundlegenden Problematik nicht viel geändert. Täglich werden in Kenia und den anderen Ländern Ostafrikas Menschen durch Kleinwaffen schwer verletzt und müssen, wenn sie das Glück hatten, den Angriff zu überleben, mit den physischen und psychischen Folgen des Traumas umgehen. Ein Verlust der sozialen Integrität mit Arbeitslosigkeit und dauerhaftem Abstieg in bittere Armut ist häufig die Folge.

Florian Hugenberg ist Arzt, promovierte über „Schusswaffenverletzungen am Kenyatta National Hospital, Nairobi“ und engagiert sich im Rahmen des IPPNW-Programms „Aiming for Prevention“.

Durch die geografische Nähe zu den benachbarten Bürgerkriegsgebieten leidet Kenia seit Jahrzehnten unter einer hohen Präsenz von illegalen Kleinwaffen. Das Problem ist seit Langem bekannt und die kenianische Regierung bemüht sich, durch verstärkte 25


Kleinwaffengewalt

Zielscheibe Weichziel Heckler & Koch ist Europas tödlichstes Unternehmen

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4,4 kg) als das G3. Zugleich ist die Kadenz (Schussfrequenz) aller G36-Versionen mit 750 Schuss pro Minute weitaus höher als die des G3 mit 600 Schuss pro Minute. Auch wenn der Wert angesichts des notwendigen Magazinwechsels ein theoretischer ist, wird die Tötungsoption vieler Menschen in kürzester Zeit ersichtlich.

n Oberndorf am Neckar – Luftlinie keine 30 Kilometer von Villingen-Schwenningen als Tagungsort des Kongresses „Zielscheibe Mensch“ entfernt – hat die Heckler & Koch GmbH (H&K) ihren Stammsitz. Das 1949 gegründete mittelständische Unternehmen verdankt seinen Aufstieg der Entwicklung und dem Verkauf des Schnellfeuergewehrs G3 und weiterer Kriegswaffen: an die Bundeswehr und an offiziell mindestens 88 Staaten, darunter NATO-Staaten, Nicht-NATO-Staaten und Drittländer mit zahlreichen Diktaturen. Dank einer ungehemmten Waffenexportpolitik avancierte H&K zu Europas größtem Hersteller und Exporteur von Gewehren und Pistolen.

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chon 1996 wurden die Krisenreaktionskräfte (KRK) mit G36 ausgestattet, in der Folge die gesamte Bundeswehr. Die Erfolge kommen nicht von ungefähr. „Wie ein Löwe“ habe er für das G36 gekämpft, brüstete sich Volker Kauder, seines Zeichens Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und für Oberndorf zuständiger Wahlkreisabgeordneter. Bei einem Besuch im H&KStammwerk nutzte H&K-Hauptgesellschafter Andreas Heeschen die Gelegenheit zum Dank an den Rüstungslobbyisten Kauder: Dieser habe „immer wieder die Hand über uns gehalten (…), wenn es um Exportgenehmigungen ging“. Mit Erfolg. Bereits heute schießen Sicherheitskräfte in rund 30 Staaten mit der neuen Wunderwaffe, weitere werden hinzukommen.

Als Lizenzgeber erteilte die Bundesregierung in zwei Jahrzehnten G3-Nachbaurechte an nachweislich 15 Staaten: Portugal (1961), Pakistan (1963), Schweden (1964), Norwegen, Iran und die Türkei (alle 1967), Saudi-Arabien (1969), Frankreich (1970), Thailand (1971), Brasilien (ca. 1976), Griechenland (1977), Mexiko (1979) und Myanmar (ehemals Birma 1981). Zudem sollen die Philippinen und Malaysia G3-Lizenzen erhalten haben. Bis heute werden in mehreren dieser Staaten G3-Gewehre gefertigt und exportiert, beispielsweise im Iran unter Mahmud Ahmadinedschad. Da die durchschnittliche Verwendungsdauer der Kleinwaffen auf 50 Jahre geschätzt wird, stieg die Verbreitung von H&K-Waffen in den vergangenen Jahrzehnten stetig an.

Noch unter der christlich-liberalen Bundesregierung Kohl/Kinkel wurde die Vergabe einer G36-Lizenz an Spanien genehmigt. Der folgenschwerste Rüstungsexport des vergangenen Jahrzehnts aber geschah 2008 unter der CDU/CSU/SPD-geführten Regierung Merkel/Steinmeier. Die große Koalition genehmigte die Vergabe einer G36-Lizenz für das menschenrechtsverletzende Königshaus in Saudi-Arabien. Dabei hatten die Negativerfahrungen der G3-Lizenz an Riad eindeutig belegt, dass die saudischen Militärs den vertraglich garantierten Endverbleib der Waffen gebrochen und menschenrechtsverletzende, wie auch Krieg führende Staaten illegal beliefert hatten. In diesem Sinne wäre es wenig überraschend, wenn die Herstellerfirma MIC nach der Ausrüstung der eigenen Streitkräfte auch in Zukunft widerrechtlich Sturmgewehre – diesmal des Typs G36 – vielfach reexportieren würde. Das G36-Desaster nimmt weitgehend unkontrolliert seinen Lauf. Mit dem neuen Präzisionsgewehr G28 und dem Granatwerfer XM25 – der den internationalen Waffenmarkt revolutionieren und die Opferzahl erhöhen wird – hat das Unternehmen zwei weitere heiße Schießeisen im Feuer.

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ach der Kalaschnikow mit bis zu 100 Millionen Exemplaren ist das G3-Gewehr mit rund 15 Millionen verkaufter Exemplare die Nummer zwei auf dem globalen Waffenmarkt, weltweit eingesetzt von Soldaten und Kindersoldaten, Guerillaeinheiten und Terroristen. Schätzungen der internationalen Kampagne Control Arms sprechen gar von „zwischen 15 und 20 Millionen“ G3 im Umlauf – wobei die sogenannte H&K-„Waffenfamilie“ von Pistolen bis hin zu Maschinengewehren reicht. Während die G3-Produktion weltweit langsam ausläuft und Abermillionen der Sturmgewehre noch einige Jahrzehnte im Einsatz sein werden, haben die Nachfolgemodelle längst ihren Siegeszug angetreten: Mit den Sturmgewehren HK416 und dem HK417 werden erste Absatzmärkte erschlossen. Allen voran aber erobert das G36 den Weltwaffenmarkt.

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ie Jahrzehnte währenden hemmungslosen Direktexporte von Kriegswaffen aus Oberndorf und die immens hohe Zahl von Lizenzvergaben für G3-Gewehre (seitens des Bundes) sowie Ma-

Das neue Sturmgewehr ist kürzer (999 mm statt 1020 mm mit fester Schulterstütze) und leichter (zwischen 2,8 und 3,6 kg statt 26


„Auch bei kurzen Entfernungen tritt im weichen Zielmedium keine Geschosszerlegung auf.“ H&K-Waffenwerbung über das Töten von Menschen

agieren kann. Im April 2010 erstattete ich Strafanzeige gegen führende H&K-Manager wegen des Verdachts illegaler G36-Gewehrexporte in verbotene Provinzen Mexikos. Zwei Hausdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart, des Landeskriminalsamtes Baden-Württemberg bzw. des Zollkriminalamtes folgten. Der H&K-Geschäftsführer Peter Beyerle trat zurück. Mit der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ erstatteten wir mittlerweile zum zweiten Mal Strafanzeige, diesmal wegen des Verdachts widerrechtlicher G36-Exporte an das diktatorische Regime Muammar al-Gaddafis in Libyen.

schinenpistolen, Sturm- und Maschinengewehre (seitens H&K) zeitigen dramatische Folgen. Würde man eine Staatenkarte zeichnen, dann wäre eines augenscheinlich: Die Dokumentation der weltweiten Verbreitung und des Einsatzes von H&K-Waffen lässt gerade mal zwei weiße Flecken offen. Die ehemaligen Mitgliedsstaaten der Warschauer Vertragsorganisation – dominiert von den Kalaschnikow-Fabrikanten – und die Antarktis. Kaum ein Krieg, der nicht mit H&K-Waffen geführt wird, in der Regel auf beiden Seiten der verfeindeten Konfliktparteien.

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uch wenn die Ermittlung von Opferzahlen auf einer Kombination von Fakten und Schätzungen basiert, belegen meine umfassenden Recherchen: Seit der Aufnahme der Waffenproduktion Mitte der Fünfzigerjahre starben mehr als zwei Millionen Menschen durch Kugeln aus dem Lauf von H&K-Waffen. Weitaus mehr wurden zeitlebens verstümmelt, nahezu ausnahmslos alle traumatisiert. Angesichts dieser Todesbilanz ist Heckler & Koch Europas tödlichstes Unternehmen.

Angesichts der klaren Indizienlage im Fall Mexiko kann davon ausgegangen werden, dass das Strafverfahren gegen H&K-Topmanager in der zweiten Jahreshälfte 2013 eingeleitet wird. Weitere Informationen zu Heckler & Koch auch unter: »» www.juergengraesslin.com »» www.aufschrei-waffenhandel.de »» www.rib-ev.de »» www.dfg-vk.de

Dieser menschlichen Katastrophe ungeachtet warb Heckler & Koch auf der Waffenmesse IDEX in Abu Dhabi 2011 mit dem Slogan „No compromise“, „keine Kompromisse“. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, da im Maghreb, dem Nahen und Mittleren Osten der Arabische Frühling auch mit H&K-Waffen zusammengeschossen wurde. In früheren Jahren setzte der Oberndorfer Kleinwaffenproduzent gar auf die technischen Vorzüge des Tötens: „Die Wirkung auf Weichziele entspricht internationalen Abkommen“. Bei kurzen Entfernungen trete „im weichen Zielmedium“ – gemeint waren Menschen – keine Geschosszerlegung auf. Doch vorbei sind die Zeiten, da das Unternehmen nach Belieben

Jürgen Grässlin zählt seit vielen Jahren zu den profiliertesten Rüstungsgegnern Deutschlands. Er ist Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“. Sein „Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“ erscheint im Mai 2013. 27


Kleinwaffengewalt

Händler des Todes Interview mit dem Autor Andrew Feinstein

forum: Bei dem Wort „Waffenhändler“ denken viele Leute an die Figur, die Nicholas Cage in „Lord of War – Händler des Todes“ spielte. Sie haben einige der großen Dealer interviewen können. Was muss ich können, um internationaler Waffenhändler zu werden?

Bundesnachrichtendienstes Bundeswehrmaterial ins Ausland.

Andrew Feinstein: Was mich bei diesen Leuten überrascht hat, war, dass sie meist charmant sind mit großen Egos, Figuren wie direkt von der Leinwand. Das ist wohl der Grund, warum sie mit ihren Klienten so gut können. Aber eine weitere Qualifikation ist wohl ein fast völliger Mangel an Ethik und Moral, an der Schwelle zum Soziopathischen. Ich glaube, deshalb haben sie mit mir gesprochen. Sie wollten erzählen, wie sie der Welt Gutes getan haben.

Feinstein: Genau. Hovsepian sagte mir, dass alles, was er in den vier Jahrzehnten seiner Karriere gemacht hat, der Verteidigung der Menschheit diente. Dass er Unmengen an Geld verdient hat, indem er UN-Embargos und nationale Gesetze brach, tat er fast als Zufall ab. Er verkaufte eigentlich an jeden, zum Beispiel während der Balkankriege. Nur an Israel verkaufte er nie. Auch zur Politik der USA äußerte er sich sehr kritisch. Aber dann zog er Erkennungsmarken heraus, die er als Auftragnehmer für das US-Verteidigungsministerium im Irak und in Afghanistan bekommen hatte – und die ihn als solchen identifizieren.

forum: Bitte? Was tun Waffenhändler der Welt denn Gutes?

forum: Welche Rolle spielt denn Korruption im Waffenhandel?

Feinstein: Ich traf Joe der Hovsepian, einen libanesischen Armenier, in Amman in Jordanien. Er hatte übrigens ein Büro in Deutschland und startete seine Karriere bei einer deutschen Firma ...

Feinstein: Transparency International hat berechnet, dass 40 % aller weltweiten Korruption im Waffenhandel stattfinden. Eine beängstigende Zahl, weil 60 Milliarden Dollar jährlich für Waffen ausgegeben werden. Der Grund dafür ist, dass auf der Ebene der großen Deals zwischen Regierungen nur vier bis sechs Aufträge pro Jahr vergeben werden. Sie sind Milliarden Dollar wert

forum: ... die ein ehemaliger Offizier der Waffen-SS nach dem Krieg gründete. Das Unternehmen verkaufte im Auftrag des

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und deshalb von allergrößter Bedeutung für die beteiligten Unternehmen. Die Entscheidungen über diese Summen werden von sehr wenigen Menschen in den Regierungen getroffen. Zusätzlich findet alles hinter dem Schleier der Geheimhaltung wegen der nationalen Sicherheit statt. Ein fruchtbarer Boden für Korruption. forum: Aber die Politik hat doch die Kontrolle über den Waffenhandel? Feinstein: Rüstungsfirmen und Regierungen sind sich sehr nah. Die Unternehmen sind Teil der nationalen Verteidigung, haben enge Verbindungen zu Verteidigungsministerien und Geheimdiensten. Gleichzeitig haben sie starke Verbindungen zu jenen illegalen Waffenhändlern und nutzen sie oft als Mittelsmänner. Deshalb unterscheide ich nicht zwischen dem angeblich sauberen – aber tatsächlich extrem korrupten – Handel auf Regierungsebene und dem illegalen Handel, dem Schwarzmarkt. Meiner Meinung nach sind sie völlig miteinander verflochten und sogar voneinander abhängig. Hinzu kommt, dass Rüstungsfirmen oft mit politischen Parteien verquickt sind, am extremsten in den USA. forum: Gilt das auch für Deutschland?


Fotos: controlarms

Feinstein: Auch hier sind enge Kontakte von Waffenverkäufern und Parteien üblich. Die Affäre um Helmut Kohls CDU und den Waffenlobbyisten Karl-Heinz Schreiber ist ein berüchtigtes Beispiel. Und auch gegen deutsche Unternehmen gibt es Vorwürfe, bestochen zu haben. Deutsche Staatsanwälte verfolgten sie aber nicht wegen Korruption, sondern wegen Steuervergehen. Ein Konzern musste Steuern zurückzahlen: Öffentlich wurden Schmiergelder aber nicht erwähnt, die überhaupt erst zu dem Steuervergehen geführt hatten – trotz aller Beweise, die den Ermittlern vorlagen. So heißen Behörden letztendlich illegales Verhalten gut. forum: Diese Vorgänge liegen bereits einige Jahre zurück. Blicken wir auf das Jahr 2011. Die NATO-Staaten haben sich nach dem Sieg über das libysche Regime selbst gefeiert. Müssen wir uns wegen Gaddafis Waffen Sorgen machen? Feinstein: Absolut! Die Ironie von Libyen ist, dass die NATO-Flugzeuge bei ihren Angriffen zuerst Ausrüstung zerstören mussten, die NATO-Staaten seit 2003 selbst an Gaddafi verkauft hatten.* forum: Deutsche Waffen wie Panzerabwehrraketen und Sturmgewehre sind in

Libyen aufgetaucht. Was ist nach dem Bürgerkrieg damit passiert? Feinstein: Die nächste Ironie: Gaddafi kaufte den Europäern so viele Waffen ab, dass er nicht einmal genug Soldaten hatte, um alle zu benutzen. Sie wurden einfach in Hallen gelagert, unbewacht. Die wurden während des Aufstandes geplündert. Ein beträchtlicher Teil dieser Waffen ist auf dem Schwarzmarkt gelandet, zum Beispiel in Ägypten. Wer 50.000 Dollar übrig hat, kann sich ein Boden-Luft-Raketensystem kaufen, mit dem man einen kommerziellen Airliner abschießen kann. Die Chancen, dass unsere Waffen in falsche Hände geraten, sind extrem hoch. forum: Die Kontrollmechanismen funktionieren also derzeit nicht. Aber Kriege und Waffen wird es immer geben. Was kann getan werden, um den Waffenhandel zu entschärfen? Feinstein: Ich fordere gar nicht, dass wir die Produktion einstellen. Wir sollten den Handel besser kontrollieren. Wir brauchen ein besseres Tracking-System und klarere Vereinbarungen, wie Waffen gesichert werden müssen und wem sie verkauft werden dürfen. Außerdem müssen wir mehr Transparenz beim Verkauf schaffen. Zum Bei29

spiel könnte man gesetzlich vorschreiben, Informationen über die Mittelsmänner zu veröffentlichen, über die der Großteil der Korruption abläuft: Wer sie sind, wie viel sie verdienen und was genau sie für das Geld tun. In der gemeinsamen Position der EU zum Waffenexport würde ich gern einen starken, für Staaten verpflichtenden Anti-Korruptions-Mechanismus sehen. Der internationale Waffenhandels-Vertrag wird derzeit bei den Vereinten Nationen verhandelt. Auch er braucht starke Vorgaben gegen Korruption, vor allem müssen aber Vorschriften auch ernsthaft durchgesetzt werden. Im Moment gibt es dafür keinen politischen Willen. Dabei regulieren wir auch Tabak und Alkohol. Der Waffenhandel ist mindestens genauso gefährlich. Andrew Feinstein ist Autor des Buches „Waffenhandel. Das globale Geschäft mit dem Tod“, ehemaliges Mitglied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und zurzeit Mitglied des südafrikanischen Parlaments. Er wird auf dem IPPNW-Kongress „Zielscheibe Mensch“ sprechen. Interview: Zeitung

Jannis

Brühl/Süddeutsche

*Anm. d. Red.: Das Interview wurde vor Beginn des Mali-Krieges geführt.


Welt

Fehlanzeige Katastrophenhilfe: Im Falle einer Atomwaffenexplosion wäre effektive humanitäre Hilfe unmöglich. Foto: Ozarks Red Cross

Das Humanitäre im Fokus Die Debatte über Atomwaffen neu ausrichten

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nfang März wurde es spannend für die Anti-Atomwaffen-Bewegung: Vom 4. bis 5. März fand in Oslo eine internationale Konferenz statt, auf der über die humanitären Auswirkungen des Einsatzes von Atomwaffen diskutiert wurde. Es wurden über 100 Experten-Delegationen verschiedener Staaten erwartet. Auf dem Konferenzprogramm standen außer den unmittelbaren humanitären Folgen einer Atom­explosion auch die längerfristigen globalen Auswirkungen sowie die Frage nach dem Katastrophenschutz und existierenden Nothilfe-Einsatzplänen der jeweiligen Länder. Die Konferenz gab den Regierungen Raum zum Dialog und zur Diskussion und fand ohne die Absicht einer offiziellen Erklärung statt. Wir hoffen, dass mit diesem Fokus auf die konkreten humanitären Auswirkungen ein neuer internationaler Prozess zur Ächtung von Kernwaffen beginnt. Die Konferenz war nicht öffentlich zugänglich, es gab aber eine kleine Delegation von AktivistInnen, die uns dort vertraten. Auch Xanthe Hall, die IPPNW-Expertin für Abrüstung und Atomwaffen, gehörte zu dieser Gruppe. Organisiert wurde die Konferenz von der norwegischen Regierung in Zusammenarbeit mit ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons). ICAN wurde 2006 von der IPPNW gegründet und bildet seitdem ein erfolgreich wachsendes Netzwerk von inzwischen schon 286 Partnern in 68 Ländern.

ser damaliger Studierendensprecher Timothy Moore-Schmeil war mit dabei. Im Oktober fand ein Treffen der europäischen StudierendensprecherInnen in Kopenhagen statt, bei dem Magnus Løvold von ICAN aus Norwegen allen ein fundiertes Training in der ICAN-Kampagnenarbeit gab. Mit frisch gestärkter Zuversicht und Begeisterung wurde der Entschluss gefasst, als deutsche IPPNWStudierende verstärkt mit ICAN zusammenzuarbeiten und auf die Konferenz in Oslo hinzuwirken. Zusammen mit Mitgliedern anderer ICAN-Partnerorganisationen haben wir uns seitdem erfolgreich dafür eingesetzt, dass sowohl die Regierung als auch viele zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland in Oslo mit dabei sind. Bei unseren Treffen und Aktivitäten konnten wir uns dabei immer auf die tatkräftige Unterstützung des ICAN-Büros in Oslo verlassen, die uns auch mit ihren „Action Alerts“ immer auf dem neuesten Stand hielten. So wussten wir zum Beispiel, wann wir das Außenministerium zu kontaktieren hatten.

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m Februar dieses Jahres organisierten wir einen Runden Tisch in Berlin mit Mitgliedern verschiedener Organisationen, wie der Heinrich-Böll-Stiftung, der Diakonie Katastrophenhilfe, Facing Finance, INES, dem Deutschen Roten Kreuz und der Grünen Jugend, die wir von der Wichtigkeit ihrer Anwesenheit in Oslo überzeugen wollten. Es fand ein engagierter, konstruktiver Austausch statt, der zur Planung weiterer gemeinsamer Treffen führte. Der humanitäre Ansatz hat bei allen TeilnehmerInnnen großes Interesse geweckt. Anfangs gab es bei einigen zwar Zweifel, ob Atomwaffen in ihren Arbeits- bzw. Themenbereich passen – nach unseren Referaten und in der Diskussion wurde aber allen deutlich, dass das Thema sie auch betrifft und wie sie mit ihrem Engagement einen wichtigen Beitrag leisten können. Mit dem Fokus auf humanitäre Folgen von Atomwaffen rennen wir offene Türen ein. Wir haben die Möglichkeit unser Netzwerk für die Ächtung von Atomwaffen zu stärken, zu erweitern und einen wichtigen Schritt auf unserem Weg voranzukommen!

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chon in den Tagen vor der Konferenz waren in Oslo Hunderte AnhängerInnen einer atomwaffenfreien Welt zu Gast: Vom 2. bis 3. März organisierte ICAN ein zivilgesellschaftliches Forum, um Menschen aus allen Ecken der Welt zusammenzubringen und in ihren Aktivitäten zu vernetzen. Kernwaffen sind nicht nur ein Problem für Frieden und Sicherheit, ihr Einsatz hätte auch katastrophale ökologische, ökonomische und entwicklungspolitische Folgen. Zum Forum eingeladen waren daher alle zivilgesellschaftlichen Organisationen, deren Engagement von diesen dramatischen Auswirkungen betroffen wäre. Die AktivistInnen hatten die Möglichkeit, ExpertInnen zum Thema anzuhören, sich über Aktivitäten und weitere Pläne auszutauschen und an zahlreichen Workshops teilzunehmen. Wir wollen demonstrieren, dass es in der Gesellschaft ein breites Engagement gegen Atomwaffen gibt und dass ein Verbot und die Vernichtung aller Atomwaffen sowohl möglich als auch dringend notwendig sind. Deshalb machten sich auch viele IPPNW-Mitglieder aus aller Welt auf den Weg nach Oslo.

Weitere Berichte und persönliche Eindrücke aus Oslo finden Sie im Blog der Kampagne „atomwaffenfrei.jetzt“: atomwaffenfrei.wordpress.com Neue MitstreiterInnen sind immer willkommen!

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ie Vorbereitungen der deutschen IPPNW-Studierenden für beide Konferenzen liefen seit letztem Jahr. Anlässlich des IPPNW-Weltkongresses in Hiroshima im vergangenen August trafen sich mehr als 100 ICAN-Aktivisten aus 25 Ländern, auch un-

Judith Achenbach ist IPPNWStudierendensprecherin. 30


aktion

von Rechts: Regisseur Mahdi Fleifel, Protagonist Abu Eyad und Produzent Patrick Campbell

Nicola Kaatsch hielt das GruSSwort für die IPPNW

Filmfieber

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Friedensfilmpreis 2013

© Stephan Roehl

er 28. Friedensfilmpreis der Berlinale ging an den palästinensisch-dänischen Regisseur Mahdi Fleifel für seinen Dokumentarfilm „A World Not Ours“. Am 17. Februar fand die Preisverleihungs im überfüllten Kino Babylon statt. Der Regisseur nahm zusammen mit Produzent Patrick Campbell und seinem Freund und Protagonisten des Films, Abu Eyad, den Preis entgegen. Zum dritten Mal organisierte die Friedensfilmpreisgruppe eine kleine aber medienwirksame Solidaritätsaktion mit dem iranischen Regisseur Jafar Panahi, der unter Berufs- und Reiseverbot steht – diesmal mit der Forderung „Er sollte hier sein“. Fotos der lebensgroßen Pappfiguren vor dem Berlinale Palast und der stillen Demonstration der Jurymitglieder gingen um die Welt.

von Links: Regisseur Mahdi Fleifel und Laudator Rosa von Praunheim

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gelesen

geSehen

Friedlich in die Katastrophe

Leben für eine humane Medizin

Die „Bibel der Atomkraftgegner“: Holger Strohm hat sein Buch mit einem jungen Filmteam auf die Leinwand gebracht.

Die Psychoanalytikerin und Protokollantin des Nürnberger Ärzteprozesses Alice Ricciardi-von Platen

bwohl das gleichnamige Buch schon im Jahr 1973 als umfassendes Standardwerk zur Atomkraft erschien und in den 80ern Jahren zur „Bibel“ der Atomkraftgegner mit hohen Verkaufzahlen wurde, ist es um den gleichnamigen Film, der derzeit in Programmkinos läuft, recht still. Dabei gibt es kaum einen zweiten Film, der die Anti-AtomBewegung von ihren Anfängen bis heute zeigt und die ganze Katastrophe der friedlichen Atomkraft in ihrer gewaltigen Dimension beleuchtet.

r. med Alice Ricciardi-von Platen (1910-2008), Beobachterin des Nürnberger Ärzteprozesses, veröffentlichte 1948 die Dokumentation „Die Tötung Geistes­ kranker in Deutschland“, womit sie die Patientenmorde im Rahmen der „Euthanasie“ als das zentrale Verbrechen der deutschen Medizin im Nationalsozialismus zum ersten Mal ans Tageslicht gebracht hat.

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Reinhard Schlüter hat nun eine subtile, umfassende Biografie über die Psychiaterin und Psychoanalytikerin vorgelegt. Dank einer präzisen Recherche unter Einbezug der persönlichen Tagebücher und Korrespondenzen entwirft der Autor ein authentisches, staunenswertes nahezu 100-jähriges Lebenspanorama. Es wird eine hellwache Zeugin des vorigen Jahrhunderts beschrieben. International-republikanisch-demokratisch gesinnt, war sie eine entschiedene Gegnerin der Nazis, deren „Eugenik“ und Rassenwahn sie verachtete. Sie flüchtete 1935 als Assistenz­ ärztin aus einer Ausbildungsklinik, als dort Zwangssterilisationen an „Minderwertigen“ durchgeführt wurden. Sie rettete 1943 als Landärztin Patienten vor der Gaskammer. Als sie erfuhr, dass psychisch kranke und behinderte Patienten massenweise von ihren Ärzten in den Tod getrieben worden waren, war sie zutiefst empört und bemühte sich seitdem, den Ermordeten ihre Ehre wieder zurückzugeben.

„Friedlich in die Katastrophe“ ist, wie schon das Buch, ein monumentales Werk. Viele, auch der IPPNW eng verbundene Wissenschaftler kommen darin zu Wort. Der Film ist zwei Stunden lang und ein großartiges Bekenntnis und Dokument gegen Atomkraft. Außerdem ist der Film, und das unterscheidet ihn von anderen Produktionen rund um die Atomkraft, ein sehr gesellschaftskritischer Film, der die Verflechtung von Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaftlern, Militär und Atomkonzernen aufzeigt und zu Recht anprangert. Der Film macht auch vor der Wirtschaftsordnung nicht Halt und zeigt imperiale Machtstrukturen, die Atombombe und den Wachstumszwang im Kapitalismus als Notwendigkeit der Atomindustrie. Aber recht haben ist in einem Film nicht alles. „Friedlich in die Katastrophe“ ist kein strenger Dokumentarfilm; besonders die letzte halbe Stunde des Films gleicht eher einer Anklage an die Menschheit, die mit der Atomspaltung auch ihren Verstand verloren hat. Der Film verfolgt dabei nur noch teilweise argumentative Linien. Er wird dann zu einem moralischen Klagelied über die Verbrechen der Politik und Atomlobby an der Menschheit und führt dem Zuschauer die Grausamkeiten der Atomenergie wieder und wieder vor Augen. Das aber bringt für den Zuschauer wenig, gerade für den, der sich schon mit dem Thema beschäftigt hat. Hier erzeugt der Film eher Frustration und Niedergeschlagenheit; vielleicht gerade, weil die Anklagen gegen die Atomindustrie berechtigt sind. Fazit – ein starker Film, der kein Blatt vor den Mund nimmt, aber eine halbe Stunde weniger hätte dem Film gut getan.

Frau von Platen, seit 1948 auch eine Pionierin der psychoanalytischen Gruppentherapie, war im Nachkriegsdeutschland vergessen, wurde aber in den 1990er Jahren von einer neuen, jungen Generation wiederentdeckt und erlebte mit ihrer Wirkungsgeschichte auch dank unserer Nürnberger IPPNW Kongresse „Medizin und Gewissen“ eine erfreuliche Renaissance. Bewegend ist die Lektüre der Biografie dieser großen Aufklärerin, deren Stern vor dem düsteren Nachthimmel der NS-Medizinverbrechen leuchtet. Dieses Buch ist zu einem zeitgeschichtlichen und medizinethischen Dokument par excellence geworden.

Jens Wagner, IPPNW

Helmut Sörgel, IPPNW Nürnberg

„Friedlich in die Katastrophe“: Ein Dokumentarfilm von Marcin El, Produktion Holger Strohm, D-2012; 120 min.; PAL; 16:9 www.friedlich-in-die-katastrophe.de

Reinhard Schlüter: Leben für eine humane Medizin. Alice Ricciardi-von Platen – Psychoanalytikerin und Protokollantin des Nürnberger Ärzteprozesses. Campus, 2012, 261 S., 29,90 €, ISBN 978-3-593-39356-8 32


GEDrUcKt

tErMINE

März 24.3.-1.4. Ostermärsche

APrIL 12.4. Podiumsdiskussion „Neue Impulse für eine Welt ohne Atomwaffen“, Bremen 14.4. Podiumsdiskussion „Tödliche Geschäfte: Deutschland und der Waffenhandel“, Bremen 26.4.-28.4. IALANA-Kongress „Quo vadis NATO? – Herausforderungen für Demokratie und Recht“, Bremen

Wir sehen uns in Büchel! Für das große Anti-Atomwaffen-Happening mit Musik-Blockade in Büchel im August 2013 gibt es eine schöne neue Postkarte, mit der man Freunde und Freundinnen einladen oder für die Aktion werben kann,

z. B. an Ständen, bei Veranstaltungen, Demos oder Ostermärschen. Die Postkarte kann kostenfrei (zzgl. Porto) bestellt werden unter:

atomwaffenfrei.de/aktiv-werden/ressourcen/online-bestellung

GEPLANt Das nächste Heft erscheint Mitte Juni 2013. Im Schwerpunkt geht es um

30.5.-2.6. Zielscheibe Mensch – Internationaler Kongress zu sozialen und gesundheitlichen Folgen des globalen Kleinwaffenhandels, Villingen-Schwenningen

AUGUSt Aktionscamp gegen Büchel als Atomwaffenstandort 5.8. Start der gewaltfreien Aktionen der Kampagne „atomwaffenfrei. jetzt“

IMPrESSUM UND BILDNAchWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhü-

Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke

tung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verant-

bedürfen der schriftlichen Genehmigung.

wortung e.V. (IPPNW) Sektion Deutschland

Redaktionsschluss

Redaktion: Sabine Farrouh (V.i.S.d.P.), Angelika

30. April 2013

Wilmen, Samantha Staudte

Gestaltungskonzept: www.buerobock.de, Layout:

Freie Mitarbeit: Ulla Gorges, Johannes Schild-

Samantha Staudte; Druck: H&P Druck Berlin;

knecht

Papier: PlanoArt, Recycling FSC. Bildnachweise:

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körtestra-

S. 6 rechts: Ömer Ünlü/Flickr (CC BY 2.0); nicht

ße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69 80 74 0,

gekennzeichnete: privat oder IPPNW.

Fax 030 / 693 81 66, E-Mail: ippnw@ippnw.de,

26.-29.5. Fahrradtour gegen Kleinwaffenhandel, von Ulm in 3 Etappen nach Villingen-Schwenningen

www.human-target.org

Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 134/Juni 2013 ist der 30. April 2013.

das

MAI/JUNI

www.zielscheibe-mensch.de

Katastrophales Leid: Die humanitären Folgen von Atomwaffen

für

Informationen und Kontaktdaten: www.ippnw.de/aktiv-werden/termine

nächste

Heft:

5.-12.8. Aktionscamp, Informieren der Bevölkerung rund um Büchel, Sternradfahrt, Mitmachen oder Unterstützen der Fastenaktion gegen Atomwaffen 9.-11.8. Infos für BlockiererInnen und Trainings in gewaltfreier Aktion im Camp 11.-12.8. 24-Stunden-Blockade mit Musik (u. a. Lebenslaute), Aktionen und Redebeiträgen

www.ippnw.de, Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, Konto 22 22 210, BLZ 100 205 00 Das Forum erscheint vier Mal im Jahr. Der Bezugspreis für Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag

Mehr unter:

enthalten. Sämtliche namentlich gezeichnete Arti-

www.atomwaffenfrei.de/büchel

kel entsprechen nicht unbedingt der Meinung der 33


gefragt

6 Fragen an ...

Foto: Marcus Sümnick (CC BY-SA 2.0)

Niko Paech

Professor für Produktion und Umwelt, Wachstumskritiker und Autor des Buches „Befreiung vom Überfluss“

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Herr Paech, Sie sind der radikalste Wachstumskritiker unter den Ökonomen. Doch den Deutschen geht es heute viel besser. Jeder hat mehr als noch vor 20 Jahren. Nur um welchen Preis? Den Klimawandel und andere Zerstörungen der Natur bestreiten nur noch Wahnsinnige. Dann erleben wir Peak Oil, das heißt, zwischen 2005 und 2009 wurde das Fördermaximum des Erdöls auf dem Planeten erreicht. Dieses Problem ist nicht zu lösen, uns bricht damit die Basis des Wohlstands weg. Die dritte Krise ist eine psychologische. Die Zivilisationskrankheit Nummer eins in den reichen Nationen ist die Depression. Weil die Menschen nicht nur von ihrer Arbeit fertiggemacht werden. Hinzu kommt ein neuer Leistungsdruck, nämlich durch Konsum und ständigen Mobilitäts- und Telekommunikationsstress. All diese handelsüblichen Konsumfetische sollen ja genutzt werden, um das Glück zu steigern. Das stößt sich aber mit unserer knappsten Ressource, die noch knapper ist als Öl, nämlich: Zeit.

Erklären Sie mal: Worum geht es Ihnen wirklich? Um individuelles Glück, das verantwortbar ist! Alle europäischen Regierungen bekennen sich in der Klimapolitik zu dem Ziel, die Erde nur um maximal zwei Grad aufzuheizen. Wenn man die mit diesem Ziel gerade noch verträgliche CO2-Menge auf alle Erdbewohner verteilt, muss jeder mit 2,7 Tonnen im Jahr auskommen. Das haben nicht Ökofreaks berechnet, sondern ein Beirat der Bundesregierung. Derzeit sind es durchschnittlich 11 Tonnen pro Kopf. Also müssen wir auf ein Viertel runter! Damit ist unser Lebensstil nicht vereinbar. Eine einzige Flugreise nach Washington verbrät schon 4,5 Tonnen CO2, fast das Doppelte eines Jahresbudgets, und ein Flug nach Australien 14,5 Tonnen.

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Das Thema Ihrer Forschung ist die Postwachstumsökonomie. Wie sieht das Leben nach dem Wachstum denn aus? Unsere Lebensarbeitszeit sinkt auf 20 Stunden pro Woche. Dann haben Sie 20 Stunden übrig! Vielleicht verbringen Sie die im Garten, um Gemüse anzubauen, oder Sie reparieren Dinge, damit sie länger halten. Vielleicht organisieren Sie eine Tauschbörse. Kerngedanke ist ein anderer Umgang mit Produkten. Schuhe werden neu besohlt, Jeans geflickt, Fahrräder gepflegt, um die Lebensdauer zu verlängern. Wenn jeder mehr als seine 2,7 Tonnen CO2 verursacht, werden katastrophale Dürren und Überschwemmungen eintreten. Wenn Ressourcen knapp werden, muss die Wirtschaft schrumpfen.

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Dennoch ist die Konsumlust ungebrochen. Zuletzt wurden weltweit gekauft: 70 Millionen Autos, 300 Millionen Computer und 1,3 Milliarden Mobilfunktelefone im Jahr. Die Kurve zeigt stetig nach oben. Wir konsumieren längst nicht mehr, um unser Glück zu steigern, sondern um Unglück zu vermeiden, das dann droht, wenn andere mehr vorzuweisen haben als wir selbst. Wir konsumieren nicht mehr, um Knappheit zu beseitigen, sondern um die eigene Identität zu formen. Wir konsumieren, um zu kommunizieren. Das Bundesumweltministerium hat gezählt, dass jeder Mensch bei uns im Schnitt 10.000 Sachen besitzt.

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Sie verdienen gewiss mehr, als Sie verbrauchen. Haben Sie eine Grenze gezogen, wie viel Sie im Monat ausgeben? Dass viel Geld viel Schaden anrichtet, stimmt. Aber dank Ryanair, Aldi und Elektrodiscountern können Sie heute auch mit wenig Geld viel anrichten. Mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamts kann jeder Bilanz ziehen. Das ist ja das Schöne: Jeder kann mit seinem 2,7-Tonnen-Budget machen, was er will. Wer fliegen will, muss eben beim Fleisch kürzertreten, weniger Wohnfläche nutzen oder den Rest an fehlenden CO2-Kontingenten bei Freunden borgen. Wer Fahrrad fährt, kann mehr Schokolade aus der Karibik und Darjeeling aus Indien genießen. Auf den Genuss meiner 2,7 Tonnen will ich jedenfalls nicht verzichten!

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Sie selbst haben keinen Fernseher, kein Auto, kein Handy, Sie fliegen nicht, Sie verkneifen sich vermutlich auch das Schnitzel und … Ich esse auch keinen Fisch, keine Eier. Ich bin ein humorloser Asket, ein Partykiller. Nein, mal im Ernst: Ich spiele Saxophon in zwei Bands, besuche häufig Konzerte, sitze gern im Wirtshaus und rede beim Bier mit Leuten. Ich amüsiere mich, dazu muss ich nicht nach Australien jetten. Mein Vater war nie dort, mein Großvater auch nicht. Was uns heute fehlt, ist die Kraft zur Genügsamkeit.

Interview: Manfred Kriener/Norbert Thomma 34


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Internationaler Kongress zu sozialen und gesundheitlichen Folgen des globalen Kleinwaffenhandels

30. Mai - 2. Juni 2013 Neue Tonhalle Bertholdstraße 7 78050 Villingen-Schwenningen

KONGRESSTHEMEN

Einführung zum Thema Kleinwaffen Die Auswirkungen von Produktion, Verkauf und Einsatz von Kleinwaffen auf Gesundheit und Entwicklung Wirtschaftliche und politische Ursachen des globalen Waffenhandels und deren Auswirkungen

KONGRESSBEITRÄGE

120 EUR / ermäßigt* 80 EUR Förderbeitrag 200 EUR * z. B. SchülerInnen, Auszubildende, Studierende, Arbeitslose

KONGRESSSPRACHEN Der Kongress findet in deutscher und englischer Sprache statt. Alle Plenarveranstaltungen werden simultan übersetzt.

Heckler & Koch Die ethische Dimension der Produktion, des Handels und des Einsatzes von Kleinwaffen Die psychologische Dimension der Produktion und des Einsatzes von Kleinwaffen

FAHRRADTOUR GEGEN KLEINWAFFENHANDEL 26. - 29. Mai 2013 von Ulm nach Villingen

Konversion – Die politischen Rahmenbedingungen für Alternativen zur Rüstungsproduktion Lösungsansätze und Aktionen: Perspektivenauf internationaler, regionaler und nationaler Ebene

www.zielscheibe-mensch.de Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

In Kooperation mit Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! Aiming for Prevention Stadt Villingen-Schwenningen

Villingen

Ulm


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