IPPNW-Jahresbericht 2020

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SOZIALE VERANTWORTUNG

Gesundheit ist ein Menschenrecht Menschenrechstribunal in Berlin

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ch wollte nach Deutschland, weil ich dachte, in Deutschland würde das Rechtssystem geachtet, erklärt Guillermo Ortega Tompson, ein Mann in mittlerem Alter. Mit seiner Tochter flüchtete er aus Honduras, weil er politisch verfolgt wurde. Im Flüchtlingsheim Horst in Mecklenburg-Vorpommern erlebt er das Gegenteil von Gerechtigkeit und Integrität. Vor dem Menschenrechtstribunal in Berlin erzählt Tompson von Rassismus und körperlicher Gewalt. Er zeigt Bilder seiner mit blauen Flecken übersäten Beine. Medizinische Hilfe hat er nicht bekommen. Im Gegenteil: je vehementer Thompson versucht, seine Rechte einzufordern, desto schlechter wird er von Mitarbeiter*innen der Hilfsorganisation behandelt. Tompson ist einer von mehreren Zeug*innen, die vom 23.-25. Oktober 2020 bei der Berliner Anhörung des Permanent Peoples’ Tribunal im Refugio in Berlin aussagen. Nach zweijährigem Prozess der Mobilisierung und Vorbereitung wird die Veranstaltung aufgrund der Pandemie im hybriden Format durchgeführt. 25 Personen können direkt vor Ort teilnehmen, mehrere hundert

Teilnehmer*innen verfolgen das Tribunal europaweit online via Zoom und YouTube. Das Tribunal steht in der Tradition einer Reihe von Anklagen vor dem Permanent Peoples‘ Tribunal (PPT) gegen Menschenrechtsverletzungen durch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten und Institutionen der EU. Sie basieren auf einem Rahmendokument, das bei der Eröffnungsanhörung des PPT zum Thema „Menschenrechte von Migrant*innenund Flüchtlingsvölkern“ im Juli 2017 in Barcelona erarbeitet wurde.

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er Fokus der Berliner Anhörung richtete sich auf die Verletzungen der Rechte von Migrant*innen und Geflüchteten im Bereich Gesundheit. Hierbei gab es verschiedene Anhörungsschwerpunkte wie den Zugang zur Gesundheitsversorgung in Deutschland, die EU-Grenzpolitik, die Situation auf den griechischen Inseln, die Kriminalisierung von Solidarität, die Situation in den Lagern und Abschiebungen aus Deutschland oder die Rechte migrantischer Arbeiter*innen. An der Durchführung der Veranstaltung sind 47 Organisationen europaweit beteiligt. Die Jury ist international besetzt: 9

Für Deutschland sind Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die Professorin Kira Kosnick sowie der Aktivist, Arzt und Schriftsteller Ahmed Said in ihr vertreten. Die Anklagepunkte, die Videodokumentation der Zeug*innenberichte sowie die Urteilsverkündung sind auf dem Blog der Berliner Anhörung nachzuhören und zu lesen.

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eiterhin aktiv ist der Twitterkanal des Bündnisses @PPT_Berlin, der Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die Geflüchtete und Migrant*innen im Bereich Gesundheit erfahren. Mehr Informationen unter: equalhealth4all.noblogs.org oder ppt.transnationalmigrantplatform.net /berlin-in-2020/


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