Praxisbeiträge
Als Anwältin in der Großkanzlei von Dr. Susanne Hemme
Aber wie würde eine solche KarriHerbst 2011: Mein Referendariat näherte sich dem Ende und ere mit meiner sonstigen Lebensdie Frage nach meiner beruflichen Zukunft verlangte nach einer planung zusammengehen? Ich Antwort. Meine Abschlüsse waren sehr gut, sodass mir viele kannte natürlich die gesamte Türen offenstanden: Ein Job im Staatsdienst vielleicht oder in der Palette der Vorurteile über GroßWirtschaft? Oder sollte ich doch die Karriere in einer Großkanzlei kanzleien und wusste, dass eine anstreben? Karriere dort gerade für Frauen ein steiniger Weg sein kann, schaft heute nicht mehr in jeder großen Wirtschaftswenn sie, perspektivisch gesehen, zugleich den Job kanzlei, aber Flick Gocke Schaumburg bietet sie tat„Mutter“ ausfüllen möchten. Meine Entscheidung sächlich noch. fiel trotzdem ziemlich schnell zugunsten einer großen Wirtschaftskanzlei. Bestärkt wurde ich durch die Kontra: hohe Arbeitsbelastung Demgepositiven Erfahrungen, die ich dort, bei Flick Gocke genüber standen die vermeintlichen Nachteile der Schaumburg, als Referendarin gemacht hatte. Großkanzleien: die enorme Arbeitsbelastung, eine Pro: Perspektive Partnerschaft Bevor ich unausgeglichene Work-Life-Balance und die Unvereinbarkeit des Jobs mit der Familie bzw. Familienplanung. mich für die Sozietät entschied – und sie sich für Nicht ohne Grund entscheiden sich viele sehr gut ausmich –, wog ich die Pros und Kontras ab: Für die Kanzgebildete Juristinnen heute bewusst für den Staatslei sprachen klar dienst, erwarten sie sich davon doch vergleichsweise die interessanten geregelte Arbeitszeiten und damit eine gute VereinMandate und die barkeit von Familie und Beruf sowie nach der VerbeAussicht, daran in amtung ein hohes Maß an wirtschaftlicher Sicherheit. einem höchst professionellen Umfeld direkt mitwirken zu können. Vor Auch in meiner Abwägung für oder gegen die Großallem aber hat mich die Möglichkeit überzeugt, eine kanzlei spielte die Vereinbarkeit des Jobs mit der Famisehr gute fachliche Ausbildung zu erhalten, die deutlienplanung eine große Rolle. Für meine – aus damalilich über das durchschnittliche Berater-Know-how ger Sicht zukünftige – Familie wollte ich auf jeden Fall ausreichend Zeit haben. Sollte der Faktor (Arbeits-)Zeit also für meine Entscheidung als Frau den Ausschlag geben? Ich kannte die Palette der Vorurteile
über Großkanzleien und wusste, dass eine Karriere dort für Frauen ein steiniger Weg sein kann.
hinausgeht. Hinzu kam die Aussicht, möglicherweise in ein paar Jahren Partnerin zu werden. Zugegebenermaßen besteht die Aussicht auf eine Partner-
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Persönliche Karriereziele entscheiden Bei genauerer Betrachtung
bin ich zu dem Schluss gekommen: Die Vorund Nachteile, als Associate in einer Wirtschaftskanzlei zu arbeiten, haben weniger damit zu tun, ob man als Anwalt oder Anwältin einsteigt. Stattdessen sind es überwiegend Kriterien, über die sich jeder Referendar oder Berufsanfänger Gedanken macht. Nach dem Abschluss des
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Anwältin in der Großkanzlei
Referendariats – vielleicht auch schon vorher – dürfMich persönlich hat es immer interessiert, Unternehte sich jeder die Frage stellen, welche Priorität der men in herausfordernden Mandaten zu beraten. Mir Beruf im Leben haben soll. Jemand, der gezielt nach war klar, dass dies mit einer hohen Arbeitsbelastung einer Karriere strebt, wird den Job immer höher priverbunden sein würde. Aber diesen Preis war und bin orisieren als jemand, dem das persönliche Fortkomich gerne bereit zu zahlen, weil ich mir einen Job men im Beruf nicht so wichwünsche, der mich ausfüllt tig ist, sei es, weil man einund in dem ich etwas erreifach weniger ambitioniert chen kann. Sollte der Faktor (Arbeits-)Zeit ist oder die eigene Energie für meine Entscheidung als Frau Eindrücke aus dem auch in Themen außerhalb den Ausschlag geben? R e f e r e n d a r i at N a c h des Berufs stecken möchte. allem, was ich als ReferendaDies gilt nach meiner Erfahrin bei Flick Gocke Schaumrung für Frauen und Männer burg kennengelernt hatte, gleichermaßen und letztlich versprach die Kanzlei, genau die richtige für mich zu auch unabhängig davon, ob eine Karriere in einer sein. Als Referendarin war ich sehr beeindruckt von Großkanzlei, in einem Unternehmen oder im Staatsden renommierten Mandaten und der professioneldienst angestrebt wird. len Arbeitsumgebung gewesen. Dass die Kanzlei jedes Eigene Ziele und Erwartungen Jahr mehrere assoziierte Partner in die Partnerschaft hinterfragen Juristinnen, die eine Position im aufnimmt, verhieß zumindest eine reale Chance, einöffentlichen Dienst anstreben, sollten nach meimal selbst Partnerin werden zu können. Außerdem ner Meinung die häufig angeführten Vorteile dahinkonnte ich beobachten, dass sich die Arbeitsbelastung gehend hinterfragen, ob die Stelle in Justiz oder der Kollegen in einem akzeptablen Umfang bewegte Finanzverwaltung wirklich für das steht, was sie und auch die Partner großen Wert auf Zeit mit ihren sich von ihrer Berufslaufbahn erwarten. Die ErwarFamilien legten. tung, mit einem „lockeren Job“ ein ganz passables Work-Life-Balance möglich Meine BeobGehalt verdienen zu können, wird jedenfalls dann achtungen als Referendarin haben sich in den verenttäuscht, wenn es uns eben doch reizt, die Kargangenen drei Jahren überwiegend bestätigt. Die riereleiter nach oben zu klettern: also beispielsweise Arbeit ist äußerst anspruchsvoll und verlangt einem einen Vorsitz in einer Kammer oder in einem Senat, eine Menge ab. Aber späte Abendschichten und eine Stelle an einem Ober- oder Bundesgericht oder Wochenendarbeit gibt es für Associates nur selten. eine höhere Position in der Verwaltung zu erreichen. Bis heute ist die Kanzlei zwar wie viele WirtschaftsViele Berufsanfänger(innen) verkennen, dass auch im kanzleien – insbesondere mit Schwerpunkt SteuerStaatsdienst Lorbeeren erst verdient werden wollen. recht und Gesellschaftsrecht/Mergers & Acquisitions Schaut man sich bei Freunden, Bekannten und Kol– relativ männerdominiert. Doch es gibt immer mehr legen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, genauer Beispiele von Anwältinnen oder Steuerberaterinnen, um, stellt man ziemlich schnell fest, dass auch dort die Job und Familie gut unter einen Hut bekommen in den seltensten Fällen in Teilzeit arbeitende Frauen und die ihre Karriere nach der Elternzeit erfolgreich „mal eben“ Karriere machen. Gleiches gilt übrigens weiterverfolgen. auch für die Rechtsabteilungen in den meisten großen Unternehmen.
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Anwältin in der Großkanzlei
Neue Doppelrolle Wie Karriere und Familie hat, dass ich wiedergekommen bin, und das motiviert in meinem Fall zusammen funktionieren, werde ich mich sehr, meine neue Doppelrolle mit dem gleichen demnächst erleben. Seit SepEngagement anzugehen, das tember 2014 bin ich Mutter mich vor drei Jahren in diese eines kleinen Sohnes; im Großkanzlei gebracht hat. Viele Berufsanfänger(innen) Januar 2015 bin ich zunächst Ich bin mir bewusst, dass ich verkennen, dass auch im in Vollzeit in die Kanzlei an vielen Tagen mehr leisStaatsdienst Lorbeeren erst zurückgekehrt. Bei der Platen muss als vielleicht ein verdient werden wollen. nung meiner Elternzeit und Kollege, der keine Familie meiner Rückkehr hat die hat oder dem seine PartneSozietät bisher sehr große rin den Rücken freihält. Aber Flexibilität gezeigt. Insbesondere hat sie signalisiert, auch das gilt für fast alle Berufsgruppen und sollte dass auch eine Teilzeittätigkeit ohne Weiteres möglich Anwältinnen nicht generell von der Karriere in einer ist. Ich habe das Gefühl, dass mein Team sich gefreut Kanzlei abhalten.
Dr. Susanne Hemme LL.M. Rechtsanwältin · Steuerberaterin Flick Gocke Schaumburg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Frankfurt am Main
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