A N DR E A S C A H N ( H R S G.)
JAHRBUCH DA S K AR R I E R E H A N D B U C H F Ü R J U R I S T E N
2012 /2013 Leseprobe 9: "Die Herausforderung, die „richtige“ Entscheidung zu treffen"
Karrierethemen
Die Herausforderung, die „richtige“ Entscheidung zu treffen von Peter Neuberger und Simon Schmitt Was ist überhaupt eine EntDie eigene Karriere scheint nur aus Entscheidungen zu scheidung? Gleich mehrere bestehen: Welchen Schwerpunktbereich soll ich nehmen? Soll Nobelpreise wurden bereits für ich promovieren? Sollte ich ins Ausland? Wo soll ich mich Antworten und Erklärungsanbewerben? Soll ich meinen Arbeitgeber wechseln? Endlos sätze auf diese simple Frage scheint die Zahl der wichtigen Fragen, die alle „richtig“ vergeben. Abstrakt betrachtet entschieden werden wollen. Doch wie finde ich diese richtige ist eine Entscheidung eine Wahl Entscheidung, ja mehr noch, gibt es überhaupt immer eine zwischen Alternativen durch richtige Entscheidung? einen Entscheidungsträger. Dieses Auswählen ist ein Prozess, die Entscheidungsfindung, die völlig unterschied- nett, aber hat mit der Realität in der Regel wenig lich ablaufen kann: einmal spontan oder emotio- zu tun. In der Praxis verfügt kaum einer über alle nal, einmal zufällig, oft auch rational. Die Wahrheit Informationen zu den entscheidungsrelevanten liegt wohl darin, dass die Entscheidungsfindung Faktoren. Dies führt zwangsläufig zur Unsicherheit in der Entscheidung: „Sind die wirklich so nett bei häufig eine Mischung aus allem ist. Kanzlei A?“, „Werde ich wirklich Zeit für meine Entscheidungen: Theorie und Familie haben, wenn ich mich für Kanzlei B entMethoden Auch wenn es sicher einen gewis- scheide?“ sen Charme hätte, seinen Arbeitsplatz zugelost zu bekommen und damit zufällig zu erhalten, möchte Dieser Unsicherheit kann man aber begegnen, dies wohl kaum indem man die Eintrittswahrscheinlichkeit der tatjemand. Tatsäch- sächlichen Folgen durch umfassende Information lich gibt es besse- besser einschätzen lernt. re Methoden. Da der Arbeitsmarkt Informationen sammeln Diese Informatiein Markt ist wie onsbeschaffung ist im Idealfall ein längerer Projeder andere, lohnt ein Blick über den Tellerrand hin zess, mit dem man bereits im Studium und Referenzur Betriebswirtschaftslehre. Hier beschäftigt man dariat beginnt und der, je näher die Entscheidung sich seit langem damit, wie Marktteilnehmer ent- rückt, umso intensiver werden sollte. Wichtig ist, scheiden, welche Produkte sie wählen und gegen dass man sich unterschiedlicher Quellen bedient, welche sie sich wiederum entscheiden – aber auch von denen die eigene Erfahrung gerade im Refewie Manager und Unternehmer ihre Entscheidun- rendariat wohl die wertvollste ist. Presse und Intergen für die Zukunft ihres Unternehmens optimal net sowie der Erfahrungsaustausch mit Freunden treffen. Hierzu wurden Entscheidungstheorien und bilden weitere Quellen. -methoden entwickelt, die wir uns zunutze machen können, um „bessere“ Entscheidungen insbeson- Interessiert man sich für eine Tätigkeit in den führenden Wirtschaftskanzleien, bieten spezialisierdere bei der Wahl des Arbeitgebers zu treffen. te Personalberater und das Legal High Potentials Die Annahme, der Mensch sei ein Homo oeco- Programme von hemmerconsulting eine hervorranomicus, der im vollen Bewusstsein seiner Vorlie- gende Möglichkeit, umfassende Informationen und ben seine Entscheidungen rein rational mit dem eine individuelle Einschätzung über Arbeitsmarkt Ziel, seinen Nutzen zu optimieren, trifft, ist zwar und passende Möglichkeiten zu erhalten. Wertvoll
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Die „richtige“ Entscheidung treffen
kann hier insbesondere sein, die eigenen Erkenntnisse und Optionen vor der endgültigen Entscheidung einem professionellen Check zu unterziehen.
Wü nsch e fü r d i e beru fl i che Z uku n ft 5,8 % Universität
Hat man diese Informationen und Ratschläge beisammen, hat man in der Regel ein erstes Bauchgefühl, was das Richtige ist. Doch allein darauf sollte man sich nicht verlassen. Entscheidungsmatrix Eine rationale Abwägung der Optionen sollte auf alle Fälle erfolgen. Hilfreich kann hier die Nutzung einer sogenannten Entscheidungsmatrix sein. Mit Hilfe dieser Technik wird die Entscheidung für oder gegen eine Möglichkeit sachlich gestützt. Dazu ist zunächst zu klären, welche entscheidungsrelevanten Felder es gibt und wie wichtig diese für einen persönlich gewichtet sind. Zunächst einmal sollte man eine grobe Richtung einschlagen.
13,8 % Verwaltung
Unternehmen
14,1 % Justiz
Eine Umfrage von Life&LAW und hemmerconsulting zeigt beispielhaft, in welchen Bereichen sich die Examenskandidaten 2012 ihre berufliche Zukunft wünschen (siehe Abbildung 1).
Bei der Wahl eines Arbeitsplatzes als Anwalt sind regelmäßig folgende Kriterien entscheidungsrelevant: pp Work & Life Balance pp Geld pp Berufliche Herausforderung pp Zukunftsperspektive Note pp Berufliches Umfeld/Kultur pp Sicherheit
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25,8 %
21,3 % 19,2 %
Lokale Allgemeinkanzlei
Internationale Wirtschaftskanzlei
Abbildung 1: Bevorzugte Gebiete von Examensabgängern Quelle: hemmerconsulting
Diese sollten um individuelle Faktoren, wie zum Beispiel „Nähe zum Arbeitsplatz des Lebenspartners“ oder „Verfügbarkeit von Kinderkrippenplätze“ erweitert werden. Wichtig ist, dass man positive Kriterien formuliert, also immer „je mehr, desto besser“. Eine Mischung aus positiven und negativen Kriterien funktioniert nicht. Nun bewertet man für alle der zu vergleichenden Jobangebote jedes der festgelegten Bewertungs riterien pro Job mit Punkten von 1 bis 6. Ein gute Bewertung bedeutet demnach, dass die Alternative das Kriterium besser erfüllt. 6 ist also „optimal erfüllt“ und 1 „gar nicht“. Die Summe der auf diesem Weg vergebenen Punkte ergibt dann pro Job eine Gesamtbewertung, die umso besser ausfällt, je höher die Gesamtbewertung in der Summe ausfällt.
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Karrierethemen
Kriterien gewichten Natürlich kommt es vor, dass einem nicht alle Kriterien gleich wichtig sind (wie es in dem soeben beschriebenen Beispiel der Fall war). Dann kann eine persönliche Gewichtung der Kriterien in die Entscheidungstabelle eingebaut werden. Die durchschnittliche oder normale Wichtigkeit für ein Kriterium ergibt sich, indem Sie 100 Prozent durch die Anzahl der Kriterien teilen. Soll ein Kriterium als wichtiger als normal eingestuft werden, muss dieser Durchschnittswert erhöht werden. Im gleichen Zug muss aber auch bei einem anderen Kriterium die Prozentzahl vermindert werden, damit die Gesamtsumme wieder 100 Prozent ergibt. Zum Vergleich: Die Umfrage von hemmerconsulting unter Juristen, die 2012 ihr 1. Staatsexamen ablegen, zeigt im Durchschnitt, wie sie die oben genannten Kriterien für sich gewichten – in Noten von 1 – 6.
Die Entscheidungsmatrix (Abbildung 3) beinhaltet also im Fall der persönlichen Kriteriengewichtung in der ersten Spalte die zu bewertenden Kriterien sowie in einer zweiten Spalte den Faktor der persönlichen Gewichtung. Sodann werden für die zu vergleichenden Jobangebote pro Kriterium die Punkte von 1 – 6 vergeben (Spalte 3 und 5) und jeweils das Produkt von Gewichtung und vergebener Punkte (Spalte 4 und 6) eingetragen. Die Summen der Spalten 3 und 5 ergeben dann eine Gesamtbewertung der Jobs auf Grundlage einer ungewichteter Betrachtung, die Summen der Spalten 4 und 6 dagegen die jeweils gewichtete Gesamtbewertung der Jobangebote. Die jeweils höhere Punkt-Summe zeigt also den „Gewinner“. Mit Hilfe einer solchen Entscheidungsmatrix gelingt es besser, die eigenen Präferenzen abzuwägen, da
K rite rien fü r die Arb eit splat zwahl
note 1,87
work & life Balance
Platz 1
Geld
Platz 2
Berufliche herausforderung
Platz 3
note 3,60
Zukunftsperspektive
Platz 3
note 3,60
Berufliches Umfeld / kultur
Platz 5
sicherheit
Platz 6
gar nicht wichtig
note 2,87
note 3,90
note 4,25
sehr wichtig
Abbildung 2: Gewichtung der Kriterien von „gar nicht wichtig“ (Note 6) bis „sehr wichtig“ (Note 1)
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Die „richtige“ Entscheidung treffen
M uste r e ine r Ent sch eidu ngsmatr i x zur A rb e i t ge b e rwahl
Stellenangebot A
gewichteter Kriterien Gewichtung (Faktor) Punkte Wert Work & Life Balance
30% (= 0,30)
Geld Berufliche Herausforderung Zukunftsperspektive Berufliches Umfeld / Kultur
Stellenangebot B Punkte
gewichteter Wert
4 1,2
6 1,8
15% (= 0,15)
6 0,9
4 0,6
10% (= 0,10)
6 0,6
3 0,3
25% (= 0,25)
1 0,25
2 0,5
20% (= 0,20)
3 0,6
4 0,8
Ergebnis 100% 20 3,5 19
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Abbildung 3: Absolut hat hier der Arbeitgeber A die Nase vorn. Zieht man die persönliche Gewichtung der unterschiedlichen Kriterien in Betracht, gewinnt B.
jedes Kriterium zunächst für sich allein eingeordnet und bewertet wird und sich dann daraus eine vergleichbare Gesamtbewertung ergibt. Natürlich sollten Sie auch über K.o.-Kriterien nachdenken, Kriterien also, die ohne Wenn und Aber erfüllt sein sollten. Angebote, die hier durchfallen, schaffen es erst gar nicht in die Entscheidungsmatrix. Ein häufiges Kriterium in der Praxis ist der Arbeitsort. Mit K.o.-Kriterien sollte man allerdings sparsam umgehen. Sie schränken mitunter den eigenen Entscheidungsspielraum und damit die Chancen erheblich ein. Die Verwendung einer Entscheidungsmatrix ist natürlich nur eine von vielen Möglichkeiten, eine objektivere Bewertung herbeizuführen. Wichtig bleibt letztlich, überhaupt eine Entscheidung zu treffen, vor allem in dem Bewusstsein, dass sie zwar falsch sein könnte, aber immer wieder durch neue Entscheidungen korrigiert werden kann.
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Nähere Informationen zu den Programmen von hemmerconsulting finden Sie unter www.legal-highpotentials.de
Peter Neuberger Partner · hemmerconsulting Frankfurt am Main
Simon Schmitt LL.M. · Senior Consultant hemmerconsulting · Frankfurt am Main
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