Nachgefragt
» Das Leitbild der Juristen ausbildung ist noch immer der Einheitsjurist« Nachgefragt: Das JURAcon-Interview mit Prof. Dr. Markus Ogorek, Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht, öffentliches und privates Wirtschaftsrecht an der EBS Law School
Herr Prof. Dr. Ogorek, was bietet die EBS Law School, was die Jurafakultäten der staatlichen Universitäten nicht bieten? Aus meiner Sicht gibt es an der EBS einige prägende Merkmale, die ich so bislang an keiner anderen Hochschule in Deutschland vorgefunden habe. Ein besonders wichtiges Merkmal ist die enge Verzahnung von Jura und Wirtschaft. Die EBS hat ihre Ursprünge in den Wirtschaftswissenschaften, sie ist als Wirtschaftshochschule mit BWL- und VWL-Schwerpunkten gegründet worden. Wir müssen deshalb im Unterschied zu vielen anderen Unis diese Inhalte nicht extern einkaufen. Das zweite prägende Merkmal ist die starke Berücksichtigung des Europarechts, insbesondere des europäischen Unionsrechts. Last but not least: die Internationalität. Ein Auslandsaufenthalt an einer unserer Partneruniversitäten ist fester Bestandteil des Studiums, es gibt Veranstaltungen und Workshops in englischer Sprache und wir bieten elf verschiedene Sprachkurse an, darunter Arabisch, Chinesisch und Russisch. Inwiefern ergeben sich Synergien bei der Zusammenarbeit mit dem betriebswirtschaft lichen Zweig der EBS? Insbesondere im Grundstudium sind beide Studiengänge eng verknüpft. Die Studierenden der Rechtswissenschaften besuchen zum Beispiel Veranstaltungen zu Business Strategy und Wirtschaftsethik. Im Unterschied zu anderen Business Schools ist das Leitbild unserer wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung aber nicht nur der erfolgreiche Unternehmer, sondern die Entwicklung zur verantwortungsbewussten Persönlichkeit. Dazu gehört, dass sich die Studierenden in sogenannten „Ressorts“ zu einem Thema ihrer Wahl engagieren. Das beste Beispiel ist der zeitgleich zu unserem Interview stattfindende Law Congress, den die Studierenden selbstständig organisiert haben und der unter dem Leitthema „Wirtschaftsrecht in der digitalen Welt“ steht.
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Interview mit Prof. Dr. Markus Ogorek
Wie ist das Selbstverständnis der EBS, auch im Vergleich zu anderen privaten Hochschulen wie der Bucerius Law School? Für mich ist die EBS Law School im universitären Bereich das, was ich im Anwaltsbereich als Boutique bezeichnen würde: klein, aber fein. Wir bieten die bereits erwähnte Fokussierung auf das Wirtschafts- und Europarecht, dafür verzichten wir bewusst auf einige randständige Fächer, die an großen Universitäten ganz selbstverständlich angeboten werden. Wir streben eine möglichst hohe Spezialisierung und Engführung unserer Ausbildung an. Nur so können wir optimales Lernen und hohe Qualität gewährleisten und im Wettbewerb mit anderen Fakultäten ein eigenes Profil entwickeln. Wie haben sich die Zahlen der Studierenden und des Lehrkörpers gegenüber der ursprünglichen Planung entwickelt? Unsere Studierenden müssen alle ein spezielles Aufnahmeverfahren durchlaufen. Die Abitur noten spielen dabei interessanterweise nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind uns die logisch-analytischen und sprachlichen Fähigkeiten, die Kompetenz zur eigenständigen Lösung von Problemen sowie die Persönlichkeiten unserer Studierenden. Unsere Studierenden zählen nicht nur mit Blick auf ihre kognitiven Fähigkeiten zu den Besten ihres Jahrgangs, sie sind auch ausgesprochen motiviert. Einer meiner Kollegen sagte einmal, es sei ein „Privileg“, so gute Studierende unterrichten zu dürfen. Ich kann dem nur beipflichten. Als ich an die EBS-Universität kam, war ich sehr überrascht davon, wie heterogen die Studentenschaft zusammengesetzt ist. Es ist gerade nicht so, dass wir nur reiche Kaufmannssöhnchen mit Einstecktuch und Krawatte ausbilden. Ganz im Gegenteil: An der EBS finden sich alle sozialen Schichten. Wir haben einen sehr hohen Anteil Studentinnen, was ich für extrem wichtig halte. Unser erklärtes Ziel ist es, jedem geeigneten Bewerber ein Studium zu ermöglichen – unabhängig vom finanziellen Hintergrund. An der EBS
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studieren zahlreiche Stipendiaten, etwa von der Studienstiftung des deutschen Volkes, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung. In regionaler Hinsicht ist unsere Studentenschaft ebenfalls sehr vielfältig, weil unser Einzugsgebiet relativ groß ist. Die meisten Bewerber kommen derzeit aus NRW und Bayern. Nächstes Jahr erhoffen wir uns circa 90 Studienanfänger.
Warum sind Sie an eine private Hochschule gewechselt? Was ich schätze, ist die enorme Geschwindigkeit und Professionalität, mit der hier gearbeitet wird. Es herrscht ganz einfach eine andere Taktung. Hinzu kommt, dass wir – auch mit Blick auf unsere Professoren – eine verhältnismäßig junge Fakultät sind. Die Professoren, die an der EBS lehren, können sich noch sehr gut an ihre eigene Studienzeit und ihre Vorbereitung auf die Staatsprüfung erinnern. Sie wollen den Studierenden wirklich helfen. Für mich ist diese Nähe ganz entscheidend. Wenn ein Jahrgang 90 Studierende umfasst, dann halte ich dieselbe Vorlesung zweimal, um in kleineren Gruppen unterrichten zu können. Die Teilnehmer meiner Vorlesung haben meine Handy nummer, sie können sich im Grunde jederzeit mit Fragen, Kritik oder Anmerkungen an mich wenden. Und sie nutzen diese Möglichkeit auch, wenn es irgendwo brennt, etwa eine Klausur ansteht, manchmal sogar am Wochenende. Ich habe als Student einmal ein komplettes Semester auf einen zehnminütigen Gesprächstermin mit einem meiner Professoren warten müssen. Das ist hier – Gott sei Dank! – undenkbar. Ich bin jederzeit ansprechbar, weil ich mich den Studierenden verpflichtet fühle. Wie gelingt es im Wettbewerb mit staatlichen Hochschulen, renommierte Professoren zu gewinnen? Als private Einrichtung verfügt die EBS über genügend Anziehungskraft. Wir erwarten von Kandidaten, dass sie durch ihre Forschungsleistungen überzeugen, aber auch exzellent in der Lehre sind. Wir erwarten zudem, dass alle Fakultätsmitglieder sich im staatlichen Teil der 1. Prüfung einbringen, etwa für das Justizprüfungsamt Klausuren erstellen oder als Prüfer für das mündliche Examen zur Verfügung stehen. Es entspricht geradezu unserem Selbstverständnis, dass wir als Universität auch Verantwortung in der Staatsprüfung übernehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Universitäten stehen Lehre und Forschung bei uns gleichrangig nebeneinander. Was die Lehre anbelangt, liegt ein Schwerpunkt naturgemäß auf dem examensrelevanten Stoff. Unsere Studierenden investieren viel Geld in ihre Ausbildung; vor diesem Hintergrund haben sie einen Anspruch darauf, dass wir unser Bestes geben und möglichst optimale Studienbedingungen schaffen. Wie sähe es denn aus, wenn unsere Studierenden parallel zum Studium noch zu einem kommerziellen Repetitorium rennen müssten? Welche Services bieten Sie Ihren Studenten? Die Law School bildet eine Schnittstelle zwischen den Studierenden einerseits und den Unternehmenspartnern und Partnerkanzleien andererseits. Wir begleiten die Studierenden während ihres Studiums, beraten sie bei der Karriereplanung, bei der Auswahl des richtigen Praktikumsund Referendariatsplatzes und unterstützen sie beim Berufseinstieg. Zudem bieten wir Veranstaltungen zu Schlüsselqualifikationen und auch Vorträge zu Soft Skills, wie Rhetorik, Gesprächsführung und Präsentationstechniken. Sehr gut angenommen werden auch die Fachvorträge, die
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Praktiker aus Justiz, Anwaltschaft und Verwaltung regelmäßig anbieten. Wir hatten vor kurzem den nordrhein-westfälischen Justizminister, Thomas Kutschaty, zu Gast, der über die Entwicklung eines Unternehmensstrafrechts referiert hat. In diesem Jahr wird uns auch Thomas von Danwitz besuchen, der deutsche Richter am Europäischen Gerichtshof.
Was bieten Sie darüber hinaus? Unsere Studierenden profitieren außerdem von einem individuellen, studienbegleitenden Coaching-Programm. Die EBS-Universität gehörte Anfang der 1990er Jahre zu den Ersten, die ein umfassendes Coaching für Studierende entwickelt haben. Auch heute noch ist das CoachingAngebot in Bandbreite und Format deutschlandweit einzigartig. Das Programm steht sowohl
„Ich habe als Student einmal ein komplettes Semester auf einen zehn minütigen Gesprächstermin mit meinem Professor warten müssen.“ Studierenden als auch Doktoranden offen, die sich ihren Coach aus einem großen Kreis von Führungskräften auswählen können. Pro Jahr sind etwa acht Coaching-Gespräche möglich, um berufsbezogene und persönliche Anliegen zu thematisieren.
Inwiefern erleben Ihre Studierenden ein besonderes Studium? Das Jurastudium an der Law School bedeutet mehr als Vorlesungen und Seminare. Einen nicht unerheblichen Teil ihrer Zeit verbringen die Studierenden in den „Ressorts“, die von den Studierenden gegründet und eigenständig organisiert werden. Hier engagieren sich die Studierenden für die Allgemeinheit: Sie helfen etwa bei der Renovierung von Kindergärten oder betreuen ausländische Studierende, sie organisieren Kongresse oder schreiben Artikel für das von der Studentenschaft herausgegebene EBS Magazin. Die „Ressorts“ prägen das Bild der Universität ganz erheblich und fördern in besonderer Weise den starken Gemeinschaftssinn an der EBS, den unsere Kollegen von der Business School gerne als „EBS-Spirit“ bezeichnen.
Wie unterstützt die EBS ihre Studierenden bei der Suche nach Praktikumsplätzen im In- und Ausland? Die Studierenden müssen Pflichtpraktika in Kanzleien absolvieren. Falls jemand nicht unterkommt, erhält er kompetente Hilfe vom Career Services Center oder direkt von einem seiner Professoren. Meist genügt ein Telefonanruf. Unsere Partnerkanzleien haben sich immer als sehr großzügig und flexibel erwiesen, und das Feedback zu unseren Studenten ist auch sehr gut.
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Welche Möglichkeiten des Auslandsstudiums (LL.M.) unterstützt die EBS? In den Studienplan ist ein obligatorisches Auslandstrimester integriert. Wir haben mittlerweile 90 Partneruniversitäten, darunter renommierte Adressen wie die Université de Montréal oder die China University of Political Science and Law in Beijing, das ist eine der wichtigsten Universitäten in der Volksrepublik China. Von ihren Erlebnissen im Ausland schwärmen die Studierenden noch Monate nach ihrer Rückkehr. Sie merken aber auch, wie gut sie es bei uns haben. Wie ist die Zusammenarbeit mit Förderern und Sponsoren organisiert, zum Beispiel großen Kanzleien? Insgesamt sind zehn Kanzleien sehr eng eingebunden, mit weiteren 30 Kanzleien stehen wir in regelmäßigem Kontakt. Wir haben immer auf inhaltliche Kooperationen gesetzt, weniger auf Marketing-Aktionen wie die Benennung von Räumen nach irgendwelchen Sponsoren. Wir wollen von der praktischen juristischen Erfahrung der Kanzleien profitieren und binden sie deshalb eng an Lehrstühle an. Der Kreis unserer Partner geht mittlerweile über Kanzleien
„Wenn in Zukunft die Hälfte der Fakultät aus Frauen bestehen würde, täte uns das gut.“ und Unternehmen hinaus. Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer Vertreterin von Human Rights Watch, mit der ich gerne eine Kooperation aufbauen möchte. Auch eine wirtschaftsrechtlich orientierte Law School darf die Augen vor der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht verschließen. Ich möchte, dass wir uns zu einer Art „Bürger-Universität“ entwickeln, deren Veranstaltungen auch von Universitätsexternen aus Wiesbaden und dem Umland regelmäßig besucht werden.
Ist das Profil darauf angelegt, Kanzleinachwuchs hervorzubringen? Eine solche Aussage wäre stark verkürzend. Richtig ist: Wir bilden Wirtschaftsjuristen aus. In Deutschland ist das Leitbild der Juristenausbildung noch immer der sogenannte Einheitsjurist, der alles kann, nachgerade universell einsetzbar ist. Auch wir müssen uns natürlich am Einheitsjuristen orientieren, schon um unsere Studierenden angemessen auf die Staatsprüfung vorzubereiten. Der Prüfungsrealität können wir uns nicht verschließen. Aber wir möchten darüber hinaus ganz gezielt im Wirtschaftsrecht ausbilden – und das tun wir. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir mit den universitären Schwerpunktbereichen, die im akademischen Raum immer noch kontrovers diskutiert werden, sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie geben uns die Möglichkeit zur Spezialisierung.
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Welcher Stand wurde 2014 erreicht und welche Ziele verfolgen Sie noch? Die Studierenden erarbeiten sich an der Law School insgesamt drei Abschlüsse: den LL.B., einen Master in Business Administration sowie das „Juristische Staatsexamen“. Der LL.B. ist vor allem als Sicherheitsnetz wichtig, damit Studierende für den Fall, dass mit dem Juraexamen etwas schiefgeht, zumindest einen universitären Abschluss mit nach Hause nehmen können. Ich verspreche mir vom LL.B. eine deutliche psychische Entlastung der Studierenden im staatlichen Examen, das ja bekanntlich mit einem enormen Prüfungsdruck einhergeht. Wir wollen darüber hinaus weitere Bildungsangebote schaffen, beispielsweise einen LL.M. nach dem LL.B. Zurzeit sind wir dabei, gemeinsam mit der Business School einen Masterabschluss „Global Law and Business“ zu konzipieren. Wir möchten außerdem die Zusammenarbeit mit den Kanzleien ausbauen und uns stärker in der sogenannten Executive Education engagieren, also berufsbegleitende Weiterbildungsprogramme für Fach- und Führungskräfte anbieten. Überdies soll der Kontakt zu ausländischen Hochschulen intensiviert und das Zusammenwachsen mit der Business School vorangetrieben werden. Wo setzen Sie persönlich Prioriäten? Es ist mir sehr wichtig, dass wir in Zukunft wieder weibliche Professoren berufen. Wer, wenn nicht wir als private Universität, sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen? Wenn in Zukunft die Hälfte der Fakultät aus Frauen bestehen würde, täte uns das gut. Bei den Studierenden ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ausgeglichen. Außerdem wünsche ich mir Junior- Professoren. Unser Ausbildungssystem sieht ja in weiten Teilen noch so aus wie vor 100 Jahren. Ich finde, man muss auch jungen Kräften eine Chance geben, die – aus welchen Gründen auch immer – das dicke Brett der Habilitation nicht bohren möchten. Auch sie sollten die Möglichkeit erhalten, Hochschullehrer zu werden, wenn sie der Habilitation vergleichbare Leistungen erbringen. So erklärt sich, dass wir erst vor kurzem eine Juniorprofessur im Öffentlichen Recht ausgeschrieben haben. Das Interview führte: Falk Schornstheimer Coach und Berater · Frankfurt am Main
Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M. (Berkeley) Prof. Dr. Markus Ogorek hält seit Sommer 2013 den Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, öffentliches und privates Wirtschaftsrecht an der EBS Law School in Wiesbaden. Seit 2014 ist er Dekan und Vizepräsident. Nach seinem Studium in Bochum, Paris und Salzburg wurde er 2001 in Köln promoviert und erwarb 2002 den LL.M.
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Nach dem Referendariat am Landgericht Köln war er von 2007 bis 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter, später Rechtsanwalt bei Linklaters in Düsseldorf. 2012 habilitierte er sich in Köln und nahm verschiedene Gastdozenturen und Lehrstuhlvertretungen wahr, unter anderem an Universitäten in Nanjing, China, und in Frankfurt am Main.
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