Islamische Zeitung Ausgabe 132

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Ist Hochfeld überall?

Die Verlockung von Mekka

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LEBENSART

ESSAY

Die Natur ist kein System

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Berichte und Reportagen aus dem Alltag der Muslime

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Islamische Zeitung Nachrichten & Lebensart

EURO 2.- / A14218

UNABHÄNGIGES FORUM FÜR EUROPA

132. AUSGABE, Dezember 2006

KOMMENTAR

Mehr als nur schlechtes Wetter Debatte: Die sich abzeichnende Klimaveränderung relativiert die meisten hitzigen Debatten Foto: (dpa), picture-alliance

Von Sulaiman Wilms, Berlin

B

rennende Hitze im Juli, ein nass-kühler August, ein zu warmer Oktober, lange Trockenzeiten und heftige Regenfälle - dies sind, den Erfahrungswerten nach, Anzeichen dafür, dass in diesem Jahr das Wetter ungewöhnlich war. Anlässlich der zu Ende gegangenen Klimakonferenz in Nairobi steht für viele fest: Die Existenz des Klimawandels ist keine Frage mehr, offen bleibt, wie der Mensch darauf reagieren wird. Wir stehen - so ernstzunehmende Wissenschaftler und die UNO - vor massiven Veränderungen. Anders als die beschworene Bedrohung durch einen abstrakten „Terror“, an den immer wieder durch aufgedeckte „Anschlagspläne“ erinnert werden muss, kommt die Gefahr des sich verändernden Klimas weder aus Afghanistan, dem Irak oder von den verarmten Massen des Südens, sondern von unserer eigenen Lebensweise, die zum globalen Standard erhoben wurde. Angesichts dieser globalen Herausforderung für die Menschen als Gattung erscheinen die bundesdeutschen Debatten über das Kopftuch, Parallelgesellschaft und die vermeintliche Bedrohung Europas durch die hier ansässigen Muslime als nebensächlich. Die Frage, die hier ohne Scheuklappen gestellt werden muss, ist jene: In welchem Verhältnis stehen die so ge-

England: Das Wasserreservoir Howden nach einer Dürreperiode in diesem Sommer nannten „Werte“, zu denen wir uns quasi-religiös bekennen müssen, zu der Realität der Ökonomie, die den enormen Anstieg der so genannten „Treibhausgase“ zu verantworten hat? Haben die beinahe inquisitorischen Teile des Feuilletons, die sich die autoritäre Kritik am Islam zur Aufgabe gemacht haben, vielleicht doch die Funktion, durch immer neue Skandalisierungen zu bewirken, dass die Menschen lieber über das relativ irrelevante Kopftuch nachdenken, als

über die materiellen Auswirkungen ihrer Lebensweise? Und wo wir gerade beim Thema „Kultur“ sind. In dem Augenblick, in dem es immer wieder Politiker und Publizisten gibt, die die mumifizierte „Leitkultur“Debatte immer wieder mal erneuern wollen, veröffentlichte Stephen Leahy einen Artikel unter dem Titel „From Mosques to Mollusks“. Während bei uns der Fetisch „Kultur“ gerne in Stellung gebracht wird, erinnert der IPS-Autor in seinem

Artikel daran, dass eine der Auswirkungen des Klimawandels - durch Veränderungen klimatischer Bedingungen die mögliche Zerstörung von historischen Bauwerken ist. Einen Vorgeschmack hätten wir 2002 erhalten, als Regenfälle und Überschwemmungen Museen und Bibliotheken erfasst hätten und schätzungsweise eine halbe Millionen Bücher und Dokumente beschädigt worden seien.

Goethes Islam

I Z- R e i h e Begegnungen

Manfred Osten bespricht den Klassiker Dr. Jochen Hippler ren Osten und Fragen der globalen Machtverteilung. Bekannt ist auch sein Buch „Feindbild Islam“, das erstmals 1993 erschien. Kürzlich veröffentlichte er die Studie „Krieg, Repression, Terrorismus. Politische Gewalt und Zivilisation in westlichen und muslimischen Gesellschaften“. Dr. Jochen Hippler ist Politikwissenschaftler am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität DuisburgEssen. Er beschäftigt sich unter anderem mit politischer Gewalt, der Wahrnehmung anderer Gruppen und Kulturen, dem Nahen und Mittle-

Islamische Zeitung: Sie haben kürzlich eine Studie über „politische Gewalt“ in westlichen und muslimischen Gesellschaften veröffentlicht. Was sind die Kernergebnisse dieser Arbeit?

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er Klassiker Goethe und das Thema Islam sind nach wie vor von großem Interesse. Dies zeigen die Veranstaltungen zum Thema „Goethe und der Islam“. Goethe, der nach eigenen Worten den Verdacht nicht ablehnte, „selbst ein Muselmann zu sein“, hatte trotz des negativen Islambilds zu seiner Zeit seine Seelenverwandtschaft zum Islam und seinem Propheten entdeckt. Goethe verfügte schon zu Lebzeiten - in seinen Verfügungen bezüglich seiner Grabstätte - die Verbannung aller christlichen Symbolik. Zu den Kennern der Materie gehört neben Katharina Mommsen auch Manfred Osten, ehemaliger Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung. In Darmstadt sprach er nun über Goethes „West-östlichen Divan“ und dessen Islambild. Im Zentrum seines Vor-

trages stand der laut Osten vergebliche Versuch Goethes, „die eurozentristische Belehrungsgesellschaft in Richtung der Lerngesellschaft zu transformieren“. Diese Lerngesellschaft habe es um das 12. Jahrhundert in Europa gegeben, als viele Grundlagen der Wissenschaft und Philosophie aus der islamischen Welt nach Europa gelangten. Der „West-östliche Divan“ selbst sei eine Dialogstrategie, um zwischen Ost und West zu vermitteln. Osten wies darauf hin, dass das persische Wort Diwan eine „Versammlung weiser Männer“ bezeichne und für Menschen in der islamischen Welt positiver besetzt sei als der als „Streitgespräch“ verstandene Begriff „Dialog“. Die Ausübung von Toleranz war für Goethe nicht gut genug. Den Toleranzbegriff habe Goethe vielmehr mit den Wor-

ten „dulden heißt beleidigen“ kritisiert, da Toleranz in Anerkennung und Respekt übergehen müsse. Im „Divan“ habe Goethe, so Osten, die Summe seiner Beschäftigung mit dem Islam gezogen. Goethe habe die Entschleunigung interessiert, die im Gegensatz zur „veloziferischen Kultur“ des Westens stehe, wobei Goethes Wortschöpfung für „Geschwindigkeit, die des Teufels ist“ stehe. Im zweiten Teil des Faustes ergänzt Goethe bekannterweise diese Dimension mit einer harschen Kritik an der illusionären Natur des „Papiergeldes“. Ein weiterer Kritikpunkt Goethes an der westlichen Welt sei die „gedächtnislose Gesellschaft“ Europas, die durch Aufklärung, Reformation und französische Revolution ihre Wurzeln vergisst und häufig zerstört.

Amoklauf Die Gewaltdebatte in Deutschland war in den letzten Jahren vor allem eine Debatte über den Terrorismus und „Islamismus“ und wurde immer auch gerne im Zusammenhang einer angeblichen negativen Rolle und eines destruktiven Einflusses des Islam geführt. Unsere Wirklichkeit ist allerdings nicht nur komplexer, sie holt uns auch ein. Die westliche Konsumgesellschaft, an der wir alle jenseits unserer Bekenntnisse mitwirken, hat nach innen und außen einen eigenen Gewaltbezug geschaffen. Es grenzt an Selbstbetrug, zu ignorieren, dass wir an der Schaffung dieser Gewalt innen und außen auch beteiligt sind. Es sind unsere Jugendlichen, die diesen Umstand immer stärker widerspiegeln. Neben den üblichen Forderungen nach äußeren Verboten und Verfeinerung der Überwachung gilt es die Frage nach dem „Was tun?“ nun so tief wie nötig zu stellen. Nach dem Amoklauf eines Schülers aus Emsdetten hat der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, vor wachsender Gewalt in Filmen und Videospielen gewarnt. „Brutale Computerspiele und Videofilme gaukeln Jugendlichen den schnellen Sieg des Stärkeren vor“, schreibt Kraus in der „Bild“Zeitung. „Auswege für den Verlierer bieten sie nicht“ beklagt der Pädagoge über die Botschaft der Spiele. Die Frage ist, ob das tatsächlich überfällige - Verbot von Spielen weit genug reicht. Man könnte ergänzen, dass dieses ausweglose Bild, das viele Spiele vermitteln, auch leider oft für den Feldzug gegen den Terrorismus dienen könnte. Aus der Sicht unserer Wohnzimmer wirken diese Kriege, oft genug ohne Gnade und ohne Recht geführt, so entrückt, als seien sie aus den gleichen Köpfen der Macher der Computerspiele entstanden. Töricht wäre es, zu glauben, dass diese Dauerberieselung und die Tatsache, dass diese Strategie bereits tausenden Unschuldigen das Leben gekostet hat, für die Kultur unserer Hemisphäre ohne jede Folgen bliebe. Die Niederlage des Rechtes und damit die Verrohung der Kriege, die denkwürdige Rückkehr der Folter und die Reduzierung des erschaffenen Menschen auf einen bloßen Wert schaffen das Klima des sogenannten „Werteverfalls“. „Die Welt ist dem Menschen in die Hände gefallen“, beklagte einst Rainer Maria Rilke eine Alltäglichkeit ohne Rückbezug auf den Schöpfer. „Drogen, Konsum, Spaß sind die einzigen Werte, die Pop- und TV-Stars noch vermitteln“, beklagen sich viele Lehrer über die einfach gestrickten Helden unserer jungen Generation. Von aktiven Eltern und Lehrern verlangt Kraus nun, ihren Kindern durch eigenes Handeln ein positives Zukunftsbild zu vermitteln: „Wir Erwachsenen müssen unseren Kindern immer wieder beweisen: Arbeit, Leistung, Treue, Verlässlichkeit, Familienleben - das sind trotz aller Probleme und Widerstände feste Werte, für die es sich zu leben lohnt! Eine Gesellschaft, die diese Werte verliert, läuft irgendwann selber Amok.“ So weit so gut, aber als Muslime würden wir ergänzen, dass wir mit jeder Handlung und unter allen Umständen auch Verantwortung gegenüber unserem Schöpfer übernehmen. Menschen, die mit diesem Bewusstsein aufwachsen und leben, sind bezüglich der alltäglichen Verrohung der Gesellschaft nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.

(Von Malik Özkan, Bremen)

h t t p : / / w w w . i s l a m i s c h e - z e i t u n g . d e


2 Seite / Dezember 2006 IZ-Reihe Begegnungen: Jochen Hippler [Fortsetzung von Seite 1] Dr. Jochen Hippler: In den letzten Jahren wird ja über die Frage politischer Gewalt viel diskutiert, aber häufig ist mein Eindruck, dass von europäischen oder westlichen Akteuren Gewalt hauptsächlich für ein Problem gehalten wird, das aus dem Nahen Osten oder von muslimischer Seite kommt. Im Nahen Osten hingegen besteht sehr stark die Tendenz, politische Gewalt lediglich als eine vom Westen ausgehende Gefahr zu betrachten, etwa den Krieg im Irak und andere Stichworte. Das Ergebnis der Studie besteht im Kern darin, dass man annehmen muss, dass wir im Nahen und Mittleren Osten und in Europa und Nordamerika ein gemeinsames Problem mit der Gewalt haben, und dass es sinnvoller wäre, sich dieses Problems gemeinsam anzunehmen, statt nur mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Islamische Zeitung: In Ihrer Studie sehen sie den von Muslimen ausgeübten Terrorismus als eher auf politischen denn auf religiösen Ursachen beruhend. Dr. Jochen Hippler: Richtig, in der Regel wird politische Gewalt benutzt, wenn man damit Interessen verfolgt, wenn man damit etwas politisches erreichen will. Das gilt sowohl für säkulare als auch für sich religiös gebende Kräfte. Wenn man sich im Irak die Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten oder gegen die US-Truppen ansieht, wird recht deutlich, dass die Gewalt immer etwas mit Machtkämpfen zu tun hat. Das Problem ist, wenn in starkem Maße Gewalt angewendet wird, sei es von Seiten der US-Armee oder von muslimischen Terroristen, diese irgendwie zu rechtfertigen. So kann etwa die US-Regierung nicht einfach in den Irak gehen und sagen, sie hätte gern die Vormacht am persisch-arabischen Golf, weil dies ein wichtiges Gebiet der Weltökonomie ist; und man kann auf der anderen Seite nicht einfach eine Moschee in Samarra in die Luft sprengen oder mit Flugzeugen in Hochhäuser fliegen und sagen, das war halt nützlich für uns, weil es uns politisch Vorteile bringt. Man benötigt Rechtfertigungen für sich als Täter, aber auch für das Umfeld, für die Gesellschaft, auf die man politisch zielt. Und solche Rechtfertigungen werden je nach Kontext entweder in säkularen Kategorien formuliert, dann geht es plötzlich um Massenvernich-

Interview

Islamische Zeitung

tungswaffen im Irak, die es gar nicht gibt, oder um Menschenrechte - was wichtige Ziele sind, die aber mit den Gewaltakten, für die sie als Begründung dienen, wenig zu tun haben. Im Nahen Osten hingegen sind in den letzten 30 Jahren religiöse Rechtfertigungen glaubwürdiger. So werden Verbrechen, die man aus Macht- und Interessengründen begeht, heute in der Regel mit islamischen Kategorien gerechtfertigt. Islamische Zeitung: Sie haben auch erwähnt, dass von Seiten des „Westens“ zivilisatorische Errungenschaften eher zu Norm und eigene Verbrechen zur Ausnahme erklärt würden, während dies für die islamische Welt eher gegenteilig gesehen wird. Dr. Jochen Hippler: Auch das ist etwas, was auf beiden Seiten sehr spiegelbildlich ist. Auf der westlichen Seite gibt es tatsächlich eine sehr starke Tendenz, alle eigenen Probleme, auch alle eigenen Verbrechen, die man in der Geschichte begangen hat, als Ausnahme zu erklären. So wird dann etwa die Nazi-Diktatur nicht als Teil westlicher Kultur, westlicher Charakteristik gesehen, sondern als ein Unfall der Geschichte und eine Ausnahme. Stalinismus, Faschismus, Nationalsozialismus und Holocaust würden relativ wenige Leute bei uns als wichtigen Kernbestand europäischer Kultur betrachten, während man bei anderen oder ähnlichen Verbrechen, die in muslimisch geprägten Gesellschaften begangen werden, also Verbrechen an Menschen, Massaker, Kriege und so weiter, relativ leicht mit der Hand ist, zu glauben, dies wäre Teil der muslimisch geprägten Kultur oder Religion. Wenn Sie umgekehrt in den Nahen und Mittleren Osten schauen, werden sie viele Leute finden, die Verbrechen von muslimischen Tätern entweder bestreiten und meinen, es hätte diese nie gegeben, oder diese Taten verharmlosen, oder aber auf die Idee kommen, dass eigentlich der Westen dahinter stecken müsse. Ich höre im Nahen Osten oft die Meinung, dass, da der Islam an sich friedlich sei, solche Taten ja gar nicht von muslimischen Verbrechern begangen worden sein könnten, sondern es müsse doch irgendwie der Westen dahinter stecken. Solche versperrten Wahrnehmungen findet man also in beiden Gesellschaften. Und es sind ja eigentlich nicht nur zwei Seiten, sondern viel mehr, da ja weder der Westen noch muslimisch geprägte Gesellschaften einheitlich sind. Man findet dies aber auch in anderen Kulturen und Gesellschaften. Islamische Zeitung: In den 90er Jahren wurde Huntingtons These vom „Clash of Civilizations“ überwiegend zurückgewiesen und nicht wirklich ernst genommen. In den letzten Jahren scheint sie jedoch eine Art „Revival“ erlebt zu haben und wird von

Jochen Hippler: „Im Irak betrifft die Gewalt nur zu einem Teil die Fremden, etwa die amerikanischen Truppen.“

Soldaten in Liberia: In der Regel wird politische Gewalt verwendet, um Interessen zu verfolgen. Teilen der Medien oder populistischen Politikern als Tatsache propagiert. Könnte diese These dadurch zu einer „Self-fulfilling Prophecy“ werden? Dr. Jochen Hippler: Das Konzept Huntingtons ist inhaltlich und wissenschaftlich so unglaublich dünn, dass ich meinen Studenten im Hauptseminar, wenn diese mir so etwas aufschreiben würden, sagen würde: Es gelten die Gesetze der aristotelischen Logik, dies ist einfach nicht wissenschaftlich, sondern eher ideologisch. Ich glaube nach wie vor, dass diese These in der Sache so in sich widersprüchlich, so an den Haaren herbei gezogen ist, dass sie inhaltlich und wissenschaftlich nicht ernst genommen werden kann. Das Problem ist aber, dass es in vielen Fragen gleichgültig ist, ob etwas wissenschaftlich seriös oder Hokuspokus ist. Wenn nämlich noch ein paar Flugzeuge in Hochhäuser fliegen und sich Leute bedroht fühlen, zu Recht oder zu Unrecht - und der 11. September oder die Anschläge von London oder Madrid haben auch in Deutschland zu einer Verunsicherung geführt, auch wenn man nicht selbst betroffen war -, oder wenn George Bush auf die Idee käme, auch noch den Iran anzugreifen, dann haben solche Dinge zwar nichts mit dieser These zu tun, assoziieren aber bei vielen Leuten natürlich, dass es einen Konflikt gebe zwischen westlichen und nahöstlichen beziehungsweise muslimisch geprägten Gesellschaften. Dabei wird vergessen, dass die größten Opferzahlen innerhalb dieser Gesellschaften stattgefunden haben. Im Irak betrifft die gegenwärtige Gewalt nur zu einem kleinen Teil die Fremden, also etwa die amerikanischen Truppen, sondern findet in der Regel innerhalb der muslimischen Community statt, sowohl zwischen Sunniten und Schiiten als auch innerhalb der sunnitischen und schiitischen Communities. Saddam Hussein hat 200.000 bis 300.000 irakische Muslime umgebracht und ziemlich wenige Westler. Wir müssen darauf achten, dass solche Thesen wie die von Huntington uns nicht das Gehirn vernebeln und wir bestimmte Dinge nicht mehr wahrnehmen. Wenn ein Konflikt etwas mit verschiedenen Religionsgruppen zu tun hat, glauben wir gleich, es hätte etwas mit Kultur zu tun; wenn der gleiche Konflikt zwischen anderen Akteuren stattfindet, nicht.

Islamische Zeitung: Welche Rolle spielt das Feindbild Islam im globalen Kontext des so genannten Krieges gegen den Terror, der ökonomischen Globalisierung und globaler strategischer Interessen?

de in absehbarer Zeit wieder an Bedeutung verlieren wird, angesichts massiverer Probleme wie Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Verarmung oder auch den Folgen des Klimawandels?

Dr. Jochen Hippler: Es spielt eine Rolle, aber eine sehr komplizierte. Wenn man sich George W. Bush anschaut, so gibt dieser sich oft sehr stark als Christ und tut so, als würde alles, was er tut, aus seiner tiefen Gläubigkeit als Christ heraus bestimmt. Tatsächlich kann aber auch die derzeitige US-Regierung mit dem Islam nicht nur im Sinne eines Feindbildes umgehen, weil man auf viele strategische Verbündete in der Region Rücksicht nehmen muss, wie SaudiArabien, Pakistan, Jordanien, Marokko und andere, mit denen man gemeinsame Interessen in der Energiefrage, der Terrorfrage oder der Stabilitätsfrage hat. Da kann man sich natürlich nicht den Kreuzzug gegen den Islam auf die Fahne schreiben, und so hat die US-Regierung manchmal ein wenig hin und her gependelt, um die anti-islamische Propaganda im Nachhinein zurückzunehmen. Der Ausdruck „Kreuzzug“, den Bush 2002 einmal gebraucht hat, hat er drei Tage später mit Hilfe seiner Berater versucht, wieder gut zu machen, indem er eine Moschee besucht hat um zu zeigen, dass er nichts gegen den Islam hat. Da gibt es glaube ich ein Hin- und Herpendeln zwischen einer gewissen ideologischen anti-islamischen Grundtendenz, die aber auf dieser hohen politischen Ebene nicht ausbrechen darf, um sich nicht selbst bei den Verbündeten in der Region den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Andererseits kann man aber in Europa und zumindest eine zeitlang auch in den USA die Leute auch durch solche Vorurteile mobilisieren, etwa für den Irak-Krieg, weil die Leute von selber das Gefühl haben, dass die Bösewichte eher dunkle Haut und Schnauzbärte haben. Ich denke, dass die Mobilisierung der Massen für aggressive Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten indirekt solche Klischees und Feindbilder benutzt, die US-Regierung das aber nicht zu offen tun darf, um sich nicht selbst ein Bein zu stellen.

Dr. Jochen Hippler: Es kann sein. Es hängt davon ab, wie es weiter geht. Wenn wir noch mehr dramatische Terroranschläge bekommen, oder noch mehr amerikanische militärische Abenteuer im Nahen Osten, dann wird es eher zunehmen. Daher denke ich, dass wir abhängig von innenpolitischen Veränderungen und von Wellen der Gewalt durchaus unterschiedliche Möglichkeiten vor uns sehen können. Noch zwei weitere große Anschläge in Europa, und es verfestigt sich; wenn das nicht passiert, und bei einigen Kernproblemen wie Israel-Palästina, Irak und anderen etwas mehr Ruhe einkehrt und es nicht mehr solche Anschläge geben würde, würde es sich wahrscheinlich innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder normalisieren. Aber wenn in Dortmund, Berlin oder München ein größerer Sprengsatz hochgehen würde mit einer größeren Zahl von Toten, was das bedeuten würde für die Ängste, für die Stärkung von Klischees und Konfrontation, möchte ich mir nicht vorstellen. Ich finde wichtig, dass wir in Europa bei uns vor der eigenen Tür kehren, mit Klischees aufräumen und nicht jeder mit dem Finger auf den anderen zeigt; das gleiche würde ich mir aber auch von Muslimen wünschen. Ich bin es auch ziemlich leid, in Pakistan, Syrien, Ägypten oder anderswo ständig ganz nette Leute zu treffen, die mir erklären, dass der Palästina-Konflikt ja letztlich daran liege, dass der Jude eben ein aggressives Geschöpf sei, und ich als Deutscher in den Arm genommen werde, weil „ihr Deutschen habt nicht nur gegen die Briten gekämpft, sondern auch so viele Juden getötet“. So wie ich es von den christlichen, säkularen und atheistischen Europäern oder Westlern erwarte, dass sie sich ohne wenn und aber auf die Seite von Türken, Arabern oder Muslimen stellen, wenn sie bedroht sind, so erwarte ich auch, dass sich Muslime, Araber und Türken auf die Seite derjenigen stellen, die bei ihnen bedroht sind.

Islamische Zeitung: Glauben Sie, dass das Thema „Islamismus“, Terror, Konflikt der Kulturen hierzulan-

Islamische Zeitung: Herr Dr. Hippler, vielen Dank für das Gespräch.


Dritte Seite

Islamische Zeitung

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Vom Leben in einer ethnischen Kolonie – Neue Studie zeigt positive und negative Potenziale von Migrantenvierteln auf Von Yasin Alder, Bonn

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uisburg-Hochfeld ist ein Stadtteil, der bei einer flüchtigen Durchquerung eigentlich keinen besonderen Eindruck hinterlässt. Ein zentrumsnahes Viertel mit relativ hohem Migrantenanteil, von denen es in fast jeder größeren deutschen Stadt eines oder mehrere gibt. Der Sozialwissenschaftler Dr. Rauf Ceylan hat Duisburg-Hochfeld nun als exemplarisches Beispiel für seine Dissertation „Ethnische Kolonien - Entstehung, Funktion und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés“ gewählt und damit, für ihn selbst überraschend, ein erhebliches Medieninteresse geerntet. Bei Printmedien, Rundfunk, Fernsehen und Politik ist der junge Wissenschaftler, der selbst einen Migrationshintergrund hat und in Duisburg aufgewachsen ist, derzeit sehr gefragt. Offenbar kommt eine Arbeit zu diesem Thema angesichts der aktuellen Integrationsdebatte genau zum richtigen Zeitpunkt. „Wir haben hier bei einer Einwohnerzahl von rund 16.000 einen Migrantenanteil von etwa 40 Prozent, davon stammen etwa die Hälfte aus der Türkei, also etwa 3.000 Türken. Dabei sind Einwohner mit Migrationshintergrund, also solche, die mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft haben, nicht mit erfasst“, erklärt Ceylan. Die Studie beschäftigt sich mit dem Wandel von Moscheen und Cafés im Laufe der letzten Jahrzehnte seit ihrer Gründung. Moscheen stellen ebenso wie die ethnischen Cafés wichtige soziale Orte, Zentren der Kommunikation und des Austausches dar. Ein weiterer ausschlaggebender Faktor für die Wahl von Cafés als Untersuchungsobjekt sei aber auch gewesen, dass sich in den traditionellen, von türkischen Migranten aufgesuchten Cafés in letzter Zeit vermehrt Glücksspiel und Prostitution ausgebreitet hätten, berichtet Ceylan. Er hat in Duisburg-Hochfeld fünf Moscheevereine sowie sieben von insgesamt zwischen 30 und 40 Cafès untersucht einer vergleichsweise sehr hohen Zahl. Bei beiden Einrichtungen fand seit den späten 70er Jahren eine Ausdifferenzierung und Polarisierung statt - bei den Moscheen in verschiedene neu entstehende Verbände, bei den Cafés angesichts der damals starken Politisierung der türkischen Migranten vor allem in „linke“ und „rechte“ Cafés. Etwa ab 1983 habe, auch infolge des Rückkehrförderungsgesetzes, dann eine Phase der Normalisierung stattgefunden, so Ceylan. „Damals mussten viele Migranten, die von diesem Gesetz Gebrauch machten, feststellen, dass sie in der Türkei längst entfremdet sind und machten dort negative Erfahrungen, über die in der türkischen Presse auch ausführlich berichtet wurde. Das führte den Migranten vor Augen, dass eine Rückkehr unreali-

Ist Hochfeld überall? stisch ist und dass ihre Zukunft in Deutschland liegen würde.“ Parallel dazu habe allerdings in Deutschland eine Abwärtsentwicklung in den Stadtteilen stattgefunden, gekennzeichnet durch De-Industrialisierung, zunehmende Arbeitslosigkeit und Zuzug weiterer sozial schwacher Gruppen, sodass auch ein Stadtteil wie Hochfeld sein Gesicht gewandelt habe. Die Moscheen wurden, so Ceylan, im Laufe der Zeit von rein „sakralen“, also vor allem dem Gebet vorbehaltenen Orten, zu multifunktionalen Zentren, die versuchen, die Probleme ihrer Mitglieder verstärkt abzufangen. Die Cafés haben sich im Zuge einer Entpolitisierung der türkischen Migranten weiter ausdifferenziert - nach Herkunftsregionen, Altersstruktur und Angeboten. Die eher traditionell geführten Cafés distanzierten sich dabei von den Cafés, in die in den letzten Jahren Drogen, Glücksspiel oder Prostitution Einzug gehalten haben. „Es gibt eine Dynamik bei diesen Einrichtungen. Das Café in Anatolien kann eine ganz andere Funktion übernehmen als das Café hier in Deutschland. Genauso auch die Moscheen“, sagt Ceylan.

Keine „Ghettos“

Rauf Ceylan Ethnische Kolonien VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, 272 Seiten, Broschiert ISBN 978-3-531-15258-5 Preis: 32,90 Euro

Rauf Ceylan zieht es vor, bei Stadtteilen wie Hochfeld von ethnischen Kolonien zu sprechen statt von „Ghettos“, da Ghettos, wie etwa in Amerika, großflächigere Areale seien, die nur von einer ethnischen Gruppe bewohnt werden und keine Außenkontakte, keine Offenheit zur Mehrheitsgesellschaft haben. Eine großflächige Segregation gebe es aber in Deutschland nicht, die Infrastruktur werde auch von Bewohnern anderer Stadtteile in Anspruch genommen, und drittens stellten Migranten in solchen ethnischen Kolonien deutscher Städte in der Regel höchstens ein Drittel der Bewohner dar und seien zudem nochmals in verschiedene Ethnien differenziert. Hauptergebnisse der Studie sind laut ihrem Autor, dass ethnische Kolonien wie Hochfeld entgegen verbreiteter Vorurteile dynamisch sind und nicht in sich geschlossen, und dass sie sich in einer Übergangsphase befinden, die positive

Potenziale beinhaltet, in der die bestehende Problemakkumulation im negativen Fall aber auch dazu führen könne, dass die Kolonie stagniert. „Die Moscheen sind nicht in der Lage, diese Probleme abzufangen, denn sie haben begrenzte Ressourcen. Es gibt Kräfte, die diese Probleme erkennen und sich öffnen wollen, die aber mit diesem Öffnungsprozess nicht so erfolgreich sind. Die Öffnung wird ihnen auch teilweise von Außen verwehrt, etwa aufgrund ihrer Verbandszugehörigkeit. Es gibt junge Aktive, die sich im Stadtteil engagieren wollten, denen man aber gesagt hat: ‘Herr G., mit Ihnen persönlich haben wir keine Probleme, aber Ihre Moschee gehört der Milli Görüs an.’ Es ist wichtig, dass man diese Öffnungsprozesse unterstützt und nicht abweist, weil dies dazu führt, dass diese Leute sich zurückziehen.“ Der 33-Jährige Imam Yusuf Ucar von der Moschee in der Friedensstraße ist gleichzeitig ausgebildeter Sozialarbeiter. Er sagt: „Das wichtigste ist, dass wir unseren Leuten hier helfen, sich zu integrieren, und in dieser Gesellschaft, die auch unsere Gesellschaft geworden ist, die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass wir unsere Identität, Religion und Kultur pflegen, sie den anderen Menschen mitteilen und friedlich mit ihnen leben können.“ Wir treffen den Imam bei der Arbeit auf der Baustelle im Moscheegebäude an. Eigenarbeit ist bei Moscheebauten und -umbauten üblich, und dass auch der Imam dabei Hand anlegt, verwundert nicht unbedingt. Ungewöhnlicher erscheint, dass hier derzeit auch zwei nichtmuslimische Hartz IV-Empfänger als Helfer tätig sind. Deutsche Arbeitslose helfen beim Moscheebau, als Tätigkeit für das Gemeinwohl im Rahmen einer ARGE-Maßnahme. Die Moschee hat umfangreiche Aktivitäten für Männer und Frauen verschiedener Altersgruppen, die teilweise auch von nichtmuslimischen Nachbarn genutzt werden. Zu den Angeboten gehören auch Ausflüge und Stadtführungen für Jugendliche, die oft ihre eigene Heimatstadt kaum kennen. „Unsere Arbeit wird allgemein sehr positiv aufgenommen, auch von den Medien. Aber die deut-

schen Sprachkenntnisse sind ein Problem. Die meisten Imame hier in Duisburg sprechen kaum oder gar kein Deutsch. Bei Übersetzungen geht viel verloren, und von Herzen sprechen kann man nur, wenn man eine Sprache auch gut beherrscht“, sagt der Imam und Sozialarbeiter. Die Bildungschancen von Kindern, so Ceylan, hingen eng damit zusammen, in welcher Art von Stadtteilen sie leben. „Deswegen wäre eine öffentliche Bücherei hier von elementarer Bedeutung, denn die Armutsfamilien haben ja kaum Bücher zu Hause.“ Die einzige Stadtbibliothek in Hochfeld wurde jedoch vor einigen Jahren geschlossen. Darin befindet sich nun eine Videothek, die ihr Angebot an „Erotik“-DVDs auch in türkischer Sprache anpreist. Rauf Ceylan hält dies für sehr symbolträchtig. In Duisburg-Hochfeld wird auch die Filiale einer bekannten deutschen BäckereiKette zu einem türkischen Café - alle Tische sind in der Mittagszeit voll besetzt mit türkischen Männern. An einer anderen Ecke wiederum wird eine, früher wohl als „typisch deutsch“ betrachtete Imbissbude mit Grillhähnchen und Pommes von einem Türken geführt, der, wie sich herausstellt, in der Türkei eine akademische Ausbildung absolviert hat. Mustafa Calik ist sozial engagiert und unterstützt eine obdachlose Frau, die keine Familie hat. „Ich versuche mit meinen bescheidenen Mitteln dafür zu sorgen, dass sie nicht verhungert.“ Er ist ein guter Beobachter des sozialen Geschehens in Hochfeld, der auch schon Jugendliche bei einem versuchten Einbruch in seine Imbissbude ertappen musste, denen er zuvor umsonst Pommes gegeben hatte. Immer mehr Arbeitslose und Obdachlose, so Calik, rutschten in die Kleinkriminalität und Kriminalität ab, ein eindeutiger, beunruhigender Trend. Warum er einen klassisch deutschen Imbiss und keinen Dönerladen betreibe, erklärt er ganz nüchtern: „Weil hier eine Nachfrage nach so etwas bestand. Döner-Imbisse gibt es schon genug, und außerdem machen die sich mit einem harten Preiskampf gegenseitig kaputt.“ Die Grillhähnchen sind bei Herrn Calik natürlich halal geschlachtet, und Alkohol ist nicht im Angebot. Man müs-

ste Hochfeld aufwerten, meint er, zum Beispiel, indem selbstständige Unternehmer im Sinne sozialer Solidarität gemeinsam über Lösungen für Obdachlose und soziale Härtefälle nachdenken. Auch seiner Ansicht nach mache der besuchte Schultyp für den späteren Erfolg oder Misserfolg der Jugendlichen und für ihre persönliche Entwicklung enorm viel aus, wie er aus der Erfahrung seiner Familie weiß: „Die Bildung macht den Unterschied - die Hauptschule ist nichts mehr wert.“

Potenziale fördern Die Grillhähnchen gibt er uns heute aus: „Man muss auch geben können.“, sagt er auf Nachfrage dazu. Bei vielen anderen Geschäftsleuten wäre so etwas wohl kaum denkbar. Es ist diese soziale Kompetenz, die gegenseitige Hilfe, die Kommunikation auf menschlicher Ebene, der kleine Plausch mit dem Ladenbesitzer, der diese ethnische Kolonie lebenswert macht, gerade da dies in der deutschen Gesellschaft, in der Kälte und Anonymität immer mehr um sich greifen, zunehmend fehlt. Laut Rauf Ceylan gibt es daher auch Deutsche, die ganz bewusst in Hochfeld leben, weil sie dies zu schätzen wissen. „Diese informellen Beziehungen machen Hochfeld aus“, meint auch er. „Beziehungen zu anderen Selbstständigen, dass der Besitzer auch mal etwas ausgibt oder Bedürftige unterstützt. Das ist hier weit verbreitet. Das sind Aspekte des Stadtteillebens, die nicht transparent genug sind und in der Öffentlichkeit gar nicht thematisiert werden. Dies müsste noch mehr gefördert werden. Das kulturelle und soziale Kapital ist hier immer noch vorhanden, davon könnte auch die Mehrheitsgesellschaft profitieren.“ Ceylan sieht eine große Diskrepanz zwischen der meist negativen öffentlichen Wahrnehmung solcher Stadtteile und der Realität. Er plädiert dafür, die positiven Potenziale ethnischer Kolonien anzuerkennen und zu fördern, statt sie durch Ausgrenzung und Stigmatisierung zu blockieren, was eher zu einer negativen Entwicklung, zu Regression und Selbstausgrenzung führen würde.


4 Seite / Dezember 2006

Hintergrund

Islamische Zeitung

Von Yasin Alder, Bonn

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n Deutschland gibt es derzeit rund 2.300 Moscheen, davon sind bisher ungefähr 150 architektonisch als solche erkennbar. Das Thema Moscheebau zählt zu den seit Jahren am häufigsten diskutierten Aspekten muslimischen Lebens in Deutschland. Die Probleme bei der Genehmigung von Moscheen sowie Konflikte um Moscheebauten, die meist dann entstehen, wenn Nachbarn oder auch Politiker eine ablehnende Haltung zu Moscheebauprojekten einnehmen, sind ein anhaltendes Thema. Dass Muslimen der Bau von Moscheegebäuden nicht grundsätzlich verwehrt werden kann, ist unbestritten; es geht bei solchen Konflikten wohl vor allem um die Frage, wie viel Sichtbarkeit die Mehrheitsgesellschaft der muslimischen Präsenz, oder man könnte auch sagen dem Islam, im öffentlichen Leben und im Bild unserer Städte zu gewähren bereit ist. Für Teile der Bevölkerung stellt offenbar der Anblick einer Moschee, vielleicht gar mit Minarett und Kuppel, eine Zumutung dar oder ist zumindest sehr gewöhnungsbedürftig. Moscheebauten werden oft als „Demonstration des Islam“ gesehen, als ein Angebot oder eine Bereicherung des sozialen Lebens hingegen bisher kaum. Oft mangelt es hierbei auch an einer guten Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz der jeweiligen Moscheegemeinden.

Neue Wege nötig Die meisten Moscheen in Deutschland entsprechen nach wie vor dem Typus der so genannten „Hinterhofmoschee“, sind also in ehemaligen Lagerhallen, Gewerbegebäuden, Ladenlokalen oder Kneipen untergebracht. Weil viele gerade ältere aus der Türkei stammende Muslime sich dies so wünschen, sind die meisten der derzeit bestehenden sichtbaren Moscheen in einer mehr oder weniger den türkisch-osmanischen Stil kopierenden Architektur errichtet, mit Kuppel und/oder dem typisch geformten Minarett. Mal sehr gelungen, wie bei der Sehitlik-Moschee in Berlin, oft leider auch weniger ästhetisch. Zwar haben auch in der Türkei nicht alle Moscheen eine Kuppel, dennoch hört man von türkischstämmigen Muslimen oft die Aussage „eine Moschee ohne Kuppel und Minarett ist für mich keine Moschee“ oder gar „das sind Symbole unseres Glaubens“. Natürlich bleibt die Entscheidung darüber dem jeweiligen Verein überlassen, man sollte sich aber zumindest bewusst sein, dass eine Moschee in Deutschland nicht wie geschildert aussehen muss, sondern auch andere regionale muslimische Traditionen und natürlich auch hiesige Bauformen und Bautraditionen aufgreifen kann. Und natürlich kann man auch Kuppel und Minarett in moderneren, innovativeren Formen konzipieren. Der bei neuen Moscheebauten oft anzutreffende Standort in Gewerbe- und Industriegebieten, nahe Bahnlinien oder Autobahnen mag zwar im Hinblick auf das Parkplatzangebot Vorteile aufweisen, de facto bleiben solche Moscheen aber weiterhin an den Rand gedrängt und können so weder der Mehrheitsge-

Wie ... ... baue ich eine Moschee? sellschaft näher kommen, noch den Wohnorten der Muslime, da sie oft nur per Auto und nicht fußläufig erreichbar sind. Dass eine Moschee mehr ist als nur ein Gebetsraum, sondern auch über eine wichtige soziale Funktion verfügt, wozu bestimmte zusätzliche Einrichtungen und Aktivitäten gehören, ist mittlerweile fast schon Allgemeingut geworden. Dass dazu mehr gehört, als beispielsweise ein Jugendraum mit Billardtisch oder Kicker, beginnt sich allmählich auch durchzusetzen. Positiv wäre es, sich an den klassischen Moscheekomplexen mit ihren wohltätigen Stiftungseinrichtungen, der „Külliye“ des Osmanischen Reiches, ein Vorbild zu nehmen.

Planung und Umsetzung Muhamet Abazi hat den Moscheebau der albanisch-muslimischen Gemeinde in Leverkusen seitens des Vereins maßgeblich mit geleitet. Entstanden ist dabei ein Gebäude, das typische osmanischbalkanische Elemente in einer modernen Weise aufgreift. Abazi erläutert im Folgenden den typischen Ablauf eines Moscheebauprojekts. Zunächst erkundigt man sich bei der Verwaltung nach verfügbaren Grundstücken oder aber versucht, privat ein Grundstück zu kaufen. Privat sei es aber einfacher, es sei denn, man habe bereits einen guten Kontakt zur Stadt, meint Abazi. Denn die Stadt würde in der Regel nicht von sich aus ein gutes Grundstück anbieten. „Man sollte darauf achten, dass das Grundstück in einem Bebauungsgebiet liegt, in dem ein Moscheebau, also der Bau eines religiö-

sen Gebäudes, zulässig ist. Ansonsten macht es keinen Sinn, das Grundstück zu erwerben“, erklärt er. Ist ein Moscheebau in dem Gebiet „nur im Ausnahmefall“ zulässig, sei ebenfalls davon abzuraten. Ist er aber zulässig, könne die Verwaltung den Bau nicht ablehnen, sie müsse dann positiv entscheiden. Der nächste Schritt, der laut Abazi aber nicht obligatorisch sei, ist eine Bauvoranfrage. „Damit kann man verbindlich feststellen lassen, ob auf dem besagten Grundstück der Bau einer Moschee zulässig ist. Wenn die Zulässigkeit aber schon bekannt ist, ist das nicht mehr nötig.“ Darauf folgt als nächstes der Bauantrag, wo es dann bereits um Details geht und der - anders als die Bauvoranfrage, bei der einfachere Skizzen genügen - in jedem Fall von einem Architekten erstellt wird. Moscheen werden meist von muslimischen Architekten, teils aber auch von Nichtmuslimen konstruiert. Muhamet Abazi rät eher zu einem muslimischen Architekten, da dieser die Bedürfnisse der Muslime bei einem solchen Bau besser kenne, was die Zusammenarbeit vereinfache. Die Bearbeitungszeit von Bauanträgen dauere mindestens einige Wochen, das gesamte Verfahren könne aber auch bis zu einem Jahr und länger dauern, je nachdem, welche Fragen dabei noch geklärt werden müssen und welche Komplikationen eventuell auftreten. Hier rät Abazi zur Geduld, denn egal welche Komplikationen auftreten, könne es bei Zulässigkeit der Bebauung eine Negativ-Entscheidung nicht geben. Nur in dem Fall, dass der Stadtrat den Bebauungsplan des Anzeige

Gebietes mit Mehrheitsentscheidung ändert, könne dies passieren, oder wenn das betreffende Grundstück einem angrenzenden Grundstück, auf dem ein Moscheebau nicht zulässig ist, zugeschlagen wird, um so den Moscheebau zu verhindern. Minarette und Kuppeln seien rechtlich grundsätzlich erlaubt; die zulässigen Höhen etwa von Minaretten würden von den Architekten normalerweise ohnehin eingehalten. Auf Feilschen um die Höhe von Minaretten sollte man sich nicht einlassen, rät Muhamet Abazi. Auch er rät von allzu orientalisch aussehenden Bauten eher ab. Generell sei die Stadtverwaltung von der Politik unabhängig, es gelte prinzipiell das Baurecht, nicht politische Bedenken. Letztere könnten aber zu anderen Komplikationen führen. „Man sollte von vorn herein mit offenen Karten spielen und von Anfang an als Moscheeverein auftreten, und nicht versuchen, dies durch vorgeschobene Personen als Käufer oder ähnliches zu verschleiern, das wäre das Dümmste, was man machen kann. Vorhandene Kritik gegenüber der Moschee kann man bis zu einem gewissen Grad weitgehend entkräften, wenn man transparent und informierend auftritt. Dabei sollte man auch die positiven Effekte einer Moschee für die Stadt hervorheben“, sagt Muhamet Abazi. Auch bei den geforderten Parkplätzen sorge in der Regel der Architekt für eine Lösung. Sollten die Parkplätze nämlich nicht ausreichen, könne die Stadt im Extremfall den Bauantrag ablehnen. Sollten keine groben Fehler im Bauantrag enthalten sein, und diese würden von erfahrenen Architekten in aller Regel auch nicht gemacht, könne die Stadt gar nicht negativ entscheiden. Bei der Finanzierung rät Abazi von Krediten ab, wegen der islamisch-rechtlichen Problematik und da diese ohnehin schwierig zu bekommen seien. Das Thema Bankkredite für Moscheebauten ist ein sehr heikles, da verzinste Kredite im Islam verboten sind. Dennoch gibt es immer wieder Moscheen, die zumindest teilweise darauf zurückgreifen, obgleich die meisten es zu vermeiden suchen. Zwar gibt es einzelne Fatwas, die solche Kredite unter dem Umstand der Notwendigkeit erlauben, doch sind diese umstritten und im Zweifelsfall ist es sicher besser, darauf zu verzichten. Seine Gemeinde habe, weil sie aus zeitlichen Gründen dazu gezwungen war,

lediglich einen Teilbetrag des Grundstückskaufes durch Kredit finanziert, so Abazi. „Die größte Geldquelle ist immer noch die eigene Gemeinde, die eigenen Mitglieder. Als nächstes die muslimischen Gemeinden der Umgebung. Eine große Sparquelle liegt natürlich auch in Eigenleistungen beim Bau.“ Reiche Geldgeber, zumal aus dem Ausland, sind nicht immer notwendig. Man muss aber damit rechnen, dass Spenden unregelmäßig und erst dann so richtig fließen, wenn der Bau bereits begonnen hat. Zinslose Darlehen von Einzelpersonen sind auch möglich, wenn auch nicht so häufig. Eine Verschuldung sollte man immer so gering wie möglich halten, empfiehlt Muhamet Abazi. Der Berliner Inssan e.V. war in die Schlagzeilen geraten, weil sein Vorhaben, ein großes Begegnungszentrum in Berlin Neukölln zu bauen, von Seiten der Politik und einiger Medien kritisiert und zudem aus baurechtlichen Gründen abgelehnt worden ist. Derzeit befindet sich der Verein in einem Rechtsstreit. Imran Saghir von Inssan empfiehlt aus seinen Erfahrungen heraus, den Kontakt zu den Behörden schon möglichst früh, vor der Bauvoranfrage und dem Bauantrag, zu suchen, noch bevor man sich auf den Standort festlegt. Bei der Finanzierung hat der Inssan e.V. sich das Modell der „Patenschaften“ ausgedacht, sowie „Einzel- und Projektspenden“. „So lange man aber nicht wirklich angefangen hat zu bauen, ist es schwer, die Mittel zu bekommen, denn wenn man bereits angefangen hat, ist die Unterstützung durch Spenden größer“, bestätigt auch Saghir. Kredite habe man nicht aufgenommen, lediglich private, unverzinste Darlehen. „So ein Projekt erfordert viel Arbeit. Bei Vereinen werden es immer einige wenige sein, die die organisatorische Arbeit - ehrenamtlich - leisten können. Die Gemeinde sollten diesen dann unbedingtes Vertrauen entgegenbringen“, sagt Muhamet Abazi. Literaturauswahl: Herbert-Quandt-Stiftung (Hrsg.) (2002): Der Weg zur Moschee - eine Handreichung für die Praxis. Bad Homburg v. d. Höhe. Kraft, Sabine (2002): Islamische Sakralarchitektur in Deutschland. Eine Untersuchung ausgewählter Moschee-Neubauten. Münster. Schmitt, Thomas (2003): Moscheen in Deutschland. Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung. Deutsche Akademie für Landeskunde, Flensburg.


Welt

Islamische Zeitung

Dezember 2006 / Seite

ALLGEMEIN Friedensprozess am Ende

BOSNIEN Truppenrückzug ist „leichtfertig“

KAIRO. Scharf kritisiert hat die Arabische Liga das Veto der USA gegen eine Verurteilung Israels wegen der jüngsten Angriffe im Gazastreifen. Generalsekretär Mussa erklärte vor einer Dringlichkeitssitzung des Gremiums, die Liga habe das Veto der USA mit „tiefem Bedauern und großer Wut“ aufgenommen. Der Friedensprozess sei nun „vollkommen am Ende“.

Verbot von Clustermunition angestrebt BERLIN (IPS). Unfälle mit Streumunition treffen fast ausschließlich die Zivilbevölkerung und vor allem Jungen und Männer. Ein neuer Bericht von „Handicap International“ hat die verheerenden Auswirkungen von Clusterbomben untersucht und die internationale Gemeinschaft aufgefordert, rechtlich verbindliche Regelungen zu schaffen, um einen weiteren Einsatz zu verhindern. 98 Prozent aller dokumentierten Unfälle betreffen die Zivilbevölkerung. Die meisten Opfer werden aus dem Alltag gerissen, während sie auf dem Feld arbeiten oder Obst ernten. Kinder trifft es häufig beim Spiel. Streubomben sind Waffen, die dazu entwickelt wurden, größere Flächen zu zerstören, indem sie kleine explosive Submunitionen freisetzen. Die sogenannten Bomblets hinterlassen eine „tödliche Spur“ der Vernichtung, töten und verletzen unterschiedslos Soldaten und Zivilisten. Ein Großteil der Streumunition bleibt nach dem Einsatz als Blindgänger liegen. Die Studie dokumentiert weltweit 11.044 Opfer von Streumunition, die tatsächliche Zahl wird allerdings auf rund 100.000 Opfer geschätzt. 27 Prozent von ihnen sind Kinder. Handicap International fordert die sofortige Räumung der betroffenen Gebiete, etwa im Libanon, wo sich noch heute zwei bis drei Unfälle mit Blindgängern am Tag ereignen. Im Kosovo konnten die Vorfälle dagegen deutlich reduziert werden. Ein Problem ist auch, dass die Blindgängerquoten, die bei Räumarbeiten festgestellt wurden, deutlich höher sind als von den Produzenten angegeben. Selbstzerstörungsmechanismen, die verhindern sollen, dass die Munition noch lange Zeit explosionsbereit bleibt, funktionieren regelmäßig nicht, so der Bericht.

BELGIEN Finanzierung von Moscheen angekündigt BRÜSSEL (Zaman). Moscheen in Belgien, das den Islam als eine von sechs offiziellen Religionen anerkennt, sollen ab dem nächsten Jahr Finanzierung von Seiten der Regierung erhalten. Während der Islam seit 1974 einen offiziellen Status in dem Beneluxland inne hat, erhielten Moscheen anders als andere religiöse Institutionen keinerlei finanzielle Zuschüsse. Der flämische Integrationsministerin Marino Keulen kündigte an, dass ab 2007 sieben Moscheen eine Finanzierung erhalten werden. Die Moscheen müssten jedoch, um sich dafür zu qualifizieren, bestimmte Bedingungen erfüllen. Damit Moscheen Anerkennung fänden, müssten die Imame die flämische Sprache verstehen und sprechen können. Die Imame der sieben Moscheen mehr Mittel seien augenblicklich nicht verfügbar - würden demnach ein Gehalt vergleichbar zu dem von Priestern oder Rabbinern erhalten. Moscheen könnten darüber hinaus weitere Mittel für Reparaturen und Erneuerungen beantragen. „Es gibt 150.000 flämische Muslime, und die finanzielle Unterstützung von anerkannten Moscheen stellt eine gute Basis für Kommunikation mit diesen Muslimen dar. Dies wird nicht nur helfen, unsere Beziehung mit dem Islam zu verbessern, sondern auch verhindern, dass der Islam zu einer unbedeutenden Angelegenheit wird“, so Keulen.

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Nachbarschaftsmoschee in der Millionenmetropole Mubay (Bombay)

Die neuen Unberührbaren Indien: Muslime werden gesellschaftlich ausgegrenzt Von Praful Bidwai, Neu-Delhi

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ndien brüstet sich gern damit, die älteste Demokratie Asiens zu sein, in der die Integration religiöser und kultureller Minderheiten gelungen sei. Doch eine neue Studie konfrontiert das Land mit einer unbequemen Wahrheit: Was Muslime betrifft, ist der Subkontinent alles andere als pluralistisch und harmonisch. Ein vorab in den Medien vorgestellter Bericht eines Regierungskomitees zeigt, dass die größte religiöse Minderheit systematisch ausgegrenzt und schwer diskriminiert wird. Das Komitee soll den sozialen, wirtschaftlichen und Bildungsstatus der Muslime in Indien untersuchen und wird vom früheren Hohen Richter Rajinder Sachar geleitet. Offiziell wurde der Bericht der Regierung noch nicht vorgelegt. Doch es droht ein politischer Sturm, wenn es so weit ist. „Das Sachar-Komitee hat eine traurige und beschämende Wahrheit offen gelegt“, sagt Mohammed Hamid Ansari, früherer UN-Botschafter und Vorsitzender der Nationalen Minderheitenkommission. „Und diese Wahrheit lautet, dass die Muslime Indiens neue Unterklasse stellen.“ 13,4 Prozent der indischen Bevölkerung von mehr als einer Milliarde sind Muslime. In Schulen und Universitä-

I N D I E N

Schwierige Lage Indiens Muslime, haben trotz ihrer großen Zahl eine vergleichsweise schlechte gesellschaftliche Position und müssen sich häufig gegen Diskriminierungen zur Wehr setzen. ten, Regierung und Parlament sind sie deutlich unterrepräsentiert. Im Durchschnitt besetzen sie nur vier bis sechs Prozent der staatlichen Jobs. Teilweise geht es ihnen sogar schlechter als den Dalits, den Unberührbaren, die Jahrhunderte lang unter systematischer Diskriminierung durch Hindus gelitten hatten. So besuchen nur 80 Prozent der muslimischen Jungen in den Städten eine Schule, aber 90 Prozent der Dalits. Muslimische Mädchen in ländlichen Gebieten gehen zu 68 Prozent in die Schule, Dalit-Mädchen hingegen zu 72 Prozent. „Wenn du Muslim bist, musst du damit rechnen, dass du in einer Gegend ohne Strom, Straßen und öffentliche Dienste lebst“, sagt Ansari. „Die Muslime werden zunehmend ghettoisiert.“ Besonders düster ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt. In zwölf vom Komitee untersuchten Bundesstaaten haben Musli-

me 5,7 Prozent der öffentlichen Posten inne, stellen aber 15,4 Prozent der Bevölkerung. Besonders deutlich wird die Diskriminierung in Gebieten, in denen Muslime einen größeren Anteil an der Bevölkerung stellen. So sind im ostindischen Bundesstaat Westbengalen mehr als ein Viertel aller Bürger Muslime, aber nur 4,2 Prozent besetzen staatliche Stellen. Ähnlich niedrige Zahlen gibt es im Justizwesen und in höheren administrativen Stellen sowie der Polizei und diplomatischen Kreisen. Hier variiert der Anteil zwischen 1,6 und 3,4 Prozent. Überraschend ist das nicht, denn nur 3,6 Prozent der Graduierten sind Muslime. In der Armee finden sich weniger als zwei Prozent muslimischen Glaubens, im Geheimdienst sind gar keine bekannt. An einem Ort jedoch sind Muslime deutlich überrepräsentiert: in den Gefängnissen. Im westindischen Bundesstaat Maharashtra zum Beispiel machen Muslime 10,6 Prozent der Bevölkerung aus, aber mehr als 40 Prozent der Gefängnisinsassen. Rajiv Bhargava vom Centre for the Study of Developing Societies in NeuDelhi überraschen die Zahlen nicht wirklich. Bereits Mitte der 80er hätten radikale Hinduisten eine Bewegung gegen die Babri-Moschee gegründet. Fortsetzung Seite 18 >

Die Wüste wächst Marokko: Weite Teile des Landes sind bedroht

I

n Marokko sind nach offiziellen Angaben 93 Prozent der Landfläche von Desertifikation bedroht. Jährlich fallen 22.000 Hektar Agrarland der Sahara zum Opfer. Den Tod bedeutet das auch für die wirtschaftliche wichtige Dattelpalme - eine der entscheidenden Einkommensquellen des nordwestafrikanischen Landes. Die Zahl der Palmen ist seit Ende der 19. Jahrhunderts von 15 Millionen auf 4,5 Millionen geschrumpft. Der Verlust der Dattelpalmen sei eine Katastrophe für die lokale Bevölkerung, führe zur Aufgabe des Landes und zur Abwanderung, sagte M. Achlif vom Ma-

rokkanischen Verband für Entwicklung und Solidarität, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in der marokkanischen Hauptstadt Rabat. Die Desillusionierung der Bauern hat ihre Ursache unter anderem in der weit verbreiteten Auffassung, dass die Ausdehnung der Sahara natürliche Ursachen habe und nicht zu stoppen sei. Ein entscheidender Grund für die Desertifikation ist jedoch der Bevölkerungsdruck und die durch ihn verursachte Übernutzung der Böden. Im Schnitt wächst die Bevölkerung in den trockenen Regionen des Königreichs um 3,5 Prozent im Jahr.

Die marokkanische Regierung hat 2001 einen nationalen Plan zur Bekämpfung der Wüstenbildung aufgelegt. Er sieht eine Stärkung des politischen, rechtlichen und institutionellen Rahmens vor und bezieht staatliche wie auch nicht-staatliche Stellen ein. Einer der wesentlichen Aspekte des Vorhabens ist Aufklärung und Ausbildung. Das Angebot richtet sich an Beamte, lokale Vertreter und die ländliche Jugend. Zur Zeit können etwa 81 Prozent der Bauern in den trockenen und halbtrockenen Regionen Marokkos weder lesen noch schreiben. (IPS)

GÖTTINGEN (GfbV). Als vorschnellen und leichtfertigen Entschluss hat die Gesellschaft für bedrohte Völker die Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung kritisiert, die 1.000 Bundeswehrsoldaten aus Bosnien abzuziehen. „Es darf nicht sein“, erklärte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch, „dass die deutschen Truppen das Land verlassen, die Kriegsfolgen in Bosnien jedoch unbewältigt bleiben. Vor einem Truppenabzug müssen die zentralen Probleme des Landes - die Wiedervereinigung, die Festnahme der Hauptkriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic sowie die Entfernung von Kriegsverbrechern aus Behörden und regionalen Körperschaften - gelöst sein.“ Nach wie vor bestehe Bosnien-Herzegowina aus zwei völlig voneinander getrennten Einheiten, die durch das Diktat von Dayton entstanden seien und die in der 800-jährigen Geschichte Bosniens niemals existiert hätten. Insbesondere die so genannte „Republika Srpska“, in der vor dem Krieg mehr als 50 Prozent nichtserbische Bosnier lebten, sei durch deren Vertreibung und teilweiser Liquidierung entstanden.

FRANKREICH Mehrheit gegen Kopftuchverbot PARIS (KNA). Die Mehrheit der Franzosen ist gegen ein Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit. Laut einer vorab veröffentlichten Umfrage der Zeitung „Le Monde“ sprachen sich 56 Prozent der rund 1.000 Befragten gegen, 44 Prozent für ein solches Verbot aus. Von den Befragten unter 35 Jahren sprachen sich 55 Prozent für ein Verbot aus. In der Altersgruppe ab 35 Jahren waren 39 Prozent dieser Meinung. Seit 2004 ist in Frankreich das Tragen „aufdringlicher religiöser Symbole“ in der Schule verboten. Dazu gehören neben dem islamischen Kopftuch die jüdische Kippa, der Turban der Sikhs oder große Kreuze. Universitäten sind von der Gesetzesregelung nicht betroffen.

ISRAEL Friedensorganisation fordert Maßnahmen TEL AVIV (EJP). In einer Presseerklärung hat sich die Vereinigung „Europäische Juden für einen gerechten Frieden“ (EJJP) für energische Maßnahmen der EU gegenüber Israel ausgesprochen. In der EJJP-Presseerklärung heißt es: „Die Militäraktionen der israelischen Armee während der vergangenen Monate im Gaza-Streifen haben zu einer Unterdrückung und Verfolgung der palästinensischen Bevölkerung geführt, deren Ausmaß unerträglich ist. Hunderte unbewaffnete Palästinenser kamen bei den Operationen, die in den Sommermonaten unter der zynischen Bezeichnung „Sommerregen“ durchgeführt wurden und jetzt als „Operation Herbstwolken“ fortgesetzt werden, zu Tode; ganz zu schweigen von jenen, die verwundet und - zum Teil für ihr ganzes Leben - verstümmelt wurden. Erst heute Morgen wurden weitere neunzehn Palästinenser bei einem Massaker der israelischen Armee im nördlichen Gaza-Streifen ermordet - die Mehrzahl der Opfer dieses unsäglichen Vergehens waren Frauen und Kinder.“ Als „europäische Juden“ sei es unerlässlich und dringend, dass die Europäische Union endlich wirksame, entschlossene und eindeutige Maßnahme ergreife, um „Israel zu bewegen, internationales Recht zu respektieren.“ Es sei offenkundig und überfällig, „dass die Staaten Europas ihre Freundschaftsbeziehungen und Handelsverbindungen mit Israel aussetzen, solange es die grundlegenden Menschenrechte nicht achtet und weiterhin Kriegsverbrechen begeht.“


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NIEDERLANDE Totales Verbot angestrebt DEN HAAG. Die Niederlande könnten das erste europäische Land werden, welches den von manchen getragenen Gesichtsschleier wie auch die Burka im öffentlichen Raum verbieten will. Die rechte Regierungskoalition sucht nach Wegen, den Schleier gesetzlich zu verbieten. Die Grundlage für ein solches Verbot wurde im letzten Dezember gelegt, als vom rechten Politiker Wilders eine Gesetzesnovelle vorgelegt wurde. „Das Kabinett empfindet das Tragen der Burka als unerwünscht ... aber kann kein vollkommenes Verbot durchsetzen“, so die Nachrichtenagentur ANP. „Die Regierung sucht nach Möglichkeiten, einen Bann durchzusetzen“, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Ankündigung steht im starken Kontrast zum Bild des Laissez-faire in den Niederlanden. Das Land war bisher bekannt für seine Toleranz gegenüber Drogen, Prostitution und Euthanasie, hat aber in den vergangenen Jahren harsche Gesetze in Sachen Einwanderung erlassen. Muslimische Organisationen schätzen, dass nur wenige hundert Frauen überhaupt ihr Gesicht in der Öffentlichkeit bedecken. „Was die Regierung tut, ist vollkommen maßlos angesichts der geringen Zahl von Frauen, die überhaupt die Burka tragen“, meint Ayhan Tonca, Vorsitzende einer muslimischen Dachorganisation. Der Gesetzesvorschlag darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern steht im Zusammenhang zu vergleichbaren Initiativen in England, Italien und auch in Deutschland.

PALÄSTINA Angriff: Moschee bei Luftangriff zerstört GAZA (Zaman). Israels tödliche Luftangriffe auf die Stadt Bait Hanun im Gazastreifen, die eine 19-köpfige Familie töteten, haben auch 766 Jahre alte Moschee zerstört. In einer Stellungnahme auf der Webseite der UN-Beobachter hat der Imam der An-Nasr Moschee in Beit Hanun, Schaikh Sihda Abu Zreyk, erklärt, dass die Moschee, die 1240 errichtet wurde, während des israelischen Luftangriffs vollkommen zerstört wurde. Die Moschee wurde nach dem Abzug der Kreuzfahrer aus Gaza gebaut. Der Angriff auf Orte der Anbetung während militärischer Operationen gilt nach dem 16. Artikel der Genfer Konvention als Kriegsverbrechen. Israels Zerstörung von Moscheen ist ein weiterer, weithin unbekannter Aspekt der anhaltenden Besetzung palästinensischer Gebiete.

Unter Belagerung GENF. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) erklärte, dass die von den USA eingeleiteten Sanktionen gegen die noch amtierende Hamas-Regierung „dramatische Auswirkungen“ auf die medizinische Versorgung haben. Anstrengungen von anderen Geberländern und privaten Wohlfahrtsorganisationen, die Gesundheitsstrukturen in den palästinensischen Gebieten zu stabilisieren, hätten diese Folgen nicht konterkarieren können. „Das ICRC verlangt die Wiederherstellung essenzieller Gesundheitsdienstleistungen“, sagte das Rote Kreuz in einer Erklärung. Die „internationale Gemeinschaft“ müsse ihre Entscheidung bezüglich der Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde noch einmal überdenken, da dies schwerwiegende Auswirkungen in humanitärer Hinsicht habe. Augenblicklich funktionierten Krankenhäuser in der Westbank mit nur einem Fünftel ihrer Kapazität und viele kleine Kliniken seien nach Angaben des Roten Kreuzes vollständig geschlossen worden. Das ICRC erinnerte daran, dass das internationale Völkerrecht Israel als Besatzungsmacht zur Beachtung der grundsätzlichen Bedürfnisse der palästinensischen Bevölkerung unter ihrer Autorität verpflichte.

USA Erster Muslim im Kongress

Uigurische Bauarbeiter außerhalb von Kashgar. Am der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Heimat haben sie keinen Anteil.

Der lange Arm Pekings In Ostturkestan versuchen die Uiguren, ihre Kultur zu bewahren Von Mark Magnier

M

ullah Masud zieht seine Schuhe aus, bevor er sich auf den langen Weg über die Teppiche der Jaman Moschee macht und eine Reihe von wackligen Stufen in Richtung Dach erklimmt. Gesegnet mit einem Paar kräftiger Lungen und viel Übung, ruft er als Muezzin in den Nachmittag zum Gebet. Trotz seiner Anstrengungen kann er sich nur mühsam gegen die vorbei fahrenden Lastwagen und Busse durchsetzen. Die Zentralregierung in Peking verbietet den Gebetsrufern den Gebrauch von Lautsprechern. Eine der Dutzenden von Regeln, die die Stimme des Islam in China zum verstummen bringen soll. Ganz besonders richten sich die Maßnahmen gegen die Uiguren in der westlichsten chinesischen Region Ostturkestan (Xinkiang), die die Regierung als se-

O S T T U R K E S T A N

Zu oft vergessen Während die globale muslimische Aufmerksamkeit überwiegend auf Palästina und den Nahen Osten fixiert ist, bleibt das Leid der Muslime in Ostturkestan allzu oft vergessen. paratistische Bedrohung ansieht. Zeichen und Banner an Moscheen in Hotan, Kaschgar und anderen Städten machen deutlich, wer hier bestimmt. „Haltet euch vollkommen an die Religionspolitik der kommunistischen Partei“ liest man auf einem übergroßen Transparent am Tor zum Grab von Imam Asim in Hotan. „Aktiv geleitete Religion hin zu einer gerechten sozialistischen Gesellschaft.“ Mehr als 3.500 Kilometer im

Osten, scheint Peking weit entfernt zu sein, was die Furcht erklärt, dass die mehr als acht Millionen Uiguren der Region sich vereinen und einen unabhängigen Staat bilden könnten. Lamm und Fladenbrot dominieren hier über Schwein und Reis als Speise der Wahl, blaue Augen und helle Haut sind nicht selten, und viele Menschen sprechen kaum Mandarin. Auch wenn viele Uiguren stolz auf ihre Geschichte, ihre herausragende Sprache und ihre Jahrhunderte alte Kultur sind, so sehen sie doch, angesichts der Pekinger Umklammerung und der wirtschaftlichen Dominanz, eine uigurische Heimat als fernen Traum an. Aber Peking geht kein Risiko ein, meinen Kritiker. Es fährt damit fort, Imame einzuschüchtern und die uigurische Kultur durch Assimilationspolitik zu schwächen. Aus Sicht der han-chinesischen Mehrheit Fortsetzung Seite 17 >

Übergriffe auf Moschee Novi Pazar: Angriffe auf örtliche Muslime

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rei Verwundete und 16 Inhaftierte waren die Folge eines Angriffs auf einen Gebetsrufer und einige Gläubige in Novi Pazar nach dem Nachmittagsgebet. Der Präsident der örtlichen Islamischen Gemeinschaft (Madschlis) Sacirov erklärte, dass „eine Gruppe so genannter ‘Wahhabis’ versuchte, den örtlichen Muslimen ihre Vorstellungen von einem ‘korrekten Gebet’ aufzuzwingen.“ Er betonte, dass die Gemeinschaft der Hilfe der örtlichen Polizei bedurfte, um diese schwierige Situation, die seit zwei Jahren anhalte, zu beheben. Novi Pazar, mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit, liegt in der überwiegend muslimischen Region des Sandschak, die im Südwesten von Serbien liegt. Wie in anderen Regionen auch, die den Islam durch die Osmanen kennen gelernt haben, folgen die Muslime dort in ihrer religiösen Praxis der hanafitischen Rechtsschule. In den letzten Jahren haben junge Leute (mit langen Bärten und kurzen Hosen) begonnen, in Novi Pazar die so genannte „wahhabitische“ Lehre zu predigen. Heute gibt es in der Stadt einige hundert, die dieser Doktrin folgen. Die Islamische Gemeinschaft hat sich

entschieden, die betroffene Moschee nach den Übergriffen zu schließen. Eine Gruppe junger „Wahhabiten“ hat kurz danach die Tore der Moschee aufgebrochen. Im selben Augenblick wurde der Bruder des Gebetsrufers, der mit seinem Wagen vor der Moschee parkte, von einer gewaltsamen Gruppe angegriffen. Aus Furcht um sein Leben feuerte er eine Waffe ab und verletzte drei seiner Angreifer. Der Mann wurde zu einem Monat Gefängnis wegen illegalen Waffenbesitzes und der Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt. Die „Arabische Moschee“ bleibt solange geschlossen, bis ein normaler Betrieb des Gebets wieder sicher gestellt werden kann. Die höchste muslimische Körperschaft ist die Maschihat der Islamischen Gemeinschaft des Sandschak. Gemeinsam mit ähnlichen Einrichtungen in Slowenien und Kroatien ist sie Teil der Islamischen Gemeinschaft in Sarajevo. Diese wurde nach der Auflösung Jugoslawiens ins Leben gerufen. Trotz des totalitären Milosevic-Regimes konnten die Muslime im Sandschak eine Madrassa, eine Fakultät für Islamstudien, Kindergärten, einen Verlag, eine Zeitung, eine Hadschorganisation und an-

dere Einrichtungen gründen. Nach den letzten Vorfällen haben Vertreter der serbischen Regierung erklärt, dass die „Wahhabiten“ eine größere Bedrohung für die Islamische Gemeinschaft seien als für den serbischen Staat. Manche weigerten sich daher, in die inneren Angelegenheiten der Islamischen Gemeinschaft einzugreifen. Wegen seiner spezifischen Lage ist Novi Pazar in der ganzen Region bekannt als Zentrum für Drogen- und Menschenhandel. Einige der dabei beteiligten Kriminellen wurden von den wahhabitischen Lehren angezogen und fingen an, den Islam zu verformen. Die Personen kamen in die Gebetsreihen der Moschee und brachten ihr kriminelles Verhalten und ihre Feindseligkeit mit. Daher schreckten sie auch nicht davor zurück, andere Muslime anzugreifen oder sie sogar als „Ungläubige“ zu betrachten. Darüber hinaus verfügen diese Gruppen nicht über muslimische Gelehrte, denn jeder ausgebildete Imam würde ihrem aggressiven und intoleranten Verhalten widersprechen. (Von Fahrudin Smailovic, Novi Pazar) Der Autor ist Chefredakteur der „Stimme des Islam“ in Novi Pazar.

WASHINGTON (IZ). Zwischen 7 und 13 Millionen Muslime leben in den Vereinigten Staaten, doch repräsentiert wurden sie bislang weder im Kongress, noch am Obersten Gerichtshof oder in der Regierung. Das ist jetzt anders: Keith Ellison ist zum ersten Abgeordneten im USKongress gewählt worden. Der 43-jährige Anwalt aus Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota, Vater von vier Kindern, ist mit 19 Jahren zum Islam konvertiert. Sein Wahlkreis ist zu drei Vierteln weiß und kleinbürgerlich, aber durch eine lange demokratische Tradition selbst für einen schwarzen, muslimischen Demokraten kein allzu großes Hindernis. Vielleicht auch, weil sich der Anwalt und Lokalpolitiker während seines Wahlkampfes immer an die islamische Botschaft von Toleranz und Teilhabe hielt. Die Leute interessierte am Ende nur eins: „Bleibst du deinen Werten treu, wenn du es nach Washington schaffst?“ Auf dem Weg zum Islam habe er gemerkt, dass die Basis der Religionen gar nicht so verschieden ist, wenn man sie vom richtigen Standpunkt aus betrachte. Deswegen sei ihm auch der Übertritt zum Islam nicht schwer gefallen. Dabei sei er sich bewusst, dass Ausübung der Religion und Politik immer einen Balanceakt von ihm fordern werden. Doch gerade zur fünften Gedenkfeier für die Opfer der Anschläge vom 11. September stellte er sich ausdrücklich auch auf die Seite der Muslime: „Viele Opfer waren Muslime“, sagte er. „es ist nicht so, dass die muslimische Gemeinde immun gegen die Tragödie war. Wir haben gelitten.“

VAE Ausbeutung von Arbeitsmigranten DUBAI (IPS). Mehr als eine halbe Million Migranten, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in der Baubranche beschäftigt sind, werden systematisch ausgebeutet. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW), der mehr Engagement von der VAE-Regierung fordert. Erst jüngst hat die Regierung in Dubai erste Schritte in die Wege geleitet, um den Missbrauch zu unterbinden. Die Maßnahmen sehen unter anderem die Einrichtung eines speziellen Arbeitsgerichtes vor und eine Kontrollbehörde mit insgesamt 2.000 Inspektoren, die Arbeitsplätze und Unterbringungen inspizieren. Zudem soll ein neues Gesetz sicherstellen, dass alle ausländischen Arbeiter eine private Krankenversicherung erhalten. Rund 80 Prozent der VAE-Bevölkerung sind Migrantenarbeiter und ihre Familien. Ausländische Arbeiter machen 95 Prozent der Beschäftigten im privaten Sektor aus. In der boomenden Baubranche der VAE liegt der Anteil mit rund 600.000 Arbeitern noch höher. Gewöhnlich bezahlen Arbeiter zwischen 2.000 und 3.000 US-Dollar an Rekrutierungsbüros für Reise- und Visakosten, obwohl dies gegen ein Arbeitsgesetz der VAE verstößt, nach dem der Arbeitgeber diese Kosten übernehmen muss. Die meisten Migranten kommen aus Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka. Der HRWBericht dokumentiert, dass illegale Rekrutierungspraktiken in den VAE und den Herkunftsländern, niedrige Löhne, die Einbehaltung der Pässe und riskante Arbeitsbedingungen weit verbreitet sind. So verdienen ausländische Arbeiter im Durchschnitt monatlich 175 Dollar, während das nationale Durchschnittseinkommen bei rund 2.000 Dollar im Monat liegt. Die meisten Migranten sind in Arbeitslagern untergebracht, wo sie sich einen Raum mit sechs oder auch mehr Personen teilen. In einem Lager sind bis zu 2.000 Männer untergebracht.


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Die Verlockung von Mekka

BRÜCKEN

Europäische Reisende und ihre Sehnsucht nach dem Herz des Islam

Von Malik Özkan, Bremen

T

imbuktu, Peking, Lhasa, Medina, Mekka - dies waren verbotene Städte, die für Jahrhunderte die Vorstellungskraft des Westens fesselten. Eine nach dem anderen haben sie ihre Geheimnisse anvertraut. Mit Ausnahme von Mekka und Medina wurden sie alle bis heute dem fremden Auge geöffnet. Rein rechtlich sind die zuletzt genannten Orte für Nichtmuslime strikt unzugänglich. Reisende werden in saudischen Botschaften und Konsulaten vorsichtig geprüft, bevor sie ihre Heimat verlassen und mit gesonderten Visas die beiden heiligen Städte besuchen können. An den Eingängen von Mekka und Medina gibt es jeweils noch eine gesonderte Sichtung dieser Visas. Dies ist die Gegenwart, aber in der Vergangenheit, in der diese Beschränkungen ebenfalls galten, kam es trotz der Schwierigkeiten der langen, beschwerlichen Reise immer wieder vor, dass Unbefugte die Haramain betreten konnten. Zwischen 1503 und 1932 sollen ungefähr 25 westliche Besucher Mekka besucht und nach ihrer Rückkehr darüber geschrieben haben. Zu ihnen zählten unter anderem ein Tourist der Renaissance, ein englischer Kriegsgefangener, ein italienischer Deserteur, ein Schweizer Gelehrter und ein britischer Schriftsteller. Von den unzähligen europäischen Muslimen Andalusiern, Italienern, Südosteuropäern - und jenen, die im Laufe der Jahrhunderte den Islam annahmen, ist hier natürlich nicht die Rede. Sie konnten wie jeder andere Muslim die Haramain frei betreten - wenn nicht räuberische Beduinen versuchten, sie durch einen Überfall daran zu hindern, was gelegentlich vorkam.

Tourist der Renaissance

Kriegsgefangene

Wenn wir dem wirren Bericht eines deutschen Reisenden aus dem 15. Jahrhundert glauben dürfen, dann war der erste bekannte Europäer, der Mekka betreten sollte, ein Italiener namens Ludovico di Varthema, ein Zeitgenosse von Da Gama und Leonardo da Vinci. Über ihn und seine Herkunft ist nichts bekannt, außer dass er 1465 geboren wurde und entsprechend der Renaissance eine typische Liebe für das Abenteuer hatte. „Ich hatte keine Neigung, meine Sehnsucht durch Studium zu erreichen. Ich entschied, persönlich und mit eigenen Augen die Lage dieser Orte, die Eigenschaften ihrer Menschen, die Vielfalt ihrer Tiere und fruchtragenden Bäume in Ägypten, Syrien, der Arabischen Wüste und Arabia Felix (Jemen), Persien, Indien und Äthiopien festzustellen. Vergessen wir nicht, dass das Zeugnis eines Augenzeugen zehn Mal wertvoller ist als das Hörensagen.“ Dies schrieb er im Vorwort zu seinem Reisebuch. Di Varthema war der erste, der in einer europäischen Sprache eine Beschreibung der Rituale der Hadsch verfasste. Er dokumentierte die Ka’ba mit ihrem schwarzen Umhang (Kiswa). Der Italiener zählte das Kreisen um die Ka’ba, genauso wie das Küssen des Schwarzen Steins auf. Außerdem stellte er richtig, dass der Prophet Muhammad in Medina beerdigt wurde und nicht in Mekka. Nach seinem Besuch in Mekka schloss sich Di Varthema einer Karawane nach Aden an, von wo aus er sich - nach einer kurzen Inhaftierung als vermeintlicher portugiesischer Spion - über den Jemen auf den Weg in den Fernen Osten machte. Schließlich kam er nach Europa zurück und starb 1517 in Rom.

Joseph Pitts war ein englischer Seemann. Anders als Di Varthema hatte er kein Interesse an Exotik. Pitts war ein Kriegsgefangener und alles, was er wollte, war die Rückkehr in seine alte Heimat. Mit 17 wurde der Brite von der muslimischen Marine Nordafrikas gefangen und wurde als Kriegsgefangener zum Leibeigenen algerischer Soldaten, die ihn gut behandelten und ihm ein Geschäft einrichteten. Mit der Zeit nahm er den Islam an und begleitete 1680 seinen Meister nach Mekka. Seine Beschreibung der Rituale der Pilgerfahrt ähnelte derjenigen Di Varthemas. Ebenso schrieb Pitts über Handel mit Edelsteinen, chinesischem Porzellan und Moschus, der Mekka zu dieser Zeit zu einem wichtigen Handelsplatz machte. Von Mekka aus reiste der Engländer nach Medina, wo er den Propheten an seiner Ruhestätte besuchte. Auf dem Weg traf er einen Iren, der wie er in seiner Jugend in die Gefangenschaft muslimischer Seeleute fiel. Dieser Ire (in einer Zeit, in der Irland von England besetzt wurde) unternahm die Hadsch, um Allah dafür zu danken, dass Er ihn aus der „Hölle auf Erden“ (dem damaligen Europa) befreit hatte und ihn in den „Himmel auf Erden“ (Mekka) gebracht hatte. Pitts floh schließlich aus der Kriegsgefangenschaft, aber wie der Ire, den er getroffen hatte, hätte er sich gewünscht, dass er beim Islam verblieben ist. Denn in der ersten Nacht nach seiner Rückkehr wurde er wieder in den Dienst der englischen Kriegsmarine gepresst. Trotz seiner späteren Abneigung gegen den Islam konnte Pitts sich nicht der bewegenden Szene von ‘Arafat verschließen: „Es war in der Tat ein Anblick, der das Herz eines Menschen durchdringen kann, wenn man so viele Tausende in ihrer Demut, mit ihren nackten Häuptern und ihren Wangen voller Tränen betrachten kann. Sie baten ernsthaft um Vergebung ihrer falschen Taten.“

Der Schweizer Gelehrte

Mekka: Die Hadschis verabschieden sich von der Ka’aba.

Im gleichen Jahr, in dem der italienische Schurke Giovanni Finati, ein Deserteur vieler Armeen, sein Glück in Mekka suchte, kam ein weit bedeutenderer westlicher Reisender an. Dies war Johann Ludwig Burckhardt, Entdecker der Ruinenstadt Petra. Burckhardt wurde 1784 in Lausanne geboren und studierte in Leipzig, Göttingen und Cambridge. Auf der Suche nach dem tatsächlichen Verlauf des Niger, bemühte er sich um ein Stipendium für die Reise. Der Antrag wurde angenommen, und so machte er sich 1809 auf den Weg ins syrische Aleppo, um sein Wissen des Arabischen und des Islam zu verbessern. Der Schweizer glaubte, dass seine Reise nach Afrika

leichter sei, wenn er glaubwürdig als Muslim auftreten könnte. Später unternahm er Erkundungsreisen durch den Mittleren Osten, auf denen der Schweizer auch das im heutigen Jordanien gelegene Petra entdeckte. Eine Stadt, die beinahe tausend Jahre als „verloren“ galt. Weiter ging es nach Kairo, von wo aus er sich einer Karawane in das lybische Fezzan anschließen wollte. Als deren Abreise sich verzögerte, segelte er den Nil hinauf, um Nubien zu sehen. Von dort aus entschloss er sich, zum Roten Meer zu reisen und die Reise nach Mekka zu vollziehen. Burckhardt verfasste eine umfassende Beschreibung der Hadsch-Rituale, der Ka’ba, der heiligen Moschee, der Geschichte Mekkas genauso wie die Gebräuche und Kleidung der unterschiedlichen Schichten der mekkanischen Gesellschaft. Sein Text war so umfassend, dass er kaum noch Raum für nachfolgende Reisende hinterließ. Burckhardt hatte den Vorteil eines erweiterten Aufenthalts in Mekka von drei Monaten und konnte so Dinge erfahren, die früheren Reisenden verschlossen blieben. Er fertigte eine Karte der Stadt an, sammelte Informationen über die südlichen und östlichen Teile der Halbinsel und reiste schließlich nach Medina. Nach einer Erkrankung kehrte Burckhardt nach Kairo zurück, wo er - ausgezehrt von Krankheit und Belastung - im Alter von 33 Jahren starb, bevor er sich der Karawane nach Fezzan anschließen konnte. 13 Jahre nach Burckhardts Tod entdeckte Richard Landers 1830 den tatsächlichen Verlauf des Nigers. Anders als manche Reisende war Burckhardt ein bescheidender und selbstgenügsamer Mann. Seine Aufzeichnungen der Reisen in Syrien und Arabien sind Klassiker geworden und sein Übertritt zum Islam scheint aufrichtig gewesen zu sein. Er wurde stark vom Engländer Burton (Übersetzer von 1001 Nacht) bewundert, der auf seinem Weg nach Mekka das Grab des Schweizer Gelehrten in Kairo besuchte.

Gleichermaßen interessierte er sich für den Import arabischer Pferde für die indische Armee, die Wasserverhältnisse des Hidschaz und schließlich die Anfertigung von anthropologischen Studien der Bewohner der Arabischen Halbinsel. Stattdessen schrieb er eines der größten Reisebücher, welches jemals verfasst wurde: „A Personal Narrative of a Pilgrimage to Al-Madinah and Makkah“. Das Wort „persönlich“ ist hier kein Irrtum, denn das Buch behandelt nicht nur die beiden heiligsten Städte des Islam, sondern auch Richard Burton selbst. Verkleidet als Afghane, erhielt er eine erste Sicht von Medina: „Wir stiegen ab und erfreuten unsere Augen am Anblick der heiligen Stadt.“ Burton blieb einen Monat in der Stadt des Propheten. Nach seinem Aufenthalt schloss er sich einer Karawane nach Mekka an, die kurz vor dem Erreichen des Harams von Räubern überfallen wurde. Als Überlebender betrat Burton noch in der gleichen Nacht Mekka, wo er bis zum Morgen warten musste, um einen ersten Blick auf die heilige Moschee und die Ka’ba werfen zu können. Dies war der Höhepunkt seiner Reise: „Hier lag es schließlich, der Kern meiner langen, anstrengenden Pilgerfahrt. ... Ich kann wahrhaft sagen, dass alle Anbetenden, die sich weinend an den Vorhang [der Ka’ba] klammerten, oder die ihre schlagenden Herzen an den Stein pressten, keine tieferen Emotionen fühlten als dieser Hadschi aus dem fernen Norden.“ Tief bewegt vom Anblick des Hauses Allahs und von der Widmung der Pilgernden, unterzog sich Burton den einzelnen Ritualen der Hadsch, die er alle detailreich beschrieben hatte. Er vermaß die Ka’ba, betrat ihre innere Kammer und zeichnete ihren Plan auf seiner Pilgerkleidung. Burton besuchte alle interessanten Orte in der Umgebung von Mekka. Später machte er sich auf eine lange Reise nach Bombay, auf der er sein dreibändiges Werk über die Hadsch verfasste.

Richard Burton

Und heute?

Einer der schillerndsten westlichen Reisenden nach Arabien war natürlich Sir Richard Burton, der 1853 in Richtung Mekka reiste. Sein Ritterschlag und sein Ruhm als Übersetzer lagen damals noch in der Zukunft. Mit 32 erreichte Burton einen Zustand in seinem Leben, in dem er glaubte, er müsse etwas Spektakuläres tun, um öffentliche Anerkennung zu erreichen. Als ihm die Königliche Geographische Gesellschaft ein Stipendium zur Erkundung Arabiens verweigerte, ging er trotzdem. Ursprünglich wollte er Mekka nur als Sprungbrett in das unbekannte „Leere Viertel“ (Rub AlKhali) der Arabischen Halbinsel nutzen.

Augenblicklich hat der technologische Fortschritt für viele Menschen die extremen Schwierigkeiten der früheren Zeiten erleichtert, auch wenn die Hadsch für viele immer noch eine einschneidende spirituelle und existenzielle Erfahrung in ihrem Leben darstellt. Der Anblick von westlichen Reisenden ist längst keine Seltenheit mehr in Mekka oder in Medina, da immer mehr Menschen bei uns den Islam angenommen haben. Das Geheimnis bleibt aber trotz aller „Modernität“ bestehen, da der Din des Islam der Preis ist, der auch heute als Eintritt für die heiligen Orte bezahlt werden muss.

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h t t p : / / w w w . i s l a m i s c h e - z e i t u n g . d e


Muslime & Globalisierung Pro: Zwei gegen die Taklamakan-Wüste

Contra: Fastfood statt Reis und Fisch

Auf Außenposten im „Land ohne Wiederkehr“

Immer mehr Kinder erkranken an Diabetes

Von Antoaneta Beslowa, Hotan

A

n ihrem Arbeitsplatz, der am TamarinHighway gelegenen Pumpstation Nr. 27 im nordwestlichen China, kämpfen Gong Kailong und seine Frau tagtäglich gegen das Vordringen der Taklamakan-Wüste. Von hier aus werden hunderte Rohre des weit verzweigten Bewässerungsnetzes versorgt, das den Grüngürtel entlang der mehr als 500 Kilometer langen Fernstraße am Leben erhält. Ohne die Straßenbäume hätten die Wanderdünen die Piste, die die Außenwelt mit den Erdölfeldern in der Taklamakan-Wüste verbindet, längst unter sich begraben. Mit rund 300.000 Quadratkilometern ist die Taklamakan („Ort ohne Wiederkehr“) im uigurischen Osttürkestan im äußersten Westen Chinas nach der Sahara die zweitgrößte Sandwüste der Welt. Die als Handelsroute berühmte alte Seidenstraße hatte einen „Wie die Wärter kämpweiten Bogen um die fen tausende Menschen Wüste gemacht. in Xinjiang, wo die MinSchon der Bau der vor derheit der muslimische gut zehn Jahren entstanUiguren zu Hause ist, gedenen modernen Ferngen die Wüste, die bereits straße quer durch ein mehr als ein Viertel der Meer von Sand galt als Region erobert hat.“ technisches Wagnis. Ihr Erhalt jedoch ist eine technische Meisterleistung, die ohne Menschen wie Gong Kailong und seine Kollegen an den rund 114 Pumpstationen nicht zu bewältigen wäre. Sie sichern den Bestand des 2003 angelegten Grüngürtels aus wüsten- und salzresistenten Pflanzen wie EuphratPappeln, chinesischen Tamarisken, Honigbäumen und Sacsaoul (Haloxyun ammendron), die dem Vordringen der Wüste Einhalt gebieten. Die Pflanzen werden mit Grundwasser versorgt, das die Stationen in Kilometer lange Rohre pumpen. Der einsame Job in einer Pumpstation sei mit umgerechnet monatlich 76 US-Dollar vergleichsweise gut bezahlt, meint die 48-jährige Long Fen, die mit ihrem Mann in der Pumpstation Nr. 96 nach dem Rechten sieht. Sie kommt aus der Zentralprovinz Sichuan. Long Fen und ihr Mann wol-

len auf ihrer einsamen Pumpstation, wo es im Sommer bis zu 75 Grad Celsius heiß werden kann, länger durchhalten. „Wer weiß, vielleicht ein, zwei Jahre. Wir bleiben hier, solange wir können“, berichtete sie. Wie die Wärter der Pumpstationen kämpfen tausende Menschen in Xinjiang, wo die Minderheit der muslimische Uiguren zu Hause ist, gegen die Wüste, die bereits mehr als ein Viertel der Region erobert hat. Ihr Vordringen auf das Herz Chinas droht ständig schneller zu werden. Jährlich gehen etwa 3.900 Quadratkilometer Land verloren. Fast der gesamte Norden Chinas einschließlich der Hauptstadt Peking ist in Gefahr. So verschwand nicht nur der dichte Bestand tief wurzelnder Euphratpappeln entlang des Tamarinflusses, auch von den hitzebeständigen Rosenweiden ist nichts übrig geblieben. Besonders in den südwestlichen Gebieten wie Hotan und Kaschgar, in denen es keine Kohlevorkommen gibt, verschwanden die Wüstenpflanzen als Feuerholz in Öfen und Herden. China deckt seinen Energiebedarf immer noch zu 70 Prozent mit Kohle. Dabei herrscht in der Region kein Mangel an Brennstoff. Xinjiangs Erdöl- und Erdgasvorkommen gehören zu den größten in ganz China. Seit den 80er Jahren versorgen die Ressourcen aus dem Karamay- und Tarimbecken das chinesische Binnenland mit Erdöl und Erdgas. Chinas größte, 2004 fertig gestellte Pipeline führt durch sechs Provinzen und transportiert Erdgas aus dem Tarimbecken in der Taklamakan-Wüste nach Peking, Schanghai und in andere Metropolen der Ostküste. Doch erst jetzt wird etwas von dem Erdgas an die Bevölkerung der Förderregionen abgezweigt. „Wir hoffen, dass damit das Abholzen der Vegetation ein Ende hat“, erklärte Zhang Tao. Die chinesische Regierung hat die fast ausgerottete Euphrat-Pappel unter Naturschutz gestellt und eine Kampagne zur Aufforstung der Pappelwälder entlang des Tarim ausgerufen. „Jetzt müssen wir gegen die Wüste kämpfen“, räumte der KP-Chef der autonomen Region, Wang Lequan, im Oktober in einem Interview ein, das er in der regionalen Hauptstadt Urumqi gab. (IPS)

Anpflanzung von neuen Bäumen in der Taklamakan

Von Marwaan Macan-Markar, Bangkok

I

n asiatischen Ländern, in denen westliche Ernährungsgewohnheiten auf dem Vormarsch sind, hat das Ausmaß von Kinder-Diabetes epidemische Ausmaße erreicht. Diese Warnung richten Experten an die Öffentlichkeit. In einem Beitrag in der britischen medizinischen Zeitschrift „The Lancet“ heißt es: „Die zunehmende Verbreitung des Diabetes vom Typ 2 unter jungen Menschen wird die Wirtschaft der betroffenen asiatischen Länder schwer belasten.“ Es wachse das Risiko eines erhöhten Krankenstandes und verfrühter Todesfälle. „Die Menschen, die in Asien an Diabetes erkranken, leiden in ihrer Jugend im Vergleich zwar seltener an Übergewicht, im Verlauf der Krankheit gibt es hier jedoch mehr Komplikationen und mehr Todesfälle.“ Hauptautor der Studie ist der südkoreanische Spezialist Kun-Ho Yoon. Er verweist darauf, dass in Asien Diabetes bei Erwachsenen bereits zum Problem geworden ist: „Der Anteil der an Diabetes Typ 2 Erkrankten und der Übergewichtigen hat zugenommen, Anzeichen für eine Trendwende sind nicht zu erkennen.“ Asiens Giganten China und Indien, aber auch bedeutende Schwellenländer wie Indonesien, Südkorea und Thailand tragen hauptsächlich zur Verbreitung der Stoffwechselkrankheit bei. „China und Indien dürften bis 2025 mit bis dahin 20 Millionen Diabetesfällen weiterhin die höchsten Krankenzahlen aufweisen“, prognostiziert die Studie. Ihr zufolge waren in der asiatischen Region im Jahre 2003 194 Millionen Menschen zuckerkrank. 2025 könnten es 333 Millionen sein. Am Beispiel Chinas schildern die Autoren den dramatischen Vormarsch. „Im Gegensatz zu westlichen Industrieländern, wo hauptsächlich Ältere an Diabetes erkranken, wird Jugend-Diabetes für die meisten Länder Asiens zur Bedrohung“, warnt „Lancet“. „Deshalb müssen besonders in armen Ländern viele an Diabetes erkrankte Kinder sterben“, heißt es dort. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben 2005 weltweit 1,1 Million Menschen an Diabetes. Rechnet man die Todesfälle hinzu, bei denen Diabetes mittelbar eine Rolle spielte, könnten es jährlich 2,9 Millionen

sein. Der Lancet-Bericht dürfte Wasser auf die Mühlen der Experten sein, die vor Gesundheitsrisiken der sich ausbreitenden Verstädterung und der damit einhergehenden Bevorzugung westlicher Ernährungsgewohnheiten warnen. Die WHO macht den Konsum von kalorienreichen Fastfood-Produkten und zuckerhaltigen Softdrinks gleichermaßen für den Vormarsch des Diabetes verantwortlich. In Thailand geben sich Gesundheitsbehörden große Mühe, die Bevölkerung über die gesundheitlichen Risiken von Bewegungsarmut und einer wachsenden Vorliebe für nährstoffarme Fertiggerichte und gezuckerte Getränke zu informieren. Chaisri Supornsilaphachai, Leiterin der Abteilung für nichtübertragbare Krankheiten im Gesundheitsministerium, erklärte: „Wir versuchen klarzumachen, dass diese neue Krankheit, mit der sie für ihren verwestlichten Lebensstil bezahlen, nicht im Hospital zu kurieren ist. Be„Wir versuchen klarzusonders in Bangkok mit machen, dass diese neue seinen Süßigkeitenläden Krankheit, mit der sie für und den Restaurants inihren verwestlichten Leternationaler Fastfoodbensstil bezahlen, nicht Ketten haben sich neue im Hospital zu kurieren Essgewohnheiten ist.“ durchgesetzt.“ Früher aßen die Thailänder Gemüse, Fisch und Obst, heute bestellen sie Brathühnchen und andere fettreiche Mahlzeiten.“ In einigen asiatischen Ländern erwägen die Regierungen, die Konsumenten mit Steuerzuschlägen auf zuckerhaltige Getränke vor Übergewicht und Diabetes zu schützen. „Die dadurch erzielten Sondereinnahmen könnten in die Förderung von Gesundheitsprogrammen und von Angeboten zur sportlichen Betätigung investiert werden“, erläuterte Tommaso CavalliSforza, der im WHO-Regionalbüro Westpazifik in Manila als Ernährungsberater arbeitet. Andere Gesundheitsexperten binden die Schulen und deren Lehrpläne in Initiativen zur Diabetes-Vorbeugung ein. „Schulen sind ein guter Ausgangspunkt für den Kampf gegen Übergewicht.“ (IPS)

Sport zur Gewichtsreduktion für chinesische Kinder


10 Seite / Dezember 2006

Grundlagen

Islamische Zeitung

„Mehr Dinge zwischen Himmel und Erde“ (1) Eine islamische Perspektive auf die Welt der Engel beispielsweise im 13. Jahrhundert von Thomas von Aquin vertreten. Nach Aquin entstammen alle Dinge von Allah. Und Allah ist nicht nur der Grund ihres Daseins, sondern auch das oberste Gute, mit dem alle wieder vereint werden wollen. Allah schuf demnach die Welt, sodass Er vollkommener erkannt werde. Allah erschuf nicht nur die Welt, er hält die Welt auch dauernd aufrecht und regiert sie direkt durch die ewigen Gesetze, sowie auch indirekt durch die engelsgleichen Kräfte. Allen Geschöpfen hat Er eine „Natur“ oder „Form“ gegeben, durch die sie nicht nur sind, was sie sind, sondern auch das suchen, was ihnen angemessen ist. Der Mensch unterscheidet sich von anderen Kreaturen, weil nur er anstreben kann, Allah zu kennen. Darin liegt seine einzige Erfüllung, aber er kann diese glorreiche Möglichkeit entweder wählen oder zurückweisen. Der Mensch ist durch sein Wesen auf die übernatürliche Welt ausgerichtet. Er wurde für das Wissen von Allah erschaffen. Dies war die grundlegende Weise, wie jeder die Welt verstand, in der er lebte. Gleiches galt für ihren Ort in derselben Welt. Als ich kürzlich eine Aufführung des „Kaufmanns von Venedig“ besucht habe, war ich sehr beeindruckt von der Rede, die Lorenzo kurz vor dem Ende des Stückes an Jessica richtet: Von ‘Abdalhaqq Bewley

„Osten ist Osten und Westen ist Westen und die beiden sollen sich niemals treffen.“ (Rudyard Kipling)

D

ie Zeile Kiplings wurde oft zitiert, um das populäre Missverständnis zu bestärken - das Erbe der Kreuzfahrer und Orientalisten -, wonach Islam eine fremde Religion sei, deren Sicht der Existenz sich von der unterscheidet, die wir Europäer haben. Eine Sichtweise, deren Perspektive der christlichen Tradition feindlich gegenüber stünde, die wir geerbt haben. In Wirklichkeit ist der Islam ein integraler Bestandteil unserer Tradition, eine endgültige und definitive Bestätigung der ewigen Wahrheiten, auf denen sie beruht. Der Qur’an ist sehr ausgesprochen in dieser Angelegenheit: „Es ist keine Frömmigkeit, wenn ihr eure Angesichter in Richtung Osten oder Westen wendet; Frömmigkeit ist vielmehr, dass man an Allah glaubt, den Jüngsten Tag, die Engel, das Buch und die Propheten und vom Besitz - obwohl man ihn liebt - den Verwandten gibt, den Waisen, den Armen, dem

Sohn des Weges, den Bettlern und (für den Freikauf von) Sklaven, dass man das Gebet verrichtet und die Zakah entrichtet. Es sind diejenigen, die ihr Versprechen halten, wenn sie es gegeben haben; und jene, die in Elend, Not und in Kriegszeiten geduldig sind; sie sind es, die wahrhaftig und gottesfürchtig sind.“ (Al-Baqara, 177) Es ist ebenso ironisch, dass Kiplings Zeile, sehr gegen seine eigenen Bemühungen, oft außerhalb ihres Konzepts zitiert wird. Es geht hier nicht um ein gesondertes Verständnis von der Existenz, sondern um die Funktion des Daseins selber; die Wirklichkeit des Universums, welches wir bewohnen. Dies ist die Angelegenheit des Islam, so wie es die Angelegenheit jedes wahren Ansatzes gegenüber von Wissen gewesen ist. Der von mir angeführte Vers des Qur’an betont die zugrunde liegenden Aussagen, auf denen alle großen traditionellen Wissenssyteme der Menschen beruhten. Hinter all dem steht die Akzeptanz, dass wir in einem Universum leben, welches von Einer Göttlichen Macht erschaffen wurde und welches in vielen unsichtbaren Dimensionen der Welt der Engel liegt. Unsere Existenz

auf dieser Erde ist eine kurzlebige, deren Bedeutung in der Tatsache liegt, dass dies der Bereich der Handlung ist, deren Ergebnis in einer weiteren Dimension der Wirklichkeit deutlich wird, deren Realität wir begegnen werden, wenn wir sterben. Und diese Göttliche Rechtleitung kam zu uns, um uns über diese Dinge zu unterrichten und uns zu unterweisen, wie wir unser Leben in Übereinstimmung damit zu führen haben. Dies war die grundlegende Sicht auf die Existenz in beinahe jeder menschlichen Gemeinschaft von Anbeginn der menschlichen Geschichte bis in unser Zeitalter. Daher sollte die Frage nicht sein, ob Engel existieren oder nicht eine Frage, über die kein Zweifel besteht, sondern eher darüber, wie Menschen einen solchen Zustand der Unwissenheit erreicht haben, dass man die Angelegenheit überhaupt diskutieren muss. Es ist klar, dass bis zu einem bestimmten Punkt unserer Geschichte diese grundlegenden Wahrheiten, die ich erwähnt habe, eindeutige Gegebenheiten blieben. Im europäischen Zusammenhang wurde die traditionelle Sichtweise

„Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst, Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt, Zum Chor der hellgeaugten Cherubim. So voller Harmonie sind ewge Geister: Nur wir, weil dies hinfällge Kleid von Staub Und grob umhüllt, wir können sie nicht hören.“

Als ich dies hörte, wurde mir augenblicklich klar, dass in Shakespaeres Zeit die traditionelle Weltsicht immer noch an ihrem Ort war. Die Welt der Engel und die Unsterblichkeit der menschlichen Seele waren immer noch ein starker Bestandteil des Bewusstseins der normalen Leute. Und dies bringt mich wieder zurück zu dem Titel meines Textes, den ich natürlich dem Barden entliehen habe. „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde...“ und das Zitat geht weiter mit Hamlet, der zu Horatio sagte „als ihr euch in eurer Philosophie vorstellen könnt.“ Auch wenn Shakespeares Welt immer noch von den alten Gewissheiten aufrecht erhalten wurde, blies ein neuer Wind, der kurz danach auffrischen und das Alte vernichten sollte. Stattdessen hinterließ der Wind eine öde Landschaft. Dies war die „neue Philosophie“, und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich der

Dichter darauf bezog. Sicherlich tat dies John Donne, der etwas später schrieb, und sehr ausgesprochen bei diesem Thema ist: „Eine neue Philosophie zieht alles in Zweifel, Das Element des Feuers ist beinahe erstickt, Die Sonne ist verloren, und die Erde, und keines Menschen Verstand Kann ihn ausreichend dahin lenken, wohin er schauen soll. Alles liegt in Trümmern, und jeder Zusammenhang ist verloren; Alle liefern nur und haben Beziehungen.“

In der „neuen Philosophie“ musste das Spirituelle dem Materialismus Platz machen. Der Mensch beschäftigte sich mit Mengen, anstatt mit Qualitäten. Das menschliche Bewusstsein wurde mehr und mehr beschränkt innerhalb der Grenzen des materiellen Universums. Es geht hier nicht um eine Debatte der Vorund Nachteile der wissenschaftlichen Revolution. Mein Punkt ist, dass die eindringliche Natur der wissenschaftlichen Weltsicht eine nachdrückliche und weitreichende ist und Auswirkung auf das menschlichen Bewusstsein hatte. Für den Menschen waren die Folgen verheerend. Eine undurchdringliche Schranke wurde zwischen den spirituellen und materiellen Welten errichtet. Sobald die wissenschaftliche Weltanschauung sich unausweichlich dem menschlichen Bewusstsein aufgezwungen hatte, wurde der Mensch von der wirklichen Sicht auf die Existenz abgetrennt. Bis dahin lebten die Leute im Mittelpunkt des Universums mit Sonne, dem Mond und den Sternen, die um sie herum kreisten. Über ihnen waren die himmlischen Sphären der engelhaften Aktivitäten. Alles wurde umfasst vom Throne Allahs, dessen unsichtbare Hand die gesamte Angelegenheit bewegte und ausrichtete. Seither lebten Menschen auf einer unwichtigen Anhäufung von Mineralien, einem bloßen Teil eines kleinen Planetensystems. Für die einfachen Menschen war es, als würden sie ihrem kleinen sozialen Umfeld entrissen, in dem jeder jeden kannte, die Hierarchien klar und anerkannt waren, die Atmosphäre ruhig, alle Pfade beschritten, jede Ecke bekannt, jedes Einkommen gesichert. Statt dessen wurden die Menschen entfremdet und entlassen in eine gigantische, moderne Großstadt [London], deren öde Straßen endlos schienen, deren Viertel alle gleich und doch unbekannt schienen, in der die dominante Energie Furcht und Misstrauen war und sogar die Nachbarn Fremde waren. Anzeige


Grundlagen

Islamische Zeitung

Dezember 2006 / Seite

11

Von korrekten Gewichten und Maßen Oft vergessen oder in den Hintergrund gedrängt - Einige Gedanken über das islam-rechtliche Wissen der Zahlungsmittel

I

n den ersten Tagen des Islam benutzten Muslime jegliche Münzen, die verfügbar waren. Diese waren aus Gold und Silber und wurden von Römern oder Persern geprägt. Eine Münze ist nichts magisches. In Wirklichkeit ist sie nur ein Standardgewicht für Gold und Silber. Die Gestaltung dieser Zahlungsmittel ändert nichts an ihrem Wert. Es ist ihr Gewicht, welches sie wertvoll macht. Die Verantwortlichkeit eines Regierenden war immer die Gewährleistung, dass Münzen aus reinem Gold oder Silber gefertigt waren und dass sie das richtige Gewicht hatten. Wann immer ein Regierender es erlaubte, dass sein Name auf ihnen verewigt wurde, sagte er er in Wirklichkeit: „Diese Münze hat so viel Karat Gold oder Silber und hat jenes Gewicht.“ Die Leute mussten nur die Münzen zählen, anstatt sie zu wiegen und großartige Berechnungen anzustellen. In jeder großen Handelsstadt der Welt gab es oft viele Sorten von Münzen. Unterschiedliche Herrscher ließen alle Formen und Größen von Münzen prägen. Daher führten Händler kleine Waagen bei sich, um sie zu wiegen. Natürlich kümmern sich die Verantwortlichen heute nicht mehr um solche Dinge. Sie erlauben es ihren Banken, das ganze zu organisieren. Wenn wir aufmerksam genug sind, erkennen wir, dass Banken und Finanzinstitutionen heute dadurch Macht angehäuft haben.

Geschichte der Münzen Der Khalif ‘Umar Ibn Al-Khattab, möge Allah mit ihm zufrieden sein, bestimmte das Gewicht der Münzen. Ihre Maße sind etwas, auf das sich die Muslime seit Beginn des Islam und der Zeit der Prophetengefährten geeinigt hatten. Zehn (Silber-)Dirhams wiegen genauso viel wie sieben (Gold-)Dinare. Es gibt ein anderes Gewicht, welches für die Schwere von Silbermünzen verwendet wurde - das Uqijjah. Ein Uqijjah hat das Gewicht von 40 Dirhams. Das Gewicht des Dirhams ist sieben Zehntel eines Dinars.

Maße Die Muslime wogen kleine Dinge mit Roggenkörnern. Erinnern wir uns daran, dass der Islam der „Din der Fitra“ (die natürliche Lebensweise) ist. Das Kilogramm wurde von Wissenschaftlern als Masse definiert, die einem bestimmten Platin-Iridium-Zylinder entspricht, der im Internationalen Büro für Gewichts und Maße im französischen Sèvres aufbewahrt wird. Dies ist ein künstlicher aber „wissenschaftlicher“ Weg. Üblicherweise maßen und wogen Menschen mit Dingen, die sie örtlich kannten. Sie maßen mit dem „Fuß“, der natürlich die Länge eines Fußes ist. Eine „Spanne“, mit der die Höhe von Pferden gemessen wurde, ist die Länge zwischen der Spitze des Daumens und der Spitze des kleinen Fingers, wenn die Hand vollkommen ausgebreitet ist. Diese Maße sind nicht exakt, aber sie reichten den Leuten für das, was sie brauchten. Bei diesen traditionellen Maßen ist das Gewicht eines Mithqal Goldes gleich 72 Körnern Gerste. Der Dirham beträgt sieben Zehntel eines Dinars. Das Gewicht eines Dirhams liegt zwischen 50 und 52 Körnern. Die Muslime waren sich immer über diese Abmessungen einig. Der Khalif ‘Uthman, möge Allah mit ihm zufrieden sein, war der erste, der Münzen prägte. Es scheint, dass er persische Münzen kopiert hatte. Das persische Reich wurde von Sassaniden regiert und deren letzter König war Jazdagird. ‘Uthman ließt die sassanidischen Zah-

lungsmittel kopieren, die dieser hatte prägen lassen. Als einzigen Unterschied war auf einer Seite der Münze „Im Namen Allahs“ zu lesen. Im Jahre 75 nach der Hidschra (695 n.Chr.) befahl der Khalif ‘Abdulmalik dem Amir Al-Hadschadsch die Prägung der ersten islamischen Dirhams. Es richtete den Standard von ‘Umar ibn AlKhattab offiziell ein. In jenem Jahr befahl er, dass im Dar Al-Islam Dirhams gemünzt werden sollten. Alle Geldstücke wurden mit dem Satz „Allahu Ahad, Allahu’s-Samad - Allah ist Einzigartig, Allah ist Ewig“ versehen. Vor dem Islam gravierten die Leute Tiere oder Gesichter auf Münzen, wie es heute noch in vielen Ländern der Fall ist. ‘Abdulmalik befahl die Entfernung von menschlichen und tierischen Figuren und ihre Ersetzung durch Schrift. Diese Anweisung wurde in der Geschichte des Islam befolgt. Vergessen wir nicht, dass die Sunna auch die Sunna der Khalifen umfasst, die nach dem Prophet der Rechtleitung folgten. Die besten von ihnen waren die ersten vier, Abu Bakr, ‘Umar, ‘Uthman und ‘Ali, möge Allah mit allen zufrieden sein. ‘Abdulmalik war auch ein wichtiger Khalif, und als er die Geldstücke schlagen ließ, etablierte er deren Sunna. Sowohl der Dirham als auch der Dinar waren rund. Die Schrift auf ihnen in konzentrischen Kreisen - war „La ilaha illa’llah“ (es gibt keinen Gott außer Allah) und „Al-Hamdu li’llah“ (Gepriesen sei Allah“, die üblicherweise auf einer Seite geschrieben war. Auf der anderen Seite fand sich der Name das Amirs, der die Prägung veranlasste, und ihre Prägedatum. Sein Name war auf der Rückseite vermerkt, weil er verantwortlich war für das korrekte Gewicht der Goldmünzen und deren korrekten Metallgehalt. „Reine“ Gold- und Silbermünzen enthielten eine kleine Menge Kupfer, um ihnen Stabilität zu verleihen. Vollkommen reines Gold ist zu weich, um es zu prägen. Später fanden sich auch einige Segenswünsche auf den Propheten und manchmal einige Verse des Qur’an auf den Münzen. Geldstücke aus Gold und Silber waren die offizielle Währung bis zum Fall das Khalifats. Dies dauerte länger als 1.400 Jahre an. Menschen benutzten Goldmünzen für mehr als 2.500 Jahre. Keine Regierung befahl ihnen, dies zu tun. Sie fanden natürlicherweise heraus, dass diese sich am besten als Zahlungsmittel eignen. In der Neuzeit wurde den Menschen dafür Papier gegeben. Dies geschah zuerst in Europa und Amerika. Seitdem wurden in jedem der neuen muslimischen Staaten Dutzende verschiedener Papiergeldwährungen geschaffen.

Fulus Es gibt eine andere Art von Geldstücken, die seit den ersten Tagen von den Muslimen verwendet wurden. Es war eine Münze, die Fals genannt wurde. Mehrere heißen Fulus. Sie wurden üblicherweise aus Kupfer und Nickel geschlagen. Sie unterschied sich auf eine sehr wichtige Art und Weise von Goldund Silbermünzen. Der Wert dieser Geldstücke liegt in ihrem Bimetallgehalt. Der Wert des Fulus liegt in dem, was auf ihnen geschrieben steht. Sie waren niemals mehr als einen halben Dirham wert und wurden verwendet, um die kleinen Dinge des Alltags wie Brot oder Gemüse zu kaufen. Es wird keine Zakat auf Fulus erhoben, denn es handelt sich hier nicht um Gold oder Silber. Einige Leute sagen, dass wir im Falle einer großen Menge an Fulus dessen Zakat in Form von Gold oder Silber bezahlen müssen. Man kann sicherlich nicht die Zakat mit Fulus be-

zahlen, denn dies richtet sich gegen die Sunna und allgemein bekannte Hadithe, über die Einigkeit besteht. Als die Moderne mit ihrem Papiergeld in die muslimischen Länder kam, dachten die Muslime, dass es - da es weder Gold noch Silber ist - sich um eine Art von Fulus handeln muss. Sie kannten nicht die Geschichte des europäischen Geldes und wussten nicht, dass in diesen Tagen Papiergeld ein Zahlungsversprechen war. Zeitgenössische Araber nennen modernes Papiergeld und dessen dazugehörige Münzen „Fulus“. Sie denken, dass Fulus Geld bedeutet, aber dies ist nicht korrekt.

Zahlungsversprechen Es war einmal so, dass man in eine Bank gehen konnte und Gold oder Silber im Austausch für Papiergeld erhielt. Dies ist das Geheimnis des Satzes „Ich verspreche dem Besitzer, bei Verlangen die Summe von ... zu bezahlen“, der sich auf englischen Geldscheinen fand. Vor einigen Jahren wurde dies beendet, und nun ist unser Geld ein Zahlungsversprechen, welches niemals eingelöst wird. Es ist wahr, dass wir Gold und Silber kaufen können, aber dies erfüllt nicht das gebrochene Versprechen der Banker „den Träger dieser Banknote zu bezahlen“. Schauen wir, wie dies das Leben der Menschen beeinflusst. Die Person, die einen Job mit einem Gehalt oder einem Lohn hat, bezahlt mit etwas sehr wertvollem: Die Stunden ihres oder seines Lebens, denn viele Men-

Glossarium islamischer Begriffe: Usul Al-Fiqh (1)

Von Ali Osman Kartal

schen werden nach ihren Arbeitsstunden bezahlt. Diese Stunden sind vergangen und kommen niemals zurück. Sein oder ihr Arbeitgeber zahlt mit Papierschnippseln. Die meisten Leute wissen nicht, dass sie niemals mit echtem Geld bezahlt werden. Aber die meisten realisieren, dass sie tief in ihrem Inneren mit diesem Papier nicht befriedigt sind. In unserem Zeitalter geben die Menschen sehr viel aus. Es ist so, als würden sie wissen, dass ihr Geld keinen wirklichen Wert besitzt. Sie wollen etwas, das sie verloren haben, mit dem Kauf von „Dingen“ ersetzen.

Elektronisches Geld Es gibt eine andere Sache, die wir hier betrachten müssen. Heute zahlen die Menschen in großem Umfang mit Kreditkarte oder Scheck. Die sind die seltsamsten Formen des Geldes. Wenn jemand mit der Karte bezahlt, dann schafft er Geld. Manchmal korrespondiert dieses Geld mit der Menge, die sie auf ihren Konten deponiert haben, aber oft genug ist dies nicht der Fall. Es ist ein „Kredit“, den wir geschaffen haben. „Kredit“ stammt aus der lateinischen Wurzel „Credo“ („Ich glaube“). Es bedeutet, dass jeder glaubt, dass er eines Tages wirklich bezahlt wird. Ein anderer praktischer Aspekt von Scheck und Kreditkarten ist, dass man aus der Distanz mit ihnen bezahlen kann. Wir können so Dinge aus anderen Städten oder Ländern bestellen und einfach für sie bezahlen. Insbesondere in Zeiten

‘Adat: Gebräuchliche Anwendung, ein Rechtsprinzip in der malikitischen Schule. „Jene Verpflichtungen, die auf den Schutz menschlichen Lebens, des Verstandes und anderen Dingen in dieser Welt abzielen.“ (AschSchatibi) Adilla (Plural von Dalil): Beweise Ahkam (Plural von Hukm): Rechte, Werte und Verordnungen Al-Ahkam Al-Taklifija: Rechtliche Werte, die aus direkten Anweisungen abgeleitet sind, die wiederum Verpflichtungen aufstellen. Ahl Ar-Ra’i: Leute der Meinungen. Bezieht sich üblicherweise auf Leute, die das Prinzip des Ra’i anwenden, um Urteile zu erzielen. A’immat Al-Madhahib: Plural von „Imam Al-Madhhab“; Imame der Rechtsschulen. ‘Amal: Handlung, normative Praxis, Vorbild, juristische Praxis ‘Amal Ahl Al-Madina: Die normative Praxis der Leute von Medina (das heißt die ersten drei Generationen); eines der grundlegenden Prinzipien des malikitischen Fiqh. Amara (Plural Amarat): Beweis oder Hinweis, der zu einer spezifischen Schlussfolgerung führt. Im Gegensatz zum Dalil, welcher zu einem definitiven Urteil führt. ‘Amm: allgemein anwendbar; in Bezugnahme auf qur’anische Urteile Amr: Befehl, Sache, Angelegenheit Amr bi’l-Mar’ruf wa’n-Nahi ‘an AlMunkar: Beförderung des Guten und Verhinderung des Bösen. Dies ist eine Pflicht für alle Muslime, die im Qur’an vorgeschrieben wird. Al-Amr Al-Mudschtami’ ‘alaihi: „Die allgemein anerkannte Weise, wie die Dinge bei uns gehandhabt werden“; ein Ausdruck, der von Imam Malik verwendet wurde, um die Übereinkunft der Leute von Medina zu beschreiben. Asbab: legale Ursachen, Plural von Sabab Al-Asbab wa’l-Wasa’it: Wörtlich „Ursachen und Mittel“, vermittelnde Ursachen Asbab Ar-Ra’i: spekulative Juristen Asbah wa Naza’ir: „Verwandtschaf-

moderner Kommunikation betrachten viele Menschen dies nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit. Wenn man ihnen sagt, dass sie mit Gold oder Silber zahlen können, glauben sie, sie würden in die Vergangenheit versetzt. Die Muslime hatten immer Möglichkeiten, diese Dinge zu regeln. Erinnern wir uns, dass die muslimische Gemeinschaft von Malaysia bis Marokko und von Sibirien bis Kapstadt reichte. Muslimische Händler reisten und handelten die ganze Zeit über. Sie entwickelten Mittel, wie sie entsprechend der Schari’a Geld bewegen konnten. Ein Mittel dafür war und ist der Wakil, der im Namen von deren Besitzern Gold und Silber in physischer Form an einem Ort hält und diese auch nicht beleihen darf. Diese Person beziehungsweise Einrichtung kann dann mit den unterschiedlichsten Mitteln - den modernsten wie den einfachsten - anweisen, Beträge auszuhändigen. Es geht hier um ein Beispiel, wie es nach dem traditionellen islamischen Recht möglich ist, mit Dinaren und Dirhams elektronisch über eine lange Distanz zu bezahlen. Schließlich gilt es zu sagen, dass es im Islam möglich ist, außer mit Papier mit allem möglichen zu bezahlen, solange die beteiligten Menschen zufrieden damit sind. Beinahe jede Ware kann dafür verwendet werden: Säcke voller Getreide, Vieh, Fertigwaren, ungeprägtes Gold oder Silber etc.

ten und Ähnlichkeiten“; das Studium der semantischen Strukturen des Rechts. Asl (Plural Usul): Wurzel derjenigen Grundlage, von der man eine Analogie sucht; erstrangiges Prinzip; textliche Basis. Athar: Wörtl. Eindruck, Spur, Überrest; auch Taten und Beispiele der Prophetengefährten. ‘Azima: Striktes oder unverändertes Gesetz, das wegen der Abwesenheit abweichender Faktoren in seiner originalen Strenge erhalten bleibt. Bajan: Erklärung, Erhellung; entweder der Substanz einer Bedeutung im Qur’an oder der Bedeutung dieser Substanz. Daf’ Al-Haradsch: Entfernung von Beschwernis Dalala: Erklärung, Klärung, Hinweis, Bedeutung, textliche Folge. Unterkategorien derselben unterscheiden sich nach den Rechtsschulen. So haben die Hanafis beispielsweise vier Kategorien und die Schafi’iten fünf. Dalala Aslija: essenzielle Bedeutung Dalala Al-Iqtida’: Die notwendige Bedeutung, auf die in einem Text verwiesen wird. Dalala Al-Ischara: Bedeutung, auf die hingewiesen wird. Dalala Al-Mafhum: Bedeutung, die implizit ist. Dalalat: textliche Implikationen Darura: vorrangige Notwendigkeit Daruri: Notwendigkeit, a priori, eine Stufe von Maslaha: „Unverzichtbar in der Erhaltung des Guten (Masalaih).“ (Asch-Schatibi) Ad-Darurijat Al-Khamsa: „Die fünf wesentlichen Werte“: Religion, Leben, Verstand, Abstammung und Besitz. Die Ziele (Maqasid) der Schari’a involvieren die Beförderung und den Schutz dieser Werte. Das Prinzip von Masalih Al-Mursala basiert auf der Erreichung dieser Ziele. Daur: Zirkelschluss Fahwa Al-Khitab: Überragende Bedeutung, wenn die implizite Bedeutung eines Textes über der ausdrücklichen Bedeutung steht. Fath Adh-Dhara’i: „Die Förderung der Mittel“; dazu zählt, dass die Mit-

tel der Verpflichtung ebenfalls verpflichtend sind. Furu’: Zweige oder Unterteilungen, wie die Zweige des Fiqh Ghalbat Az-Zann: vorherrschende Wahrscheinlichkeit, das Geschehnis ist höchst wahrscheinlich Ghair Mu’akadda: Eine Sunna, die manchmal, aber nicht regelmäßig verrichtet wird. Hadscha: allgemeine Notwendigkeit Haqiqi: wörtlich, real, original Haqq Al-’Abd: Recht der Menschen oder privates Recht; das Recht einer Person, die Entschädigung verlangen. Haqq Allah: Recht von Allah oder öffentliches Recht; jene Bestrafung, die der Richter für bestimmte Verbrechen verhängen muss. Hudscha: Beweise vor Gericht, auch eine Autorität Hudschija: Vorbringen des notwendigen Beweises oder Autorität, ein Urteil oder Konzept für gültig zu erklären. Hukm (Plural Ahkam): Recht, Werte oder Urteile der Schari’a. Hukm ist das rechtliche Urteile über den Status einer Sache. Die fünf Werte sind: 1) Verpflichtung (Fard oder Wadschib), 2) Sunna oder empfehlenswert (Mandub), 3) erlaubt (Mubah), 4) anstößig (Makruh) und 5) unrechtmäßig (Haram). Al-Hukm Al-Taklifi: bestimmendes Recht; Gesetz, welches Rechte und Verpflichtungen definiert. Al-Hukm Al-Wad’i: Deklaratorisches Gestz; das heißt Recht, welches die Implikation der Al-Hukm AlTaklifi reguliert; so wie die Feststellung der Bedingungen, Ausnahmen und Qualifikationen. ‘Ibara An-Nass: Ausdrückliche Bedeutung eines gegebenen Textes, der sich aus dessen Worten ergibt. Idtirari: einem Mann ohne dessen Entscheidung auferlegt Ihtijat: Vorsicht, vorausschauende Maßnahme Quelle: Aisha Bewley, Glossary of Islamic Terms, TaHa Publishers, London 1998, Taschenbuch, ISBN 1-897940-72-6


12 Seite / Dezember 2006

Essay

Islamische Zeitung

Von Dr. Mohammed Dalmau

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as Paradox im biologischen Verhalten, das unerwartete Ergebnis einer wissenschaftlichen Voraussage, die unerklärlichen Veränderungen, die beim Studium des kreatürlichen Vorgangs nicht vorhergesagt werden können - all dies zeigt uns, dass die Natur kein System ist. Nichtsdestoweniger waren Systematisierung und Standardisierung typisch für die medizinischen Prozeduren der Wissenschaft in diesem Jahrhundert, vom Bereich der Theorie bis zu ihrer pragmatischen Anwendung. Wir lesen bei Werner Heisenberg in seinem Buch „Physik und Philosophie“: „Die wissenschaftliche Methode der Isolation, Erklärung und Klassifikation ist sich ihrer eigenen strikten Begrenzung bewusst. Namentlich, dass die Anwendung dieser Methode in sich das Objekt des Studiums verändert und neu gestaltet, sodass Methode und Objekt nicht mehr voneinander getrennt werden können. Das von der Naturwissenschaft formulierte Weltbild hört an diesem Punkt auf, wirklich wissenschaftlich zu sein.“ Heisenbergs Beobachtung behandelt die Tatsache, dass die Methode der Annahme des Phänomens in jenem Bezugsrahmen liegt, durch den das Objekt des Studiums gezwungen wird, sich selbst zu offenbaren und dadurch definiert wird. Rationale Medizin ist die Methode und der menschliche Organismus ist das Objekt der Forschung. Technologie ist das Mittel, durch welches die schöpferischen Prozesse gezwungen werden, sich selbst zu offenbaren. Und dieser Weg der Erhellung liegt in der Reduktion der lebendigen Phänomene auf ihr mechanisches Verhalten mit dem Determinismus von Ursache und Folge. Die Griechen kannten das Wort „Aletheia“ für Offenbarung/Erhellung. Die Römer übersetzten es als „Veritas“, welches Wahrheit bedeutet. Alles, was diese experimentelle Methode hervor bringt, wird als Wahrheit anerkannt, und hat diese Wissenschaft zur neuen säkularen Religion gemacht. Die institutionalisierte Wahrheit, die durch die vom Staat sanktionierten medizinischen Forschungseinrichtungen gefördert wird, ist heute die universelle Basis für medizinische Praxis. Jede Universität in der Welt unterrichtet heute den gleichen medizinischen Lehrplan. Seit der Französischen Revolution hat der Mensch den Status des Bürgers. Der kooperative Kapitalismus ist einen Schritt weiter gegangen und der Mensch wurde schließlich als Steuerzahler durch den Staat und als Verbraucher durch die Finanzinstitutionen bestimmt. Beide Definitionen sind in Übereinstimmung mit dem rationalen medizinischen Ansatz,

Die Natur ist kein System Gedanken eines Arztes zur Philosophie der Medizin der zu einer Gesellschaft gehört, die in sich selbst ein Marktplatz ist, der vollkommen von der Praxis des Wuchers bestimmt wird. Physiologie, Pathologie und Therapie müssen derart auf eine standardisierte Weise betrachtet und definiert werden, um ihren wirtschaftlichen Zweck der standardisierten Produktion von Medikamenten und systematischen Anforderungen der technologischen Instrumente zu entsprechen. Daher ist es einfach zu verstehen, dass medizinische Wissenschaft den Menschen auf seine organische Dimension reduziert hat und nur auf das Erkennen der Fehler der mechanischen Körperfunktionen und der Prozeduren, diese zu beheben, ausgerichtet ist. In diesem Bezugsrahmen wird Gesundheit auf die Abwesenheit von Krankheit reduziert. Und dieser Ansatz ist einer, der die Pathologie als Hauptbezug hat. Das Wort Medizin kommt vom lateinischen „Meder“, was heilen bedeutet. Wie der Ursprung des Wortes zeigt, ist der dieser Methode eigene Charakter die Suche nach einer Heilung. Ihr augenblicklich alles überspannender Zweck ist die Erzeugung eines profitablen Gewinns auf eine Investition und die Ablenkung der Aufmerksamkeit der Menschen von den sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, die sie krank machen. Die medizinische Wissenschaft hat die Dynamik einer gesunden menschlichen Form aus dem Auge verloren. Das Wiederaufleben der Tuberkulose in den Vororten von New York ist nicht das Ergebnis eines neuen widerspenstigen Stranges eines Mycobakteriums, sondern das Ergebnis sozialen Elends und der Verelendung in einem Umfeld von Arbeitslosigkeit, Mangelernährung, unhygienischen Wohnverhältnissen und einem dicht besiedelten Gebiet. Die Natur der menschlichen Form unter diesen Bedingungen ist gezwungen, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu zeigen. Tuberkulose ist daher die Metamorphose einer bestimmten sozialen Situation, die sie hervor gebracht hatte. Der auf das Krankhafte fixierte Blick betrachtet nur, was im Körper falsch ist und nicht, was in der sozialen menschlichen Form fehlt. Sie wird die Anwesenheit von bestimmten Proteinen im Blut, die biochemische Veränderung der Körperflüssigkeiten, die zellulären Veränderungen im Bindegewebe, sogar das psychologische Profil in Betracht ziehen.

Außer Acht lassen wird sie als Krankheitsursachen die existenziellen Bedingungen des Menschen, der zum passiven Konsument gemacht wurde, gefangen durch endlose Schulden, wertloses Geld, politische Machtlosigkeit und Unterwerfung unter eine Gesellschaftsform, in der sich das menschliche Verhaltensmuster vollkommen auflöst. Phänomenologisch können wir sagen, dass die rationale Medizin kein Modell der Gesundheit kennt. Traditionellerweise ist das grundlegende Fundament der Medizin das Wissen von dem, was normal ist. Dieses nennen wir Physiologie und es wird bestimmt als die Wissenschaft von den Funktionen der lebenden Organismen und ihrer Bestandteile. „Phusis“ auf Griechisch meint Natur. Daraus leitet sich „Physis“ ab, was natürlich bedeutet und daher meint „Physiologie“ die Wissenschaft dessen, was natürlich ist. An diesem Punkt sollten wir uns fragen, wessen Definition von dem, was natürlich ist, wir nehmen - die wissenschaftliche oder die prophetische? Das Wissen um das Natürliche ist in der Tat das Wissen über die Grenzen, in der die lebendigen Formen sich bewegen müssen. Das Lebewesen ist stabil, weil es veränderbar ist. Die Materie, aus der wir bestehen, befindet sich in einem hohen Grad der Instabilität. Engagiert im freien Austausch mit der äußeren Welt, wird sie kontinuierlich gebrochen von den Belastungen der täglichen Aktivität und kontinuierlich aufgebaut durch den Reparaturprozess. Aber es ist nur die physiologische Anstrengung, die Form aufrechtzuerhalten, die die Konstanten den Lebens stabilisiert. Wenn wir beispielsweise eine muskuläre Anstrengung machen, dann könnte die dabei entstehende extreme Hitze das Albumim unseres Blutes gerinnen lassen. Und doch hat der Körper die Mittel, das Blut unverändert zu lassen. Aber wenn die Temperatur unseres Gehirns nur um fünf Grad steigt, reicht dies aus, es zu schädigen. Die physiologischen Grenzen definieren die Funktion und beschützen die Form. Die Beachtung dieser Schranken bestimmt die Möglichkeit für die bestmögliche Lebensleistung. Diese Grenzen markieren die Schranken, die nicht überschritten werden können. Jenseits dieses Punktes gibt es keine andere Möglichkeit als das Auftauchen von Krankheit und Leiden. Da-

her ist der sofortige Effekt der körperlichen Grenzen der Schutz der organischen Form. Wir lesen im Qur’an: „Wer die Grenzen von Allah überschreitet, schadet sich wahrlich selbst.“ (At-Talaq,1) Wir erkennen so, dass Physiologie Grenzen behandelt, die durch Unterscheidungsvermögen aufrecht erhalten werden. Unterscheidung ist die andauernde biologische Wahl, die der Organismus gezwungen ist, in jedem Augenblick zu machen. Die biologischen Werte sind die Parameter für die Lebensführung. Durch Unterscheidung kann die beste Leistung des Organismus erzielt werden, was auch das beste Ergebnis, die Gesundheit, ermöglicht. Gesundheit ist demnach die dynamische Leistung dessen, was natürlich ist. Diese Leistung ist in sich selbst die existenzielle Handlung; jene, die der menschlichen Form am vollkommensten zugemessen ist. Diese Handlung ist ein Lebensmuster, das heißt ein Modell. Das Modell ist ein Muster für das Leben, denn es kann nachgeahmt werden und erlaubt uns so, das Leben auf eine physiologische Weise, in seiner Natürlichkeit, zu reproduzieren. Wie wir sehen können, versammelt dieses Modell die Genetik des Lebens, das „wie zu leben“. Sie enthält das Muster, welches das Leben so entfaltet, wie es ist, und kopiert und weitergegeben werden kann. Ich rede hier nicht über DNS, sondern über Sunna, welches Praxis bedeutet. Und die Wurzel des Wortes heißt zu formen. Die Sunna ist daher eine Praxis, die Form hervor bringt. Jene Form, die für den Menschen natürlich ist, denn sie entfaltet die authentischen Parameter unserer Existenz. Daher ist ihre Praxis perfekt angepasst an die Eigenschaften eines lebenden sozialen Organismus, der der Mensch ist. Die Umsetzung dieses Modells führt nicht nur zu persönlicher Gesundheit, sondern auch zu sozialer, weil dieses Lebensmuster soziale Harmonie hervor bringt. Auf diese Art und Weise wird es implizit zu Moral. Die Verkörperung dieser Praxis durch das vollkommenste menschliche Wesen, welches jemals existierte, der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, hinterließ uns ein Modell, welches der Mensch nachahmen kann. Allah nahm in Seiner Barmherzigkeit die furchtbare Last von uns, die Arbeit für uns selbst zu leisten. Wir lesen im Qur’an: „Wahrlich, im Ge-

sandten Allahs habt ihr ein gutes Beispiel.“ (Al-Ahzab, 21) Es ist hierbei wichtig, dass das arabische Wort „Uswatun“, welches hier für „Beispiel“ verwendet wird, seine Wurzeln in der Bedeutung „zu heilen“ hat. Die Schlussfolgerung ist, dass das Modell in sich selbst die Heilung darstellt. Es sagt uns etwas über die dynamische Beziehung zwischen dem Schöpfer und Seiner Schöpfung. Es gibt ein Hadith des Gesandten Allahs: „Der Eine, Der die Krankheit herab sandte, sandte auch die Heilung herab.“ Daher ist es für unsere Einschätzung von Krankheit von fundamentaler Wichtigkeit, dass wir anerkennen, ob die natürlichen Grenzen für den Menschen, wie im Qur’an und in der Sunna niedergelegt, beachtet oder nicht beachtet werden. Diese grundsätzliche Unterscheidung ist entscheidend. Krankheiten, die eindeutig außerhalb der Grenzen liegen, sind eine Warnung, innerhalb dieser Grenzen zurückzukehren. Krankheiten der Muminun [derjenigen, die in/auf Allah vertrauen], die die Grenzen Allahs beachten, sind eine Barmherzigkeit. Krankheit ist in Hinweis auf die Grenzen, in denen sich die Lebensführung des Menschen abspielen muss. Wir können Krankheit nur verstehen, wenn wir sie mit Gesundheit vergleichen und nicht anders herum. Gesundheit ist nicht Abwesenheit von Krankheit, sondern die Durchführung unserer Bedingung als Diener Allahs und als Khalif auf der Erde. Gesundheit ist ein Verhaltensmuster, welches uns nicht nur sagt, was wir tun können und was nicht, sondern auch, was wir müssen. Es geht darum, wie wir leben, wie wir handeln, wie wir anbeten und wessen Macht wir uns unterwerfen müssen. Es geht um Salat [Gebet] und Zakat. Es geht um Anbetung, aber auch um die Verantwortung zur Etablierung von Gerechtigkeit. Es gibt keine Gesundheit in einer ungerechten Gesellschaft. Die Schaffung von Gesundheit und die Etablierung von Gerechtigkeit sind die gleiche Sache. Der wirkliche Arzt ist derjenige, der die Verantwortung annimmt, Gesundheit zu schaffen. Von Imam Malik finden wir in der Muwatta das Hadith des Propheten: „Ich habe euch zwei Dinge hinterlassen. Solange ihr an ihnen festhaltet, werdet ihr nicht in die Irre gehen. Sie sind das Buch von Allah und die Sunna Seines Gesandten.“ Islam ist kein Staatskonzept, er ist ein organisches Lebensmuster für den sozialen Menschen. Und die einzige Heilung für unsere Existenz ist Islam.


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Aktuelle Nachrichten und Kommentare

Seite 16

Seite 15 KOMMENTAR

Zwischen Nordsee und Harz

Öztürk, dass die Muslime zwar noch vielfach an die Organisationen herkunftsländischer Identität gebunden sind, zugleich aber begonnen haben, Strukturen entlang des föderativen deutschen Staatsaufbaus zu bilden. Darin drücke sich deutlich eine Hinwendung zum deutschen Staat aus.

die Geschäftsführerin der Schura Niedersachsen.

Selma Öztürk wurde 1978 in Hannover geboren. Sie studierte an der Universität Hannover Rechtswissenschaften und absolvierte neben dem Jurastudium eine private theologische Ausbildung. Öztürk ist seit Juni 2006

Selma Öztürk: Nun gut, man könnte die Situation in Niedersachsen, dem zweitgrößten Bundesland, als ruhiges Fahrwasser bezeichnen. In der Tat weht

Dass heute bei manchen angesichts einer anhaltend unter die Gürtellinie zielenden Berichterstattung über den Islam Nerven blank liegen, ist verständlich. Umso schwieriger wird es für jene individualisierten Muslime, denen es an einem Anker spiritueller Praxis fehlt, der sie auch in Stürmen sicher mit der unsichtbaren Welt verbindet. Für unsere geistige Stärke ist es von erheblicher Bedeutung, dass wir mit anderen diesen Aspekt unseres Daseins teilen und stärken - jenseits der verflachenden Debatten. Es ist ja nun nicht so, als ob wir mit einem erkennbaren Bekenntnis für unsere Religion viele Blumensträuße gewinnen könnten. Die Frage ist vielmehr, wie wir damit umgehen. Negieren können wir den Sachverhalt nicht, denn es ist klar, dass die Stimmung und die rein politische Deutung islamischer Inhalte wenig Platz zum Manövrieren für den „organisierten Islam“ lässt. Ändern können wir auf die Schnelle scheinbar kaum etwas, da Muslime keinen Zugriff auf die Deutungshoheit jener Begriffe haben, die den öffentlichen Diskurs über unsere Lebensweise mehr bestimmen als ihre Realitäten. Was wir tun können, ist die existenzielle Wahrheit anzuerkennen, dass das Dasein als Muslim eine unsichtbare Komponente besitzt, die nach qur’anischem Wissen eben nicht „integrierbar“ ist. Wohlgemerkt, im religiösen, nicht im alltäglichen, staatsbürgerlichen Sinne. Es hilft an dieser Stelle, wenn wir uns an die früheren Muslime erinnern, die nicht über Ablehnung klagten, sondern sie als Gesetzmäßigkeit der Existenz anerkannten. Sie wussten, dass die Rechtleitung (Hidaja) von Allah kommt. Was uns mehr fehlt als „Anerkennung“, ist eine kritische Innenschau - als Muhasaba bekannt. Manche werden kaum erschreckter sein, als wenn man ihnen den Spiegel vorhält. Das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten schafft auch Gegner. Es gibt nicht viele Orte, an denen sich dies so klar erfahren lässt wie in einer Zeitungsredaktion. Und kaum eine Tätigkeit, durch die sich viele so beleidigt fühlen, wie das Veröffentlichen von Texten. Zu so manchem Bericht oder Meinung gibt es verständlicherweise nicht nur Gegenpositionen, sondern auch manchmal einen (Einzelperson oder auch Repräsentant), der sich schwer beleidigt fühlt. Das ist eine banale Wahrheit. Interessant ist, dass die Äußerung dieser Kritikunfähigkeit auch den Vorwurf in sich trägt, man sei - weil man diesen oder jenen unbequemenText geschrieben hat - „kein guter Muslim“. Der Prophet wies uns Muslime an, „das Wissen auch in China zu suchen“. Echtes Wissen braucht Selbsterkenntnis. Wer sein eigenes Selbst ungeschminkt erkennen will, braucht jemanden, der ihn auf dessen Abgründe hinweist.

Fortsetzung Seite 13 >

(Von Malik Özkan, Bremen)

In Niedersachsen hat sich mit der Schura eine Interessenvertretung der Muslime entwickelt Von Sulaiman Wilms, Berlin

Niedersachsen, das zweitgrößte Bundesland der Republik, zwischen Nordsee und Harz gelegen, ist bekannt für seine Natur, das bäuerliche Leben, Volkswagen in Wolfsburg und seine Landeshauptstadt, die immerhin einen Bundeskanzler hervorgebracht hat. In Sachen Islam ist die bevölkerungsarme Region bisher, von eigenen Ausnahmen abgesehen, eher selten in Erscheinung getreten.

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m Sommer 2001 hatte sich die Mehrzahl der muslimischen Organisationen des Bundeslandes zweckorientiert zusammengetan und den „Arbeitskreis Islamischer Religionsunterricht“ gegründet: Dies waren zunächst fast alle nichtstaatlichen muslimischen Verbände und Organisationen, die es soweit sich das beurteilen ließ - in Niedersachsen gibt. Schon ein halbes Jahr später sind die Muslime weiter zusammengerückt. Nicht weltpolitisch motivierte Ereignisse oder innenpolitische Sorgenfalten bildeten den Hintergrund, sondern das gewachsene Vertrauen der muslimischen Gruppen untereinander. Ein weiteres Motiv war die Einsicht in das zur besseren Integration Vernünftige, besonders aber der zunehmende Druck von Seiten der muslimischen Eltern auf ihre Moscheegemeinden und Verbände und der Wille zur Verwirklichung des islamischen Religionsunterrichts. 2002 wurde dann auf einer breiten verbandlichen Basis die Schura Niedersachsen als Landesverband der Muslime in Niedersachsen gegründet. Ein 17-köpfiger Vorstand und eine klare innere Struktur wurden geschaffen. Dabei zog man dankbar die Erfahrungen anderer islamische Landesverbände heran. Die Schura Niedersachsen ist als korporativer Landesverband organisiert, er umfasst nur in Niedersachsen eingetragene Vereine. Die Schura soll die religiöse Basis, also die Orts- oder Moscheegemeinden, repräsentieren. Mitglieder sind sowohl die Gemeinden aus fast allen großen türkischen Verbänden und

Hannover: Muslime in einer Fußgängerzone der Landeshauptstadt Hochschulgruppen als auch Gemeinden arabischer, bosnischer, pakistanischer, iranischer und deutscher Zusammensetzung. Zur Vollendung der Schura ist es noch ein längerer Weg, denn die Satzung verlangt den Vereinsstatus. Viele an der Mitgliedschaft interessierte Moscheegemeinden müssen sich dazu noch als Vereine eintragen lassen; ein nicht für alle ganz schneller Weg. Deutlich wird an dieser selbstgewählten Struktur der Schura Niedersachsen - und dies gilt ähnlich auch für mehrere andere Bundesländer (Bayern, BadenWürttemberg, Hamburg, SchleswigHolstein), so die Pressesprecherin Selma

Fehlt uns was?

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slamische Zeitung: Liebe Frau Öztürk, das Flächenland Niedersachsen gilt nicht gerade als Brennpunkt muslimischer Aktivitäten in Deutschland. Wie ist es um die Muslime bestellt?

Von der Landesverteidigung zur Intervention? Ausgang unklar: Der Verein „Aachener Friedenspreis“ stellte Strafanzeige gegen aktive Mitglieder der Bundesregierung

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Deutscher Soldat in Afghanistan

n die zur Zeit angesichts einer Betonung der Bedrohung durch Terror an den Rand gedrängte Debatte über die Zukunft der deutschen Militär- und Sicherheitspolitik ist wieder Bewegung gekommen. Die Initiative „Aachener Friedenspreis e.V.“ hat auf das neue „Weißbuch“ des Bundesverteidigungsministeriums mit einer Strafanzeige gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) reagiert. Die Strafanzeige des Vereins wurde gemäß § 80 des Strafgesetzbuchs wegen der Vorbereitung von Angriffskriegen gestellt. Was aber hat die Friedensaktivisten zu solchen einem Schritt bewegt? Befindet sich unser Land in einem Angriffskrieg? Es handelt sich hier um ein mittelbares Problem. Mit der Verabschiedung des neuen „Weißbuchs“ der Bundeswehr (vom 24.10.2006, es beleuchtet mögliche neue Aufgaben- und Tätigkeitsfelder) sei dieser Straftatbestand gegeben. Das

Dokument beschreibe „die neue Militärdoktrin der Bundesrepublik Deutschland, in der die Bundeswehr die Rolle einer weltweit einzusetzenden und präventiv tätigen Interventionsarmee übernimmt.“ Parallel dazu erfolge die materielle Umrüstung der Bundeswehr mit den entsprechenden Waffensystemen und Transportmitteln. „Insofern ist sowohl in der Militärdoktrin wie in der Ausrüstung der Truppe die Vorbereitung von Angriffskriegen gegeben.“ Otmar Steinbicker, Vorsitzender des Aachener Friedenspreises, sagte auf der Pressekonferenz anlässlich der Strafanzeige, dass sich deutsche Sicherheitspolitik nahezu vollständig vom „bisherigen Verteidigungsbegriff“ gelöst habe. Nun visiere man Militäreinsätze an, „ohne dass zuvor ein Angriff auf das eigene Territorium oder das eines Bündnispartners stattgefunden hat“ oder unmittelbar drohe. Laut dem Grundgesetz gilt der „Verteidigungsfall“ nur dann als gegeben, wenn zu-

vor deutsches Gebiet oder das von Bündnispartnern von feindlichen Truppen angegriffen wird. Steinbicker sieht im „Weißbuch“ Vorhaben für eine präventive Kriegsführung. Im „Weißbuch“ werden Zielsetzungen und Interventionsgründe angegeben, die den Verein zur Anzeige motivierten. Zu diesen zählten: offenes Welthandelssystem, freie Transportwege, funktionierende Kommunikationssysteme, gesicherte Rohstoffzufuhr und nachhaltige Energieversorgung. Als Bedrohungsszenarien gelten zum Beispiel Staatsversagen, Korruption und unkontrollierte Migration. Seit dem Erscheinen des „Weißbuches“ habe eine Arbeitsgruppe der Vereinigung das Werk und auch dessen vorherige Entwürfe analysiert. Daher sehe der Verein durch „aggressiv formulierte“ Militärdoktrin das Strafgesetzbuch verletzt. Die an die Generalbundesanwaltschaft gerichtet Anzeige ist acht Seiten lang. (IZ)


14 Seite / Dezember 2006 Zwischen Nordsee und Harz [Fortsetzung von Seite 13] der „islamische“ Wind im Norden weniger als in anderen Gebieten. Islamische Zeitung: Was war der entscheidende Anlass für die Gründung der Schura Niedersachsen? Selma Öztürk: Der Gründungsanlass der Schura Niedersachsen war die Einführung des Islamischen Religionsunterrichtes als ordentliches Lehrfach in den niedersächsischen Schulen . Um den grundgesetzlichen Anspruch aus Artikel 7 III GG geltend zu machen, brauchte man eine Religionsgemeinschaft, die es in Niedersachen bisher nicht gab. Mit diesem Beweggrund haben sich damals im Jahre 2001 verschiedene muslimische Organisationen zusammengeschlossen, um die Schura letztendlich 2002 zu gründen.

Deutschland Islamische Zeitung: Ist Ihr Dachverband eine Kopie des bestehenden Hamburger Vorläufers, oder haben Sie eine konzeptionell unabhängige Gestaltung? Selma Öztürk: Nein, wir sind keine Kopie der Schura Hamburg. Wir haben bei der Gründung unserer Schura lediglich um eine „Lizenz“ für den Namen gebeten. Diese wurde uns dann gestattet. Wir haben selbstverständlich ein gutes Verhältnis zu unseren Hamburger Nachbarn. Aber eine konzeptionelle Abhängigkeit liegt nicht vor. Islamische Zeitung: Was sind die Schwerpunkte Ihrer Aktivitäten? Selma Öztürk: Unsere Schwerpunkte sind in erster Linie der Aufbau der Schura Niedersachsen; Sowohl intern, als auch extern. Darüber hinaus laufen die Gespräche am „Runden Tisch“ im Kultusministerium bezüglich des „Islamischen Religionsunterrichtes“ fort. Im Laufe der Zeit haben sich natürlich auch andere Probleme ergeben, für deren Lösungsbemühungen sich die Schura verantwortlich fühlt. Zu nennen wäre dabei zum Beispiel die Bestattung bezie-

hungsweise die Vereinbarung der islamischen Bestattung mit dem Niedersächsischen Bestattungsgesetz sowie das Friedhofswesen. Für die Zukunft sind Projekte geplant, die in erster Linie die Jugend in Deutschland betreffen. Ich denke, dies sollte einer der Schwerpunkte aller muslimischen Organisationen sein. Die Jugend und deren Entwicklung ist sehr wichtig und darf nicht außer Acht gelassen werden. Deshalb brauchen die jungen Muslime eine Orientierung, eine Anlaufstelle, aber auch Vorbilder. Wichtig ist hierbei vielleicht auch, zu erwähnen, wie der Vorstand der heutigen Schura aufgebaut ist. Wir sind insgesamt zehn Personen im Vorstand, davon drei Frauen. Ich denke, dass es auch wichtig ist, dass sowohl Frauen, aber auch junge Menschen generell sich in Organisationen für die muslimischen Belange einsetzen. Wir sollten für die Zukunft dahingehend arbeiten. Islamische Zeitung: Haben die Muslime in Niedersachsen die gleichen Sorgen und Nöte wie beispielsweise jene in Nordrhein-Westfalen oder in Berlin? Selma Öztürk: Nein, es gibt bei uns

Islamische Zeitung

keine Verwerfungen wie zum Beispiel in Berlin. Ebenso findet man in unseren Strukturen keine Dominanz der selbsternannten „Bundesverbände“ wie in NRW, die der Bildung eines Landesverbandes im Wege stehen.

tholischen Kirche. (Erwähnenswert ist hierbei der Bischof von Osnabrück, Bischof Bode) Ein wichtiges Projekt ist auch die Bemühung, einen theologischen Lehrstuhl an der Uni Osnabrück zu errichten.

Islamische Zeitung: Wie haben Politik und Öffentlichkeit in Niedersachsen auf Sie reagiert?

Islamische Zeitung: Eine manchmal geäußerte Kritik am Grundkonzept einer Schura besteht darin, dass sie die Muslime zumeist auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner vereint und nicht in der höchsten Möglichkeit. Was sagen Sie dazu?

Selma Öztürk: Wir haben bisher keine negativen Erfahrungen gesammelt. Die Schura wurde vom Land „erwartet“ und ist als Partner und zunehmend als Träger öffentlicher Belange akzeptiert. Islamische Zeitung: Gibt es Kontakte oder gar gemeinsame Projekte? Und mit wem? Selma Öztürk: Unsere Kontakte bestehen und vermehren sich von Tag zu Tag. Die Schura Niedersachsen ist sozusagen ein neu geborenes Kind und muss seine Existenz zunächst zeigen. Zu nennen wäre in erster Linie der Kontakt zu allen vier großen Parteien, die im Landtag vertreten sind. Darüber hinaus haben wir ein gutes Verhältnis zu den Kirchen, insbesondere zu der ka-

Selma Öztürk: Die höchsten Möglichkeiten verschließen sich mangels Kapital und islamischer Intelligenzia. Die Schura ist an den gesetzlichen Anforderungen an eine Religionsgemeinschaft im Sinne des GG ausgerichtet, dazu gehört weitgehende Repräsentativität und Einbettung in den föderativen Staatsaufbau. Letzteres haben sehr viele Muslime, die ja überwiegend aus zentralistischen Staaten stammen, nicht verstanden. Islamische Zeitung: Frau Öztürk, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Debatte: Aufruf zu einem Moratorium Warum es sich für Muslime lohnt, darüber nachzudenken Von Belal El-Mogaddedi, Springe

„Hang zum Übertreiben, zum Unterdrücken oder Verzerren der Wahrheit ist eine menschliche Schwäche. Wir können sie überwinden, wenn wir das Schweigen üben.“ (Mohandas K. Gandhi)

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ank einer als „mutige Initiative“ dargestellten Kampagne von parlamentarischen Hinterbänklern gegen die Kopfbedeckung der muslimischen Frau, standen Muslime in den vergangenen Wochen wieder einmal im populistischen Blickpunkt der Medien und der politischen Diskussion. Die mit dieser Kampagne einher gehende Fertigkeit der aufgeregten Empörung mancher Zeitgenossen, die in jeder noch so hanebüchenen Beschäftigung mit dem Islam und den Muslimen ein Engagement für die Vermittlung Westlicher Werte sehen, und jede noch so dümmliche Gegenwirkung als einen Angriff auf das Abendland werten, belegt zum wiederholten Male, auf welch einem katastrophalen Niveau die Qualität des

Gespräches mit Muslimen - nicht nur in diesem Land - angelangt ist. Begriffe wie „Dschihad“, „Kopftuch“, „Schari’a“, „Fundamentalist“, „praktizierender Muslim“, „Umma“ usw. sind zu Angstworten geworden. Heute ängstigt man sich nicht mehr vor dem „Schwarzen Mann“, diesen Platz hat der „Muslimische Mann“ eingenommen und im Sinne der Gleichberechtigung auch die Muslimische Frau, Anzeige vorausgesetzt sie trägt ein Kampftuch auf dem Kopf. Nicht wenige Muslime versuchen, diesen verbalen Feldzügen gegen Muslime und Islam entgegenzutreten, in dem sie an Podiumsdiskussionen, TV-Talkshows und Radiosendungen teilnehmen. Dieses Engagement ist nicht nur achtbar, es ist auch bemerkenswert. Dennoch stellt sich die Frage, ob es angesichts der pathologisch anmutenden Dauererregung noch sinnvoll ist, sich weiter auf Gespräche einzulassen, wenn diese keine echten Dialoge mehr darstellen? Das Verständnis von „Dia-Logos“, dem ein Fluss von Sinn zugrunde liegt, existiert mittlerweile kaum noch, wenn es um islamrelevante Themen geht. Die Debatten zeich-

nen sich dadurch aus, dass Muslime in ihren öffentlichen Gesprächen mit nichtmuslimischen Islamexperten bzw. denen, die sich dafür halten, nicht mehr in der Lage sind, sich und ihren Argumenten Gehör zu verschaffen. Dies liegt daran, dass viele Gesprächspartner auf nichtmuslimischer Seite nicht willens sind, von ihren lieb gewonnenen Vorurteilen über Islam und Muslime abzulassen. Das Gespräch zwischen Muslimen und Nichtmuslimen ist zu einem Aussprache-Versuch verwildert, in dem sich häufig Sprechende mit Gehörlosen konfrontiert sehen. Solange Muslime in Negativdebatten über den Islam gezwungen werden, islamische Grundbegriffe durchweg negativ besetzt werden, muslimische Glaubensinterpretationen grundsätzlich in Zweifel gezogen werden und Dialog nur eine inhaltsleere Worthülse im Dienst der Stammtischpolitik darstellt, sollten Muslime sich in einem Moratorium üben, bis die Diskussionskultur in Deutschland im Hinblick auf Muslime ein Niveau entwickelt, dass von gegenseitigem Respekt, von einer Begegnung auf Augenhöhe und der Fähigkeit des Zuhörens getragen wird. Ein Moratorium ist mitnichten eine Gesprächsverweigerung, sie ist auch nicht der Versuch, eine Trenngesellschaft zu schaffen. Im Gegenteil, ein Moratorium ist ein Angebot, das den Gesprächspartnern der Muslime die Zeit gibt, Inne zu halten, damit die atmosphärische Hyperventilation im Bezug auf Islam und Muslime ein Ende findet. Ein Moratorium stellt eine Möglichkeit dar, Positionen und Vorurteile zu überdenken, sodass zukünftigen Gesprächen eine neue Ausgangsbasis gegeben werden kann. Ein Moratorium verschafft Nichtmuslimen Zeit, sich mit dem, was anerkannte muslimische Autoritäten in Deutschland und der Welt zu den willentlich oder unwillentlich geschaffenen Kontroversen sagen, zu beschäftigen und damit auseinanderzusetzen. Ein Moratorium begrenzt das unerträgliche „Talkshow-Hopping“ derjenigen, die sich geradezu krampfhaft Kraft der oberflächlichen Beschäftigung mit Muslimen ein fragwürdiges Profil zu erarbeiten suchen.

Ein Moratorium wird den trotz allem lebendigen seriösen Dialog, der fortgesetzt werden muss, aber von der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen wird, in der Platzmitte der politischen Diskussion verorten, denn dort gehört er hin. Ein Moratorium wird die Spreu vom

Weizen trennen, auf muslimischer wie auch nichtmuslimischer Seite. Eine Gesprächskultur der Meinungsfreiheit braucht nicht nur das freie Wort, es braucht das gut und zu Ende durchdachte Wort. Dies wird Konflikte nicht nur lösen, es wird sie verhindern.

Briefe, die abzuschicken wir uns nicht getrauten

Liebe deutsche Kriegsbefürworter, man lacht nicht am Grabe, auch nicht angesichts der gerade stattfindenden faktischen Beerdigung eures Vorhabens, mit dem Irak als Brückenkopf den „Größeren Nahen Osten“ durch Waffengewalt und „kreative Zerstörung“ zu demokratisieren und zu vermarktwirtschaftlichen. Weit vor dem 11. September 2001 angelegt, hat sich die von euch bejahte Strategie, den Nahen Osten in die „Moderne“ zu katapultieren, nicht nur als gescheitert erwiesen, sondern auch mehr Schaden angerichtet, als selbst ihr es ermessen konntet. Den vielen Mitläufern unter euch in Deutschland (zwar lautstark, aber bloß Zaungäste des Geschehens) wie manch respektabler Leitartikler, die Anti-Deutschen und Neu-Konservativen, die Sekte der „Terrorexperten“, Teile der Unionsparteien etc., muss vor geraumer Zeit schon klar geworden sein, dass die von euch erträumten Szenarien (angefangen mit dem Regimewechsel in Afghanistan und später vor allem im Irak) nicht tragen und nun „Ausstiegsstrategien“ (auch für die eigene Rhetorik) entwickelt werden müssen. Schadenfreude ist nie sonderlich ehrenvoll, manchmal verständlich, aber hier verbietet sie sich. Es soll niemand glauben, dass das US-amerikanische Scheitern im Irak für den Irak, den Nahen Osten oder den Islam in der Region irgendwelchen Vorteile bedeutet. [Vor allem muss klar gestellt werden, dass der Konflikt im Irak vieles ist und war, aber sicherlich keine Auseinandersetzung zwischen den eingebildeten Gegenpolen „Westen“ und „Islam“, die sich näher sind als die meisten akzeptieren wollen. Genauso wenig hat der Islam in den letzten Jahrzehnten der baathistischen Diktatur überhaupt irgendeine Rolle im Irak gespielt.] Im Gegenteil, wäre das öffentlich geäußerte friedliche Zukunftsszenario der USA zustande gekommen, wäre dies angesichts der zivilen Opfer vielleicht besser gewesen als das anhaltende Blutvergießen und das sich abzeichnende Auseinanderbrechen des Zweistromlandes. Ziehen wir nüchtern Bilanz: Mehrere hunderttausend tote Zivilisten, eine zerstörte Infrastruktur, unüberwindbare ethnische und religiöse Gräben und die Installation einer Basis für den bewaffneten Extremismus, die es unter dem säkularen Schlächter Saddam Hussein nicht gegeben hatte. Diese Betrachtung sollte eigentlich reichen, um jeden einigermaßen normalen Menschen zum Schweigen zu bringen. Es ist richtig, die Herrschaft des Diktators wurde auch zur Freude seiner Opfer beendet. Es ist fragwürdig, sie als Begründung nachzureichen, wurde doch die Invasion unter dem Deckmantel von nicht existenten Massenvernichtungswaffen und einer angeblichen Beteiligung des Regimes am 11. September exekutiert. Vergessen wird bei eurer Argumentation, dass das Regime von Saddam ohne die großzügige Förderung seitens seiner Unterstützer (Rumsfeld etc.) so nicht hätte agieren können. Das nächste Schlachtfeld wartet schon - in sicherer Entfernung der heimischen Schreibtische, Redaktionen und Talkshows!

Euer Ali Kocaman


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Dezember 2006 / Seite

BERLIN Gelder fließen wieder

DÜSSELDORF Ramadanfest 2006 wieder gut besucht

BERLIN. Nach Angaben des Sprechers der Berliner Senatskulturverwaltung, Torsten Wöhlert, sollen die Zahlungen an die Islamische Föderation Berlin für die Erteilung von islamischem Religionsunterricht wieder aufgenommen werden. Allerdings, so Wöhlert, werden die Leistungen mit Auflagen versehen. Neben der zukünftigen Verwaltung der Mittel für die Finanzierung der Religionslehrer zählt dazu auch die Bestellung eines rechtsgeschäftlichen Vertreters.

ai: Kritik an Urteil BERLIN (ai). amnesty international (ai) hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH), die Klage gegen Deutschland im Fall Varvarin auch in dritter Instanz abzuweisen, als „Missachtung der Entwicklung des Völkerrechts“ kritisiert. Angehörige der Opfer eines NATO-Luftangriffs auf eine Brücke im serbischen Varvarin am 20. Mai 1999 hatten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geklagt. „Entgegen der Argumentation des BGH können bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Einzelpersonen Schadensersatz geltend machen und nicht nur Staaten“, sagte der ai-Völkerrechtsexperte Nils Geißler. „Genau dafür ist zum Beispiel der Internationale Strafgerichtshof geschaffen worden, den die Bundesregierung seit vielen Jahren unterstützt.“ Die Kläger hatten auch auf Schadensersatz nach dem deutschen Amtshaftungsrecht geklagt. Der BGH hat in seiner Urteilsbegründung offen gelassen, ob eine entsprechende Anspruchsgrundlage besteht. „Mit Blick auf die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr sollten alle diesbezüglichen Zweifel ausgeräumt werden“, sagte Geißler. Flugzeuge der Bundeswehr waren an dem Angriff nicht unmittelbar beteiligt. Die Kläger argumentieren aber, Deutschland habe den Angriff mit den anderen NATO-Mitgliedsstaaten gemeinschaftlich beschlossen und ausgeführt. Von ihrem Vetorecht gegen die Auswahl der Brücke habe die Bundesrepublik keinen Gebrauch gemacht. Außerdem habe Deutschland den Angriff unterstützt, indem es Begleitschutz und Schutz des Luftraums grundsätzlich zugesagt und diesen übernommen habe.

DARMSTADT Kuhhandel Bleiberecht DARMSTADT. „Die von den Regierungsparteien vereinbarte Bleiberechtsregelung wird vielen langjährig Geduldeten keine dauerhafte Aufenthaltsperspektive in Deutschland eröffnen“, erklärte der Geschäftsführer des Interkulturellen Rates, Torsten Jäger. Allein die vorgesehene Mindestaufenthaltsdauer von sechs Jahren für Familien mit Kindern und acht Jahren für alle Anderen werde für viele längst integrierte Menschen zum Stolperstein werden. Zudem sei zu befürchten, dass viele von der Bleiberechtsreglung ausgeschlossen würden, weil die Ausländerbehörden ihnen die Verletzung von Mitwirkungspflichten unterstellten oder gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis pauschale Sicherheitsbedenken geltend machten. Der von den Unionsinnenministern bereits angekündigte Widerstand gegen die Einigung in der großen Koalition lasse vermuten, dass die Bleiberechtsregelung im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren noch enger und für die Betroffenen ungünstiger ausgestaltet werde. Die sich abzeichnende „Light-Version“ sei mit der generellen Verschärfung des Familiennachzugs teuer erkauft, so Jäger weiter. Er befürchte, dass die SPD sich auf einen Kuhhandel mit der Union eingelassen habe, bei dem am Schluss Geduldete und binationale Familien mit leeren Händen dastünden, weil die Sozialdemokratie mit dem Geschick eines „Hans im Glück“ verhandelt habe.

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Türkischstämmige Rentner in BerlinKreuzberg. Viele ihrer Altersgenossen haben in die berüchtigten „Holdings“ investiert und dabei verloren.

Wo sind die Gelder? Die so genannten „Holdings“ haben massenhaft Kapital vernichtet Von Eren Güvercin, Leverkusen

E

iner der größten Anlageskandale beschäftigt immer mehr deutsche Gerichte. Das Zentrum für Türkeistudien in Essen schätzt die verlorenen Lebensersparnisse der in Deutschland lebenden Türken auf fünf Milliarden Euro. Viele Türken suchten nach Anlagemöglichkeiten für ihre Ersparnisse. Holdings wie etwa Kombassan oder Yimpas warben damit, dass man das Ersparte vermehren könne, ohne in Konflikt mit dem Islam zu geraten. Mehmet K., der 28 Jahre bei Ford in Köln am Fließband arbeitete, entschied sich wie viele andere, sein Erspartes bei Kombassan anzulegen. „Sowohl die Gewinnaussichten als auch das Argument, dass man mit seiner Investition Arbeitsplätze in der Türkei schaffen könne, waren überzeugend. Auch in Moscheen machte man Werbung. Da dachte man, dass es mit rechten Dingen zugehe, zumal die Imame grünes Licht gaben." Einem Kontaktmann von Kombassan gab Mehmet K. 100.000 DM und bekam dafür „Aktien“ von Kombassan . Er berichtet, dass man im ersten Jahr noch seinen Gewinnanteil von 20 Prozent bekommen habe, danach aber habe man

I N V E S T I T I O N E N

Beredtes Schweigen In den 90er Jahren haben vielen Muslime mit guter Absicht unglaublich hohe Summen an die so genannten „islamischen Holdings“ gegeben. Viele haben ihre Einlagen nie wieder gesehen. Bisher fehlt eine kritische Aufarbeitung in der türkisch-muslimischen Community über diese Vorgänge. lange Zeit nichts mehr von der Holding gehört. Solche und ähnliche Geschichten sind in Deutschland überall zu hören. Mittlerweile gibt es in Deutschland türkischstämmige Anwälte, die sich auf solche Fälle spezialisiert haben. Jüngst verhandelte das Landgericht Bremen eine Klage von sechs Deutschtürken gegen eine türkische Unternehmensgruppe. Richter Golasowski macht jedoch deutlich, dass eine Verurteilung nicht bedeute, dass auch wirklich gezahlt werde. „Es ist möglich, dass die Firma dann nicht mehr existiert oder insolvent ist.“ In bisherigen Fällen haben nur diejeni-

gen Kläger Geld gesehen, die sich auf einen Vergleich einließen. Auch Mehmet K. berichtet, dass Kombassan ihm ein Appartement in der Türkei angeboten habe. „Ich habe es jedoch abgelehnt. Dieses Angebot war eine Frechheit.“ Die Verstrickungen der sogenannten „islamischen Holdings” sorgen für Diskussionen. Mehmet K. berichtet, dass bestimmte Funktionäre, die massiv für Holdings geworben hatten, rechtzeitig ihr eigenes Geld zurückgezogen haben. „Uns einfache Leute hat aber niemand informiert. Sie haben uns überredet, zu investieren. Als sie aber schon Anzeichen gesehen haben, dass es nicht mehr rund läuft, haben sie ihr eigenes Geld geretter.” Auch die Regierung unter Erdogan kommt immer mehr in die Schusslinie. Erst kürzlich wurde Yimpas-Chef Uyar, der wegen Betrug international zur Fahnung ausgeschrieben ist, in Begleitung türkischer Minister und hoher Polizeibeamter gesehen. Die Kapitalmarktaufsicht schaffte es, dass Uyar wegen illegalen Verkaufs von Anteilsscheinen zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Doch das Urteil ist bis heute nicht rechtskräftig und droht in wenigen Monaten zu verjähren.

Nachdenkliche Worte Jürgen Habermas anlässlich der Verleihung des NRW-Staatspreises

I

n seiner Rede anlässlich der Verleihung des NRW-Staatspreises hat der Philosoph Jürgen Habermas die „Erweiterung des eigenen Horizonts“ angemahnt. Der Philosoph erhielt die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung für seine „herausragenden kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen“. NRW-Ministerpräsident Rüttgers würdigte bei der Festveranstaltung die Analysen von Habermas. In seinem Referat bemerkte der Denker, der die geistige Landschaft der Republik mit gestaltete, eine Entwertung des „Europa-Themas“ und eine Beschäftigung mit der „nationalen Agenda“, die er als „Wohlfühlpatriotismus“ klassifizierte. Klarsichtig erkennt Habermas, dass mit dem Rühren an nationalen Wurzeln „eine wohlfahrts-

staatlich verweichlichte Bevölkerung“ für den globalen Weltkampf zukunftsfähig gemacht werden solle. Dies passe zum „gegenwärtigen Zustand einer sozialdarwinistisch enthemmten Weltpolitik“. Wer an der Habermas’schen Argumentation Zweifel hegt, muss sich bloß das bundesrepublikanische Feuilleton vor Augen führen. Natürlich und vor allem sprach der Preisträger auch über die Frage nach dem Islam in Deutschland und die Integration in die europäische Gesellschaft. Unabhängig von den jeweiligen nationalen Gegebenheiten sei „die Lektion immer diesselbe“: keine Integration ohne die Erweiterung des eigenen Horizonts. „Der Muslim von nebenan“ dränge den christlichen Bürgern die Begegnung mit der konkurrierenden

Glaubenswahrheit auf. Den Säkularen hingegen bringe er das Phänomen einer öffentlich in Erscheinung tretenden Religion zu Bewusstsein. Wer den „Pluralismus“ als „Kapitulation des Westens“ denunziere, „geht dem albernen Kriegsgeschrei der liberalen Falken auf den Leim“. Der eingebildete „Islamofaschismus“ sei „so wenig ein handgreiflicher Gegner, wie der Krieg gegen den Terrorismus ein ‘Krieg’ ist“. Die „seit 2001 zunehmende kulturelle Spannung zwischen Christentum und Islam“ habe jüngst, so Habermas abschließend, einen aufregenden, auf hohem Niveau geführten Wettstreit der Konfessionen ausgelöst. (Von Sulaiman Wilms, Berlin)

DÜSSELDORF (IZ). Zum diesjährigen Ramadanfest in Düsseldorf waren - gut drei Wochen nach dem Ende des Fastenmonats - wieder mehrere tausend, überwiegend junge Muslime gekommen, auch wenn die Besucherzahl in diesem Jahr wohl etwas geringer war als 2005. Die von der Medien- und Eventagentur Refinement.de und dem Interface e.V. organisierte Großveranstaltung, die wieder in der Philipshalle stattfand, ist die größte ihrer Art in Deutschland. Auch in diesem Jahr gab es wieder ein umfangreiches Musikprogramm, mit unter anderem dem bekannten türkischen Ilahi-Sänger Hasan Dursun, Khaleel Muhammad aus England, Baschschar und der Rap-Gruppe CoTu. Dazu gab es wieder Präsentationen gemeinnütziger Vereine und Projekte. Hauptattraktion des Abends war ganz klar die Gruppe Outlandish, die einen grandiosen und charismatischen Auftritt bot. Die Organisation und Durchführung der Veranstaltung war in diesem Jahr weiter verbessert worden. Zahlreiche Verkaufs-, Info- und Verpflegungsstände rundeten das Angebot ab.

KÖLN Bedenkliche Diskussionskultur KÖLN (IZ). Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), Oguz Ücüncü, hat Vorwürfe seitens der Politik zurückgewiesen, wonach die Kritik der IGMG an den Äußerungen zum Kopftuch durch die Abgeordnete Deligöz der Auslöser für Drohungen gegen die Parlamentarierin gewesen sei. „Dies als Auslöser für Morddrohungen irgendwelcher Verrückter zu diffamieren, zerstört jegliche zivilisierte Diskussionskultur“, sagte Üçüncü. Es müsse jedem klar sein, der in den öffentlichen Meinungsstreit einsteigt, dass seine eigene Position auch Gegenpositionen nach sich ziehen könne. „Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum die Kritik von Frau Deligöz und ihrer Mitstreiter am Kopftuch als Bestandteil des demokratischen Diskurses angesehen wird, die Kritik an dieser Position aber nicht mehr Teil dieses Diskurses sein soll.“ Hier werde mit zweierlei Maß gemessen.

NÜRNBERG Arbeitsgruppen begonnen NÜRNBERG. Im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz (DIK) haben die Arbeitsgruppen derselben in der zweiten Novemberwoche ihre Aktivitäten aufgenommen. Die Sitzungen in Nürnberg waren nicht öffentlich. Die Arbeitsgruppen befassten sich mit den Themen „Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens“, „Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis“ und „Wirtschaft und Medien als Brücke“. Eine eigene Gesprächsrunde widmete sich Sicherheitsfragen. Die Geschäftsführung liegt beim Nürnberger Bundesamt für Integration und Flüchtlinge.

STUTTGART Polizei besorgt STUTTGART. Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hat die Politik aufgefordert, sich gegen eine „zunehmende Spaltung der Gesellschaft“ einzusetzen. „Wenn wir einschreiten müssen, ist es vor allem für Kinder und Frauen oft zu spät“, sagte er zu Beginn des GdP-Kongresses. Als Ordnungsmacht spürten es Polizisten als erste, wenn sich einzelne Elemente immer stärker aus der Gesellschaft verabschiedeten. Durch eine Zunahme der Gewaltbereitschaft wachse auch eine Anfälligkeit für Rechtsextremismus.


16 Seite / Dezember 2006

Deutschland

Islamische Zeitung

Moscheen in Deutschland

Kleinod in der rheinischen Idylle Die Königswinterer Moschee hat eine ausgezeichnete Lage im viel besuchten Ausflugsort Von Yasin Alder, Bonn

K

önigswinter, am Rhein südöstlich von Bonn und am Fuße des Siebengebirges gelegen, ist traditionell ein beliebtes touristisches Ziel, insbesondere für Tagesausflügler. Auf dem gegenüberliegenden Rheinufer liegt Bad Godesberg, und mit dem direkt oberhalb der Stadt gelegenen Drachenfels verfügt Königswinter über einen der markantesten und schönsten Berge des Rheintales, der noch dazu eine wunderbare Aussicht besitzt. Seit 2002 besitzt Königswinter noch eine weitere kleine, aber feine Attraktion: Die neu gebaute Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde. Nur wenige Mitmachen

Schritte vom Rheinufer entfernt und direkt am Fuße des Drachenfelses, ist die Moschee sehr bevorzugt gelegen. Auch deshalb, weil sie sich an der Zufahrt zum großen Besucherparkplatz der Drachenfelsbahn befindet und dadurch gerade an Wochenenden eine große Zahl von Menschen hier vorbeikommt. Der Moscheeverein existiert ursprünglich bereits seit 1974; seit 1985 gehört er zur DITIB und ist seither in seinem heutigen Gebäude, einer ehemaligen Gaststätte, ansässig. Die Moschee erhielt vor einigen Jahren einen neu angebauten Gebäudeteil mit einem Gebetsraum und einem darunter liegenden Jugendund Gemeinschaftsraum. Der neue Gebetsraum verfügt über eine großzügige Kuppel, und am alten Gebäudeteil wurde zur Straße hin ein Minarett angebaut, das abends beleuchtet ist. Im Mai 2001 wurde mit dem Erweiterungsbau begonnen, und im September 2002 die neue Moschee offiziell eröffnet. Zur Königswinterer Moschee kommen Muslime aus rund 20 Kilometern Umkreis, wie Arif Kablan sagt, da sie die einzige Moschee am rechten Rheinufer zwischen Bonn-Beuel im Norden und Linz am Rhein im Süden sei. Außerdem zählten noch mehrere östlich gelegene Orte der Siebengebirgsregion zum Einzugsbereich der Moschee. Arif Kablan, Bruder des derzeitigen Vereinsvorsitzenden Mustafa Kablan, ist mit der Öffentlichkeits- und Integrationsarbeit der Moschee befasst und vertritt die Moschee nach Außen. Er schätzt, dass rund 85 Prozent der Moscheebesucher türkischer Herkunft sind, hinzu kommen, vor allem beim Freitagsgebet, auch aus arabischen und anderen Ländern stammende Muslime. Königswinter hat, wie der Bonner Raum insgesamt, einen vergleichsweise hohen Migrantenanteil. Der

Türkisch-Islamische Gemeinde zu Königswinter e.V. - Hintergründe und Fakten -

Der Vorsitzende der Moschee, Mustafa Kablan Blick ins Innere der Moschee Diplom-Ingenieur Arif Kablan sitzt übrigens auch für die CDU im Stadtrat des benachbarten Bad Honnef. „Wir haben uns angewöhnt, Leute, die an der Moschee vorbeigehen und interessiert oder neugierig schauen, hereinzubitten, uns vorzustellen und ihnen die Moschee zu zeigen. Denn viele scheuen sich, in die Moschee zu gehen, haben Hemmungen, obwohl sie eigentlich interessiert sind; deswegen kommen wir ihnen entgegen“, berichtet Herr Kablan. „Die meisten haben noch nie eine Moschee gesehen und kennen den Islam nur aus den Nachrichten, wo zur Zeit fast nur Negatives berichtet wird. Zugegebenermaßen werden derzeit tatsächlich leider viele schlechte Taten im Namen des Islam begangen.“ Mit den Erfolgen der Jugendarbeit zeigt sich Arif Kablan auch recht zufrieden; in den letzten Jahren sei etwa die Zahl der jugendlichen Moscheebesucher deutlich gestiegen.

Kontakte zu anderen Moscheen und dem nichtmuslimischen Umfeld?

Vorstellung des Imams der Moschee Arif Kablan: Unsere Imame werden, wie bei DITIB üblich, aus der Türkei zu uns geschickt, jeweils für vier Jahre. Unser aktueller Imam, Herr Mevlüt Topcu, ist seit September 2005 bei uns. Er hat eine theologische Ausbildung und eine zusätzliche Ausbildung zum Mufti gemacht. Unser Imam ist noch sehr jung, 31 Jahre, und das ist natürlich gerade für unsere jungen Leute ein Vorteil. Seine Ehefrau ist auch Theolo-

Derzeit gibt es bereits Pläne für einen erneuten Umbau, bei dem es vor allem darum geht, das Satteldach des alten Gebäudeteils zu entfernen und durch ein Flachdach mit zwei kleineren Kuppeln zu ersetzen. Im kommenden Frühjahr soll der Bau beginnen; die Mittel dafür hat man bereits, die Genehmigung auch. Von Außen wirkt die Kuppel der Königswinterer Moschee vielleicht etwas überdimensioniert, innen aber ist ein sehr schöner, künstlerisch reich gestalteter und vom Raumgefühl her harmonischer Moscheeraum entstanden, der mit seiner ruhigen Atmosphäre zum Gebet, zum Verweilen und zur Besinnung einlädt. Muslimen wie Nichtmuslimen kann nur empfohlen werden, vielleicht in Verbindung mit einem Familienausflug nach Königswinter die Moschee einmal zu besuchen.

Name des Vereins: DITIB-Türkisch-Islamische Gemeinde zu Königswinter e.V. Adresse: Am Stadtgarten 16, 53639 Königswinter Vorsitzender: Mustafa Kablan, seit 2006 Imam: Mevlüt Topcu (31) Zahl der Mitglieder: 170 Mitglieder mit ihren Familien. Zum Freitagsgebet kommen laut dem Sprecher der Moschee 250 bis 300 Personen, zu den Festgebeten sogar 700 bis 800 Betende. Verbandszugehörigkeit: Der Verein gehört der staatlichen „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) an. Gebäude: Das 1985 bezogene Gebäude war früher eine Gaststätte und wurde inzwischen umgebaut und erweitert. Der Gebetsraum umfasst etwa 250 m2, die Gebetsfläche für Frauen etwa 50 m2.

gin, sie ist bei uns für die Ausbildung der Frauen und Mädchen zuständig.

Arif Kablan: Wir haben Kontakt zu anderen DITIB-Moscheen der Region. Wir arbeiten seit fast vier Jahren mit den evangelischen Kirchen der Umgebung zusammen, in Form eines jeden zweiten Monat stattfindenden muslimisch-christlichen Dialogabends. Wir bekommen viele Besuche von Schulklassen, fast jede Woche ein oder zwei Gruppen. Es kommen auch viele Erwachsenengruppen, teilweise von weit her. Unser Kontakt zur Stadtver-

waltung und zu unseren Nachbarn ist sehr gut. Bei unserem Neubau gab es im Vorhinein Skepsis und Widerstände, mittlerweile läuft es aber wunderbar, wir haben gar keine Probleme. Wir akzeptieren uns gegenseitig. Im letzten Ramadan hatten wir mehrere Bürgermeister, aus Königswinter und Bad Honnef, den Bundestagsabgeordneten unseres Wahlkreises, den Integrationsbeauftragten von NRW und mehrere andere Politiker bei uns zu Gast.

Welche Aktivitäten werden in der Moschee angeboten?

Welche Angebote gibt es für Frauen und die Jugend?

Arif Kablan: Natürlich haben wir die üblichen Aktivitäten einer Moschee, daneben veranstalten wir jeden zweiten Sonntag im Monat ein gemeinsames Frühstück in unserer Moschee. Im Ramadan haben wir mehrfach ein gemeinsames, geselliges Fastenbrechen. Wir veranstalten fast jeden Monat Informationsveranstaltungen für unsere Gemeindemitglieder, etwa zu neuen Gesetzen wie zum Beispiel Gesundheitsreform oder Hartz IV. Unser

Arif Kablan: Wir haben eine Frauen- und eine Jugendgruppe sowie einen Fußballverein. Die Damengruppe ist für die Anliegen und Probleme der Frauen zuständig. Den Frauen steht der alte Gebetsraum in der ehemaligen Gaststätte zur Verfügung, in dem sie sich eingerichtet haben und ihre Veranstaltungen durchführen. Sie organisieren unseren jährlichen Tag der offenen Moschee mit und veranstalten aus diesem Anlass einen Bazar. Die Damen haben

Imam gibt in unserer Moschee Qur’an-Unterricht für Kinder, für Jungen und für Mädchen unter 11 Jahren gemeinsam. Zwei mal wöchentlich gibt er auch islamischen Unterricht für Erwachsene.

Wie sehen Sie die Situation der Muslime in Deutschland? Arif Kablan: Die in Deutschland lebenden Muslime sind größtenteils rechtschaffene Muslime, nur ein Bruchteil davon sind Extremisten, die das Grundgesetz nicht akzeptieren. Die Mehrheit akzeptiert es aber. Die mehreren Dachverbände, die es gibt, sprechen noch nicht mit einer Stimme, daher kann ich verstehen, dass es für die Politik schwierig ist. Ich begrüße daher die neue Islamkonferenz des Innenministers und hoffe, dass diese zu fruchtbaren

Ergebnissen führen wird und der Islam hierzulande auch eine bessere rechtliche Stellung bekommt.

auch einen Schwimmunterricht für muslimische Frauen organisiert. Es gibt einen Qur’anUnterricht für Frauen und Mädchen. Unsere Jugendabteilung hat einen Jugendraum. Vor allem Freitags und am Wochenende wird er gut angenommen. Wir haben auch einen Fußballverein mit mehreren Mannschaften, und wir veranstalten auch Informationsveranstaltungen zur Suchtprävention für Jugendliche und deren Eltern.

Rolle der deutschen Sprache und Vision für die Zukunft? Arif Kablan: Wir haben in den letzten Jahren versucht, mehrere deutsche Sprachkurse einzurichten, mussten diese aber nach ein bis zwei Jahren mangels Interesse wieder einstellen. Ich persönlich kann mir vorstellen, dass zukünftig einmal die Freitagspredigten auf Deutsch sein können, weil die Leute irgendwann besser Deutsch können werden als Türkisch. In den nächsten 20 bis 25 Jahren wird das aktuell. Zur Zeit sehe ich aber noch keinen Sinn

darin. Ich wünsche mir, dass der Islam in Deutschland rechtlich anerkannt wird. Und dass das Zusammenleben zwischen Deutschen und Migranten oder Muslimen und Nichtmuslimen so gut wie möglich intensiviert wird, und dass wir uns besser verstehen. Bisher haben wir 40 Jahre aneinander vorbei gelebt, das muss aufhören, wir müssen miteinander leben und uns akzeptieren, auch mit unseren Unterschieden.


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Die bleibende Faszination des Gesandten Allahs Mit einer Webseite und einem Kreativwettbewerb soll uns der Prophet Muhammad nahegebracht werden Von Sulaiman Wilms, Berlin

Kaum ein Mensch wird (von mehr als einer Milliarde Menschen) gleichermaßen geliebt und ist bei anderen ebenso umstritten. Der Prophet Muhammad, dem das letzte Göttliche Buch gegeben wurde, fasziniert auch noch mehr als 1.400 Jahre nach seiner Entsendung. Menschen in aller Welt begeistern sich nicht nur an der auf ihn herab gesandten und bis heute bewahrten, letztgültigen Offenbarung, sondern auch an seinem Charakter, der die lebendige Verkörperung der Göttlichen Botschaft war. Sein größtes Wunder war der Qur’an und sein „enormer Charakter“, wie Allah ihn bezeichnete. Gleichermaßen wurden für ihn aus manchem Anlass Regeln der Natur durch Allah aufgehoben, um seine Aufrichtigkeit und die Echtheit seiner Botschaft zu bestärken.

D

ie Beschreibung des prophetischen Charakters und seiner Wunder bildet einen beachtlichen Teil der wissenschaftlichen Literatur des Islam. Zu erwähnen wäre hier das „Kitab Asch-Schifa“ von Qadi

‘Ijad Al-Jahsubi, das die charakterlichen Beschreibungen des Propheten auf gründlicher Basis in einem Standardwerk bis heute zugänglich macht. Ebenso gibt es eine unzählige Menge weiterer Werke für den „Hausgebrauch“ wie die Prophetenbiografie des Ibn Ishaq, die sich auch heute in den Bücherregalen vieler Haushalte finden lassen. Sie alle wurden in die großen muslimischen Kultursprachen des Arabischen, Persischen, Osmanischen, des Urdu oder des Javanesischen übersetzt. Hierbei wären auch noch die unzähligen Lobgedichte auf den Propheten zu erwähnen, die von Casablanca bis Manila bei Feiertagen, Zusammenkünften, in Moscheen und in Privathäusern gesungen und zelebriert werden. Ihre Beliebtheit ist trotz Verachtung seitens der Moderne und mancher puritanisch Gesinnter ungebrochen. Gerade in Ländern wie Marokko erleben sie nach Jahren der Ideologisierung des Islam wieder eine kleine Renaissance unter jungen Muslimen, die sich den Zugang zu diesem Teil ihres islamischen Erbes nicht verschließen möchten. Erwähnung finden muss hier auch - selbst es wenn es wegen seiner Alltäglichkeit banal erscheint -, dass es in vielen MoAnzeige scheen in aller Welt immer noch zum guten Ton gehört, wenn es nicht sogar als verpflichtend angesehen wird, ein kleines Gebet für den Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, nach dem gemeinsamen Gebet zu sprechen. Wie sollen es aber die Muslime in den Ländern des Westens halten, in denen es am „kulturellen Überbau“ für die traditionel-

le Beschäftigung mit dem Propheten fehlt und denen manche der allgemein akzeptierten Traditionen fremd erscheinen? Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesandte Allahs als Symbol für den Islam seit Jahren in Presse und Öffentlichkeit heftig und mit Verve angegriffen wird. Der so genannte Skandal um die Karikaturen einer „Unterschichten“Zeitung in Dänemark ist das bekanntere Beispiel einer mittlerweile etablierten Verhaltensweise in der kritischen Beschäftigung mit dem Islam. Vergessen wird dabei, dass die größten und hellsten europäischen Geister der letzten Jahrhunderte durchaus Respekt und Bewunderung für Muhammad hatten. Diesem Dilemma will seit einigen Monaten eine Initiative Abhilfe leisten, der sich die Redaktion von islam.de angeschlossen hat. Mit der Webseite muhammad.islam.de soll aufgeklärt und Begeisterung geweckt werden. Auf der erwähnten Onlinepublikation, deren Inhalten - die auch für ein jüngeres Publikum verständlich sind - im Laufe der Zeit noch größere Verbreitung zu wünschen wäre, gibt es unter Überschriften wie „Muhammad“ oder „Geschichte“ zeitgenössische, einheimische Texte, die das Wesen des Gesandten Allahs und seine Lebensgeschichte aufbereiten sollen. Der Webseite ist der Kreativwettbewerb „muslim made - Zeig mir den Propheten!“ angeschlossen. Damit will das erweiterte Beitreiberteam von islam.de nicht nur Lücken im Wissen über den Propheten auffüllen und sein manchmal in der Geschichte verzerrtes Bild korrigieren. Laut islam.de führe der gesellschaftliche Druck zur Rechtfertigung auf Muslime in „ihrer neuen Heimat“ auch dazu, dass die „kulturelle und künstlerische Aktivität“ in den Hintergrund gedrängt werde. Mit dem Wettbewerb sollen eben jene Aktivitäten gefördert werden. „Welch besseres Thema für diesen Wettbewerb könnte es geben, als den Propheten Muhammad, Friede sei mit ihm? In dem Wettbewerb ist jeder dazu aufgerufen, die Schönheit und Großar-

Der lange Arm Pekings [Fortsetzung von Seite 6]

war diese Politik erfolgreich, hat sie doch zu einem Ende der Proteste und Unruhe der 90er Jahre geführt. Einige Beobachter, wie Dru C. Gladney vom Pazifischen Institut in Pomona, sind allerdings der Ansicht, dass der Widerstand nur in den Untergrund getrieben worden sei. Der eiserne Griff der Zentralregierung unterstreicht die strategische Bedeutung von Ostturkestan. Die Region verfügt über Reserven an Öl, Gas, Gold und Uran. Außerdem befindet sich hier das Atomtestgelände von Lop Nor. Mit 17 Prozent gesamter chinesischer Fläche, aber nur 1,5 Prozent seiner Einwohner sieht Peking die muslimische Region als Ventil für Überbevölkerung an. Ayinur, eine uigurische Verwaltungsangestellte, muss täglich zwei Stunden ideologischen Unterricht nehmen, bei dem ihr die glorreichen Leistungen der kommunistischen Partei, die Gefahren des Separatismus und der Nutzen der nationalen Einheit eingetrichtert werden. Es gibt für Uiguren wie sie auch wirtschaftliche Reize: Wenn sie die Fragen eines wöchentlichen politischen Quiz nicht beantworten kann, wird ihr Lohn gekürzt. „Bei der Arbeit muss ich sagen ‘ich liebe jeden Han-Chinesen’, oder ich bekommen Schwierigkeiten.“ Uigurische Beamte haben das Verbot für Re-

Plakat für den Kreativwettbewerb von islam.de tigkeit unseres Propheten darzustellen“, heißt es in der öffentlichen Vorstellung des Kreativprojekts. Alle Interessierten sind eingeladen, den Propheten in Form von Literatur, Musik, bildender Kunst, Theater und Medien zu beschreiben. Unter den Augen einer ausgesuchten Jury, zu der unter anderem Dr. Murad Hoffman und die internationale Band „Outlandish“ zählen, sollen die eingesandten Beiträge bewertet werden. Alle potenziellen Teilnehmer werden gebeten, sich an die Teilnahmebedin-

gierungsangestellte, Moscheen zu betreten, bisher ignoriert. Aber die Autoritäten haben begonnen, sie mit Kündigung zu bedrohen. Mehr als 300 uigurische Angestellte wurde in den letzten Jahren eingekerkert und einige zu Tode geprügelt. Pekings langfristiges Ziel ist die Schaffung einer neuen Generation von chinesischsprachigen Uiguren mit schwächeren Bindungen zum Islam oder zur traditionellen uigurischen Kultur, meinen Kritiker. Hierzu zählen auch Programme, die begabtesten Uiguren auf Schulen in anderen Provinzen zu schicken, auf denen nur Mandarin gesprochen wird. „Chinesisch ist sehr schwierig, aber es ist die Sprache des Marktes“, sagt Shiaili, ein 14-jähriger Schüler in Urumtschi. „Ich lerne seit zwei Jahren. Manchmal vergesse ich einen Teil meines Uigurisch.“ Dass die chinesische Dominanz aber mit aller Härte durchgesetzt wird, wenn Samthandschuhe nicht funktionieren, ist klar. So gaben die Angriffe vom 11. September 2001 vor mehr als fünf Jahren der Zentralregierung neue Argumente, die nach Unabhängigkeit strebenden Uiguren in die Nähe von Al-Qaida zu rücken. „China sah den 11.9. als die beste Gelegenheit seit 1949, die Uiguren zu unterdrücken“, sagt Ali Seytoff, Generaldirektur der Uigurisch-Amerikanischen Vereinigung in Washington, die die Schaffung eines unabhängigen Ostturkestan durch gewaltlose Mittel vorantreibt. Aus Furcht vor einer Verbindung von Politik und Religion verbietet China Muslimen, die jünger als 18 Jahre sind, das Betreten von Moscheen oder die Beteiligung an muslimischer Erziehung. Schulen verlangen beispielsweise von Schülern, dass sie im Monat Ramadan während der Fastenzeiten essen oder trinken. Wenn sie dies nicht tun, werden sie von Lehrern ge-

gungen zu halten, um so einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Einsendeschluss ist der 31. Januar 2007. Gesandt werden können sie per Mail an: kreativ@islammail.de oder an islam.de, Postfach 260230. Die Jury entscheidet über die Preisträgerinnen beziehungsweise Preisträger. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Den Gewinnern winken auf „einem Abschlussevent im nächsten Jahr attraktive Preise“ wie eine Hadsch, eine ‘Umra, eine Studienreise nach Istanbul (für jeweils 2 Personen) und weitere wertvolle Preise.

maßregelt. Religiöse Studien für Muslime, die älter als 18 sind, finden in schwer überwachten Schulen der Regierung statt und sind nur nach einer vorherigen persönlichen Überprüfung möglich. In diesem Alter allerdings sind viele der jungen Uiguren längst nicht mehr interessiert, weil sie zuvor schon jahrelang durch Videospiele und Ablenkungen „ruhig gestellt“ worden sind. Wenn Überzeugung und Ablenkung seitens der Zentralregierung nicht helfen, dann wird grobe Gewalt zur Anwendung gebracht. Ostturkestan ist durchzogen mit Informanten, und während der Niederschlagung der Unruhen 1996 bis 1997 sollen mehr als 1.000 Uiguren hingerichtet und mehr als 10.000 Muslime inhaftiert worden sein. Nach Ansicht von Menschenrechtlern gebe es augenblicklich weniger Verhaftungen, weil die Einschüchterungsmethoden Pekings sehr effektiv seien. „Die Kontrolle über die Gesellschaft in Xinkiang ist sehr umfangreich“, sagt Nicholas Bequelin, Chinaforscher bei Human Rights Watch. „Sie ist sehr beeindruckend und erinnert an die Zeiten der Sowjetunion.“ Neben den internen Kampagnen hat Peking im letzten Jahrzehnt versucht, die Verbindungen mit den Uiguren in den Nachbarländern abzuschneiden. Mit Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan wurden Auslieferungsabkommen abgeschlossen. „China hat es sehr erfolgreich geschafft, die Uiguren als Terroristen zu porträtieren und sich selbst als Opfer von Terror darzustellen, während es den Islam durch seine Kontrolle der Moscheen manipuliert“, sagt Seytoff. „Es ist nicht einfach, gegenüber einem solchen mächtigen Land, einer erwachenden Supermacht, aufzustehen.“


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Kindheit & Jugend

Für unsere jungen Leser

Von Lydia Jalil, Euskirchen

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infach umherfliegen, frei sein wie ein Vogel, davon hat jeder schon mal geträumt! Seit 1154 Jahren können Menschen tatsächlich fliegen, allerdings nicht ganz von selbst, sondern nur mit technischen Hilfsmitteln: Wir besteigen Flugzeuge, um möglichst schnell in den Urlaub zu kommen; Raketen fliegen uns ins Weltall, und nach einem Unfall kann uns ein Rettungshubschrauber schnell ins Krankenhaus bringen. Fliegen ist also nicht nur schön und abenteuerlich, sondern auch nützlich. Genau deshalb fliegen auch einige Tiere, und sogar Pflanzen sind in der Luft unterwegs, und das schon seit über 300 Millionen Jahren - lange vor uns Menschen. Flügel dienen den Tieren dabei nicht nur zur Flucht: Mühelos erreichen sie die höchsten Bäume, um etwas Fressbares zu finden, oder sie fliegen den Winter über ins Warme, weil es ihnen zu Hause zu kalt ist. Über drei Meter Spannweite erreichen große Seevögel und gleiten damit wie ein Segelflugzeug hunderte Kilometer weit übers Meer. Dabei müssen sie kaum mit den Flügeln schlagen, denn ihre „Tragflächen“ sind besser

Die Eroberung der Luft Wie kann die Schwerkraft ausgetrickst werden? konstruiert als bei jedem modernen Düsenjet. Federn machen die Flügel noch einzigartiger: Ein Vogelflügel besteht aus unzähligen Einzelteilen in Leichtbauweise, und obendrein halten die Federn auch noch warm. Fliegen zu können bringt vielen Tieren so große Vorteile, dass neben Vögeln und Insekten auch noch einige Echsen, Schlangen, Säugetiere und sogar Fische zumindest kurzzeitig durch die Luft gleiten oder flattern können. Auch viele Menschen versuchten, es den Tieren gleichzutun und ihrerseits auch den Luftraum zu erobern. Was war einfacher, als sich erfolgreiche Flugtechniken von der Natur abzuschauen? Wenn man zum Beispiel eine Pusteblume kräftig anbläst, plumpsen die Samenkörner nicht einfach zu Boden, sondern werden von einem Schirm aus feinen Härchen abgebremst

Von Akif Sahin, Hamburg

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m Samstag, den 28. Oktober 2006 fand der erste iMotion Cup statt. Dieses Turnier wurde von der Jugend-Schura, dem Jugendausschuss der SCHURA - Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. - organisiert. Es nahmen 12 Mannschaften aus verschiedenen Moscheegemeinden der Hansestadt teil, die einen ansehnlichen Fußball spielten. Motto war für jede Mannschaft, nicht zu gewinnen, sondern menschlich korrekt zu spielen, Spaß zu haben und sich gegenseitig kennenzulernen. Die 12 Teams mussten sich in Gruppenspielen für die KO-Runden qualifizieren. Ein besonderes Schauspiel lieferte in der Pause nach der Vorrunde ein Freundschaftsspiel der Allstars gegen eine Auswahlmannschaft. In der Allstar-Mannschaft waren Persönlichkeiten des islamischen Lebens und der Ju-

Islamische Zeitung

und können damit auch eine ganze Weile fliegen. Genau wie Armen Firman, der schon im Jahr 852 mit einer ganz ähnlichen Konstruktion vom Minarett der großen Moschee in Cordoba (Andalusien) sprang und so gut landete, dass er sich fast nicht verletzte. Doch so ein Fallschirm lässt sich nicht besonders gut lenken. Wenn man auf dem Weg von oben nach unten auch noch in eine bestimmte Richtung fliegen möchte, dann muss man sich etwas anderes einfallen lassen! So dachte auch ein anderer Muslim, der ebenfalls in Cordoba lebte: Abbas Ibn Firnas war eigentlich als Dichter nach Andalusien gekommen, aber er experimentierte auch viel und gerne. So überlegte er zum Beispiel, wie man aus Steinen und Sand Glas herstellen konnte, baute Uhren und ein bewegliches Pla-

netarium, das sogar blitzte und donnerte. Auch das Fliegen interessierte ihn. Er hatte von Firmans abenteuerlichem Absprung vom Minarett gehört und wollte es noch besser machen: Seine Flugmaschine sah aus wie ein Drachengleiter aus Holz mit dünner Seide bespannt, sogar die Federn hatte er nicht vergessen. Er flog mehrere Hundert Meter weit, und da er mit seiner Körperhaltung den Gleiter sogar steuern konnte, erreichte er sogar beinahe wieder seinen Startpunkt. Alle Zuschauer freuten sich mit ihm. Nur die Landung klappte nicht so gut: er verletzte sich so schwer, dass er keinen zweiten Flugversuch machen konnte. Aber der Anfang war gemacht. Viele Menschen versuchten später, es den muslimischen Erfindern gleichzutun: Bei den Hubschraubern haben die Konstrukteure sogar einen Weg ge-

Erster iMotion Cup Hamburg: Fußballturnier der Jugend-Schura war ein voller Erfolg gendarbeit in Hamburg vertreten, die man sonst nicht allzu oft Fußball spielen sieht. Die Treffer der Allstars wurden dreifach gezählt, damit die älteren auch eine reelle Chance hatten. In mehreren Runden qualifizierten sich schließlich für das Viertelfinale die Mannschaften Junge Muslime (Centrum Mosche), FC Susa (Vahdet Moschee), Nur-Moschee und die Eidelstedter (Islamische Gemeinde Eidelstedt). In einem spannenden KO-Spiel erzielte der FC Susa ein 1:0 und führte, als plötzlich die Nerven der einzelnen Spieler durcheinander gingen. Anweisungen des Schiedsrichters wurden kritisiert und

es wurde gemeckert. Der Schiedsrichter stellte schließlich drei Spieler aus beiden Mannschaften wegen unfairem Spiel vom Platz. Die Eidelstedter Spieler fühlten sich benachteiligt, doch gaben sie nicht auf, und in buchstäblich letzter Sekunde gelang der Ausgleich - 1:1 war der Endstand. Es folgte eine anstrengende Siebenmeter-Runde, die ziemlich lange dauerte, da beide Mannschaften ihre Nerven unter Beweiß stellten, und jede Mannschaft einen guten Torwart besaß. Schließlich wurde nach mehreren Anläufen von der Mannschaft aus Eidelstedt endlich ein Vorteil erreicht. Der

D i c h tu n g u n d Wa h r h e i t : „ Ew i g e Bo t sc h a f t “ O mein Kind, bedenke, vorher waren wir Nichts Höre gut zu, das ist wahr und gar kein Witz Gott erschuf Himmel und Erde Und sagte zu ihr: Werde! Für die Menschen zu einem Dach und einem Haus Bis vom Letzten wird gegessen sein Totenschmaus So soll es sein, ward gesprochen Bis zur letzten Stund’ auch nicht gebrochen So sandte Er Gesandte und Propheten An die Menschen und ihre Proleten Sie zu lehren und sie zu leiten Auf dem geraden Weg zu schreiten Das Unnütze sollen sie vermeiden Und die Wahrheit unter sich verbreiten Ja, konzentrieren sollen sie sich auf das Wahre Denn allein das tragen sie mit auf ihre Bahre Um es mitzunehmen zur letzten Reise Wenn sie durchgehen durch die Schneise Zwischen dem Diesseits und dem Jenseits Trennscheide Wohl wird es dem Aufrichtigen ergehen Der Ungehorsame in Verdammnis vergehen Alles in diesem Leben hat einen Anfang und ein Ende dazwischen wird es immer geben eine Wende So ward auch die Prophetenkette abgeschlossen Und die Türe zur letzten und ewigen Botschaft aufgeschlossen Es wurde ein ganz Besonderer gesandt,

Mit den anderen vor ihm durch das Bekenntnis verwandt, Zu verkünden, „Er ist Einer, So wie Er ist keiner!“ Zu den Edlen gehörten Seine Vorfahren Wenn auch keine Könige oder Cäsaren Vielmehr ergebene Diener in Gottes Hand Umhüllt in schönem Gottesfurchtsgewand Schon recht früh war er als vertrauenswürdig bekannt, Später von Manchen, wie dem Priester und Nawfal, erkannt, Als der Auserwählte für die Welt, Der sie durch sein Erscheinen erhellt. Vom Wesen freundlich und angenehmer Gesellschaft Welch’ Freude er durch sein Lächeln Menschen verschafft’ Seit jeher immer auf Menschenwohl bedacht Welch ein Segen, haben sich viele gedacht Er liebte und wurde geliebt Sogar von Feinden in Ehren gehievt O mein Kind, du tätest daran gut an seinem Beispiel zu festzuhalten Sogar dann wenn man deine Hände piekst mit Glut Lass die anderen nur walten Letztenendes geschieht Gottes Wille So bedenke dies im Lauten und in Stille

„Die Botschaft des Allmächtigen ist von Anbeginn der Zeit die gleiche. Und so gewährte Er seinem Geschöpf Mensch einen freien Willen, um sich entweder für oder wider Seines Weges zu entscheiden. Im Gegensatz zu den Engeln, besitzen keinen freien Willen und sind in der ständigen Lobpreisung Ihres Herren. Daher ist ein jeder darauf bedacht, seinen Nachfahren beide Möglichkeiten aufzuzeigen. Das Gute und das Böse. Welcher Weg einschlagen wird, liegt in den Händen der Nachfahren. So spricht der Allweise zu uns in seinem Buch, belehrend und ermahnend: Jene ist ist eine Gemeinschaft, die vergangen ist. Sie bekommt was sie verdient und ihr bekommt, was ihr verdient. ... Keine Erbsünde, jeder erntet was er sät.“ Nadir Moubarrid, Bonn

Mannschaftskapitän Eidelstedts setzte nach einem Fehlschuss des FC SusaSpielers Selim an, und verwandelte. Es kam Jubel für die Eidelstedter auf. Aber auch der FC Susa bekam Applaus für seine überragende Leistung. Die Nur-Moschee und die Jungen Muslime standen sich im zweiten Halbfinale gegenüber und erreichten ebenfalls ein Unentschieden (1:1). In einer weiteren spannenden Siebenmeter-Runde siegte die Nur-Moschee souverän. Der Dritte Platz wurde dann ebenfalls per Siebenmeter entschieden. Hier siegte der FC Susa souverän und sicherte für die Vahdet Moschee den 3. Platz. In einem Kampfspiel erreichte die Nur-Moschee letztendlich mit ihren Mühen ihre Höchstform und siegte gegen die Eidelstedter nach einem Unentschieden im Siebenmeterschießen. In der Siegerehrung bekam jede Mannschaft eine Auszeichnung, die ersten drei bekamen je-

Die neuen Unberührbaren [Fortsetzung von Seite 5] 1998 kam die muslimfeindliche Bharatiya-Janata-Partei (BJP) für sechs Jahre an die Macht. 2002 fielen im westindischen Gujarat 2.000 Muslime einem staatlich inszenierten Pogrom zum Opfer. Inzwischen werde die Diskriminierung durch die AntiTerror-Strategie Indiens angefacht, die im wesentlichen islamophobisch ausgerichtet sei, so Bhargava. Damit lasse sich auch der hohe Anteil an Muslimen in den Gefängnissen erklären. „Muslime leiden unter institutionalisierten Vorurteilen genau wie früher die Bewohner der europäischen Kolonien oder heute die Schwarzen in den USA“, meint der Wissenschaftler. Das zeigt

funden, dass die Flügel gleichzeitig das Gewicht in der Luft halten und auch noch für die Vorwärtsbewegung sorgen. Genau wie bei einer Libelle mit ihren vier Flügeln, verändern die Rotorblätter des Hubschraubers ständig ihre Stellung. Bis jetzt hat es allerdings noch niemand geschafft, ein Flugzeug zu bauen, das so fliegt wie ein Vogel. Aber es wäre für die Passagiere bestimmt auch ganz schön unbequem, wenn der Jumbojet mit den Flügeln schlagen würde. Eines haben aber die Tragflächen der großen Flugzeuge immer noch mit der Erfindung von Ibn Firnas und dem Vogelflügel gemeinsam: Sie sind leicht gewölbt, und wenn die Luft daran vorbeiströmt, dann erzeugt sie über dem Flügel einen leichten Unterdruck und der Luftdruck presst von unten gegen den Flügel. Das verleiht ihm den nötigen Auftrieb, um das Gewicht in der Luft zu halten. Wie das mit dem Auftrieb funktioniert, könnt ihr auch ganz leicht selbst ausprobieren: Dazu braucht ihr ein A4Blatt, das ihr mit der kurzen Seite vor euren Mund haltet. Dann pustet ihr kräftig über die Papierfläche. Nun könnt ihr sehen, wie das Blatt nach oben gesogen wird. weils einen Pokal. Jeder Spieler erhielt zudem einen Qur’an mit deutscher Übersetzung, und die Finalrunden-Teilnehmer erhielten ein T-Shirt. Der Erstplatzierte bekam zudem die Ehre, an erster Stelle auf einem Wanderpokal eine Eingravierung zu bekommen. Diese Meisterschale bietet Platz für 12 Eintragungen. Jedes Jahr soll die Siegermannschaft eingetragen werden, und somit für 12 Jahre die Sieger aufzeigen. Insgesamt war die komplette Veranstaltung wirklich gelungen. Inscha’Allah sehen wir uns wieder bei dem nächsten iMotion Cup 2007 - am ersten Wochenende nach Ende des Ramadans.

sich auch in der politischen Unterrepräsentation von Muslimen, von denen nur ein Bruchteil in die Bundesund Landesregierungen gewählt wird. Premierminister Manmohan Singh hat das Problem offenbar erkannt und erklärt, für „Frieden und Harmonie“ sei es nun elementar wichtig, dass „Minderheiten einen fairen Anteil an Posten in der Regierung und im Privatsektor erhalten“. Er sicherte auch mehr Schulen in überwiegend muslimischen Gebieten zu. Die linken Parteien drängen seit langem auf eine Aufstockung der Gelder für den Minderheitenschutz. Ob das ausreicht, ist fraglich. Bhargava fordert „mutige“ Programme zur gezielten Förderung und Anstellung von Muslimen. Vor allem müssten sie Posten bei der Polizei, im Militär und Geheimdienst erhalten. Ansonsten sei gegen die Diskriminierung nichts auszurichten. (IPS)


Kultur

Islamische Zeitung

Sterne der Wissenschaft

Einblicke in die Besatzung

ISTANBUL (Zaman). Das Wissenschaftsmagazin „Nature“ hat das Verhältnis von Islam und Wissenschaft beleuchtet. Laut einem Artikel, der den Status in Anbetracht von Forschung und Wissenschaft untersucht, können die Türkei und der Iran den Großteil wissenschaftlicher Veröffentlichungen in internationalen Magazinen über die letzten 15 bis 20 Jahre für sich in Anspruch nehmen. Die Zahl der Veröffentlichungen aus der Türkei überschreitet 15.000 Texte, gefolgt vom Iran mit 5.000 Publikationen. Die restlichen muslimischen Länder brachten im Schnitt 1.000 wissenschaftliche Texte pro Jahr auf den Markt. Gleichfalls sei die Türkei, so der Artikel, das Land mit dem höchsten Anteil an Fördermitteln für Forschung und Wissenschaft. Die ölreichen Staaten Saudi-Arabien und Kuwait, die wenig für Forschung und Wissenschaft ausgeben, zählen zu jenen zehn Ländern, die weltweit am meisten für Waffen ausgeben.

SAN FRANCISCO (IPS). Der Dokumentarfilm „Iraq in Fragments“ des unabhängigen Filmemacher James Longley hat beim renommierten Sundance Film Festival in diesem Jahr Preise für die beste Regie, die beste Kamera und den besten Schnitt erhalten. Seitdem hat Longley unter anderem in Chicago, Cleveland, Thessaloniki und beim Human Rights Watch Filmfestival Preise eingeheimst. Was seine Dokumentation von anderen unterscheidet ist, dass sie sich anders als andere Formen des Journalismus nicht mit dem Krieg direkt auseinandersetzt. Die Beteiligten der Kämpfe - US-Militär, irakische Politiker, Baathisten, Milizen und Al-Qaida - bewegen sich nur in der Peripherie des Films. Stattdessen erhalten die Zuschauer einen Einblick in die irakische Kultur und den Alltag unter der Besatzung. Wir werden an Orte wie Schulen, Werkstätten, Moscheen, Märkte und Bahnhöfe geführt. Longley ging in den Irak, kurz nachdem Saddam Hussein gestürzt wurde. „Ich konnte filmen, was ich wollte, solange ich am Leben blieb“, schrieb er in den Notizen zu Produktion des Films. Es gab keine Regierungsbegleiter oder beschränkende Visaregelungen. „Meine Einschätzung war, dass ich ungefähr ein Jahr hatte, bis es entweder eine neue autoritäre Regierung in Bagdad geben würde oder bis der Irak in den Bürgerkrieg abstürzen würde. Ich musste diesen Film machen, solange es noch möglich war.“ Heute wäre eine derartige Produktion nicht mehr möglich. Die Sicherheitslage im gesamten Land hat sich derart verschlechtert, dass es nicht mehr möglich ist, den einfachen Menschen mit der Kamera zu folgen.

M e l d u n g e n a u s K u l t u r, B i l d u n g u n d W i s s e n s c h a f t

Böhmer-Vorschlag begrüßt MÜNSTER (IZ). Der Vorschlag der Bundesintegrationsbeauftragen Böhmer zur Ausbildung von Imamen innerhalb Deutschlands findet auch unter einigen Muslimen Zustimmung. So hat der an der Universität Münster lehrende Muhammad Kalisch das Vorhaben begrüßt. Kalisch plädierte in einem Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur für einen Unterricht mit einem eindeutigen Bekenntnischarakter. Eine Deutschpflicht hält der Dozent allerdings für „verfassungsrechtlichen Unsinn“. Allerdings würden sich zukünftige Generationen sicherlich eine solche wünschen. Warum Kalisch, der in muslimischen Kreisen Deutschlands nicht ohne Widerspruch ist, sich so ausgesprochen gegen die die „selbstdefinierte Rechtgläubigkeit“ von Imamen aus dem Ausland geäußert hat, bleibt unklar, da die Dialektik zwischen In- und Ausland selten so eindeutig besteht. Der Unterschied besteht erfahrungsgemäß eher zwischen solide ausgebildeten Gelehrten und ideologischen „Quereinsteigern“. Darüber hinaus kommen die meisten Imame nicht aus Saudi-Arabien, sondern aus der Türkei, Marokko oder haben einen Abschluss an der Al-Azhar in Kairo. Die Vorschläge der Integrationsbeauftragten sind eine Resonanz auf populistische Forderungen aus der Politik, die Predigt zum Freitagsgebet solle doch in Deutsch abgehalten werden. Es ist eine ungeklärte Frage unter deutschen Muslimen, inwiefern eine Ausbildung von Imamen an hiesigen Institutionen wünschenswert sei oder nicht. Neben der anerkannten Notwendigkeit zur Beherrschung der deutschen Sprache und der hiesigen Ordnung und Gepflogenheiten steht die Sorge, dass eine unerwünschte Einflussnahme auf die eigentlich unabhängige Lehre nicht ausgeschlossen werden könne.

Vernunft gepachtet KÖLN (KNA). In der Debatte um das Verhältnis von Glaube und Vernunft nehmen die Kirchen nach Ansicht von Eugen Drewermann zu sehr die Vernunft für sich in Anspruch. Er teile die Kritik des Philosophen Jürgen Habermas in dessen Dankesrede zur Verleihung des NRW-Staatspreises, dass die Kirchen in der Auseinandersetzung mit dem Islam „ein Quäntchen zu viel an Vernunftstolz“ an den Tag legten, sagte der Psychotherapeut und frühere Priester, der im vergangenen Jahr aus seiner Kirche ausgetreten ist, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das Christentum trage ein „schweres Erbe“, weil es die „einfache, auf Existenzveränderung des Menschen zielende Botschaft Jesu ins Dozierbare und Dogmatische“ gehoben habe, fügte Drewermann hinzu. Christus sei „nicht in die Welt gekommen, unfehlbare Päpste und Lehrstuhlinhaber einzusetzen, sondern um die menschliche Angst durch Vertrauen und Güte zu überwinden“. Im Unterschied zum Christentum habe sich der Islam „nicht zu Unrecht als eine Art Vernunftreligion“ verstanden, sagte der Theologe.

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Film: Sich selbst zeigen In 14 neuen Filmbeiträgen stellen junge Muslime sich und ihr Leben dar Von Yasin Alder, Bonn

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ach dem viel beachteten ersten Teil, der im letzten Jahr erschien, ist nun Teil 2 des Filmprojektes von und über junge Muslime in Deutschland, geleitet vom Medienprojekt Wuppertal, uraufgeführt worden. Am 16.11. war Premiere im Wuppertaler Kulturkino „Rex“. Die Resonanz war wie erwartet groß; schon lange vor dem Einlass sammelten sich die insgesamt rund 600 Zuschauer vor dem Eingang. Teil 2 des Projekts umfasst 14 in den vergangenen Monaten entstandene Filmbeiträge zwischen acht und 40 Minuten Länge, welche für die Premiere auf rund zehnminütige Kurzfassungen zusammengeschnitten worden waren. Moderiert wurde die Vorführung von Projektleiter Andreas von Hören. Seit 1992 realisiert das Medienprojekt Wuppertal von Jugendlichen gedrehte Filme zu verschiedenen Themenberiechen. Die Reihe „Jung und Moslem in Deutschland“ wird vom Bundesjugendministerium finanziell gefördert. Die Filme haben laut Andreas von Hören das Anliegen, Jugendlichen zu ermöglichen, ein unzensiertes Spiegelbild von sich selbst zu zeigen. Gleich zu Beginn stellte Von Hören völlig zu Recht klar, dass die Filme nicht den Anspruch hätten, den Islam zu erklären, um eventuellen falschen Erwartungshaltungen vorzubeugen. Die neuen Filme wirken im Vergleich zu Teil 1 sowohl thematisch als auch von der Umsetzung her noch besser gelungen. Auch geht es diesmal tatsächlich durchgehend um den Islam und in den meisten Filmen um - in unterschiedlichen Abstufungen - praktizierende junge Muslime, während Teil 1 inhaltlich heterogener war und bei mehreren Beiträgen der Bezug zum Thema Islam und junge Muslime teilweise recht vage wirkte. In den neuen Filmen erscheinen hingegen überwiegend praktizierende junge Muslime, die sich und ihr Leben in Deutschland vorstellen, bei zweien auch ihre Erfahrungen auf Reisen in die Herkunftsländer der Eltern (Syrien und Iran). Insofern wird Teil 2 auch dem Titel der Reihe besser gerecht. Ein Filmbeitrag mit dem Titel „Islamphobie und Currywurst“ geht mittels Interviews und Wohnungsbesichtigungen der Frage nach, was denn aus Sicht der jeweils „anderen Seite“ nun „typisch deutsch“ und „typisch muslimisch“ sei. In einem „Kopftuchexperiment“ im selben Film probieren junge Nichtmusliminnen einen Tag lang aus, wie es ist, als Kopftuchträgerin im Alltag unter-

wegs zu sein. Glücklicherweise wird aber das mittlerweile mehr als leidige Thema Kopftuch in den Filmen insgesamt nicht überstrapaziert. Muslimische Schülerinnen, muslimische Akademikerinnen, eine muslimische Familie in drei Generationen und eine islamische Mädchengruppe werden vorgestellt, und auch eine ganz typische türkische Hochzeit - letztere mit einer überraschenden Pointe, die wie auch einige andere Szenen beim Premierenpublikum mit großem Johlen und Szenenapplaus aufgenommen wurde. Teilweise kam der Eindruck von Partystimmung auf - junge Muslime, optisch von Kopftuch beziehungsweise Vollbart bis Disco-Style und Irokesenschnitt in allen Schattierungen vertreten, feierten sich selbst und das Gefühl, endlich einmal realitätsnah dargestellt zu werden und für sich selbst sprechen zu können. Dabei fiel sowohl in der Zusammensetzung des Premierepublikums als auch bei den Filmbeiträgen auf, dass bei den praktizierenden jungen Muslimen ganz klar die Mädchen beziehungsweise jungen Frauen den Ton angeben, da sie einfach interessierter, engagierter und meist auch gebildeter und wortgewandter sind als die jungen Männer. Die Themen der einzelnen Filme mit kurzen Inhaltsangaben sind auf der Webseite des Medienprojekts (siehe unten) zu finden. Wie schon bei Teil 1 ist der von der Anordnung auf der DVD her letzte Filmbeitrag ein islamkritischer, was erneut den merkwürdigen Eindruck hinterlässt, als sollten dadurch die vorhergehenden Filmbeiträge zum Abschluss ein Stück weit in Frage gestellt oder gar relativiert werden. Der besagte Beitrag behandelt eine Gruppe junger Exiliraner, die, zumeist aus säkularisierten Elternhäusern stammend, nach Gewalt- und Repressionserfahrungen im Iran sich vom Islam abgewandt und teilweise das Christentum angenommen haben. Der Kontrast dieses ziemlich düsteren Beitrages zu den anderen Filmen mit den sehr positiv, heiter, lebendig und freudig wirkenden jungen Muslimen ist allerdings so groß, dass er eigentlich für sich spricht und keines weiteren Kommentars bedarf. Der aufmerksame Zuschauer kann daraus leicht selbst seine Schlüsse ziehen. Auf die Bemerkung einer iranischen Protagonistin, dass Christentum sei ja die „Religion der Liebe und Barmherzigkeit“, der Islam hingegen habe immer mit dem Schwert zu tun, antwortete übrigens ein junger Muslim in der anschließenden Diskussion: „Ich komme aus Bosnien, wir haben die Liebe und Barmherzigkeit unserer christlichen

Mitbürger am eigenen Leib erfahren.“ Vor der im Anschluss an die Vorführung angesetzten Diskussion hatte bereits rund die Hälfte des Publikums, wohl auch angesichts der vorgerückten Stunde, den Saal verlassen. Zu einer wirklichen Diskussion im Sinne einer Kontroverse kam es auch nicht, zumal ohnehin fast nur Muslime anwesend waren; es gab eher Statements zu den Filmen, die fast ausschließlich positiv waren, und ein wenig innerislamischen Austausch. Die meisten der 14 neuen Filme zeigen genau diejenigen die Lebenswirklichkeit und das Selbstbild von Muslimen wiedergebenden Bilder, die in den deutschen Medien - von vereinzelten Ausnahmen abgesehen - noch immer nicht vorkommen. Sie brechen mit vielen Klischees, etwa dem der unterdrückten muslimischen Frau, indem hier überzeugte, selbstbewusste, gebildete, strahlende und mit Begeisterung den Islam lebende junge Frauen gezeigt werden. Es zeigt aber auch, dass ebenso auch viele nicht Kopftuch tragende, äußerlich eher westlich orientiert wirkende junge Damen durchaus gläubige Musliminnen sind, sehr am Islam fest halten und sich keineswegs von der Religion entfernt haben, wie viele denken mögen. Und der Beitrag über den Iran-Besuch eines Jugendlichen zeigt einmal eine ganz andere, sehr menschliche Seite dieses Landes und des gelebten Glaubens dort. Bei allem Positivem fehlt in den Beiträgen allerdings noch weitgehend der Aspekt, was denn den Islam neben der Erfüllung der Fünf Säulen und anderer Regeln noch ausmacht, und was neben der persönlichen Lebensführung seine gesellschaftliche Relevanz ist. Schade auch, dass das Publikum bei der Premiere zu annähernd 90 Prozent aus Muslimen bestand und die wenigen Nichtmuslime eher im Erwachsenenalter waren vermutlich vor allem Lehrer, Sozialpädagogen und ähnliche Berufsgruppen, die schon von Berufs wegen mit dem Thema zu tun haben. Wo aber waren die nichtmuslimischen Altersgenossen? Aufgrund des großen Andrangs soll am 29. November eine zweite Aufführung der Filme stattfinden (19.00 Uhr, Rex-Kino, Kipdorf 29, Wuppertal-Elberfeld, nahe Hbf). Die 14 Filme sind auf drei separaten DVDs zu sehen, die zum Preis von je 10,- Euro ausleihbar oder für je 30,- Euro zu kaufen sind. Zusätzlich ist eine Handreichung mit Arbeitshilfen zum Einsatz des Films in Schule und Unterricht erhältlich. Kontakt: Medienprojekt Wuppertal Jugendvideoproduktion und -vertrieb, Hofaue 59, 42103 Wuppertal, Fon: 0202-563 26 47, info@medienprojekt-wuppertal.de, www.medienprojekt-wuppertal.de


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Leserservice

Islamische Zeitung

Die vergessene Krisenregion Die sudanesische Provinz Darfur leidet immer noch unter Verfolgung und Hunger Von Dipl.-Kffr. Sevgi Kulanoglu

Wo man helfen muss!

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eit 2003 herrscht in Darfur ein Bürgerkrieg, dessen Ende nicht in Sicht ist. Die Weltöffentlichkeit zeigt kaum Interesse an dieser Region. Es sind lediglich Hilfsorganisationen, unter anderem auch Islamic Relief Worldwide, die vor Ort präsent sind und deren Mitarbeiter trotz höchster Lebensgefahr versuchen zu helfen. Die diplomatischen Versuche, die Krisenregion zu besänftigen, endeten ohne Erfolg, so dass weiterhin Millionen von Menschen durch die Krise betroffen sind. In den letzten drei Jahren wurden Hunderttausende getötet, Millionen vertrieben und schätzungsweise eine halbe Million Menschen sind von Hilfe abgeschnitten. Seit Beginn der Ausschreitungen war Islamic Relief vor Ort im Einsatz, um den Einwohnern von Darfur in dieser Situation Hilfestellung zu leisten. Eines der Hilfsprojekte von Islamic Relief ist das Flüchtlingslager Kerinding II in West-Darfur, das 2004 errichtet wurde und 10.000 Menschen Zuflucht bietet. Nermin Silajdzic, der Islamic Relief-Koordinator dieses Flüchtlingslagers, beschreibt die Lage vor Ort mit folgenden Worten: „Das humanitäre Desaster besteht darin, dass es keine Bewegungsfreiheit gibt, da Räuber die Straßen beherrschen. Das bedeutet wiederum, dass dringend benötigte Hilfslieferungen nicht in den Gebieten ankommen, wo sie ge-

Verteilung von Lebensmitteln an Bedürftige braucht werden. Menschen sterben an Unterernährung und Krankheiten, weil die Hilfe sie nicht erreichen kann.” Er berichtet weiterhin: „Eine sechsköpfige Familie muss sich ein Zelt von 12 m2 teilen, und alle schlafen gemeinsam auf diesem kleinen Raum. Einige Flüchtlinge mussten bereits ein Jahr lang auf dem Boden schlafen, bis Islamic Relief Schlafmatten verteilt hat.“ Die unsicheren Lebensbedingungen werden durch die zunehmende Gewalt zusätzlich erschwert: „Die Anzahl der Vorfälle in den Flüchtlingslagern hat sich in der letzten Zeit erhöht. Leute wurden überfallen und Esel gestohlen. Männer, Frauen und Kinder werden täglich von den Milizen terrorisiert. Diese reiten oft auf Pferden oder Kamelen

vorbei und feuern Schüsse in die Luft, um die Menschen hier zu ängstigen. Eltern haben Angst um ihre Kinder und lassen sie deshalb nicht außerhalb des Lagers spielen. Viele Opfer des Konflikts haben Familienmitglieder, die bei Angriffen auf ihr Dorf von den Milizen getötet oder vergewaltigt wurden. Diese Erinnerungen lassen viele nachts nicht schlafen, denn sie wissen, dass die Verantwortlichen nicht weit sind.” Am Stärksten durch diese Krise betroffen sind die Kinder. „Für mich sieht es so aus, als ob die Kinder eine Phase ihres Lebens verloren haben, nämlich ihre Kindheit. Sie sind schon zu erwachsen für ihr Alter. Vorhin habe ich mit 20 Kindern dieses Lagers gesprochen. Wenn ich sie frage, was sie sich wünschen, entsprechen

die Antworten nicht denen von Gleichaltrigen. Einige der Kinder wünschen sich zwar ein Fahrrad, einen Fußball oder ein bestimmtes Spielzeug, aber die meisten wünschen sich ein Bett, ein Moskitonetz, eine Decke, einen Teppich, Teetassen, Kleidung, Schuhe oder eine Schultasche”, sagt Nermin Silajdzic. „Islamic Relief hat eine Schule gegründet, in der 1.800 Schüler, die hauptsächlich aus dem Kerinding IILager kommen, unterrichtet werden. Die Schule verfügt zwar über 35 Lehrer, die aber kaum bezahlt werden können, sodass viele Eltern zusätzlich Geld geben, um sicherzustellen, dass die Lehrer wenigstens frühstücken können. In der Schule mangelt es am Notwendigsten, wie Bänken, Stühlen und Büchern. Dennoch gehen die Schüler gern zur Schule, und viele von ihnen möchten später Lehrer oder Schuldirektoren werden. Islamic Relief bemüht sich, das Bewusstsein der Eltern für die Wichtigkeit von Bildung zu stärken. Viele Kinder gehen nicht zur Schule, da sie versuchen, Geld zu verdienen. Besonders Mädchen verlassen die Schule mit einem Alter von 14 bis 16, um zu heiraten. Mitarbeiter von Islamic Relief versuchen diese Kinder zu ermutigen, wieder die Schule zu besuchen.” Als ein weiteres Problem zeigt sich der Mangel an ausreichender medizinischer Versorgung. Islamic Relief

betreibt zwar eine Klinik, die medizinische Grundversorgung, Medizin, pränatale Betreuung und eine Gesundheitsschulung anbietet, allerdings haben die 13 Mitarbeiter Schwierigkeiten, die Bedürftigen adäquat zu behandeln. Um die Hygienebedingungen zu garantieren, wird das Lager gereinigt und regelmäßig Seife und Hygieneartikel an die Bedürftigen verteilt. Im Juli beteiligte sich Islamic Relief an einem gemeinsamen Aufruf mit sieben weiteren Hilfsorganisationen, um die Finanzierung der Schutztruppen der Afrikanischen Union auszuweiten. Ohne ausreichende Mittel hat die Truppe keine Möglichkeit, die Menschen in Darfur zu schützen, die ihre Hoffnung auf Frieden fast verloren haben. Weitere 270 Millionen Dollar sind notwendig, um den Einsatz bis Dezember 2006 zu verlängern und Personal und Gerätschaften aufzustocken, damit ein erfolgreiches Arbeiten möglich wird. Die Menschen in dieser Region benötigen dringend unsere Hilfe. Bitte helfen auch Sie! Kontakt: Islamic Relief e.V. Islamic Relief Berlin Gitschiner Str. 17 10969 Berlin Tel: 030-611 26 00 Fax: 030-612 83 405 Email: info@islamicrelief.de http://www.islamicrelief.de Bankverbindung Kto.-Nr.: 12 20 20 99 BLZ: 370 501 98 Stadtsparkasse Köln

L Neuer „Global Player“ auf dem Markt Mit dem Beginn seines englischsprachigen Kanals fordert Al Jazeera die etablierten Sender heraus Von Malik Özkan, Bremen

Z

Ko m m u n i k a t i o n u n d M e d i e n

ehn Jahre nachdem Al Jazeera (im Besitz des Herrschers von Qatar) die arabische Fernsehlandschaft gründlich durcheinander brachte, betreibt das Unternehmen seit dem 15. November auch einen englischsprachigen Kanal. Damit will man, so das ambitionierte Vorhaben des regionalen Marktführers, mit den westlichen Nachrichtengiganten gleichziehen. „Der englische Kanal von Al Ajazeera wird die Newsagenda bestimmen“, meinen übereinstimmend Shi-

ulie Ghosh und Sami Zeidan, Nachrichtensprecher bei der lang erwarteten Eröffnung der neuen Sparte. Gesendet von den hochmodernen Studios in Doha, begann das englischsprachige Programm mit Berichten aus Gaza, Darfur, Teheran, China und Brasilien. Zu Anfang wird es 12 Stunden Live-Programm pro Tag geben, welches ab dem 1. Januar kommenden Jahres durchgehend ausgeweitet wird. Zukünftig erwartet man an die 80 Millionen Zuschauer, die per Kabel oder Satellit in Asien, Afrika oder Europa erreicht werden sollen.

Das englische Programm soll von Studios in Doha, Kuala Lumpur, London und Washington DC mit 20 weiteren Regionalbüros produziert werden. Schätzungsweise werden an die 800 Menschen aus 55 unterschiedlichen Ländern für Al Jazeera English (so der offizielle neue Name) arbeiten. Dass die Führungsriege am Golf kontaktscheu sei, kann man nicht behaupten, denn zukünftig sollen mindestens zwei Journalisten aus Israel an der Berichterstattung aus ihrer unruhigen Heimat mitwirken. Zu den prominenten Mitarbeitern

wird der BBC-Veteran Sir David Frost zählen. Der neue Zweig des in Doha gegründeten Senders will dem englischsprachigen Publikum in aller Welt, welches nach Alternativen zu CNN oder BBC sucht, neue Perspektiven anbieten. „Der Launch des englischen Senders bietet uns die Gelegenheit, ein neues Publikum zu erreichen, welches bisher gewohnt war, den Namen von Al Jazeera zu hören, ohne dessen Sprachen verstehen zu können“, sagt der Generaldirektor des Senders, Wadah Khanfar.

Sir David Frost ist nun bei Al Jazeera zu sehen

Wie sieht die Meinungsfreiheit aus? In Nordkorea, Turkmenistan und Eritrea ist Pressefreiheit ein Fremdwort

I

n den „Ländern, die zu den größten Feinden der Pressefreiheit gehören, hat sich kaum etwas geändert“, stellte die Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ in ihrer fünften Rangliste zur Lage der Pressefreiheit weltweit fest. „Journalisten in Nordkorea, Eritrea, Turkmenistan, Kuba, Myanmar und China riskieren für unabhängige Recherchen und Berichte noch immer massive Drohungen, Schikanen und langjährige Haftstrafen, manchmal sogar ihr Leben. Regierungen in diesen Ländern dulden keinerlei Kritik. Medien stehen unter ihrer Kontrolle, und Abwei-

chungen von der offiziellen Linie werden unnachgiebig verfolgt.“ Es gebe allerdings auch „positive Trends“. Denn jedes Jahr verbesserte sich die Lage der Pressefreiheit in einigen ärmeren Ländern und diese rücken auf die Plätze einiger europäischer Staaten oder der USA auf. Diese belege, dass auch in den Entwicklungsländern dem Recht auf Information mit Respekt begegnet werde. Andererseits sei die „Aushöhlung der Pressefreiheit“ in den USA, in Frankreich und in Japan „dagegen alarmierend“, so die NGO. Nordkorea (168.), das absolute Schlusslicht, Turkmenistan (Platz

167) und Eritrea (Platz 166) hätten ihre schlechte Stellung gehalten. Der Tod durch Folter der turkmenischen Journalistin Ogulsapar Muradova zeige, „dass Separmurad Nyazov, Präsident auf Lebenszeit, auch Gewalt einsetzt, um unliebsame Kritiker auszuschalten“. Führend in Sachen Pressefreiheit seien Staaten wie Finnland, Irland, Island und die Niederlande, „die die sich alle den ersten Platz teilen. Meldungen über Zensur, Bedrohungen, Einschüchterungsversuche oder Repressalien liegen nicht vor.“ Die USA (auf Platz 53) hätten seit Begründung des PressefreiheitsRankings (ab 2002) kontinuierlich

verloren. Die Bindungen zwischen der US-Regierung und der Presse in den USA seien dauernd schlechter geworden. In mindestens 17 Bundesstaaten der USA werde der Schutz von anonymen Quellen abgelehnt. So werden seit mehreren Jahren Journalisten, ohne dass man ihnen den Prozess gemacht hat, im Internierungslager Guantanamo interniert. Generell verdächtige man Journalisten, wenn sie den so genannten „Krieg gegen den Terror“ in der USPolitik in Frage stellten. Deutschland sei vom 18. auf den 23. Platz zurückgefallen. Der Bundesnachrichtendienst habe über zehn

Jahre hinweg bis zum Herbst 2005 Journalisten illegal überwacht. Im Fall „Cicero“ gab es Redaktionsdurchsuchungen; das Verfahren wegen „Beihilfe zum Geheimnisverrat“ gegen zwei Journalisten wurde inzwischen eingestellt. Der Zugang zu Daten sei - trotz Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes - zum Teil immer noch erschwert. Reporter ohne Grenzen hat für die Rangliste 166 Länder ausgewertet (die USA und Israel wurden zweimal gelistet: für das Land selber und das Vorgehen im Irak bzw. in den Palästinensischen Gebieten). (ROG)


LEBENSART

Muslime & Lebensart

Der Wunsch zu fliegen

DIE LETZTE SEITE

Personalien, Leserbriefe und Besprechungen

Seite 23 Daud Khan Sadozai ist einer der versiertesten und angesehensten Interpreten der traditionellen afghanischen Musik in Europa und ein Meister auf den klassischen Saitenistrumenten Rabab [auch Rubab geschrieben] und Sarut. Er gibt regelmäßig Konzerte in verschiedenen Ländern weltweit. Die IZ traf ihn in seinem Haus in Köln und sprach mit ihm über seine Musik, deren spirituelle Komponente und die Weitergabe dieser Kunst vom Lehrer auf den Schüler.

Seite 24

Inteview mit dem afghanischen Musiker Daud Khan Sadozai

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slamische Zeitung: Sehr geehrter Herr Sadozai, wie haben Sie zur Musik und zum Spiel der traditionellen Saiteninstrumente gefunden? Daud Khan Sadozai: Ich habe neben der Schule bei meinem Meister, Ustadh Muhammad Omar, Rabab-Unterricht bekommen, in Kabul. Mein Vater war auch sehr an Musik und Musikinstrumenten interessiert, er hatte mich zu dem Meister geschickt. Dann bin ich zum Studium nach Deutschland gekommen, habe aber immer meine Rabab mit mir gehabt und für mich gespielt. Meine Lebensumstände in Deutschland waren damals schwierig; ich bin dann für eine Zeit nach Indien gegangen, wo ich das große Glück hatte, bei der sechsten Generation einer afghanischen Familie Unterricht zu bekommen und von dem Lehrer als Schüler akzeptiert zu werden. Es war mein zweiter Ustadh, Ustadh Amjad ‘Ali Khan. Er ist ein großer Virtuose und spielt Sarut. Die Sarut ist entstanden, als vor etwa 300 Jahren Musiker aus der Stadt Ghazni nach Indien gegangen und sich dort niedergelassen haben. Sie waren dort am Herrscherpalast als Musiker tätig. Ustadh Amjad ‘Ali Khan ist einer ihrer Nachkommen. Aus der Rabab hat sich die Sarut entwickelt. Sarut ist auch ein persisches Wort und bedeutet „Melodie“. Ich habe dort auch begonnen, Sarut zu spielen, und seit 28 Jahren bin ich noch immer sein Schüler. Ich wollte dann die Musik zu meinem Beruf machen und Konzerte geben. Heute bin ich sehr glücklich darüber, dass es so gekommen ist. Mein Vater hat mir damals sehr geholfen, indem er mir die Noten von dem Meister Muhammad Omar nach Deutschland mitgebracht hat. Das Verhältnis des Schülers zum Meister ist sehr wichtig und beinhaltet viel Segen. Islamische Zeitung: Seit wann geben Sie selbst Konzerte? Daud Khan Sadozai: Am Anfang musste ich sehr streng Unterricht nehmen, und die Regel ist auch so, dass man erst auf die Bühne geht, wenn der Meister es erlaubt hat, vorher nicht. Ich habe die Erlaubnis meines Meisters bekommen, er hat sozusagen seinen Segen gegeben, und seither trete ich auf Konzerten und auch großen Festivals auf und präsentiere diese beiden Instrumente, Rabab und Sarut. In diesem Jahr war ich in Indien und hatte dort auch zwei Fernsehauftritte. Davor war ich für 10 Konzerte in den USA. Darüber hinaus war ich in Spanien, Italien, beim Seidenstraßenfestival in Paris und in Marokko. In den nächsten Tagen reise ich zu drei Festivals in Spanien. Islamische Zeitung: Die afghanische Musik hat ja viele Bezüge zu der des indischen Subkontinents. Können Sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede erläutern? Daud Khan Sadozai: Die afghanische und die indische Musik haben in der Tat eine sehr enge Beziehung zueinander. Die Ragas [von arab. Ragh, bedeutet in etwa Tonleiter] oder Maqams sind

Musik als Gedenken sehr ähnlich. Aber durch die Situation in Afghanistan mit vielen Kriegen und Auseinandersetzungen hat sich die Musik nicht so sehr entwickelt wie in Indien und ist oft eher Folklore geblieben. In Indien hat die klassische Musik ihren Ursprung auch in der Folklore, aber mit der Zeit hat sie sich sehr entwickelt, und viele neue Instrumente sind entstanden, wie zum Beispiel Tabla, Sarut, Sitar und andere. Auch die Rhythmen wurden weiter entwickelt, etwa mit dem Sechzehnerrhythmus. Die klassische indische Musik ist sehr umfangreich. In Afghanistan hat sich die Musik vor allem in Kabul, in Herat und im Osten des Landes entwickelt. Jede dieser Zentren hat einen eigenen Stil. Sie ist im Vergleich zu Indien rhythmischer, tänzerischer, und die Rhythmen werden kräftiger gespielt.

Khanaqahs, den Versammlungsorten der Sufis, gespielt; als Soloinstrument, zusammen mit anderen Instrumenten oder als Begleitinstrument. Sie wurde aber auch zu traditionellen Tänzen gespielt. Im Osten Afghanistan gab es spezielle Sitzungen, die Dere Madschlis, an denen verschiedene Instrumente beteiligt waren, Streichinstrumente wie Delroba, Zupfinstrumente, Harmonium und andere, wo Kompositionen vorgestellt, zusammen gespielt und auch viel improvisiert wurde. Die Musik war in Afghanistan immer zu Hause, wie erwähnt gab es gerade auch in den Kreisen der Sufis immer ein Musikinstrument, besonders Saiteninstrumente wie Tanbur oder Rabab. Wenn die Leute nach der Arbeit nach Hause kamen, haben sie etwas gespielt, Poesie gelesen oder spirituelle Bücher.

Islamische Zeitung: Wie unterscheiden sich die beiden Instrumente Rabab und Sarut?

Islamische Zeitung: Wie ist es heute um die traditionelle Musik in Afghanistan bestellt? In den letzten Jahren gab es ja verschiedene Strömungen, wie die Taliban, die der Musik sehr ablehnend gegenüberstanden.

Daud Khan Sadozai: Die Sarut oder Surut ist aus der Rabab entstanden. Die Rabab besteht aus Holz und verfügt über etwa 20 oder auch weniger Resonanzsaiten und drei Melodiesaiten, die früher aus Darm hergestellt waren und heute aus Nylon sind. Die Rabab hat auch vier Bünde. Bei der Sarut sind die Melodiesaiten aus Metall, und auch das Griffbrett. Auf der Rabab spielt man mit den Fingerkuppen, während man bei der Sarut mit den Fingernägeln greift. Daraus ergibt sich ein anderer Klang. Früher sahen beide Instrumente noch ähnlicher aus, heute hat die Sarut in der Regel einen runderen Klangkörper, während die Rabab ihre Form nicht verändert hat. Islamische Zeitung: Zu welchen Gelegenheiten oder Anlässen wurde diese Musik traditionell gespielt? Daud Khan Sadozai: Musik wurde eigentlich in Afghanistan zu allen möglichen Gelegenheiten gespielt, später lief auch in Autos und Lastwagen fast ständig Musik. Die Straßen waren immer voller Musik, so habe ich es in Erinnerung. Speziell Rabab wurde auch in den

Daud Khan Sadozai: Ich hatte auch Bedenken, dass vieles zerstört sein könnte. Eine Tatsache ist, dass die alten Meister, wie es sie früher gab, weniger geworden sind. Damals waren die Zeiten anders, sie hatten eine andere Ausbildung, die Zeiten waren ruhiger und die Leute hatten mehr Geduld. Voller Hingabe ist man zu den Meistern gegangen und hat gelernt. Aber Gott sei Dank gibt es heute immerhin wieder sehr schöne Folkloremusik. Man kann es zwar nicht mit früher vergleichen, aber die Musik lebt. Es gibt allerdings auch einen größeren Einfluss moderner und kommerzieller Musik. Ich glaube dennoch, dass die traditionelle Musik nie aussterben wird, und es gibt immer wieder neue gute, junge Musiker, die in Indien oder im Iran gelernt haben und dann wieder zurückkehren. Seit 26 Jahren herrscht nur Krieg in Afghanistan, und dies hat natürlich viel Leid gebracht, die sozialen Strukturen sind sehr stark beschädigt worden. Dennoch bin ich immer wieder erstaunt, wie

motiviert und zuversichtlich die Menschen sind. Sie wollen Frieden und wollen alles wieder aufbauen. Auch die Khanaqahs der Sufis gibt es Gott sei Dank immer noch. Islamische Zeitung: Sie unterrichten hier in Deutschland auch Schüler… Daud Khan Sadozai: Ja, meine Schule besteht seit etwa sechs Jahren und ich habe inzwischen einige Schüler ausgebildet, Deutsche, Afghanen, Amerikaner, Holländer, Spanier und andere, die inzwischen selber Konzerte geben. In den letzten Jahren hat es allerdings aus Zeitgründen etwas nachgelassen, da ich viel unterwegs bin. Derzeit gebe ich vor allem Einzelunterricht. Islamische Zeitung: Worin besteht für Sie persönlich die Faszination am Spiel von Rabab und Sarut? Daud Khan Sadozai: Es gibt sehr viele Gedichte darüber von Rumi und anderen, wie zum Beispiel das, in dem es heißt, dass in der Musik der Sarut hunderte und tausende Geheimnisse der Liebe enthalten sind. Die Musik ist einfach ein Geheimnis der Liebe und in der Liebe ist letztlich Gott gemeint, ob es menschliche Liebe ist oder die Liebe zur Natur. Bei meinem ersten Ustadh in Kabul und auch später in Indien habe ich erlebt, dass die Lehrer dieser Musik sehr fromme Menschen waren. Sie haben die Musik als Dhikr [Gedenken an Allah] gesehen, haben sich vorher gereinigt, haben die Augen geschlossen und drei oder vier Stunden mit einem Instrument gespielt. Sie haben die Menschen fasziniert. Beim Spielen zieht man auf der Bühne die Schuhe aus und sitzt auf dem Boden, man bleibt auf dem Boden. Und als Schüler berührt man die Füße des Meisters, als Zeichen der Hingabe. Das ist in Indien immer noch so, dort wird diese Musik und Tradition sehr in Ehren gehalten. Zu den Konzerten kommen sowohl Hindus als auch Muslime. Die meisten Musiker sind Muslime, es gibt unter ihnen aber auch Hindus. Der größte Musiker in der Geschichte Indiens war ursprünglich Hindu gewesen und

ist dann Muslim geworden. Die meisten früheren Ustadhs, auch meiner, waren in Tariqas, in Sufigemeinschaften. Sie waren sehr fromme Menschen. Sie standen morgens auf, beteten, lasen Qur’an, nahmen ihre Instrumente oder sangen und meditierten auf diese Weise, das wird Rijaz genannt. Deswegen war diese Musik auch sehr sehr wirkungsvoll, und bis heute hören die Leute gerne die Aufnahmen dieser Meister. Ich bin sicher, dass auch wieder junge Leute in Afghanistan diesen Weg gehen werden. Diese Musik kann man nicht aus Büchern lernen oder an einer Universität, man muss zu einem Meister gehen und sich hingeben. Zuerst wird das Ego gebrochen, man muss tagelang warten und auch einfache Tätigkeiten verrichten, man muss dienen. Islamische Zeitung: Diese Musik hat also auch viel mit Spiritualität zu tun? Daud Khan Sadozai: Ja, auf jeden Fall. Vieles von anderer Musik ist nur Vergnügungsmusik, und das ist für mich eher fragwürdig. Diese Musik aber erhebt den Geist. Ich erlebe es auch an meinen Schülern. Anfangs sind viele sehr unruhig, aber mit der Zeit verändern sie sich. Die klassische europäische Musik hat übrigens eine ähnliche Wirkung. Es ist ein Unterschied, ob man einfach die Fähigkeit erworben hat, Rabab oder Sarut zu spielen, oder ob man diese meditative Komponente auch erfassen kann. Um ein Beispiel zu geben: Man lernt das Alphabet, dann die Wörter und dann die Sätze, aber nur wenige werden Poeten. Man kann die Grundlagen des Rag lernen, aber um etwas aus dem Rag zu machen, muss man schon einen religiösen Hintergrund haben und etwas verliebt sein, sodass man die Augen zumacht und einen gewissen Ausdruck entwickelt, um die Essenz aus einer Tonfolge herauszuholen. Mein Lehrer sagte einmal, dass in jeder Note Nur, Licht von Gott, steckt, und je mehr man sich damit beschäftigt, um so mehr kommt die Schönheit heraus; die Schönheit Gottes findet sich in jeder Note. Man muss sich dem mit sehr viel Respekt und Liebe nähern und auch eine innere Reinheit haben. So entstehen immer wieder neue Verzierungen und Neuheiten in der Musik. Islamische Zeitung: Sehr geehrter Herr Sadozai, wir danken für das Gespräch.

h t t p : / / w w w . i s l a m i s c h e - z e i t u n g . d e


22 Seite / Dezember 2006

Muslime & Lebensart

Islamische Zeitung

Muster des Mondes Kalender: Was macht die Zeitrechnung der Muslime aus? Von Paul Lunde

I

m Jahre 638 unserer Zeitrechnung, sechs Jahre nach dem Tod des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, erkannte der zweite Khalif des Islam, ‘Umar ibn AlKhattab, die Notwendigkeit eines Kalenders zur Regelung der Angelegenheit der Muslime an. Dies war zuallererst eine praktische Frage. Der Austausch mit den zivilen und militärischen Vertretern in den neuen Gebieten des Islam musste datiert werden. Aber Persien benutzte einen anderen Kalender als Syrien, wo sich einer der Schwerpunkte des Khalifats befand. Und Ägypten wiederum verwendeten einen weiteren. Jedes dieser Zeitsysteme hat einen anderen Anfang. Die Sassaniden, die herrschende Dynastie in Persien, benutzten den 16. Juni 632, das Datum der Thronbesteigung von Yazdagird III., des letzten sassanidischen Monarchen. Syrien, welches bis zur Öffnung durch die Muslime Teil des byzantinischen Reiches war, benutzte eine Form des römischen „julianischen Kalenders“, der am 01. Oktober 312 vor unserer Zeitrechnung begann. In Ägypten kam der koptische Kalender zur Anwendung, dessen Beginn der 29. August 284 nach unserer Zeitrechnung war. Auch wenn diese Maßsysteme des Jahres alle solar waren und sich daher an den Jahreszeiten ausrichteten und 365 Tage enthielten, verfügte jeder über ein unterschiedliches System, durch das regelmäßig Tage hinzugefügt wurden, um die Tatsache zu korrigieren, dass die tatsächliche Länge des solaren Jahres

nicht 365 Tage, sondern 365,2422 Tage ist. Im Arabien vor dem Islam wurden verschiedene Systeme zur Einteilung von Zeit verwendet. Im südlichen Arabien orientierten sich einige Kalendersysteme am Mondkalender, während andere lunisolar waren, dass heißt, sie berechneten die Monate entsprechend der Mondphasen, aber errechneten die Tage außerhalb des Mondzyklus, um den Kalender mit den Jahreszeiten zu synchronisieren. Kurz vor der Ankunft des Islam scheinen die Himjariten einen Kalender in der julianischen Form gehabt zu haben, der allerdings 110 vor unserer Zeitrechnung mit der Zählung der Tage begann. Im zentralen Arabien wurde der Verlauf des Jahres durch die Position der Sterne in Relation zum Sonnenauf- oder Sonnenuntergang bestimmt. Dabei wurde der Verlauf des Monats in 28 gleiche Teile aufgeteilt, die in Zusammenhang mit der Lokalisierung des Mondes in jeder aufeinander folgenden Nacht des Monats standen. Die Namen dieser Monate sind im islamischen Kalender bis heute erhalten geblieben. Das legt den Schluss nahe, dass es vor dem Islam eine Art von lunisolarem Kalender gab, auch wenn nicht bekannt ist, ob er jenseits von Ereignissen mit lokalem Charakter eine gesondere Jahreszählung kannte. Es gab zwei weitere Gründe, warum

- Tage und Monate des islamischen Kalenders Wochentage Sie werden (wie auch im Judentum und in vielen westlichen Ländern, zum Beispiel in den USA, Portugal und früher auch in Deutschland üblich) beginnend mit Sonntag und endend mit Samstag gezählt. Der Freitag ist also zwar der wöchentliche Feiertag, aber nicht der letzte Wochentag im islamischen Kalender. Die arabischen Bezeichnungen der Wochentage Sonntag bis Donnerstag leiten sich von den arabischen Zahlwörtern von 1 bis 5 ab. Daher ist zum Beispiel der Montag wörtlich der 2. Tag. Sonntag: Jaum Al-Ahad, Montag: Jaum Al-Ithnaini, Dienstag: Jaum Al-Thalatha, Mittwoch: Jaum Al-Arba’a, Donnerstag: Jaum Al-Khamis, Freitag: Jaum Al-Dschum’a, „Tag der Zusammenkunft“, Samstag: Jaum As-Sabt Monate

Lebenspraxis: Freiwilliges Fasten

Muharram, Safar, Rabi’ Al-Auwal, Rabi’ Ath-Thani, Dschumada Al-Auwal, Dschumada Ath-Thani, Radschab, Scha’ban, Ramadan, Schauwal, Dhu’l-Qa’da, Dhu’l-Hidscha

‘Umar die bestehenden Sonnenkalender verwarf. Der Qur’an (Sura Junus, 5) erwähnt, dass die Zeit durch den Mond bestimmt werden sollte. Nicht nur das, die Kalender von Persern, Syrern und Ägyptern wurden mit anderen Religionen und Kulturen identifiziert. Der Khalif entschied daher, einen Kalender zu schaffen, der genau auf die Bedürfnisse der muslimischen Gemeinschaft zugeschnitten war. Dies war ein (lunarer) Mondkalender, er sollte 12 Monate haben, jeder von ihnen mit 29 oder 30 Tagen. Dies ergab für den islamischen Kalender 354 Tage, 11 weniger als der Sonnenkalender. Der Khalif ‘Umar bestimmte als Beginn der islamischen Zeitrechnung die Hidschra, die Auswanderung des Propheten Muhammad und der Muslime von Mekka nach Medina, wo sie religiöse und politische Autonomie erlangten. Demnach fand die Hidschra am 1. Muharram 1 nach dem islamischen Kalender statt. Dieses Datum entspricht dem 16. Juli 622 nach unserer Zeitrechnung. Heute ist es im Westen üblich, das Kürzel n.H. zu verwenden (beziehungsweise AH (Anno Hegira) im englischsprachigen Raum). Weil der islamische Mondkalender 11 Tage kürzer ist als der solare, ist er nicht mit dem Jahreszeiten synchron. Seine Feiertage, die jedes Jahr auf die gleichen Tage des lunaren Kalenders fallen, bewegen sich durch das solare Jahr. Ein vollständiger Zirkel braucht 33 Jahre. Durch diese 11-tätige Differenz zwischen Mond- und Sonnenkalender besteht die Schwierigkeit, Daten des einen in den anderen Kalender zu übertragen. Neben den fünf täglichen Pflichtgebeten gibt es auch zusätzliche, empfohlene Gebete, die auf die Sunna des Propheten, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, zurückgehen, und die vor und/oder nach den Pflichtgebeten sowie zu anderen besonderen Zeiten verrichtet werden können. Hierzu gehört auch das freiwillige Gebet in den Nachtstunden, das auch im Qur’an erwähnt wird. Wie bei den Gebeten gibt es auch beim Fasten zusätzliches, freiwilliges Fasten über das verpflichtende Fasten im Monat Ramadan hinaus. Es geht ebenfalls auf die Praxis des Propheten zurück und wird auch von vielen Muslimen praktiziert. Zusätzliche, über die Pflicht hinausgehende gottesdienstliche Handlungen haben im Islam einen besonderen Stellenwert. Dieser wird deutlich in der bekannten Überlieferung vom Propheten, in der Allah selbst sagt: „Mein Knecht nähert sich Mir nicht mit etwas, das Ich mehr liebe als das, was Ich ihm zur Pflicht auferlegte. Mein Knecht fährt fort, sich mir durch zusätzliche Frömmigkeit zu nähern, bis Ich ihn liebe. Und wenn Ich ihn liebe, bin Ich sein Hören, mit dem er hört, sein sehen, mit dem er sieht, seine Hand, mit der er greift, sein Fuß, mit dem er geht. Wenn er Mich (um etwas) bittet, werde Ich es ihm gewiss gewähren, und wenn er Mich um Beistand bittet, werde Ich ihm gewiss Zuflucht geben.“ (AlBukhari) Vom Gesandten Allahs sind bestimmte Tage und Monate überliefert, an denen er

Beliebtes Getränk Limonade - mehr als nur ein Softdrink Von Juliette Rossant

„Gebt mir die Sonne, es kümmert mich nicht, wie heiß, und Scherbet, es kümmert mich nicht, wie kalt, und mein Himmel ist so einfach erreicht wie euer persischer.“ (Lord Byron)

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ies schrieb der englisch-schottische Dichter 1813, als ihm bei einem Besuch von Istanbul das Getränk gereicht wurde. In der Märchensammlung „1001 Nacht“ wird der alkoholfreie Trank als erfrischendes und medizinisches Getränk erwähnt. Das Scherbet (kann auch mit Limonade übersetzt werden) hat in seinen unterschiedlichen Formen viele Trinkende mit seinem intensiven, konzentrierten Geschmack von Früchten, Blumen oder Kräutern inspiriert. Sowohl heute als auch in der Vergangenheit ist das Scherbet vielleicht das verbreitetste Getränk in der muslimischen Welt. Sicherlich auch, weil es als wegen seiner Alkoholfreiheit den muslimischen Verhaltensmustern entgegen kommt. Zwei Jahrhunderte vor Lord Byron hat der Naturphilosoph Francis Bacon Scherbet gekostet und uns einen der ältesten Berichte davon in englischer Sprache hinterlassen. Scherbet wird aus Fruchtsäften oder Auszügen von Blumen oder Kräutern in Verbindung mit Zucker und Wasser (sogar gelegentlich Essig) angefertigt. Daraus wird ein Sirup hergestellt, der zu jedem späterem Zeitpunkt wieder mit Wasser, zu fasten pflegte. Diese sind abgestuft in den Grad ihrer Empfohlenheit, wobei es hier in den Rechtsschulen zum Teil unterschiedliche Einstufungen gibt. Als am stärksten empfohlen gilt das Fasten am AschuraTag, dem 10. Tag des Monats Muharram. In der malikitischen Schule ist es das einzige, das einen Sunna-Status hat, die anderen sind empfohlen. Empfohlen ist es zudem, am Tag davor, dem 9., ebenfalls zu fasten. Weiterhin überliefert ist Fasten an sechs Tagen im Monat Schawwal, dem auf den Ramadan folgenden Monat. Dabei müssen diese Tage nicht aufeinander folgend sein, und müssen auch nicht unmittelbar im Anschluss an das ‘Id Al-Fitr nach dem Ramadan erfolgen. Letzteres wurde von Imam Schafi’i empfohlen, Imam Malik riet eher davon ab. Der Prophet pflegte auch, jeden Montag und Donnerstag, dem zweiten und fünften Tag der islamischen Woche, zu fasten. Weitere Überlieferungen beziehen sich auf Fasten im Monat Muharram, Fasten an drei Tagen jedes Monats, wo bei vom 13., 14. und 15. des Monats die Rede ist, das häufige Fasten in den Monaten Muharram, Radschab, Dhu’lQada und Dhu’l-Hidscha, bei letzterem besonders an den ersten neun Tagen. Daneben der Tag von ‘Arafat während der Hadsch für diejenigen, die sich nicht auf der Hadsch befinden. Der Scha’ban ist der Überlieferung nach der Monat, in dem der Prophet, mit Ausnahme des Ramadans natürlich, am meisten zu fasten pflegte. Als

Eis oder sogar Schnee verdünnt werden kann. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit des Scherbets lag einfach darin, dass es bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige Methoden gab, frische Früchte zu lagern oder zu transportieren. Kühlung stand nur den wirklich Reichen zur Verfügung, während das Pferd das universelle Maß für Geschwindigkeit und Entfernung war. Früchte, blieben an Jahreszeiten und Erntegebiete gebunden. Es sei denn, sie konnten getrocknet oder als Sirup in eine konzentrierte Flüssigkeit verwandelt werden. Die osmanischen Türken tranken Scherbet vor und während der Mahlzeiten. Und bis zu unserem heutigen Tage serviert das Restaurant „Haci Abdullah“ im Istanbuler Stadtteil Beyoglu Scherbet zu vielen traditionellen osmanischen Gerichten. In Dörfern in der Osttürkei hat sich bis heute der Brauch halten können, dass - nachdem man sich auf ein Brautgeld geeinigt hat - die Familie des Bräutigams in das Haus der Braut kommt und einen bronzenen oder kupfernen Krug (der Ibrik genannt wird) mitbringt, der Gül Scherbeti, oder Rosenscherbet, enthält. Die Frau, die „Scherbet getrunken“ hat, hat den Antrag des zukünftigen Bräutigams angenommen. Weiter entfernt, in Indien wie in Afghanistan, revanchiert sich, sobald die Familie des Bräutigams Geschenke angeboten hat, die Familie der Braut mit Rosenscherbet. intensivste Form des freiwilligen Fastens gilt der Überlieferung nach das Fasten nach dem Vorbild von Dawud, nämlich das kontinuierliche Fasten an abwechselnden Tagen. Unterschiedliche Rechtspositionen bestehen auch zu den Tagen, an welchen man nicht freiwillig fasten sollte, sowie zum Abbruch eines freiwilligen Fastens. Wird ein freiwilliges Fasten versehentlich gebrochen, sollte man den Tag weiterfasten, es hat auch keine Konsequenzen. Man kann freiwilliges Fasten, anders als das Pflichtfasten im Ramadan, auch absichtlich abbrechen, wobei es unterschiedliche Meinungen dazu gibt, ob man den abgebrochenen Fastentag dann nachholen sollte oder nicht. Auch soll man bei absichtlichem Brechen des freiwilligen Fastens den Tag dann nicht weiterfasten. Nicht fasten sollte man am Freitag und Samstag, es sei denn, sie werden mit einem Fastentag davor und danach verbunden, am Tag von ‘Arafat für diejenigen, die die Hadsch durchführen, und am letzten Tag des Scha’ban. Unerwünscht ist auch das ununterbrochene Fasten. Das Fasten ist verboten an den ‘Id-Tagen und für Frauen, die Monatsblutung oder Wochenbettblutung haben, sowie für jene, die fürchten, dass das Fasten für sie lebensbedrohlich wäre. Der Leser sollte sich mit den entsprechenden Bestimmungen seiner Rechtsschule zu all den vorgenannten Dingen vertraut machen. (Von Yasin Alder, Bonn)


Islamische Zeitung

Muslime & Lebensart

Dezember 2006 / Seite

23

G e s c h i c h t e : M u s l i m i s c h e B e i t r ä g e z u d e n Ve r s u c h e n , s i c h i n d i e L ü f t e z u e r h e b e n Von Lydia Jalil, Euskirchen

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er Wunsch des Menschen, zu fliegen, datiert weit in die Frühzeit zurück, auch wenn Vögel oftmals mehr als Jagd- denn als Beobachtungsobjekt angesehen wurden. Jedem von uns sind bestimmt auch die Erzählungen über die ersten historischen Flugversuche von Ikarus und Daedalus bekannt, deren Ausgang dem des Turmbaus zu Babel ähnelt: Gott straft die Menschen für ihr Vordringen in verbotene Sphären. Nicht so im Islam: die Menschen werden im Qur’an mehrfach aufgefordert, über Natur und Umwelt zu forschen und ihren - im islamischen Sinne - bestmöglichen Nutzen aus den Forschungen zu ziehen. Auch in anderen Kulturen nutzten die Menschen bereits vor über 2.000 Jahren einfache Flugobjekte: In China und Malaysia wurden Drachen zur Verbesserung der Kriegsführung gleich in zweierlei Hinsicht genutzt: Durch die Berechnung des Winkels und der Höhe des Flugdrachens war man in der Lage, die Richtung und die Länge eines Tunnels ins Innere einer gegnerischen Befestigungsanlage perfekt zu bauen. Andererseits wurden Drachen auch zum Erschrecken des gegnerischen Heeres genutzt, da man so Feuerwerk direkt über den feindlichen Kämpfern zünden konnte. In weiten Teilen Asiens wurden aber Drachen auch zum Fischfang, zur Vertreibung der Vögel vom frisch gesäten Acker, zum Brückenbau und auch als Spielzeug genutzt. Bemannte Flugversuche mit Drachen und drachenähnlichen Konstruktionen wurden laut verschiedenen Überlieferungen zwar unternommen, waren aber erst viel später erfolgreich. Die meisten modernen Geschichtsbücher nennen Leonardo da Vinci als einen, der die Idee des bemannten Fliegens zumindest in seinen Skizzen umsetzte, doch bereits 600 Jahre vor ihm, im Jahre 852, versuchte Armen Firman, was bis dahin keinem Menschen außerhalb der Dichtung gelungen war: den ersten bemannten Flug. Inspiriert durch die Flugdrachen, die er auf seinen Reisen gesehen hatte, bevor er nach Cordoba (Andalusien) kam, versuchte er den Auftrieb durch die Windströmung auszunutzen. Dabei entspricht der normale Drache in Delta- oder Rautenform aerodynamisch einer gewölbten Platte, bei der überwiegend der Staudruck gegen die Vorderseite und

Der Wunsch zu fliegen nur in geringem Maße die Umströmung der gewölbten Fläche wirksam wird. Firman hoffte zwar, wie ein Vogel zu gleiten, aber weil die Seite über der Holzkonstruktion nicht genügend gespannt war, fiel er - wenn auch stark gebremst - mehr als er flog, und seine Erfindung glich eher einem Fallschirm als einem Fluggerät. Er überlebte aber den Absprung vom Minarett der großen Moschee in Cordoba mit geringfügigen Verletzungen. Dreiundzwanzig Jahre nach Armen Firman fanden die muslimischen Flugversuche im Jahr 875 mit Abbas Ibn Firnas eine erfolgreiche Fortsetzung. Ibn Firnas war unter den andalusischen Emiren Al-Hakam I., Abd ArRahman II. und Muhammad I. Hofdichter für das Umaijadenemirat von Cordoba. Sein Interesse galt jedoch nicht nur der Dichtkunst, sondern auch der

Mathematik, Astronomie und Physik. Auch er hatte auf seinen Reisen Drachenflüge beobachtet und vom Flugversuch Armen Firmans mit Sicherheit gehört. Vorerst experimentierte er neben seiner Tätigkeit als Dichter mit der Glasherstellung aus Sanden und Steinen und stellte mechanische Uhren her. Um seinen Traum vom bemannten Fliegen wahr zu machen, entwarf er eine Flugmaschine ähnlich einem Drachengleiter mit einem Holzgerüst und einer Bespannung aus Seide und Federn. Seine Konstruktion war so schon eher die eines Airfoils mit einem richtigen Tragflächenprofil, das seinen Auftrieb im Wesentlichen durch die Profilumströmung und nur zu kleinen Teilen aus dem Staudruck bezog. Nachdem er die Konstruktion erfolgreich beendet hatte, lud er die Einwohner Cordobas ein, seinem Flugversuch beizuwohnen.

Die Menschen beobachteten den Flug des bereits 70-jährigen von mehreren Hügeln aus, und es gelang ihm, nicht nur mehrere hundert Meter weit zu fliegen, sondern auch an Höhe zu gewinnen und in die Nähe seines Startpunktes zurückzukehren. Doch die Landung war hart, er brach sich beide Beine und verletzte sich am Rücken. Firnas, der die Bionik seines Flugapparates bei den Vögeln abgeschaut hatte, führte die misslungene Landung darauf zurück, dass er bei seiner Konstruktion den Schwanz vergessen hatte. Seine Rückenverletzungen verhinderten jedoch einen zweiten Versuch. Nun zur Bodenständigkeit gezwungen, baute er ein mechanisiertes Planetarium mit beweglichen Planeten, das gleichzeitig Donner und Blitz simulieren konnte. Auch seine Formel zur Herstellung künstlichen Kristalls verbesserte er

Bekannte Muslime: Weibliche Hadith-Gelehrte (2) Der bekannte Adh-Dhahabi hatte mindestens drei weibliche Lehrerinnen, und AsSafadi (gest. 764/1362) hatte Idschasas von wenigstens acht Frauen. Ibn Hadschar AlAsqalani hatte 53 weibliche Lehrerinnen und erwähnte 12 Frauen, die Überlieferer von Sammlungen prophetischer Traditionen waren. As-Subki (gest. 771/1370) hatte 19 Frauen unter seinen 172 Lehrern. As-Sujuti (gest. 911/1505) führte 33 Frauen unter seinen 130 Quellen für Hadith auf. Hadith war der Hauptbereich, in dem Frauen zu Prominenz gelangten. In diesem Bereich ist das akkurate Memorisieren das wesentliche Kriterium. Im Fiqh hingegen drehte es sich um das Disputieren von Rechtsfragen, sodass sich in diesem Wissensgebiet weniger Frauen beteiligten. Nichtsdestotrotz konnten sie auch als Muftis und Fuqaha tätig sein. Im Bagdad des vierten Jahrhunderts finden wir zwei Frauen, die Fatwas gaben: Umm ‘Isa bint Ibrahim (gest 328/939) und Amat Al-Wahid (gest. 377/987). Eine andere im Fiqh gelehrte Frau war Fatima von Samarkand, die im 6./12. Jahrhundert in Aleppo lebte. Sie korrigierte die Urteile ihres Ehemannes. Im 7./13. Jahrhundert waren vor allem zwei Frauen bekannt: ‘Ain Asch-Schams bint Ahmad aus Isfahan (gest. 610/1213), die eine Faqiha war, und Umm Al-Baqa’ Khadidscha bint Al-Hasan (gest. 631/1243),

eine Zahida (Entsagende), die sich dem Gesetz widmete. Bei Ibn Hadschar werden lediglich zwei Frauen aufgrund ihres Verständnisses des Fiqh erwähnt: Umm Zainab Fatima bint Al-’Abbas (gest. 714/1314) in Bagdad und Umm Al-’Izz Nudar (702730/1302-1329). Eine weitere Predigerin wurde von Ibn Taimijja für ihr Wissen im Fiqh gelobt. As-Sakhawi erwähnt einige hundert Frauen. Wissen in Fiqh wird dabei in zwei Fällen erwähnt, darunter ‘A’ischa bint ‘Ali (761-840/1359-1436) und Sitt Al’Ajisch, eine Hanbali-Gelehrte aus Kairo. Sie war im Besitz von Idschasas einer Reihe von syrischen und ägyptischen Lehrern, las den Qur’an und studierte sowohl Geschichte als auch Fiqh. Unter ihren Studenten befanden sich Ibn Hadschar Al-’Asqalani und Al-Maqrizi. Die Quellen heben ihr Verständnis und ihre Intelligenz hervor. Die Sufi-Schaikha von Damaskus, ‘A’ischa AlBa’unijja (gest. 922/1516), Autorin einiger Bücher über Tasawwuf, kam nach Kairo, wo sie Gutachten zu Rechtsfragen abgab und unterrichtete. Die gelehrsamen Aktivitäten von Frauen waren aber auch im Westen weit verbreitet, etwa in Marokko und Mauretanien. In einem Buch von Dr. ‘Abdu’l-Hadi At-Tazi über die Qarawijjin-Moschee in Fes schreibt dieser: „Sie war Teil der Stiftung einer der exzellenten Damen von Fes (Fatima bint

Muhammad Al-Fihri, Anm. d. Red.), die eine Vorrangstellung vor anderen gebildeten Damen hatte. Die marokkanische Geschichte kennt viele Frauen, die für ihre gelehrten Aktivitäten berühmt waren, wie Al-Amira Tamima, die Schwester von ‘Ali ibn Yusuf, die an einer Seite der Qarawijjin lebte; Khairana Al-Fasijja, die eine wichtige Rolle spielte bei der Verbreitung der Asch’ari-’Aqida unter den Frauen von Fes; und die Dichterin Sara bint Ahmad. Es wurde gesagt, dass Ibn Salmun sich rühmte, eine Idschasa von ihr erhalten zu haben. Weiterhin gab es Umm Al-Banin und ihre Schwester, die Gelehrte Fatima, aus einer Familie, deren Mitglieder ebenso berühmt waren. Sie besuchten den Unterricht von Schaikh Al-’Abdusi. Diese Frauen pflegten, ihre Studien in einer eigenen Sitzung fortzusetzen. Die Qarawijjin verfügte über Plätze, die es Frauen ermöglichten, direkt den Gelehrten zuzuhören, neben deren männlichen Studenten.“ In Nigeria verfasste Mariam, die Tochter des berühmten Schaikh ‘Uthman dan Fodio, viele Gedichte in der Sprache Fulfulde, neben einem Kommentar zum Mukhtasar von Khalil, einem Kompendium über Maliki-Fiqh. Ebenso berühmt für ihr Gelehrtentum war seine andere Tochter Asma’, die eine eigene Unterrichtsmethode entwickelte. (Von Aisha Bewley)

noch, bevor er im Jahre 888 seinem Rückenleiden erlag. Heimkehrende Kreuzzügler verbreiteten Erzählungen über den ersten bemannten Flug auch in England, und bereits 1010 versuchte ein Mönch des Benediktinerordens, Eilmer von Malmesbury, es mit einem Nachbau von Firnas’ Konstruktion diesem gleichzutun. Er überquerte die Länge von zwei Fußballfeldern, bevor er wegen ungenügender Flugstabilität bruchlandete. Auch Roger Bacon versuchte bald darauf sein Glück und scheiterte ebenso wie Leonardo da Vinci, der von einer Brücke in Florenz stürzte und es danach nur noch bei skizzierenden Überlegungen über das bemannte Fliegen beließ. Einige hundert Jahre später, 1701, erhielt ein Türke 1.000 Dinar für den Überflug des Bosporus, immer noch 200 Jahre vor den ersten Flugversuchen der Gebrüder Wright! Nachdem in der Folge der Bau tragfähiger, stabiler Flugzeuge sich einer differenziereten Technologie bediente, wurden Flugdrachen nur noch zur militärischen Aufklärung im Ersten und Zweiten Weltkrieg, zur Übung des Zielens auf bewegte Objekte und zu meteorologischen Beobachtungen genutzt. Der Franzose Rogallo entwickelte in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das drachenähnliche Ultraleichtfugzeug, das zuerst überwiegend militärisch genutzt wurde. Die älteste deutsche Überlieferung über Flugdrachen stammt übrigens aus dem Jahr 1665 und ist eher negativ belegt: In den unruhigen Kriegszeiten sollten alle öffentlichen Vergnügungen in Frankfurt am Main stark eingeschränkt bzw. verboten werden. Eine Verordnung vom 24. August 1665 stellte so auch das Steigenlassen von Drachen als Kindervergnügen unter Strafe. Bei Zuwiderhandeln sollten die Kinder von eigens angestellten Observatores mit Karbatschen abgestraft und, falls dies nichts nutze, im Hospitalgefängnis bei Wasser und Brot eingesperrt werden. Heute haben Flugdrachen weltweit eher Sport- beziehungsweise Spielcharakter. Gerade in Asien erfreuen sich auch regelrechte Drachenkämpfe immer noch großer Beliebtheit. Dabei wird die Drachenschnur mit einer Mixtur aus Kleber, Glasstaub und -splittern getränkt, die durch ihre Schärfe vor allem die gegnerische Drachenschnur, nicht aber die Hände des Drachenführers zerschneiden soll.


24 Seite / Dezember 2006

Die letzte Seite

Islamische Zeitung

P e r s o n a l i e n Nigeria: Neues religiöses Oberhaupt für Muslime Sada Abubakar (53), nigerianischer Offizier, ist neues religiöses Oberhaupt der Muslime seines Landes, aber auch für die Muslime in Niger. Er tritt damit die Nachfolge seines bei einem Flugzeugabsturz getöteten Bruders, Sultan Mohammed Maccido, an, wie nigerianische Medien berichteten. Der Sultan und einer seiner Söhne, sowie andere Führer aus Nordnigeria waren auf dem Rückflug in die Hauptstadt von Sokoto. Das Flugzeug stürzte ab, nachdem es in einen Sturm geraten war. Dies was die dritte Flugzeugkatastrophe Nigerias in kurzer Zeit. Der Vorsitzende des Obersten Rates für Islamische Angelegenheiten (NSCIA), Lateff Adegbite, erklärte: „Wir sind erschüttert durch diesen Flugzeugabsturz. Es hat die Muslime ohne Führung zurückgelassen.“ Der Sultan galt als ein Mann, der sich in den letzten Jahren um ein Ende der sporadischen Gewalt zwischen christlichen und muslimischen Gruppierungen bemüht hat. Wenn es um bedeutende Angelegenheiten der Muslime des bevölkerungsreichsten afrikanischen Staates

ging, dann wirkte Sultan Maccido als ihr Repräsentant. Der Gouverneur des nördlichen Bundesstaats Sokoto, Attahiru Bafarawa, ernannte den 53-jährigen auf Vorschlag eines muslimischen Ältestenrates. Als Sultan übernimmt Abubakar die religiöse und moralische Führung der Muslime im einwohnerreichsten afrikanischen Land. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Festlegung muslimischer Feiertage wie Beginn oder Ende des Ramadans. In Nigeria machen Christen und Muslime jeweils knapp die Hälfte der 130 Millionen Einwohner aus. Der Norden ist eher muslimisch, der Süden eher christlich geprägt.

Frontmann entlassen Es hat wohl nur wenige Insider der politischen Landschaft in Washington überrascht, dass Donald Rumsfeld, Verteidigungsminister der Bush-Regierung seit ihrem Amtsantritt, nach desaströsen Jahren des US-Engagements seinen Hut nehmen musste. Während das militärische Establishment sich gerade als letzte Alternative überlegt, ob es weitere 20.000 GIs in den blutig zerrissenen Irak schicken soll, hatte sich Rumsfeld seit langem geweigert, die

können. Am 20. Dezember 1983 besuchte Rumsfeld den Irak. Laut der „Washington Post“ ging es damals darum, die „bereits gebesserten Beziehungen zu dem Land weiter zu stärken.“ Die Folgen dieses Besuchs waren nicht nur die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zwischen Bagdad und Washington, sondern Einrichtung von Krediten, Waffenlieferungen und der Austausch von Geheimdienstinformationen. Donald Rumsfeld

Der Komponist und die Namen Allahs

US-amerikanische Truppenpräsenz aufzustocken. Der Hardliner und altgediente republikanische Politiker, der bereits in der Reagan-Regierung im Pentagon diente, erhielt in den letzten Monaten massiven Gegenwind von pensionierten und aktiven Generälen, die seine strategischen Entscheidungen massiv angriffen. Es ist wohl eine historische Ironie, dass die Entlassung des Ministers zeitgleich mit der Verkündigung des Todesurteils gegen den irakischen Ex-Diktator zustande kam. Dabei verbindet die beiden gegensätzlichen Gestalten mehr, als sich die meisten Menschen in Europa vorstellen

Der britische Musiker Sir John Tavener, der allgemeine Anerkennung für seine Komposition zu den 99 Namen Allahs, „Schöne Namen“, erhalten hat, bereitete eine Vorführung derselben für die Westminster-Kathedrale in London vor. Tavener, der zu den bedeutendsten klassischen Komponisten in Großbritannien gehört, nahm ein Album unter dem gleichen Namen auf. Es wurde vor einem Monat in Istanbul der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine Vorführung in der Türkei soll folgen. Tavener ist der Ansicht, dass eine Komposition eines „Westlers“ über die

Yusuf Islam An Other Cup

Medien

CD, Polydor/Universal November 2006 Begleitet von großem Medieninteresse hat Yusuf Islam, ehemals Cat Stevens, am 9.11. sein neues PopAlbum „An Other Cup“ veröffentlicht. Auch in Deutschland wurde dies von fast allen Printmedien und auch vom Fernsehen mit erstaunlich großem Interesse aufgenommen. Nach seinen großen Welterfolgen als Cat Stevens in den 70er Jahren („Morning Has Broken“, Father And Son“, „Wild World“) hatte der Sänger im Jahre 1979 den Islam angenommen, und zugleich den neuen Namen Yusuf Islam. Er beendete seine Karriere, zog sich völlig aus dem Musikbusiness und vom Musikmachen zurück und kümmerte sich fortan um wohltätige Projekte welt-

weit sowie den Aufbau islamischer Schulen in England, wofür er auch die weiterhin fließenden Tantiemen aus den Verkäufen seiner Cat Stevens-Alben verwendete. Seither ist einige Zeit ins Land gegangen, die Weltlage ist auch eine andere geworden, und Yusuf Islam hat seine Einstellung zum Musikmachen geändert. Deutlich wurde diese Veränderung in den letzten Jahren auch optisch: Während er früher in der Regel mit Turban oder Kappe, manchmal auch mit traditionellen muslimischen Gewändern zu sehen war, hat er diese heute gegen „normale“ westliche Kleidung getauscht und trägt Sakko oder auch mal Lederjacke. Schon im letzten Jahr erregte sein Auftritt auf einem Benefizkonzert in Neuss und auch sein Duett mit dem Popsänger Ronan Keating hierzulande ein erhöhtes mediales Interesse. Erst kürzlich hat

Yusuf Islam für sein Wirken den „Man of Peace“-Preis erhalten, der von einem Komitee aus Friedensnobelpreisträgern verliehen wird. Genau genommen hatte Yusuf Islam sein Comeback als Sänger bereits im Jahre 1995 gehabt, mit einer Spoken Word-CD über das Leben des letzten Gesandten, Muhammad, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, bei der er erstmals wieder singend zu hören war, und zwar mit dem historischen Lied über den Propheten, „Tala’al Badru Alayna“, begleitet nur von Handtrommeln. In den folgenden Jahren veröffentlichte er eine ganze Reihe von Alben mit religiösen Liedern, teils zusammen mit anderen Interpreten, denen er dadurch zu größerer Bekanntheit verhalf, wie etwa Zain Bikha oder der Gruppe Raihan. Damit hatte er in der gesamten muslimischen Welt enormen Erfolg und wurde so zum maßgeblichen Wegbereiter der neuen muslimischen Pop-Welle, die heute von Sami Yusuf und anderen weitergeführt wird. Doch blieb, bei allem Erfolg, das Publikum doch überwiegend ein muslimisches; von der nichtmuslimischen Medienwelt und dem nichtmuslimischen Publikum wurde all dies kaum zur Kenntnis genommen oder aber es stieß auf wenig Interesse. Mit dem neuen Album ist dies nun ganz anders. Nicht nur hat Yusuf Islam wieder zur Gitarre gegriffen und Songs mit musikalischer Begleitung komponiert, auch wurde „An Other Cup“ bei Polydor/Universal veröffentlicht, einem der größten Konzerne der Musikbranche, hat damit erheblich größere Möglichkeiten der Verbreitung und Werbung und ist so potenziell einem viel größeren Publikum zugänglich. Hinzu kommt ein deutlicher Imagewechsel: Auf dem neuen Album, auf dessen Cover er sich übri-

gens nur „Yusuf“ nennt, hat Yusuf Islam sämtliche offensichtlich islamischen Begrifflichkeiten in den Texten vermieden; die nach wie vor natürlich vorhandenen islamischen Inhalte kommen dezent und eher indirekt herüber. Im Beiheft der CD finden sich neben Zitaten vom Propheten Muhammad und von Rumi auch solche aus dem Zen-Buddhismus oder aus westlichen Quellen. Mit dieser Herangehensweise hat Yusuf Islam nun die Möglichkeit, ein viel größeres, auch nichtmuslimisches Publikum zu erreichen und ihnen den Islam positiv zu zeigen, was in den letzten Jahren leider durch all die verbreiteten Negativbilder, Klischees und Verzerrungen ohnehin noch schwieriger geworden ist als zuvor. Um einmal einen Vergleich zu bemühen: Ein christlich orientierter Interpret wie Xavier Naidoo hätte vermutlich auch weniger Erfolg beim heutigen Publikum, wenn er in seinen Texten sehr viel offensichtlicher christliche Inhalte bringen würde als er dies tut. Nach einem eher verhaltenen Eröffnungstrack folgt auf "An Other Cup" mit „Heaven/Where True Love Goes“ der wohl eingängigste, hittauglichste Song des Albums. „The Beloved“, ein Lied über den Propheten Muhammad - auch wenn dessen Name darin kein einziges Mal erwähnt wird - beginnt mit einer klassisch-osmanischen Rohrflöte, geht dann in chinesisch-ostasiatisch anmutende Klänge über, um dann im Refrain von britisch-irischen Folk-Sounds getragen zu werden und zu all dieser Vielfalt kommt noch der berühmte Youssou N’Dour aus Senegal als Gastsänger, der eine afrikanische Note einbringt. Eine schöne Idee, die Universalität der Botschaft, die der Prophet überbracht hat und die eben keine „orientalische Kultur“ ist, zu versinn-

Namen Allahs eine interessante Erfahrung für die türkische Gesellschaft sein werde. Tavener, einer der reichsten Musiker in England, lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in einem einfach eingerichteten Bauernhaus im südenglischen Dorset. Gefragt, warum er als Christ Musik über die 99 Namen Allahs komponiert habe, antwortete Tavener: „Gottes 99 Namen sind sehr schön. Der Prophet sagte, dass Gott schön ist und Er Schönheit liebt. Die arabische Aussprache der Namen und ihre Bedeutungen beeinflussen mich sehr. Mein Arabisch ist sehr schlecht, aber all diese Namen sind sehr schön.“

Kritikerin aus Berlin Der Kompromiss über die Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge sei nach Ansicht der migrationspolitischen Sprecherin der LINKENFraktion, Dagdelen, dürftig. Eine Bleiberechtsregelung sei jedoch kein Gnadenakt, sondern sie müsse auf entsprechenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Anwendung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) basieren.

bildlichen. Im Artwork des Albums steht das Motiv des Teetrinkens im Vordergrund, vielleicht wie der Titel auch in Anspielung auf eines der erfolgreichsten Cat Stevens-Alben, „Tea For The Tillerman“. Und das Poster mit der Aufschrift „The Return of Ziryab“ - in Anspielung auf den berühmten muslimischen Musiker aus dem alten Andalusien, der vor allem für sein Beherrschen des Saiteninstruments und dessen Weiterentwicklung bekannt wurde vor dem Yusuf Islam auf dem Backcover sitzt und das sich auch im Beiheft wieder findet, verdeutlicht, in welcher Tradition Yusuf sich mit seinem neuen Album sehen möchte. Insgesamt ein - von einigen rhythmischen Ausflügen abgesehen - sanftes, besinnliches Album mit Texten, die zu lesen sich lohnt. Musikalisch ist es vielleicht nicht spektakulär, aber ausgereift und qualitativ hochwertig; vielleicht eher etwas für reifere Jahrgänge als für Teenies, obwohl es auch für dieses Publikum eine Alternative zum sonst gehörten darstellen könnte. Und Muslimen, die seine vorherigen Yusuf Islam-Alben mögen, aber durchaus auch an alten Cat StevensSongs Gefallen finden, dürfte „An Other Cup“ sicher ebenso gefallen. In einem Interview zu seinem Comeback, das auch im deutschen Fernsehen zu sehen war, antwortete Yusuf Islam auf eine typische Frage sinngemäß: „Im Islam geht es nicht um Kopftuch oder Schweinefleisch, sondern um eine Lebensweise, welche aus einer Quelle stammt, die nicht angezweifelt werden kann.“ Man kann ihm zu seinem neuen Album nur wünschen, dass er damit und mit seiner Botschaft so viele Menschen wie möglich erreichen möge. (Von Yasin Alder, Bonn)


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