Elisabeth Strässle Derborence Malerei und Zeichnungen

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Elisabeth Strässle Derborence. Malerei und Zeichnung Kunstmuseum Solothurn

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Sibylle Omlin Derborence Zur neuesten Werkgruppe von Elisabeth Strässle

«Es war eine Stelle, wo früher die Felswand hervorgetreten und unter einer Eislast voller Gletscherblöcke übergehangen war: und man sah, dass jetzt an der Stelle des Vorsprungs eine Einbuchtung war, das Konvexe war nun konkav geworden. Der vortretende Fels war einer breiten, sehr steilen Runse gewichen, deren Inhalt sich in einemmal auf die Weide ergossen hatte, so dass sie keine Weide mehr war, auf ihre Bewohner, so dass sie da nicht mehr wohnten, auf das, was gelebt hatte, so dass es zu leben aufhörte. Da war jetzt nirgends mehr etwas anderes als die Reglosigkeit und die Stille des Todes.» 1 Im Juni 2015 steigt eine Frau über die felsigen Brocken im Talkessel von Derborence hinweg. Sie trägt Jeans, Wanderschuhe und einen Anorak. Ab und zu zieht sie einen Notizblock aus der Tasche und zeichnet schnell. Es ist kühl für die Jahreszeit. Ihre Augen wandern wachsam über die Gesteine. Hier ist der Kegel der Schuttmassen am dichtesten. Grosse Felsstücke, Blöcke. «Shapes» nennt die Frau die Formen für sich. Als der Schatten fällt, beschliesst sie, umzukehren und ein anderes Mal wiederzukommen.

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Am 23. September 1714 löste sich ein riesiger Teil des Felsens unter

wie Derborence von Charles Ferdinand Ramuz. Der 1934 erschienene

dem Gletscher von Diablerets, an einem Ort namens Derotchieu. Die

Roman handelt von einem Liebespaar auf der verschütteten Alm. Die

Bruchstelle kann man heute noch sehr deutlich sehen. Der grösste Teil

Geschichte, die sich zwischen dem Dorf im Tal und der darüberliegen-

dieser Felsmassen landete auf der linken Seite des Flusses im Talkessel,

den Alm, zwischen dem verschütteten und zurückgekehrten Antoine

der Rest breitete sich auf der rechten Seite weiter unten bis zum Vallon

und seiner Frau Thérèse entspinnt, wird von eindringlichen Landschafts-

de Cheville aus, 1500 Meter ü. M. Er ergoss sich in Form eines Kegels

bildern umrahmt.

zwischen den Weiden von Derborence und Godey, auf einer Breite von über 1800 Metern. Der grösste Teil des Felssturzes blieb an dieser Stelle

«Derborence, das ist zunächst ein Stück Winter, das uns mitten im Som-

liegen; nur eine kleinere Menge Gestein rutschte durch den engen Teil

mer entgegentritt, denn der Schatten verweilt dort fast den ganzen Tag,

des Tals ab und hielt auf etwa 1100 Höhenmetern, auf einer Länge von

und hält sich noch, wenn die Sonne am höchsten steht. Und man sieht,

insgesamt fünf Kilometern.

dass es da nur noch Steine gibt, Steine und nochmals Steine. […] Die Sonne, die teilweise auf [dem Felsen] liegt, färbt ihn noch auf verschie-

Es wurde geschätzt, dass die Dicke dieser Felsenmassen zwischen Go-

dene Weise, denn eine der Bergketten wirft ihren Schatten auf die an-

dey und Derborence etwa 100 Meter beträgt. Die Schäden waren be-

dere, die Kette im Süden wirft ihren Schatten auf die Kette im Norden:

trächtlich. Nach dem Zeugnis eines örtlichen Priesters aus Ardon wurden

man sieht, ganz oben sind die Wände gelb wie reife Trauben und rot wie

55 Chalets und vierzehn Menschen unter den Trümmern begraben, und

Rosen. […] Etwas liegt hier überall zwischen dem, was lebt, und uns

nur fünf Menschen wurden gerettet. Der Pfarrer kam zwei Tage nach der

selber. Das ist zunächst wie Sand, ein Kegel, mit der Spitze halb in die

Katastrophe zu der Unglücksstelle, um die «Teufel der Berge» zu exorzie-

Nordwand verstrebt; und von dort aus, überall zerstreut wie Würfel aus

ren. Ein zweiter Steinschlag ereignete sich 1749 an derselben Stelle. Die

dem Becher, wirkliche Würfel, Würfel von allen Größen, ein viereckiger

Masse der Felsen rutschte auf der rechten Seite tiefer ab, wo der See von

Block, noch ein viereckiger Block, Blöcke aufeinander, hintereinander,

Derborence zu entstehen begann. Die Leute, die sich in jenen Sommer-

kleine und große, so weit man sieht.» 2

monaten in diesem Berggebiet in den Alpen aufhielten, konnten sehen, wie die Felsen zu beben anfingen, und deshalb konnten sie sich und ihre

Auch Elisabeth Strässle hat das Buch von Ramuz gelesen. Sie ist in die-

Tiere in Sicherheit bringen. Diesmal wurden 40 Chalets und Alphütten

ses Tal hinaufgefahren, weil sie mehr wissen wollte. Von Antoine. Und

verschüttet, aber keine Menschenleben gingen verloren.

von dem, was er in den verstreuten Felsmassen erlebt hatte. Unter dem

An den Ufern des Sees und auf den Geröllhalden von Derborence hat

Stein, aus dem er zwei Monate nach dem Bergsturz von 1719 heraus-

sich der jüngste Urwald der Schweiz herausgebildet, welcher heute

gekrochen war und sich einen Weg ins Tal gesucht hatte, zurück zu den

noch in seiner Ursprünglichkeit anzutreffen ist und unter Schutz steht.

Menschen. Das war nicht ganz einfach für Antoine. Elisabeth Strässle,

Durch die schlechte Erreichbarkeit und die Siedlungsgeschichte des Tals

die Künstlerin, wollte sehen und – so hoffte sie – verstehen. Sie stieg in

wurde der Wald nur vereinzelt bewirtschaftet und zu grossen Teilen seit

Gerlafingen in den Zug und fuhr mit Bahn und Bus ins Val Derborence.

annähernd dreihundert Jahren der Natur überlassen.

Wenige Skizzen sind entstanden. Grob gezogen mit einem Bleistift oder einem Stück Kohle. Wie die Zeichnung einer Geologin. Auf einem klein-

Die Katastrophe wurde in verschiedenen Berichten, Erzählungen und

formatigen Blatt Papier. Elisabeth Strässle scheint mit wenigem auszu-

auch Filmen festgehalten, doch nichts berührt die Menschen so sehr

kommen.

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Es ist ein nebliger Tag, als ich Anfang des Jahres zu Elisabeth Strässle

Gestein von unten sehen. Ein dichtes Blau, ein Grün. Auf dem Weiss der

nach Gerlafingen reise. Fast keine Farben in der Landschaft ausser Grau,

Leinwand platziert. Wenn ich diese Bilder anschaue, denke ich nicht un-

Braun, ein bisschen Schwarz. Es ist Winter. Im Atelier der Künstlerin

bedingt an ein gebirgiges Tal, sondern an Wiesen und an den Himmel.

sind drei grosse Malereien in Arbeit, eine direkt an die Wand gepinnt.

Nach und nach tauche ich als Betrachterin in die Farbe ein, sehe wolkige

Sie zeigt mir weitere Leinwände, auf Holzrahmen aufgespannt. Die Far-

Strukturen, fahre mit den Augen dem Rand der Form nach, die oft aus-

ben direkt, hell. Monochrome wolkige Flächen werden auf die weisse

franst, wie verweht wird. Etwas bricht ab, der Pinselstrich läuft aus. Die

Leinwand gesetzt. Von der Mitte der Leinwand her entwickelt. Die beim

Brüche von Stein in der Berglandschaft, das Ineinandergleiten von Licht

Malen entstehenden Flächen bestimmen das Bild, seine Komposition.

und Schatten zwischen den Felsbrocken, die heute in der Landschaft

Die Farbe wird mit kleinen Strichen aufgetragen. Alla prima. Die Künst-

von Derborence von einer grünen Grasnarbe bedeckt sind. Die Struktur

lerin arbeitet von der Mitte des Bildformats aus, in einer Schicht. Wenn

im Gestein, kleinste flirrende Splitter und Körner im karstigen Kalk. Das

die Striche enger zusammenrücken, wird die Farbe dunkler. Selten kom-

Weiss der Leinwand ist eine Leere. Ein Nichts.

men mehrere Schichten auf der Leinwand zu liegen. Das einfarbige Malen auf Weiss schafft eine schwebende Atmosphäre im Bild. Die farbige

«Alles wurde grün: das Gras kommt wieder hervor; das ist, wie wenn der

Fläche hat keine bestimmte Form. Sie überquert das Bild horizontal, ab

Maler zuerst die grüne Farbe hätte von dem Pinsel tropfen lassen, und

und zu auch von oben nach unten. Die Ränder der Form: Sie beschäf-

die Tropfen flößen dann ineinander. Ah! Derborence, du warst schön, du

tigen mich. Das ist nicht oft zu sehen in der zeitgenössischen Malerei,

warst schön in jener Zeit, wenn du dich schmücktest von Ende Mai an,

eine solche Art von Monochromie.

für die Männer, die kommen würden.» 3

Das Atelier ist gross, zwei Räume, die L -förmig aneinanderstossen. Das

Mehrmals ist die Künstlerin zwischen 2015 und 2017 nach Derborence

Licht kommt von oben durch grosse Shed-Fenster. Der Raum gehört

gekommen, vor allem im Juni und Juli. In dieses stille Tal, das nur im

zu einem ehemaligen Gebäude der Eisenindustrie am Jura-Südfuss und

Sommer überhaupt befahrbar ist. Im Herbst liegt dort sehr viel Schat-

beherbergt verschiedene Mieter. Elisabeth Strässle ist nach ihrer Rück-

ten. Im Winter ist die Fahrstrasse, die erst seit 1960 besteht, gesperrt.

kehr aus New York in die Heimat gezogen, in den Kanton Solothurn,

Lawinenniedergänge und ihre Kegel machen den Zugang schwierig.

und hat diesen Ort gefunden, an dem seit zwanzig Jahren ihre Werke

Ab und zu lässt sich ein Bewohner samt Vorräten einschneien und über-

entstehen. Es gefällt ihr, hier zu arbeiten, neben der lärmigen Industrie,

wintert im Talkessel. Im März sieht man die ersten Spuren von Menschen

die in der Schweiz so fast nicht mehr besteht oder zu sehen ist. Es ist

auf der noch gesperrten Strasse. Im Sommer sind ein paar Touristen,

Schwerstarbeit, Eisen zu schmelzen, zu giessen, zu bewegen. Die Ge-

Wanderer und Motorradfahrer dort. Und die Alpbesitzer oben im Tal, ja,

räusche auf dem Areal gehören dazu.

die gibt es immer noch. Das Wallis kennt diese uralte Form der «Transhumance» der Gebirgsvölker: Die Menschen besitzen hier meist eine

Die Künstlerin malt vorwiegend ohne Gegenstand, was nicht heisst, oh-

Wohnung im Tal und ein «Mayen» (Maiensäss) im Gebirge. Im Sommer

ne Thema zu arbeiten. Im Jahr 2017 entstanden Bilder zu Derborence,

ist ein ständiges Kommen und Gehen zwischen Wohnort und Chalet

welche die Gesteinsbrocken vom Felssturz zum Inhalt haben. Sie wollte

oder «Mayen». Auch Elisabeth Strässle hat ihren Ort in Derborence

verstehen, was man nach dem Bergsturz in der Landschaft von Der-

gefunden. Immer wieder ist sie auf demselben Felsbrocken im Schat-

borence erleben konnte. Was Antoine gesehen hat in seiner Felshöhle.

ten einer mannshohen Birke gesessen und hat ihr selbst mitgebrach-

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tes Picknick ausgebreitet. «Sehr wahrscheinlich erkennst du die Stelle,

Sich-Findens in der Form. Der Pinsel kratzt auf dem Untergrund. Oder er

nahe am See, wo die Felsbrocken lose im Aufschwemmland und dem

hört einfach auf, im Weiss zu malen. Die Künstlerin will den Pinsel nicht

Birkenwald herumstehen.»

weiterziehen, da es in der Farbe noch Dinge zu benennen gibt. Dichte, widerstrebende Striche. Die Ränder der gemalten Form sind somit Er-

Das Tal von Derborence liegt zwischen zwei verschiedenen Klimazonen.

gebnisse – faserige Striche oder einfach Haltestellen – in einem Prozess,

Der untere Teil des Tales, beeinflusst durch das mittlere Rhonetal, wird

in dem sich die Malerin bewusst wird, was sie in Derborence gesehen

trocken und heiss; und der obere Teil, durch das Unterwallis, ist bereits

hat. Elisabeth Strässle nennt in diesem Zusammenhang im Gespräch die

etwas klamm und atlantisch. Die feuchten Luftmassen drängen über

Figur von Antoine, dem Hirten aus Derborence, der nach zwei Monaten

den Pas de Cheveille und die Diablerets-Kette. Auch geologisch ist diese

Verschüttetsein einen Weg aus den Felsbrocken heraus gefunden hat

Gegend zwischen zwei Zonen zu liegen gekommen. Die Entstehung die-

und einen Weg zurück ins Dorf. Dieser Weg Antoines war keine schnur-

ser Berge begann vor 154 Millionen Jahren auf dem Grund eines heute

gerade Strasse, sondern ein langsames und widersprüchliches Schrei-

verschwundenen Ozeans, den Geologen Tethys nennen. Am Boden die-

ten zwischen den Felsbrocken. «Wo bin ich?», fragt sich Antoine immer

ses tropischen Ozeans, der damals Europa von Afrika trennte, wurden

wieder in diesem von Gesteinstrümmern überzogenen Landstrich.

biologische Stoffe und Meeresgetier nach und nach abgelagert und in Gestein umgewandelt. Kalk und Mergel haben sich in einer Mächtigkeit

Derborence. Terre inutilisable nennt Elisabeth Strässle ihren Malerei-

von mehr als einem Kilometer angesammelt.

zyklus. Die Ansicht und die Komposition einer Landschaft interessieren Elisabeth Strässle nicht. Landschaft ist für sie ein Prozess, den sie erle-

Dieser Übergang, in dem die Landschaft um Derborence liegt, ist indi-

ben und verstehen kann. Damit befindet sie sich in einem Kontext von

rekt auch ein Thema von Elisabeth Strässles Malerei. Sie setzt die Farb-

Landschaftskunst, in der Landschaft vor dem Hintergrund eines psycho-

fläche auf einen weissen Untergrund, eine leichte Kalkgrundierung auf

geografischen oder wissenschaftlichen – vor allem geologischen – Inte-

der Leinwand. Ich bin unsicher, als was ich diesen Grund bezeichnen

resses auftaucht.

soll. Ist es eine neutrale Fläche? Ein einfacher Grund? Ist es schlicht ein

Die Landschaft von Derborence ist für Elisabeth Strässle ein Untersu-

Bildträger, auf dem sich die Farbe möglichst ohne Fremdeinfluss ent-

chungsfeld, das eher das Innere des Menschen auslotet als das Äussere

wickeln kann? Elisabeth Strässle bezeichnet den Bildträger – wie viele

der naturhaften Formen. Als die Künstlerin noch in New York lebte, ging

andere Maler – als eine verheissungsvolle Experimentierfläche für das,

sie gerne in die Dioramen und naturhistorischen Museen, um zu sehen

was sie in der Landschaft gesehen hat. Das Weiss des Untergrunds ist

und zu zeichnen. Die Elemente der Natur im Museum begreifen. Isoliert,

für die Malerin eine Leere, eine Lücke zwischen den Felsbrocken, zwi-

als Teil von thematischen Ausstellungsgruppen. Der Gang in die Natur

schen der Farbe. «Ein Nirvana», wie sie sagt. Darauf soll sich das ent-

hinaus ist für Elisabeth Strässle eigentlich nicht unbedingt Methode

wickeln, was sie gesehen hat an Farbe und Form in Derborence. Sie ist

zum Malen: Sie versteht sich nicht als Pleinair-Malerin. Ihr ist das The-

zwischen den massiven Felsbrocken gestanden. Ein räumliches Erleb-

ma der Landschaft als Sujet nicht wichtig. Die Farben, die sie in ihr fin-

nis. Doch wie bringt sie dies zu Papier? Auf die Leinwand? Sie liebt die

det, interessieren sie. Sie geht mit einer Art Behutsamkeit, Neugier und

einfachsten und direktesten Wege. Sie beginnt, von der Mitte aus zu ma-

auch Einfachheit an die Bildfindung heran, voller Aufmerksamkeit für

len; die Ränder der Form ergeben sich im Anhalten, Aufhören, Stoppen

Atmosphären, innere Stimmungen, die sich auch bei der Betrachtung in

vor dem Rand des Bildformats. Der Rand der Form trägt die Spuren des

einer Landschaft finden.

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Die Farbfläche auf der weissen Leinwand vergrössert sich, fasert aus, setzt eine grosse Ecke in eine bestimmte Richtung, fliesst über den Rand der Leinwand hinaus. Die Begrenzung zwischen Farbe und Grund bildet einen Übergang, dem entlang verschiedene Stufen ablesbar sind. Harte Linien, weiche Kontur, der Pinsel fährt einfach irgendwo hin. Der Bewegung muss gefolgt werden. Es ist wie in der Natur. Es regnet und schneit, der Stein wird nass, trocknet wieder, feinste Elemente von Quarz oder Glimmer werden vom Wind weggetragen, ins Grün der Wiese hinein. Zwischen die Alpenblumen, auf das Fell einer weidenden Kuh. Man weiss es nicht genau. Aber kann es im Machen und Sehen erahnen. Elisabeth Strässle nimmt das niederländische Blau oder das Grün und presst es aufs Bild. Sie will erfahren, wie es sich mit dem Weiss des Untergrunds verbindet. Es kann ein sehr helles, wolkiges Blau werden oder ein sattes Grün. Ich kann damit aber keine Gegenstände verbinden, keinen Himmel, keine Wiese. Ich sehe die Materialität der Farbe, die der Leinwand, die sich zusammen im Gleichgewicht halten. Farbe und Leere stehen gleichberechtigt nebeneinander. Das Nirvana, so interpretiere ich den von Elisabeth Strässle genannten Begriff, ist in der asiatischen Philosophie ein Zustand von Loslassen und Leerwerden. Und die Ränder ihrer Bilder erzählen mir, dass ein Tagwerk beendet werden kann, indem die Künstlerin die Leinwand nach hinten umschlägt. Dies hat eine eigene Poesie.

1) Charles Ferdinand Ramuz, Derborence. Aus dem Französischen von Hanno Helbling, Zürich: Limmat Verlag 1987, S. 67. 2) Charles Ferdinand Ramuz, ebenda, S. 16ff. 3) Charles Ferdinand Ramuz, ebenda, S. 18.

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Derborence, 2017, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm


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Pâturage alpestre, 2018, Öl auf Leinwand, 135,5  ×  115 cm


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Enteisung, 2017, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm


Tag I, 2016, Bleistift auf Aquarellpapier, 45  ×  37,5 cm

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Tag II, 2016, Bleistift auf Aquarellpapier, 45  ×  37,5 cm


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Tag III, 2016, Bleistift auf Aquarellpapier, 45  ×  37,5 cm


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Tag IV, 2016, Bleistift auf Aquarellpapier, 45  ×  37,5 cm


Tag V / VII / VIII / IX, 2016, Bleistift auf Aquarellpapier, je 45  ×  37,5 cm

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Tag X / XIII / XVI / XIX, 2016, Bleistift auf Aquarellpapier, je 45  ×  37,5 cm


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Terre inutilisable I, 2018, Öl auf Leinwand, 135,5  ×  115 cm


Terre inutilisable II, 2018, Öl auf Leinwand, 135,5  ×  115 cm

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Terre inutilisable III, 2018, Öl auf Leinwand, 135,5  ×  115 cm


Terre inutilisable IV, 2018, Öl auf Leinwand, 135,5  ×  115 cm

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Terre inutilisable V, 2018, Öl auf Leinwand, 135,5  ×  115 cm


Runse I, 2018, Öl auf Leinwand, 135  ×  117 cm

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Runse II, 2018, Öl auf Leinwand, 135  ×  117 cm


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Geröll I / II, 2016, Bleistift auf Papier, je 20,5  ×  29,3 cm


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Geröll III / IV, 2016, Bleistift auf Papier, je 20,5  ×  29,3 cm


Geröll V / VI, 2016, Bleistift auf Papier, je 20,5  ×  29,3 cm

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Geröll VII / VIII, 2016, Bleistift auf Papier, je 20,5   ×  29,3 cm


Christoph Vögele Terre inutilisable Zur Verbindung der Medien im Schaffen von Elisabeth Strässle

«Und Elisabeth kauft sich wieder Papier und will immer noch nicht eine Künstlerin werden: Nur arbeiten. Sie hat nun nichts mehr zu beweisen, nichts mehr zu erzählen, nichts mehr zu beklagen. Sie hat nur noch Blätter zu füllen, und sie füllt diese Blätter mit sich selbst.» Peter Bichsel, Die ungeschriebenen Briefe der Elisabeth Strässle 1

Elisabeth Strässle kennt den französischen Begriff terre inutilisable aus dem Roman Derborence von Charles Ferdinand Ramuz (1878 – 1947), der ihre Besuche im gleichnamigen Walliser Bergsturz-Gebiet motiviert und ihre neuesten Werke inspiriert hat. Die Bezeichnung benennt Teile der Erdoberfläche, die dem Menschen keinen Nutzen (mehr) bringen, also weder zum Wohnen noch zum Bewirtschaften oder Ausbeuten taugen. Die einsame Welt der terre inutilisable, allen offen stehend und doch niemandem dienend, erinnert an Elisabeth Strässles Kunst, die intuitiv und aus grosser Freiheit entsteht. Schon Peter Bichsel hat 1981 über ihre Zeichnungen geschrieben: «Elisabeth Strässle hat sich den Luxus geleistet zu arbeiten, sinnlos und ziellos zu arbeiten. Was hier vorliegt, das ist eine Produktion. Wer nicht bereit ist, Arbeit dahinter zu sehen, für den

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ist es eine sinnlose Produktion.» 2 Die mit Bedacht gewählte, ansonsten für Industrie und Wirtschaft verwendete Bezeichnung betont den ursprünglichen Wortsinn des Hervorbringens. Elisabeth Strässle wendet sich entschieden vom Anspruch des Abbildens ab, um anhand von Erinnerungen ihre eigenen «inneren» Bilder zu «produzieren». Mit der zeitlichen Abfolge von Erleben und Erinnern geht eine Konzentration einher, mit der sie das Wesen und Wesentliche der Dinge sucht. In der kontinuierlichen Arbeit des Zeichnens und Malens bietet sich der Künstlerin eine Entsprechung zum Hervorholen des Erlebten. Die Erinnerung lebt wie der künstlerische Prozess im Hier und Jetzt. Auch wenn sie sich auf Vergangenes bezieht, dient sie einer Vergegenwärtigung. Die aus dem Erinnern geschaffenen, offenen Werke von Elisabeth Strässle regen die Betrachter wiederum zu eigenen Erinnerungen an – und werden ihnen als Projektionsfläche zu einem «fruchtbaren Boden». Zeichnen: Suchbewegungen Elisabeth Strässle ist eine genuine Zeichnerin. Zu den wichtigsten frühen Präsentationen gehört eine grosse internationale Zeichnungsausstellung in Portugal, in der sie 1981 ihre Blätter neben anderen bedeutenden Schweizer Zeichnerinnen und Zeichnern wie Martin Disler, Marianne Eigenheer, Gilgian Gelzer oder René Zäch zeigen konnte. 3 Aus demselben Jahr stammt eine frühe Zeichnung aus New York, die das Skelett eines Affen aus dem American Museum of Natural History zeigt (S. 43). Dem damaligen Zeichenstil, mit dem sie «das vage Einfangen eines Gegenstandes» 4 übt, ist sie bis heute treu geblieben. Vergleichbare Zeichnungen auf Papier oder Leinwand, die Affen- und Elefanten-Skelette zeigen, sind zwischen 2010 und 2014 (S. 68,  69) entstanden und nun von Besuchen im Naturhistorischen Museum Basel inspiriert. Der feine Strich, mit dem sie die Skelette behutsam erfasst, scheint deren Fragilität zu respektieren, ja diese gleichsam zu verlebendigen. Obwohl sie den abstrakten Strukturen und der Gesamtform besondere Beachtung schenkt, wirken die Motive räumlich. Die Skelette, welche die Künstlerin mit Bleistift auf Papier oder als Pinselzeichnung auf Leinwand setzt, gehen trotz ihrer behutsamen Erfassung im leuchtenden

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Der Affe, 1981, Bleistift auf Papier, 41,5  ×  6 0 cm


Weiss der Bildgründe nicht unter und lassen an ihre einstigen Körper denken. Die entsprechenden Bilder und Zeichnungen mögen den nüchternen Geist naturwissenschaftlicher Museen reflektieren, die stete Wiederholung derselben Motive das zeichnerische Gebot des «Nulla dies sine linea» bestätigen, letztlich aber fügen sich Elisabeth Strässles Werke von Tier-Skeletten in die lange Tradition des «Memento mori» ein – nicht zuletzt, weil sie den Tieren, die sie an Menschen erinnern, 5 so innig zugeneigt ist. Elisabeth Strässle verbindet das Zeichnen mit dem «Beten von Rosenkränzen» 6. Was vorerst abwertend klingt, kann als sprechende, wertfreie Beschreibung eines Arbeitens zwischen bewusster und automatischer Setzung verstanden werden. Gerade das vorübergehende Abgleiten vom Gegenstand lässt Freiraum für Assoziationen und Erinnerungen: «Beider-Sache-Sein» und «Bei-sich-Sein» fallen zusammen. Zeit und Dauer, Sich-Erinnern und Sich-Vergessen spielen dabei eine zentrale Rolle. Es ist bezeichnend, dass die neuesten, vom Bergsturz-Gebiet von Derborence inspirierten Zeichnungen für längere Zeit täglich entstanden sind. Während eine kleinformatige Serie (S. 35 – 39) das karge Gelände wirklichkeitsnaher vor Augen führt und dabei auch Details, wie Gräser, zeigt, sind die grösseren Blätter (S. 18 – 25) abstrakter gezeichnet. Strukturen, Rhythmen, musterartige Wiederholungen sind hier wichtiger als das räumliche Gestalten eines gesehenen Geländes. In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, dass Elisabeth Strässle lange als Textil-Designerin gearbeitet hat. So entschieden sie sich auch später der freien Kunst zugewendet hat, sind doch ihre ästhetischen Grundinteressen für Rapport und Materialität immer noch spürbar. Auch wenn sich die Zeichnungen zuweilen weit von einer herkömmlichen Landschaftsdarstellung entfernen – zumal dort, wo sich aufgrund einer formatfüllenden All-over-Komposition keine Orientierung mehr anbietet –, erinnert sich die Künstlerin beim Betrachten ihrer Arbeiten an die Wege, die sie zwischen den Steinblöcken gesucht und genommen hat. Folgen wir mit unseren Augen den Strukturen ihrer Zeichnungen, so mögen wir ihre Wege gleichsam nachverfolgen – oder eigene finden:

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Der Kleinelefant, 2014, Reisskohle / Graphit / Schwarzsteinstift auf Papier, 40 ×  3 3,5 cm Kanton Solothurn


Zeichnen wie Gehen, Sehen wie Gehen. Es gehört zum Reiz und zur besonderen Qualität dieser Zeichnungen, dass wir bei ihrem Betrachten nie zu einem Ende kommen. Malen: Transparenz und Materialität Für Elisabeth Strässle hat «alles mit der Farbe begonnen» 7. Schon sehr früh spürte sie in sich die Gabe eines besonderen Farbempfindens, die sie auch zu ihrem ersten Beruf als   Textil-Gestalterin motiviert hat. Frühe Ölbilder aus den 1980er Jahren, die an ihrem langjährigen Wohn- und Arbeitsort New York entstanden sind, zeigen eine breite Palette verschiedener Farbtöne. Die Farbflächen sind zeichnerisch strukturiert. Es ist die Zeit der «Jungen Wilden», deren Expressivität sich auch beim Malen in einem gestisch-linearen Duktus äussert. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz wandelt sich die Palette. Nun bevorzugt sie zumeist erdige Farbtöne und interessiert sich für die Möglichkeiten monochromer Malerei. Auffallend ist dabei die Dialektik, in die sich die Malerin bewusst begibt: Während ihre grossformatigen, ungerahmten Tücher Lastesel  (S. 64 / 65) und Der Elefant (S. 66 / 67) in der pastosen, dunkeltonigen Materialität fast zu Objekten werden, sind die mit dem Motivkomplex Derborence verbundenen Gemälde oft so transparent gehalten, dass der weisse Leinwandgrund durch den Farbauftrag leuchtet. Mit Blau und Grün wendet sie sich hier auch neuen Farbtönen zu, die – bei den radikalsten Beispielen – nicht mehr gemischt scheinen. Auch inhaltlich bewegt sich Elisabeth Strässle zwischen den Polen. In ihrer Malerei sucht sie sowohl das Materielle und Körperliche wie auch das Immaterielle, Lichthafte und Geistige. Nie entscheidet sie sich nur für das eine, um stattdessen die Spannung zwischen den Extremen auszuhalten. Bewusst geht sie Risiken ein und nimmt sich Freiheiten heraus: Mit Berufung auf Hannah Arendt will sie als freier Mensch auf einen «Handlauf» verzichten. Der «Touch», die Berührung, ist ihr spürbares Bedürfnis und Anliegen, das sowohl für ihre pastosen wie ihre transparenten Malereien stehen kann: Ihre «Tiere», die sich zu Körpern wölbenden, riesigen Tücher, hat sie so lange mit dem Pinsel berührt, bis aus Leinwand «Haut» wurde – und berührend kann umgekehrt der Zauber ihrer lichten

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Aeschisee 3000 B.C., 1994, Öl auf Leinwand, 153  ×  102 cm Kanton Solothurn


Bilder wirken, in denen sich das Materielle im weissen Nichts auflöst.

der neuesten Derborence-Bilder an Aquarelle. Als Resultate eines medi-

Scheint sich hier der Gegenstand unserem Auge zu entziehen, so wird

alen Transfers können auch die monumentalen Leinwände mit Tiermoti-

er dort zu Gestalt und Wesen, mit unseren eigenen Händen greifbar.

ven verstanden werden. Dabei betont die Künstlerin die Leinwand als Stoff, um ihn als offenes Tuch, als materiell erscheinendes Objekt (statt

Die eingangs als Motto zitierte Textpassage von Peter Bichsel betont

als Bild) erscheinen zu lassen. Im Falle des Elefanten (S. 66 / 67) ist durch

den Wert der Arbeit, die von Elisabeth Strässle oft stellvertretend für

die vielfachen Lasuren tatsächlich eine «dicke Haut» entstanden, die

den Begriff der Kunst verwendet wird. Noch viele Jahre nach Bichsels

trefflich an den Dickhäuter erinnert und dem Betrachter den erwähnten

Aussage von 1981 hat sie sich nicht als Künstlerin gefühlt. Daraus er-

«Touch» suggeriert.

klärt sich wohl auch die Haltung, aus der sie malt und zeichnet: Ohne

Handelt es sich bei den genannten Beispielen um Übertragungen von

vorgefasste, traditionelle Ansprüche schafft sie Anspruchsvolles, ohne

einem Medium ins andere, so hat Elisabeth Strässle schon kurz nach

jegliches Pathos schafft sie «Gefühlsbilder», weil sie vorurteilslos das

ihrer Rückkehr aus New York auch versucht, Malerei und Zeichnung in

sich Entwickelnde zulässt. Das Durchhalten, von dem sie für ihre künst-

demselben Werk miteinander zu verbinden. Von 1994 stammt das Bild

lerische Arbeit spricht, vergleicht sie mit ihren Wanderungen in der Na-

Aeschisee 3000 B.C. (S. 47 ), bei dem sie eine monochrome Malfläche von

Dass sie

verschiedenen Brauntönen mit einer gelblich-weissen Zeichnung kombi-

ihre verschiedenen Werkgruppen auch nach ihrem zeitlichen Arbeitsauf-

niert. Während die Palette das Erdreich eines ursprünglichen Ortes und

wand bemisst, als wären es Spaziergänge, Wanderungen, Tagesmärsche

einer vergangenen Zeit evoziert, können die gezeichneten Strukturen

oder langwierige Expeditionen, ist sprechend. Während sie die riesigen

als Referenz an die betreffende Pfahlbauer-Siedlung gelesen werden.

Tücher körperlich erschöpfen und über viele Tage beschäftigen, schliesst

Elisabeth Strässle wird zu einer malenden und zeichnenden Feld- und

sie die einzelnen Gemälde der Serie Terre inutilisable zumeist an ein

Zeitforscherin, deren künstlerische Motivation im Entdecken, Erinnern

und demselben Tag ab. Im Unterschied zu den «Tieren», die in ihrer we-

und Vorstellen liegt. Die sich zwischen 1996 und 2006 anschliessen-

senhaften Präsenz fortgesetzte Begegnungen ermöglichen, gründen die

den Paneele (S. 56 – 61) sind stilistisch eng verwandt. Auch in dieser

aus der Erinnerung geschaffenen Derborence-Bilder zwingend im Jetzt

langen Reihe von grossformatigen Gemälden verbindet die Künstlerin

eines gegenwärtigen «Flows».

monochrome Fläche und Zeichnung. Manches spricht dafür, dass sie

tur: «Ich gehe allein wandern; ich zeichne und male

allein.» 8

sich beim Zeichnen der urban anmutenden Strukturen an die Grossstadt Mediale Brückenschläge: Transfer und Gleichzeitigkeit

New York erinnert, die sie nach intensiven Lebens- und Schaffensjahren

Zum Besonderen von Elisabeth Strässles Schaffen gehört die Verbin-

verlässt, um sich in einem kleinen Dorf ihrer Heimatregion Solothurn

dung von Zeichnung und Malerei sowie von Malerei und Objekt. Man-

niederzulassen. Der Wechsel ist drastisch – und doch so typisch für den

che Gemälde erinnern an Arbeiten auf Papier. Die grundierte Fläche der

dialektischen Geist, der auch ihr Schaffen bestimmt. Die konzeptuell

Leinwand, deren Weiss sie mit Bedacht wählt, um es hier gebrochen,

anmutende Serie in Braun-, Ocker- und Violett-Tönen endet 2006 mit ei-

dort strahlend einzusetzen, wird zum undefinierbaren Raum, in dem

nem eindrucksvollen Werk, dessen sattes, geschlossenes Schwarz einer

sich die Motive nicht mehr verorten lassen. Ins weisse Nichts platziert

Schulwandtafel gleicht. Die Zeichnung, die wiederum Strukturen einer

und als Einzelform isoliert, müssen sich die Gestalt oder der Fleck be-

städtischen Siedlung unter offenem Himmel suggeriert, liegt wie eine

haupten. Während die oben erwähnten Gemälde von Affenskeletten als

halb schon verwischte Kreide-Spur auf dem dunklen Grund. Ein Bild

Paradebeispiele eines «zeichnenden Malens» auftreten, erinnern einige

des Abschieds, des Loslassens und Vergessens? Manche von Strässles

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Paneelen lassen an Gemälde von Alberto Giacometti denken, die in ähnlicher Weise Farbe und Zeichnung miteinander verbinden. Vergleichbar sind nicht nur die zeichnerischen Suchbewegungen und die Tiefe der Malgründe, sondern auch die Betonung der Bildfläche durch die malerische oder zeichnerische Setzung von «Rahmen». Zeit, Arbeit, Erinnerung Wer aus der Erinnerung arbeitet, der verbindet – im Vergegenwärtigen des Vergangenen – Zeiten. Und wem es gelingt, darüber in jenen «Flow» zu geraten, der uns bei erfüllender Tätigkeit erfasst, wird wiederum bei solcher Gegenwärtigkeit die Zeit (und seine eigene Vergänglichkeit) vergessen. Elisabeth Strässles Schaffen lebt und gelingt dank diesem geduldigen und vertrauensvollen Sich-Treiben-Lassen. Das künstlerische Werk ist ein «Produkt», das wie kein zweites als blosser Lebensbeweis, als Spur dienen kann. Je absichtsvoller solches «Markieren» aber erfolgt, desto wahrscheinlicher ist sein Verschwinden. Es ist der von Elisabeth Strässle im Gespräch immer wieder erwähnte Wert der Freiheit, die sie auch den Betrachterinnen und Betrachtern ihrer Werke ermöglicht. Immer bleiben ihre Zeichnungen und Bilder offen genug, damit wir in ihnen individuelle Wege finden, eigene Vorstellungen erleben können. Mit Beliebigkeit hat dies nichts zu tun. Denn Farbe und Zeichnung sind so lange gesucht, bis sie stimmen, uns in Stimmungen, Räume und Rhythmen ziehen, uns mitnehmen zu unseren eigenen Erinnerungen.

1) Peter Bichsel, «Die ungeschriebenen Briefe der Elisabeth Strässle», in: Elisabeth Strässle – Zeichnungen, Ausstellungskatalog Galerie Medici, Solothurn 1981. 2) Ebenda. 3) Lis’81. Lisbon international show: International exhibition of drawings, Galeria Nacional de Arte Moderna Belém, 1981. 4) Aussage von Elisabeth Strässle auf ihrer Homepage: www.elisabethstraessle.ch, Kapitel II. Von der Zeichnung zum Gemälde. 5) Elisabeth Strässle im Gespräch mit dem Autor, 2. März 2018. 6) Ebenda. 7) Ebenda. 8) Ebenda.

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Ohne Titel, 2008, Öl auf Fahnenstoff, 95  ×  70 cm


Der Kobold II, 2006, Öl auf Leinwand, 95  ×  70 cm

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Der Kobold IV, 2006, Öl auf Leinwand, 95  ×  70 cm


Weisser Zwerg, 2008, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm Kanton Solothurn

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Rapunzel, 2008, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm


Paneel, 2000, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm

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Paneel, 1997, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm Kunstmuseum Solothurn, Depositum des Kunstvereins Solothurn


Paneel, 1999, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm

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Paneel, 2001, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm


Paneel, 1996, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm

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Paneel, 2006, Öl auf Leinwand, 155 × 105 cm


Falknerei / Habicht, 2011, Kohle auf Papier, 101 × 78 cm Falknerei / Falke, 2011, Kohle auf Papier, 101 × 78 cm

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Nächste Doppelseite: Lastesel, 2017, Öl auf Leinwand, 235 × 360 cm Übernächste Doppelseite: Der Elefant, 2013, Öl auf Leinwand, 228 × 352 cm


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Affe im Schaukasten VII, 2010, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm

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Affe im Schaukasten V, 2010, Öl auf Leinwand, 155  ×  105 cm


Elisabeth Strässle Biografie ab 1996 1977 – 96 1974 – 77 1969 – 74 1965 – 69 1948

in Derendingen, Atelier in Gerlafingen in New York in Paris Textildesignerin in Zürich Werkkunstschule Krefeld / Kunstakademie Stuttgart geboren in Solothurn

Auszeichnungen 1994 Anerkennungspreis der Regiobank, Solothurn 1990 Preis des Kantons Solothurn für Malerei 1989 Aufenthaltsstipendium in Rom, Istituto Svizzero di Roma 1986 Gute Form 1986, Bundespreis der Bundesrepublik Deutschland 1967 Jahresstipendium der Kunstakademie Stuttgart 1965 Jahresstipendium der Werkkunstschule Krefeld Einzel- und Doppelausstellungen 2016 Freitagsgalerie Imhof, Solothurn 2015 Selz Art Contemporain, Perrefitte 2012 Sunday Every Sunday, NäijereHuus, Hersiwil 2010 Galerie Rössli, Balsthal Die Besetzung einer Farbe – Kobaltviolett, Galerie Ursula Huber, Basel 2006 Galerie Ursula Huber, Basel 2003 Galerie Rössli, Balsthal c/o Suti Galerie & Edition, Bern 2002 Galerie Ursula Huber, Olten 2001 Kunstraum 4. Stock, Solothurn 1993 Galerie Medici, Solothurn 1988 Todd Capp Gallery, New York 1987 Todd Capp Gallery, New York 1986 Trudelhaus, Baden 1985 Todd Capp Gallery, New York 1984 Galerie Medici, Solothurn 1982 Swiss Center, New York 1981 Galerie Medici, Solothurn Gruppenausstellungen 2013 Mannheim – Solothurn, Stadtgalerie Mannheim und Kunstmuseum Solothurn 2009 Ex-voto, Ancienne Eglise du Noirmont, Le Noirmont 2005 Université de Haute-Alsace, Mulhouse Schloss Wartenfels, Lostorf Innenwelten – Aussenwelten. Dem Ich auf der Spur, Kulturforum, Laufen 2004 Offene Augen – geschlossene Lider, Schloss Wartenfels, Lostorf Kunst Zürich (Galerie Ursula Huber), Zürich 1999 ch-edition 4, Reithalle, Solothurn 1994 Aussenwelten – Innenwelten. Landschaft in zeitgenössischer Kunst, Kantonales Kulturzentrum Palais Besenval, Solothurn 1990 Between Two Worlds, Crédit Suisse, New York 1987 Goethe-Institut, New York Swiss Center, New York 1986 Todd Capp Gallery, New York Swiss Center, New York Schweizerische Bankgesellschaft, Hauptsitz, Zürich 1985 Todd Capp Gallery, New York Swiss Center, New York 1984 Bank Julius Baer, New York 1982 Condeso / Lawler Gallery, New York 1981 Rutgers National 81, New Jersey Internationale Zeichnungsausstellung, US 81, Lissabon mehrmals Jahresausstellung des Kunstvereins Solothurn, Kunstmuseum Solothurn Werke in öffentlichem Besitz und / oder öffentlich zugänglich Chermayeff & Geismar Associates, New York – Gemeinde Bettlach – Kanton Solothurn Kunstmuseum Solothurn – Kunstverein Solothurn – Stadt Solothurn – Union Bank of Switzerland, Securities Collection, New York

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Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung Elisabeth Strässle: Derborence. Malerei und Zeichnung im Kunstmuseum Solothurn, 28.4. bis 22.7.2018 Ausstellung Idee und Konzept: Elisabeth Strässle, Christoph Vögele Assistenz: Robin Byland Sekretariat: Christine Kobel Aufbau: Til Frentzel mit Jürg Dreier und Daniel Trutt Publikation Konzept und Gestaltung: Elisabeth Schwarzenbeck Texte: Sibylle Omlin, Christoph Vögele Redaktion: Robin Byland, Christoph Vögele Lektorat und Korrektorat: Martina Buder Bildbearbeitung: Ast & Fischer, Wabern Druck und Bindung: Kösel GmbH, Altusried-Krugzell / Deutschland Verlag: Verlag für moderne Kunst, Wien / Österreich, www.vfmk.org, hello@vfmk.org Fotografie: David Aebi, Umschlag- und alle weiteren Abbildungen; ausgenommen: SELZ art contemporain, S. 45 Guido Schenker, S. 47, 54 wolf fotografie, S. 53, 55, 56, 58, 59, 60, 61 Umschlagabbildung: Elisabeth Strässle, Derborence, 2017, Öl auf Leinwand, 155 × 105 cm (Ausschnitt) © © © ©

2018 Kunstmuseum Solothurn 2018 Verlag für moderne Kunst, Wien 2018 Autorin, Autor und Fotografen 2018 Elisabeth Strässle

Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-903228-80-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Ausstellung und Publikation wurden grosszügig unterstützt von

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