Artikel im Alfonz 2016/01

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Der Jaja Verlag: Mit Idealismus zu Ruhm und Ehre

Independent

■ Von Kristina Auer Seit 2011 widmet sich Annette Köhn dem Entdecken und Fördern junger, noch unbekannter Autoren und Illustratoren. Es war eine Zeit des Umbruchs, in der sie ihren Jaja Verlag gründete. In der Buchbranche und den Medien sprach man verstärkt von eBooks und Print-on-Demand. Buchhändler und Verleger klagten über die zunehmende Macht des tyrannischen Riesen Amazon. Der Begriff »Graphic Novel« für umfangreiche Comiceinzelbände mit vorwiegend ernsten Inhalten war noch recht frisch. So gab es noch weit mehr Vorurteile gegenüber Comics als heute und weit weniger Menschen, die Interesse daran hatten, Comics zu lesen oder in ihrem Laden, zum Verkauf anzubieten. Unbeeindruckt von den sie umgebenden Widrigkeiten entschloss sich Annette Köhn nicht nur, ihr Glück als Verlegerin zu versuchen. Sie beschloss auch, gegen den Strom zu schwimmen mit dem Ziel, neuen talentierten Zeichnern und Autoren zu Ruhm und Ehre zu verhelfen und nebenbei die Welt mit gut und schön gemachten Büchern und Comics zu bereichern.

Etwas »Eigenes«

© 2015 Klaus Cornfield

Annette Köhn

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1976 in Erlangen geboren 1996–1999: Studium Visuelle Kommunikation, Fachhochschule Nürnberg 1999–2005: Studium Kommunikationsdesign, Kunsthochschule Berlin-Weißensee 2006: Gründung der Musenstube Seither freiberufliche Selbstständigkeit als Grafikund Webdesignerin, Illustratorin und Galeristin. 2011: Gründung des Jaja Verlags

Foto Annette Köhn © 2015 Marga van Meydenberg

»Jaja« mag damals so mancher gedacht oder gesagt haben, als er von Köhns Plänen hörte. Die diplomierte Kommunikationsdesignerin wiederum nahm diese sprachliche Äußerung wörtlich und erhob sie zum Zeichen ihrer unverfrorenen Unerschrockenheit zum Namen ihres Verlags. Außerdem bat sie alle ihre ZeichnerFreunde, ihr eine Maus zu zeichnen, kombiniert mit dem Slogan »Jaja«. Hauptsächlich dienten diese »Jaja-Mäuse« der Verlegerin als »Teaser« für den Verlag und seine Bücher. Darüber hinaus waren sie aber auch kleine Mutmacher für besonders herausfordernde Zeiten. Bevor Annette Köhn den Schritt zum eigenen Verlag wagte, stand für sie vor allem fest, was sie nicht wollte: eine Karriere in der Werbebranche oder ein Dasein als Angestellte. Stattdessen wollte sie etwas »Eigenes« und so gründete sie die »Musenstube«, eine Ateliergemeinschaft in einem leicht maroden Ladengeschäft in Berlin-Neukölln. Nach und nach entwickelten Köhn und ihre »Mitmusen« zusammen »Produkte«, wie beispielsweise einen Siebdruck-Kalender. Gemeinsam gingen sie dann mit ihren Sachen auf Märkte und bestückten auch schon Berliner Läden und Buchhandlungen. Dazu kamen diverse Ausstellungen, die das Kollektiv in der Musen-


stube organisierte und ein Skizzenfestival im sommerlichen Stralsund, an dem noch heute jährlich mehrere Dutzend Zeichner teilnehmen. »Dies alles war inspirierend und schließlich war es eine relativ spontane aber logische Entscheidung, einen Verlag zu gründen, der Ja sagt zu unentdeckten Talenten, zu Illustrationen und zu schönen Büchern. Das war im Herbst 2011«, erklärt die Verlegerin.

Einfach exklusiv und konkurrenzlos Der Jaja Verlag: Das sind deutschsprachige Originalausgaben und ein breit gefächertes Portfolio. Ihren verlegerischen Schwerpunkt legt Annette Köhn zwar nach wie vor auf Comics und Graphic Novels. Inzwischen bringt sie aber auch illustrierte Belletristik, Kinderbücher, Koch- und Sachbücher sowie Wandkalender heraus. Außerdem ist zu fast jedem »Jaja-Machwerk« ein kleines Extra erhältlich, wie beispielsweise vom Illustrator gezeichnete Postkarten oder Sticker. Auch durch die inhaltliche und stilistische Vielfalt seines Programms spricht der Verlag ein breiteres Publikum an als die meisten anderen deutschen Klein- und Kleinstverlage mit Comicschwerpunkt. Diese inhaltliche und stilistische Diversität zeigt sich auch anhand der aktuellen Jaja-Bestseller: Von der schwarzhumorigen, aber niedlich gezeichneten Heftchenserie PAPA DICTATOR von Michael Beyer alias mic »für dickfellige Erwachsene oder reifere Kinder ab 10« über den farbenprächtigen, elegant durchkomponierten und nachdenklichen Comic EARTH unplugged von Jennifer Daniel bis hin zur absurden Komik und kindlichen Verspieltheit des von Annette Köhn selbst gezeichneten Comics UBahn Pupse decken diese ein breites Spektrum an Themen, Zeichenstilen und Zielgruppen ab. Außer einem hohen Maß an Individualität und Kreativität bei der zeichnerischen Umsetzung und Gestaltung der Comicheftchen, -hefte und -bücher, die weder stilistisch noch formal bekannten amerikanischen, frankobelgischen oder asiatischen Comictraditionen zu folgen scheinen, lässt sich keine programmatische Linie erkennen. Dies bestätigt auch Annette Köhn. Ihr müsse der Zeichenstil eines Comics gefallen und die Geschichte müsse witzig oder interessant

sein. Mehr Auswahlkriterien gebe es nicht. So manches Buch von Jaja passt in gar keine Schublade oder in ein spezifiziertes Regal in der Buchhandlung. »Damit ist das Jaja-Programm einfach exklusiv und konkurrenzlos«, lautet Köhns Einschätzung. Am ehesten ließe sich ihrer Meinung nach das Programm noch mit dem der Büchergilde Gutenberg oder Rotopolpress vergleichen, »genreübergreifend und illustrationsverliebt«.

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Jajas »fein illustrierte Machwerke« Egal ob Buch oder Nicht-Buch, alles was im Jaja Verlag erscheint, kann – mit Recht – als

© 2015 Jaja-Verlag und die Autoren

»Machwerk«, also als zumindest teilweise handgemachtes Werk bezeichnet werden. Dies bezieht sich sowohl auf den geschriebenen, gezeichneten, gepinselten Inhalt als auch auf die finale Gestaltung und die Haptik. Um aus den Büchern kleine Kunstwerke zu machen, wählt Annette Köhn nicht nur Papier und Formate sorgfältig aus. Hin und wieder legt sie sogar beim letzten Produktionsschritt noch selbst Hand an, um ein Machwerk zum Beispiel mit einem Siebdruckumschlag zu verfeinern. Ungeachtet der Kosten versucht Annette Köhn, jeder Comicgeschichte und auch jedem anderen Buch die Form zu geben, die seinem Inhalt am besten entspricht. Außerdem verzichtet die Verlegerin darauf, ihre meist vielfarbigen Machwerke in Asien drucken zu lassen und achtet bei der Papierwahl auf umweltverträgliche Zertifikate.

Da wird ganz schön investiert Qualität hat bekanntlich ihren Preis. Dies gilt auch oder in besonderem Maße für aufwändig produzierte Kleinauflagen von meist 500 bis vereinzelt 1000 Exemplaren. So verrät Annette Köhn, dass ihr Verlag oft mit der Liquidität kämpft. »Wenn Geld da ist, wird’s ausgegeben«, lautet die Devise. Um zumindest die Druckkosten leichter stemmen und langfristiger planen zu können, greift die Verlegerin bei manchen Projekten deshalb auch schon mal auf Crowdfunding zurück. Denn das bietet ihr nicht nur die Möglichkeit der Kofinanzierung und eines Quasivorverkaufs – wird doch von den meisten Unterstützern das gedruckte Buch als »Dankeschön« ausgewählt. Crowdfunding hilft ihr auch beim Marketing und dabei, Aufmerksamkeit für die Autoren und das Verlagsprogramm zu sammeln.

Foto © 2015 pixelgrün

Jaja in aller Munde Um den Bekanntheitsgrad ihres Verlags noch schneller zu steigern, entschloss sich Köhn 2012 dazu, sich an eine Verlagsvertretung zu wenden Nach erfolgreichem Crowdfunding für Krokodilsgeburtstag werden die Bücher verpackt, Herbst 2014

© 2015 Ingrid Sabisch

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© 2015 Stephan Lomp

und die Autoren

und alle vertrieblichen Aufgaben außer Haus zu geben. Die Wahl fiel auf das büro indiebook in München, dessen Mitarbeiter nach wie vor fleißig daran arbeiten, Jaja deutschlandweit bekannt zu machen. Mitte 2015 fällte die Verlegerin dann noch einmal eine gewichtige Entscheidung und unterschrieb einen Vertrag mit den Buchgroßhändlern Libri und KNV. Diese Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen, meint Annette Köhn. Sicher, die Buchhändler können nun nicht mehr behaupten, sie könnten die Bücher des Jaja Verlags nicht bestellen, wenn jemand nachfragt. An jeder Bestellung eines Jaja-Buchs über Libri und KNV »gewinne« der Verlag allerdings prozentual weniger pro Buch und Amazon dürfe die Bücher zum Beispiel versandfrei anbieten, erläutert sie. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass die Bücher nun eine größere Verbreitung erreichen und der Verlag dadurch in der Lage ist, insgesamt mehr Bücher zu verkaufen. Unterstützt wird die Etablierung von Jaja durch die zunehmende Präsenz in Schaufenstern von Buchhandlungen, durch eigene Book-Release-Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorstellungen und Lesungen. Ebenfalls verkaufsfördernd und öffentlichkeitswirksam ist die Teilnahme an Messen und Festivals, wie z. B. dem Erlanger Comic-Salon, dem Leipziger Comicgarten, dem Comic-

© 2015 Jaja-Verlag

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festival Hamburg oder der Leipziger Buchmesse, auf denen man den Jaja Verlag immer wieder antrifft. Allein von Januar bis November 2015 war Jaja bei über 20 Events vertreten. Was den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit angeht, beweist das Jaja-Team zum einen äußerste Kreativität. Zum anderen werden viele Ideen in Zusammenarbeit mit den Autoren entwickelt und umgesetzt. Dabei ist das Budget meist gering, was laut Annette Köhn aber auch nicht so schlimm ist. So hält die Verlegerin beispielsweise die Kosten für Übernachtungen klein durch private Übernachtungsmöglichkeiten. Hauptsächlich investiere sie ihre Zeit. »Als Grafikdesignerin und Illustratorin kann ich ja alles selbst machen, also die Webseite pflegen, Flyer gestalten und so weiter.«

Eine ruhmreiche Zwischenbilanz

Comics und Graphic Novels (Auswahl) The Right Here Right Now Thing von Paulina Stulin • Independent Comicpreis 2015 in der Kategorie »Herausragendes Szenario« (ICOM e.V.)

Penner von Christopher Burgholz • Lobende Erwähnung bei der Preisverleihung des Independent Comicpreises 2015 (ICOM e.V.) • Gramic Award 2013 (Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.)

Auch wenn sie noch nicht von ihrem Verlag leben könne, sondern ihren Lebensunterhalt mit ihren Illustrationen und Grafikaufträgen verdiene, falle die Bilanz insgesamt gut aus, meint Annette Köhn. »Vielleicht nicht so sehr die wirtschaftliche Bilanz, aber die kreative, wertschöpfende, ruhmreiche usw.« Ehrungen, Preise und Auszeichnungen geben ihr Recht. Erst am vergangenen 3. Juni erhielt Annette Köhn in Mainz für ihr persönliches Engagement und die Qualität ihrer verlegerischen Arbeit den V. O. Stomps Förderpreis 2015. »Die Laudatio rührte mich zu Tränen und ich war irre stolz!« Trotzdem habe sie das Gefühl, dass sie sich noch mehr gefreut habe, als 2014 mit Jennifer Daniels EARTH unplugged ein Machwerk aus dem Hause Jaja für den Max-und-Moritz-Preis in der Kategorie »Bester deutscher Comic« nominiert wurde. Annette Köhn empfindet diese Nominierung noch heute als große Anerkennung für ihre Autorin und den Verlag. »Irgendwer sprach vom Ritterschlag in der Comicbranche und ich hatte einfach das Gefühl, ich bin auf dem richtigen Weg.« »Es ist toll, Verlegerin zu sein und es macht mich nach wie vor sehr glücklich«, stellt Annette Köhn fest. »Zweifel kommen und gehen dann auch wieder. Die Leidenschaft überwiegt und mit der kann ich mich allen Herausforderungen entspannt stellen.«

EARTH unplugged von Jennifer Daniels • Nominierung für den Max-und-Moritz-Preis 2014 in der Kategorie »Bester deutscher Comic« • Lobende Erwähnung bei der Preisverleihung des Independent Comicpreises 2013 (ICOM e.V.)

The Ballad of the Barefoot Bandit von Alexandra Rügler Foto © 2015 Annette Köhn

• Platz 5 der Comic-Bestenliste 2015 von Barbara Yelin im Tagesspiegel

Da wird sich nie was ändern! von Ulla Loge Der Ausflug. Teil 1 / FLASCHENPOST von bachwald Leto – Reise in die Halongbucht von Annette Köhn 40

Am Jaja Stand beim Comicfestival München, links Praktikantin Hanna Jung, rechts Autorin Alexandra Rügler


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