Berlin, den 15.09.2008
15s – Strategisches Marketing | 07/08
Was ist ein Geschäftsmodell? Lars Baldermann
Matrikelnummer 357021 (4. Semester / Bachelor)
Jan Schmiedgen
Matrikelnummer 357275 (4. Semester / Bachelor)
vorgelegt bei Prof. Liebl.
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Eidesstattliche Erklärung Hiermit erklären wir an Eides statt gegenüber dem Prüfungsausschuss des Studienganges GWK, dass die vorliegende, dieser Erklärung beigefügte Arbeit selbständig und nur unter Zuhilfenahme der im Literaturverzeichnis genannten Quellen und Hilfsmittel angefertigt wurde. Alle Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, sind kenntlich gemacht. Eine elektronische Fassung der Arbeit ist an den Gutachter per E-Mail gegangen. Berlin, den 15.09.2008
Lars Baldermann
Jan Schmiedgen
Kontaktdaten der Autoren Lars Baldermann Blücherstraße 34 10961 Berlin Telefon
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Speicherort: DATEN:GWK_STUDIUM:15s_Strategisches Marketing:G_Geschäftsmodelle (Business Design):Was ist ein Geschäftsmodell.doc
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Inhalt 1 Einleitung ......................................................................................... 5 2 Zukunft und Herkunft des Konzeptes ............................................. 7 2.1
Die Funktionen und Ziele konzeptueller Geschäftsmodellbetrachtung.....................9
2.2
Metamodelle, Taxonomien, Instanzen ..................................................................... 13
2.3
Klassifizierung innerhalb einer Organisation .......................................................... 14
2.4
Der Faktor Zeit ......................................................................................................... 14
3 Zwei Geschäftsmodellansätze im Vergleich ................................... 16 3.1
Komponenten und Parameter nach Berg ................................................................. 16
3.1.1
Business Definition ............................................................................................................... 17
3.1.2
Business Architecture ............................................................................................................ 19
3.1.3
Resource Configuration ........................................................................................................ 21
3.1.4
Revenue Model .....................................................................................................................22
3.2
Komponenten nach Osterwalder .............................................................................. 23
3.2.1
Angebot ................................................................................................................................. 25
3.2.2
Kunde .................................................................................................................................... 25
3.2.3
Infrastruktur ..........................................................................................................................27
3.2.4
Finanzen ................................................................................................................................29
3.3
Modellkritik .............................................................................................................. 29
4 Definitionsversuch und Fazit ......................................................... 30 5 Quellen ........................................................................................... 33
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Abbildungsverzeichnis Occurrences of the Term "Business Model" compared to NASDAQ (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 4)....... 8 Operating margin growth in excess of competitive peers (aus: Unbekannt, 2006, S. 6) .................................... 8 Planning, Changing and Implementing Business Models (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 15) ..................... 11 Geschäftsmodellkonzepthierarchie (aus: Osterwalder et al. 2005: S. 5) ........................................................... 13 Change Models (aus Osterwalder u. a., 2005 nach Lindner/Cantrell 2000).................................................... 15 Geschäftsmodellansatz nach Berg (Eigene Darstellung nach: Berg, 2005, S. 75)............................................. 16 Abells dreidimensionaler Bezugsrahmen zur Marktdefinition (aus: Liebl, 2007)............................................. 18 Die generische Wertkette nach Porter (eigene Darstellung nach: Porter, 1985, S. 37).................................... 20 Business Design-Notation (nach: Osterwalder, 2007) ...................................................................................... 23
Tabellenverzeichnis Neun Geschäftsmodellkomponenten (nach Osterwalder, 2004, 2006, 2007; Osterwalder u. a., 2005)......... 24
Abkürzungsverzeichnis bzgl.
Bezüglich
bzw.
beziehungsweise
d. h.
das heißt
et al.
et altera
ggf.
gegebenenfalls
Hrsg.
Herausgeber
i. d. R.
in der Regel
ICT
Information & Communication Technologies
IKT
Informations- & Kommunikationstechnologien
IS
Information System
i. S.
im Sinne
o. ä.
oder ähnliche(s)
o. g.
oben genannte(n)
o. J.
ohne Jahresangabe
S.
Seite(n)
sog.
so genannte(n)
u. a.
unter anderem
u. U.
unter Umständen
z. B.
zum Beispiel
EAN
Einzigartiges Aktivitäten Netzwerk
SGE
Strategische Geschäftseinheit (Businessbereich eines Konzerns)
SBU
Strategic Business Unit (siehe oben)
TQM
Total Quality Management
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Einleitung „Technology alone, not embedded in an effective business design, is no longer a viable approach to generating sustained value growth.“ Adrian Slywotzky (Slywotzky, 1996, S. 24)
Der Walkman® von Sony® – eine Legende und Sinnbild für den beispiellosen Aufstieg eines japanischen Unternehmens, das seine ersten Schritte mit Reiskochern und Transistorradios gemacht hat – war ein Milliardengeschäft. Wenig bekannt ist indes über seinen deutschen Erfinder, namens Andreas Pavel, der bereits 1977 die Idee eines tragbaren Kassettenspielers zum Patent anmeldete. Auch der derzeit allseits gefeierte Hybridantrieb für Pkw wurde bereits 1973 an der Technischen Hochschule Aachen entwickelt, fristete jedoch bis zur Monetarisierung durch japanische Autobauer eher ein Dasein als Blaupause. Beide Beispiele für Technologieinnovationen, die in Deutschland keine Entwicklungsperspektive hatten, sind noch vergleichsweise triviale Exempel für verpasste Businesschancen. Beim näheren Betrachten des Paradebeispiels »MP3-Codec1 « fällt auf, dass dieser nicht nur die erneute Grundlage für ein Milliardengeschäft mit tragbaren Playern für amerikanische und asiatische Eletronikunternehmen gelegt hat, sondern dass seine Entwicklung für den schleichenden Untergang sowie den Aufstieg ganzer Industrien verantwortlich ist. So ist der Markterfolg des Apple-iPods das Resultat einer geschickten Kombination einfach zu bedienender Hardware und Software sowie eines ausgeklügelten Contentvertriebssystems, das multimediale Inhalte aller Art zum Verkauf anbietet – neuerdings auch Nutzergenerierte (iMix). Um den En- und Decodieralgorhythmus MP3 wurde so von Apple ein komplett vernetztes und für Wettbewerber schwer kopierbares System einzigartiger Aktivitäten geschaffen, das sehr anschaulich demonstriert wie zunehmend auch immer schneller die Grenzen der einzelnen, vormals »sauber« getrennten, Märkte verschwimmen bzw. erweitert werden2 (vgl. Slywotzky, 2004, S. 26). Die Technologieinnovation alleine ist also gar nicht das Erfolgsgeheimnis des Marktführers, sondern ihre Kombination mit einer bis dato einzigartigen Geschäftslogik, deren Bestandteile sich untereinander selber verstärken3 und nicht zu vergessen: einer Apple-typisch unvergleichlichen Inszenierung des Ganzen.
1
MP3 (MPEG-1 Audio Layer 3) ist ein 1992, am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen, entwickeltes Dateiformat zur verlustbehafteten Audiodatenkompression.
2
In diesem Fall könnte man z. B. grob von einer Abschöpfung in Bereichen der Unterhaltungselektonik-, Computer- und Musikindustrie sprechen. Z. B. grob: Mehr verkaufte iPods mehr verkaufte Musik (durch Koppelung an Software), Einfach zu bediendende Software + stetig steigendes Angebot mehr verkaufte iPods, ...
3
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Auch für den Mittelstand kann eine solche Aktivitätenvernetzung und Geschäftsfelderweiterung relevant sein: So arbeitete einer der Autoren z. B. für ein Unternehmen, dass Betonfertigteile (siehe iPods) herstellt und eine fortschrittliche Klärtechnik (siehe Software und Shopsystem) erfand um deren Absatz anzukurbeln, da diese oft für Kläranlagengruben zum Einsatz kommen. Mittlerweile ist der in die roten Zahlen geratene Betonguß ein durch das Kläranlagenangebot stabilisierter Geschäftszweig und das Unternehmen »nebenbei« zum Marktführer für dezentrale Abwasserreinigung in Deutschland geworden. Dies konnte aber natürlich nur gelingen, da es über die Installation der Betonteile bereits viel über die Bedürfnisse von Kläranlagenbesitzern herausfinden konnte und genau wusste, wie ein Leistungspaket geschürt werden muss um diese zu befriedigen. Hinzu kam, dass es innerhalb kürzester Zeit ein Partnernetz an Lizenznehmern für seine Klärtechnologie spann, das mächtige Distributionskanäle mitbrachte über die nicht nur Klärtechnik, sondern auch der eine oder andere Betonbehälter verkauft werden kann. Das »Ganze« ist in beiden Beispielen also augenscheinlich mehr als nur die Summe seiner Teile. Die Frage nach der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens scheint daher auch immer eine Frage der (Re-)Konfiguration von Teilbereichen seines Geschäftsmodells oder gar des Modells insgesamt: „True strategy change requires profound changes of many factors [...] radical strategy changes means changing the entire business model anyway.“ (Hedman & Kalling, 2001, S. 2) Deshalb glauben wir, dass das Geschäftsmodell als Analyseeinheit zunehmend eine wichtigere Rolle spielen wird: Neben seiner Beachtung im übergreifenden betriebswirtschaftlichen Kontext gerade auch im Rahmen strategischer Kommunikationsplanung. Denn eine gute Kommunikationsstrategie fußt zwangsläufig auf einer soliden Business Design-Grundlage, schließlich ergeben sich die substanziellen Inhalte, Prozesse, Versprechen und Markenkontaktpunkte die inszeniert werden müssen, nolens volens aus der Ausgestaltung des Geschäftsmodells. Hat das Business Design Schwächen, die kurzfristig mit kreativer »Strohfeuerkommunikation« kaschiert werden, gleicht das dem sprichwörtlichen Überdecken eines wenig attraktiven respektive leistungsfähigen Leerinhaltes mit »Zuckerguss« (vgl. Schultz, Antorini, & Csaba, 2007, S. 14, 231 f.). Wir finden daher, dass das Geschäftsmodell sogar die wesentliche Grundlage ist um jenes einzigartige Muster in den Köpfen der avisierten Anspruchsgruppen zu etablieren, das die Markenkommunikation letztendlich immer anstrebt. Die folgende Arbeit soll daher zunächst kurz klären, warum das Thema derzeit eine so große Beachtung genießt, darstellen warum es sich unseres Erachtens lohnt, sich mit einer konzeptuellen Geschäftsmodellbetrachtung auseinander zu setzen um darauf folgende Detailfragen anzuschließen: Gibt es innerhalb des Themendiskurses
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Klassifikationen von Geschäftsmodellen? Aus welchen Komponenten bestehen sie und wie analysiert und beschreibt man diese? Gibt es konsensfähige Definitionen zum Thema? Eine ausgiebige Behandlung der Einbettung in den Strategiekontext können wir ob des Umfangs der Arbeit nicht vornehmen, werden aber an der einen oder anderen Stelle kurz darauf verweisen.
2
Zukunft und Herkunft des Konzeptes Business Design1 , Business System, Geschäftsmodell, Business Design Model(ing), Geschäftsmodelldesign – es gibt viele Begriffe die von den unterschiedlichsten Autoren und Praktikern, je nach Sichtweise, synonym oder gänzlich verschieden verwendet werden, was schnell zu Verwirrung führen kann. Teilweise wird der Begriff gar mit Business Process Modeling verwechselt, was nicht ein Geschäftsmodell als Ganzes beschreibt, sondern die Abbildung eines oder mehrerer spezieller Geschäftsvorfälle in einen Prozess (vgl. Osterwalder, Pigneur, & Tucci, 2005, S. 7). Dies ist aber insofern aufschlussreich, weil das Business Process Modeling, das mit bereits formalisierten Beschreibungssprachen und Notationen wie BPMN, UML oder PETRI Nets aufwartet, eher eine IT-Domäne ist und es einen engen Zusammenhang der wachsenden Popularität des Begriffes (inkl. seiner damit einher gehenden unreflektierten Verwendung) und dem Aufkommen immer leistungsfähigerer ICT-Systeme zu geben scheint. Osterwalder führte hierzu eine interessante Untersuchung durch, in der er nicht nur die Häufigkeit des Strings »Business Model« innerhalb reviewter Magazine in der Business Source Premier-Datenbank abfragte, sondern diese dann auch noch mit Kursverläufen des Technologieindexes NASDAQ verglich und feststellte, dass der Häufigkeitsverlauf des Auftretens des Begriffes dem Verlauf des Indexes ähnelte: „ It is not quite clear what to conclude from this observation besides the fact that the topic of business models probably has a relationship with technology.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 4) Osterwalder führt den Zusammenhang auf die sich neu ergebenden Möglichkeiten für »Business Designer« zurück, die sich durch billige und immer verfügbarere IT für ihre Gestaltungsmöglichkeiten ergeben und ergänzt: „ This cost decrese led to industry boundaries becoming increasingly blurred. The business model concept is a candidate to replace the industry as a unit of analysis.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 4)
1
Während einige Autoren z. B. »Business Design« und »Business Design Model« gleich verstehen, treffen andere feine Unterscheidungen (siehe z. B. »3.1 Komponenten und Parameter nach Berg«).
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Abbildung 1: Occurrences of the Term "Business Model" compared to NASDAQ (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 4)
Diese These wird auch in einer von IBM durchgeführten Studie aus dem Jahre 2006 untermauert, die u. a. die Wichtigkeit von Geschäftsmodellinnovationen für die Zukunft hervorhebt „Business model innovators are pursuing innovation opportunities outside their comfort zone, creating value für their company and their industry as a whole.“ und die darüber hinaus feststellt, „[...] that todays CEOs are focusing nearly 30 percent of their innovative efforts on business model innovation.“ (Unbekannt, 2006, S. 6-7)
Abbildung 2: Operating margin growth in excess of competitive peers (aus: Unbekannt, 2006, S. 6)
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Uns soll zunächst die Feststellung genügen, dass die Popularität des Begriffes in enger Verknüpfung mit den neuen Möglichkeiten von ITC zusammenzuhängen1 scheint und dass obenstehende Indikatoren die wachsende Bedeutung von Geschäftsmodellinnovationen bereits erahnen lassen. Dies erklärt auch das durchweg junge Alter der Publikationen, die versuchen eine einheitliche Konzeptualisierung bzw. formale Beschreibung von Geschäftsmodellen unter Zusammenführung bisheriger Perspektiven zu formulieren2 . Im Folgenden wollen wir kurz aufzeigen, warum das Streben nach einer solchen Sinn macht. Die Begriffe »Business Design«, »Business Design Model« und »Geschäftsmodell« verwenden wir dabei innerhalb dieser Arbeit synonym.
2.1
Die Funktionen und Ziele konzeptueller Geschäftsmodellbetrachtung Der Aufwand einer konzeptionellen (und bestenfalls visualisierten) Betrachtung von Geschäftsmodellen lohnt in vielerlei Hinsicht. Im Folgenden möchten wir einige Argumente sammeln, warum er für die Praxis relevant sein kann.
Aufbau eines gemeinsamen Verständnishorizontes Unter Managern ist der sog. Fahrstuhltest sehr beliebt. Er beschreibt die Herausforderung seinem Kommunikationspartner innerhalb einer Fahrstuhlfahrt von 30 Sekunden bis einer Minute, kurz und präzise sein Business inkl. der Merkmale seiner Alleinstellung zu schildern. Diese Tests sind auch oft Bestandteile von Führungskräftetrainings und zeigen dort sehr anschaulich – teils auch amüsant – auf, wie schwer es selbst Führungskräften oft fällt, ihr Business, geschweige denn ihr Geschäftsmodell, zu artikulieren. Denn vor dem Hintergrund z. B. verschiedener Professionen ergeben sich oft ein unterschiedlicher Blickwinkel und ein anderes Verständnis auf das eigene Geschäft. Verschiedene »mentale Modelle« der einzelnen Personen sorgen hier für ein unterschiedliches Verständnis (Osterwalder u. a., 2005, S. 11, vgl. Berg, 2005, S. 74). Die Formulierung eines konzeptuellen Rahmens soll daher zum einen eine gemeinsame Sprache formulieren, welche von allen Stakeholdern verstanden werden kann, die an der gemeinsamen Formulierung und Erfassung der Geschäftslogik beteiligt sind. Zum anderen hilft er bei der Visualisierung der komplexen Zusammenhänge eines Business Designs. Dies ist insofern von Vorteil, da die Verarbeitung von Informationen durch das visuelle System unser Vermögen mit Komplexität umzugehen entscheidend erhöht (Osterwalder u. a., 2005, S. 12). Weiterhin sorgt eine konzeptuelle Betrachtung auch für das nötige Verständnis von,
1
Ausgiebigere Betrachtungen der Hintergründe finden sich bei Osterwalder u. a., 2005, S. 1-2, 11-15, 23
2
vgl. Osterwalder, 2004, Berg, 2005
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speziell im ICT und E-Business, immer komplexer werdenden Geschäftsmodellen, in denen die Beziehungen zwischen ihren einzelnen Elementen sowie entscheidende Erfolgsfaktoren nicht immer offensichtlich zu Tage treten (Osterwalder u. a., 2005, S. 14). Diese Beziehungen und gegenseitigen Verstärkungen zu entschlüsseln und richtig zu beurteilen ist aber u. a. eine der zentralen Aufgaben der Strategieentwicklung (vgl. Slywotzky, 1996, S. 25, Berg, 2005, S. 74, Porter, 1996). Darüber hinaus hilft, ein auf geteiltem Verständnis basierender Dialog, Missverständnissen zwischen Managern und wichtigen Stakeholdern (z. B. Ingenieure, Anteilseigner, Systemarchitekten und ITFachleuten, etc.) vorzubeugen und das Geschäftsmodell zu kommunizieren und zu teilen (Osterwalder u. a., 2005, S. 14).
Strukturierte Analyse Ein Geschäftsmodellkonzept kann helfen, die Geschäftslogik eines Unternehmens strukturiert zu erfassen. Dies ermöglicht eine leichtere Identifizierung jener Indikatoren, die kritisch für (Erfolgs-)Messungen, z. B. über ein Management-IS auf Basis der Balanced Scorecard-Methode, sind. Aber auch ein systematisches Verfolgen und Beobachten stetiger Änderungen der Geschäftslogik im Zeitverlauf (z. B. aufgrund interner und externer Veränderungen) kann durch einen systematisierten Ansatz erleichtert werden. Ebenso sind Vergleiche mit den Geschäftsmodellen des Wettbewerbs oder gar komplett anderer Industrien möglich: „[...] [it] may provide new insights and foster business model innovation. [...] [and it] can help incumbents understand how agressive new competitors and start-ups work (Osterwalder u. a., 2005, S. 14)“. Osterwalder weist in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die Notwendigkeit einer »einheitlichen« Business Design-Ontologie als Analyseeinheit hin: „things are only comparable if they are understood in the same way.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 14)
Bewusstes Management „Business models improve the management of the business logic of the firm.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 15) Ein Geschäftsmodellkonzept kann z. B. dem Management helfen bei der zunehmend komplexeren (Re-)Konfiguration von Aktivitätennetzwerken (vgl. Porter, 1996): „Because models are quite complex, their success is often based on the interaction of a number of apparently minor elements. Furthermore technology increases the range of imaginable business models.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 15) Osterwalder betont hier noch einmal die Bedeutung einer BD-Ontologie als Hilfe für das Management um nachhaltige Geschäftsmodelldesigns kreieren zu können (Osterwalder u. a., 2005, S. 15, vgl. Berg, 2005, S. 74). Ein weiteres wesentliches Aufgabenfeld im Management ist die Planung von Veränderungsprozessen und Implementierung selbiger. Eine Bestandsaufnahme und
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Visualisierung des aktuellen Geschäftsmodells erleichtert auch hier wesentlich Beschreibung und Verständnis zu verändernder Elemente.
Abbildung 3: Planning, Changing and Implementing Business Models (aus: Osterwalder u. a., 2005, S. 15)
Auch die Reaktionsgeschwindigkeit, angemessen z. B. auf externen Veränderungsdruck (Trends, Issues, etc.) einzugehen, kann entscheidend verbessert werden (Osterwalder u. a., 2005, S. 10, 15), wenn der »Geschäftsmodelldesigner« weiß, welche Elemente des existierenden Business Designs er modifizieren kann oder gar muss. Weiterhin führt Osterwalder an, dass das Geschäftsmodell als konzeptionelle Brücke dient, die eine Feinjustierung (Alignment) der »Business Triangle1 « erlaubt und somit als wichtiges Werkzeug zur Entwicklung und Verbesserung bereits bestehender Geschäftsmethoden, bzw. darüber hinaus auch durchaus zur IS-Anpassung, dienen kann (Osterwalder u. a., 2005, S. 15 f. Last but not least trägt eine Konzeptualisierung zu einer verbesserten Entscheidungsfindung bei. Denn nur ein gemeinsamer Verständnishorizont, ein geteiltes »mentales Modell« und einheitliche Vorstellungen über die Geschäftslogik lässt Entscheidungsträger im Unternehmen fundiert Entschlüsse fassen.
Perspektiventwicklung „We believe, that the business model concept can help foster innovation and increase readiness for the future [...]“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 16) So kann lt. Osterwalder ein formalisierter Geschäftsmodellansatz ähnlich einer »Lego-Box« dem Business Designer beim experimentieren helfen. Dabei bedient er sich der einzelnen Bausteine des Geschäftsmodells um neue Business Designs zu kreieren und diese gar computergestützt zu simulieren und zu testen: „[...] it is a way of doing low-risk experiments, without endangering an organization.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 16) Er
1
Darunter versteht er das Dreigespann von Geschäftsstrategie, Geschäftsorganisation sowie IKT. Jede Kategorie schaut mit einem anderen Blickwinkel und auf verschiedenen Geschäftsebenen auf das Konzept »Business Model«. Dies kann zu Verständnisproblemen wg. differenter Weltsichten führen. Ein Geschäftsmodellkonzept sollte daher als Vermittler dienen, der alle drei Perspektiven zusammenführt und kontinuierlichen externen Druck (5-Forces nach Porter, soziale und rechtliche Rahmenbedingungen, Nachfrage, Technologischer Wandel) adäquat über alle drei Perspektiven beantwortet (Osterwalder, 2004, S. 16).
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betont dabei noch einmal, dass das Geschäftsmodell darüber zum zukünftigen Ort von Innovationen und somit auch zur Quelle für Wettbewerbsvorteile werden kann. Weiterhin schlägt er vor: „[...] a company should maintain a portfolio of business models in order to be ready for the future.“ (Osterwalder u. a., 2005, S. 16) Dieses bewusste Vorhalten eines Geschäftsmodellportfolios mit mehreren Variationen (im Sinne einer nachhaltigen »Evolutionsstrategie«), hätte z. B. der Musikindustrie eine Hilfe sein können beim schrittweisen Aufkommen von MP3, flächendeckender Breitbandabdeckung, Napster-Derivaten und iTunes1 .
Patentierung von Geschäftsmodellen Die Patentierung von Teilen eines Geschäftsmodells oder gar ganzen Business Designs gehört zu einem sehr umstrittenen Feld 2 (vgl. Sietmann, 2001). Sie könnte aber speziell im E-Business zunehmend eine immer wichtigere Rolle spielen (Osterwalder u. a., 2005, S. 16 f.). Daher wäre eine formale Darstellung und Vergleichbarkeit auch hier von Bedeutung.
Inszenierungsmöglichkeiten „Ein Produkt oder eine Dienstleistung muss [...] den Aussagen der Markenpositionierung [...] entsprechen und kohärent mit dem Verhalten und der Kultur [...] und der Kommunikation sein (Schmidt, 2003, S. 64).“ Wir finden daher, dass das Geschäftsmodell als Analyseeinheit und Moderationswerkzeug auch helfen könnte Inszenierungsmöglichkeiten im Sinne holistischer Markenführung auszuloten. Es ermöglicht nicht nur die Identifizierung von Markenkontaktpunkten und Kanälen, sondern eröffnet auch prozessuale Perspektiven, die Grundlage für dramaturgische Überlegungen sein könnten3 .
1
Zugegebenermaßen hätte das einige Fantasie und vorausschauende Manager gebraucht, die nach persönlicher Meinung der Autoren in der Musikindustrie selten vorhanden waren bzw. sind.
2
Legendär ist die rechtliche Auseinandersetzung um Amazons »One-Click-Buy«-Trivialpatent. Aber auch die rechtliche Schutzfähigkeit von Pricelines (www.priceline.com) »Bid-Match«-System hat in der Fachpresse einiges Aufsehen erregt.
3
Z. B. die Gesamtkonfiguration eines Beratungsprozesses einer Bank in all seinen Phasen
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2.2
Metamodelle, Taxonomien, Instanzen Da das Forschungsfeld insgesamt noch sehr jung ist und es in der »Scientific Community« derzeit noch sehr rege diskutiert wird, ist man schnell mit der Tatsache konfrontiert, dass sich a) bisher noch keine gemeinsame Diskussionsbasis hierfür herausgebildet hat, b) die Autoren bisher selten Bezüge untereinander hergestellt haben und c) die Ausdrücke »Geschäftsmodell«, »Business Design (Model)«, usw. jeweils für verschiedene Dinge stehen, je nach Betrachtungswinkel und Forschungsinteresse des jeweiligen Autors. Daher ist es hilfreich, zunächst einmal zu fragen, nach welchem Prinzip man eine Klassifikation von Untersuchungsansätzen vornehmen könnte. Osterwalder et al. haben hierzu einen ausgiebigen Literaturvergleich vorgenommen und auf Basis dessen versucht eine objektive und hierarchische Kategorisierung vorzunehmen (vgl. Osterwalder u. a., 2005, S. 5). Sie unterscheiden dabei in 1) Autoren, die eine Beschreibung des Geschäftsmodells als allumfassendes Konzept vornehmen, das alle reellen Geschäfte beschreiben kann, 2) Autoren die eine bestimmte Anzahl verschiedener abstrakter Geschäftstypen beschreiben, die jeweils wiederum eine Zusammenstellung von Geschäften mit gemeinsamen Charakteristiken umreißen und 3) Autoren, die Aspekte oder Konzeptualisierungen eines speziellen Geschäftsmodells aus dem echten Wirtschaftsalltag präsentieren. Die drei Kategorien können, müssen aber nicht zwangsläufig, hierarchisch miteinander verbunden sein.
Abbildung 4: Geschäftsmodellkonzepthierarchie (aus: Osterwalder et al. 2005: S. 5)
Osterwalder leitet daraus eine Benennung der drei (Betrachtungs-)Ebenen wie folgt ab:
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Level 1: Allumfassende Geschäftsmodellkonzepte Diese Betrachtungsebene umfasst meist Definitionen dessen, was ein Geschäftsmodell ist und aus welchen Bestandteilen es besteht. Die Bestandteile werden über sog. Metamodelle konzeptualisiert. Level 2: Taxonomien Die zweite Ebene beschreibt verschiedene Arten (i. S. einer Kategorisierung) oder Metamodellvarianten (i. S. verschiedener Modellansätze) von Geschäftsmodellen, die zwar generisch sind aber dennoch gemeinsame Charakteristiken aufweisen. Beide können, müssen aber nicht zwingenderweise, Unterklassen übergreifender Geschäftsmodellkonzepte sein. Level 3: Instanzebene Hier dominieren konkrete Geschäftsmodellbeispiele aus dem Wirtschaftsalltag oder Konzeptualisierungen, Repräsentationen und Beschreibungen selbiger. So wird z. B. die Geschäftsmodellperspektive verwendet um spezifische Unternehmen detailliert zu analysieren. Dabei gibt es unterschiedlichste Herangehensweisen und Konzeptualisierungen.
2.3
Klassifizierung innerhalb einer Organisation Natürlich kann ein Unternehmen mehrere »Business Designs« haben (vgl. Osterwalder u. a., 2005, S. 8, Slywotzky, 1996, S. 53 f.). Große Konzerne wie IBM oder Siemens haben mehrere Geschäftsbereiche, die teilweise komplett anderen Geschäftslogiken unterliegen (vgl. auch Abells »Defining the Business at several Levels«: Abell, 1980, S. 185 ff.). Auf eine detaillierte Betrachtung dieses Punktes müssen wir aber zwecks Fokussierung zunächst verzichten.
2.4
Der Faktor Zeit In dem Moment, in dem man die Geschäftslogik eines Unternehmens erfasst hat, kann diese sich schon wieder ändern. Daher ist eine Geschäftsmodellkonzeptualisierung nicht nur eine vereinfachte Beschreibung und Repräsentation einer komplexen Entität bzw. komplexer Prozesse, sondern auch nur eine Momentaufnahme und Beschreibung zu einem bestimmten Zeitpunkt: „ [...] therefore [it can] relate to the past, to the present, or to the future (Berg, 2005, S. 74).“ Denn sowohl interner als auch externer Veränderungsdruck (vgl. »5-Forces« nach Porter, 2008; »Business-Triangle« nach Osterwalder, 2004, S. 16) zwingen Geschäftsmodelle zu permanenten
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Evolutionsprozessen, die z. B. gut durch Slywotzkys »Value Migration-Phasen 1 « beschrieben wurden (vgl. Slywotzky, 1996). Der Wandel vom kleinen Lebensmitteleinzel- bzw. Filialhandel zum modernen Supermarktgeschäft (z. B. Carrefour) ist ein Paradebeispiel für einen solchen Shift, das anschaulich zeigt, wie sich ein tradiertes Geschäftsmodell fließend zum Nächsten wandelt. Da dieser Wandel einen wesentlichen strategischen Prozess darstellt, der vom Management bewusst gestaltet und begleitet werden muss, befindet sich ein Unternehmen quasi in einem dauerhaften Implementierungsprozess seines neuen avisierten Geschäftsmodells. Lindner und Cantrell unterscheiden vier Basistypen solcher Modelle, die sie »Change Models« nennen (Abbildung 5).
Abbildung 5: Change Models (aus Osterwalder u. a., 2005 nach Lindner/Cantrell 2000)
1
Slywotzky stellt die These auf, dass ein Business Design Zyklen unterliegt und meist drei Phasen durchläuft: 1) Value Inflow: Abschöpfung von etablierten Industrien als bessere Antwort auf Kundenbedürfnisse und -prioritäten, 2) Stability: Konsolidierung und gesunder Wettbewerb bei durchschnittlichen Gewinnen, 3) Value Outflow: Veraltung des Business Designs bis es obsolet ist
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Zwei Geschäftsmodellansätze im Vergleich „In the end, design is about shaping a context, rather than taking it as it is. When it comes to design, success arises not by emulating others, but by using organizational assets and integrative thinking to identify, build on, and leverage asymmetries, evolving unique models, products and experiences - in short, creative business solutions.“ Martin, 2004, S. 5 Nachdem wir nun wissen in welchem übergeordneten Rahmen man Geschäftsmodelle klassifizieren kann und auch eruiert haben, warum eine Auseinandersetzung mit dem Thema zunehmend wichtiger wird, möchten wir uns der Beschreibung zweier Ansätze widmen, die man nach der Betrachtung in Abschnitt 2.2 als Metamodelle bezeichnen kann. Ziel soll sein die einzelnen Bestandteile der verschiedenen Modelle herauszuarbeiten und Unterschiede bzw. Verknüpfungspunkte zwischen den beiden von uns gewählten Autoren Berg (2005) und Osterwalder (2004 -2008) herzustellen.
3.1
Komponenten und Parameter nach Berg Berg untersucht in seiner Dissertation »What is Strategy for Buyout Associations?« u. a. die strategische Relevanz von Geschäftsmodellen für Private Equity-Unternehmen und stellt im Rahmen dessen eine eigene generelle Geschäftsmodellkonzeptualisierung auf, die er im Verlauf des Buches auf die speziellen Belange der Branche zuschneidet. Wir wollen uns die Elemente seines Geschäftsmodellansatzes im Folgenden näher betrachten.
Abbildung 6: Geschäftsmodellansatz nach Berg (Eigene Darstellung nach: Berg, 2005, S. 75)
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Bergs Modell besteht aus vier Hauptbetrachtungsdimensionen: Business Definition, Business Architecture, Resource Configuration sowie Revenue Model. Die drei ersten fasst er als »Business Design« zusammen. Darunter versteht er „[...] a firms strategic positioning and the comprehensive system of its activities and relationships. It ist he totality of how a firm defines ist business, sets up and orchestrates its system of activities, and configures ist resources (Berg, 2005, S. 75).“ Das Revenue Model, im Folgenden von uns auch Erlösmodell oder Ertragsmechanik genannt, betrachtet er als »separaten Analyseblock«, zunächst scheinbar getrennt vom Business Design. Jede der vier Dimensionen wird unterteilt und in Unterdimensionen segmentiert, in denen dann wiederum bestimmte Parameter betrachtet werden. Die Granularität der Parameterbetrachtung bestimmt der Untersuchungskontext des zu analysierenden Geschäftsmodells und kann vom Anwender innerhalb Bergs Bezugsrahmens selbst bestimmt werden. Im Detail schlägt er folgendes Analysevorgehen vor:
3.1.1 Business Definition Zunächst sollte sich das Unternehmen darüber im Klaren sein, wie es sein Geschäft respektive seinen Markt definiert. Es muss sich fragen, welche Kundengruppen es avisiert, welche Bedürfnisse dieser Gruppen befriedigt werden müssen, welche Produkte/Services dazu notwendig sind, bzw. bereitgestellt werden können und wie das Ganze möglichst effizient geschehen kann. (vgl. »Who-What-How Questions«: Berg, 2005, S. 50-53). Dabei ruft Berg noch einmal in Erinnerung, dass Marktgrenzen nicht von vornherein als definiert oder gar fest1 , sondern eher als das Ergebnis einer kollektiven Imagination zu verstehen sind (Berg, 2005, S. 76; vgl. Levitt, 1960). „Defining the business means to set boundaries for certain types of activity a company decides to perform (Berg, 2005, S. 76).“ Was so einleuchtend klingt ist allerdings de facto eine der schwierigsten Managementaufgaben überhaupt, denn es gibt eine Vielzahl an Methoden, wie man seinen Markt definieren könnte. Berg empfiehlt daher die Verwendung des dreidimensionalen Bezugsrahmens von Abell, der den Markt eines Unternehmens über die Verknüpfung dreier Dimensionen definiert und somit die üblichen Nachfrage- bzw. Angebots- oder Technologieorientierten Perspektiven der Marktbestimmung zusammenführt (vgl. Berg, 2005, S. 76 f.; Abell, 1980, S. 13 ff., 170 ff.).
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z. B. Marktgrenzen = Industriegrenzen
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Abbildung 7: Abells dreidimensionaler Bezugsrahmen zur Marktdefinition (aus: Liebl, 2007)
Kundengruppen (Customer Group) Abell betrachtet die Kundengruppen als Ausgangspunkt einer Geschäftsdefinition. Sie können auf unterschiedlichste Weise segmentiert werden. Ob nach geografischen, demografischen, sozioökonomischen Faktoren oder Lifestyle und persönlichen Charakteristiken, diese Entscheidung obliegt dem Unternehmen und seinen individuellen Anforderungen (vgl. Abell, 1980, S. 170). Kundenfunktionen (Customer Function) Welche Kundenprobleme respektive –bedürfnisse löst das Unternehmen mit seinem Angebot? Oder besser: welche sollte es lösen? Auf diese Frage kann die Analyse von Motivstrukturen der Kundengruppen eine Antwort geben. Aus Kundensicht sind die Funktionen jene Attribute oder Nutzen die als ausschlaggebende Entscheidungskriterien für eine Kaufentscheidung wahrgenommen werden (vgl. Abell, 1980, S. 170 ff.). Technologie (Technology) Die dritte Dimension beschreibt jene Alternativtechnologien aus Sicht der Kunden, die auch eine Art der Lösung für ihr Problem sein könnten. Hat der Kunde z. B. ein Transportproblem (Funktion), stehen ihm als Lösungsmöglichkeiten (Technologien) Straße, Schiene, Luft oder auch See zur Verfügung. Auch hier obliegt es den individuellen Anforderungen des Unternehmens, wie fein, konkret und »sinnvoll« weitere Unterteilungen vorgenommen werden (z. B.: Privat-KfZ, Leihwagen, Fahrrad, Hubschrauber, Schnellboot, etc.) (vgl. Abell, 1980, S. 172 f.).
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Berg geht im Folgenden auch auf Abells Business Definition-Typologien und ihre Bedeutung für das Erlangen einer attraktiven strategischen Markposition ein (vgl. Abell, 1980, S. 174: Fokussierte Strategie, Differenzierte Strategie, Undifferenzierte Strategie), was uns hier aber zunächst nicht interessieren soll.
3.1.2 Business Architecture „The business a firm decides to be in has a profound effect on how the firm structures itself [...] it influences ist business architecture.“ Berg, 2005, S. 76 Hat sich das Unternehmen in der grundlegenden Frage seiner Geschäftsdefinition festgelegt, gilt es die gewählte Strategie möglichst effizient zu umzusetzen. Dafür sind »fein gestrickte organisationale Arrangements« von Nöten, die Berg als Business Architecture bezeichnet. Diese beschreibt für ihn die Kernarchitektur des Unternehmens mit seinen strukturellen und operationalen Charakteristiken unter Einbeziehung der jeweiligen Wertschöpfungsstufen sowie administrativer Systeme und Richtlinien (vgl. Berg, 2005, S. 79) Wertschöpfungsstufen (Stages of value Creation) „The stages of value creation describe the product, service, and information flows of a business organisation and the configuration of business processes as well as the way the organisation utilises its resources. Furthermore, they indicate not only the different stages and their order but also the interactions between them (Berg, 2005, S. 79).“ Für die Darstellung und Analyse dieser komplexen Zusammenhänge schlägt Berg eine »eine erweiterte Wertkettenanalyse« nach Stabell & Fjeldstad1 (vgl. Berg, 2005, S. 67 ff.) vor, deren Ziel es ist, die Portersche Wertkette dergestalt in ihre einzelnen Aktivitäten zu zerlegen, dass die einzelnen Bausteine der Wertschöpfung und ihre jeweilige Bedeutung für selbige in einem angemessenen Detaillierungsgrad dargestellt werden können.
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Stabell und Fjeldstad sind der Meinung, dass Porters Wertkettenanalyse besonders für traditionelle Produktionsbetriebe geeignet wäre, wohingegen es für Dienstleistungsunternehmen schwierig sei, anhand seiner Typologie primärer Wertaktivitäten zu analysieren, wo wertschöpfende Aktivitäten im Diensleistungsbereich stattfinden. Sie haben daher das Wertkettenkonzept um einen Value-Shop (Erläuterung der Wertschöpfungslogik anhand einer Problemlösung für den Kunden sowie durch die Mobilisierung dafür nötiger Ressourcen) und ein Value-Network (Wertschöpfung aufgrund von Vereinfachungen von Netzwerkbeziehungen zwischen verschiedenen Kunden) für die Dienstleistungsbranche erweitert (vgl. Berg, 2005, S. 67 f.).
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Abbildung 8: Die generische Wertkette nach Porter (eigene Darstellung nach: Porter, 1985, S. 37)
Porter selbst schlägt hierzu vor, jene Aktivitäten zu isolieren und zu separieren, die 1) verschiedene Geschäftscharakteristiken haben, 2) die potentiell großen Einfluss auf die Differenzierung des Unternehmens ausüben und 3) signifikant oder in wachsendem Ausmaß Kosten in selbigem verursachen (Porter, 1985, S. 45). Die Optimierung und Koordination der Verknüpfungen innerhalb der Wertkette (samt der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Wertaktivitäten) stellt dabei eine wertvolle Quelle für Wettbewerbsvorteile und Differenzierung dar (Porter, 1985, S. 48 f.). Hinzu kommen vertikale Verknüpfungen mit den Wertketten von Partnern, Zulieferern oder verschiedenen Vertriebswegen oder gar auch Verknüpfungen mit der »Wertkette des Abnehmers 1 «. Neben ihrem Wert als Analyse- und Konfigurationsobjekt kann eine strukturierte Wertkettenbetrachtung auch helfen, die eigene Wertkette mit denen der Wettbewerber zu vergleichen, um darüber Konfigurationsvor- und Nachteile des eigenen Geschäfts aufgezeigt zu bekommen (vgl. Berg, 2005, S. 80). Administrative Systeme und Richtlinien (Administrative Systems and Policies) Organisationsstruktur und Geschäftsprozesse müssen sich ergänzen und so auf einander abgestimmt sein, dass sie ein effizientes Erreichen der gewählten Strategie gewährleisten. Aus dieser Anforderung leiten sich zwei weitere Aufgabenfelder für den »Business Designer« ab: Die Grundlegende Organisationsstruktur (Basic Organisational Structure) sorgt für ein effizientes Design von Prozessen bzw. organisationalen Arrangements die die Stufen der Wertschöpfung begleiten. Sie betrachtet u. a. prozessuale Verknüpfungen innerhalb der
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Stichworte: Konsum als letzter Akt der Produktion, Prosument, Co-Creation etc. (vgl. Prahalad & Ramaswamy, 2003)
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Wertkette, die lt. Porter gerne in einer Aufbauorganisation übersehen werden (vgl. Porter, 1985, S. 59 f.): Dies können z. B. Koordinationsmechanismen und Kommunikationskanäle zwischen Mitarbeitern und den weiteren Entitäten des Businesses sein (Berg, 2005, S. 81). Sie ist aber auch Spiegel der Entscheidungen, welche Aktivitäten intern ausgeführt und welche ausgelagert werden. Die Entscheidungs- und Kontrollstruktur (Decision and Governance Structure) gibt grob Antwort auf die Frage: Wer entscheidet was und wie erfolgt Kontrolle im Unternehmen? Die Anreiz- und Kompensationsstruktur (Incentive and Compensation Structure) sollte schlüssige Antworten u. a. auf folgende Fragen liefern: Wie gewährleistet das Unternehmen Attraktivität gegenüber Toptalenten und hält diese aufrecht? Wie balanciert es die Interessen von Eigentümern und Managern der einzelnen Geschäftsentitäten aus?
3.1.3 Resource Configuration „The competitive value of individual activities cannot be separated from the whole.“ Porter, 1996, S. 72
Die einzigartige Ressourcenkonfiguration ist Bestandteil eines Aktivitätennetzwerkes (vgl. Porter, 1996), denn „Synergy between even a handful [distinctive competencies1 ] creates distinctiveness at a wholly superior level (Heijden, 1999, S. 65).“ Daher besteht ein wesentlicher Schritt der Analyse in der Bestimmung und Beurteilung des Ressourcenportfolios. Ein möglicher Weg diese durchzuführen, könnte laut Berg wieder über die Betrachtung der Wertkette führen, denn die einzelnen Stufen der Wertkette haben meist verschiedene Ressourcen, die ihnen zugeordnet sind. Die Bestimmung des Ressourcenportfolios könnte daher praktischerweise über eine kategorisierte Auflistung aller Ressourcen erfolgen, die dann der jeweiligen Wertkettenstufe zugeordnet werden. Eine Betrachtung der Wertkette auf diesem Mikrolevel bietet mehrere Vorteile: a) sie zwingt das Management zum Nachdenken und stellt daher einen guten Rahmen zur Formulierung strategischer Fragen, b) im Vergleich mit dem Wettbewerb lässt sich schnell feststellen dass die gleiche Art von Wertkettenaktivitäten ganz anders behandelt werden kann, was die Entwicklung und Konfiguration anderer Ressourcen zur Folge hat. Aber auch c) die Identifizierung und Balance von Trade-offs lässt sich in diesem Schritt gut vornehmen. Dies erleichtert die Weichenstellungen für die Konfiguration oder Aktualisierung des eigenen Aktivitätennetzwerkes und ist im Zusammenspiel mit Bergs
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Hinweis: van Heijden betrachtet als »distinctive competencies« eher das Zusammenspiel von Bergs »Business Architecture« und der »Resource Confuguration« (Heijden, 1999, S. 63-67). Seinen Ansatz nur auf die Ressourcenkonfiguration zu beziehen, wäre zu kurz gegriffen.
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anderen Geschäftsmodellbetrachtungsdimensionen letztendlich ein wesentlicher Schritt Richtung strategischem Fit (vgl. Porter, 1996, S. 70 ff.). Aber auch hier gilt: Die Ressourcenbetrachtung ist ein zeitabhängiges »Moving Target« – sowohl intern als auch extern (Wettbewerb) – da sie einer ständigen Rekonfiguration unterliegt (siehe »Der Faktor Zeit« S. 14). Berg kategorisiert sie in eine materielle und immaterielle Perspektive. Materiell (Tangible Resources) Unter die materielle Betrachtung fallen vergleichsweise einfach identifizierbare Ressourcen, die z. B. im Bilanzabschluss erscheinen. Dies können zum einen Finanzielle Ressourcen, wie Forderungen, Vermögenswerte oder Gewinnrücklagen sein. Aber auch Physische Ressourcen, wie Maschinen, Produktionsanlagen und -gebäude zählen dazu. Immateriell (Intangible Resources) Die immaterielle Betrachtung teilt Berg in drei Blöcke: Mit Skills bezeichnet er das Zusammenspiel von Know-how1 (z. B. Bildung, Training und Erfahrungen der Mitarbeiter) und Corporate Culture2 . Des Weiteren untersucht er Vermögenswerte im rechtlichen Kontext (Assest in Law and Order) bzw. Intellektuelle Schutzrechte wie z. B. Verträge, Lizenzen, Markenrechte, Patente, Datenbanken, registrierte Geschmacksmuster und Designs sowie Handelsgeheimnisse. Last but not least betrachtet er auch Vermögenswerte ohne rechtlichen Kontext (Assets without a legal Context). Dazu gehören zum einen die Reputation des Unternehmens und zum anderen seine Beziehungen und Netzwerke (sowohl intern als auch extern).
3.1.4 Revenue Model Das »Erlösmodell 3 « charakterisiert die wirtschaftliche Logik des Unternehmens. Revenues sind nach Coenenberg (1997, S. 356) „[...] direkte Zuflüsse von Geldmitteln aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, vor allem Umsatzerlöse, Gebühren, Zinserträge, Dividenden, Honorare und Mietverträge [...].“ Während also die drei Dimensionen des Business Designs die Kostenstruktur des Geschäfts definiert haben, beschreibt das Erlösmodell die einzelnen Erlöszuflüsse. Diese resultieren je nach Geschäftsdefinition
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„Know-how includes information about countless details that has taken years, sometimes decades, to accumulate in a firm, that enables a firm to interact with customers and suppliers (Berg, 2005, S. 82).“
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„Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird“ (Schein, 1999, S. 25).
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In der Literatur finden sich verschiedene Termini für »Revenue Model«: »Erlöserzielungsmodell«, »Ertragsmechanik (exakt: revenue mechanism)«, »Erlösmodell«, etc.
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und daraus abgeleiteter Aktivitätenkonfiguration aus z. B. Produktverkäufen, Beratung und Information, Lizenzen, Werbeplatzierung u. v. m. Für eine Erlösmodellanalyse schlägt Berg zwei Schritte vor: 1) Detaillierte Beschreibung der relativen Höhe und Bedeutung einzelner Cashflows, 2) Untersuchung der Ertragsmechanik durch Identifizierung verschiedener Erlösströme und ihrer entsprechenden Quellen.
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Komponenten nach Osterwalder Die folgende Geschäftsmodellontologie fußt auf der Forschung, die Alexander Osterwalder unter Betreuung von Yves Pigneur und Christopher Tucci an der »Ecole des Hautes Etudes Commerciales« der Universität Lausanne, im Rahmen seiner Dissertation durchgeführt hat. Wir haben sie als weiteres Untersuchungskonzept für unsere Arbeit herangezogen, weil er über einen sehr ausgiebigen Vergleich und eine Synthese der wichtigsten Autoren des Forschungsfeldes (Osterwalder, 2006, S. 12 f.; Osterwalder, 2004, S. 48 f.) eine einheitliche Notation geschaffen hat, mit der sich ein Geschäftsmodell darstellen lässt.
Abbildung 9: Business Design-Notation (nach: Osterwalder, 2007)
Sein Modell fußt auf den vier Säulen Angebot, Kunde, Infrastruktur und Finanzen, die wiederum in einzelne Bausteine (»Business Model Building Blocks«) untergliedert sind (siehe Abbildung 9). Diese Bausteine stehen interdependent zueinander, d. h. erfolgt eine (Re-)Konfiguration des einen Bausteins, ändern sich auch die Variablen des anderen. Als idealtypische Reihenfolge der Komponentenanalyse schlägt Osterwalder vor: Kundensegmente, Nutzenversprechen, Kommunikations- und Vertriebskanäle, Kundenbeziehungen, Ertragsmechanik, Schlüsselressourcen, Schlüsselaktivitäten,
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Partnernetzwerk und Kostenstruktur (Osterwalder, 2007, S. 8). Wir denken allerdings, dass diese an den spezifischen Kontext des zu untersuchenden Geschäftsmodells angepasst werden kann bzw. muss. Tabelle 1 listet die einzelnen Komponenten mit ihrer übergreifenden Bedeutung für das Geschäftsmodell nach Osterwalder noch einmal kurz auf, bevor wir im Folgenden jede Komponente kurz untersuchen bzw. in Vergleich zu Bergs Bezugsrahmen setzen wollen. Jeden Baustein leiten wir mit jenen Schlüsselfragen ein, die Osterwalder als Hilfestellung für ihre praktische Beschreibung liefert (vgl. Osterwalder, 2007, S. 9 ff.). Säule
Baustein / Komponente1
Beschreibung
Angebot (Offer)
Nutzenversprechen (Value Proposition)
Welches Produkt- und/oder Servicepaket bietet das Unternehmen an um die spezifischen Bedürfnisse seiner Kundensegmente zu befriedigen?
Kunde
Kundensegmente (Target Costumer)
Welchen charakteristisch-ausgeprägten Kundensegmenten im Detail bietet das Unternehmen (Mehr)-Wert an?
Vertriebskanäle (Distribution Channels)
Über welche Mittel und Wege kommuniziert das Unternehmen mit seinen Kunden, tritt mit ihnen in Kontakt und bietet sein Nutzenversprechen an?
Kundenbeziehungen (Customer Relationships)
Welche Beziehungen unterhält/pflegt das Unternehmen mit seinen verschiedenen Kundensegmenten?
Schlüsselaktivitäten Aktivitäten und Ressourcen
Wie sind die wichtigsten Aktivitäten des Unternehmens ausgestaltet und konfiguriert, die notwendig sind um das Geschäftsmodell zu implementieren?
Kundeninterface (Customer)
Infrastruktur (Infrastructure)
(Value Configuration, Key Activities, Activity Configuration)
Finanzen (Finance)
Schlüsselressourcen (Core Capabilities)
Auf welchen Kompetenzen/Ressourcen fußt das Geschäftsmodell des Unternehmens?
Partnernetzwerk (Partner Network)
Welches Netzwerk kooperativer Vereinbarungen mit anderen Unternehmen (Partner, Zulieferer, etc.) benötigt das Unternehmen, um effizient Wertschöpfung betreiben zu können und sie zu kommerzialisieren?
Kostenstrukturen (Cost Structure)
Welche Kosten fallen für die gewählte Konfiguration des Geschäftsmodells an, ergo: welche Kosten die entstehen für die Exekution der gewählten Mittel?
Ertragsmechanik
Auf welche Art verdient das Unternehmen Geld und über welche Erlöskanäle?
Einkommensflüsse, Erlösmodell (Revenue Streams)
Tabelle 1: Neun Geschäftsmodellkomponenten (nach Osterwalder, 2004, 2006, 2007; Osterwalder u. a., 2005)
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Osterwalders Modell befindet sich immer noch in Entwicklung, daher unterscheiden sich die Bezeichnungen der einzelnen Bausteine auch innerhalb seiner Publikationen geringfügig. Hinzu kommt, das man je nach Art der Organisation, die man mit der Osterwalder-Methode analysieren möchte die einzelnen Komponentenbegrifflichkeiten nuancieren kann. Einige von ihm selbst publizierte Alternativen sind in der Tabelle unter den fett gedruckten Bezeichnungen aufgelistet.
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3.2.1 Angebot Nutzenversprechen ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Was bieten wir dem Markt an? Was ist unser Markt? Welche Kundenbedürfnisse deckt jedes Nutzenversprechen ab? Bieten wir den verschiedenen Kundensegmenten unterschiedliche Servicelevel an?
Die »Value Proposition1 «, von uns als Nutzenversprechen (in anderer Literatur auch je nach Kontext als Werteversprechen) bezeichnet ist ein wesentlicher Baustein Osterwalders Modell. Ein Geschäftsmodell kann mehrere Nutzenversprechen beinhalten, meist je eines pro Kundensegment. Für die Erarbeitung von Nutzenversprechen schlägt Osterwalder vor, zunächst eine Beschreibung selbiger für jedes identifizierte Kundensegment vorzunehmen, wobei ein Segment durchaus auch mehrere Nutzenversprechen haben kann, welche wiederum verschiedenen Segmenten angeboten werden können. Für jedes herausgefundene Nutzenversprechen werden anschließend die wichtigsten Produkt- und Serviceattribute beschrieben (z. B. Service Level, etc.). Interessanterweise ist dieser Schritt lediglich ein anderer Zugang zur Business Definition nach Abell, die Berg vorschlägt (vgl. S. 17). Die Nutzenversprechen entsprechen den »Kundenfunktionen« kombiniert mit »Alternativtechnologien« (hier: Bündel aus Produkten und Services).
3.2.2 Kunde Kundensegmente ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Für wen betreiben wir eigentlich Wertschöpfung? Gibt es davon Kunden, die es wert sind, sie in eine eindeutige Kategorie zu fassen, weil... ... wir ihnen ein einzigartiges Angebot machen? ... wir sie durch verschiedene Kommunikations- und Vertriebskanäle erreichen? ... wir unterschiedliche Beziehungen mit ihnen unterhalten (z. B.: eher persönlich)? ... sie beträchtliche Unterschiede in ihrer Profitabilität haben?
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„A Value Proposition is an overall view of a company's bundle of products and services that are of value to the customer (Osterwalder, 2004, S. 43).“
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Hier werden alle Kundengruppen (sowohl Geschäfts- als auch Privatkunden) detailliert beschrieben. Dies geschieht über demografische, soziodemografische oder geografische Merkmale, Kernbedürfnisse, Erwartungen und Motivationen oder anderen sinnvoll für das Unternehmen gewählten Kriterien. In Abells Bezugsrahmen entspricht dies den »Kundengruppen« und ist im Vergleich mit Berg daher zusammen mit dem Schritt der Beschreibung der Nutzenversprechen als »Business Definition« einzuordnen (vgl. S. 17). Das Ergebnis dieses Analyseschrittes sind lt. Osterwalder verschiedene Kundensegmente, entlang denen bestehende Kunden klassifiziert werden können. Die identifizierten Segmente werden abschließend mit weiteren Daten angereichert wie z. B. Anzahl derzeitiger Kunden im Segment, Profitabilität oder Wachstumspotential. Kommunikations- und Vertriebskanäle ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Durch welche Kommunikations- und Vertriebskanäle ereichen wir unseren Markt? Wie gut funktioniert jeder Kanal? Wie teuer oder kosteneffizient ist jeder unserer Kanäle? Über welche Kommunikations- und Vertriebskanäle promoten bzw. liefern wir unsere Nutzenversprechen aus? Durch welche Kanäle erreichen wir unsere einzelnen Kundensegmente?
„A good and integrated channel design can be a powerful tool for differentiation and competitve advantage (Osterwalder, 2007, S. 12).“ Die »Kanäle« sind das Interface zwischen einem Unternehmen, seinen Nutzenversprechen und den Kunden. Die bewusste Kundenkontaktpunktgestaltung1 (gerne auch Markenkontaktpunktgestaltung genannt) ist eine daher eine wesentliche Designaufgabe die, ob der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Kanäle, für fundierte Entscheidungen genaue Kenntnis über die Kunden sowie ihre Bedürfnis- und Motivationsstrukturen aus den Vorgängerschritten voraussetzt. Kostenintensive Kanäle werden i. S. einer sinnvollen Kanalkonfiguration dabei meist hochprofitablen Kunden, kosteneffiziente eher unprofitablen Kundensegmenten zugeordnet. Osterwalder empfiehlt für die Analyse pro Nutzenversprechen zu umreißen, über welche Kanäle es welchen Kundensegmenten abgegeben bzw. eingelöst wird. Wenn alle Kanäle identifiziert sind wird pro Kanal versucht, ihn mit weiteren Informationen, z. B. über Erfolgsraten und Kosteneffizienz anzureichern.
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Beispiele könnten sein: Werbung in weitesten Sinne, Websites und andere elektronische Interfaces, Konferenzen, Retail- & Storedesign, Sales Affiliates, Verkaufspersonal, u. v. m. Aber auch die Gestaltung von Kommunikationsprozessen über verschiedene Einzelkanäle hinweg, i. S. einer abgestimmten Kanaldramaturige (z. B. bei Beschwerdemanagement, Kundenrückgewinnungsprogrammen, Servicebegleitung über den gesamten Produktlebenszyklus, etc.). Letzteres ist allerdings auch eng mit dem Punkt »Kundenbeziehungen« auf der nächsten Seite verknüpft.
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Kundenbeziehungen ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Entwickeln und pflegen wir verschiedene Kundenbeziehungstypen in unserem Geschäftsmodell (z. B.: mehr oder weniger intensiv, persönlich, etc. persönliche Beratung vs. Self-Service)? Wie ressourcenintensiv ist jede dieser Kundenbeziehungen im Hinblick auf Zeitaufwendungen und andere Kosten? Welche Beziehungsarten und –mechanismen entwickeln und pflegen wir für jedes Kundensegment?
Eine weitere wesentliche Businessdesignentscheidung ist die differenzierte Ausgestaltung des Beziehungsmanagements mit den identifizierten Kundensegmenten. Osterwalder schlägt vor, hier zunächst pro Kundensegment zu untersuchen, welche Beziehungsarten man für jedes Nutzenversprechen das man abgibt, aufrechterhält. Jede dergestalt identifizierte Beziehungsart wird, so empfiehlt er weiter, mit Informationen über Ressourcenintensität, Zeitaufwendung und andere Kosten angereichert.
3.2.3 Infrastruktur Schlüsselressourcen ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Auf welche Schlüsselressourcen sind wir angewiesen, um unser Geschäftsmodell betreiben zu können? In welcher Beziehung steht jede dieser Ressourcen zu unserem Nutzenversprechen und seinen zugehörigen Kundensegmenten, Kanälen und Beziehungen?
Wie Berg (vgl. S. 21 »Resource Configuration«) schenkt auch Osterwalder der Ressourcenbetrachtung Aufmerksamkeit: Für ihre Identifizierung und Beschreibung empfiehlt er zunächst anhand der wichtigsten Nutzenversprechen, zugehörigen Kundensegmenten, Kanälen, Beziehungen und Erlösströmen, jene Schlüsselressourcen zu identifizieren, von denen die Einlösung des jeweiligen Nutzenversprechens abhängt. Dies wird solange wiederholt, bis alle Nutzenversprechen und ihre entsprechenden Schlüsselressourcen beschrieben sind. Auch er unterscheidet die Betrachtung in materiell und immateriell, wobei er darauf hinweist: „Increasingly, business models are also built on intangible assets that are diffcult to quantify [...] (Osterwalder, 2007, S. 15)“. So sind z. B. etwas vereinfacht die Marke, das »Humankapital« sowie eine verlässliche IT-Infrastruktur die wichtigsten Ressourcen im Retail Banking.
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Schlüsselaktivitäten (Value Configuration) ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Was sind die Hauptaktivitäten die wir durchführen um unser Geschäftsmodell zu betreiben? Welche Schlüsselressourcen liegen ihnen zu Grunde? Für welche Nutzenversprechen, Kanäle oder Beziehungen leisten sie einen Beitrag?
Ein Unternehmen kann seine Schlüsselaktivitäten entweder selber, oder teilweise ausgelagert über ein Partnernetzwerk ausführen. Osterwalder schlägt vor, anhand der einzelnen Nutzenversprechen sowie ihrer zugehörigen Kanäle und Beziehungen aufzulisten, welche Schlüsselaktivitäten notwendig sind um das jeweilige Nutzenversprechen einzulösen. Dies wird solange für alle Nutzenversprechen wiederholt, bis alle Schlüsselaktivitäten identifiziert sind. Wir meinen, dass diese Schritte eigentlich die Konstruktion der spezifischen Wertkette des Unternehmens darstellen (vgl. Bergs »Business Architecture« S. 19). Osterwalder nähert sich der Wertaktivitätenkonfiguration nur aus einer anderen Perspektive und überprüft hier, wie auch Berg, die Verknüpfung mit den Schlüsselressourcen (vgl. Berg: »Resource Configuration« S. 21). Partnernetzwerk ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Mit welchen Partnern und Zulieferern arbeiten wir zusammen? Mit welchen Schlüsselressourcen stehen diese in Verbindung? Für welche Nutzenversprechen, Kanäle oder Beziehungen leisten sie einen Beitrag?
Ob Joint Ventures, Kooperationen, Allianzen oder Partnerschaften: Moderne Geschäftsmodelle sind das Resultat von Netzwerken1 . Der »Business Designer« muss sich daher u .a. folgenden Fragen stellen: Kann unser eigenes Geschäftsmodell durch Partnerschaften unterstützt werden? Was machen wir selber, was lassen wir machen2 ? Und wie kombiniere ich meine Nutzenversprechen bestmöglich mit denen der Partner? Die idealtypischen Identifizierungsschritte lt. Osterwalder hierfür sind: 1) Den wichtigsten Partner oder Zulieferer herauspicken und beschreiben, welche Schlüsselressourcen er liefert bzw. welche Schlüsselaktivitäten er ausführt. 2) Schritt 1 solange wiederholen, bis alle Partner erfasst sind. 3) Für jeden Partner ermitteln, ob er ohne weiteres ersetzbar wäre, bzw. wie eng man selber mit ihm integriert ist und ob er ein potentieller Wettbewerber werden könnte.
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z. B. Amazon (Logistikpartner: UPS, DHL, etc.; Shop-in-Shop Systeme: Subunternehmer, die das Amazon-Framework nutzen)
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Dies ist immer auch eine Frage nach den Kernkompetenzen (vgl. Osterwalder, 2004, S. 90).
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3.2.4 Finanzen Kostenstrukturen ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Welche sind die wichtigsten Kostenpositionen in unserem Geschäftsmodell? Können diese ohne weiteres einem/einer Geschäftsmodellbaustein/-komponente zugeordnet werden? Können die Kosten für jedes Kundensegment berechnet werden?
Die Kostenstrukturen sind ein direktes Resultat aus der individuellen Konfiguration aller Geschäftsmodellbausteine. Im Idealfall sollten die Kosten auf jede einzelne Geschäftsmodellkomponente zurückverfolgbar sein, was ein sehr umfangreiches Thema darstellt und hier keine nähere Betrachtung finden kann. Erlösmechanik / Erlösmodell ZU BEANTWORTENDE SCHLÜSSELFRAGEN
Was sind unsere Erlöszuflüsse? Was sind die Erlöszuflüsse von jedem Kundensegment und jedem Nutzenversprechen? Wie hoch ist der Beitrag der einzelnen Erlöszuflüsse prozentual zum Gesamtergebnis?
Osterwalder nennt diesen Baustein wie Berg das »Revenue Model«. Als Schritte seiner Beschreibung empfiehlt er 1) ein Kundensegment auszuwählen (dabei nat. mit dem Wichtigsten zu starten). 2) Die jeweiligen Erlösströme zu beschreiben, die auf das Segment verweisen und zu untersuchen, auf welches Nutzenversprechen diese zurückzuführen sind. 3) Nach Wiederholung dieser Schritte für jedes Kundensegment zu schauen, welchen finanziellen Beitrag dieses innerhalb der Gesamterlöse ausweist.
3.3
Modellkritik Beide Autoren nähern sich dem Thema zwar von unterschiedlichen Perspektiven, untersuchen jedoch – wie versucht wurde zu zeigen – am Ende die gleichen grundlegenden strategischen Fragen, denen sich ein Unternehmen stellen muss. Osterwalders Ansatz erscheint uns dabei etwas praktischer und überzeugt u. a. wegen seiner guten Visualisierungsmöglichkeiten – speziell für die schnelle Erfassung sowie die Herausarbeitung der Essenzen einer Geschäftslogik aus der »Vogelperspektive«. Bergs Konzeptualisierung erscheint in der praktischen Umsetzung dagegen etwas zu textlastig, obgleich auch er natürlich in jeder Komponente die Möglichkeit eröffnet die Wechselwirkungen und Abläufe im Detail grafisch darzustellen (z. B.: Wertkettendarstellung, Organisationsstruktur, Generisches Erlösmodell, etc.). Auch die prominent hervorgehobene Betrachtung des »Partnerbausteins« von Osterwalder, die
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sich bei Berg in den Wertschöpfungsstufen »versteckt« finden wir sehr gelungen, da sie ein wichtiges Bindeglied zu Geschäftsmodellen anderer Unternehmen1 darstellt, die immer größere Bedeutung erlangen. Er geht dafür aber wiederum z. B. nicht explizit auf Punkte wie »Kontrollmechanismen«, »Wertkette« oder »Wettbewerbsumfeld« ein, die Berg genauer untersucht. Wir finden daher: Für zukünftige Forschungen sollte man in Form eines formalisierten Vergleichs für beide Konzeptualisierungen prüfen inwieweit sie die Anforderungen der Kriterien aus Abschnitt 2.1 erfüllen, um eine abschließende qualifizierte Kritik äußern zu können. Für beide Ansätze allerdings gilt: Da ein Modell immer nur einen vereinfachten Ausschnitt der Wirklichkeit darstellen kann, wird eine Geschäftsmodellbetrachtung immer abhängig von der Perspektive sein die man einnimmt.
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Definitionsversuch und Fazit Was aber verstehen wir unter einer Perspektiv- bzw. Kontextabhängigkeit? Schauen wir uns zunächst die drei Definitionsansätze der Autoren an, die in dieser Arbeit am häufigsten zitiert wurden. Berg fasst seine oben beschriebene Konzeptualisierung in folgender Definition zusammen: „A business model is defined as a systematic and comprehensive way to describe the basic strategic logic of a business in a simplified and abstract manner. It is the basis for the illustration, discussion, and development of strategy for a firm or business unit. It comprises a business design that describes the comprehensive system of activities, relationships, and resources as well as a revenue model that analyses the way the business generates revenues and profit (Berg, 2005, S. 73).“ Osterwalder bündelt seinen Ansatz wie folgt: „A business model is a conceptual tool that contains a set of elements and their relationships and allows expressing the business logic of a specific firm. It is a description of the value a company offers to one or several segments of customers and of the architecture of the firm and its network of partners for creating, marketing, and delivering this value and relationship capital, to generate profitable and sustainable revenue streams (Osterwalder, 2007, S. 1718). Sylwotzky dagegen formuliert: „A business design is the totality of how a company selects its customers, defines and differentiates its offerings, defines the tasks it will perform itself and those it will outsource, configures its resources, goes to market, creates utility for customers, and captures profit. It is
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Dies ist von Vorteil, da unternehmensübergreifende Konstrukte im Sinne integrierter (Geschäfts-)Systeme aus Herstellern, Lieferanten und Kunden zunehmend wichtiger werden. Value Webs, Co-Creation, etc.
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the entire system for delivering utility to customers and earning a profit from the activity. Companies may offer products, they may offer technology, but that offering is embedded in a comprehensive system of activities and relationships that represents the company’s business (Slywotzky, 1996, S. 4).“ Letztendlich führen sowohl Bergs als auch Osterwalders Ansatz grob über drei Schritte zur Beschreibung eines Geschäftsmodells: 1) Der Untersuchung von Lebenswelten und Bedürfnisstrukturen potentieller Kunden. 2) Einem daraus abgeleiteten Angebotszuschnitt (unter Abgleich von Resource-based View, Market-based View und weiteren Umfeldbedingungen) sowie 3) der profitablen Sicherstellung der Einlösung des auf dem Angebotszuschnitt basierenden Nutzenversprechens. Beide Modelle und auch die meisten Definitionen zum Thema bestehen daher im kleinsten gemeinsamen Nenner grob aus den zwei Hauptkomponenten (vgl. auch Berg, 2005, S. 72-73; Osterwalder, 2004, S. 45-46): Systeme und Geschäftsprozesse (Auf welche Art und Weise werden Geschäftsprozesse aufgesetzt und Trade-offs behandelt?) sowie einem Erlösmodell (Wie wird Geld verdient?). Dennoch fällt uns eine eigene Defintion zugegebenermaßen schwer bzw. mit derzeitigem Wissensstand nicht möglich. Denn was man unter einem Geschäftsmodell versteht und welche Elemente dessen man untersuchen muss bzw. gestalten kann, hängt stark vom Kontext und der zu untersuchenden Abstraktionsebene ab (vgl. »Business Triangle«: Osterwalder, 2004, S. 16; Berg, 2005, S. 70). Zum einen stellt sich die Frage nach dem Problem, das ich mit einer Geschäftsmodellbetrachtung lösen möchte. So wird z. B. ein Risikokapitalgeber im Rahmen einer Businessplanprüfung bewußt nur einen »unvollständigen Auschnitt« des Geschäftsmodells analysieren auf Grundlage dessen er seine Entscheidungen trifft, wobei der Fokus auf dem Revenue Model und der Zusammensetzung bzw. der Vision des Gründerteams liegen wird. Fragt man Verbraucher nach ihrer Perzeption des Geschäftsmodells einer Marke, so werden sie mit Sicherheit alle Leistungen, die ihnen in Wirklichkeit ein komplexes Leistungssystem1 erbringt, auch jener Marke (da sie als Leistungsanbieter auftritt) zuordnen. Im EBusinesskontext wiederum liegt der Darstellungsfokus oft auf der Beschreibung und Legitimation einer Erlöserzielungslogik (vgl. Berg, 2005, S. 70). Allein diese drei Beispiele zeigen auf, dass sowohl verschiedene Weltsichten als auch Kontexte bei einer Geschäftsmodellbetrachtung eine Rolle spielen. Nun war es aber ja gerade erklärtes Ziel der betrachteten Ansätze eine für alle verständliche Beschreibungssprache zu finden, was sich allerdings auch nicht widerspricht: Denn je nach Problemstellung muss man nur
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I. S. der Koordination einer Vielzahl von Wertschöpfungsprozessen, z. B. innerhalb eines Value Webs. Komplexe Geschäftssysteme, die die Geschäftsmodelle mehrerer Unternehmen verschränken (siehe Wertkettenverschränkung), werden oft als Systemlösungen vom Kunden wahrgenommen. Als Lösungsanbieter steht oft eine Marke, die die Moderation und Koordination der integrierten Problemlösung übernimmt.
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jenen Auschnitt1 aus der (formalisierten) Gesamtkonzeptualisierung wählen der für eine Lösung spezifischer Problemstellungen nötig ist. Dies soll nicht dem Gedanken der oben geforderten komplexen Gesamtkonfiguration zuwiderlaufen, sondern muss eher i. S. einer situationsadäquaten Granulierung verstanden werden. So muss z. B. eine Erlösmodellinnovation nicht zwingend auf alle Bausteine (z. B. die Ressourcen oder die Partner) eines Geschäftsmodells zurückkoppeln und kann (innerhalb strategischer Vorgaben) einzeln als Teilkonfiguration vorgenommen werden. Im unternehmensinternen Strategiediskurs dagegen wird das Geschäftsmodell natürlich aus viel globalerer Perspektive behandelt, hier u. U. allerdings in abstrakterer Form und zunächst auf Kosten des Detaillierungsgrades. Dafür geschieht dies aber wiederum unter Berücksichtigung weiterer wichtiger Kontexte, wie den Umfeldbedingungen2 (industriestruktureller Kontext, Issues, Trends), Unternehmenskontext und strategischen Überlegungen. So kann eine scheinbare Miskonfiguration des Geschäftsmodells aus einer strategischen Entscheidung herrühren, die ein jahrelanges Fahren von Verlusten bewusst einplant (z. B. im Rahmen von Verdrängungswettbewerb). Da sich das Geschäftsmodell permanent in solchen Austausch- und Beziehungsprozessen mit seinem Umfeld befindet, ist es in Teilen natürlich auch das Resultat von Zufällen (z. B. über die strat. Nutzung sich ergebender Chancen). Zum Unternehmenskontext ließe sich sagen: Auch unternehmensinterne gewachsene Strukturen müssen beachtet werden. So gibt Slywotzky z. B. das „institutionelle Gedächtnis“ einer Organisation (Slywotzky, 1996, S. 16 f.) zu bedenken. Eine fundamentale Neuausrichtung ist aufgrund dieses Phänomens nicht ohne weiteres möglich und somit ein weiteres Beispiel für jene Kontexte, innerhalb deren sich ein Geschäftsmodell evolutionär anpassen muss 3 . Für uns heißt das: Wir wissen nun zwar um Bedeutung, Anforderungskriterien, Klassifikationsmöglichkeiten und Analysekomponenten eines Geschäftsmodells. Wir wissen aber auch, dass sich der Untersuchungskontext einer Geschäftsmodellbetrachtung je nach Abstraktionsgrad und Fragenformulierungsperspektive ändern wird. Dies führt dazu, dass jeweils andere Komponenten untersucht, weggelassen oder gar »hinzugefügt« werden müssen, was eine kontextunabhängige Definition erschwert. Beide Konzeptualisierungen stellen allerdings – so finden wir – einen sehr hilfreichen Denkrahmen und eine Basis für weitere Forschung dar. Eine ausführlichere Untersuchung der Wechselwirkungen und Kontexte die untrennbar mit dem Konzept
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i. S. einer Teilmodellbetrachtung
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So postuliert Porter: „no business model can be evaluated independently of industry structure Porter, 2001, S. 4“. Auch Slywotzky findet: „[...] new-growth innovators are great business model innovators, but in addition, they are imaginative and insightful analysts of the business environment, skilled at recognizing opportunities where others do not and developing profitable ways to respond (Slywotzky, 2004, S. 26).“
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Man könnte diese Evolution auch als ein stetiges Tasten von Market-based View und Resource-based View verstehen.
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»Geschäftsmodell« verbunden sind, könnten z. B. im Rahmen einer Bachelorarbeit untersucht werden.
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