Minefinder (Broschüre)

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MINEFINDER Broschüre zum zweiten Teil des Projektes M2 an der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen Jan Dubský

Betreut von: Dipl. -Ing. MArch. Stephanie Brandt Lehrstuhl und Institut für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens © Jan Dubský jan.dubsky@rwth-aachen.de August 2015, Berlin


Abb 1 - Minefinder, Layer Gegenst채nde


INHALT Phase 0

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Kontinuität

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Persönlicher Rückblick

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Verständnis

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Mittel

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Werkzeug

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Phase 1

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Sprung

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Anlass und Ziele

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Medium und Produkt

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Methode

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Schlusswort

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Abb 2 - Minefinder, Layer Wesen


MINEFINDER ist ein Spiel MINEFINDER ist eine interaktive öffentlich zugängliche Plattform MINEFINDER ist eine Erweiterung der Realität MINEFINDER ist komplex MINEFINDER ist plakativ MINEFINDER ist schön.


Phase 0 <ŽŶƟŶƵŝƚćƚ Minfinder knüpft an Transitionmaker (weiter TM) aus dem vorherigen Semester an, erweitert das Betrachtungsgebiet und vertieft teilweise die erworbenen Erkenntnisse, besonders im Feld der sog. augmented reality. In dem Projekt TM wurde die Machbarkeit der nutzungsorientierten und räumlichen Transformation des Gebietes Woonboulevard in Heerlen untersucht. Prozesshaft und schrittweise wurde eine sowohl räumliche, als auch funktionelle Veränderung des Planungsgebietes vorgeschlagen.

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Auf dem Weg von einem autogerechten monofunktionellen „NichtRaum“ (vg.Marc Augé) zu einem hochwertigen öffentlichen Raum und einer Mischnutzung wurde unter anderem eine Onlineplattform entworfen, die eine Verzahnung der digitalen Welt mit der Realität ermöglicht. Diese online Plattform unterstützte ein partizipatives Planungsverfahren. Der User kann kommentieren, Spuren hinterlassen, sich an der Umgestaltung des Gebietes beteiligen. Außerdem wird dem User ein Pool an Verbesserungsvorschlägen zur Hand gegeben, die er dann mithilfe der App im Raum frei platzieren kann. Auf eine intuitive Weise kann so jeder in den Planungsprozess eintreten. Die Funktionalität der App entwickelt sich mit der

zunehmenden Transformation des Gebietes. Sie beginnt mit einer „Auslagerung“ der Ware aus den Geschäften (Abb. 4) in den Freiraum in Form von digitalen Schubladen, die man mit dem Smartphone betätigen kann. Später wird die App um die oben beschriebene Funktion der Partizipation erweitert und als letzter geplanter Schritt wird die App für Präsentation von verschiedenen Kunstwerken benutzt, die bislang nur auf dem Bildschirm erlebbar waren. Das gesamte Projekt TM und die einzelnen Werkzeuge wurden ausführlich in einer Broschüre beschrieben. Der in dieser Broschüre dokumentierte Entwurf baut auf den Erkenntnissen aus dem Feld der digitalen Realität auf und erweitert sich über die


Abb 3 - Minefinder, Ebene 1

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Abb 4 - virtuell Schubladen im Transitionmaker


Grenzen des Woonboulevard hinaus. Der entworfene Minefinder ist ein Versuch, zum Verstärken der Image der Region Parkstad auf eine spielerische Art beizutragen. Die didaktischen Ziele werden in Form von einer interaktiven digitalen Plattform umgesetzt. Das Thema Kohleindustrie spielt dabei eine entscheidende Rolle.

WĞƌƐƂŶůŝĐŚĞƌ ZƺĐŬďůŝĐŬ Der Entwurf ist in einem selbstbestimmten Prozess entstanden. Nach der Absprache mit den Betreuer wurde festgestellt, dass der zweite Teil des Projektes zwar zusammenhängend mit der vorherigen Arbeit ein Gesamtpaket bilden muss, aber die weitere Richtung meiner Arbeit im kommenden Semester von mir bestimmt werden muss. Die Ausarbeitung der

Aufgabenstellung wurde mir also überlassen. Freie Themenwahl bringt außer der Entwurfsfreiheit auch die Schwierigkeit der Entscheidung mit sich mit. In dem langen Prozess der Themensuche wurde viel Arbeit geleistet, die sich zwar nicht in dem Finalprodukt wiederfinden lässt, aber die zur Untersuchung der Landschaft vieler möglichen Gedankenrichtunge beigetragen hat. Es fiel mir sehr lange schwer, sich auf das wesentliche zu fokussieren und ein tragendes Thema zu finden, in das ich mich einarbeiten kann und das mir noch dazu Spaß machen würde. Die Zeit der Verzweiflung hat sich über zwei Monate gezogen, in denen ich eine „wilde“ Recherche zu breiten Themen ausgearbeitet habe. Aus verschiedener Gründen wurde dann die Ausarbeitung

verzögert. Ergebnisse der Recherche Um die Breite der Ausarbeitung nachvollziehen zu können, stelle ich in einer sehr reduzierten Form die Ergebnisse der ersten Phase des Projektes dar. Sie beinhaltet drei Recherchen mit den folgenden Schwerpunkten: 1. Verständnis - sozialhistorische Analyse der Gründe des demografischen Wandels der Stadt Heerlen, 2. Mittel – die App als mögliches Mittel der Kommunikation/ Darstellung/ Sammlung von Data, Augmented Reality, 3. Werkzeug – Untersuchung der Best-practice-Beispiele im Bereichen temporäre Architektur, partizipative Architektur und Zwischennutzungen.

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sĞƌƐƚćŶĚŶŝƐ Die erste Analyse bezieht sich besonders auf die Stadt Heerlen, die größte Siedlung der Parkstad, aber viele Erkenntnisse lassen sich auch über den Grenzen der Stadt aufspüren. Parkstad liegt in dem östlichen Teil der Provinz Limburg (Abb. 5). Seit der Schließung der Bergwerke leidet sie unter einem dramatischen demografischen Wandel. Auswanderung und Alterung der Population sind Ursachen eines langsamen wirtschaftlichen Niederganges. Um diesen Prozess zu verhindern, haben sich acht Gemeinden in einem Zweckverband zusammengetan und haben die Parkstad gegründet. Mit diesem Bemühen versuchen die Gemeinden, das „schwarze“ Bild der ehemaligen Kohlenregion in einen grünen Garten, die Parkstadt von Limburg umzuwandeln. Als

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ein Werkzeug der geplanten Transformation wurde im Oktober 2013 eine IBA gestartet. Der bis 2020 laufende Prozess soll der Region einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen und helfen, die Parkstad ganz neu und stärker zu positionieren. In einem der definierten Ziele der IBA ist ein Gedankenwandel zu spüren. Die Bedeutung der Industrieerbes wurde seit dem Niedergang des Kohlebaus erheblich unterschätzt. Mit der kommenden IBA wurde (auch anhand des Beispiels erfolgreicher Projekten der Umnutzung ehemaliger Industriegebiete im Ruhrgebiet) der Wert dieser Erbe identifiziert. Viele von den bei der ersten öffentlichen Ausschreibung (offener Aufruf 2014) angereichten Projekten setzten sich mit diesem Thema unter

dem IBA-Label „Clever heritage“ auseinander. Das vorgelegte Projekt zählt zu vielen Entwürfe dieser Art und ist daher aus der Sicht der IBA Parkstad als ein möglicher Baustein in dem gesamten Prozess der internationalen Bauausstellung zu verstehen. Verschiedene strategische Ansätze setzten sich als Ziel einerseits den Erhalt der Überresten der industriellen Nutzung, andererseits auch den Versuch, diese teilweise verlorene Vergangenheit wieder sichtbar zu machen und die für die Gegenwart zu übersetzen. Die am prägnantesten Merkmale der Region können in einen Zusammenhang mit dem Kohleabbau gesetzt werden. Seit den ersten Funden am Ende des 19. Jahrhunderts fand eine dramatische Entwicklung in der gesamten Region der


EŝĞĚĞƌůĂŶĚĞ

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Abb 5 - Betrachtungsgebiet im großen Kontext

WĂƌŬƐƚĂĚ

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Abb 6 - Augmented reality im IKEA-Katalog 2014


Parkstad statt. Die neu gebauten Bergwerke dienten als Magneten für neue Arbeitskräfte aus der ganzen Welt. Ein rasanter Aufschwung brachte viele Investitionen in das Gebiet mit sich. Neue Siedlungen sind entstanden, neue Infrastruktur musste aufgebaut werden. Die Zeit der Prosperität zog sich bis zur Kohlenkrise in den 60er Jahren. Mit der Umorientierung auf Erdöl und billigere Produktion aus den USA kam auch Zusammenbruch des Kohlenbaus im westlichen Europa. In der ganzen Region kam es zu einem starken Verlust an Arbeitsplätzen (mehr als ein Drittel). Die nicht mehr gebrauchten Bergwerke wurden meistens abgerissen, die Bewohnerzahl fing an zu sinken. Um diesen Wandel zu stoppen, hat die niederländische

Regiereung im Rahmen der sog. Restrukturierung versucht, den Arbeitsmarkt wieder zu beleben, so dass viele Gewerbegebiete gegründet wurden oder Sitze der öffentlichen Diensten wie CBS (Centraal Bureau voor de Statistiek) in die Parkstad verlegt wurden. Dieser Versuch ist teilweise gelungen, trotzdem ist die Region immer noch von einer schrumpfenden Bewohnerzahl betroffen und erhofft sich von der kommenden IBA eine starke Veränderung. Es war nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung betroffen. Nach einer so radikalen Veränderung verlor die Parkstad auch einen wichtigen Identitätsträger. Das Gefühl der verschwundenen Geschichte ist besonders bei der älteren Generation spürbar. Nach der Kohlekrise und dem Abriss der

Kohlewerke hatte die Parkstad noch nicht genügend Zeit, neue Akzente zu setzten und sich umzustrukturieren. Die zweite Generation der Bergwerkarbeiter hat zur Parkstad keine Bindung und verlässt sie auf der Suche nach einer besseren Lebensqualität. Der Parkstad fehlt ein Symbol, ein Motiv, das deren Charakter erfassen würde. Nicht einmal der Begriff Parkstad ist in der breiten Öffentlichkeit verwurzelt.

DŝƩĞů Die in dem TM angedeutete Technologie augmented reality (AR) wurde in dem zweiten Teil der Recherche detaillierter untersucht. Viele Faktoren verursachen, dass das zusammengesetzte Bild der Realität, was in dem Gehirn entsteht, auf viele Arten und

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Weisen manipulierbar ist. Die Visuelle Manipulation erzielt man heutzutage mit ziemlich einfachen Mitteln wie z.B. 3D-Projektionen. Was aber AR von dieser Art unterscheidet, ist die hohe Intensität der Immersion. Das und die Möglichkeit, mit der ausgegebenen Simulation in eine Interaktion zu treten, sind wichtige Merkmale der AR. Die erzeugte Verzahnung der Realität mit dem digitalen Inhalt bietet neue Möglichkeiten in vielen Branchen wie z.B. Autoindustrie oder Architektur. Je nach Ausgabegerät und derbLeistung des Computersystems verändert sich auch der Grad der Komplexität der Wiedergabe, von mit dem Smartphone aufrufbaren einfachen digitalen Modellen bis zu komplexen Darstellungen komplizierter chemischer Reaktionen. Die Technologie erlebt seit paar Jahren einen

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Schwung und findet auch schon Anwendung in unserem Alltag (Abb 6). Zahlreiche Apps sind imstande, anhand von unserer Position im GIS-System digitale Inhalte richtig perspektivisch zu deformieren, mit dem Bild unseres Umfeldes zu kombinieren und diese zusammenzusetzen. Z.B. wird diese Technologie bei manchen Navigationssystemen verwendet. Es wurde ein großer Schritt von einer aus dem Bildschirm gegebenen virtuellen Welt zu einer fast kompletten Immersion in einer von vielen dafür gebauten Einrichtungen wie die AixCave an der RWTH Aachen gemacht. Die Technologie ermöglicht es, AR auch im Bereich der Stadtplanung und Architektur einzusetzen. Die noch nicht gebauten Strukturen können so mithilfe der AR im Maßstab 1:1 dargestellt werden

und präsentiert werden. Die Planung kann so einerseits die Fehlerbehebung rasant erhöhen, andererseits bietet sich, AR in den Planungsprozessen einzusetzen, in denen Bedarf an einem multilateralen partizipativen Verfahren besteht. Das virtuelle Modell ist leicht verständlich und intuitiv wahrnehmbar.

tĞƌŬnjĞƵŐ Im dritten Teil der Recherche wurde der Fokus auf drei ausgewählte Werkzeuge der heutigen Raumproduktion gelegt: Temporäre Architektur (besonders im öffentlichen Raum), Partizipation (in der Planung) und Zwischennutzungen. Im Rahmen der Fokussierung des Entwurfes auf eine „bottom-up“ Lösung schienten diese drei Themen dem Vorhaben als angemessen, die breite Öffentlichkeit mithilfe von punktuellen, lokalen


Abb 7 -tempor채re Architektur, Chuck a Luck, Raumlabor

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Einsätze zu sensibilisieren, in die gedachte Transformation einzubeziehen und letztendlich auf dem lokalen „know-how“ aufbauen zu können. Um dem Anspruch gerecht zu werden, das Untersuchungsgebiet aus der Perspektive der IBA (unter dem Motto Interaktive BürgerBeteiligung) wahrzunehmen, spielten oben genannten Werkzeuge und ihr Verständnis eine bedeutende Rolle. Partizipation in den Planungsprozessen hat sich mittlerweile in dem Fachwortschatz etabliert und wird von vielen Architekturund Stadtplanungsbüros auch erfolgreich praktiziert. Zwei der bedeutendsten Büros, die sich mit der Partizipation auch theoretisch auseinandersetzen, haben schon durch zahlreiche Einsätze die

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Vorteile der Einbeziehung der Laien in den Planungsprozess erwiesen. Baupiloten, geleitet von Susanne Hoffman, hat eine Methode entwickelt, in der der potenzielle Nutzer als Experte der Wahrnehmung und seiner Bedürfnisse verstanden wird. Der Architekt ist ein Vordenker mit Fähigkeiten, die ihm erlauben, die Wünsche der Nutzer zu identifizieren und für die baulichen Maßnahmen angemessen zu übersetzen. Während des Verfahrens werden diese bei mehreren Veranstaltungen auf eine spielerische Art entdeckt und dokumentiert. (Siehe Hoffmann, Susanne: Partizipation macht Architektur, 2014, Berlin.) Urban Catalyst mit dem Ansatz, die Transformationen im urbanen

Raum zu katalysieren, verfolgt andere Ziele. Das Büro, mit Klaus Overmeyer an der Spitze, befasst sich vor allem mit der Kommunikation zwischen verschiedenen Akteuren in Planungsprozessen, unter anderem zwischen den Planer und der Öffentlichkeit. Ihre starke Bildsprache ermöglicht es, die unter normalen Bedingungen den Laien unverständlichen Pläne nachvollziehbar zu machen und die Wünsche und Kritik der Betrachter zu identifiziren. Verschiedene Ideenwerkstätte und Veranstaltungen mit begehbaren Modelle dienen als erfolgreiche Formate für die Vermittlung der für die Öffentlichkeit entscheidenden Informationen. Zwischennutzung war besonders in den 90er Jahren in Berlin ein aktuelles Thema. Mittlerweile,


unter dem Begriff kreative Wirtschaft, ist sie zu einem autonomen strategischen Ansatz der heutigen Stadtplanung geworden. Sie ist ein erfolgreiches Prinzip einer kurzfristigen Belebung, besonders der brachliegenden Objekte in dicht besiedelten Gebieten. Die Stadtbehörden spielen in diesem Fall die wichtige Rolle des Moderator. Eine temporäre Ansiedlung verschiedener kreativer Unternehmer im Anfangsstadium erhebet die Attraktivität der gegebenen Lokalitäten und ermöglicht es, die Zeit zu überwinden, in der ein neues Nutzungskonzept, Investoren für notwendige Renovierungen oder ein potenzieller Käufer gesucht wrden. Das Studio Urban Catalyst hat sich auch mit diesem Thema auseinandergesetzt. In der gleichnamigen Publikation

Urban Catalyst aus dem Jahr 2013 und in der Publikation Urban Pioneers aus dem Jahr 2005 wurden die Bedingungen der Entstehung, Klassifikation und beispielhafter Ausführungen der Zwischennutzungen ausführlich dokumentiert und erklärt. Außerdem wird der Prozess einer erfolgreichen Entstehung einer Zwischennutzung beschrieben. Auf die temporären Interventionen wird mit verschieden Motivationen zugegriffen (Abb. 7). Von reiner Provokation bis zur Fehlerplanung ermöglicht ein temporäres Objekt oder eine Intervention im öffentlichen Raum, die Passanten zu sensibilisieren, indem sie aus dem alltäglichen Wahrnehmen des Raumes „herausgerissen“ werden und durch eine Bespielung, Farbenveränderung, temporäre

Nutzungsveränderung o.ä. gezwungen werden, sich mit dem Raum auseinanderzusetzen. Mit geringem Aufwand und mit einer kurzen Reaktionszeit ist es s möglich, z.B. eine potenzielle Umgestaltung der Straße durchzuspielen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für die Planung zu gewinnen oder auf bestimmte Probleme der Lokalität hinzuweisen. Die recherchierten Werkzeuge dienten als Meilensteine auf dem Weg zu einem noch unbekanntem Entwurf. In dem Prozess des weiteren Entdeckens verschiedener Methoden der Raumaneignung und Raumplanung hat der Weg die Zielformulierung geprägt und umgekehrt.

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Phase 1 ^ƉƌƵŶŐ Nach dem Abschluss der Recherche gab es mehrere Ansätze für die weitere Arbeit (Abb. 8). Im Hintergrund jeder Denkrichtung war das Thema der Parkstad mit ihrer in früheren Kapiteln geschilderten Problematik präsent. Die Behauptung, dass die Region am Mangel an Orientierung und Image leidet, war ein bedeutender argumentativer Baustein der zukünftigen Schatzkarte. Parkstad verfügt über viele Naturschätze, malerische Landschaften und romantische Schlösse

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und Ruinen, die aber meiner Meinung nach nicht genügend propagiert und vernetzt sind. Das Bild der Parkstad ist nicht kompakt und besteht aus vielen einzelnen kleinteiligen Ikonen und Merkmalen. Eine verbindende Idee, eine Art corporate identity, würde der Region eine identitätsstiftende Qualität vergeben. Denn die Idee der Parkstad, „die Kohle in einen Park umzuwandeln“, scheint nicht genügend zu sein. Genau wie Aachener auf die Printen, den Dom, die Schatzkammer, Tradition, Legenden und Sagen über Geschäfte mit dem Teufel stolz sind, und sich mit diesen Symbolen identifizieren, könnte eine symbolhafte Hervorhebung der bislang versteckten oder verlorenen Qualitäten die Identität der Region stärken. Daher ist es sinnvoll, die Vernetzung und Kommunikation

des Verlorenen anzugehen. Parkstad ist eine Region mit einer langen Tradition, mit einer bunten Geschichte, deren Überreste aus der industriellen Zeit (Abb.9) aber teilweise im Rahmen der wilden Umbauten und des Paradigmenwechsel vernichtet wurden. Auf dem aufzubauen und für die Gegenwart zu übersetzen ist ein konsequenter Schritt auf dem Weg zu einem sowohl präsenten als auch traditionellen Image. Das vorgelegte Projekt ist ein Baustein der Strategie, die die Parkstad angehen sollte, denn ein starkes Image kann zu der Identifikation der Bewohner mit ihrem Umfeld beitragen, sowie die Attraktivität für die potenziellen neuen Anrainer wecken und so einen Impuls in dem Kampf gegen die negative demografische Entwicklung setzten.


WIE? Mittel Analyse - Heft II Mixed Reality Augumented Reality App

WIE? Werkzeug Analyse - Heft III Tenporäre Architektur öffentlicher Raum Partizipation / Beteiligung Zwischennutzung

WARUM? Verständnis Analyse - Heft I Gründe der Auswanderung Demografie Geschichte Mängel und Chancen, SWOT

WAS? Projekt Entwurf Multidisziplinäre Plattform für Auswertung des Gebietes - Werkzeug zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit, Mittel der Planung

WER? Akteure Analyse - Heft I Akteure Bewohner IBA Lust Motivation Ideen

ZUWANDERUNG IDENTITÄT ZUSAMMENGEHÖRIGKEIT RUF

Abb 8 - Herangehenweise, Schema

LEERSTAND BRACHEN DEMUT WURZELLOSIGKEIT AUSWANDERUNG

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ŶůĂƐƐ ƵŶĚ ŝĞůĞ Aus den genannten Gründen greife ich auf das Thema der Bergwerksindustrie auf. Die symbolhafte und ikonische Architektur verlieh der Parkstad eine bestimmte Identität. Die Atmosphäre der schweren Industrie ist aber nicht mehr erlebbar. Mit meinem Projekt will ich eine Strategie darlegen, die es ermöglicht, diese verlorene Zeit zu rekonstruieren und wieder erlebbar zu machen. Gleichzeitig wird ein „Bild der Region“ erstellt, welches auf einer spielerischen Weise die räumlichen makroregionalen Zusammenhänge präsentiert und eine überschaubare Darstellung der Parkstad liefert. Die seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts aufgebauten und im Laufe der 60er und 70er Jahre wieder abgerissenen Bergwerke

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und Minenanlagen werden detailliert dokumentiert und schließlich digital rekonstruiert. Die enstandenen digitalen Modelle werden in Parkstad an den Orten platziert, wo sich die Minenwerke tatsächlich befunden haben. Mit der entsprechenden Technologie sind diese Modelle aufrufbar und „begehbar“. Die Rekonstruktion der Minen findet so auf einer subtilen Ebene statt. In dem physischen Raum wird es nur minimal in Form von diversen Infopanels vor Ort eingegriffen. Minefinder ist ein Versuch, die Lücke in der Kontinuität der räumlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zu überbrücken und den Nachlass der Kohleabbau und der schweren Industrie hervorzuheben und erlebbar zu machen. Minefinder ist sowohl als eine Strategie als auch

ein Kommunikationsdesign zu verstehen. Im ersten Fall wird das Ziel verfolgt, einen Impuls für die Identätstiftung zu setzten, im zweiten Fall wird eine übersehbare, grafisch starke Bildsprache gesucht, die die strategischen Ansätze unterstützt. Es bietet sich an, auf der mittleren Ebene (zu der Aufteilung ausführlich in dem nächsten Kapitel), mit dem Thema der Partizipation zu operieren. Die vorgelegte Karte würde als eine Grundstruktur dienen, zu der jeder Bewohner der Parkstad beitragen kann. Die gemeinsam entwickelte Plattform könnte so einen Pool an verschiedensten Informationen bilden, die zu jeder Zeit jedem öffentlich zugänglich wären. Das Spektrum der eingetragenen Daten kann sehr breit sein und beinhaltet Dienstleistungen, skills,


Carsharingdaten, interessante Orte, verschiedenste Mitteilungen und Vermittlungen etc. Da die mittlere Ebene des Minefinder in der Ausarbeitung eine Wiedererkennung konkreter Orte ermöglicht, können eingetragene Daten sehr einfach verortet werden. Dieser Gedanke wurde im Laufe des Projektes aber nicht ausführlich weiterverfolgt.

DĞĚŝƵŵ ƵŶĚ WƌŽĚƵŬƚ Minefinder ist eine Onlineplattform, deren Erscheinungsbild auf einer starken Bildsprache basiert (Abb. 10). Diese Plattform funktioniert als eine Webpage aber hauptsächlich wird sie auf Tablets und Smartphones bedient. Auf der ersten von insgesamt drei verschiedener Ebenen (Abb. 11) handelt es ich um ein Onlinespiel, in dem die früher

Abb 9 - Übersichtskarte, Minen in der Parkstad

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Abb 10 - Minefinder, Ebene 1


angesprochenen Minenwerke versteckt sind. Es wird erwartet, dass der User durch die reizvolle Ausarbeitung der Karte motiviert wird, die versteckten Minen zu suchen und sich auf einen Weg des Entdeckens begibt. Ziel ist es, einerseits alle Minen zu finden, andererseits die zweite Ebene des Minefinder zu betreten. Auf dieser Ebene kann sich der User bis zu den physischen Orten navigieren lassen, wo sich die Bauwerke befanden. Vor Ort kann er dann die dritte Ebene betreten, auf der die begehbaren digitalen Modelle dargestellt werden. Mit dem Smartphone in der Hand kann der User die räumliche Ausprägung der großen Areale betrachten. In der AR überlappen sich so der digitale Inhalt mit dem physischen. Parallel dazu werden dem User wesentliche Informationen über die Minenwerke und den Kohleabbau

in der Region vermittelt. Auf eine spielerische Art werden so didaktische Ziele verfolgt.

Ebene 3 Model | augmented reality M 1:1

Da es sich nicht um einen klassischen architektonischen oder städtebaulichen Entwurf handelt, sondern um einen strategischen Ansatz, in dem Kommunikation und Propaganda eine wesentliche Rolle spielen, musste ein Medium gewählt werden, das eine hohe Erreichbarkeit ermöglicht. Zu weiteren Ansprüchen gehörte auch die freie Zugänglichkeit für ein möglichst breites Publikum. Gleichzeitig muss der Minefinder ein virales Potenzial haben und in der Art der Bildsprache und Grafik genügend attraktiv sein, um die Aufmerksamkeit der User zu gewinnen. Minefinder muss in seinem Erscheinungsbild schön, verständlich aber gleichzeitig komplex und anspruchsvoll sein,

Ebene 2 „Kleine“ Karte | virtual reality M 1:1000

Ebene 1 „Große“ Karte | virtual reality M 1:10000

Abb 11 - Minefinder, Schema der Ebenen

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um Neugier zu wecken und Spaß zu machen. Auf der inhaltlichen Ebene wurde so eine grafische Abkürzung der Kartenunterlagen gesucht, die abstrahiert und komplex die Parkstad präsentiert und gleichzeitig verständlich und plakativ die konkreten räumlichen Zusammenhänge vermittelt. Auf der Suche nach der optimalen Ausdrucksform habe ich mich von mehreren Quellen inspirieren lassen. Auf der Karte der Mittelerde aus der Trilogie Herr der Ringe werden beispielsweise mit geringen grafischen Abkürzungen komplexe räumliche Zusammenhänge auf eine verständliche Art dargestellt. Die Nutzung der Karte ist absolut intuitiv und verlangt keine Erklärung. (Abb. 12)

Schultze, deutscher Maler (Abb. 14) und Grafiker, und Deth P. Sun, amerikanischer Grafikdesigner. (Abb. 13) In beiden Beispiele wird eine grafische Dichte erreicht, die das Auge des Betrachters durch das Bild leitet und Neugier weckt. Aus verschiedenen Abständen sind auch unterschiedliche Zusammenhänge abzulesen. Die Komplexität ihrer Arbeit verhindert es dem Betrachter, das Bild „auf einen Blick“ zu überschauen. Zwischen diesen zwei Aspekten musste ich auf der Suche nach einer reduzierten Grafik balancieren. Im Feld der Funktionalität galt als ein Vorbild das Onlinespiel „Where is Waldo“. (Abb. 15) Diese einfache Webpage arbeitet mit dem selben Prinzip der grafischen Dichte. Es wurde auf einen einheitlichen Maßstab verzichtet, dies gab mir

Von der Informationsdichte her wurde ich stark von zwei Autoren beeinflusst: Bernard

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Abb 12 - J.R.R. Tolkien, Herr der Ringe, Karte der Middelerde


eine gestalterische Freiheit, mit dem Inhalt auf die konkreten Verhältnisse zu reagieren. Z.B. die verdichtete Situation im Zentrum von Heerlen konnte nicht in dem selben Maßstab dargestellt werden, wie ein Bauernhof am Land. Als Ergebnis dieser kleinen Recherche und eigener zahlreicher Versuche wird eine handgezeichnete großformatige Karte geliefert, deren Bildsprache speziell für das Projekt entwickelt wurde. Den Prozess der Übersetzung der Kartenunterlagen in ein Gesamtlayout gehe ich im nächsten Kapitel detaillierter an. Eine weitere Eigenschaft, die die Benutzung des Minefinder attraktiver macht, ist die Interaktivität. Die Karte ist nicht statisch, sondern verändert sich

Abb 13 - Deth P. Sun, Secret Histories Map of San Francisco

Abb 14 - Bernard Schultze, Szene 3

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Abb 15- Where is Waldo?


punktuell an verschiedensten Stellen. Der Inhalt wird um Erweiterungen ergänzt, die in Form von unerwarteten Öffnungen, Kreaturen und anderen Grafiken unter dem Kursor erscheinen. Manche von ihnen geben dem User Hinweise und Ratschläge. (Abb. 16 und 17)

DĞƚŚŽĚĞ Auf der ersten Ebene verfolgte die Vorgehensweise das Ziel, die Inhalte der Kartenunterlagen auf das wesentliche zu reduzieren, eine assoziative grafische Abkürzung für sie zu finden und in einem Gesamtlayout eine harmonische Darstellung zu erzeugen. Erster Schritt war die Ausarbeitung der Analysepläne der wichtigsten Merkmale: Siedlungsflächen, Infrastruktur, Freiraum, Gewässer, wichtige architektonische Merkmale

Abb 16 - Minefinder, Ebene 1, Detail

Abb 17 - Minefinder, Ebene 1, Detail unter der Lupe

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Abb 17 - Analysenkarten, Auswahl


und wiedererkennbare Formen, wichtige Nutzungsmerkmale, und Minenwerke. (Abb. 17) Im nächsten Schritt wurden diese Daten in eine grafische Form übersetzt. Je nach Intention wurden manche Objekte in einen von der Realität weit entfernten Zusammenhang gebracht, umgenutzt oder umgestaltet. Wichtiger Aspekt dieser Transformation war der Erhalt der Wiedererkennungsqualität. Alle Grafiken mussten verständlich konkrete Orte darstellen. (Abb. 18) Für Die Minenwerke wurde ein abstrahiertes Piktogramm gewählt, dieser ist dann an verschiedenen Stellen des Bildes versteckt. (Abb. 19) Als letzter Schritt wurde die Abbildung um verschiedene Kreaturen ergänzt. Sie erfüllen einerseits eine rein dekorative Funktion, andererseits erläutern

Abb 18 - Beispiel der grafischen Vereinfachung

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Abb 19 - Darstellung der Minen auf der erste Ebene


sie an mehreren Stellen die vorhandene Nutzung. Hauptsächlich beleben sie das statische Bild und verdichten den Inhalt der Karte. (Abb. 1 und 20) Die Zweite Ebene erfüllt andere Funktionen. Sie ermöglicht eine Navigation zu den ausgewählten Objekten und im Vergleich mit der ersten Ebene basiert sie stärker auf den konkreten physischen Räume - der Wiedererkennungsgrad ist also höher. Dem entspricht die grafische Ausarbeitung. Damit hängt auch das potenzielle Merkmal des Partizipierens zusammen. Da diese Karte sehr detailliert ausgearbeitet ist, ist es möglich einzelne Initiativen und andere früher angesprochene Inhalte in dieser Karte zu verorten und so für alle Nutzer sichtbar zu machen. (Abb. 21)

Abb 20 - Wesen, Besucher Katzenfresser

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Abb 21 -Minefinder, dritte Ebene


Ebene drei beinhaltet die digitalen Modelle und ist in der Ausarbeitung nur anhand von einer Skizze angedeutet. Die eigene Umsetzung und Form der Ausarbeitung w채re ein Thema eines eigenst채ndigen Projektes. Im Grunde entstehen die digitalen Rekonstruktionen in vier Schritten: 1- Ausf체hrliche Recherche der vorhandenen Dokumentation zur jeweiligem Bauwerk, 2- Ausarbeitung eines digitalen Modells, 3Platzieren des Modells vor Ort, 4- Wiedergabe der AR-Darstellung auf dem Bildschirm. (Abb 22)

Abb 22 -Minefinder, zweite Ebene und Detail

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Schlusswort Minefinder ist eine interdisziplinäre Überlegung zu einem stadtplanerischen Thema mit dem Schwerpunkt Kommunikationsdesign. Auf dem Weg zu dem finalen Produkt musste ich daher als „nur“ Architekt auf manche Ziele verzichten, die ich mir vorgenommen hatte. Beispielsweise wurde die erste Ebene aus dem Grund der

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technischen Machbarkeit nicht online zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist daher nur als Entwurf zu verstehen, wobei für die tatsächliche Realisierung sich Experten aus anderen Bereiche beteiligen müssten. Finanzierung, Werbung und Verwaltung sind andere offene zu klärende Fragen. Als potenziellen Auftragsgeber sehe ich die Organisation der IBA Parkstad ein. Inhaltlich verfügt sie über notwendige Daten und die

Zielformulierung des Projektes entspricht den IBA-Themen. Außer dieser Broschüre wird Minefinder auch durch Poster, Flyer und einen kurzen Film, der den Ablauf der App-Benutzung erläutert, vorgestellt. Der Kurzfilm ist in Zusammenarbeit mit Andres Santiago Alvarez Rodriguez entstanden. Beispiel der Kurzfilmgrafik auf der folgenden Seite.


Abb 23 -Minefinder, Oberfl채che der App

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ďďŝůĚƵŶŐƐǀĞƌnjĞŝĐŚŶŝƐ Abbildung Abb 1 - Minefinder, Layer Gegenstände Abb 2 - Minefinder, Layer Wesen Abb 3 - Minefinder, Ebene 1 Abb 4 - virtuell Schubladen im Transitionmaker Abb 5 - Betrachtungsgebiet im großen Kontext Abb 6 - Augmented reality im IKEA-Katalog 2014

Seite 4 2 5 6 9 10

Abb 7 -temporäre Architektur, Chuck a Luck, Raumlabor Abb 8 - Herangehenweise, Schema Abb 9 - Übersichtskarte, Minen in der Parkstad

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Abb 10 - Minefinder, Ebene 1 Abb 11 - Minefinder, Schema der Ebenen Abb 12 - J.R.R. Tolkien, Herr der Ringe, Karte der Middelerde

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Abb 13 - Deth P. Sun, Secret Histories Map of San Francisco Abb 14 - Bernard Schultze, Szene 3

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Abb 15- Where is Waldo? Abb 16 - Minefinder, Ebene 1, Detail Abb 17 - Minefinder, Ebene 1, Detail unter der Lupe Abb 17 - Analysenkarten, Auswahl Abb 18 - Beispiel der grafischen Vereinfachung Abb 19 - Darstellung der Minen auf der erste Ebene Abb 20 - Wesen, Besucher Katzenfresser Abb 21 -Minefinder, zweite Ebene Abb 22 -Minefinder, dritte Ebene Abb 23 -Minefinder, Oberfläche der App

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Quelle eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik http://www.businessinsider.com/ikeas-2014-augmentedreality-catalog-2013-8?IR=T, Zugriff am 01.09.2015 http://raumlabor.net/chuck-a-luck/, Zugriff am 01.09.2015 eigene Grafik http://www.demijnen.nl/de-mijnen-van-limburgbronnenopdracht, Zugriff am 01.09.2015 eigene Grafik eigene Grafik Tolkien, John Ronald Reuel: The Lord of the Rings, Fellowship of the Rings, 1954 http://www.dethpsun.com/, Zugrff am 01.09.2015 https://www.lempertz.com/de/kataloge/lot/1005-1/ 729-bernard-schultze.html, Zugriff am 01.09.2015 http://whereswaldo.com/, Zugriff am 01.09.2015 eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik eigene Grafik

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