orte ohne eigenschaften. inszenierung von stadtraum zur fรถrderung sozialer prozesse. 1. Themenfindung 2. Theoretische Stimmen 3. Recherche 4. Meine Nicht-Orte 5. Entwurf 6. Konzept
1
themenfindung
1.1 themenfindung
Für die Bearbeitung meiner Bachelor Thesis „Orte ohne Eigenschaften - Inszenierung von Stadtraum zur Förderung sozialer Prozesse“ habe ich mich mit dem Thema „Stadt“ auseinander gesetzt. Damit habe ich neues Terrain betreten und gleichzeitig auch nicht. Denn auffällig war, dass sich Form- und Gestaltungsprinzipien aus meinem Innenarchitekturstudium auch auf den Stadtraum anwenden lassen. So bin ich im Laufe der Bearbeitungszeit immer wieder auf Bereiche gestoßen, deren Inhalte ich nun versucht habe in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Im Nachhinein glaube ich sagen zu können, dass die Nicht-Orte mir den Zugang zum öffentlichen Raum und dem damit verbundenen größeren Maßstab verschafft haben. Damit einher geht das Aufmerksamwerden auf die soziale Funktion des Gestalters. Grade im öffentlichen Raum hat jeder gestalterische Eingriff direkte Auswirkung auf die in dem Bereich lebenden Menschen, was die große Verantwortung des
Gestalters verdeutlicht. Was ist jetzt aber ein Nicht-Ort? Und warum habe ich genau dieses Thema für meine Bachelor Thesis gewählt? Ich hoffe mit dem folgenden Kapitel diese Fragen klären zu können. Dem durchschnittlichen Europäer ist das Phänomen der Stadt kein unbekanntes. So werden wir zu Beginn unseres Lebens in den städtischen Kontext geboren, wachsen in diesem auf, wechseln ihn beim Bedürfnis nach Veränderung oder einem Jobwechsel mehr oder weniger freiwillig,und verlassen ihn oft an selber Stelle an der wir ihn zuvor betreten haben. Dabei durchlaufen wir eine ganze Kette an Enwicklungen die offensichtlich oder im Unterbewussten ablaufen, immer abhängig von dem Grad mit dem wir in das Stadtleben integriert sind. Sieht man die Stadt als eine zufällige Ansammlung von Individuen stellt man sich schnell die Frage nach den versteckten Ordnungsstrukturen die
die Stadt vor dem Chaos bewahren. Diese Ordnung möchte ich in diesem Zusammenhang als Gesellschaft bezeichnen. Dabei fasziniert die Tatsache dass sich Gesellschaften durch die Ansammlung von Individuen mit ähnlichen Interessen und Wesenszügen definieren. Das führt dazu, dass durchaus mehrere Gesellschaften gleichzeitig existieren können. Da der Stadtraum räumlichen Prinzipien folgt und somit geografische Grenzen aufweist, ist eine bestimmte Grundfläche zu nennen die den verschiedenen Gesellschaften zu Verfügung steht. Jede Gesellschaft definiert sich also auch über ein ihr zugesprochenes Territorium. Dabei ist es gang und gäbe dass sich diese Territorien überschneiden. Ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Individuen mit verschiedenen Interessen ist somit garantiert. Wer oder was entscheidet wie groß ein solches Territorium ist? Und wie bleibt garantiert, dass sich die jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen stets in Bewegung befinden können,
obowhl ihr räumlich konstruierter Kontext ein eher statischer ist? Die Aufgabe einer jeden Gestaltung im öffentlichen Raum ist es meiner Meinung nach, diese Bewegungen zu berücksichtigen und den verschiedenen Interessensgruppen Möglichkeiten des Austauschs aber auch des Rückzugs zu Verfügung zu stellen. Es müssen also Formen gefunden werden, die diesem Anspruch gerecht werden. Dabei gibt es bestimmte Qualitäten die die gestalteten Räume erfüllen sollten. Zum einen müssen die Räume funktionale Eigenschaften aufweisen. Der Mensch benötigt bestimmte räumliche Zusammenhänge um sich orientieren zu können. Die Definition von Grenzen, Schwellenbereichen, proportionalen Beziehungen und der Ergonomie sind nur einige der hier zu nennenden Punkte. Dabei dürfen die definierten Grenzen aber nicht zu Isolation führen. Es muss stets die Möglichkeit geben die vorhandenen Muster durchbrechen und überwinden zu können.
Desweiteren sollten die gestalteten Räume Mekrmale aufweisen mit denen sich die jeweilige Gesellschaft identifizieren kann. Dabei ist der partizipative Aspekt ein besonders wichtiger. Wird der Nutzer von Beginn an in die Planung von Räumen mit einbezogen, ist eine Identifizierung, mit dem durch das Individuum geschaffenen Raum, die logische Folge. Geht es um einen bestehenden Raum muss dieser die Eigenschaft aufweisen mit ihm kommunizieren zu können. Das bedeutet, dass z.B. gewählte Materialien einen Bezug zwischen Raum und Nutzer zulassen müssen. Der Mensch mag es Räume zu „erobern“, sich den Raum anzueignen. Dabei können Spuren helfen, dem Raum ein persönliches Gesicht zu verleihen; Spuren die über die Nutzung durch den Menschen entstehen. Dessweiteren muss die Architektur so gestaltet sein, dass sie auf Veränderungen in der soizialen Struktur des Stadtgeschehens flexibel und schnell reagieren kann. Die Gestalt
kann dem nur gerecht werden, wenn sich ihre Form auf das absolut Wesentliche reduziert. Was aber passiert wenn bereits vorhandene Räume diese Eigenschaften nicht aufweisen oder im Laufe der Zeit verlieren? Oft ist es aufgrund verschiedener Einflussfaktoren nicht möglich, alle hier vorangegangenen Aspekte zu berücksichtigen. Die hohe Urbanisierungsrate oder z.B. Gentrifizierungsprozesse führen dazu, dass sich bestimmte Bereiche unkontrolliert ausbreiten, dass Architekturen aus dem Affekt oder der Not entstehen, deren formaler Ausdruck nicht den eigentlichen Interessen der Nutzer entspricht (eine grundsätzliche Frage nach Trends oder Mode soll an dieser Stelle außer Acht gelassen werden). Oft sind diese Entwicklungen nicht grade von nachhaltigen Gedanken geprägt und führen somit dazu, dass die Funktionalität und Aktualität bestimmter räumlicher Lösungen im städtischen Raum viel zu oft neu diskutiert werden muss.
Eine durchdachte und „gute“ Gestaltung könnte dem vorbeugen. Um zur Ursprungsfrage zurückzukehren, ist die Reaktion auf fehlende gestalterische Qualität das „Undefiniert-Sein“ bzw. die Identitätslosigkeit des Ortes. Diese Orte bezeichne ich an dieser Stelle als „Nicht-Orte“. Welche Auswirkungen diese Identitätslosigkeit auf die Nutzung bzw. den Nutzer des jeweiligen NichtOrtes hat werde ich im Folgenden klären: Dazu möchte ich auf zwei Begriffe eingehen und deren Auftreten im städtischen Kontext kurz etwas genauer betrachten: Wahrnehmung und Atmosphäre. Jede Architektur hat neben ihren formalen und funktionalen Merkmalen ein weiteres Merkmal über das es sich definieren kann. Dieses Merkmal ist die Atmosphäre. Atmosphäre ist wie ein räumlicher Fingerabdruck, der einmalig ist und über die
Wahrnehmung erfasst werden kann. Wahrnehmung geschieht über unsere Sinne. Dabei ist die visuelle Wahrnehmung über das Auge die wohl wichtigste Quelle des räumlichen Verständnisses. Die Information wird über die Augen aufgenommen und mit den in unserem Gedächtnis bereits gespeicherten Informationen verglichen und somit verarbeitet. Der Informationsgehalt wäre allerdings nicht vollständig wenn unser Gehirn nicht die Verknüpfung des Sehnsinns mit anderen Sinnen wie dem Hörsinn oder dem Geruchssinn herstellen würde. Wahrnehmung ist umso intensiver je mehr Sinne an ihr beteiligt Sind. Genau das sind auch die Informationen die am längsten in unserem Gedächtnis gespeichert bleiben. Der Prozess der Wahrnehmung ist also eng mit dem eigenen Körper verbunden. Wenn wir uns nun die Rolle des Körpers im öffentlichen Raum angucken, können wir erkennen, dass er zum Teil völlig aus dem Alltag verdrängt wurden ist.
Die Rolle des Körpers ist die Reduktion auf Äußerlichkeit, sie erfasst nicht die Schicht darunter (die Bedeutung des Körpers wird im folgenden Kapitel 2.1 noch einmal genauer behandelt). Die Automatisierung des Alltags über den Einsatz von Technik lässt den Körper als „Gefühl“ unnötig erscheinen. Warum sollte also die Architektur des öffentlichen Raums auf den menschlichen Körper eingehen? Wieso sollte sie den Kontakt suchen, und wieso, um einmal anders herum zu fragen, sollte der Mensch den Kontakt zur Architektur suchen? Was da entsteht ist also eine parallele Gleichzeitigkeit ohne jeden Zusammenhang. Das bewirkt, dass der Nutzer, der sich in einer identitätslosen Architektur bewegt, keine Möglichkeit hat einen Bezug, über welche Form der Kommunikation auch immer, zum Raum herzustellen. Er hat keinen Grund sich mit der Atmosphäre des Ortes auseinander zu setzen, er nutzt demnach also auch keinen, oder nicht alle seiner Sinne. Das wiederum hat Auswir-
kungen auf die zwischenmenschliche Kommunikation. Verlernen wir durch das Fehlen architektonischer Atmosphäre das Nutzen unserer Sinne, funktioniert das Agieren und Interagieren mit anderen Individuen auch nicht oder nur teilweise. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Sozialstruktur der Stadt. Um nun abschließend den Bezug zur Gesellschaft und zur Gesammtstruktur der Stadt wieder herzustellen, hat das Fehlen von Atmosphäre zufolge, dass die Kommunikationsbereitschaft zwischen unterschiedlichen Gesellschaften abnimmt. Dies kann zu Spannungen führen unter denen neben den beteiligten Individuen auch der architektonische Raum leiden muss. Dies schlägt sich in Form von Verunreinigung, fehlendem Ortsbewusstsein und dem daraus resultierenden schlechten Umgang mit dem Raum, bis hin zu seiner Zerstörung nieder. Desswegen sehe ich es als wichtige Aufgabe diesen Tendenzen durch
gestalterische Eingriffe entgegenzuwirken. Oft reicht es aus diese spontan und klein zu halten. Dabei sehe ich meine Arbeit lediglich als eine erste Annäherung an das Thema . Mit dieser Dokumentation hoffe ich das Thema und seine Bedeutung für das Zusammenwirken von Stadt, Gestaltung und Mensch für Andere zugänglich zu machen. Auch die letztendliche Ausarbeitung und Gestaltwerdung meiner konzeptuellen Gedanken ist lediglich als ein Versuch zu sehen. Sie erhebt nicht den Anspruch eine Lösung oder Antwort zu geben.
studiums. Das zweite Kapitel zeigt meinen theoretischen Zugang zum Thema „Nicht-Orte“ . Darauf folgt eine Zusammenfassung meiner Recherchearbeit. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Analyse der von mir gefundenen Nicht-Orte in Wuppertal. Darauf folgt ein Text über meinen Entwurfsprozess, Fragestellungen und erste Lösungsansätze. Der letzte Abschnitt zeigt einen ausgearbeiteten Konzeptansatz eines interaktiven Klangwerkzeugs zum Erstellen identitätsfördernder Musikstücke, durch die Interaktion zwischen Mensch und Nicht-Ort.
Da ich meine gesamte Arbeit als Prozess verstehe, habe ich die folgende Dokumentation in sechs Kapitel gegliedert, die nach und nach meine Gedankengänge erläutern und nachvollziehbar machen sollen. Das vorliegende Kapitel befasst sich mit der Themenfindung, einem kurzen Überblick über meine Arbeitsweise und der Einbindung in die bisherigen Arbeiten meines Bachelor-
Es ist anzumerken dass der Abschnitt Vier über die reine Analyse der gefundenen Nicht-Orte hinaus geht und somit auch klar als subjektiv zu bezeichnende Wahrnehmungen beinhaltet.
2
theoretische stimmen
2.1
der theoretische zugang. von den nicht-orten, der ordnung der nicht-orte, ortsbewusstein, kommunikation, körper und identität, sowie der erweiterten realität
Um einen theoretischen Zugang zum Thema „Nicht-Orte“ zu erhalten, habe ich mich in einer ersten Recherchephase mit theoretischen Schriften auseinander gesetzt. Mit diesem Kapitel möchte ich dazu einen ersten kontextuellen Einblick geben. Der folgende Text zeigt dabei lediglich einen Auszug der verwendeten Materialien. Eine volle Beschreibung aller Texte ist bei dieser eigentlich praktisch ausgelegten Arbeit fehl am Platz.
marc augé - „nicht-orte“
Die wichtigste Arbeit die ich dabei behandelt habe ist natürlich das Buch „Nicht-Orte“ von Marc Augé, der den Begriff „Nicht-Ort“ geprägt hat. Augé ist „Ethnologe des Nahen“ und unterscheidet zur Begriffsklärung des Nicht-Ortes zwischen dem Ort und dem Raum. So definiert sich der Ort nach Augé durch Identität, seinen Bezug zum Umraum und einen geschichtlichen HIntergrund. All dies sind Eigenschaften die dem Raum nicht zuzusprechen sind. Die These lautet nun, dass die „Übermo-
derne“, durch Modernisierung und Globalisierung dazu geführt hat, das Orte entstehen, die die alten Orte der Geschichte und Identität nicht integrieren, sogenannte Nicht-Orte. Diese Nicht-Orte bilden Transiträume die ohne Erinnerung, ohne historische Verknüpfung, ohne persönliche Erlebnisse oder Erfahrungen, und ohne Spuren sind. Dadurch entsteht ein Netz von Orten der Durchreise. Die stetige Bewegung führt zu einer „einsamen Identität“ für die eine ebenso „einsame“ und isolierte Architektur entsteht. Augé nennt hier vor allem Flughäfen, Bahnhöfe, Hotelketten, Einkaufszentren und Freizeitparks als Orte des Durchgangs. All diese Nicht-Orte zeichnen sich dadurch aus, dass ihre „natürliche Semiotik“ das „Sprechen verlernt“ hat. Sie funktionieren nur noch über Symbole, die meist als Verbot, Vorschrift oder Anweisung Form annehmen. Um das konstruierte Gleichgewicht der Nicht-Orte aufrecht zu halten müssen bestimmte Rituale entwickelt werden, die
dem Menschen ein harmonisches Funktionieren vorspielen. Dazu zählen vor allem Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung. Betritt der Nutzer den Nicht-Ort verliert er seine eigentliche Identität und begibt sich in eine Rolle. Somit werden alle Nutzer gleich. Sie folgen den selben „Codes“, reagieren auf die selbe Weise. Kommunikation findet nur noch automatisiert statt. Die Folge ist Gleichheit, Anonymität, Einsamkeit und Orientierungslosigkeit. Aldo Legnaro und Almut Birenheide - „ Die Ordnung der Nicht-Orte“
Doreen Massey - „Ein globales Ortsbewusstsein“
Aldo Legnaro und Almut Birenheide gehen in ihrem Text „ Die Ordnung der Nicht-Orte“ auf die von Augé entwickelten Thesen ein und untersuchen von ihnen definierte Nicht-Orte auf ihr soziales Funktionieren. Dazu gehören Einkaufszentren, Bahnhöfe und Freizeitparks. Die Beiden beschreiben dabei sehr detailliert die am Nicht-Ort ablaufenden Prozesse. So stellen sie die Hypothese auf, dass das schon von Augé beschriebene Sicherheitsgefühl eine große Rolle spielt. Demnach wird die Ordnung der Nicht-Orte inszeniert. Es entsteht der Mythos der Kleinstadt: ohne Gewalt, ohne Obdachlose, ohne Drogen und ohne Lärm. Daraus resultiert eine Neudefinition des öffentlichen Raumes, der jetzt als „Ort mangelnder Kontrolle“ bezeichnet wird. Das Gegenmodell dazu ist das der Nicht-Orte, welche von Legnaro und Birenheide als „privatisierte Orte“ bezeichnet werden. Diese Orte „forcieren die Ästhetisierung des Alltags, sowie eine kulturelle Überhöhung des Konsums von Zeit und Ware“. Nicht-Orte unterdrücken jede Spontaneität seiner Nutzer. Der
Nutzer wird zum Gast einer konstruiert sozialen Realität. Dabei wird er „Opfer“ bestimmter Symbole. Dazu gehört das Symbol der Reinigung in Form einer Allgegenwart unermüdlicher „Putztrupps“. Der Nicht-Ort wird zum „Prototyp der Kontrollgesellschaft“ in dem jedes Handeln geplant ist. Ortsbewusstsein könnte der Entstehung von Nicht-Orten entgegenwirken. Doreen Massey erklärt dazu in ihrem Text „Ein globales Ortsbewusstsein“ die beteiligten Parameter. So stellt sie die Hypothese auf, dass die moderne „Ära der Beschleunigung und Ausdehnung“ in der wir uns befinden zu einer Globalisierung und Internationalisierung führt, die Auswirkungen auf Zeit, Infrastruktur, Verkehr und nicht zuletzt den Identitätsverlust von Orten haben. Vorgelebt wird uns ein Bild des Ortes, belebt durch homogene Gruppen. Diese Aussage steht im Gegensatz zur Realität der Fragmentisierung und Zerrissenheit. Mit dem wachsenden Wunsch nach Homogenität werden „räumliche Bruchstellen“ sichtbar. Diese führen zu Orientierungslosigkeit, die nur über die „Suche nach der wirklichen Bedeutung des Ortes“ zu einem Beständigkeitsgefühl führen kann, das Grundlage einer Identität und dem daraus resultierenden Ortsbewusstsein ist. Zum Schluss zweifelt Massey die Aussage Augés über die Defintion eines Ortes über seine Historie an, und sagt, dass sich der Ort vielmehr „aus einer spezifischen Konstellation sozialer Beziehungen“ definiert. Somit
Jürgen Mick - „Körper und urbane Identität“
Susanne Jaschko - „Performative Architektur - Mediale Erweiterung und Dekonstruktionen von Räumen“
Lev Manovich - „Die Poetik des erweiterten Raumes“
rückt Massey die soziale Interaktion verschiedener Gesellschaften in den Vordergrund, die sich über Ortsgrenzen hinaus ausbreiten können um ein „internationales Bewusstsein“ zu fördern.
Grund dem Nutzer sinnliche Reize über die Architektur zu bieten. Architektur der Sinne mutiert zur reinen Zwecksarchitektur, der Mensch durchläuft einen Prozess, den Mick als „Entkörperung“ bezeichnet.
Um mehr Aussagen über den dabei benötigten Aspekt der Kommunikation treffen zu können führe ich als nächstes den Text „Körper und urbane Identität“ von Jürgen Mick an. In diesem stellt er zu Beginn des Textes die These auf, das Körper und Kommunikation die Bedingung für die Form der Stadt sind. Kommunikation findet dabei über den Körper statt. Dabei ist sowohl die zwischenmenschliche Kommunikation gemeint, als auch die zwischen Mensch und Raum. Der Mensch „durchschreitet die Welt, und seine körperliche Präsenz lässt ihn Raum nehmen“. Mick führt den von Niklas Luhmann beschriebenen Zusammenhang zwischen Bedürfnissen, dem Körper, der daraus resultierenden Bewegung die Raum formt, bis hin zur Stadt auf. Dieser Zusammenhang beschreibt die Stadt als Kommunikationsraum. Hier sagt Mick, dass eine Entwicklung weg vom Kommunikationsraum, hin zum reinen Bewegungsraum festzustellen ist. Das führt dazu, dass der Mensch so passiv wie noch nie im öffentlichen Raum präsent ist. So wird der Mensch zum „tunnel-people“, der jeden Kontakt im öffentlichen Raum vermeidet. Daraus resultiert ein verändertes Körperbewusstsein. Die „Überforderung der Sinne durch die Unsichtbarkeit“ hat eine Körperlosigkeit zur Folge. Es resultiert die Trennung zwischen Körper und Psyche, deren Pole sich immer weiter auseinander bewegen. Unter dieser Entwicklung leidet vor allem unsere sinnliche Wahrnehmung. Da die Stadt unser Körperverhältnis wiederspiegelt gibt es keinen
An die von Mick getroffenen Aussagen schließt das Thema des virtuellen Raumes an, das bei Augé und anderen Autoren völlig außer Acht gelassen wird. Dazu möchte ich gleich mehrere Texte anführen. Susanne Jaschko gibt in ihren Text „Performative Architektur - Mediale Erweiterung und Dekonstruktionen von Räumen“ das Beispiel „hybrider Räume“. Nach ihrer Definition handelt es sich dabei um Räume die durch digitale Medien erweitert werden. Diese Erweiterung kann bis hin zu einer völligen Auflösung aller räumlichen Strukturen führen. Lev Manovich beschreibt in seinem Text „Die Poetik des erweiterten Raumes“ die Rolle des „erweiterten Raumes“. Dabei definiert er diesen als „kontrollierten Raum“ bei dem sich die Grenzen vollständig auflösen können. Inwieweit dieses Prinzip als Chance zu nutzen ist, oder ob es mehr Risiken als Nutzen in sich birkt, ist dabei noch zu klären. Bleibt grade in Bezug auf den Nicht-Ort nicht erst einmal die Rolle des eigenen Körpers im Kontext sozialer und räumlicher Kommunikation zu klären bevor über eine Erweiterung des Körpers nachgedacht werden kann? Oder können moderne Medien genutzt werden um die Bedeutung des eigenen Körpers bewusster zu machen? Abschließend ist zu sagen, dass ich zu den jeweiligen Entwurfsschritten weitere Sekundärliteratur verwendet habe, die jedoch erst in den jeweiligen Abschnitten berücksichtigt werden soll.
3
recherche
3.1
fotografie
Durch zunehmende Globalisierung, den demografischen Wandel, das hohe Bevölkerungswachstum, und das damit einher gehende Städtewachstum, sowie städteplanerischen Phänomenen wie Gentrifizierung ist das Thema „Stadt“ so aktuell wie noch nie. Besonders bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass auf interdisziplinärer Ebene nach Lösungsansätzen für entstehende Probleme gesucht wird. Die Vermischung unterschiedlichster Disziplinen wie Stadtplanung, Architektur und Innenarchitektur, Design und Grafik, Medien, Politik, Antropologie und Soziologie, Philosophie und Ingenieurswesen, sowie Literatur, Kunst und Musik ist als große Chance zur Entwicklung von Lösungsansätzen für verschiedenste Fehltendenzen zu sehen. Diese Chance zeichnet sich besonders durch gute Netzwerke und der schnellen Reaktionsfähigkeit aus, auf temporär auftretende Prob-
leme schnell und individuell reagieren zu können. Im Folgenden möchte ich einige Beispiele zeigen, denen ich während meiner Recherche begegnet bin und die meiner Meinung nach besondere Aufmerksamkeit verdienen, weil sie sich durch einen einzigartigen Umgang mit dem Thema „Stadt“ und ihren Bewohnern im weitesten Sinne auszeichnen. Die Fotografie ist ein Medium das sich den Raum zu eigen macht und ihn von der dritten Dimension in die zweite transformiert. Die ausgesuchten Beipiele kreisen alle um das Thema „Stadt“ und zeigen wie vielseitig und vielschichtig die Thematiken und Ergebnisse sein können.
nils clauss „urban nature“
„Urban Nature“ zeigt verschiedene, durch den Architekturfotografen Nils Clauss, in Seoul entstandene Arbeiten, die Naturdarstellungen an Häusern der südkoreanischen Hauptstadt dokumentieren. Nils Claus wurde 2011 mit dem Europäischen Architekturfotopreis ausgezeichnet. Die Arbeit entstand 2009. Clauss fiel der geringe Gründflächenanteil der Stadt auf. Mit den Naturdarstellungen versuchten viele Bewohner, denen der Bezug zum ländlichen Raum verloren ging, eine Illusion von Natur in der Stadt zu kreieren.
michael wolf „architecture of density“
Michael Wolf ist Architekturfotograf. Sein gesamtes Oeuvre befasst sich dabei mit dem Leben in der Stadt. „Architecture of density“ zeigt auf sehr nüchterne Weise die Anonymität des Stadtalltags Hong Kongs. Ohne Straßen, Himmel, Horizont verflacht der Raum zu einer undurchdringlichen Abstraktion urbaner Ausdehnung - für das Auge des Betrachters gibt es kein Entkommen. Wolf fotografiert baufällige Häuser, brandneue Gebäude, noch verkleidet mit Bambusgerüsten oder Planen, ebenso wie vollständige bewohnte
Wohn- und Bürokomplexe. Wolfs desorientierender Blick gibt dem Betrachter das Gefühl, die Gebäude würden sich ins Unendliche erstrecken. Ein Gefühl, das vielleicht wirklich der räumlichen Wahrnehmung der Einwohner Hongkongs entspricht. Dem aufmerksamen Betrachter erschließen sich jedoch gleichzeitig viele Spuren des Lebens, die die Bewohner und Nutzer auf den Fassaden hinterlassen haben.
michael wolf „tokyo compression“
Eine weitere Arbeit von Michael Wolf heißt „tokyo compression“ und beinhaltet vielfach ausgezeichneten Portraits von Menschen, die eingezwängt zwischen Glas, Stahl und Mitreisenden in der Tokioter U-Bahn unterwegs sind. Wolf interessiert sich dabei nicht für Sitzpolster, Graffities, Innenarchitektur der Waggons oder das Verhältnis der Metrofahrer dazu. Vielmehr hat er das SubwaySystem als geeigneten Ort entdeckt, um Seelen- und Aggregatzustände des Stadtvolks zu erforschen. Wolf spart sämtliches Beiwerk aus,
fokussiert ausschließlich Gesichter und Figuren und schafft mit seiner radikalen Ästhetik ungeheuer intensive Bilder, die auf verstörende und schockierende Weise direkt in das Innenleben der Portraitierten zielen.
denis darzacq „la chute“
Die Arbeit Denis Darzacqs „La Chute“ befasst sich mit der Rolle des Individuums im städtischen Kontext. Dabei geht er besonders auf den menschlichen Körper im Raum ein. Über unbearbeitete Aufnahmen versucht Darzacq die schöpferische Bewegung des Menschen in einer statischen Öffentlichkeit zu dokumentieren. Um diese beiden Realitäten zu kontrastieren, arbeitet Darzacq mit Tänzern zeitgenössischer Tanzkultur. Dabei ist die enge Zusammenarbeit mit dem Tänzer und dem Ort die wichtigste Voraussetzung.
yowa yowa „levitation“
Die japanische Amateurfotografin Natsumi Hayashi betreibt seit mehreren Jahren ein Fototagebuch der besonderen Art. Dabei erstellt sie Selbstportraits die sie im städtischen Kontext zeigen; in der Luft. Völlig losgelöst scheint sie durch Architektur und Menschen zu schweben. Hayashi spielt dabei, ähnlich wie zuvor Darzacq, auf den Raum als Hybrid an. Auf sanfte und elegante Art vermittelt sie das Aneinandervorbei von Mensch und Raum.
3. 2
kunst - street art
Viele KĂźnstler nutzen den Ăśffentlichen Raum um dem Betrachter der eigenen Arbeiten direkt entgegentreten zu kĂśnnen. So ist in der heutigen Zeit Kunst im Alltag keine Seltenheit mehr. Diese kann sich in Form von Prints, Media-Art, Graffiti oder Objekten darstellen.
florian rivière
Florian Rivière bezeichnet sich selbst als „urban hacktivist“. Er ist Gründer und Leiter von „Démocratie Créative“ und als solcher hauptsächlich in Straßburg tätig. Rivière verwandelt Städte mit viel Humor in einen großen Spielplatz. Er verändert, modifiziert und erfindet urbane Flächen neu. So macht er aus dem Straßenbahngleis eine Rennstrecke, aus dem Straßenschild ein Basketballkorb und aus der Parkfläche ein Fußballfeld. Sein Ziel ist es, Menschen die Möglichkeit zu geben Raum zurückzuerobern und auf neue Weise nutzbar zu machen.
banksy
Banksy ist der wohl berühmteste „street artist“, der stets versucht seine Identität geheim zu halten. Er benutzt seine „Kommunikationsguerilla“ um politische Statetments im öffentlichen Raum zu äußern. Dabei geht er sowohl legalen als auch illegalen Aufträgen nach. Der direkte Kontakt zu seinem „Publikum“ und deren Reaktion machen die Werke Banksys besonders reizvoll.
dennis oppenheim
Der 2011 gestorbene Amerikaner war Wegbereiter von Land-, Body-Art, und Installationskunst. In seinem Werk befasste sich Oppenheim mit dem Verhältnis zwischen Körper, Objekt und öffentlichem Raum. Dazu kombinierte er Baumaterialien, Stein, Holz und Metallsysteme zu Großskulpturen und raumfüllenden Installationen, die durch die groteske Proportionierung und Anordnung bestehende Raumgewohnheiten in Frage stellten.
gordon matta-clark
Gordon Matta-Clark war Us-Amerikanischer Architekt und Konzeptkünstler, der sich auf die Gebiete der Intervention und Dekonstruktion spezialisiert hatte. Am berühmtesten sind seine „cuttings“. Dabei handelt es sich um Schnitte, die Gordon Matta-Clark mittels Motorsäge bzw. kleinen elektrischen Handsägen durch Fassaden, Decken und Böden von Gebäuden ausführte. Er entfernte ganze Gebäudeteile, um den Blick in das Innere einer bewohnten und genutzten Architektur sowie die innerer Struktur des Wandaufbaus freizulegen.
graffiti research lab
Das „graffiti research lab“ ist ein Zusammenschluss mehrerer Graffitikünstler und wurde gegründet von Evan Roth und James Powderly. Protest durch urbane Kommunikation über „open source“ Technologien sind das Ziel der Gruppe. Dabei experementieren sie mit neuen Medien, die sie für DIY-Versuche via Internet frei zugänglich machen. Sie fordern das Neudenken „sozialer Rituale“ des urbanen Alltags. Eine „eye tracking“ Brille gehört z.B. zu den Produkten ihrer Arbeit, die auch im medizinischen Bereich einsetzbar ist.
3. 3
aktion
Die Aktion gehört mit zu den prominentesten Kunstformen im öffentlichen Raum. Dabei ist manchmal nur schwer zwischen öffentlichem Protest und künstlerischer Intervention zu unterscheiden. Aktionen sind gegenwartsbezogen und zielen desswegen auf ein aktives Miterleben eigentlich unbeteiligter Passanten ab, haben dieses genauso auch als Voraussetzung. Aktionen spielen immer auch mit dem Gedanken der partizipativen Handlung. Dadurch erweitert sich ihr Wirkungsraum, es entsteht Kommunikation die sich über die Grenzen verschiedener Disziplinen hinwegsetzen kann. Dadurch ist der Ausgang der Aktion niemals planbar. Sie ist immer spontan, intuitiv und vom Zufall geprägt.
christian philipp müller
Christian Philipp Müller ist Konzeptkünstler, Fotograf und Bildhauer. Seine Arbeiten befassen sich stets mit dem Raum. Das obrige Bild zeigt die Arbeit „Burning Love“, in der er ein ortstypisches Textil zur lebenden Skulptur transformiert und so auf die Beziehungen zwischen Ort, Tradition und Identität anspielt. Dabei ist das Textil zugleich Kleidungsstück, Skulptur, Protagonist eines Films, sowie Ausstellungsgegenstand.
hotel neustadt
„Hotel Neustadt“ ist eine Vision die im Sommer 2003 entstand. Ein Hotel in einem leerstehenden Hochhaus. Geführt, geplant und gebaut von Jugendlichen der Stadt Halle Saale und ein internationales Theaterfestival, das im September 2003 in eben diesem Hotel zum Thema „Leben in Großwohnsiedlungen“ stattgefunden hat, sowie ein umfangreiches Programm vor weg in „Fernost“, dem Büro der Projektleitung im S-Bahnhof Neustadt. Dazu wurden die verschiedenen Räume von Jugendlichen und Künstlern unterschiedlich gestaltet und bewohnbar gemacht.
penique productions „identität des raumes“
„Penique Prductions“ ist ein Zusammenschluss vierer ehemaliger Studenten der Universität Barcelona., die alle in verschiedenen Disziplinen der Kunst beheimatet sind. Mit Hilfe dutzende Meter colorierter Plastikfolie und einigen Ventilatoren verfolgen sie die Intention der Simplifizierung und Reduzierung eines von anderen geschaffenen Raumes auf seine Texturen und Formen zugunsten einer neuen, steril anmutenden Atmosphäre. Beim Verlassen des Kunstwerks sollte sich dem Zuschauer die Frage stellen, ob er da gerade einen leeren oder einen gefüllten Raum betreten hat.
matthias walendy „ästhetik der aneignung“
Der Fotograf Matthias Walendy beschäftigte sich in seiner Arbeit »re:green« mit dem Phänomen „Urban Gardening“. Dabei prägen gemischte Nutzungsbedingungen die genutzten Orte. Zu Pflanzenbehältern umgewidmete Bäckerkisten, eine zur Gartensitzbank umfunktionierte Holzpalette oder die aus Holzleisten und Plastikfolie zusammen gezimmerte Gartenlaube sind typische Motive, die Walendy immer wieder ablichtet. Er dokumentiert in seiner Arbeit die Spuren einer Aneignung von städtischem Raum und porträtiert gleichzeitig ihre Protagonisten.
guerrila gardening „prinzessinengarten berlin“
Guerilla Gardening ist die Umnutzung von Hausdächern, Terrassen, Brachflächen und ehemaligen Fabrikarealen, Parkplätzen und Seitenstreifen zu „Kleingartenanlagen“. Dabei kann diese Veränderung entweder rein ästhetischer Natur sein, oder aber aus den ehemals kleinen Blumenfeldern entstehen richtige Nutzgärten. Ein Beispiel dafür ist der Prinzessinengarten in Berlin. Die neu genutzte Fläche profitiert vom Wissen und den Fähigkeiten seiner Bewohner verschiedenster Herkunft. Der Garten fördert somit nicht nur die Zwischennutzung der brach liegenden Fläche, sondern auch die städtische Kommunikation unterschiedlicher Kulturen.
raumlabor berlin
Seit über zehn Jahren prägt „raumlaborberlin“ mit Interventionen im öffentlichen Raum einen neuen Begriff von Architektur. Dabei fordern sie die Leute zum handeln auf und wollen zeigen, dass es sich lohnt Teil urbander Prozesse zu sein. Sie erforschen den öffentlichen Raum, Städte in Transformation, sowie die Grenzen von Öffentlich und Privat. In variierenden interdisziplinären Teams entwickelt „raumlaborberlin“ Strategien für Stadterneuerung, Stadtplanung und Architektur, baut interaktive Stadt-
landschaften und forscht im öffentlichen Raum. Nachbarschaftliches Kochen im „Küchenmonument“, das informelle Verkehrssystem „Dolmusch X-press“ oder das Initieren von Ideenmärkten innerhalb urbaner Planungsprozesse sind Beispiele für experimentelle Handlungsansätze, in denen soziale Interaktion zu urbanen Gestaltungsprozessen beiträgt.
fun theory „piano stairs“
„Fun theory“ ist eine konzeptioneller Ansatz dessen Theorie besagt, dass das Verhalten von Menschen am leichtesten über Spaß und Humor verändert werden kann. Das Projekt „Piano Stairs“ ist ein interaktives Musikinstrument das zur Nutzung der Treppenanlage einer U-Bahn Station animieren soll. Dabei erzeugen die Stufen Töne, die der Nutzer zu einer Melodie zusammenfügen kann. So entstehen Kompositionen, die die Menschen eher die Treppe statt der Rolltreppe nutzen lässt.
cheesecake powerhouse „powerhouse 2 the people!“
Das Kreativstudio „Cheescake Powerhouse“ bestehend aus Chehad Abdallah, Eugenio Perazzo, Fabian Greitemann und Julian Stahl, hat in dem Projekt „powerhouse 2 the people!“ eine berliner Straßenlaterne mit einem Schalter versehen, der den Passanten erlaubt die Leuchte an oder aus zu schalten. Die Installation verwirrt, macht Spaß und regt zum Nachdenken an.
topotek 1
„Topotek 1“ ist ein junges Berliner Landschaftsarchitekturbüro. Es agiert als Gestalter mit dem Versprechen einer besseren Welt: Landschaftsarchitektur als „Postproduktion“des Idealzustands. Dabei verfolgen sie Wege die nicht mit denen des klassischen Landschaftsarchitekten zu vergleichen sind. Die Rede ist dabei von großen rosanen Gummispielzeugen, bunten Phantasielandschaften im städtischen Raum und nicht zuletzt von einem großen Loch, von Deutschland bis nach Asien. Dabei geht das Kollektiv stehts auf vorherrschende soziale und kulturelle Konflikte ein.
gabi schillig
Gabi Schillig ist Raum-, Konzeptkünstlerin, Autorin und in der Lehre tätig. Ihre Arbeiten sind immer eng mit dem menschlichen Körper verbunden. In performativen Experimenten versucht sie die Beziehungen zwischen Körper und Raum zu ergründen. In dem Projekt „public receptors“ spielt dabei die Haut eine besondere Rolle. In einem „Raumgewand“ sucht Schillig Antworten im öffentlichen Raum. Aus diesen tänzerischen Bewegungen generiert sie Formen und Geometrien, die sie in Büchern wie „Performative Geometries“ publiziert.
3. 4
stadtmöbel und objekte
Möbeln im öffentlichen Raum kommt eine ganz besondere Bedeutung zu. Oft findet über sie der einzige physische Kontakt zwischen Mensch und Raum statt. Dabei entscheidet ihre Form und ergonomische Gestaltung über die Art und Intensität dieses Kontakts. Sowohl an das Material als auch an die Form werden hohe Ansprüche gestellt die es im Alltag bewehren müssen. Durch den EInsatz modernen Medien entstehen derzeit hybride Formen des Stadtmöbels aus Möbel, Skulptur, interaktiver Installation und Kunstobjekt. Themen wie Nachhaltigkeit, Mulitfunktionalität und Mobilität spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
store muu „pit in“
„Pit in“ ist ein Tisch für den öffentlichen Raum der gleichzeitig als Fahrradständer genutzt werden kann. Dabei wird das Fahrrad selber als Stuhl genutzt. Das Möbel bietet dem Nutzer somit die Möglichkeit, kurze Pausen einzulegen, zu verweilen, sich auszuruhen oder einfach nur Gespräche mit dem Fahrradpartner zu führen. „Pit in“ öffnet eine völlig neue Art der Fahrrad Kultur.
siteworks studio „the community chalkboard“
Das „community chalkboard“ von „siteworks studios“ ist ein interaktives Kommunikationsmedium im öffentlichen Raum. Es besteht aus Schiefertafeln auf der mit Kreide Nachrichten, Ideen und Bilder hinterlassen werden können. Völlig ohne den Einsatz digitaler Medien entwirft „siteworks“ eine interaktive Skulptur, die ihren Einsatz vor allem im öffentlichen Raum, sowie in Wohnanlagen findet.
studioweave „lullaby factory“
Mit dem Projekt „lullaby factory“ erfindet das Büro „studioweave“ eine übergroße Maschine zur Kommunikation zwischen der Kinderstation des „London Great Ormond Street Hospital“ und dem öffentlichen Raum. Sie besteht aus metallernen Rohren und Trichtern die die Geräusche von Innen nach Außen und anders herum transportieren sollen.
nl architekcts „boom bench“
Die von Michael Schoner designte „boom bench“ spielt Musik von Passantenhandys via Bluetooth. Schoner transformiert ein gewöhnliches Straßenmöbel in ein urbanes Sound System. Die Bank wird zum DJ-Tool das vom Nutzer kontrolliert werden kann, sie wird Treffpunkt und Kommunikationsobjekt.
anna rosinke „mobile gastfreundschaft“
Mit dem Projekt „Mobile Gastfreundschaft“ wollen die Designer Anna Rosinke und Maciej Chmara Menschen zusammenbringen, zum gemeinsamen Essen einladen und die Möglichkeit schaffen sich gegenseitig kennenzulernen. Das dazu geschaffene fahrbare Objekt basiert auf einer simplen Idee, ein wenig handwerklichem Geschick und ökologischem Bewusstsein. Das entworfene mobile Set besteht aus einer Küche, Tisch und Hockern und kann komplett wie einer Schubkarre durch die Stadt geschoben werden. Der fast schon minimalistische Ansatz mit Massivholz wird kontrastiert mit den bewusst kombinierten Farben des Gartenzubehörs und verleiht dem Ganzen Humor und Poetik.
kawamura-ganjavian „ostrich pillow“
Das spanien und schweiz basierte Designstudio „Kawamura Ganjavian“ gibt mit seinem Entwurf „ostrich pillow“ die Möglichkeit egal an welchem Ort einen Platz zum Schlafen zu finden. Das Kissen wird einfach über den Kopf gestülpt, seitliche Öffnungen hüllen ebenfalls die Hände ein und bietet somit ein warmes, angenehmes Gefühl. So ermöglicht das Kissen dem Nutzer in jedem Transitraum ein Gefühl der Geborgenheit zu erfahren.
kevin cyr „camper bike“
Das „camper bike“ von Kevin Cyr verschafft ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit durch Flexibilität und Mobilität dank eigener Muskelkraft. Der Fahrer hat somit sein Zuhause immer bei sich und kann von Ort zu Ort fahren. Das kleine Wohnmobil bietet dabei nicht viel Komfort aber alles was man zum täglichen Leben benötigt.
3. 5
bücher, zeitschriften und internet
Printmedien, und vor allem Zeitschriften werden im Alltag immer präsenter. In Bezug auf das Thema „Stadt“, das durch den schnellen und unvorhersehbaren Wechsel sozialer Konstellationen geprägt ist, sind Zeitschriften ein sehr geeignetes Medium, da sie ebenso schnell und intuitiv auf Veränderungen reagieren können. Im Rahmen der Bachelor Thesis bin ich dabei auf zwei Zeitschriften gestoßen die ich an dieser Stelle einmal erwähnen möchte. Der vorliegende Abschnitt stellt außerdem noch einige Bücher vor, die auf unterschiedliche Art und Weise das Thema der Stadt verarbeiten.
stadtaspekte
Die erste Ausgabe der noch sehr jungen Zeitschrift „stadtaspekte“ wurde über die Crowdfunding Platform „Startnext“ finanziert und verschafft dem Leser verschiedenste Einblicke in eine vielschichtige Stadtwahrnehmung. Die interdisziplinär aufgebauten Artikel des Hefts geben Anregungen, Kommentare, Einblicke und Ausblicke, sowie Zugänge und Ideen, die eigene Stadt zu nutzen und zu gestalten. Dabei sind die Texte stets inhaltlich fundiert und kreativ gestaltet.Der Internetauftritt ergänzt das Heft mit täglichen Kolumnen und Beiträgen.
derivé
„derivé - Zeitschrift für Stadtforschung“ ist ein interdisziplinäres und unabhängiges Journal für Urbanistik und wird seit dem Jahr 2000 vierteljährlich von „dérive Verein für Stadtforschung“ in Wien herausgegeben. Neben der Herausgabe der Zeitschrift widmet sich der Verein der Vermittlung stadtspezifischer Themen, unter anderem durch die Gestaltung von „dérive - Radio für Stadtforschung“ und der Organisation von „urbanize! - Internationales Festival für urbane Erkundungen“, welches jährlich in Wien stattfindet. Die behandelten Felder reichen dabei von Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung, Raumordnung und Bildender Kunst bis zu Geographie, Soziologie, Politik- und Medienwissenschaften und Philosophie.
en passant
Das Buch „en passant - Reisen durch urbane Räume: Perspektiven einer anderen Art der Stadtwahrnehmung“ handelt vom mit allen Sinnen Erkunden von urbanem und suburbanem Raum. Dazu nehmen die Autoren den Leser mit auf einen Spaziergang durch Köln und bieten dadurch einen situationistischen Urbanismus zu intensiveren und reflektierteren Formen der Architektur- und Stadterfahrung. Das Buch verschafft neue Perspektiven auf ein gewohntes Umfeld. Markus Ambach, Boris Sieverts, Bertram Weisshaar und die Citámbulos aus Mexico City präsentieren in diesem Band ihre Strategien des Flanierens.
urban catalyst
Das Buch „Urban Catalyst - Mit Zwischennutzungen Stadt entwickeln“ befasst sich mit kunsttheoretischen Ansätzen der Zwischennutzung von Brachland und Leerständen in der Stadt. Die präsentierten Konzepte bieten innovative Kulturproduktionen und eine vitale Öffentlichkeit. Das Forschungsteam „Urban Catalyst“ hat sich mehrere Jahre lang dem Phänomenen der „ungeplanten Stadt“ in fünf europäischen Ländern gewidmet, der Band ist die Zusammenfassung der gesammelten Ergebnisse und Erkenntnisse. „Urban Catalyst“ beschreibt Wege, wie Prozesse des Informellen in den Städtebau Eingang finden können und was Stadtplaner von Zwischennutzern lernen können.
ida still im menschenmeer
Das Kinderbuch „Ida still im Menschenmeer“ von Philipp Seefeldt erzählt von Ida, einem aufgeweckten kleinen Mädchen, dass sich auf eine Reise durch die Großstadt begibt. Dabei entdeckt sie Tag für Tag neue aufregende Dinge. Brücken werden zu Brückentieren, die sich über den Fluss wölben, die hohen Häuser zu Schiffen, die durch ein Meer aus Menschen segeln. Das Buch ist ein fantasievoller Stadtführer, der dazu einlädt, die Stadt mit allen Sinnen zu erkunden.
akademie einer anderen stadt
„Akademie einer anderen Stadt“ ist ein „Versuch des Unmöglichen“. Die Beteiligten versuchen „Denk-, Wahrnehmungs- und Gestaltungsräume verstreut im urbanen Alltag zu eröffnen“. Dazu entwerfen und entwickeln sie „Zeit-Räume“ oder Konstellationen, die ihre Besucher/innen aus ihrem gewohnten Rhythmus unerwartet ins Denken und ästhetische Handeln bringen. Sie provozieren Begegnungen mit fremden Wahrnehmungen, unbekannten Menschen und der eigenen Kreativität. Die Akademie einer anderen Stadt ist ein Kunstprojekt von Ute Vorkoeper und Andrea Knobloch. Selbst nennen sie ihre Arbeit „künstlerisches Forschen“; und das merkt man auch.
4
meine nicht-orte
4.1
unterführung in wuppertal vohwinkel
Die Unterführung an den Bahngleisen nahe dem Bahnhof Vohwinkel verbindet den Bahnhofsvorplatz mit dem Zentrum des Stadtteils Vohwinkel ausgehend vom Lienhardplatz. Die Unterführung teilt sich in drei Brückenbögen mit abwechselnden Lücken zwischen den jeweiligen Bögen. Die Bausubstanz wirkt sehr massiv und dominant. Überfahrende Züge geben dem Nicht-Ort das Eigenleben eines „Großstadtmonsters“. Der Lärm des Straßenverkehrs addiert sich mit dem der Züge zu einem unüberhörbaren Kanon. Die Reduktion des Tageslichts und die Vermischung mit Kunstlicht trägt ihr Übriges dazu bei. Der Mensch befindet sich also in einer anstrengenden Situation. Die Unterführung ist der einzige Weg die Bahngleise zu überwinden. Die Grenzen der Brückenbögen geben ihm also ganz klar den einzigen Weg vor. Da die Straße der eigentlich dominante Teil der Szene ist wird der Mensch unausweichlich an der Rand gedrängt. Daburch
entsteht ein enger Kontakt zum Baukörper. Schutzsuchend versucht man sich so nah wie möglich an der starken Mauer zu orientieren. Der Wechsel zwischen Brückenbögen und freiem Himmel führt im besten Fall zu einer Bewusstwerdung der beteiligten Elmente. In der Mitte des Objekts hat der Mensch die Möglichkeit über einen abgehenden Tunnel den direkten Weg zu den Gleisen des Bahnhofs zu suchen. In diesem Bereich kommt zu dem schon vorhandenen Klängen noch die kalte Reflektion des Klangs über die helle Kachelung des Tunnels. Geht man an dieser Stelle weiter gelangt man schnell ans Ende des letzten Brückenbogens und befindet sich wieder im Freien. Ob die Öffnung des nun vor einem liegenden Raums als angenehm oder unangenehm empfunden wird ist eine rein subjektive Empfindung.
„bürgerbahnhof“ - wuppertal vohwinkel
4. 2
„bürgerbahnhof“ - wuppertal vohwinkel
Der Bahnhof Vohwinkel ist neben der Schwebebahnstation der Hauptverkehrsknotenpunkt des westlichen Stadtteils. Er verfügt über drei Zugänge die jeweils einen anderen Startpunkt markieren. Dies ist ein gutes Beispiel indem der Kontext die räumliche Wahrnehmung eines Ortes beeinflussen kann. Betritt man den Bahnhof über den Haupteingang, ausgehend vom Vorplatz des Bahnhofs, durchschreitet man eine rot geflieste Eingangsforte und tritt danach in eine große Halle ein. Die Forte agiert als Schwelle zwischen Außen und Innen. Mit der Überquerung dieser Schwelle verändert sich die gesamte räumliche Atmosphäre. Die Temperatur verändert sich, die Lichtsituation wird eine andere, ebenso verändert sich der Klang. Die große Gewölbehalle bildet einen Resonanzkörper der jeden Klang mit einem lang anhaltenden Hall versieht. Jede Bewegung, so klein sie auch ist, wird ohne Rücksicht auf den Absender in die Halle entsendet und somit unüberhörbar für alle
Anwesenden. Die gesprochenen bzw. geäußerten Laute addieren sich zu einem lauten Gesamtteppich aus sich überlagernden Stimmen. Nicht zuletzt trägt die kühle Kachelung der Wände zu diesem Phänomen bei. Geht man weiter in die angrenzenden Gänge links und rechts der Halle, ändert sich die Situation durch die seitlichen Öffnugen zu den Gleisen erneut. Der Eigenklang der Räume vermischt sich mit dem Lärm des Bahnverkehrs. Die anfangs erwähnten anderen Zugänge verlaufen über lange geflieste Tunnelgänge die sich in ihrer Klangcharakteristik ähnlich verhalten wie die große Halle, wenn auch die Nachhallzeit nicht so lang anhält. Die fehlenden Aufenthaltsmöglichkeiten, selbst in der Halle, scheinen den Nutzer grade zu durch die Räume zu treiben. Das Verweilen, geschweigendenn Kommunikation sind unerwünscht.
„bürgerbahnhof“ - wuppertal vohwinkel
4. 3
schleuse varresbecker straße. die brücke zum „schöner wohnen“
Die Haltestelle „Varresbeckerstraße“ befindet sich mitten im Industriegebiet. Die im folgenden beschriebene Fußgängerüberführung verbindet die Haltestelle mit dem Wohngebiet der Tiergartenstraße. Dabei bildet sie eine Art Schleuse, die als Durchgangsraum fungiert. Die axiale Ausrichtung der Überführung ist gegenläufig zu den Hauptverkehrsrichtungen der Verkehrselemente Schwebebahn, industrielle Infrastruktur und Bahngleise. Diese Anordnung deutet ein gewisses Konfliktpotenzial an. Ist die Entscheidung, die Schwebebahnstation in Richtung Tiergartenstraße zu verlassen, erst mal gefallen gibt es keine Möglichkeit mehr für den Nutzer frei zu entscheiden wie er sich in dem sich bietenden Raum bewegt. Sein Weg ist stets von engen Begrenzungen in Form von Absperrgittern, Zäunen und Brüstungen gesäumt. Die Architektur legt alles daran ihn als Menschen von der Industrie zu trennen. Dabei geht sie
allerdings nicht sehr konsequent vor. Genau diese Tatsache taucht die Überführung in ein groteskes Licht. Schon beim Aufstieg über die Treppe wird dies deutlich. Oben angekommen hat sich für den Nutzer nichts geändert. Seine Position wird nicht erhöht indem sich ihm neue Perspektiven oder Zusammenhänge darbieten. Vielmehr bleibt alles beim Alten. Die Distanz bleibt gewahrt. Betritt der Nutzer nun die Schleuse aus Beton, Stahl und Glas scheint sich die zuvor erwähnte Distanz vergrößert zu haben, jedoch nur auf den ersten Blick. Die schützende Geste, die den Nutzer sicher durch die Gefahren der tosenden Industrie leiten soll, ist eine Illusion die sich schnell enttarnen lässt. Der lange Gang bietet dem Nutzer keinerlei Möglichkeit der Orientierung, was ein merkwürdiges Gefühl erzeugt. Licht und Lärm werden von den hohen Glaselementen nicht davon abgehalten in die Schleuse zu dringen. Schaut der Nutzer nach oben sieht er zwischen sich und dem Himmel, der nicht
der blick in den langen nach oben offenen tunnel. das gitter und die glaselemente isolieren den nutzer nicht komplett
nach Natur klingt sondern vielmehr nach brüllender Industrie, ein eisernes Gitter, das den Himmel für ihn unerreichbar werden lässt. Durch die Glaselemente hat er die Möglichkeit Bewegungen wahrzunehmen die jedoch seltsam verzerrt werden und ihn dazu bringen seine Geschwindigkeit zu erhöhen. Fast panisch stürzt er jetzt durch den Gang. Über eine weitere Treppenanlage schafft er es endlich aus dem Tunnel wo er durch eine Steinmauer in Richtung eines letzten Treppenanstiegs geleitet wird. Die Bahngleise überwindet er über eine Stahlbrücke die ihn schließlich auf einen kleinen Platz vor der Straße führt. Vor ihm türmt sich ein mehrstöckiges Wohnhaus auf, auf dessen Fassade ein gemalter Storch auf seinem Schornstein auf ihn wartet.
Die gesamte Anlage scheint der Trennung der Bereiche Industrie und Wohnen zu dienen. Auf seltsame und beiläufige Art und Weise treten dabei aber immer wieder Lücken auf, die dem Nutzer das Gefühl von Unsicherheit suggerieren. Die fehlenden Überwachungsanlagen, die in anderen öffentlichen Räumen sonst ein Garant für Sicherheit sind, können dieses Gefühl nicht verhindern.
4. 4
wohnkarton. friedrich-ebert-straße
Die Wohnanlage an der FriedrichEbert-Straße ist durch ihre relative Nähe zum Stadtgeschehen bei gleichzeitigem inhaltlichem Gegensatz ein spannungsvoller Nicht-Ort. Wie ein nicht ganz ernst zu nehmendes Kunstwerk mit rosa Anstrich bauen sich die Wohnschachteln schon von der Hauptstraße vor dem Betrachter auf. Die lange Auffahrt und der große vorgelagerte Parkplatz schaffen eine gewisse Distanz zur Straße, die sich über die Reflektion des Schalls in der Hausfront allerdings wieder mit der neu gewonnenen Ruhe der Hinterhofsituation vermischt. Der Komplex besteht aus schachtelartig geschichteten Wohnungen, deren Balkone zum Parkplatz hin orientiert sind. Die verwendeten Materialien sind funktional. Große Betonkörper geben die Grundstruktur des Gebäudes, die Fassade wird ergänzt durch leicht zu reinigende Kacheln. Das „cleane“ Auftreten des Baus wird durch die strenge Geometrie verstärkt.
Betritt man den Platz öffnet sich eine Art Bühne. Jeder Balkon zeigt dabei eine andere Szene. Nimmt man sich Zeit zu beobachten, entdeckt man nach und nach versteckte Rituale, geheime Intimitäten, kuriose Eigenheiten und leise Streitereien. Der reflektierte Klang der Stadt vermischt sich mit der Stimme des Privaten. Schnell entdeckt man die Qualität der Balkone. Kleine „Sprachrohre“ nach außen, die Verbindung zwischen Öffentlichkeit und Privatem. Dabei existieren der „moderne“ Charakter des Wohnbaus mit historischen Bauteilen, wie einer Jugendstilmauer an der Grundstücksgrenze, und dem „futuristischen“ Leben der Stadt simultan. Dennoch wird diese Vermischung nicht als unangenehm wahrgenommen, sie ist lediglich existent.
die situation ist dominiert von geometrie und rasterung. der mensch muss versuchen sich in dieses raster einzuordnen
4. 5
hasenschule
Der Innenhof direkt neben der Grundschule „Hasenschule“ ist ein Rückzugsort für Kinder mitten im tosenden Stadtleben. Der Zugang ist entweder direkt über die Schule zu finden oder aber über die von der stark befahrenen Hauptstraße abgehenden Treppenstraße. Durch die Anordnung der umliegenden Wohnhäuser ergibt sich eine Art Kessel der den kleinen Platz mit einer schützenden Geste umfasst. Trotz des teils isolierten Zustands der Hofsituation dringt die Stadt über die Reflektion in den Hausfronten ind die recht intime Situation ein. Auch hier schafft man es nicht dem Krachen und Quietschen der Schwebebahn zu entkommen. Ihre Gegenwart ist somit allgegenwärtig, das Vorhandensein einer wirtschaftlichen und industriellen Gesellschaft betont. Das Thema Spielen und Kindheit wird im öffentlichen Stadtleben völlig verdrängt. Situationen wie die der Hasenschule sind im öffentlichen Leben selten. Ein Auftreten in der
Öffentlichkeit dass durch Spontanität und Intuition bestimmt ist, wird für gewöhnlich nicht geduldet und trifft auf Ablehnung. In der aus dem Stadtkontext verdrängten Situation können nicht nur Kinder dieses Verhalten ausleben. Auffällig ist, dass die verwendeten Materialien sich deutlich von für gewöhnlich in der Stadt vorzufindenden Materialien unterscheiden. Sie spielen vielmehr als rauer Beton auf die Nutzung der Sinne an. Nutzer haben die Möglichkeit Spuren zu hinterlassen, die Materialien fordern gradezu dazu auf. Anders als sonst führt das Vorhandensein von Spuren in diesem Fall zu einer noch intensiveren Auseinandersetzung mit der Materie. Auf „Spuren“ im öffentliche Raum folgt meist Zerstörung. Interessant wäre eine Transformation der thematischen Inhalte des Großstadtspielplatzes in den Stadtraum. Welche Prozesse löst die Metamorphose bei Alltagsnutzern aus, welche Entwicklungen ergeben sich?
aktive mitgestaltung mit „politischen“ inhalten zeugt von großem bewusstsein für den ort
4. 6
parkhaus kaufhof
Das Parkhaus Kaufhof, versteckt in einer Seitenstraße, ist eine der wohl aufregensten Architekturen in Wuppertal. Über mehrere Ebenen kreiselt sich die Spirale das alte Kaufhofgebäude hinauf, bis es schließlich in den drei obersten Ebenen die alte Gebäudefassade durchdringt und die Autos ins Innere bringt. Die Situation ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie sehr die Vorgänge des Konsums automatisiert sind, einem festen Ritus folgen, und wie sehr der Mensch aus diesem Prozess, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, verdrängt wird. Die vorzufindende Architektur ist einzig und allein für den Verkehr bzw. den Transport von Menschen gemacht. Grau und in sich geschlossen, ohne jeden Blick nach Außen isoliert sich die große Spirale von seinem Umraum. Die umliegenden Gebäude werden gemieden, die rotierende Bewegung bewegt sich an allem vorbei und stellt keinerlei Bezüge her. Der kleine Hof im Inneren der Spirale
ist für Personen nicht zugänglich. Im Zentrum der Kassenautomat, inszeniert und markiert durch einen gelben Sockel, geschützt durch ein kleines Dach nimmt er den Raum voll ein. Hier findet der einzige Kontakt des Menschen mit dem Objekt statt. Ein kurzes aus dem Fenster lehnen und dann geht es auch schon loß in den Kreisel. Stück für Stück schraubt sich das Auto Ebene für Ebene hinauf zum Parkdeck. Mit großer Mühe zirkelt es sich um die weichen Rundungen der Straße, gesehen wird es dabei nicht. Wer da kreiselt ist unwichtig.
die elegante form des spirale schwingt sich leicht hinauf zum geb채ude. dabei ist die bewegung in sich geschlossen. der bau isoliert sich von seinem umraum
4.7
schwebebahnstation hauptbahnhof
Die Schwebebahnstation am Hauptbahnhof ist kreuzförmig gegliedert. Sie besteht aus einem langen Gang von dem in der Mitte zu beiden Seiten Treppen abgehen, die zu den Gleisen führen. Zu beiden Seiten befinden sich mehrere Ladenlokale, die als Gemüsemarkt, Dönerladen, Kneipe oder Schuhreperaturservice genutzt werden. Vor dem Haupteingang befindet sich die sogenannte „Pennerplatte“, ein beliebter Treffpunkt bei Obdachlosen und Bettlern. Links und rechts davon sind zwei direkte Zugänge zu den Gleisen. Hier vermischen sich zwei Menschenströme miteinander. Es treffen sowohl Menschen aufeinander die den Nicht-Ort als Durchgangsort nutzen und andere, die sich in ihm aufhalten. Es entsteht eine Art Interessenskonflikt, der dazu führt dass der Ort zum Hybrid wird. Seine Funktion ist nicht eindeutig definiert und gibt somit ein bestimmtes Konfliktpotenzial. Die Menschen die den Ort durchque-
ren stören sich an den „sesshaften“ Menschen und anders herum. An den Leerständen die es auch hier gibt sieht man, dass das Fehlen der eindeutigen Funktionszuweisung zu einer Identitätslosigkeit des Ortes führt die durch einen wilden Mix aus Angebot zu kompensieren versucht wird. Die typische im Jugendstil gehaltene Eckkneipe „Kaiserwagon“ ist möglicher Zufluchtsort und Treffpunkt für „Stadtflüchtige“. Der Dönerladen stillt das Knurren vorbeihuschender Mägen, am Gemüseladen können schnelle Einkäufe gemacht werden, im Handy- und Elektroladen gibt es Identität zum mitnehmen in Form von Fahnen unterschiedlichster Nationen. Der türkische Schuster in seinem Glaskasten ist immer für ein Gespräch bereit, der Kiosk versorgt mit Zigaretten. So entsteht eine eigene kleine Infrastruktur die nur bemerkt wird wenn man sich etwas Zeit nimmt. Vielleicht funktioniert sie aber auch nur desswegen: weil genau das die meisten Menschen nicht tun.
4. 8
wuppertal hauptbahnhof
Erkundet man eine fremde Stadt zum ersten mal, startet diese Reise meißt vom Bahnhof aus. Städteplanerisch bildet dieser den Infrastrukturellen Knotenpunkt der jeweiligen Region, an dem sich alles Andere orientiert bzw. orientieren kann. Desswegen muss dieser Ort besonders berücksichtigt werden, denn er dient als Aushängeschild, Wegweiser und nicht zuletzt als erster Eindruck. So auch in Wuppertal. Im Grundriss besteht der Hauptbahnhof aus zwei Teilen: dem Gleisabschnitt und dem Tunnel, der die Gleise mit der City verbindet. Über die Gleise verläuft in andere Richtung eine Brücke, über die der Fußgänger den Bahnhof in Richtung Süden verlassen kann. Die gesamte Achse, d.h. vom südlichen Bahnhofseingang bis hin zum nördlichen Tunnelausgang, hat eine Länge von ca. 150 Meter. Diese Achse verläuft senkrecht zu den anderen Hauptverkehrsachsen der Umgebung. Der Bahnhof is ein typisches Beispiel ei-
nes Durchgangsortes. Die Anlage ist rein funktional gestaltet und dient einer schnellen Fortbewegung. Es ist kein Ort des Aufenthalts, und das merkt man auch. Der Gleisbereich zeichnet sich nicht grade durch viele Sitzmöglichkeiten aus, für den Fall dass man trotz des verwahrlosten Zustandes sich kurz aufhalten will. Das Informationszentrum wurde in den hinteren Bahnhofsbereich verdrängt, sodass man es erst nach längerer Suche in einer Ecke neben McDonalds findet. EIne Baustelle im Innenbereich wurde kurzerhand von den Nutzern des Bahnhofs zur Wartehalle ernannt. Die Toiletten warnen schon von weitem vor einer Nutzung, der Zustand der Bausubstanz ist in desolatem Zustand. Der erster Eindruck ist schlecht. Kühl und ablehnend begegnet die Architektur dem Menschen. Sie grenzt ihn aus, erhebt ihn, nicht aus Gründen der wertschätzung sondern aus Bequemlichkeit und Eigennutz. Die Architektur spricht nicht mit
blick auf die fußgängerbrücke über den gleisen
ihrem Nutzer, desswegen benötigt es Zeichen und Symbole, die dem Menschen die Nutzung des Raumes aufzeigen. Meißt sind es Warn- oder Verbotsschilder, Grenz- und Sperrlinien die da zu einem reden. Der Mensch wird überflutet von Informationen und Anweisungen sodass die natürliche Reaktion die Abgrenzung und das Insichgekehrtsein ist. Überfordert durch Werbung an beiden Seiten des langen Tunnels schaltet der Mensch auf „Tunnelblick“, er wird zum „anonymen Individuum“, wird Teil einer „stummen Gesellschaft“, nur das Selbst und das Kommende im Blick. So kommt es, dass sich der Durchgangscharakter des Bahnhofs verstärkt und der Nicht-Ort lieber gemieden oder ganz schnell wieder verlassen werden will. Dazu trägt auch das Dauersummen
der Neonröhrenbeleuchtung bei, das unaufhörlich zusammen mit den vielen Automaten, Telefonzellen und Klimaanlagen der Geschäfte, den Takt einer unermüdlichen Maschinerie gibt. Bei längerem Hinsehen wirkt die Situation künstlich und krank. Unausweichlich, begrenzt durch die Wände des engen Tunnels, sieht sich der Mensch zu allem Überfluss nun auch noch mit den vielen Ladenlokalen konfrontiert die ihn zum Konsum auffordern. Eine bunte Mischung aus Zeitschriftenladen, Friseur, Blumenladen und Metzgerei, inszeniert durch Kunstlicht und Dauersummen. Und trotzdem wird der „Ort“ genutzt. Natürlich: er muss. Dennoch gibt es einige Faktoren die uns über das Unübersehbare hinwegsehen
eindrücke aus dem tunnel
lassen. Zum einen ist eine ständige Überwachung des „Ortes“ präsent. Dies geschieht in Form von Überwachungskameras, Bahnmitarbeitern und Polizeipatroullien. Zusammen suggerieren sie ein Gefühl der Sicherheit. Ein Ort im Privaten in gleichem Zustand würde uns Angst machen, da wir uns der fehlenden Sicherheit bewusst wären. Im öffentlichen Raum reicht uns diese Tatsache zum Ertragen jeglicher Wiedrigkeiten. Des Weiteren wird über die Illusion der Ordnung und Sauberkeit ein beruhigendes Gefühl erzeugt. Ohne Pause ziehen ganze Putzkolonnen durch den Bahnhof mit dem Auftrag jeden
noch so kleinen Schnipsel, der die gespielte Ordnung zerstören könnte, vom Boden aufzulesen. Ob der „Ort“ tatsächlich sauber wird ist dabei nebensächlich, die bloße Präsenz reicht aus den Eindruck positiv ausfallen zu lassen. Die Stadt Wuppertal, die sich der Lage durchaus bewusst ist, plant die gesamte Bahnhofsanlage umzugestalten um sie mehr in den Umraum einbinden zu können. Ob dieses Vorhaben gelingt oder erneut ein „geplanter Nicht-Ort“ entsteht bleibt dabei noch zu klären.
4. 9
informations-zentrum am busbahnhof
Das Informationszentrum liegt direkt zwischen Busbahnhof und Tunnelausgang des Hauptbahnhofs. Neben dem verglasten Gebäude mit dem charakteristisch runden Oberlicht verläuft eine Treppe die die Hauptverbindung zwischen Bushaltestellen und Bahnhof bzw. City darstellt. Dementsprechend ergeben sich gegenläufige Bewegungen der Nutzerstrukturen. Die eine Wegachse läuft am Informationszentrum vorbei, die andere ist eine rotierende Linie unterhalt des Oberlichts, soll heißen: die Überdachung des Informationszentrums. Diese beiden Bewegungen führen dazu, dass ein Konflikt entsteht in dem beide Seiten ihrer Funktion nicht ungehindert nachgehen können. Wieder entsteht ein seltsamer Hybrid zwischen Durchgang und Aufenthalt. Da der Busbahnhof sonst keienerlei Möglichkeit des Aufenthalts bietet nutzen die Menschen das leicht diffuse Licht, das das Oberlicht erzeugt um den Menschenströmen zu entkommen um für kurze Zeit verweilen
zu können. Dabei unterscheidet der Nicht-Ort nicht zwischen Kultur, gesellschaftlicher Stellung oder Alter. Hier sind alle gleich. Hier tummeln sich sowohl Frauen mit ihren Kindern, alte Ehepaare, Gruppen von Jugendlichen als auch Busfahrer und Singlemänner. Dabei ist zu beobachten, dass all diese Gruppen die unsichtbare Grenze des Dachvorsprungs nicht überschreiten. Das Oberlicht scheint einen Sammelpunkt zu markieren, der nicht mit dem Strom des Durchgangsverkehrs zu vermischen ist. Die Überdachung bietet Schutz, das Licht wirkt ungewöhnlich weich in dieser harten und chaotischen Umgebung. Wie durch einen Rahmen blickend haben die Wartenden das Geschehen immer vor Augen, stets in der Erwartung sich mit nur einem Schritt aus der schützenden Geste der Überdachung zu bewegen.
4.10
uni brücke
Die Brücke am Oberen Grifflenberg ist die Verbindung zwischen Universität und Stadt. Studenten, die nicht den Bus nutzen, führt die Brücke über eine vorgelagerte Treppenanlage den Grifflenberg hinab zum Hauptbahnhof. Die Brücke ist eine statisch aufwendig gearbeitete Konstruktion aus unverkleidetem Stahlbeton. Sie kann sowohl über eine Wendeltreppe als auch über den langen Rampenaufgang betreten werden. Auf der ersten Ebene angekommen muss man sich für eine der beiden fortführenden Rampen entscheiden. Die Rampen scheinen mit ihrer enormen Breite für großen Fußgängerverkehr ausgelegt zu sein. Besonders stark frequentiert sind sie im Alltag allerdings nicht. Die Brücke wirkt stark überdimensioniert. Beeindruckt vom betriebenen Aufwand geht man nun über den Hauptteil über die Straße. Nach diesem kann man sich erneut entscheiden die Brücke über eien von zwei Rampen zu verlassen oder aber
in Richtung Universität weiter zu gehen. Am Ende angekommen führt der Weg nun über eine Treppenanlage durch ein kleines Waldstück zu den Universitätsgebäuden. Die Brücke ist ein weiteres Beispiel dafür, wie viel Aufwand betrieben wird um Mensch und Verkehr voneinander zu trennen. Die weiche Geste der Rampen steht im Kontrast zur harten Formsprache der gesamten Brücke. Die Konsistenz scheint stark beansprucht, der Beton ist rauh und das Metall beginnt zu rosten. Interessant ist die Kombination der Brücke mit einem Spielplatz am Anfang des Rampenaufgangs. Sieht man den Spielplatz als Motiv des Spielens, der Intuition und Unvorhersehbarkeit, ergibt sich ein starker Kontrast der den Nicht-Ort unwirklich erscheinen lässt.
vor allem der gegensatz zwischen harter br端ckenarchitektur und spielplatz verleiht dem nicht-ort einen kraftvollen ausdruck
4.1 1
kluse
Die Schwebebahnhaltestelle „Kluse/ Schauspielhaus“ verweist über eine ganz eigene architektonische Charakteristik. Von ihr aus sind sowohl das Kino und das kleine Schauspielhaus, sowie ein Wohngebiet in Richtung Süden zu erreichen. Der Weg zum Wohngebiet führt wegen eines benötigten Niveauausgleichs über eine aufwendige Treppen- und Aufzuganlage. Diese wirkt durch ihren monolitischen Ausdruck wie eine Stadtskulptur. Der direkte Kontakt zur Wupper und zur Schwebebahn ist über den Klang des „Nicht-Ortes“ unüberhörbar: mit jedem gesagten Wort schwingt das Rauschen der Geschwindigkeit mit. Der Nicht-Ort dient dabei als Gegenspieler und bremst den Menschen in der Geschwindigkeit des Alltags. Über eine kleine Brücke führt der Weg zur Anlage. Dort angekommen muss man sich entscheiden entweder den Aufzug oder aber die Treppe zu benutzen. Um sich für die Treppe zu entscheiden, muss man sich dem harten Aufstieg durchaus bewusst sein.
Alte Menschen, Familien mit Kindern und Behinderte nehmen wohl eher den Aufzug, alle Anderen treten den Weg die acht Ebenen hinauf an. Dabei ist der Blick stehts nach oben gerichtet. Nur selten dreht man sich um, um die neu entstehenden Ausblicke zu erkunden. In dem langsamen, eigentlich ruhigen aber kraftvollen Aufstieg liegt ein gewisser Ritualcharakter. Mit jeder Ebene reduziert sich durch die körperliche Anstrengung die Aufmekrsamkeit für den Umraum, der eigene Körper rückt immer weiter in den Vordergrund, es bleit Zeit sich auf Erlebtes zurück zu besinnen, und sei es nur unterbewusst. Im Gegensatz dazu steht der Aufstieg mit dem Aufzug. Eine durch den Menschen entwicklete Technologie transportiert den Nutzer vom Erdboden auf eine höher gelegene Ebene. Diese Vorgang ist völlig automatisiert und desswegen nicht so intensiv wie die Treppennutzung. Dadurch wird der Nicht-Ort auch von Treppennutzern stärker wahrgenommen als von den Aufzugnutzern.
wie eine skulptur ragt die anlage in den himmel. durch die gr端ne farbe zum funktionsobjekt degradiert existieren die beiden bewegungen, treppe und aufzug, simultan und aneinander vorbei
4.1 2
wolkenburg
Die beiden Fußgängertunnel an der Barmerstraße und dem Döppersberg führen unter den Bahngleisen entlang und sind über die Wolkenburg miteinander verbunden. Über den Zugang an der Barmerstraße gelangt man direkt zur Kreuzung Bundesallee, der Tunnel am Döppersberg führt zur Schwebebahnhaltestelle Kluse/Schauspielhaus. Der Name der Anlage ist irreführend. Denn dem Nutzer bietet sich keinesfalls ein himmelsgleicher Anblick. Die Atmosphäre ist beängstigend und kühl. Der Zustand der Bausubstanz ist heruntergekommen und durchlebt. Schnell erhält man den Eindruck, dass der „Nicht-Ort“ schon vor langem aufgegeben wurde. Trotzdem bleibt die Wolkenburg eine wichtige Verbindung zwischen Stadt und Wohngebiet. Der Aufstieg über die Treppenanlage macht den Prozess der Bewegung bewusst. Das Eintauchen in den Tunnel kostet das Unterbewusstsein einige Überwindung. Noch angestrengt vom Aufstieg beschleunigt
man seinen Schritt, in der Hoffnung den beängstigenden Tunnel schnell durchqueren zu können. Ist das geschafft, führt der anschließende Abschnitt direkt an den Bahngleisen entlang; so nah ist man den schnell vorbeifahrenden Zügen selten. Auf der Wolkenburg angekommen, bietet sich einem der Anblick einer ganz normalen Straße. Am zweiten Tunnel angekommen beginnt nun der Abstieg zur zweiten Schleuse. Ein großes Graffiti erinnert daran wo man ist: Wolkenburg. Der Tunnel ist wesentlich länger als der erste und durch die Nähe zu Wupper und Schwebebahn wird seine Nutzung als wesentlich angenehmer empfunden. Es ist eher ein zum Licht als ein ins Dunkel gehen. Beim Eintauchen reduzieren sich die Außengeräusche, das Licht dämpft sich, wirkt fast weich. Das Wiederauftauchen wird durch das monotone Rauschen der Wupper als angenehm empfunden. Trotz einer ähnlichen Situation wie im ersten Tunnel ist die Wirkung auf den Menschen eine deutlich Andere.
name und licht sind irref端hrend, denn die architektur spricht eine andere sprache
4.1 3
unterführung alter markt. identitätsfindung im öffentlichen raum
Die Schwebebahnhaltestelle „Alter Markt“ befindet sich im Stadtteil Barmen und bildet dessen infrastrukturellen Knotenpunkt. Der die Haltestelle umgebende Vorplatz grenzt an eine stark befahrene Straßenkreuzung an, die sowohl von Autos als auch Linienbussen genutzt wird. Zur Rechten befindet sich ein Schnellrestaurant, das Treffpunkt jugendlicher Gruppen ist. Richtung Norden gelangt der Fußgänger über die einzige Ampelanlage in Richtung City. Die Überwindung des Stadtverkehrs in die anderen Richtungen ist ausschließlich durch eine Fußgängerunterführung möglich. Im Folgenden kläre ich die Zonierung der Unterführung sowie ihren Bezug zum Stadtraum und analysiere ihre Aussage hinsichtlich der Nutzung durch den Menschen. Charakteristisch für den Vorplatz der Haltestelle ist die Aufteilung der Infrastruktur in vier horizontal angeordnete Ebenen. Dabei hat jede dieser Ebenen ein Symbol, das
stellvertretend für ihre Funktion stehen kann. Für die Ebene Himmel steht die Schwebebahn, die sozusagen über der gesamten „Szene“ schwebt. Allgegenwertig durch das typische Geräusch des Schleifens der Schienen mischt sich ihre „Stimme“ unter den Chor der Stadt. Interessant ist, dass das Symbol für die Natur, hier den Himmel, eine vom Menschen geschaffene Technologie der Fortbewegung ist. Auf den Zusammenhang, dass der Mensch den natürlichen Raum verdrängt und sich somit über die Natur stellt werden wir im Folgenden noch öfter stoßen. Die zweite Ebene ist der Boden. Dieser wird dominiert durch den Autoverkehr. Zwar wird er auch durch den Menschen genutzt, dieser muss sich jedoch dem Auto unterordnen und an der Straßenführung orientieren. So wird ihm ein ganz klarer, begrenzter Bereich zugeordnet in dem er sich bewegen kann. Dieser Typ Mensch ist ein anderer, als der Typ Mensch der die Unterführung nutzt. Er ist
öffentlich, gesellschaftlich, kultiviert. Da der vorhandene Raum von vielen Menschen gleichzeitig genutzt wird müssen von Zeit zu Zeit Abstände zu Anderen gewählt werden, die in den Bereich der persönlichen Distanz eindringen. Die Proxemik des öffentlichen Raums ist eine andere als die der Unterführung. Die nächste Ebene ist das Wasser; das Symbol der Fluss, die Wupper. Verdrängt durch die Stadt, geleitet und künstlich befestigt durch hohe Betonmauern verschwindet sie aus dem Stadtbild und der Wahrnehmung des Menschen. Das Rauschen des Wassers wird übertönt durch den Lärm des Verkehrs, reduziert zum Zitat rahmt eine eiserne Brüstung den Blick auf den Fluss am Rande des Platzes. Wie zuvor bei der Schwebebahn wird die Natur aus dem öffentlichen Kontext gestrichen. Die letzte hier zu untersuchende Ebene ist die Erde. Das Symbol hierzu die Unterführung. Wie oben bereits erwähnt ist die Grundlage und das Ergebnis der folgenden Untersuchung der private Mensch als Individuum und nicht mehr als einsamer Teil der öffentlichen Gesellschaft. Der Unterführung ist die tiefste Verbundenheit zur Natur zuzusprechen da
sie sich mitten in ihr befindet. Aus dem öffentlichen Raum vertrieben, bietet sich hier nun die Möglichkeit Privatheit, Intimität und Identität zu finden. Ob die Schleuse ausschließlich als Durchgangszone (Augé) bezeichnet werden kann bleibt also zu klären. Die Aufteilung in die oben genannten Ebenen lässt auf folgenden Zusammenhang schließen: Das Synonym für Öffentlichkeit ist Kultur und alle damit einhergehenden gesellschaftlichen Regeln. Das Synonym für Privatheit ist die Natur und die Rückbesinnung auf das Individuum. Die Unterführung ist in fünf Teile gegliedert: Die Treppe am Alten Markt, die zum Mittelteil Ecke Fischertal führende Schleuse, der Mittelteil, die Schleuse zum Nordausgang und die Treppe Friedrich-Engels-Allee. Die Treppenanlage am Alten Markt, die den Zugang zur Unterführung bildet, ist in Richtung Platz ausgerichtet und somit leicht zugänglich. Sie ist als eine Art Schwelle zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen Außen und Innen zu sehen. Ihr Nutzer muss sich bewusst entscheiden die Weite des Platzes zu verlassen
blick in den zwischenraum
um die enge und gerichtete Schleuse zu betreten. Mit jedem Schritt den er tut nehmen die Verkehrsgeräusche sowie das von der Sonne erzeugte Licht merklich ab. Langsam wird das Auge an die sich ändernde Lichtsituation gewöhnt. Dieser Vorgang wirkt unerwartet weich im Gegensatz zu der formal harten Architektur. Vor allem aber auch wenn man die Tatsache bedenkt, dass die Unterführung aus einer mathematischen Konstruktion besteht in die sich der Mensch einordnen muss (Rasterung der Bodenplatten, Fliesen, etc.). Unten angekommen muss der Nutzer einer kurzen Kurve folgen ehe sich sein Blick in die Schleuse öffnet. Das Licht am Ende der ersten Schleuse zieht ihn an. Ohne zu halten setzt er seine Bewegung fort, die nach dem Treppenabstieg und der Kurve an Fahrt aufgenommen hat. Unterbewusst offenbart sich nun die absolute Reduktion der Architektur im Gegensatz zu den chaotischen Überlagerungen der Stadt. Der Boden wirkt homogen, die gekachelten
Wände reflektieren warm das einfallende Licht, nichts stellt sich dem Nutzer in den Weg, einzig die Neonröhren bieten die Möglichkeit einer Verortung. Diese Eigenschaften sind die notwendige Voraussetzung für den wahrnehmungsverstärkenden Charakter der Schleuse. Die Wahrnehmung des Nutzers wird durch völlige Reduktion aller störenden Reize geschärft. Da die Architektur der Schleuse kein zu kommunizierendes Objekt darstellt ist das Kommunikations- und Wahrnehmungsobjekt der Nutzer selbst. Schnell entdeckt er diese Qualität und beginnt über die Wände, die das Sprachrohr bilden, mit sich selbst zu kommunizieren. So bemerkt er erst jetzt, in der Distanz zum Stadttreiben, die Kraft und den Klang der eigenen Schritte. Er spürt die Kühle der Schleuse auf seiner warmen Haut. Er sieht seine Bewegung in der Reflexion der Kacheln. Er beginnt mit der Erfahrung des persönlichen Raums; über das Verhältnis des eigenen Körpers, über seine Kleidung, zum Raum. Überrascht entdeckt er
die Chance zur Identitätsfindung mitten im öffentlichen Stadtraum, der so sehr geprägt ist durch Anonymität, stummer Kommunikation und entindividualisierenden gesellschaftlichen Ritualen.
treppe in richtung alter markt
Kaum hat der Nutzer diese Erfahrungen gemacht sieht er sich mit einer architektonischen Neuerung konfrontiert. Am Ende der Schleuse angekommen, öffnet sich der Raum plötzlich. Die geschlossene Form wird zur Überdachung, den Wänden weichen Stützen, dem dynamischen Schwung der Schleuse stellt sich eine zweite, gegenläufige Bewegung entgegen. Durch die geöffnete Form kann Tageslicht einfallen, das sich mit dem Kunstlicht der Neonröhren vermischt. Die Geräusche der Stadt fallen wieder stärker in die entstandene Hofsituation ein und
führen die Existenz der Stadt und dessen gesellschaftlich öffentlichen Konventionen zurück in Erinnerung. Der Nutzer hat nun die Möglichkeit auf die Situation zu reagieren und sich als „geläutertes“ Individuum der Stadt gegenüberzustellen. Durch die beiden Treppenaufgänge hat er auch die Möglichkeit der Konfrontation zu entfliehen, genauso kann er aber auch Schutz im Schatten des Daches suchen um anschließend erneut die schützende Geste der zweiten Schleuse aufzusuchen. Diese Station der Konfrontation ist zwingend notwendig um die Entdeckung des Individuums als real bezeichnen zu können. So verortet sich das Individuum sowohl zeitlich als auch räumlich. „Gereinigt“, wird der weitere Gang durch die Schleuse zur spielerischen Entdeckung des
die vier ebenen der kreuzung am alten markt, sowie die treppe „friedrich-engels-allee“ und „alter markt“
Privaten und des eigenen Ichs. Das Ende der Schleuse mündet in eine erneute Kurve, die auf das Folgende vorbereitet. Das Auftauchen über die zweite Treppenanlage erweist sich als noch intensiver als das Abtauchen. Endgültig kehrt der Lärm der Stadt zurück, es wird heller, zu hell. Durch die Reduktion der Reizquellen und die damit einhergehende Schärfung der Sinne in der Schleuse, wirkt jeder von der Stadt entsendete Reiz nun sehr extrem. Aufgetaucht und angekommen gibt sich die Stadt noch lauter als am Anfang der Unterführung. Ob das Individuum sich nun auch als solches behaupten kann liegt an ihm selbst.
4.1 4
„bestattungen sonnenschein“. stillgelegte eisenbahnbrücke in wuppertal rott
Die stillgelegte Eisenbahnbrücke im Wuppertaler Stadtteil Barmen kreuzt auf halber Strecke den Steinweg, der am Ende auf den verkehrstechnischen Hauptknotenpunkt „Alter Markt“ trifft. An dieser Stelle hat die Brücke eine ungefähre Höhe von 35 Metern. Die Brücke ist 280 Meter lang, voran geht ein Tunnel der unter einem Wohngebiet verläuft. Betrachtet man das gesamte Gebiet und die Hauptverkehrsachsen fällt auf, dass die Bahntrasse die aktiven Hauptverkehrsstraßen durchkreuzt. Diese Begebenheit spielt auf einen unterschiedlichen inhaltliche Schwerpunkt der beteiligten Elemente an und legt den zu diskutierenden Gegensatz der beiden Ebenen, nämlich der Straße als öffentlichen Ort und der Brücke als Ort des Rückzugs, dar. Ein zweiter möglicher Gegensatz ergibt sich in dem Vergleich zwischen Tunnel und Brücke. Beide sind Teil der stillgelegten Bahntrasse, sind somit beide als „Schleuse“ anzusehen, funktionieren auf ähnliche Weise,
ergeben aber in ihrer atmosphärischen Wirkung völlig unterschiedliche Wahrnehmungen. Ihrer Funktion als Weg des Transportes von Menschen und Gütern beraubt, bemerkt der Mensch schnell die neuen räumlichen Qualitäten die sich ergeben. Sowohl Tunnel als auch Brücke haben einen sehr gerichteten Verlauf und bieten keinerlei Abwechslung in der Nutzung durch irgendeine Veränderung, Unterbrechung oder Auflockerung der Wegführung. So geben Beide dem Nutzer nur zwei Arten der Nutzung vor: entweder vor oder zurück. Beide haben einen Anfang und ein Ende. Aufenthalt ist nicht erwünscht. Ein Ausbrechen aus den gegebenen Strukturen ist durch die seitliche Begrenzung durch Tunnelwand bzw. Brüstung nicht möglich. Beide grenzen sich von ihrer Umgebung in bestimmten Maße ab. Der Tunnel verläuft unter dem Wohngebiet. Somit trennt sich der Bereich „Verkehr“ vom Bereich „Wohnen“. Der Tunnel isoliert sich aber auch vom Licht,
blick in richtung tunnel. der ausblick verschafft dem nichtort eine ganz eigene atmosphäre
von Geräuschen, der Temperatur und allen Sinnesreizen die es auf der Oberfläche gibt. Die Architektur des Tunnels isoliert den Nutzer vom Stadtraum. Zwar werden die Geräusche der Stadt ein Stück weit reflektiert und vermischt mit den eigenen Geräuschen, dennoch rückt die Stadt schnell aus der Wahrnehmung des Nutzers, sodass er schnell eine Schärfung der Sinne bemerkt. Durch die fehlende Orientierung die sich ihm bietet haftet der gesamten Situation allerdings ein unangenehmer Charakter an. Die Desorientiertheit führt dazu dass man den Tunnelraum schnell wieder verlassen will und sich in Richtung Licht bewegt. Dort angekommen merkt man spätestens die Schärfung der Sinne, weil nun jeder Reiz extrem verstärkt wahrgenommen wird.
Die Brücke grenzt sich durch mehrere formale Dinge vom Stadtraum ab. Das erste ist der Höhenunterschied von 35 Metern zum Straßenniveau. Daraus resultieren einige Veränderungen bezüglich der Wahrnehmung die im Folgenden geklärt werden. Das zweite ist der fehlende Kontakt zu den umliegenden Gebäuden. Keines der Wohnhäuser schließt direkt an einen der Brückenbögen an, es wird stets ein gewisser Abstand gehalten. Nicht so industrielle Bauten. Diese suchen den direkten Kontakt zur Brücke; einige Brückenbögen werden sogar direkt genutzt. Bleibt also die Frage ob diese strickte Trennung nach dem eigentlichen Funktionsverlust der Brücke als Transportstrecke sinnvoll ist? Was aber passiert jetzt beim Betreten der Brücke? Das Chaos
straßenszene, sowie die schwelle der brücke
der Stadt scheint mit den ersten Schritten auf der Brücke schnell zu verfliegen. Die Reduzierung der Möglichkeiten den vorgegebenen Raum zu begehen ist im Gegensatz zum „offenen“ Raum der Stadt ein großer Vorteil und eine Chance sich auf andere Dinge konzentrieren zu können. Die Reduktion passiert hierbei nicht abrupt und spontan, es ist vielmehr ein Prozess den der Nutzer durchläuft. Zu Beginn wird die Brücke noch von Wohnhäusern gesäumt. Dadurch dass sich das Straßenniveau ändert erhält der Nutzer immer mehr Einblick in höher liegende Stockwerke, bis er sich schließlich über den Dächern der Häuser befindet. So losgelöst von jedem äußeren Einfluss begegnet der Nutzer der Straße, dem Symbol für Verkehr und Stadt nun mit Leichtigkeit. Die große Distanz lässt den Lärm der Autos nahezu verstummen und die eigene Stimme ist ohne Probleme verstehbar, obwohl dies 30 Meter unter ihm nicht möglich wäre. Die Erhöhung löst den Nutzer vom urbanen Kontext sodass er sich trotz der vorgegebenen Richtung frei in seinem Luftraum bewegen kann. Hier beginnt sich der eigentliche Schleusencharakter aufzulösen.
Der Wunsch nach Aufenthalt und Verweilen wird größer. Nach und nach entdeckt der Nutzer immer mehr Details und architektonische als auch landschaftliche Zusammenhänge des Umraums. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich somit die Funktion der Brücke vom ehemals öffentlichen Bereich der Transportnutzung in den Bereich des Privaten, als Ort des Rückzugs, des Ausblicks und der Reflexion, verlagert. Kann man die Qualitäten und Atmosphären des Privaten nun auf die gegebene Situation übertragen und welche architektonischen Ausdrücke können sich daraus ergeben? In wieweit ist die Rolle des Tunnels für die Erschließung der Brücke von Bedeutung oder kann sie sich sogar als eigenständiger Gestaltungsgegenstand behaupten?
blick aus dem tunnel, nähe und distanz, sowie „bestattungen sonnenschein“
5
entwurf
5.1 entwurf
Das folgenden Kapitel befasst sich mit dem von mir durchlaufenden Entwurfsprozess von anfänglichen Überlegung einer Übersetzung der im vorangegangenen Kapitel „meine nicht-orte“ aufgeführten Analysen, bis hin zu konkreten Konzeptansätzen, entwicklet am Beispiel der „Unterführung am Alten Markt“, bis hin zur Entwicklung einer „Story“ zur Vermittlung der Konzeptgedanken. Der Entwurfsprozess ist im Groben in mehrere Abschnitte zu unterteilen. Am Anfang steht das Suchen nach geeigneten Nicht-Orten. Dabei gibt es mehrere Vorgehensweisen die einem die Möglichkeit bieten sich auf mehrere Arten dem Nicht-Ort zu nähern. Betritt man ein neues Terrain, oder konkret gesagt, eine neue Stadt, kann man so vorgehen, dass man die entstehenden Eindrücke erst einmal ungefiltert auf sich wirken lässt, um einen ersten Gesamteindruck zu erhalten. In einem zweiten Durchlauf kann man an die Nicht-Orte zurückkehren und sub-
jektiv wahrgenommenen Auffälligkeiten dokumentieren. Dabei gibt es einiges zu beachten. Dokumentiert man z.B. über einen Fotoapparat begibt man sich in die Position des Fotografen. Dieser achtet besonders auf die Komposition des Bildes, er neigt also dazu vielleicht wichtige Inhalte für eine gute Komposition aus dem Bild auszuschließen. Ähnlich verhält es sich bei einer Zeichnung. Dadurch dass die Anfertigung einer Zeichnung mehr Zeit benötigt, als z.B. ein Foto, ist ihre Aussagequalität oft vielschichtiger als die des Fotos. Die Zeichnung kann somit die „wahre“ Stimmung der Situation besser wiedergeben. Dennoch führt der weiten Weg der Information über das Auge zur Hand, zum Stift, zum Papier dazu, dass der Vorgang an Intuition und Spontanität verliert. Durch die Filterung über das Gehirn gehen einige Informationen eventuell verloren. Entgegenwirken kann man diesen Phänomenen z.B. über Tonaufnah-
men. Diese geben die Situation ungefilter wieder, können aber vielleicht nicht alle Informationen wahrnehmen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass man versucht sich in verschiedene Rollen zu begeben und ein und dieselbe Szene wiederholt zu betrachten. Überschneidungen in den unterschiedlichen Wahrnehmungen können einen fast objektiven Eindruck ergeben. So ergeben sich nach und nach Informationen verschiedenster Medien, die es im nächsten Schritt zu sortieren und ordnen gilt. Dabei kann es verschiedene Kategorien geben, die einander auch überschneiden oder ausschließen können. Dieser Schritt hilft, sich einen Überblick über das gesammelte Material zu verschaffen, erste Zusammenhänge und Gewichtungen zu entdecken. Dabei macht es durchaus Sinn den gefundenen Kategorien Namen bzw. Überschriften zu geben, um die Inhalte schon früh auf eine theoretische Ebene zu beziehen die das Weiterarbeiten erleichtern kann. Darauf folgt die Analyse. Diese kann sowohl rein formal, als auch emotional durchgeführt werden. Die
formale Vorgehensweise bezieht sich mehr auf die tatsächliche Architektur und die „zu messenden“ Parameter. Dieser Schritt ist wichtig um die Rahmenbedingung der emotionalen Analyse abzustecken. Beim emotionalen Zugang gibt es wieder mehrere Herangehensweisen wie z.B. die Assozioationskette. Ein vorangegangenes „Brainstorming“, in dem es darum geht erste inhaltliche Schwerpunkte der zu untersuchenden Szene herauszuarbeiten, führt im besten Fall zu bestimmten Oberbegriffen die nun in spontanen Wortketten erweitert werden können. Das Ziel ist es die Grenzen der Grundbegriffe zu erweitern um somit Raum für weitere Sinnzusammenhänge zu öffnen. Das gleiche Ziel kann auch über die bildliche Ebene erreicht werden. Dazu muss man den Schlüsselbegriffen sogenannte „Stimmungsbilder“ zuordnen, deren Inhalte ähnlich wie bei den Assoziationsketten den Rahmen erweitern können. Sinn und Zweck dieses Arbeitsschrittes ist durch eine theoretische Befassung mit dem Nicht-Ort sich von diesem entfernen zu können um gewonnene Erkenntnisse in einem
weiteren Schritt wieder auf den Nicht-Ort zurückführen zu können. Erneut versucht man nun die neuen Begriffe mit den Anfänglichen zu verbinden und diesen Vorgang mit Überschriften zu versehen. Es kann dabei von Hilfe sein die gewonnenen Erkenntnisse stets in eine selbst zu wählende Ausdrucksform zu bringen. Ob dies in Textform o.ä. geschieht ist jedem selbst überlassen. Sich sprachlich mit dem Thema zu befassen hilft jedoch, den nächsten Schritt leichter durchführen zu können. In diesem geht es darum sich Wissen über die vorliegenden Thematiken anzueignen, zusammenzufassen und auf eigene Formulierungen zu beziehen. Daraus können nun Fragen und Thesen generiert werden, die es abschließend an dem jeweiligen Nicht-Ort zu untersuchen gibt.
nicht-ort
beobachtung/ dokumentation
sammeln/ sortieren/ ordnen entwurfsprozess
端berschriften finden
analysieren
formal
emotional
ergebnis
wissen aneignen
vergleichen
fragen/ thesen entwickeln
5. 2 entwurfsprozess am beispiel „unterführung alter markt“
Das Ergebnis aus der im vorangegangenen Kapitel erstellten Analyse ergibt sich für mich die Frage nach der Rolle des Identitätsbegriffs im öffentlichen Raum, sowohl bezogen auf das Individuum als auch auf den Raum. Um zur Klärung dieser Frage zu gelangen möchte ich nun Schritt für Schritt die Vorgehensweise erläutern, über die ich zur Formulierung der Fragen gekommen bin. Nach der formalen Analyse des Nicht-Ortes habe ich ein Brainstorming durchgeführt, durch das ich schon zu Beginn der Analysearbeit erste Sachzusammenhänge definieren konnte. Neben den zu erwartenden Begriffen wie Durchgangsort und Schleuse sowie Geschwindigkeit und Verkehr konnte ich vorallem feststellen, dass es ein Ort der Gegensätze ist. So ergaben sich einige Wortpaare die sich in der Grafik „brainsorming“ ablesen lassen. Diese Erkenntnis war von Beginn an positiv zu deuten, da Gegensätze immer Disskusionstoff bieten. Um die Szene in einem größeren
Zusammenhang zu sehen, habe ich im selben Schritt versucht die vier an dem Prozess beteiligten Ebenen heraus zu arbeiten. Auffällig dabei war, dass jede dieser Ebenen über ein bestimmtes Symbol Form annimmt. Die erste Ebene ist der Himmel. Mit ihm assoziiere ich Reinheit, Freiheit, Luft, Wind und Natur. Betrachtet man sich nun das dazugehörige Symbol, die Schwebebahn, stößt man auf einige Gegensätze. So ist die Schwebebahn eine vom Menschen geschaffene Technologie die auf Rationalität und Wissen basiert, also den kompletten Gegensatz zum freien und kreativen Charakter des Himmels darstellt. Der Mensch stellt sich also mit seiner geschaffenen Maschine über die Natur und verdrängt diese. Es sind nicht die Naturklänge die den Ort am Alten Markt dominieren, sondern vielmehr dass Krachen und Quietschen der donnernden Schwebebahn. Die zweite Ebene ist der Boden. Dieser wird dominiert durch den Auto-
verkehr. Zwar wird er auch durch den Menschen genutzt, dieser muss sich jedoch dem Auto unterordnen und an der Straßenführung orientieren. So wird ihm ein ganz klarer, begrenzter Bereich zugeordnet in dem er sich bewegen kann. Dieser Typ Mensch ist ein anderer, als der Typ Mensch der die Unterführung nutzt. Er ist öffentlich, gesellschaftlich, kultiviert. Da der vorhandene Raum von vielen Menschen gleichzeitig genutzt wird, müssen von Zeit zu Zeit Abstände zu Anderen gewählt werden, die in den Bereich der persönlichen Distanz eindringen. Die Proxemik des öffentlichen Raums ist eine andere als die der Unterführung. Die nächste Ebene ist das Wasser; das Symbol der Fluss, die Wupper. Verdrängt durch die Stadt, geleitet und künstlich befestigt durch hohe Betonmauern verschwindet sie aus
brainstorming
dem Stadtbild und der Wahrnehmung des Menschen. Das Rauschen des Wassers wird übertönt durch den Lärm des Verkehrs, reduziert zum Zitat rahmt eine eiserne Brüstung den Blick auf den Fluss am Rande des Platzes. Wie zuvor bei der Schwebebahn wird die Natur aus dem öffentlichen Kontext gestrichen. Die letzte hier zu untersuchende Ebene ist die Erde. Das Symbol hierzu die Unterführung. Der Unterführung ist die tiefste Verbundenheit zur Natur zuzusprechen da sie sich mitten in ihr befindet. Aus dem öffentlichen Raum vertrieben, bietet sich hier nun die Möglichkeit „Privatheit“, „Intimität“ und Identität zu finden. Ob die Schleuse ausschließlich als Durchgangszone (Augé) bezeichnet werden kann bleibt also zu klären.
Unterführung Schleuse
Tunnel
Weg
Wasser
Berg
Strecke
Himmel
Boden
Wasser
Erde
Wupper
Boden
Pfad
Schwebebahn
Auto
Wupper
Mensch
Erde
Route
Reinheit
Straße
Fluss
Unterführung
Entschleunigung
Höhle
Reise
Luft
Verkehr
Natur
Dunkel
Beschleunigung
Öffnung
Abenteuer
Wind
Bus
Leben
Kalt
Spuren
Temperatur
Technik
Bewegung
Angst
Oberfläche
Entdeckungen
Wetter
Richtung
Unbehagen
Struktur
Zukunft
Sonne
Dreck
Geschwindigkeit
Nass
Material
Orientierung
Regen
Unreinheit
Nass
Höhle
Reflexion
Karte
Natur
Zerstörung
Kalt
Schutz
Raster
Geruch
hart
Energie
Geborgenheit
Norm
Sinne
Wärme
Wahrnehmung
Ruhe
Zeit Zeitlupe Geschwindigkeit
Ebenen
Symbol
Eintauchen
Anfang
Tag
Hell
Laut
Enge
Licht
Warm
Auftauchen
Ende
Nacht
Dunkel
Leise
Weite
Schatten
Kalt
Gegenwart Realität Privat Innen Natur gehirnsturm.
Mensch Ich Körper
Öffentlich Außen Kultur
schleuse.
identität.
ebenen.
weg.
privat.
himmel.
tunnel.
öffentlich.
luft.
durchgang.
gesellschaft.
wasser.
richtung.
anonymität.
erde.
moodbilder
kommunikation.
verkehr.
atmosphäre.
kĂśrper.
geschwindigkeit.
eintauchen.
haut.
technik.
auftauchen.
schutz.
schwelle.
enge.
wahrnehmung.
grenze.
weite.
Die bis hier erläuterten Ebenen sind in dem nebenstehenden Schaubild nocheinmal verdeutlicht. Der folgende Schritt war die Verbildlichung der in den bisherigen Schritten gesammelten Begriffe. Die Zusammenstellung ist lediglich als ein Ausschnitt zu sehen, die Anordnung ist beliebig gewählt. Die Bilder sollten einen Eindruck der subjektiv wahrgenommenen Atmosphäre des Nicht-Ortes verdeutlichen, und den möglichen Assoziationsraum erweitern. Das Schaubild auf der nächsten Seite fasst alle durch die Analyse gewonnenen Inhalte zusammen. Dabei geht es übergeordnet auf die Architektur ein, beschreibt die einzelnen Zonen die der Nutzer durchläuft, zeigt auffällige Schwellenbereiche und befasst sich mit der Wahrnehmung von Licht und Ton in Form von zwei grafischen Kurven in Relation zum entsprechenden Baukörper. Außerdem geht die Grafik auf den Prozess der Identitätsbildung des Individuums ein, dessen Inhalt sich als parallel zur vorzufindenen Raumfolge zeigt. Eine weiter Möglichkeit sich über einen emotionalen Zugang dem
Thema zu nähern ist das Erfinden eines imaginären Charakters der sich durch den zu untersuchenden Raum bewegt. In unserem Fall ergab sich folgender Text: „Benommen tauche ich ab. Völlig überfordert, noch schwindlig vom vielen Hin und Her, verschwinde ich einfach für einen kurzen Augenblick. Je tiefer ich abtauche, je weiter ich mich vom Lärm und vom Licht der Stadt entferne, desto mehr tauche ich ein in mich selbst. Merkwürdig fühlt es sich an. Zuerst merkwürdig, dann gut. Mit jedem Schritt wird es dunkler. In meiner Höhle weht kein Wind, hier ist es kühl und angenehm still. In meiner Höhle ist alles neu. Nur ich und der Weg. Nur Vor oder Zurück. Kein sich im Kreis drehen, kein sich Stoßen, kein Ausweichen. Kein Halt, kein Schnell Schnell. Die glatten Wände saugen jedes kleine bisschen Licht von Draußen auf und leuchten mir den Weg. Sie reden mit mir; mit ruhiger, klarer Stimme die ich nur zu gut kenne. Sie atmen wie ich. Sie machen meine Laute. Sie gehen immer neben mir. Sie tragen die selbe Kleidung. Ich gehe weiter in Richtung Licht. Je näher ich komme, desto mehr
die vier ebenen
himmel. boden. wasser. erde.
schwebebahn.
symbol für himmel und luft/ vom menschen geschaffene technologie der fortbewegung
verkehr.
symbol für technik und geschwindigkeit/ beherrscht den raum/ verdrängt den menschen
wupper.
unterführung.
symbol für verdrängte mensch beherrscht natur
natur/
symbol für den menschen/ der mensch wird aus dem öffentlichen verdrängt/ schleuse ist privat
„öffentlich“/ außen. „privat“/ innen.
vermischt sich die Stadt mit mir selbst. Hier kann ich mich entscheiden, denn ich weiß wo ich stehe. Ich genieße die Distanz; welch seltener Moment. Ich hole tief Luft und tauche wieder ab. Was sich zuvor noch seltsam anfühlte ist jetzt völlig vertraut. Die Schritte fallen mir leichter als zuvor, die Kälte ist verschwunden und ich sehe mich lächeln. Ich bin bereit meine Höhle wieder zu verlassen. Mit gehobenem Kopf setzte ich zum auftauchen an. Ich merke wie die Stadt langsam versucht sich über mich zu legen. Der Lärm wird lauter und das Licht heller. Heller als zuvor. Lauter als zuvor und schneller. Ich spüre die Unruhe wieder in mir aufsteigen und kann mich nicht wehren. Alles scheint wie zuvor, nur schlimmer.“ Der fiktive Charakter durchläuft auf seinem Weg drei Phasen, die mit der philosophischen Theorie von „Identität und Gesellschaft“ nach George Herbert Mead einhergehen. Dazu ist zuerst zu sagen, dass nach Mead die Grundlage dieser Entwicklung Kommunikation ist. Zum einen sowohl mit dem eigenen Ich und zum anderen mit der Gesellschaft. Dazu sagt er, dass das Individuum zwei Phasen
durchlaufen muss um Identität zu erhalten. Dazu gehört zunächst der Begriff des „I“. Das „I“ ist das Reizaussendende Element, in unserem Fall der Körper. Das Individuum muss also um eine Identität zu erhalten zuvor ein Körperbewusstsein entwickelt haben, dass ihn befähigt Signale auszusenden und zu empfangen. Dieser Prozess findet im ersten Abschnitt der Unterführung statt. Ein Reizsender benötigt auch immer einen Reizempfänger. Dieser ist nach Mead eine bestehende Gesellschaft. Identität bildet sich aufgrund der Interaktion zwischen Individuum und Gesellschaft. Identität kann ohne Gesellschaft nicht entstehen. Im Gegenzug definiert sich eine Gesellschaft über die Identität der ihr zugehörigen Individuen. Erreicht der Nutzer unserer Unterführung das Ende der ersten Schleuse, kommt er in genau eine solche Situation. Der Raum öffnet sich halb. Tageslicht vermischt sich mit dem der Neonröhren, genauso vermischt sich der Klang der Stadt mit dem des Individuums. Das Individuum wird also mit der Gesellschaft konfrontiert und kann nun auf die rückgesendeten Reize reagieren. Dies kann entweder in der Form geschehen, dass es der Konfrontation
über die beiden nach oben führenden Treppen meidet, oder sich stellt, den hybriden Raum überwindet und in die zweite Schleuse eintaucht. Dort angekommen bildet sich nun der nach Mead benötigte zweite Teil der Identitätsbildung, das „Me“. Dieses entsteht durch die Übernahme der durch die Reaktion auf den Zwischenraum gegebenen Haltung. Das Individuum hat jetzt beide benötigten Phasen des Identitätsbildungsprozesses durchlaufen, kann diese Erkenntnis in den folgenden Metern der zweite Schleuse reflektieren und sich bewusst machen. Richtung Ende der Schleuse wird es wieder heller, der Lärm nimmt zu und der Nutzer sieht sich nach einer kurzen Kurve mit einer Treppe und dem damit verbundenen Aufstieg konfrontiert. Langsam erinnert er sich an den Lärm des vorbeifahrenden Verkehrs, das Krachen der Schwebebahn, die Schritte der Menschenmassen und das Licht des Tages. An der Oberfläche angekommen merkt er, dass sich alle Reize verstärkt haben und er sie als noch unangenehmer als zuvor empfindet. Das ist dadurch entstanden, dass die Benutzung der Unterführung, durch die Reduktion der Außenreize, zu eiener Sinnes-
schärfung geführt hat, die allerdings schon kurz nach dem Verlassen der Unterführung wieder nachlassen wird. Dieses Prinzip kann genutzt werden um die Wahrnehmung bestimmter Qualitäten der Nicht-Orte zu verstärken. Anzumerken an dieser Stelle ist, dass die wahrgenommenen Eindrücke alle rein subjektiv sind und meiner persönlichen Wahrnehmung entsprechen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich bei jedem Nutzer der Unterführung, wenn auch nur unterbewusst, solche Gedanken entwickeln. Dennoch hat die Untersuchung des Nicht-Ortes gezeigt, dass der Begriff der Identität beim Thema Nicht-Orte eine wichtige Rolle spielt. Können mehrere Nutzer sich mit dem Nicht-Ort identifizieren wird dieser automatisch zum Ort, da deren Handlungsweise und Kommunkationsstruktur immer auch vom Ort beeinflusst wird oder sogar geprägt ist. Durch die ihn nutzenden Individuen erhält somit auch der Nicht-Ort eine Identität. Wie dieser Identitätsbildungsprozess initiiert und gefördert werden kann, möchte ich im folgenden Kapitel zeigen.
straße
treppe
schleuse
öffentlich
daz
öffent
privat
licht.
geräusche.
individuum. ein
tau
ch e
n/
ab
tau
ch e
n
licht
- lärm reduziert sich - helligkeit nimmt ab - aktiver prozess/ schwelle
ablauf des wahrnhmungsprozesses
- reduktion der umgebung, des um- felds, des raumes - „neutralisation“ - geräusche werden verfremdet - sichtfeld wird kleiner/ der blick wird gerichtet - weg ist vorgegeben - entdeckung des „I“
- architektur öffnet sich teilweise - vermischung von öffentlich und vat - erinnerung, rückbesinnung der - durch die konfrontation mit der sellschaft“ entsteht das „Me“ - das individuum kann aus der ko frontation fliehen oder sich stell - individuum hat kontrolle, dessw gen wird der prozess nicht als u genehm oder gezwungen empfu den
zwischen
schleuse
tlich/ privat
treppe
straße
privat
öffentlich
licht
n
he uc
fta
au
- „Me“ entsteht pri-
stadt r „ge-
on- len we- unan- un-
- „Me“ vermischt sich mit der stadt
- aktiver prozess/ schwelle
- sinne sind sensibilisiert/ anfängliche überreizung
6
konzept
6.1
konzeptentwicklung eines interaktiven klangwerkzeugs zur identitätsformung eines nicht-ortes
Wie kann man nun aus der gewonnenen Themenfestlegung, nämlich Identität von Mensch und Raum, einen Ansatz finden, der zu einem konkreten Ausdruck führt? Die Formulierung bestimmter Fragestellungen kann dabei von Hilfe sein: 1. Wie bildet sich die Identität des Raumes/ wie die des Menschen? 2. Welche Rolle spielt dabei der Be griff der Kommunikation/ welche der des Körpers? 3. [...] Um mögliche Antworten zu finden ist es von Vorteil sich erneut Wissen anzueignen, dass sich mit den gefundenen „Überschirften“ befasst. In meinem Fall habe ich mich über das Buch „Räume der Identität - Identität der Räume“, Band 98, erschienen in der „Blauen Reihe“ des IRPUD, informiert. Darin geben Autoren wie Detlev Ipsen, Elisabeth List, Manfred Voigt oder
Gabriele Geiger kurze Kommentare zu ihren zum Thema der Identität selbst gesteckten Rahmeninhalten. Detlev Ipsen schreibt in seinem Text mit der Überschirft „Was trägt der Raum zur Entwicklung der Identität bei? Und wie wirkt sich diese auf die Entwicklung des Raumes aus?“ über den kommunikativen Prozess als Voraussetzung für Identitätsbildung/ -verlust. Er beschreibt die Identitätsfindung als Prozess an dem vorallem der Aufbau einer Relation zwischen Innen und Außen (diese beiden Begriffe entsprechen dem Individuum und der Gesellschaft). Die Grundlage der Kommunikation wiederum sind soziale Beziehungen die eine Eingliederung in eine Gesellschaft als Basis haben. Außerdem sagt Ipsen, dass räumliche Identität den „eigenen“ Raum in Bezug zu anderen Räumen setzt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Entstehung einer Identität des Raumes stets in der Verbindung mit der individuellen Identität steht. Ähnlich wie bei Mead benutzt Ipsen den Begriff des
Symbols bzw. des Bildes, über das die Kommunikation funktioniert. Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich unten stehendes Schaubild.
identitätsbildung nach ipsen
Elisabeth List geht in ihrem Text „Leben ist Bewegung - Subjektivität, Raum und Identität“ noch etwas genauer auf den kommunikativen Aspekt ein. Subjektive Raumwahrnehmung geschieht über die Bewegung im Raum und über das Sinnliche. Das kommunikative Element ist erneut das Symbol. Das Medium ist dabei der Leib. All das geht über die „objektive Orientierung“ über das rein Architekturliche hinaus; „wahre“ Identität enteteht über die Emotion, das Sinnliche und den eigene Körper. Erneut betont List dass reine Subjektivität nicht zur Identitätsbildung ausreicht, es ist immer auch eine Gesellschaft nötig.
Manfred Voigt stellt in seinem Kommentar „System und Umwelt: Raum und Identität in der Systemtheorie“ mehrere Thesen zu Zusammenhängen zwischen Gestaltung, Kommunikation, Wahrnehmung und Identität auf. Darin sagt er, dass je unspezifischer die Beziehung des gestalterischen Eingriffs mit dem Raum ist, auch seine gestalterische Wirkungskraft gering bleibt. Je schwieriger der kommunikative Zugang zu einem Raum ist, desto unspezifischer ist auch die räumliche Identität. Die Kommunikation kann dabei gefördert werden wenn der Raum mit einem physischen Nutzen gekoppelt ist. Zusammenfassend sagt Voigt ähnlich wie Ipsen, dass räumliche Identität immer soziale Prozesse bzw. System voraussetzt.
kulturelle muster
raumorganisation
raumsymbole
raumbilder raumwahrnehmung identitätsbildung raumwirksames verhalten
Gabriele Geiger geht mit „Trasitraum Stadt: Zum Paradigma der Ortlosigkeit“ abschließend noch einmal auf das Paradoxon des Transitraums „Stadt“ ein. Versteht man die Stadt als solchen, stößt man auf das Problem, dass Räume mit Identität niemals Durchgangsräume sein können. In diesen gibt es keine Möglichkeit eine „Raumerinnerung“ entstehen zu lassen. Zu einer solchen Raumerinnerung kommt es nach Geiger nur durch das „Tasten und Spüren“. Dabei geht es sowohl um vom Menschen gesendete Reize, als auch um die des Raumes. Geiger nennt das die „Semiotik des Raumes“. Im modernen Stadtleben scheint diese Semiotik nicht mehr zu funktionieren. Sie muss durch künstliche Zeichen und Symbole, wie Ampeln und Verkehrsschilder, verstärkt werden. Es gilt also die natürliche Semiotik des Raumes durch den Einsatz der Körpersinne wieder zu entdecken. Zusammenfassend ergibt sich aus den neu gewonennen Erkenntnissen die Idee eines identitätsstiftenden Elements, das wie ein Vermittler sowohl zwischen Mensch und Mensch als auch zwischen Mensch und Raum
interagiert. Das Objekt soll dabei die verlernte Kommunikation in Erinnerung zurückrufen, indem es gezielt auf die körperlichen Beziehungen zwischen Mensch und Raum eingeht. Die rechts stehende Grafik soll diese Beziehung noch einmal verdeutlichen. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf den Arbeitstitel „Orte ohne Eigenschaften“etwas genauer eingehen. Denn bestimmte Eigenschaften sind dem Raum immer zuzuweisen. Zum einen ist das natürlich die eigentliche Architektur des Raumes, mit seinen Grenzen, Schwellen und Richtungen, zum anderen sind es andere messbare Einflüsse, die die Atmosphäre des Raumes bilden. Das sind unter anderem Licht, Wind, Klang und Temperatur. Bezogen auf die Stadt gibt es da aber auch noch Bewegung (ob durch Verkehr oder den Menschen gegeben), oder z.B. Abgase. Alles messbare Reize die jedem Raum einen gewissen Grad an Individualität verleihen. Daraus ergibt sich die Idee eine Maschine zu entwickeln, die über verschiedene Sensoren verfügt, die die Reize des Nicht-Ortes empfangen
beziehung zwischen mensch, raum, objekt und ort
ort
raum
mensch
objekt als identit채tsstifter
können und die gegebene Information in ein Objekt umwandeln kann. Der Input besteht aus den oben aufgelisteten Faktoren, die alle zusammen die Identität des Nicht-Ortes codieren. Die Maschine verarbeitet diesen Input in ein Objekt, dessen Form die codierten Informationen ablesbar werden lässt. Der Nutzer kann sich über das produzierte Objekt mit dem Ort identifizieren. Der Identitätsprozess ist abgeschlossen. Wie die unten stehende Grafik zeigt, ist das Produkt in seinem Erscheinungsbild noch nicht geklärt. Denkbar wäre, dass die Maschine ein Möbel für den öffentlichen Raum produziert. Ebenso ist aber auch denkbar, dass die Maschine ein Produkt herstellt, dass der Mensch an seinem Körper tragen kann und somit die Identität des Ortes
sozusagen mit sich trägt. Die dritte Möglichkeit ist die Herstellung einer „Schablone“ die die Informationen codiert und in einem weiterverarbeitenden Schritt ein identitätsstiftendes Objekt herstellt. Die Grafik rechts zeigt einen Ansatz der die Art des Produkts berücksichtigt und zusätzlich noch auf einen weiteren Punkt eingeht, der identitätsstiftend sein kann: Tradition. Der Ausgangspunkt der weiterentwickelten Idee ist der selbe. Input von Mensch und Raum bleiben gleich. Das produzierte Objekt ist die im dritten Beispiel erwähnte Schablone. Diese ist in diesem Fall eine Lochkarte, welche zur Textilherstellung benutzt wird, die in Wuppertal eine lange Tradition erfahren hat. Dabei erstellt die Maschine nach einem vorher definierten Algorythmus aus
die stadt als maschine Licht
?
Was ist vorhanden?/ Welche Eigenschaften hat der Ort?
Input
produziert
Temperatur Maschine
Ort ohne Identität Wind
Bewegung Durch Mensch und Verkehr Klang Sprache oder Verkehrslärm Abgase
... Identitätsstifter
Reagiert auf Input. Ändert dementsprechend ihre Arbeitsweise. Dies hat Auswirkungen auf das produzierende Objekt.
Objekt.
Nutzobjekt für den öffentlichen Raum. An ihm ist die Interaktion mit dem Menschen bzw. dem Ort ablesbar.
Licht
?
Was ist vorhanden?/ Welche Eigenschaften hat der Ort?
Input
produziert
Temperatur Maschine
Erstellt anhand der Interaktion der vorher bestimmten Parameter eine Lochkarte.
Ort ohne Identität Wind
Lochkarte
Diese codiert alle gesammelten Informaionen des Ortes.
Bewegung
Durch Mensch und Verkehr
Klang
Sprache oder Verkehrslärm
Abgase
... Weiterverarbeitung
decodiert Lochkarte produziert Textil Traditionelles Handwerk Weberei
herstellung eines identitätsschaffenden textils
den über die Sensoren aufgenommenen Informationen ein Muster, das in eine Karte eingestanzt wird.Die Lochkarte wird nach der Interaktionszeit in einem nächsten Schritt in die „Fabrik“ gebracht, wo alte „JaquardWebstühle“ die codierte Information des Nicht-Ortes decodieren und in ein Webmuster übersetzen. Das produzierte Textil kann nun zum finalen Kleidungsstück verarbeitet werden um abschließend über den Nutzer zurück in den Nicht-Ort getragen zu werden. Die Information und somit die Identität des Nicht-Ortes codiert im Textilmuster. Das Prinzip dieser Vorgehensweise erzielt mit Sicherheit den gewünschten Effekt. Nach einiger Überlegung ließen sich jedoch Unstimmigkeiten feststellen. Auf Probleme stieß ich
vor allem bei der Frage des Inputs. Wie können die verschiedenen NichtOrte unterschieden werden, sowohl in den Reizen die sie senden, als auch in der Lesbarkeit bzw. Decodierung des Objekts? Ist die Geschichte die ich erzähle nicht zu komplex um sie nachvollziehbar zu machen? Und vor allem: wie verändert die Maschine das Verhalten der Menschen bzw. die Wahrnehmung und Nutzung des Nicht-Ortes? In dieser letzten Frage liegt die eigentliche Bedeutung meiner Arbeit. Nur die Änderung der Nutzungs- und Wahrnehmungsstruktur kann eine auf den Nicht-Ort übergreifende Veränderung bewirken. Dazu muss das Feedback-System der Maschine eine direkte Auswirkung auf den Menschen und seine Bewegung im Raum haben. Daher ist ein neuer Ansatz in dem die Maschine
unterschiede zwischen maschine und werkzeug
kein feedback
feedback
nicht-ort
interaktion
mensch
input
maschine
werkzeug
statisch
mobil
produkt als identit채tsstifter
signal entfernungsänderung des sensors zum baukörper verändert den klang
nicht länger statisch agiert, sondern vielmehr zum Werkzeug wird und sich somit mit dem Menschen im Raum bewegen kann die logische Weiterentwicklung zur Stärkung der Interaktion zwischen Raum und Mensch. Die links stehende Grafik soll diesen Zusammenhang noch einmal sichtbar machen. So entwicklete sich die Idee für ein „Interaktives Klangwerkzeug für Nicht-Orte“. Dieses Werkzeug besitzt mehrere Sensoren, die der Nutzer am Körper trägt, der Körper wird also zum Sensor. Die Sensoren nehmen die Rauminformationen und die Informationen der Interaktion zwischen Raum und Mensch (z.B. Bewegung) wahr und verarbeiten sie in einen Klang. Dieser Klang wird durch den Nutzer modellierbar. Unter anderem besitzt das Werkzeug einen Distanzsensor der den Abstand zwischen Sensor und einem Wiederstand misst. Trägt der Mensch den Sensor am Körper und bewegt sich durch den Raum, wird er
dabei den Abstand zur bestehenden Architektur immer wieder ändern müssen. Diese Veränderung schlägt sich direkt im Klang des Werkzeugs nieder. Einmal bemerkt, wird der Nutzer anfangen seinen Abstand zu bestimmten Baugliedern zu verändern, er beginnt mit dem Raum zu spielen, was seine Raumwahrnehmung verändert und stärkt. Die erzeugten Klangstücke können aufgenommen und gespeichert werden, um sie später erneut abspielen und vergleichen zu können. Dieses Prinzip kann einerseits als Forschungsinstrument genutzt werden, um bestimmte Hypothesen vermuteter Wahnehmungs- und Verhaltensprozesse zu prüfen, andererseits kann es zu einem Produkt weiterentwickelt werden um es der breiten Masse zugänglich zu machen, mit deren Hilfe eine eventueller Selbstläufer entstünde, der ohne jeden weiteren Einfluss die Identität der Nicht-Orte beeinflussen könnte. Diese beiden Ausführungsmöglichkeiten möchte
ich nach einer kurzen technischen Erläuterung und der Vermittlung der genauen Funktionsweise klären.
licht
position
+ 11
distanz
+3
Das Klangwerkzeug besteht in seinen Teilen aus einem Arduino Board, ein kleines programmierbares CPUBoard, den Sensoren, einer externen Stromquelle und Kopfhörern. Das Arduino sowie die Sensoren befinden sich in den Kopfhörern. Der Enfernungssensor wird auf die Hand des Nutzers gesteckt und über ein Kabel mit den Kopfhörern verbunden. So kann der Nutzer den Sensor frei im Raum ausrichten und ihn „abtasten“. An der Interaktion sind mehrere Sensoren beteiligt. Ein Lichtsensor, zum Messen der Umgebungshelligkeit. Ein Beschleunigungssensor, der die Höhe über NN der im Raum befindlichen Person misst und der Distanzsensor. Dieser sendet ein Ultraschallsignal aus, das entsprechend der Dauer die es braucht bis es auf einen Wieder-
stand trifft, reflektiert wird und zurück beim Sensor angekommen ist, die Distanz zum jeweiligen Körper errechnet. Die Beziehung zwischen Sensor und Baukörper hat somit direkten Einfluss auf den Klang des erzeugten Tons. Ähnlich verhält es sich beim Lichtsensor. Dieser reagiert auf die einwirkende Lichtstärke der Umgebung. Bewegt sich der Nutzer vom Freien z.B. in eine Unterführung, ändert sich die Lichtstärke und somit auch der Klang des Tons. In der erzeugten Tonspur wird der Moment des Betretens der Unterführung und das Verlassen somit ablesbar sein. Ein dritte Sensor, der Beschleunigungssensor, kann feststellen ob der Nutzer seine Position bezüglich der z-Achse ändert. Geht der Nutzer z.B. eine Treppe hinauf, bemerkt der Sonsor dies und ändert den Tonklang. Niveauänderungen werden somit bewusst und später ablesbar gemacht.
Die Änderung des Klangs ist dabei immer abhängig vom jeweiligen Nicht-Ort und dem daraus resultierenden Grundklang. Dieser definiert sich über die in der Analyse gewonnenen Erkenntnisse der jeweiligen Raumeigenschaften. Die Halle am Vohwinkler Bahnhof z.B. ist in ihrer Klangcharakteristik von Hall geprägt. Diese Eigenschaft soll sich somit auch in der Charakteristik des Klangs des durch das Werkzeug erzeugten Tons wiedergeben.
6. 2 das klangwerkzeug als forschungsinstrument
Das vorliegende Kapitel befasst sich mit dem Einsatz des Klangwerkzeugs als Forschungsinstrument. Es werden Hypothesen entwickelt, die die Nutzung der im Kapitel vier „Meine Nicht-Orte“ aufgelisteten Nicht-Orte untersuchen sollen. Dazu sollte man sich zuvor einen Überblick über den genauen Aufbau und die Funktionsweise des Werkzeugs machen um dessen Nutzungweise besser verstehen zu können. Dazu sind im folgenden Kapitel 6.3 „Das Klangwerkzeug als Produkt“ zwei Explosionszeichnungen aufgeführt, die die einzelnen Bauteile und deren Positionierung anschaulich klären. Der Einsatz des Werkzeugs als Forschungsinstrument soll hier im Vordergrund stehen, desswegen ist die Weiterentwicklung des Werkzeugs zum Produkt eine zusätzliche Option die erst im nachfolgenden Kapitel vorgestellt wird. Inwieweit hat das entwickelte Klangwerkzeug die Möglichkeit dem Nicht-Ort zu einer Identität zu ver-
helfen? Wie ändert sich die Nutzung des Nicht-Ortes? Wie ändern sich die Gewohnheiten des Menschen, bezogen auf seine Bewegung im Raum, seine Kommunikation, seine Beziehung zum eigenen Körper und seine Wahrnehmung? Ändern diese sich überhaupt? Welche Auswirkungen hat das Klangwerkzeug auf sein Verhalten im öffentlichen Raum? Um diese Fragen zu klären habe ich mir konkrete Situationen an bestimmten Nicht-Orten, mit unterschiedlichem „Versuchsaufbau“ überlegt. Die folgenden Szenarien sollen zusätzlich den Umgang mit dem Werkzeug verdeutlichen. Der erste Nicht-Ort ist die Unterführung am Alten Markt. Bilder und weitere Informationen sind aus dem Kapitel 4.13 zu entnehmen. Es ergeben sich sich drei unterschiedliche Hypothesen, die anhand unterschiedlicher Versuchsanordnungen und -durchführungen untersucht werden können.
1. Verändert das Klangwerkzeug die Nutzungsgewohnheiten des NichtOrtes? Dazu soll vorallem der Zwischeraum der Unterführung betrachtet werden. In einem ersten Durchgang sollen die Wegachsen der Nutzer beobachtet werden. Gibt es Auffälligkeiten? Gibt es Überschneidungen der Wege? Ergeben sich Hauptwege? In einem zweiten Durchgang sollen dieselben Probanden die Unterführung mit dem Klangwerkzeug durchqueren. Was hat sich nun in ihrer Nutzung des Raumes geändert? Sind die Wegachsen die gleichen? Gibt es erneut Tendenzen die sich überschneiden? Zu erwarten ist eine deutliche Abweichung von den gewohnten Wegen. Vor allem der Zwischenteil mit seinen Säulen dürfte für viele Variationen in den Klangmustern sorgen. 2. Verändert das Klangwerkzeug die Dauer des Aufhalts an einem Nicht-Ort? Die Dauer des Aufenthalts an einem Nicht-Ort erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Wahrnehmungsstärkung. Der Nutzer hat mehr Zeit sich die für
ihn prägnanten Eigenschaften einzuprägen. Zum Nachweis dieser Hypothese durchläuft der Proband wieder zwei Durchgänge. Den ersten ohne Klangwerkzeug, den zweiten mit. Beide Male wird die Zeit gemessen, die der Proband braucht die gleiche Strecke zurückzulegen. Zu erwarten ist eine deutlicher Anstieg der Zeit pro Strecke. 3. Verändert das Klangwerkzeug das Erinnerungsvermögen der Architektur? Aufbauend auf Hypothese zwei wird der gleiche Versuchsaufbau benutzt. Diesmal wird vom Probanden nach beiden Durchläufen verlangt eine „Mentale Karte“ aufzuzeichnen. Die aus seiner Erinnerung entstandene Karte zeigt die Intensität mit der sich der Nutzer mit dem Ort auseinandergesetzt hat. Zu erwarten ist dieses Mal, dass die zweite „mentale Karte“ deutlich detaillierter und „korrekter“ ausfällt als die erste. Um den Versuch zu ergänzen könnten die Probanden nach den strukturellen Eigenschaften der Baukörper gefragt werden. Wissen diese Auskünfte über Eigenschaften der Materialien zu geben, scheint das Klangwerkzeug sein Ziel zu erfüllen.
1.
wegachsen
erster durchlauf zweiter durchlauf
2.
zeit
erster durchlauf zweiter durchlauf
3.
mentale karte
erster durchlauf zweiter durchlauf
Der zweite zu untersuchende NichtOrt ist das Informationszentrum am Busbahnhof. Ich nenne diese Hypothese die „Proxemik-Hypothese“ in der untersucht werden soll, ob das Klangwerkzeug den Nutzer nicht nur dazu bringt, den eigenen Abstand zur Architektur zu hinterfragen, sondern auch den zu anderen Personen. Dieser Versuch kann auch an anderen Nicht-Orten wie dem Hauptbahnhof oder der Schwebebahnhaltestelle Hauptbahnhof durchgeführt werden. Überall dort, wo sich viele Menschen in einem begrenzten Raum aufhalten. Der erste Durchgang läuft wieder
über die bloße Beobachtung. Welchen Abstand nimmt der Proband zu Anderen ein? Ändert er diesen von Zeit zu Zeit oder ist er statisch? Beim zweiten Durchgang benutzt der Proband das Klangwerkzeug. Zu erwarten ist, dass er relativ schnell die Auswirkung unterschiedlicher Distanzen bemerkt. Er wird sich spielerisch durch wartenden Menschenmassen bewegen und dabei mehrere nach E.T.Hall definierte Distanzzonen betreten. Ob der Proband soweit geht, in die intime Distanz vorzustoßen gilt es durch den Versuch herauszufinden.
proxemik-hypothese. informationszentrum am busbahnhof
erster durchlauf zweiter durchlauf
6. 3 das klangwerkzeug als produkt
Um das Bewusstsein für den Raum bei vielen Menschen gleichzeitig beeinflussen zu können, muss das Klangwerkzeug eine Qualität und Einfachheit erreichen, die ein leichtes Verständnis, eine einfache Handhabung sowie ein „gutes“ Design voraussetzt. Anfängliche Überlegungen, sowohl Sensoren als auch Arduino in einem Gerät unterzubringen wurden schnell überarbeitet und insofern weiterentwickelt, dass Arduino, Energiequelle, Fotozelle und Beschleunigungssensor in den Kopfhörern untergebracht sind, der Entfernungssensor in einem eigenen Gehäuse, das wie einen Ring am Ringfinger angebracht werden kann. Die Verbindung mit dem Kopfhörer über ein Kabel versorgt den Sensor mit dem nötigen Strom und macht ihn somit einsatzfähig. Der Kopfhörer selber besteht aus mehreren Teilen: den CNC gefrästen Ohrschalen aus Kork, den Ohrpolstern, der Arduino- und Kopfhörertechnik, den Bügeln aus
2mm starken Edlestahlrohren und dem Kopfbügel bestehend aus formverleimtem Eschefurnier und der innenliegenden Korkpolsterung. Bei dem Design wurde sowohl auf funktionale als auch reduzierte Formen geachtet. Die Verwendung von natürlichen Materialien ist durch den Körperkontakt absolut notwendig. Somit entsteht ein spannender Kontrast zwischen Material und Technik. Das Klangwerkzeug wird vom Forschungsinstrument zum Designobjekt wodurch der Nutzung im Alltag kein Hindernis im Weg steht. Anders als im vorigen Kapitel wird beim Klangwerkzeug als Produkt mehr Wert auf den Klang als musikalische Komposition gelegt, als auf den spontan entstehenden Klang. Wo vorher noch die direkte Rückkopplung und die direkte Raumerfahrung im Vordergrund stand, liegt jetzt der Schwerpunkt in der „Songqualität“ der entstehenden Komposition, sodass der Nutzer des Tools auch das Interesse entwickeln
nutzung des klangwerkzeugs
der sensor
kann, sich die aufgenommenen Dateien im nachhinein anzuhören. Dazu verfügt der Sensor über einen Aufnahmeknopf der zum Aufnehmen der Komposition betätigt werden kann. Der Zweite Knopf ist für die „Klangvorwahl“. Die aufgenommene Datei wird auf dem internen Speicher des Arduinos gespeichert und kann anschließend über ein Mini-USB Kabel auf den Computer überspielt werden. Abschließend kann der Nutzer die Datei auf die für das Klangwerkzeug entwickelte Internetseite laden, wo jeder Nutzer ein Profil mit eigener Bibliothek erstellen kann. Von dieser Bibliothek aus kann er die Dateien ordnen und anhören. Auf den Aufbau und die Funktion der Internetseite werde
ich im letzten Kapitel 6.4 eingehen. Um den Umgang mit dem Werkzeug interessant zu gestalten müssen einige Vorgaben gemacht werden, die die Klangfülle der einzelnen „Songs“ steigern. Dazu ist jedem Nich-Ort ein bestimmter Klangteppich zugeordnet, der harmonisch und atmosphärisch zu dem erzeugten Klang passt. Diese Klangteppiche bestehen aus Grundklängen die auch rhythmische Elemente enthalten können. Ein durchgängiger Rhythmus ist aber nie vorgegeben, weil das den Nutzer zu sehr beeinflussen würde. Um den Klangmodus zu ändern kann der Nutzer über den „Vorwahl-Knopf“ den passenden Grundklang wählen.
knöpfe für „vorwahl“ und „aufnahme“ oberteil mit schlitz für gumminband, knöpfen und input
gummiband
sensor mit schlitz für gummiband
klinke buchse
der kopfhörer
bügel aus formverleimtem Eschefurnier
stützelement aus esche
polsterung aus kork fotozelle stützelement aus kork
3,3 V knopfzelle
edelstahlbügel
arduino nano
beschleunigungssensor verbinder aus esche ohrschale aus kork lautstärkeregler sowie klinkebuchse für kabel und input für internen speicher
ohrpolster
6. 4 internet
Die Nutzung einer Internetseite kann aus zweierlei Gründen von Bedeutung sein. Zum einen können in Bezug auf das Klangwerkzeug als Forschungsinstrument zusätzlich zu den durchgeführten Versuchen weitere Beobachtungen gemacht werden, die Aufschluss über weitere stattfindende Prozesse geben können. So ergeben sich die Fragen ob die Nicht-Orte von den Nutzern gleich oder völlig gegensätzlich interpretiert werden. Ob bestimmte zeitliche oder jahreszeitliche Unterschiede Auswirkungen auf den Klang haben. Ob das Geschlecht oder die Altersstruktur EInfluss auf die Interpretation haben. Oder ob über einen bestimmten Zeitraum sich die Interpretation des Nicht-Ortes ändert. Wird die Internetseite in Verbindung mit dem Klangwerkzeug als Produkt genutzt, ergibt sich als erstes der Effekt, dass die Inhalte des Themas
publik werden. Die Menschen werden auf das Problem der Nicht-Orte aufmerksam, die Internetplattform soll ihnen einen ersten Zugang in das Thema geben und einen räumlichen Überblick über die in Wuppertal vorzufindenden Nicht-Orte geben. Die Hauptfunktion der Internetseite soll die Klangbibliothek sein. Jeder Nutzer kann dazu ein eigenes Profil anlegen, indem grundlegende Personenangaben, wie z.B. Name, Geschlecht, Alter, Wohnort,etc, eingetragen werden können. Der Nutzer kann die auf dem Arduino gespeicherten Klangdateien auf den Computer ziehen und online in seine Klangbibliothek hochladen. Hier hat er die Möglichkeit die Titel in verschiedene Ordnungsstrukturen zu ordnen und immer wieder anzuhören. Er kann die Titel somit auch Unterwegs via Smartphone oder Tablet anhören. Eine weitere Funktion der Internet-
übertragung der klangtitel auf den computer
seite ist das Veröffentlichen eigener Klangtitel. Möchte man einen Titel mit anderen Nutzern teilen, kann man diesen auf eine große virtuelle Karte hochladen und verorten. Über die Karte kann man sich die Interpretationen anderer Nutzer anhören und bei Bedarf auf deren Profilbibliothek gehen um sich alle Titel des jeweiligen Nutzers anzuhören. Dadurch kann sich ein Netzwerk ergeben, dass das Problem der Nicht-Orte als gemeinsamen Ausgangspunkt. Es bietet sich die Möglichkeit Beziehungen zu knüpfen, zu kommunizieren und über die mit dem Klangwerkzeug erzeugten Klangtitel den öffentlichen Raum aktiv mitzugestalten.
Bachelorthesis Innenarchitektur Sommersemester 2013 „Orte ohne Eigenschaften - Inszenierung von Stadtraum zur Förderung sozialer Prozesse“ von Jan Phillip Ley, Matr.Nr.: 15252036 Betreut durch Prof. Dipl.-Ing Ulrich Nether und Prof.‘in Dipl.-Ing. Rebekka Reich