Autochtones Bauen - Hessisches Bergland

Page 1

Thema 28

Hessisches Bergland Selbstverständlich III | TUD | Entwerfen und Nachhaltiges Bauen SoSe 2015 Prof. Dipl.-Ing. Christoph Kuhn | Dipl.-Ing. Thorsten Burgmer Florian Ripke | Jennifer Weil


Inhalt

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

I. EINFÜHRUNG HESSISCHES BERGLAND

Lage und Landschaft

3

Klima

5

Geschichte

7

II. REGIONALES BAUEN

Exkurs: Fachwerk

9

10

Ernhaus

11

12

Exkurs: Ernhaus in der Rhön

Hallenhaus

13

14

Exkurs: Vom Land in die Stadt

III. FAZIT

15

IV. LITERATURVERZEICHNIS

17

V. BILDVERZEICHNIS

18

2


Lage und Landschaft Das hessische Bergland liegt in der Mitte Deutschlands in der Mittelgebirgsschwelle, und unterteilt sich in west- und osthessisches Bergland (s. Abb. 1). Es grenzt an die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Thüringen und erstreckt sich südlich in Mittelhessen von Vogelsberg, Fulda und Rhön, über Marburg im Westen, bis hin nach Kassel in Nordhessen. Wie der Name bereits vermuten lässt, ist das Land von Mittelgebirgen, wie der Wasserkuppe in der Rhön mit 950 m und den Taufstein mit 773 m Höhe, geprägt. Weitere Hochpunkte bilden das Knüllgebirge, der Keller-, Habichts- und Reinhardswald, sowie der Meißner und Kaufingerwald (s. Abb. 3). Die Beckenlandschaften liegen im Gegensatz unter 200 m ü. NN und die Flusstäler unter 100 m ü. NN. und erzeugen so ein abwechslungsreich geprägtes Gebiet von Höhen und Tiefen. Der Norden und Osten des Landes gehören zum Einzugsgebiet der Weser, deren Quellflüssen die Fulda und Werra sind. Der Rest wird zum Rhein, mit Main und Lahn als Nebenflüsse, entwässert. 1 Das hessische Bergland verfügt nur über kleine natürliche Seen und größere Wasserflächen werden durch Stauseen erzeugt. Der hohe Waldflächenanteil von ca. 42 % ermöglichte die früher bevorzugte Bauweise mit Holz. 2 Die restliche Landschaftscharakteristik bildet der im großen Maße vorkommende Zech- und Buntsandstein und der teilweise vulkanische Basalt im osthessischen Bergland. 3

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Abb. 1 Naturräumliche Ordnung

1

https://de.wikipedia.org/wiki/Hessen#Naturr. C3.A4umliche_Gliederung 2 https://www.bundeswaldinventur.de/fileadmin/ SITE_MASTER/content/bilder/ diagramme/Die_Waldverteilung_in_Deutschland.jpg 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Hessisches_Bergland

Abb. 2

Landschaft der Rhön

3


Lage und Landschaft

Abb. 3

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Schematische HĂśhenkarte Hessens

4


Klima Das hessische Bergland liegt im Übergangsgebiet von ozeanischen zu kontinental geprägten Klima, welches größtenteils durch die viele Höhenlagen beeinflusst wird und dort kleinräumliche Klimavarianten erzeugt. Generell entsteht dadurch ein kühleres, feuchtes Klima, das aber durch das Mittelgebirge viele Gegensätze bilden kann. 4 Im Winter kommt es oft zu deutlichen Temperaturschwankungen durch die Kaltluft von Hängen und schon zu früh auftretende Frösten im Herbst. Eine typische Erscheinung ist eine häufig auftretende Nebeldecke in den niederen Lagen durch Temperaturinversionen, die sich durch eine Umkehr der vertikalen Temperatur auszeichnet und in den höheren Luftschichten eine wärme Temperatur aufzeigt als in den unteren. 5 Sommertage, Temperaturen über 25° C, treten vor allem in den Höhenlagen sehr selten bis gar nicht auf, während die Anzahl der Sommertage von 30 - 40 Stück in den Beckenlandschaften im oberen Mittelbereich liegt (s. Abb. 4). Die Niederschlagsmengen sind abhängig von der Höhenlage des Gebietes und besonders in den hohen Lagen kommt es zum Winterniederschlag, während in den Sommermonaten die Täler bzw. Beckenlandschaften betroffen sind. Häufig treten dort im Sommer Schauer, in Form von Sommergewittern, auf. 6 Die Niederschlagsverteilung ist durch die Höhenstruktur und Windschatten der Berge bedingt. Die Niederschlagsmengen sind, bezogen auf das ganze Jahr, in den Höhenlagen deutlich stärker als in den Tälern. Auffällig ist allerdings die kurze Sonnenscheindauer, vor allem in den Beckenlandschaften, obwohl dort die Anzahl der Sommertage relativ hoch ist. Vermutlich verfangen sich gebildete Wolken4 https://de.wikipedia.org/wiki/Mittelhessen#Klima 5 Tichy, Probst, Lang/Höfmann. In: Klima, Witterung und Hochwasser im Raum Marburg-Gießen seit der frühen Neuzeit - Eine Analyse von Messdaten und historischen Witterungsbeschreibungen, Norderstedt, 2007, S. 21 ff, S. 12, S. 56 6 Eriksen, Tichy. In: Klima, Witterung und Hochwasser im Raum Marburg-Gießen seit der frühen Neuzeit - Eine Analyse von Messdaten und historischen Witterungsbeschreibungen, Norderstedt, 2007, S. 82 ff, S. 35 ff

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

decken in den umliegenden Bergen und verhindern ein Durchkommen den Sonnenstrahlen. Historisch ist ist es schwierig das Klima in Epochen zu unterteilen. Untersuchungen und Aufzeichnungen zeigen jedoch, dass das Klima der Region sehr heterogen war und es sich im Laufe der Jahrhunderte nur langsam veränderte. Im 14. Jahrhundert waren die Sommermonate trocken und heiß, während es im Winter zum großen Kälteeinbruch mit viel Niederschlag kam. Auch ein Jahrhundert später waren die klimatischen Bedingungen recht ähnlich, nur kam es zu einigen Ausbrechern in Form von höheren Niederschlagsmengen im Sommer und langen harten Wintern bis in den Mai hinein. Im 16. Jahrhundert hingegen waren die Winter recht mild und erst im 18. Jahrhundert gab es mehrfach extreme Kältewellen in den Wintermonaten. Vor allem die saisonalen Unterschiede sind sehr auffällig. Im Winter ist es nur ein bis zwei Monate sehr kalt und es ist ein Trend zu wärmeren und feuchteren Wintern zu erkennen. 7

7

Hofmeister: Klima, Witterung und Hochwasser im Raum Marburg-Gießen seit der Frühen Neuzeit - Eine Analyse von Messdaten und historischen Witterungsbeschreibungen, Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2007 5


Klima

Abb. 4

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Klimakarten

6


Geschichte Fränkische Herrschaft und Christianisierung Seit dem Ende des fünften Jahrhunderts drängten die Franken von Westen in das Lahngebiet nach Mittelhessen und Wetterau und vertrieben dadurch die Sachsen. Fortan waren sie die vorherrschende Macht in Hessen. 8 Schon vor 700 bis in erste Hälfte des achten Jahrhunderts legten sie große Festungen an und betrieben intensiven Landesausbau. Im Süden des heutigen Hessens begann zunächst die Christianisierung durch Bonifatius, ein bekannter Missionar und Kirchenreformer, der den Adel der Franken zur Annahme des Christentums überzeugte und dadurch sich der Glaube permanent durchsetzen konnte. 9

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Vom mittelalterlichen Territorium zum dynastischen Fürstenstaat 1277 wählte Heinrich I., der sich selbst Landgraf von Hessen nannte, Kassel als Residenz und er konnte seine Position gegen die Mainzer Erzbischöfe wahren und verhalf Hessen zur territorialen Selbstständigkeit. Durch die spätere Position im Reichsführerstand hatte er die Vormachtstellung innerhalb Hessens als führende weltliche Macht. Noch immer war das Territorium durch viele kleine selbstständige Gebiete nicht geschlossen. Es kam nun zum territorialen Kampf um die Vorherrschaft innerhalb Hessen bis zum 15. Jahrhundert durch die Mainzer Erzbischöfe, die versuchten ihr Gebiet nach Thüringen auszuweiten. 13

Landesherrschaft

Aufstieg und Niedergang

Mit dem Ende des neunten Jahrhunderts vereint nun das Grafenhaus der Konradiner, ein Adelsgeschlecht der westgermanischen Franken, fast das gesamte Gebiet. Allerdings nimmt ihre Macht sehr rasant durch die sächsischen Kaiser der Liudolfinger (Otto I., Otto II. und Otto III.) ab, die nun Grafen verschiedener Herkunft zur Verwaltung des Gebiets einsetzten. 10 Die Herrschaft der Ottonen dauerte nur bis Übernahme der Grafschaft Werner im Jahr 1024. 11 Im 12. Jahrhundert dehnten die Mainzer Erzbischöfe ihren Machtbereich aus und wurden Lehnsherren der Grafen von Hessen. Anfang des 13. Jahrhunderts bildete sich die Grafschaft der Ludowinger, die 1130 zusätzlich auch Landgrafen von Thüringen wurden und somit die Grafschaft Hessen zum Nebengebiet verkommen lassen. Dadurch entstanden im Norden mehrere selbständige Grafschaften.12

Zu Beginn der Neuzeit, unter Landgraf Philipp dem Großmütigen (1517 - 1567), steigt Hessen zu einer wichtigen politischen Macht im Reich auf. Das Land öffnet sich als einer der ersten der Reformation und in Marburg wird die Universität gegründet. Nach dem Machtverlust von Landgrafen Philipp wird das Land in vier Residenzen aufgeteilt: Kassel, Darmstadt, Marburg und Rhonfels. 14 Im 16. und 17. Jahrhundert herrschte ein intensives Engagement für Kultur, Bildung und Wissenschaft. Es kam zu einer starken humanistischen Bewegung, die vor allem in Hessen-Kassel zur Blüte kam. Im Dreißigjährigen Krieg kam es zum Streit zwischen Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel und es entstand der „Hessenkrieg“ im Jahr 1620, der zu einer großen Zerstörung in der Landgrafschaft Kassel führte. 15 1763, nach dem Siebenjährigen Krieg, wird Kassel unter der Herrschaft von Friedrich II. zu einer glanzvollen Residenz ausgebaut und zum Zentrum der Aufklärung durch kulturelle

8

Kroll, Frank-Lothar: Geschichte Hessens, FrankLothar Kroll, C. H. Beck, München, 2010, S. 17 9 ebd., S. 18 f 10 ebd., S. 20 11 http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/ texte/geschichte-mittelrhein/die-landgrafen- von-hessen.html 12 Kroll, Frank-Lothar: Geschichte Hessens, Frank-

Lothar Kroll, C. H. Beck, München, 2010, S. 23 ff. 13 ebd., S. 24 ff. 14 ebd., S. 29 f. 15 http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/ texte/geschichte-mittelrhein/die-landgrafen- von-hessen.html 7


Geschichte

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

und wissenschaftliche Einrichtungen. Hessen verlor durch die französische Besetzung durch Napoleon I. und die Erbaufteilung in vier Residenzen seine Souveränität und wurde zum westfälischen Königreich, mit Kassel als Hauptstadt, zugesprochen. Umbrüche nach 1800 Die territorialen Veränderungen durch die französische Besatzung waren groß. Erst durch den Zusammenbruch des Napoleonischen Imperiums 1813 wurde das Land befreit und es kam zur Gründung des deutschen Bundes im Jahr 1815. Kurhessen, HessenDarmstadt, Hessen-Homburg, Waldeck und Frankfurt am Main waren fortan souveräne Mitgliedsstaaten, während Hessen-Kassel zunehmend an Bedeutung verlor. 16 Durch die starke land- und forstwirtschaftlich geprägte Region kam es erst deutlich später zur Industrialisierung als in anderen deutschen und europäischen Ländern. Dies führte aber dazu, dass einzelne Höfe zu wenig erwirtschaften und es zur Abwanderung der Bauernsöhne in industrielle Städte kam. 17

16

Kroll, Frank-Lothar: Geschichte Hessens, FrankLothar Kroll, C. H. Beck, München, 2010, S. 43 ff. 17 ebd., S. 53 ff. 8


Regionales Bauen

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Die Mittelgebirgslandschaften sind seit jeher geprägt durch ihren Waldreichtum. Das vorherrschende Baumaterial ist somit Holz. Folglich sind die Gebiete des hessischen Berglandes vom Fachwerk bestimmt. Neben diesem ökologischen Aspekt wird das regionale landschaftstypische Bauen außerdem durch das Klima und die Geographie und Geologie, von Traditionen und Kultur, sowie der aktuellen Politik, deren Entscheidungen und der Wirtschaft bestimmt. Wie in großen Teilen Deutschlands findet man hier hauptsächlich die Form des Wohnstallhauses 18, ausgebildet als Rauchhaus vor. Rauchhäuser sind mit einer offenen Feuerstelle gebaut. Der Rauch wird mittels der Öffnung über der Feuerstelle in den Dachraum geleitet. Dieser dient als Rauchkammer für Räucherware. Durch Luken und der durchlässigen Dachhaut gelangt der Rauch ins Freie. Der Rauch ist zudem konservierend. Er überzieht die Hölzer der Dachkonstruktion mit einer schützenden Rußschicht. Außerdem vertreibt er Schädlinge und paralysiert die hohe Menge des von Vieh produzierten Wasserstoffes. Bis zum dreißigjährigen Krieg wurden die Dächer aus Stroh ausgebildet. Aufgrund der hohen Brandgefahr wurde dieses jedoch nach und nach mit Dachschindeln ersetzt. Die vorkommenden Dorfformen in der Region sind zumeist Hau19 20 fendörfer , Straßendörfer und Weiler 21. Letztere sind vor allem in den Höhenlagen und in dünner besiedelten Gebieten vorzufinden. 18 Das Wohnstallhaus verbindet die Funktionen Wohnen und Wirtschaften (Stall). 19 Haufendörfer sind unplanmäßig angelegte geschlossen bebaute Dörfer mit unregelmäßigen Grundstücksgrundrissen. 20 Straßendörfer liegen entlang von Fluss-, oder Bachläufen, in engen Tälern oder an Verkehrswegen. Gebäude sind meist giebelständig zur Straße angeordnet. 21 Weiler sind ein Zusammenschluss von wenigen Höfen.

Abb. 5

Feuerstelle eines Rauchhauses

Abb. 6 Haufendorf

Abb. 7 Straßendorf

9


Fachwerk

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Exkurs Fachwerk „Keine Bauweise ist wahrhaftiger als der Holzbau.“ (WALBE, Das hessisch-fränkische Fachwerk, S.3) Fachwerk ist ein „konstruktiver Holzverband des Fachwerkhauses. Errichtung als Skelettbau, Ausfachung mit zwischen Stakhölzern.“ (REINHARD, Dörfer in Hessen, S.206) Hierbei muss man zwischen Ständer- und Rähmbauweise unterscheiden. Der Ständerbau wird definiert durch seine von der Schwelle bis zum Dachgebälk durchgehenden Ständer, welche die gesamten Lasten abtragen. Bei der Rähmbauweise sind die Ständer lediglich geschosshoch. Somit ist jedes Geschoss für sich als eine Einheit gebaut. Abb. 8

Fachwerk - Konstruktion

Abb. 9

Fachwerk - Bauweisen

Der Fachwerkbau im Gebiet des hessischen Berglandes lässt sich unterteilen in den mitteldeutsch-fränkischen Fachwerkbau und den oberdeutsch-alemannischen Fachwerkbau, welcher stark von den angrenzenden niederdeutschen Hausformen beeinflusst wurde. Während im fränkischen Fachwerk bis ins 19. Jahrhundert in Ständerbauweise gebaut wurde, löste im alemannischen Fachwerk die Rähmbauweise den Ständerbau am dem 16. Jahrhundert ab. Die Grenze zwischen den verschiedenen Hausformen lässt sich entlang der Klima-Übergangszone zwischen ozeanischem und kontinentalem Klima ziehen.

10


Ernhaus

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Schon die Frühform des Bauernhauses ist ein zuerst einzellig, später mehrzellig in der Horizontale geteiltes und in Firstrichtung erweiterbares Einhaus. 22 Die Entwicklung des Süd- und Mitteldeutschen Bauernhauses läuft auf das sogenannte Ernhaus hinaus. Dieses ist ein quergeteiltes Wohnstallhaus und ist vorwiegend der Nutzung der Viehzucht angepasst. Die Lage des Einganges ist traufseitig. Die Küche und die Ern 23 liegen in der Querachse des Hauses und trennen Wohn- und Stallbereich voneinander.

Abb. 10

Verbreitungsgebiet Ernhaus

Abb. 11

Ernhaus, Haus aus Heskem

Abb. 12

Schema Ernhaus

Der Grundriss ist eine Aneinanderreihung der drei wichtigsten Funktionen Wohnbereich, Erschließung mit Küche und Wirtschaftsbereich. Ursprünglich gab es eine nur halbhohe Wand zwischen der Feuerstelle und dem Stall, was die Fütterung des Viehs erleichterte.

22 Das Einhaus ist ein Gebäude eines Bauernhofes mitdurchlaufender Firstlinie. Alle Nutzungen sind unter einem Dach vereint. 23 Duden - Deutsches Universalwörterbuch: Hausflur, Hausgang

11


Ernhaus

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Exkurs Ernhaus in der Rhön Die Region der Rhön vereinigt besonders vielfältige Bauformen. Dies liegt zum einen daran, dass auf engstem Raum sehr unterschiedliche Bodenformationen vorzufinden sind. So sind in der Kuppenrhön und der Hohen Rhön weniger ertragreiche Böden, was zu bescheideneren Lebensverhältnissen führt. Fachwerkbauten sind hier in ihrer einfachsten Form oder mit Buchenschindeln verkleidet vorzufinden. Zum anderen gibt es in der Rhön keine einheitliche Kulturlandschaft. Der Grund hierfür ist die Zugehörigkeit des Gebietes zu verschiedenen staatlichen Ausrichtungen. Die Rhön erstreckt sich über die heutigen Bundesländer Bayern, Hessen und Thüringen.

Abb. 13

Ernhaustypen in der Rhön

Abb. 14

thüringisches Wohnstallhaus

Unterformen des Einhauses in der Rhön: • 1-geschossiges Ernhaus - in höheren Lagen bei rauhem Klima und geringen Erträgen; eine geringere Wandfläche ist der Witterung ausgesetzt • 2-geschossiges Ernhaus - bei fruchtbarerem Boden, oft mehrzonig • Kniestockhaus - 1,5 Geschosse • vertikales Wohnstallhaus - Vieh und Lager im Sockel; Wohnbereich ist über Außentreppe erreichbar • Aufgesockeltes Wohnstallhaus - in Hanglagen; winkelrecht zum Hang mit schmaler werdendem Sockel • Thüringisches Wohnstallhaus mit hohem „Stubenkeller“ - in felsigem Gelände, bei hohem Grundwasser; Ern- und Stallbereich sind hoch, Stubenzone liegt in einem Fachwerkaufbau über einem Hochkeller • Thüringisches Durchgangshaus - stets traufständig mit Wohnfunktionen auf einer Seite

12


Hallenhaus Als weitere Form des Einhauses, jedoch im großen Gegensatz zum süd- und mitteldeutschen Bauernhaus steht das niederdeutsche Hallenhaus, auch Niedersachsenhaus genannt. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über Norddeutschland, Holland bis zum Rande der deutschen Mittelgebirge. Dort sind viele Mischungen zwischen den nieder- und mitteldeutschen Hausformen entstanden.

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Abb. 15

Verbreitungsgebiet Hallenhaus

Abb. 16

Hallenhaus, Wohnhaus aus Ostheim

Abb. 17

Schema Hallenhaus

Das Gebäude funktioniert als einheitlicher Organismus. Es ist längsgeteilt und hat eine dreischiffige Gliederung und ein breit gespanntes Sparrendach. Der Aufbau des Hauses ist dem landwirtschaftlichen Zweig des Ackerbaus und der Feldwirtschaft angepasst. Der Mittelpunkt dieses Hauses ist die hohe Diele, in die ein Erntewagen problemlos hineinfahren und über eine Luke im Dachboden das Heu dort abladen kann. Anschließend an die Diele liegt das Flett 24 mit einer offenen Feuerstelle. Wohnräume und Ställe sind um die Diele herum angeordnet. Die Erschließung des Wohnbereiches erfolgt zumeist über die Giebelseite. Die Holzkonstruktion des Hallenhauses ist in Ständerbauweise realisiert. Die in Längsrichtung aufgestellten Ständerreihen tragen die Hauptbalkenlage der Decke. Die Außenwände sind nichttragend. Die Entwicklung der Konstruktion verläuft vom Zweiständerhaus über das Dreiständerhaus bis zum Vierständerhaus. Letzteres hat vier Ständerreihen, wobei die zwei inneren Teil der Dielenwände sind. Die beiden äußeren Ständerreihen sind als Stützwände fungierende Außenwände. Unterformen des niederdeutschen Hallenhauses: • Flett-Deelen-Haus (Holland) • Gulfhaus (Ostfriesenhaus) • Diemelländisches Hallenhaus • Wohnspeicherhaus 24 Duden - Deutsches Universalwörterbuch: Wohn- und Herdraum im altniedersächsischen Bauernhaus 13


Land - Stadt

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Exkurs Vom Land in die Stadt Frühe Bürgerbauten in West- und Südeuropa waren zunächst quer aufgeschlossene Firstständerbauten. Abb. 18

Das Leben im ländlichen Hallenhaus

Abb. 19.1 Vierständerhaus, als städtisches Haus mit vorkragendem Speicherstock

Doch auch der Haustyp des Hallenhauses wurde im Laufe der Zeit von den Ackerbürgern mit in die Stadt genommen. „Das niederdeutsche Langhaus entspricht ja auch dem schmalen städtischen Grundstück viel besser als das oberdeutsche Querhaus.“ (VÖLCKERS, Deutsche Hausfibel, S.72) Geringere Größen von vorhandenen Bauflächen und der Wegfall des landwirtschaftlichen Betriebes führten zu einer Reduktion der Diele und der Hausbreite. Es erfolgte eine vertikale Aufstockung der Räumlichkeiten. Die Ausrichtung der Häuser waren ursprünglich giebelständig wurden durch die „Firstschwenkung“ (15./16. Jahrhundert) in Mittel- und Süddeutschland jedoch zunehmendes traufständig gebaut. Bei dem Bautyp, der heute noch im nordwestlichen Hessen erhalten ist, rutscht die zuvor mittige Diele an die Seite des Gebäudes und wird in ihrer Breite reduziert. Neben der Diele befindet sich ein zweigeschossiger Wohnbereich. Das dritte Geschoss ist ein auskragender Stock.

Abb. 19 .2

Vierständerhaus, als Bauernhaus

Abb. 20 Grundriss

Bürgerhaus mit niedersächsischem

14


Fazit Anhand der Untersuchung von autochthonen Bautypen im Naturraum des hessischen Berglandes lässt sich feststellen, dass eine Grenze entlang der Klima-Übergangszone zwischen ozeanischem und kontinentalem Klima gezogen werden kann. So herrscht im Nordwesten des Gebietes der Einfluss der niederdeutschen Hausformen. Den Fachwerkbau aus diesem Gebiet bezeichnet man als oberdeutschalemannisches Fachwerk. In der kontinentalen Klimazone im Süden des Untersuchungsgebietes ist hauptsächlich das mitteldeutsch-fränkische Fachwerk präsent. Die regionale Differenzierung des Bauens erfolgt zudem aufgrund gesellschaftlicher, politischer und klimatischer Einflüsse. Je rauer das Klima und je montaner die Landschaft, desto weniger landschaftliche Erträge sind möglich. Folglich fallen die vorzufindenden Bauernhäuser einfacher und bescheidener aus. Wichtig für das Bauen sind vor allem Materialvorkommen, Belastungen aus Sonne, Regen, Schnee und Wind, Topografie und die angestrebte Funktion. Die Landwirtschaft stand dabei in der Geschichte stets im Mittelpunkt. Dies spiegelt sich in den konstruierten Raumgrößen wider. Die verwendeten Materialien sind stets lokal.

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Interessant ist außerdem die Entwicklung vom Bauernhaus zum Bürgerhaus. Noch heute erkennt man in vielen Grundrissen im Norden Hessens die Ähnlichkeit zum niederdeutschen Hallenhaus. Die Diele wurde namentlich beibehalten und ist lediglich in einer abgeminderten, reduzierten Form vorzufinden.

Abb. 21

historisches Hallenhaus

Abb. 22

regionale Bautypen

Der größte Unterschied der verschiedenen regionalen Bautypen findet sich in der Ausrichtung der Gebäude. Das niederdeutsche Hallenhaus ist ein längsgeteilter dreischiffiger Bau. Im Gegensatz dazu steht das quergeteilte Ernhaus im Süden der Region. Der Einfluss von Kultur und Politik lässt sich deutlich an den unklar gezogenen Grenzen erkennen. So sind ehemalige Herrschafts-, oder Einflussgebiete oftmals der Grund für Bautypen, die über die heutigen Ländergrenzen hinaus sich überschneiden.

15


Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

16


Quellen Literatur: HÄNSGEN, Dirk (Hrsg.): Deutschlandatlas - unser Land in 200 thematischen Karten. Darmstadt : Primus-Verl., 2010 HOFMEISTER, Johannes: Klima, Witterung und Hochwasser im Raum Marburg-Gießen seit der Frühen Neuzeit - eine Analyse von Messdaten und historischen Witterungsbeschreibungen. Norderstedt : Books on Demand GmbH, 2007 KROLL, Frank-Lothar: Geschichte Hessens. 2. Aufl. München : C. H. Beck, 2011 RADIG, Werner: Frühformen der Hausentwicklung in Deutschland - Die frühgeschichtl. Wurzeln d. dt. Hauses. Berlin : Henschel, 1958 VÖLCKERS, Otto: Deutsche Hausfibel. 28.30. Tsd. Bamberg : Staackmann, 1955 WALBE, Heinrich.: Das hessisch-fränkische Fachwerk. 2. Aufl. Gießen-Wieseck: Brühl, 1979

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Wohnhaus aus Fellingshausen. 1. Aufl. NeuAnspach : Freilichtmuseum Hessenpark, 1987 Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Hessen#Naturr. C3.A4umliche_Gliederung, 26.07.15, 14:18 Uhr https://www.bundeswaldinventur.de/fileadmin/ SITE_MASTER/content/bilder/, 26.07.15, 15:05 Uhr https://de.wikipedia.org/wiki/Hessisches_Bergland, 26.07.15, 18.08 Uhr https://de.wikipedia.org/wiki/ Mittelhessen#Klima, 26.07.15, 18:56 Uhr http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/ texte/geschichte-mittelrhein/die-landgrafen- von-hessen.html, 28.07.15, 15:36 Uhr

BAUER, Cristine H.; HEHL, Adrian; GERNE, Manfred (Hrsg.): Siedlung, Haus und Hof in der Rhön - ein Projekt im Unesco-Biosphärenreservat Rhön. Fulda: Parzeller, 1994 KLÖCKNER, Karl: Der Fachwerkbau in Hessen. München : Callwey, 1980 GROSSMANN, Georg Ulrich: Der spätmittelalterliche Fachwerkbau in Hessen. Königstein im Taunus : Langewiesche, 1983 BLUMENTHAL, Bernd: Aus Holz und Lehm gebaut ... : eine kurze Einführung in das ländliche Haus in Hessen. 1. Aufl. Neu-Anspach : Freilichtmuseum Hessenpark, 1995 BAEUMERTH, Karl; ECKHARDT, Rolf; Freilichtmuseum Hessenpark (Hrsg.): Das

17


Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Naturräumliche Ordnung Hessissches Bergland Abb. 2 Landschaft der Rhön, http:// www.rhoen.de/media/www.rhoen.de/org/ med_30026/30119_pferdskopf-ii.jpg Abb. 3 Schematische Höhenkarte Hessen, http://www.rodau-odw.de/rubriken/ geografisch.gif Abb. 4 Klimakarten, Deutschlandatlas unser Land in 200 thematischen Karten, Dirk Hänsgen (Hrsg.), Primus Verlag, Darmstadt, 2010 Abb. 5 Feuerstelle eines Rauchhauses, (Einhaus - Rauchhaus), Haus aus NiederGemünden, Freilichtmuseum Hessenpark, Privataufnahme Abb. 6 Haufendorf, MELCHER, Thomas: Dorf und Hof. URL http://www.pleamlemagazin.com/wp-content/uploads/2010/09/ Haufendorf.jpg Stand: 27.07.15 Abb. 7 Straßendorf, MELCHER, Thomas: Dorf und Hof. URL http://www.pleamlemagazin.com/wp-content/uploads/2010/09/ Strassendorf.jpg Stand: 27.07.15 Abb. 8 Fachwerk - Konstruktion, Freilichtmuseum Hessenpark, Privataufnahme Abb. 9 Fachwerk - Bauweisen, ULRICH, J: Ständerbau-Rähmbau. URL https://de.wikipedia.org/wiki/ St%C3%A4nderbauweise#/media/ File:St%C3%A4nderbau-R%C3%A4hmbau. svg Stand: 27.07.2015 Abb. 10

Verbreitungsgebiet Ernhaus

Abb. 11 Ernhaus (Einhaus - Rauchhaus), Haus aus Heskem, Freilichtmuseum Hessenpark, Privataufnahme

Selbstverständlich III | TUD | FG enb Hessisches Bergland

Abb. 12

Schema Ernhaus

Abb. 13 Ernhaustypen in der Rhön, BAUER, Cristine H.; HEHL, Adrian; GERNE, Manfred (Hrsg.): Siedlung, Haus und Hof in der Rhön - ein Projekt im Unesco-Biosphärenreservat Rhön, S.40 Abb. 14 thüringisches Wohnstallhaus, BAUER, Cristine H.; HEHL, Adrian; GERNE, Manfred (Hrsg.): Siedlung, Haus und Hof in der Rhön - ein Projekt im Unesco-Biosphärenreservat Rhön, S. 38 Abb. 15

Verbreitungsgebiet Hallenhaus

Abb. 16 Hallenhaus, Wohnhaus aus Ostheim, Freilichtmuseum Hessenpark, Privataufnahme Abb. 17

Schema Hallenhaus

Abb. 18 Das Leben im ländlichen Hallenhaus, LINDNER, Werner: Das niedersächsische Bauernhaus in Deutschland und Holland - ein Beitrag zu seiner Erkundung, S.22 Abb. 19.1/19.2 Viertsänderhaus, als städtisches Haus mit vorkragendem Speicherstock; Viertsänderhaus, als Bauernhaus, KLÖCKNER, Karl: Der Fachwerkbau in Hessen. Abb. 41 Abb. 20 Bürgerhaus mit niedersächsischem Grundriss, VÖLCKERS, Otto: Deutsche Hausfibel, S. 72 Abb. 21 historisches Hallenhaus, URL http://www.medienzentrum-osnabrueck.de/ wp-content/uploads/2011/09/056.png Abb. 22 regionale Bautypen, BLUMENTHAL, Bernd: Aus Holz und Lehm gebaut ... : eine kurze Einführung in das ländliche Haus in Hessen

18


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.