filmab! 2016 - Ausgabe 5

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Das unabhängige Magazin zum 26. Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern

Nr. 5 7. Mai 2016

F U A L L O R ‘ 'N ROCK R U O T S D E I H im belgischen Humor erzählt ABSteC sk e S to r y

E in e g ro

FADO

Fabian gibt alles für die Liebe, aber wie weit darf er gehen?

ASTRA(LE) IMPRESSIONEN

Eine musikalische Reise in ein stummes Hamburg zum Tagträumen


INHALT 4

Wie weit darf Liebe gehen?

IMPRESSUM

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Altrocker auf Tour

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Lieber Tot als Sklave!

Herausgeber Jugendmedienverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. Friedrichstraße 23 18057 Rostock

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Astra(le) Impressionen

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Kurzfilme

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Kurzfilme

Spielfilm » Fado «

Gastland Belgien » Ich bin tot, mach was draus «

Chefredaktion Lore Bellmann, Marie-Luise Kutzer (V.i.S.d.P.)

NDR Spezial » Schrotten! «

Redaktion Marie-Luise Kutzer × Lena Lukow Lore Bellmann × Daniel Focke Sophie Wenkel × Kevin Sell Marian Fritz × Gerolf Vent Anton Hingst × Linn Kreutschmann Hannah Fiedler

NDR Spezial » Stadt «

» Kaputt « & » Copy Complete «

» Bollywood « & » Berlin Metanoia «

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Zehn von 678

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Eine Kanufahrt im Sommer

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Von Koksschwalben und Kackvögeln

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Verloren in der Un(k)enntlichkeit

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Anfangs Chillen Alle Breit

Organisation Lore Bellmann Layout Daniel Focke, Gerolf Vent

Dukomantation » Die Prüfung «

Gedreht in MV » Was können die Blumen dafür? «

NDR Spezial » Polizeiruf 110 – Im Schatten «

Focus Baltic Sea » The Yard «

Kontakt Jugendgästeetage Pfaffenstraße 4 × 19055 Schwerin 0176 - 649 094 54 filmab@jmmv.de www.filmab.jmmv.de twitter.com/filmab Druck Druckerei Conell Bremsweg 18 × 19057 Schwerin

Kinder- und Jugendfilm » Einer von uns «

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„Es kann funktionieren, davon bin ich überzeugt“

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Programmvorschau

Gedreht in MV » Notaufnahme «

Auflage 500 Exemplare Gefördert durch Presseclub MV Besonderen Dank an Max-Peter Heyne

für Samstag, den 7. Mai 2015

Titelfoto Versus Production, TS Productions

FILMAB.JMMV.DE


EDITORIAL Tag 5 bei filmab! - ein Endzeitmovie Ein dumpfes Fade-in. Langsames öffnen der Augenlieder. Das Viertel ist grau, rauchig und zerstört. Ein tiefes Piepen lastet auf den Ohren. Linn steht auf und guckt sich um. Ihre Ohren schmerzen, sodass sie kaum stehen kann. Langsam kriecht ein Teil der filmab!-Crew aus den Trümmern. Die Klamotten sind zerfetzt und blutig. Sie treffen sich auf dem Kamm eines großen Kraters. Anton: Wo ist sie hin, die Stadt? Die kann doch nicht weg sein! Marie: Doch. Alles weg. Lena: Ach, na das ist jetzt aber doof gelaufen. Marian F.: Ja und jetzt? A: Hat vielleicht aus nicht nachzuvollziehenden Gründen der Sprinter überlebt und genug Diesel im Tank? MF: Oh ja, zufälliger Weise ist genau das eingetreten und auf einmal hat der Bus 600 PS und ein Geländefahrwerk! A: Ach das ist entspannt. Tuning ist immer die Lösung. Hab ich schon mal gesagt! Das Team steigt ein und fährt in das Zentrum des Kraters. Gerolf sitzt auf der Bassbox und recherchiert die Nachrichten. Gerolf: Ich liebe Googles Quantencomputer. Ich hab 27 Millionen Treffer in nur 0,47 Sekunden. Also wie es aussieht schwebt eine mehrere Quadratkilometer große Staubwolke über MV. Linn: Und was war das jetzt? MF: Werden wir gleich sehen. Wir sind da! Der Sprinter hält, die Crew steigt aus. Sie sehen in einen Abgrund. Lore: Was zur Hölle...? Auf einmal übertönen laute kratzende Geräusche das ruhige Beben. Alle machen ein paar Schritte zurück und warten gespannt. M&L: Kevin?!! A: Wie ist das passiert? Kevin: Joar, also unter Betrachtung der jüngsten Ereignisse und Einblick in meine ergiebigen Referenzen, würde ich sagen die filmab! war ein Bombenerfolg! G: Höhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhöhö!

Fade out, die Crew is out.

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SPIELFILMWETTBEWERB

WIE WEIT DARF LIEBE GEHEN? » FADO «

und seiner Ex-Freundin (Luise Heyer) hinterher, ist er nach Lissabon gezogen, weil er Doro noch nicht loslassen kann. Er verspricht ihr, sich geändert zu haben. Optimistisch gibt sie ihm eine Chance, ist bereit, wieder seine Freundin zu werden, doch schließlich zeigt sich Fabian doch nicht als der, Der junge Berliner Arzt Fabian der er selbst zu sein hoffte. (Golo Euler) steht am Strand Was in Fabians Inneren vor und schaut den Wellen entge- sich geht, lässt sich häufig nur gen. Auf einen Neuanfang aus vermuten. Kühl steht er selbst

Die Wellen des Atlantiks bauschen sich auf, höher und höher. Irgendwann brechen sie und lassen für ein paar Sekunden eine beinahe glatte Meeresoberfläche zurück, ehe sich das Wasser erneut aufbäumt.

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an der rauen Atlantikküste und lässt die Brise und seine Gedanken auf sich wirken. Grenzüberschreitend geht er vor, um seine Ziele zu erreichen und Doro sogar gegen ihren Willen für sich zu gewinnen. Es wirkt wie eine Mischung aus Abstraktion und Realität – wie viel dieser Dreistigkeit kann im realen Leben stecken, oder anders: Kann es einem Menschen so leicht passieren, dass er seine Mitmenschen völlig falsch einschätzt und ihre Handlungen fehlinterpretiert? Gleichzeitig bleibt der gute Glaube an Fabian und den Rest der Menschen in unserem Umkreis. So legt er sich doch ins Zeug, um einen anderen Menschen, der ihm wichtig ist, zu beeindrucken. Was fehlt, ist dennoch die große Wandlung in der Geschichte, etwas, das ihren Ausgang nicht von Anfang an vorhersehbar macht. Die Charaktere hätten im Umfang ihrer ausgeschmückten Persönlichkeit dabei eine großartige Vorlage geboten, die zu nutzen Aufgabe des Frischlings-Regisseurs Jonas Rothlaender gewesen wäre.

Foto: Stickup Filmproduktion

LINN KREUTSCHMANN


GASTLAND BELGIEN

ALTROCKER AUF TOUR » ICH BIN TOT, MACH WAS DRAUS «

MARIAN W. FRITZ

den Umgang mit dem Tod, alte und neue Freunde, um Ziele und auf der Strecke bleiben. Ja, der Tod ist kein Thema, das mit Leichtigkeit behandelt wird. Während die einen Auch Rockmusiker sterben ihren Gefühlen freien Lauf einmal. Als Jipé (Jacky Lam- lassen, wollen die anderen bert), der Sänger der belgi- sie nicht wahrhaben und verschen Band „Grand Ours“, drängen. Wer dieses Jahr auf einen Tag vor dem Abflug zu dem Filmkunstfest schon eiihrer US Tournee ablebt, be- nen belgischen Film gesehen schließen die restlichen drei hat, weiß: Die Belgier haben Bandmitglieder, die Tour wie einen besonderen Humor! Der geplant zu starten. Mit der ge- ist meist etwas schwarz und klauten Asche ihres Freundes neben der Spur. Gespickt mit im Handgepäck. Unterlegt mit vielen grotesken Situationen passender, rockiger Musik von und lustigen Gesprächen ist Born Bad Records geht es um die Geschichte sehr originell.

Foto: Versus Production, TS Productions

„Ich scheiße auf’s Trauern. Das haben doch nur die Kapitalisten erfunden, um ordentlich Kohle aus dem Tod schlagen zu können.“

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Guillaume & Stéphane Malandrin, die beiden Regisseure, wählten mit Yvan (Bouli Lanners), Wim (Wim Willaert), Dani (Lyes Salem) Schauspieler aus, die sich sichtbar wohlfühlen in ihren Rollen. Die Protagonisten erfüllen auf witzige Art und Weise fast alle Stereotype, die man über Rocker haben kann: Sie fahren Motorrad, sprechen mit einer rauen Sprache, benehmen sich rüpelhaft und nehmen Drogen. Ich habe oft und herzlich lachen müssen und Gefallen an der Absurdität in „Ich bin tot, macht was draus!“ gefunden. Bis zum Ende.


NDR SPEZIAL

LIEBER TOT ALS SKLAVE! » SCHROTTEN! «

Gezwungenermaßen kehrt Mirko zu seiner Familie zurück. Mirko, Letscho und die Schrottplatzcrew realisieren jedoch schnell, dass sie einander brauchen und fangen alsbald an, den letzten Willen ihres Vaters zu verwirklichen. Mirko Talhammer ist Sohn Die Schrottis sehen in ihren eines solchen. Da er nicht in abgegriffenen Klamotten audie Fußstapfen seines Vaters thentisch aus und agieren wie treten wollte, verließ er den eine echte Familie. Es kommt Schrottplatz der Familie und sofort Sympathie für die Trupschwor sich, nie wieder einen pe auf. Die Story dieser KomöFuß darauf zu setzen. Er ging die gefiel mir ebenfalls gut, da in die Stadt, um dort als Ver- sie Abwechslung, Action und sicherungsmakler Karriere zu Humor bietet. machen. Auch die Kamera und der Doch als sein Vater stirbt Schnitt sind hervorzuheben. und er zusammen mit seinem Die an mancher Stelle eingeBruder Letscho den schlecht setzten Farbfilter sind wirlaufenden Schrottplatz erbt, kungsvoll und verfehlen nicht holt ihn die Vergangenheit ihren Effekt. Abgerundet mit wieder ein. Musik von „zimmermitaus-

Schrotthändler sind seit jeher eine Randgruppe der Gesellschaft. Ihnen gegenüber gibt es einige Vorurteile, die bei vielen Menschen Misstrauen wecken.

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sicht“ werden die Szenen liebevoll umspielt. „Schrotten!“ ist der erste Langfilm von Max Zähle, der für Buch und Regie zuständig war. Zuvor sammelte er Kurzfilmerfahrungen, die ihm sogar eine Oscar-Nominierung für seinen Kurzfilm RAJU bescherten. Ihm ist es in dieser Komödie gelungen, einen gut harmonierenden Haufen Schauspieler zusammenzutrommeln. Lucas Greorowicz ist in Deutschland durch die Kultkifferkomödie „Lammbock“ bekannt geworden. Seit 2015 kann man ihn auch im Brandenburger Polizeiruf 110 sehen. In „Schrotten!“ kann er zusammen mit Frederick Lau und Anna Bederke ein weiteres Mal glänzen.

Foto: PortAuPrincePictures

MARIAN W. FRITZ


NDR SPEZIAL

ASTRA(LE) IMPRESSIONEN » STADT «

ANTON HINGST

Foto: NDR-Fernsehen

Film - dazu gehören natürlich Spannung, tolle Bilder, eine gute Story, glorreiche Texte und ein Feeling, dass den ganzen Raum einnimmt. So oder so ähnlich! In der „Stadt“ ist es etwas anders. Die Spannung, Bilder und das Feeling sind alle da, doch von Text ist keine Spur. Timo Grosspietsch lässt die NDR Bigband über dynamische Bilder Hamburgs spielen. Wie in einem Fade-in eines Spielfilms fährt die Kamera aus einem Tunnel und schwebt über die Stadt. Entspannt. Die zuerst hart anklingenden Töne werden zu einem weichen Bett und ich verliere mich sofort in den Bildern. Anfänglich dachte ich, dass eineinhalb Stunden zu lang sind, um nur Aufnahmen mit Musik zu zeigen. Nach fünf Minuten des Films hatte ich das vollkommen vergessen. Die Inszenierung zwischen Film und Ton ist unfassbar gut gelungen. Es scheint, als ob die extrem wandelbare Musik auf die Bilder reagiert und versucht, den Betrachter durch die schönen sowie unschönen Aspekte der Stadt zu

lotsen. Stimmungswechsel erreicht Grosspietsch allein mit der Dynamik des Sounds. Zeitweilig dachte ich, es wäre vorbei, aber die gezielten Motivwechsel der Band spannen immer wieder neue kleine Geschichten auf. Jedem Tagträumer ist „Stadt“ absolut zu empfehlen, –

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aber wer etwas mit einem fassbaren Inhalt sucht, ist hiermit nicht bedient. Lange Szenen dominieren die Atmosphäre, die Story ist undefiniert und das Gesamtkonzept nichts für flüchtige Geister. Doch wer seine Synapsen kitzeln möchte und Bock auf eine lässige Band hat, der soll sich den Streifen geben.


KURZFILMWETTBEWERB

KRÄHEN MIT LIPPENSTIFT » KAPUTT «

LINN KREUTSCHMANN

„Der Schmerz hat mir ge- stift“. Psychische und physi- zu verbildlichen. Schnell kann zeigt, was die Zeit war.“ sche Folter machen den Alltag man erahnen, was es war, das zu einer Hölle auf Erden. Im wahrsten Sinne des Wortes ist dabei alles künstlerisch untermalt: Den animierten Bleistiftzeichnungen ist der Aufwand und die liebevolle Gestaltung anzusehen. Sie helfen dabei, die Geschichte mit all ihren Metaphern

die Frauen vollkommen zerstört hat.

Foto: Die Kulturingenieure

Die beiden Frauen Gabriele Stötzer und Birgit Willschütz erzählen von ihrem Aufenthalt auf der Burg Hoheneck, dem Frauengefängnis der DDR. Bei der Zwangsproduktion verschiedenster Objekte für westliche Unternehmen entsteht Hass: Hass auf die Wärterinnen, die „Krähen mit Lippen-

THE COMPUTER IS YOUR FRIEND » COPY COMPLETE «

KEVIN SELL

Ein altes Relikt aus der Zeit als die digitale Technik noch in den Kinderschuhen steckte: Die Diskette. Trotz des Fortschritts in der Technik blieben einige Handlungen den immer gleichen Mustern treu. Der neunminütige Kurzfilm „Copy Complete“ von Regisseurin Maria Auerbach zeigt eine kre-

ative Collagearbeit, die völlig aus Filmausschnitten aus über siebzig verschiedenen Filmen gestaltet wurde, darunter zum Beispiel Filme wie „Terminator 2“, „Wall Street“, „Jurassic –

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Park“ oder „Demolition Man“. Eine spannende Entdeckungsreise zu den Anfängen des digitalen Zeitalters.

Foto: Still „Copy Complete“

Dein Partner verzweifelt gerade am Computer und sagt frustriert: „Schatz. Ich glaube ich habe das Internet gelöscht.“


KURZFILMWETTBEWERB

TANZ MIT UND TAUCHE EIN » BOLLYWORLD «

LORE BELLMANN

Foto: Filmuniversität

Schau hinter die Fassa- bisschen Zauberstaub wird de, Kind. Der Schein, der auch sie selbst zur liebevoll trügt. animierten Malerei und taucht Ein Kathak tanzendes Mädchen in einem kargen Raum. Aus ihren fließenden Bewegungen entstehen weiche, geschwungene Linien bis das Bild komplett ist und das Zimmer ausgefüllt. Durch eine Steigerung im Tempo und ein

ab in die Welt Krishnas. „Bollyworld“ ist ein träumerischer Kurzfilm, der ganz ohne Dialog auskommt. Durch toll gestaltete Mimik und dem passenden Einsatz von Musik wird jedoch trotzdem verständlich die Geschichte von Radha und Krishna erzählt.

Filmemacherin Monira Kamal arbeitet gekonnt mit (Un)schärfe, Farben und Formen, sodass man sich gerne zurücklehnt und genießt.

MUTIGE WAHRHEITEN » BERLIN METANOIA «

Foto: DETAiLFILM

Das neue Wochenangebot im verrückten Laden: „F*cken, F*tze, Quark – alles für 'ne Mark“. Nur solange der Vorart reicht. Verträumt arbeitet Kore, gespielt von Marleen Lohse, in einem Tonstudio. Als sie ganz in ihren Gedanken verloren ist, ziehen große dunkle Wolken auf. Die verdorrenden Charaktere in ihrem Kopf tragen ganz andere Schicksale mit sich herum. Bis Kore vor einem großen braunen Bär steht und mutig die Flucht nach vorne antritt.

KEVIN SELL

Der fünfzehnminütige Kurzfilm „Berlin Metanoia“ vom Regisseur Erik Schmitt zeigt die verworrene Gedankenwelt einer sympathischen Frau. Die eindrucksvolle Charakterstu-

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die der mentalen Selbstfindung steht im starken Kontrast zur der realen Welt und hinterlässt den Zuschauer mit der Frage, wer man eigentlich ist.


DOKUMENTARFILMWETTBEWERB

ZEHN VON 678 » DIE PRÜFUNG «

HANNAH FIEDLER

Was muss das für ein Gefühl sein, von 687 Teilnehmenden zu den zehn Auserwählten zu gehören? Ein schier unbegreifliches, wie uns bereits zu Anfang des Dokumentarfilms „Die Prüfung“ die aufgelöste Stimme einer der angenommenen Bewerberinnen übermittelt. Doch wer sind eigentlich die Bewerber und was ist das überhaupt für eine Prüfung? Es geht um die Aufnahme-

Films, schildert diese Prüfung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Zum einen aus der der 678 aufgeregten Bewerberinnen und Bewerber und zum anderen aus der Perspektive der zehn Prüfer. Was dieser Film schafft, ist eine intensive Beziehung zwischen Publikum und den im Film Beteiligten. Es ist unglaublich interessant, den jungen Schauspieltalenten zuzuschauen und während des

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in eine ganz andere Welt hineinversetzt. Und wenn zwischenzeitlich die Bilder eines verschneiten Hannovers eingeblendet werden und wir sphärische, musikalische Klänge vernehmen, wird eine beinahe verzauberte Atmosphäre geschaffen. Dies ist jedoch auch der Zeitpunkt, den man als Zuschauer dafür nutzen sollte, sich von der aufgestauten Anspannung zu befreien. Denn die emotionalen und oft unverhofft scharfen Bemerkungen der Prüfer sind manchmal gar nicht ganz ohne. Wer ist brauchbar und wer hat Charakter? Tatsächlich wirkt es hart, dies als Kriterium zu formulieren. Doch letztlich ist genau das die Herausforderung der Prüfer, darüber zu entscheiden. „Die Prüfung“ ist eine spannungsgeladene Dokumentation, an der mich vor allem der ungewohnte Blick auf die Prüfungskommission und deren Leidenschaft, sich für ihre Favoriten einzusetzen, reizte.

Foto: Börres Weiffenbach

Ein wirklich echtes Erleb- prüfung an der Staatlichen zehntägigen Auswahlverfahnis. Nervenaufreibend Schauspielschule in Hannover. rens mit ihnen mitzufiebern. und emotional geladen. Till Harms, der Regisseur des Als Zuschauer fühlt man sich


GEDREHT IN MV

EINE KANUFAHRT IM SOMMER » WAS KÖNNEN DIE BLUMEN DAFÜR? «

KEVIN SELL

nu-Tour in der Natur? Die Musiker Tom Krimi und Erik Lautenschläger von der deutschen Pop-Rock-Band PRAG wollten für ihren neuen Song „Was können die Blumen dafür“ ein Musikvideo. Das wunderschöne Bundesland Der Regisseur und KameMecklenburg-Vorpommern ramann Jarek Raczek nahm lockt mit seinen einzigartigen den Song als Grundlage. Er und vielfältigen Landschaften entwarf eine Geschichte von jedes Jahr tausende Besucher zwei Freunden, die sich auf an. Dabei bereisen die Touris- eine unterhaltsame Reise ten unser Land mit den unter- durch die Natur begeben. In schiedlichsten Verkehrsmitteln einer spannenden Zeitlupenan Land oder zu Wasser. Wie Perspektive fahren die beiden wär‘s denn mal mit einer Ka- Protagonisten in einem Kanu

Foto: Prag & Tynska Records

Doch warum zögere ich und warum fängt schon wieder mein Hirn an zu intervenieren, kann ich nicht einmal aufhören zu denken?

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durch die Feldberger Seenlandschaft. Dabei beobachten sie verschiedene Menschen am Ufer, die ihre ganz eigene Geschichte erzählen. Entstanden ist ein sechsminütiger Kurzfilm, dessen Schauplatz Mecklenburg-Vorpommern ist. Als großartige Symbiose von moderner Popmusik, originellen Filmelementen und einer malerischern Traumkulisse erweckt der Film eine sinnliche Sehnsucht nach den wärmenden Tagen im Sommer.


NDR SPEZIAL

VON KOKSSCHWALBEN UND KACKVÖGELN » POLIZEIRUF 110 – IM SCHATTEN «

handel gelandet hat, wird ein Zollbeamter tot aufgefunden. Verdächtigt wird gleich die kalabrische Mafia Ndrangheta, die auch in Rostock ihr Netzwerk geknüpft hat. Zum Glück hat Bukow so seine Wege und Mittel, um InWer hätte das gedacht? Im be- formationen über Drogendeals schaulichen Rostock werden in seiner Heimatstadt herausRauschmittel in rauen Men- zufinden. Die Methoden, die gen gehandelt. Der Rostocker er anwendet, hat er zwar so siHafen dient dank der Fährver- cher nicht auf der Polizeischubindung nach Trelleborg als le gelernt, aber sie bringen Knoten- und Umschlagpunkt Dealer dazu, ihre nächsthöhezwischen Skandinavien und ren Bosse zu verpfeifen. Großstädten wie Berlin oder Gleichzeitig gehen krumme Hamburg. Doch Ermittler Ale- Geldschiebereien zwischen xander ‚Sascha‘ Bukow (Char- den Zollbeamten vor sich, Buly Hübner) und Katrin König kows alternder Vater eröffnet (Anneke Kim Sarnau) sind zur einen neuen Club und seine eiStelle. genen Kinder meiden ihn nach Nachdem die Polizei einen der Scheidung – genug Handvermeintlichen Schlag gegen lungsstränge für spannende 87 den internationalen Drogen- Minuten Unterhaltung.

„Oh mein Gott, ich bin besoffen. Das macht Frau König sehr betroffen.“ Für Sascha gibt es nichts als Ärger mit den Frauen, Familie, Kollegen – und den Drogen.

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Philipp Leinemann schuf mit „Im Schatten“ eine solide, unterhaltsame Folge der „Polizeiruf 110“-Reihe. Den Zuschauern, die erstmals eine Folge des Rostocker Polizeirufs sehen, werden einige zwischenmenschliche Details aus der Vorgeschichte des beliebten Ermittler-Duos entgehen. Die Folge kann jedoch trotzdem als eigenständig betrachtet werden. Charly Hübner trägt den Film, in dem er das tut, was er am besten kann: Den bodenständigen, liebenswürdigen Trottel mit dem Herzen am richtigen Fleck spielen. Er stakst zusammen mit einem charmanten Ensemble durch das neblige, graue Rostock um des Falles Lösung Schritt für Schritt näher zu kommen.

Foto: Filmpool Fiction GmbH

MARIE-LUISE KUTZER


FOCUS BALTIC SEA

VERLOREN IN DER UN(K)ENNTLICHKEIT » THE YARD «

LINN KREUTSCHMANN

sich, alles richtig, bloß keine Fehler zu machen und ist dabei auf tragische Weise zum Scheitern verurteilt. Das trostlose Nichts zieht sich durch den Film und gelegentlich stellt man sich die Frage: Kommt da Inmitten des Nichts steht ein jetzt eigentlich noch was? Oder Dichter (Anders Mossling) und soll dort nur ein einziges Leid wartet auf den Neuanfang. beschrieben werden? Doch der Nachdem sein alter Job, seine Film enttäuscht nicht, er zeigt alte Welt zusammengebrochen mehr als nur eine auf den ersist, bemüht er sich in Malmö ten Blick realitätsferne Wirkum eine neue Arbeitsstelle lichkeit im gar nicht so weit und wird am Hafen schließlich entfernten Norden. fündig: bei der Verladestation „Was ist eigentlich Fairfür PKW. Wie eine Eiswüste ness?“, scheint Regisseur Måns stehen die Autos dicht an dicht Månsson mit diesem Film fraaneinander. Auch der Protagonist verliert seine Identität und wird zu der Nummer 11811. Schließlich muss er sich nicht nur im Job, sondern auch vor seinem Sohn beweisen, mit welchem er als alleinerziehender Vater zusammenlebt. Das Grau der kalten Wintersee wirkt erdrückend und alles andere als einladend. Die Umgebung bringt uns zum Frösteln, doch sobald wir in die klaren Augen des Dichters schauen, werden wir mit Wärme erfüllt: So sehr bemüht er

Foto: Anagram Film

Reifen an Reifen, Haube an Haube stehen die Autos in einem schier unendlichen Feld aneinander. Die Menschen: aller Individualität beraubt.

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gen zu wollen und verweist dabei auf die Konflikte der Gegenwart: Was ist Identität? Ist Gleichheit vielleicht auch mal wichtig? Wo findet im Alltag Rassismus statt? Wie können wir selbst zu Alltagshelden werden und die Welt durchs Eingestehen für andere Menschen ein bisschen besser machen – obwohl wir möglicherweise nichts zurückbekommen? Eine Einladung, sich mit scheinbaren Selbstverständlichkeiten auseinanderzusetzen und gesellschaftliches Denken kritisch zu hinterfragen.


KINDER- UND JUGENDFILMWETTBEWERB

ANFANGS CHILLEN ALLE BREIT » EINER VON UNS «

Julian (Jack Hofer) ist 14 Jahre alt und lebt in einem kleinen Dorf in Österreich. Der Alltag ist nicht wirklich spannend, der Treffpunkt für die Jugend ist das weitläufige Gelände des gigantischen Supermarkts Merx. Dort treffen sich die Möchtegern-Gangster, besprayen Wände, rauchen Shisha und fühlen sich cool. Ständig ist die Polizei Julian und seinen Freunden auf den Fersen und vermiest ihnen den ganzen Spaß. Marko (Simon Morzé) kommt gerade aus dem

Gefängnis und ist schon etwas älter als der Rest. Er besorgt das Gras und wirkt auch sonst auf Julian wie eine interessante Person, sodass er sich mit ihm anfreundet. Eines Nachts kurven sie mit dem Auto von seinem Kumpel Victor (Christopher Schärf) durch die Gegend, kiffen und haben Spaß. Bis sie auf die Idee kommen, in den Supermarkt einzubrechen. „Einer von uns“ basiert auf einer erschreckenden wahren Begebenheit. 2009 hat die österreichische Polizei einen 14-Jährigen aus dem Ort Krems bei einem Supermarkteinbruch erschossen. Nach der entsprechenden Szene im Film bin ich wütend. Warum zur Hölle? Wie kann man nur? Eben diese bodenlose Bestürzung hat

der Regisseur Stephan Richter perfekt inszeniert und belässt es bei klaren Bildern ohne unnütze Ausschmückungen. Eine drückende Atmosphäre schafft auch der dumpfe Sound. Es ist, als säße man mit Julian und Marko zwischen den Regalen, schwer atmend, voller Angst. Unterbrochen wird der Plot immer wieder von starren, kalten Kamerafahrten durch die Supermarktregale. Ein Mitarbeiter wird mehrmals beim Wegschmeißen der eigentlich noch essbaren Lebensmittel in einen großen Container gezeigt. Treffend porträtiert Stephan Richter unsere Konsumgesellschaft und ich bleibe zurück mit vielen Fragen, aber vor allem: will ich so leben?

Foto: Golden Girls Filmproduktion

Metallisches Sirren, hohe dumpfe Töne, langsame Kamerafahrten durch später wohl sehr bedeutsame Bilder. Filme dieser Art beginnen immer so.

LORE BELLMANN

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GEDREHT IN MV

„ES KANN FUNKTIONIEREN, DAVON BIN ICH ÜBERZEUGT“ » NOTAUFNAHME – WENN FREMDE NÄHER KOMMEN «

ANTON HINGST

„Wir haben unsere Hei- Kockot und Dieter Schumann. Zusammenhänge zu erklären, mat nicht verlassen, die Er zeigt, wie der Bürgermeis- die eine kollektive HilfsbereitHeimat hat uns verlassen.“ ter, Ehrenamtliche und sogar schaft bedingen. Kinder versuchen eine bestmögliche Hilfestellung zu geben. Dabei sorgen sie für Kleidung, Nahrungsmittel, Spielzeug und die Erledigung des Papierkrams. Das Produktionsteam interviewt einige dieser Menschen und zeichnet einen Teil der schweren Schicksale auf. Dabei verzichtet das Konzept auf inszenierte Befragungen. Es zeichnet sich ein facettenreiches Bild der realen Verhältnisse. Dem Bürgermeister fällt es wahnsinnig leicht, Beziehungen und

Foto: Basthorster Filmmanufaktur

Zahrensdorf ist eine Gemeinde bei Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Über Nacht wurde ihr mitgeteilt, dass 56 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Tschetschenien, der Ukraine und anderen Ländern bei ihnen unterkommen müssen. Das eigentliche Auffanglager in Boizenburg ist voll und die Lage gespannt. „Notaufnahme – Wenn Fremde näher kommen“ ist ein Dokumentarfilm von Michael

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Vielseitig beleuchtet die Doku den gesamten bürokratischen, sowie exekutiven Aufwand. Die Sicht einer braunen Partei lässt sie jedoch aus den Augen. Viele kleine Indizien, wie Graffitis, deuten auf Probleme mit dem rechten Mob hin. Einerseits ist es sehr angenehm, dass sich die Doku nur auf Fakten bezieht und keinen Platz für plumpes Geschwafel hat. Andererseits fehlt dadurch der konträre Aspekt, den die Doku wohl eigentlich beseitigen wollte.


PROGRAMM 17:30 CAPITOL 5

» Vom Wir zum Ich « von R. Grassick, E. Hare, P. Roberts, B. Wupperman D/GB 2016 – 85 Min. (Gäste: R. Grassick, B. Wupperman)

» Gretchen am Spinnrade « von Magdalena Chmielewska A 2015 – 7 Min. (Gäste: M. Chmielewska, M. Honnes)

18:15 CAPITOL 3

» The Yard  « von Måns Månsson

S/D 2016 – 80 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

» Zehn-Meter-Turm « von Axel Danielson, Maximilien Van Aertryck S 2016 – 17 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

18:30 CAPITOL 2

» Orgininal Copy « von F. Heizen-Zob, G. Heinzen (Gast: G. Heinzen) D 2015 – 95 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

» Bollyworld « von Monika Kamal D 2015 – 7 Min.

SAMSTAG

19:00 CAPITOL 1 19:30 CAPITOL 4

Preisverleihung (Ehrengast: Christine Schorn) » Ich bin tot, mach was draus « von G. und S. Malandrin (mit Gästen) B/F 2015 – 96 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

» Rhapsody in Pink « von Bram Mondy B 2015 – 14 Min. – ohne Dialog

19:45 CAPITOL 6

» 2 Nights Till Morning « von Mikko Kuparinen

FI/LT 2015 – 84 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

» Clumsy Little Acts Of Tenderness « von Miia Tervo FI 2015 – 9 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

20:00 CAPITOL 5

» Usedom-Krimi – Engelmacher « von J. A. Freydank D 2015 – 90 Min.

» Fun Ambule « von Lennart Langanki D 2016 – 5 Min.

22:00 CAPITOL 4 22:15 CAPITOL 2

» Polizeiruf 110 – Im Schatten « von Philipp Leinemann D 2015 – 90 Min.

» Image « von Adil El Arbi, Bilall Fallah

B 2014 – 100 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln – Deutschlandpremiere

» Buddy « von Raf und Jan Roosens

B 2015 – 15 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln – Deutschlandpremiere

22:30 CAPITOL 1 CAPITOL 3

Gewinner Wettbewerb Spielfilm & Kurzfilm » Café Belgica « von Felix Van Geroeningen

B 2016 – 127 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

» Tank « von Raoul Servais B 2015 – 7 Min.

17:30 CAPITOL 2

» Kirschtabak « von Andres und Katrin Maimik

EST 2014 – 93 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

» Piano « von Kaspar Jancis

EST 2015 – 10 Min. – ohne Dialog

17:45 CAPITOL 4

» Eine sonderbare Liebe « von Lothar Warneke

18:00 CAPITOL 5

» The First, The Last « von Bouli Lanners

DDR 1984 – 104 Min.

F/B 2016 – 98 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln B 2015 – 5 Min. – ohne Dialog

18:15 CAPITOL 1

» Parchim International « von Stefan Eberlein (Gast: Manuel Fenn) D 2015 – 90 Min.

» Berlin Metanoia « von Erik Schmitt D 2015 – 15 Min.

19:45 CAPITOL 2 20:00 CAPITOL 3

» Stadt « von Timo Grosspietsch (Gast: T. Grosspietsch) D 2015 – 89 Min. – ohne Dialog

» Café Derby « von Lenny Van Wesemael

B 2016 – 101 Min. – Originalversion mit dt. Untertiteln

» Voltaire « von Jan Snoekx

CAPITOL 4 20:15 CAPITOL 5

B/NL 2015 – 11 Min. – ohne Dialog

Gewinner Wettbewerb Spielfilm & Kurzfilm » Matthiesens Töchter « von Titus Selge D 2015 – 90 Min.

» Was können die Blumen dafür « von Jarek Raczek D 2015 – 6 Min.

MEHR AU F: WWW. FILMAB.JMMV.DE

SONNTAG

» D: 729. « von Levi Stoops


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