Rum buch web 2016

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Rum - Rhum - Ron 2 N째 1

/2016

Eine Publikation von: rolandstrasse 19 8004 z체rich

J. B. L A B A T

SpirituoSen & Spezialit채ten Brauerstrasse 51, 8004 Z체rich seit 2012

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RUM - RHUM - RON Ausgabe N° 12

2. Auflage / Überarbeitete Ausgabe / Dezember 2016

Impressum: Copyright © 2016 Bar 63 GmbH & Labat GmbH Alle Rechte vorbehalten Herausgeber: Bar 63 GmbH, Rolandstrasse 19 8004 Zürich www.bar63.ch / info@bar63.ch J.B. Labat / Labat GmbH, Spezialitäten & Spirituosen, Brauerstrasse 51 8004 Zürich www.labat.ch / info@labat.ch Preis: Fr. 25.Texte: Pascal Kählin, Sina Bühler Gestaltung: Jonas Schwarz Korrektorat: Oliver Schmuki Druck: Ebner & Spiegel 4


Inhalt 7 11 24 31 41 47 49 56 57 59 61 63 64 68 69 75 88 93 100 109 112 115 117 118 120 123 127 129 131 132 134 138 141 143 145 146 149 151 152 155 158

Zucker Rum Barbados Trinidad und Tobago Jamaika St. Lucia Grenada Antigua British Virgin Islands U. S. Virgin Islands Anguilla Bermuda Kuba Dominikanische Republik Haiti Martinique Guadeloupe Marie-Galante Guyana Brasilien Peru Kolumbien Venezuela Panama Costa Rica Nicaragua Guatemala Mexiko Madagaskar La RĂŠunion Mauritius Philippinen Japan Nepal Indien Indonesien Australien Fidschi USA Spanien Schweiz 5


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Bagasse – ausgepresstes Zuckerrohr


Zucker 325 Jahre vor Christus stiess ein General der Armee Alexanders dem Grossen in Indien auf Zuckerrohr und beschrieb mit Verwunderung eine Pflanze, die «Honig, ohne die Hilfe von Bienen», herstelle. Mit den zurückkehrenden Kreuzfahrern fand Zucker definitiv den Weg nach Europa. Es war ein neues, völlig anderes Gewürz. Damals nutzte man es nicht nur, um Gebäck zu süssen, sondern auch, um Suppen und Fleisch zu würzen. 1319 kostete Zucker in England «two shilling a pound», heute wären das umgerechnet 130 Franken pro Kilo. Die Portugiesen bauten die Pflanze auf Madeira und São Tomé an, die Spanier auf den Kanaren. Raffiniert wurde ausschliesslich auf dem Festland, denn so viel Gewinn wie möglich sollte in die Taschen der Städte fliessen. Beispielsweise nach Venedig, das schon im 13. Jahrhundert zusammen mit Anvers und Brügge ein Monopol auf den Zuckerhandel in Europa hatte. Christoph Kolumbus packte auf den Kanaren einige Schösslinge ein und nahm sie auf seine zweiten Reise in die Karibik mit. Hier gedieh die tropische Pflanze so prächtig, dass bald eine richtige Industrie darum entstand. Später zog diese den Dreieckshandel mit sich: Schiffe aus Europa fuhren mit Stoffen, Waffen, Metall- und Glaswaren nach Afrika, wo man diese Waren gegen Sklaven eintauschte. Die Europäer segelten weiter über den Atlantik, verkauften die Sklaven an die Plantagen und machten sich mit den Produkten und Rohstoffen – unter anderem eben mit Zucker – zurück auf den Weg nach Europa. Dort wurde gleichzeitig ein Zuckerersatz gesucht, eine Pflanze, die auch in den kühleren Regionen wachsen würde. Im Jahr 1590 entdeckte Olivier de Serres den süssen 7


Geschmack einer bis anhin kaum beachteten Rübe – der Zuckerrübe. Bis allerdings daraus Zucker gewonnen werden konnte, sollten noch einmal fast zwei Jahrhunderte vergehen. 1747 schaffte dies Andreas Sigismund Marggraf als Erster. Als Napoleon den Anbau der Zuckerrübe forcierte, leitete er damit den langsamen Niedergang der westindischen Zuckerindustrie ein.

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River Antoine Distillery – Grenada


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Destillerie J.M – Martinique


Rum Bevor also irgendjemand auf die Idee kam, Rum zu brennen, musste Zucker angebaut werden. Die Zuckerindustrie der Karibik bildete die Grundlage für die Rumproduktion, deren Ausgangsprodukt immer Zuckerrohr sein muss. Bald hatten die Plantagenbesitzer gemerkt, dass sie mit dem Abfall des ohnehin schon ungeheuer einträglichen Zuckergeschäfts noch mehr verdienen konnten, indem sie daraus billigsten Alkohol für die Ärmsten und die Sklaven herstellten. Rum war geboren. Bei der Zuckerherstellung bleibt ein dicker, klebriger, schwarzbrauner Sirup zurück, die Melasse. Sie wird mit Wasser verdünnt, mit Hefe angereichert und dann vergärt. Bei der darauffolgenden Destillation gibt es unzählige technische Möglichkeiten, die unterschiedliche Rum-Stile ergeben können. Die Produzenten belassen den fertigen Brand hochprozentig («overproof») oder bringen ihn mit Wasser auf Trinkstärke. Damit ein dunkler, gereifter Rum entsteht, wird der weisse Rum in Fässern gelagert. Die Lagerung kann in kühlen Kellern oder in extrem heissen Blechschuppen stattfinden, in der Karibik oder in Europa, in kleinen oder grossen Fässern. Letztere sind meist ausgediente amerikanische Whiskeyfässer, der Experimentierlust sind hier aber keine Grenzen gesetzt. Es können ebenso Wein-, Port-, Sherry-, Cognac- oder neue Fässer zum Einsatz kommen. Der Blender wählt aus den unterschiedlichsten Fässern die besten Kombinationen aus und kreiert so einen dunklen, gereiften Rum. Wird ein besonders gutes Fass separat in Flaschen gefüllt spricht man von einer Einzelfass- oder «single cask»-Abfüllung. Heute gibt es relativ viele «unabhängige» Abfüller, die einzelne Fässer kaufen und den Rum mit einem eigenen Etikett auf den Markt bringen. 11


Immer mehr kommt bei der Lagerung aber das wirtschaftlichere Solera-System zum Einsatz, das aus der SherryProduktion stammt. Dabei baut man eine Fässerpyramide und zieht jeweils aus der untersten Reihe einen Teil des Inhalts für den Verkauf ab. Daraufhin füllt man von der oberen Reihe nach unten wieder mit jüngerem Rum auf. Das heisst: Steht auf einer Flasche «Solera 23» bedeutet dies eigentlich nur, dass der kleinste darin enthaltene Anteil mindestens 23 Jahre alt ist. In den Anfangszeiten der Rumherstellung war von fassgelagerten Edelspirituosen natürlich noch keine Rede. Rum lagerte man nur, wenn er nicht sofort verscherbelt werden konnte. Sehr lange galt er nämlich als Sklaven-, Piratenund Arme-Leute-Getränk. Seine alten Namen wie «Rumbullion» (Aufruhr, Tumult) oder «Kill Devil» (weil er so stark war) lassen seinen damaligen Stellenwert erkennen. Auch nach 1655, als er bei der britischen Royal Navy das bisher gereichte Bier ersetzte, war das Getränk vorerst den einfachen Matrosen vorbehalten. Die höheren Ränge tranken weiterhin spanischen Brandy. Die Navy half mit ihrem immensen Konsum bei der Verbreitung dieser Spirituose tatkräftig mit. Pro Tag erhielt jeder Matrose «half a pint» (ca. 2,84 dl). Ab 1740 wurde dieser gute Viertelliter auf Anregung von Admiral Vernon in zwei Rationen aufgeteilt, mit Wasser verdünnt und mit Zitronensaft angereichert. Er erfand den Grog, neben dem Punsch und dem Julep einer der ältesten Cocktails der Welt. Traditionell kommen auf den spanischsprachigen Inseln der Karibik eher leichte («light-body») Rums vor. Allen voran in Kuba, einer der wichtigsten Zuckerinseln, wo dieser 12


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Die alte Kolonne bei HSE auf Martinique


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Ein kleiner Pot-Still. Rhumerie Chamarel – Mauritius.


Stil dank Facundo Bacardi erfunden wurde. «Leicht» und fruchtig wird der Rum unter anderem wegen einer Aktivkohle-Filtration, die er nach der Destillation durchläuft. Hier wird hauptsächlich mit kontinuierlichen Brennanlagen («column still») gearbeitet. Barbados, die zweite grossen Zuckerinseln, steht hingegen für den englischen «medium-body»-Stil. Meist wird für diesen Stil Rum aus «pot stills» und solcher aus «column stills» gemischt. Die schwersten Rums der Welt produzieren noch immer Jamaika, die dritte grosse Zucker-Insel, und Guyana. Hier gab es einst über 150 Zuckerrohrplantagen und ebenso viele Brennereien. Es sind oft reine «pot still»-Brände, die einen «heavy-body»-Rum ergeben, der vor allem für den britischen Navy-Stil seit jeher von grosser Bedeutung ist. Die spanischsprachigen Länder in Lateinamerika belassen den Rum etwas schwerer und meist sehr süss. Für die Lagerung bevorzugen sie das Solera-System. Sie haben die kürzeste Tradition bei der Rumherstellung und haben dadurch einen modernen Stil geprägt, der in den letzten Jahren sehr erfolgreich geworden ist. Auf den französischsprachigen Inseln sowie in Brasilien und einigen wenigen anderen Brennereien wird der Rum hingegen nicht aus Melasse, sondern direkt aus dem Zuckerrohrsaft destilliert. Dies nennt sich dann Rhum agricole – oder Cachaça in Brasilien. Im Geschmack ist der weisse Rhum agricole meist etwas schärfer und vegetabiler als der süssere Melasse-Rum. Gereift ergibt er wunderbare, sehr charaktervolle Getränke; der weisse eignet sich perfekt für einen «Ti Punch». 15


Die verschiedenen Rum-Stile zu ordnen, ist nicht ganz einfach. In älteren Büchern ist meist von «light-body», «medium-body» und «heavy-body» die Rede, an anderer Stelle von spanischem, französischem oder britischem Stil. Bei der länderspezifischen Klassifizierung kann vereinfacht gesagt werden, dass sich der spanische Ron am Brandy (eher leicht, süsslich, geradlinige Aromatik), der französische Rhum am Cognac (eher schwer, komplexe Aromatik) und der britische Rum am Whisky (schwer, kräftig, fassbetont) orientieren. Wie überall gibt es natürlich bei jeder Form der Klassifizierung Ausnahmen – oder Rum, der sich nirgends so richtig einordnen lässt. Zum Verständnis: Alkohol wird durch mehrfache Destillation «sauberer» und erhält damit eine Textur, die sich leichter anfühlt. So ist beispielsweise Wodka ein sehr sauberer Alkohol. Meistens werden leichtere Rumsorten in kontinuierlich arbeitenden Kolonnenapparaten («column still») hergestellt – je sauberer der Alkohol, desto weniger aromatisch ist der Rum. Schwere Rumsorten werden typischerweise in diskontinuierlichen Brennblasen («pot stills») hergestellt. Sie enthalten noch gewisse Anteile an Fuselölen, Aromen und neben Ethanol weitere Alkohole und haben zum Teil eine beinahe ölige Textur. Schottische Single-Malt-Whiskys werden ausschliesslich auf «pot still»-Geräten gebrannt. Die mittelschweren Rums sind oft Mischungen aus «pot still»- und «column still»-Bränden.

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Wir haben versucht, die Rums mit Hilfe einiger Angaben zu sortieren, indem wir jeweils die Schwere, die Süsse, das Ausgangsmaterial und die Art des Destillationsgerätes angeben. Die Schwere von leicht = 1/ bis sehr Schwer = 5/ Die Süsse von nicht Süss = /1 bis sehr Süss = /5 m = Melasse z = Zuckerrohrsaft p = Pot Still c = Column Still

N Besuchte Destilierien

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BARBADOS Diese flache Koralleninsel – eine der wenigen in der Karibik, die nicht vulkanischen Ursprungs ist– gilt vielen als Geburtsort des Rums. Die Portugiesen landeten 1536 auf der menschenleeren Insel gelandet, als sie auf dem Weg nach Brasilien waren. Sie nannten sie «Los Barbudos», nach den dort verbreiteten Banyan-Feigenbäumen, deren gigantische Luftwurzeln wie Bärte aussehen. Die Ureinwohner, die Siboneys, waren von den Arawak vertrieben worden. Diese wichen wiederum den kriegerischen Kariben, welche die Insel später wieder verliessen. Nachdem auch die Portugiesen weitergezogen waren, erschien 1627 der Engländer Sir William Curteen mit einer Handvoll Siedler, um die Insel wieder zu beleben. Zuerst bauten sie nach dem Vorbild der englischen Kolonie Virginia Tabak an. Allerdings passte dies der Konkurrenz, den nordamerikanischen Kolonien überhaupt nicht. Diese setzten London unter Druck. woraufhin Barbados-Tabak mit massiven Steuern belegt wurde. Die Siedler stiegen auf Zucker um. Sie sollten damit so viel Erfolg haben, dass Barbados «Little England» genannt wurde. Schon bald einmal verdünnten sie die Melasse mit Wasser, fermentierten sie und destillierten sie zu Rum. Der nun «Kill Devil» genannte Alkohol wurde vor allem von Sklaven und armen Weissen getrunken. Die vermögenden Engländer tranken damals noch Brandy und Madeira. Die einzige Form in der diese höheren Stände das raue Sklavengetränk zu sich nahmen, war der «Punch». Dazu schrieb der Schweizer Arzt Felix Christian Spoeri im Jahr 1661: «one takes a basin of water and sweetens with it with sugar, then lemon juice, and finally the above-mentioned Kill-Devil or Brandy». Den Sklaven und Arbeitern wurde Rum auch als Medizin 24


gegen «Schwäche und Zerfall in Geist oder Körper» verabreicht, so der Autor und Zeitzeuge Richard Ligon. Auch der Name Rum könnte in Barbados entstanden sein. Das Connecticut House of Assembly nennt die Brände 1657 in einem Gesetz zu deren Konfiszierung «whatsoever Barbados liquors, commonly called rum, kill devil, or the like». Im 1639 erschienenen Buch «The Distiller of London» findet man das Rezept für Barbados Water, ein Gemisch aus verschiedenen Gewürzen, Alkohol und Zucker. Mit etwas Fantasie kann man diese Spirituose als Vorfahre des Rums sehen. Heute produziert Barbados mit modernen Kolonnenanlagen und traditionellen «pot stills» den klassischen, englischen «medium body»-Stil, der sehr ausgewogen und elegant ist. R. L. Seale & Co. Ltd.

Dies ist einer der letzten Rumbetriebe, der sich ganz in den Händen eines Barbadiers befindet – und zwar in vierter Generation. Gebrannt wird in der Foursquare Distillery. Sie wurde im 17. Jahrhundert gegründet und ging später in den Besitz von R. L. Seale & Co. über, der sie 1996 komplett renovierte und zu einer der modernsten Brennereien der Karibik machte.

Doorly’s xo 40% 3/3 m k & p

Der Name dieses Rums geht zurück auf die Familie Doorly. Die Kaufleute aus Bridgetown kauften verschiedene Rums, verschnitten ihn und setzten ihr eigenes Etikett auf die Flasche. In Whisky- und abschliessend Sherry-Fässern gelagert. Ausgewogener, süsslicher «medium-body»-Rum mit Charakter. W. I. R. D.

In der West Indian Rum Distillery wird unter anderem der weltberühmte Malibu Rumlikör herstellt. Nichtsdestotrotz 25


ist W. I. R. D. auch imstande, extrem anspruchsvolle, schwere Rums zu produzieren. Die im Volksmund auch Black Rock Distillery genannte Brennerei besitzt neben zwei Vierer-Kolonnen auch noch zwei alte «pot stills». Von diesen stammen die schweren, charaktervollen Destillate. Sie war im Jahr 1893 die erste Destillerie in Barbados, die sich eine Kolonnenanlage anschaffte.

Cockspur V.S.O.R. 40% 3/3 m k & p

Dieser Rum wurde 1984 lanciert und trägt noch immer denselben Namen. Das Kürzel steht für «very special old reserve» und ist ein vollkommen klassischer Barbados-Rum. Das bedeutet: Er ist ein Blend von Melasse-Rum aus den Kolonnenund den «pot still»-Anlagen. Der grössere Anteil davon lag länger als zwölf Jahre in ehemaligen Bourbon-Fässern. Rockley Still 1986 Bristol Spirits 46% 5/2 m p

Ganze 22 Jahre verbrachte dieser Rum in Fässern, die letzten paar Monate in ehemaligen Madeira-Fässern. Abgefüllt wurde er durch einen der innovativsten «rum bottler», Bristol Spirits. Der Islay-Malt unter den Rums. Barbados 2000 15yo Cave Guildive 54% 4/2 m p

Vom Zürcher «bottler» Cave Guildive stammt diese Einzelfassabfüllung eines schweren «pot still»-Rums, die starke Fruchtanklänge hat.

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Mount Gay Rum Distillery

Im Jahr 1663 erwarben Abel und William Gay das St. Lucy Estate im Norden von Barbados. Schon damals sollen sie dort Rum gebrannt haben, auch wenn der erste wirkliche Beweis dafür, eine Verkaufsurkunde, erst aus dem Jahr 1703 stammt. Aber auch so ist die Rumbrennerei noch berechtigt, sich die «älteste der Welt» zu nennen. Zu Beginn brannten hier verschiedene Produzenten, bis man sich zusammenschloss und die Brennerei in Mount Gay umbenannte. Anfang des 19. Jahrhunderts erwarb Aubrey Ward, der über 90 Kinder gehabt haben soll, die Destillerie. Mit ihm kam sie zum grossen Namen, den sie heute trägt. Im Jahr 1989 verkaufte die Familie Ward die Firma und damit die Markenrechte an den Konzern Rémy-Cointreau. Und plötzlich trank sogar James Bond Mount-Gay-Rum. 2014 gab es einige Verwirrung um Mount Gay: Wegen einer finanziellen Schieflage, soll die Destillerie geschlossen worden sein, was Rémy Cointreau in Verlegenheit brachte. Das ganze Markenimage basierte schliesslich auf der Legende, die «älteste Brennerei der Welt» zu sein. Diese gehörte zwar gar nicht Rémy Cointreau, denn der Konzern hatte nur die Firma und die Markenrechte gekauft, nicht aber die Brennerei selber. Der Konzern meldete aber, nur die Mount Gay Rum Refinery sei geschlossen worden, eine Schwesterbrennerei, die zwar Rum für Mount Gay herstellte aber auch das damals neue Produkt Mount Gilboa. Rémy Cointreau kaufte darauf auch diese Teile der Firma und kontrolliert nun die Produktion selber. In der Zwischenzeit kamen sogar noch Plantagen in der Gegend dazu.

Mount Gay Silver 40% 2/4 m k & p

Der weisse Mount Gay ist in Europa selten zu erhalten, dabei ist er ein sehr solider Rum für Cocktails oder «on the rocks». Mount Gay Eclipse 40% 3/3 m k & p

Das Zugpferd des Betriebs. Verschnitt von zirka zwei Jahre 28


altem Rum aus beiden Anlagen. Perfekt ausbalancierter «medium-body»-Rum. Die Referenz für diesen Stil. Mount Gay extra old 43% 3/4 m k & p

Die etwas schwerere und süssere Variante. Verschnitt von sieben- bis zehnjährigen Rums, die zum grösseren Teil vom «pot still» stammen. Mount Gilboa 40% 3/3 m p

Frank Ward, ein Nachkomme des obengenannten Aubrey Ward, versuchte, mit diesem Rum einen etwas gehaltvolleren Mount-Gay-Rum herzustellen und damit an alte Zeiten anzuknüpfen. Als die Rum Refinery ebenfalls an Rémy Cointreau ging fand das Projekt allerding bald wieder ein Ende.. Der Mount Gilboa ist, im Gegensatz zum Mount Gay, ein reiner, dreifach destillierter «pot still»-Rum. Er wird für vier Jahre in gebrauchten amerikanischen Eichenfässern gelagert.

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Buccoo Bay


Trinidad und Tobago Vor Venezuela liegen die beiden Inseln Trinidad und Tobago. Sie sind die Heimat des Calypso, der Steelbands, des berühmten Karnevals und des schweren Rums. Auch sie sind – wie Barbados – nicht vulkanischen Ursprungs, sondern waren einst Teil des südamerikanischen Festlands. Entsprechend entstanden hier einige endemische Arten, beispielsweise eine leuchtende Eidechse. 1498 kam Kolumbus auf die Insel und gab ihr, von drei Berggipfel inspiriert, den Namen Trinidad – Dreieinigkeit. Nach 250 Jahren im Besitz der spanischen Krone wurde die Insel 1797 von den Briten übernommen. Im darauffolgenden Jahrhundert wuchs Trinidad mit Guyana und Jamaika zur grössten Rumproduzentin der Welt. Seit 1889 wird die Insel gemeinsam mit Tobago verwaltet, 1962 sind sie als Staat innerhalb des Commonwealth in die Unabhängigkeit entlassen worden. In der Rum-Welt ist Trinidad für die britischen Navy-RumVerschnitte bekannt. Rum aus Trinidad, Jamaika und Guyana bildet seit jeher deren Grundlage, denn Produzenten in diesen Ländern beherrschen die Kunst der Herstellung extrem schwerer «heavy-body»-Rums wie sonst niemand. Leider sind mit den Jahren viele Brennereien verschwunden, und heute bleibt nur eine einzige übrig: die Produzentin des weltberühmten Angostura Bitter, das auf Rumbasis hergestellt wird. Aus Trinidad stammt auch eines der berühmtesten Lieder über Rum. Der legendäre Calypso-Sänger Lord Invader sah 1942 die amerikanischen G.I. ihr Coca-Cola mit Trinidad-Rum vermischen und schrieb den (Seite 38) späteren Millionen-Hit «Rum and Coca-Cola». Berühmt wurde der Song jedoch erst später durch die Andrew Sisters. 31


Morey Amsterdam, der den Song nach Amerika und zu den Andrew Sisters brachte, hatte sich jedoch nicht um Urheberrechte gekümmert. Es folgten zwei Plagiatsprozesse, die den Song nur noch berühmter machten. Der Drink, um den es im Lied geht, ist eigentlich nichts anderes als eine Trinidad-Version des Cuba Libre. Angostura Ltd.

Für die Bars dieser Welt ist das Wichtigste, was uns diese Brennerei bietet, das weltberühmte Angostura Bitter. Der deutsche Arzt Dr. Johann Siegert entwickelte es 1820 – im Alter von 24 – in Venezuela. Siegert stand im Dienst Simón Bolívars und nutzte das Bitter als Medizin gegen die fiebrigen Infektionen, unter denen die Soldaten litten. Seine Söhne verlagerten das Geschäft 1875 nach Trinidad. Da Angostura Bitter auf Rum-Basis hergestellt wird, fing Robert W. Siegert 1936 an, auch eigenen Rum zu brennen. Heute vertreibt Angostura Ltd. eine ganze Reihe von Rum verschiedenster Qualitätsstufen und ist einer der grossen Händler von offenem Rum («bulk rum»), der in der ganzen Welt verkauft wird.

Angostura No.1 40% 3/4 m k

Dieser Rum ist der erste einer Reihe limitierter Abfüllungen. Nach zehn bis zwölf Jahren in gebrauchten Bourbon-Fässern erhielt er ein Finish in «first fill»-Bourbon-Fässern. 9600 Flaschen davon gibt es weltweit. Trinidad Distillers Ltd.

Die Brennerei Trinidad Distillers ist eine Abteilung von Angostura. Hier werden die Rumsorten gebrannt, die unter dem Dach von Angostura Ltd. vertrieben werden. Diese Kolonnenbrennerei ist hochmodern und fähig, die verschiedensten Rum-Stile zu produzieren. Neben den Rums für Angostura werden nochmals 18 bis 20 Millionen Liter Alkohol gebrannt, die an Produzenten und Abfüller gehen, die nicht selber brennen. 32


Cadenhead’s TMAH 19 yo 68,3% 5/2 m k

Cadenhead’s kauft von ausgewählten Brennereien einzelne Fässer oder Tanks und lässt sie in Schottland zu Ende reifen. Dieser Rum wurde 1991 gebrannt und 19 Jahre im kalten Schottland gelagert. Hier wird sofort klar, was «heavy-body» bedeutet: extrem aromatischer Rum in Fassstärke. Cadenhead’s TMAH 24 yo 62.6 % 5/2 m k

Der 24-jährige Nachfolger ist erwartungsgemäss nicht schlechter geworden. Der Beweis, dass Trinidad Distillers noch immer sehr guten «heavy-body» hervorbringt. Zaya Gran Reserva Rum 12 yo 40% 3/4 m k

Dieser Rum wurde ursprünglich in Guatemala gebrannt. Als der Grosskonzern Diageo aber das Marketing und den Vertrieb des heute international bekannten Zacapa-Rum übernahm, gab dieser die Marke Zaya aus wirtschaftlichen Gründen wieder auf. Die Produktion ging zu Trinidad Distillers und zeigt schön auf, wie eine moderne Destillerie verschiedene Stile produzieren kann. Der Zaya schmeckt, als würde er noch immer aus Lateinamerika kommen: süsslich-mild. Caroni Distillers Ltd.

Caroni war die Rum-Abteilung der staatlichen Zuckerfabrik und produzierte bis 2002. Nachdem die Brennerei geschlossen wurde, kam die vom Staat geplante Auktion der Lagerbestände nie zustande. Zum Glück: So konnten unabhängige Abfüller die Fässer kaufen und sie – zum Teil bis heute – in Europa lagern. Die Abfüllungen aus den Caroni-Beständen gehören zu den begehrtesten und teuersten Flaschen auf dem Markt. 33


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Caroni 1998 Bristol Spirits 40% 4/1 m k

John Barrett von Bristol Spirits ist einer der Abfüller, die uns mit grossem Sachverstand das Erbe der geschlossenen Destillerie zugänglich machen. Schwerer, noch etwas ungestümer, aber komplexer Rum. Caroni 1974 Bristol Spirits 46% 5/2 m k

Von diesem Jahrgang sind nur noch wenige Flaschen weltweit zu haben. Hier findet sich die ganze Komplexität von Caroni in der Flasche. Ein wundervoller Rum, der es schafft, gleichzeitig nach süssen Sultaninen und brennenden Autoreifen zu duften. Caroni 1984–2006 Full proof Velier 54.6% 4/2 m k

Luca Gargano vom italienischen Abfüller Velier hat sehr viele verschiedene Caronis auf den Markt gebracht. Fast jeder einzelne davon ist unübertroffen. Velier ist in diesem Bereich das Mass aller Dinge. Unübertroffen ist er inzwischen leider auch, was die Preise angeht, sofern überhaupt noch Flaschen zu finden sind. Sein 1984er war einer der faszinierendsten, aber auch untypischsten Caronis, die ich je degustieren durfte. Caroni 1997–2015 Liquid Art 50.5% 4/2 m k

Diese Abfüllung kommt vom kleinen belgischen Abfüller Liquid Art. Ein typischer Vertreter, allerdings ein wenig leichter und fruchtiger als andere Caronis.

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Caroni 1997–2011 Silver Seal 46% 5/2 m k

Der Abfüller Silver Seal kommt aus dem Rumliebhaberland Nummer eins – Italien. Gelagert werden die Fässer jedoch in Glasgow. Schwerer, komplexer Rum mit viel Wucht. Caroni 1997–2015 A.D. Rattray 63.6% 5/2 m k

Noch ein 1997er Caroni – dieser vom schottischen «whisky bottler» A. D. Rattray. Sehr direkt und ein wenig bissig, aber mit der vollen Ladung «Gummigeschmack».

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Rum & Coca Cola

If you ever go down Trinidad They make you feel so very glad Calypso sing and make up rhyme Guarantee you one real good fine time Drinkin‘ rum and Coca-Cola Go down Point Koomahnah Both mother and daughter Workin‘ for the Yankee dollar Oh, beat it man, beat it Since the Yankee come to Trinidad They got the young girls all goin‘ mad Young girls say they treat ‚em nice Make Trinidad like paradise Drinkin‘ rum and Coca-Cola Go down Point Koomahnah Both mother and daughter Workin‘ for the Yankee dollar Oh, you vex me, you vex me From Chicachicaree to Mona‘s Isle Native girls all dance and smile Help soldier celebrate his leave Make every day like New Year‘s Eve Drinkin‘ rum and Coca-Cola Go down Point Koomahnah Both mother and daughter Workin‘ for the Yankee dollar It‘s a fact, man, it‘s a fact In old Trinidad, I also fear The situation is mighty queer Like the Yankee girl, the native swoon When she hear der Bingo croon

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Drinkin‘ rum and Coca-Cola Go down Point Koomahnah Both mother and daughter Workin‘ for the Yankee dollar Out on Manzanella Beach G. I. romance with native peach All night long, make tropic love Next day, sit in hot sun and cool off Drinkin‘ rum and Coca-Cola Go down Point Koomahnah Both mother and daughter Workin‘ for the Yankee dollar It‘s a fact, man, it‘s a fact Rum and Coca-Cola Rum and Coca-Cola Workin‘ for the Yankee dollar Lord Invader, 1942 1947 Fotografie von William P. Gottlieb – vermutlich im Renaissance Ballroom Harlem – Lord Invader (2. v.r.).

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Jamaika Jamaika ist das Land mit der grössten Bar-Dichte der Welt, eine Statistik, welche die illegalen Kneipen nicht einmal mitzählt. Hier wird also viel getrunken, und nicht wenig davon ist Rum. Neben Reggae und der Rastafari-Ideologie ist das Land für Jamaika-Rum bekannt, besonders in Deutschland. Dort wurden im 18. Jahrhundert sehr hohe Einfuhrzölle auf ausländische Spirituosen erhoben, weshalb Rum mit deutschem Neutralalkohol und Wasser verschnitten wurde. Bis heute müssen diese Mischungen nur fünf Prozent Jamaika-Rum enthalten, was die Einfuhrzölle niedrighält und den Namen «Jamaika-Rum-Verschnitt» geschaffen hat. Dieser Rum eignete sich dazu hervorragend, da die Jamaikaner es besser als alle anderen verstehen, sogenannten Hoch-Ester-Rum zu destillieren: extrem konzentrierten, hocharomatischen Rum. In reiner Form soll er ziemlich ungeniessbar sein, zum Verschneiden eignet er sich aber perfekt. Ein wichtiger Schritt bei der Herstellung ist die Fermentation. Hier wird in Jamaika traditionell «dunder» (Schlempe) beigegeben. Dunder ist die Flüssigkeit, die nach einem Brenngang im «pot still» übrigbleibt, und wird teils in sogenannten Dunder-Gruben im Freien gesammelt. Das System dieser tiefen, relativ unappetitlichen Gruben wurde eingeführt, um die Rumqualität zu stabilisieren und einen pH-Wert zu erreichen, bei dem die Hefe gut arbeitet. Die Bourbon-Produzenten machen dasselbe – hier heisst es dann «sour mash». Dieser Stil nennt sich denn in Jamaika auch «Continental Flavored Rum» oder «German Style». Danach kommen die etwas weniger intensiven Stile «Wedderburn», «Plummer» und «Common Clean» – abgestuft nach dem Gehalt der 41


Ester-Anteile (Aldehyde) im Rum. Das tönt (und ist) alles ein bisschen kompliziert, eröffnet jedoch eine grosse Bandbreite an Kombinationen verschiedener Stile. Jamaika-Rum ist aber in jeder Variante sehr aromatisch und charakteristisch. Mit zehn Millionen Litern im Jahr war die britische Kolonie Jamaika Ende des 18. Jahrhunderts die grösste Rumproduzentin der Welt. Damals kamen auf 18’300 britische Einwohner 226’000 Sklaven. Mit dem Slavery Abolition Act, mit dem das britische Parlament ab 1834 die Sklaverei im ganzen Empire abschaffte, beginnt der Niedergang der jamaikanischen Zucker- und Rumindustrie, was sich allerdings nicht auf die Qualität des Getränks auswirkte. J. Wray & Nephew Ltd.

Wray & Nephew ist in Jamaika eine Institution. Zur Firma gehört auch das Appleton Estate, das 1655 zum ersten Mal erwähnt wird und dessen Brennerei 1749 zum ersten Mal nachweislich Rum produziert hat. John Wray besass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Kingston eine Taverne und brannte dafür seinen eigenen Rum. Als sein Neffe Charles J. Ward zur Firma stiess, begannen sie im grösseren Stil Rum zu brennen und zu blenden. Bald gewannen sie die ersten drei Goldmedaillen an der Great London Exhibition. 1916 kauften die Wrays auch Appleton und wurden damit zu den grössten Produzenten auf Jamaika. An drei Brennereistandorten auf der Insel produzieren sie neben den Appleton- und Wray-&-Nephew-Rums zum Beispiel auch für die Basler Firma Coruba Rum.

Wray & Nephew Overproof 63 % 4/3 m k & p

In Jamaika wird dieser Rum an jeder Strassenecke getrunken – oft wie Wasser, manchmal mit Wasser. Empfohlen wird ein Verhältnis von 1:4, aber probieren Sie selbst, denn auch pur 42


oder auf Eis ist dieser sauber gebrannte Rum zu geniessen – zumindest für jene, die es gern «kräftig» haben. Bei diesem gehaltvollen Overproof wird klar, warum karibischer Rum einst den Übernamen «Kill Devil» trug. Appleton 12 yo 43% 4/3 m k & p

Mindestens zwölf Jahre in verschiedenen Fässern (Bourbon, Cognac, Sherry,Wein) geben diesem kräftigen Rum viel Finesse. Die Appleton-Rums beinhalten neben den für Jamaika typischen «pot still»-Destillaten auch Rum aus der «column still». Dies macht sie etwas leichter und zugänglicher. Sie verbergen ihre Herkunft aber trotzdem nie. Appleton 21 yo 43% 4/3 m k & p

Das Spitzenprodukt von Appleton. Liegt mindestens 21 Jahre in kleinen Eichen- und Sherry-Fässern. Alles sehr ausgewogen, rund und voll. Ein grosser Rum. Appleton 30 yo 45% 3/2 m k & p

Im Jahr 2008 brachte Appleton 1440 Flaschen seines ersten 30-jährigen Rums auf den Markt. Ein heute sehr gesuchter Rum, der meiner Meinung nach zu viel Holz erwischt hat. Verglichen mit dem 21-jährigen ist er sehr unausgewogen und fast etwas bitter – älter ist eben nicht immer besser. Appleton 50 yo 45% 3/2 m k & p

2012 zum 50. Unabhängigkeitstag Jamaikas lanciert und offiziell der am längsten fassgelagerte Rum der Welt. Ein Blend aus drei «überlebenden» Sherry-Fässern. Die Flasche kostet um die 5000 Franken. Ich durfte den Rum bei seinem Markt43


eintritt degustieren. Faszinierend ist, dass er nach 50 Jahren in Sherry-Fässern noch immer sehr zugänglich ist. Doch den Preis schuldet er mehr seiner Seltenheit und seinem Alter als seiner Komplexität. Monymusk Distillery

Bei Monymusk wird seit dem 17. Jahrhundert destilliert und ihr Rum findet sich in den verschiedensten Blends wieder. Unter dem eigenen Namen verkauft sie in Jamaika nur weissen «overproof»-Rum. Dieser wird heute jedoch in der Clarendon-Destillerie hergestellt.

Monymusk 9 yo W. D. J. Marketing 46 % 4/2 m p

Ein sehr klassischer Vertreter des jamaikanischen Stils. Den britischen Abfüller dieser Flaschen gibt es leider schon länger nicht mehr. Ein komplexer, beeindruckender Rum. Long Pond Distillery

Diese Brennerei an der Nordküste Jamaikas hat eine interessante Geschichte. Sie liegt, wie Hampden Estate, im Bezirk Trelawny und produziert traditionelle, aromatische Rums. 1944 begann der Mischkonzern Seagram mit der Produktion des Captain-Morgan-Rum. Dazu kaufte die Firma die Long Pond Distillery und gab, nach dem Rezept einer Kingstoner Apotheke, Gewürze in den Rum – Captain Morgan Spiced Rum war geboren. In den 1950er Jahren verkaufte Seagram die Brennerei an die Serralles Group. Die Marke Captain Morgan gehört seit 2001 Diageo und wird heute wahrscheinlich auf der Insel Saint Croix (US Virgin Islands) gebrannt. Long Pond selber ist heute im Besitz des Staates Jamaika und verkauft viel offenen Rum zu Verschnitt-Zwecken. Es gibt aber einige Abfüllungen der Destillerie selber und von unabhängigen Abfüllern.

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Vale Royal 2002 8 yo Bristol Spirits 43 % 4/2 m p

Eine schöne Abfüllung von Bristol Spirits, die acht Jahre reifen durfte. Die typischen Aromen von überreifen Früchten sind hier gut eingebunden. Hampden Estate Distillery

Früher säumten über hundert Brennereien die Nordküste Jamaikas. Überlebt hat neben der Long Pond Distillery nur Hampden Estate. 2003 wurde die Destillerie verstaatlicht und kurze Zeit später geschlossen. Die Familie Hussey kaufte sie 2009, um sie wiederaufzubauen. Hampden ist bekannt dafür, sehr gehaltvollen Rum zu produzieren, der meist als Verschnitt-Rum nach Europa gelangt. Seit einiger Zeit hat man mit dem Rum Fire wieder ein eigenes weisses «overproof»Produkt auf dem Markt und mit Hampden Gold auch einen vierzigprozentigen goldenen Rum. Beide sind eher für den Einsatz in Cocktails gedacht.

Hampden Estate Gold Rum 40 % 4/2 m p

Die mehrjährige Lagerung und der tiefe Alkoholgehalt machen ihn verhältnismässig weich und auch pur trinkbar. Er bleibt aber ein sehr guter Rum für kräftige Cocktails und «punches». Hampden 8 yo Cadenhead’s 63,2 % 5/2 m p

Der Abfüller Cadenhead’s hat immer wieder alte HampdenRums auf den Markt gebracht, die in Schottland in aller Ruhe reifen durften. Dieser Rum stammt aus der Zeit vor der Schliessung der Destillerie. Unverdünnt und in voller Fassstärke kommt hier die ganze, fast schon krasse, aromatische Vielfalt Jamaikas ins Glas. Extrem intensiv und sehr stark – diesen Rum darf man ohne schlechtes Gewissen mit etwas Wasser verdünnen. 45


Hampden 12 yo Cadenhead’s 62,1 % 5/3 m p

Hier gilt dasselbe wie beim achtjährigen, oben beschriebenen Rum. Einzig die Lagerzeit dauert vier Jahre mehr – was aber sofort auffällt. Die alkoholische Schärfe tritt etwas in den Hintergrund, dafür macht sich das Holz besser bemerkbar. Etwas angenehmer zu trinken. Cadenhead’s Green Label Jamaican Rum 15 yo 46 % 
 4/2 m p

Die Green-Label-Reihe von Cadenhead’s ist die etwas einfacher zu trinkende Linie des Abfüllers, da diese Rums auf 46 Prozent verdünnt werden. Leider werden hier die Destillerien nicht angegeben, sodass jeweils ein grosses Rätselraten darüber losgeht, woher die jeweiligen Abfüllungen wohl stammen. Diese könnte Hampden sein. Hampden 1993 - 2016 Cave Guildive 66,2% 5/1 m p

Das ist sehr intensiver jamaikanischer Rum. Wer das nicht mag, der kann nur noch an Nagellackentferner denken. Wem es aber liegt, schwärmt nur noch von seinem endlosen, sich immer wieder verändernden Abgang. Mr. Buchanan, Christelle Harris und Mr. Mackenzie Hampden Estate Distillery

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St. Lucia Der Pirat François Le Clerc, genannt «Jambe de Bois» (Holzbein), war der erste Europäer, der auf St. Lucia sesshaft wurde. Dank der vulkanischen Gebirgslandschaft und dem undurchdringlichen Regenwald konnten die Kariben hier den konkurrierenden Kolonialmächten erfolgreich Widerstand leisten. Die Insel blieb deshalb lange ein Piratennest, Besiedlungen scheiterten immer wieder. Beispielsweise 1605, als 67 Engländer auf dem Weg nach Guyana in St. Lucia strandeten. Nach einem Monat auf der Insel lebten nur noch neunzehn und flohen in einem Kanu. Vierzehn Mal wurde St. Lucia zwischen Frankreich und Grossbritannien abwechslungsweise besetzt, bis es 1814 definitiv der britischen Krone zugeschlagen wurde. Queen Elizabeth II ist heute noch das Staatsoberhaupt. Petit und Grand Piton, die beiden Vulkane, deren Flanken im Westen direkt ins Meer ragen, sind im Unesco-Welterbe eingetragen, und unzählige Kreuzfahrt-Schiffe halten deshalb hier. Trotzdem hat die Insel ihren Charme vergangener Zeiten bewahren können, mit wöchentlichen Tanzveranstaltungen auf der Strasse und kleinen Bretterbuden, in welchen am «à bas conté» genippt wird, ein mit Wurzeln, Kräutern und Gewürzen versetzter Rum. Von einst drei Destillerien ist noch eine übrig, und die Zuckerrohrplantagen wurden von Bananen verdrängt. Deshalb wird die Melasse heutzutage aus Guyana und der Dominikanischen Republik eingeführt, was aber nichts an der sehr guten Qualität der Rums ändert. St. Lucia Distillers LTD

Die St. Lucia Distillers Ltd. wurde 1972 gegründet. Sie ist eine Fusion der Geest Industries und der Familie Barnard, welche zwei Destillerien in Roseau und Dennery führten. Die tech47


nischen Geräte wurden zusammengelegt und in einer neuen Destillerie in Roseau installiert. Lorrie Barnard führte die Destillerie von 1972 bis zu seinem Tod 2012 auf sehr innovative Art und Weise; 25 verschiedene Produkte werden hier hergestellt. Seit dem Jahr 2005 liegt die Aktienmehrheit bei CLICO Barbados Holding, und Margaret Monplaisir führt die Geschäfte. In der Brennerei stehen zwei verschiedene «pot stills» sowie eine doppelte Kolonnenanlage, die es erlauben, eine grosse Bandbreite an Rum-Stilen produzieren zu können.

Chairman’s Reserve 40% 3/3 m k & p

Dieser Rum enthält Anteile aus allen drei Brennapparaten der Destillerie. Sie werden separat in Bourbon-Fässern von Jim Beam, Jack Daniel’s und Buffalo Trace ausgebaut und erst nach mindestens fünf Jahren vermählt. Ein sehr ausgewogener, perfekt gemachter «medium-body»-Rum. Chairman’s Reserve The Forgotten Casks 40% 3/3 m k & p

2007 wurden grosse Teile der Destillerie in Roseau bei einem Feuer zerstört. Weil dabei auch Lagerhäuser niederbrannten, wurden die Fässer anderswo auf der Insel gelagert. Einige der vermählten Fässer gingen bis zu fünf Jahre lang vergessen. Aus diesem Missgeschick resultierte eine intensivere, etwas süssere Variante des Chairman’s Reserve. Sehr gut ausbalanciert und komplex. Cadenhead’s St. Lucia 9 yo 70,8% 5/2 m p

Dies ist ein reiner «pot still»-Rum, abgefüllt von Cadenhead’s. Über 70 % Fassstärke! Mit ein paar Tropfen Wasser werden viele neue Aromen freigesetzt. Eine unglaubliche Geschmacksfülle mit fast endlosem Abgang. 48


Grenada Grenada geniesst in der Karibik den Übernamen «Spice Island». Die Insel ist berühmt für ihre hervorragenden Kakaobohnen und Muskatnüsse. Auf der Insel gibt es denn auch mit Muskatnuss gewürzten Rum, der in der Schweiz aber nicht erhältlich ist. Heute sind leider nur noch zwei Brennereien aktiv, mit River Antoine dafür eine der spannendsten weltweit. Westerhall Estate N

Seit 1800 wurde hier Rum hergestellt. Die Destillerie steht nun leider seit längerem still. Der weisse Rum kommt aus Trinidad und wird auf der Estate «geblendet», in Fässern gelagert und abgefüllt. Die Familie Williams, der das Gut gehört, pflanzt auch Kakao, Zitrusfrüchte, Bananen und Zuckerrohr an. Westerhall Estate liegt im Süden Grenadas, und der Plantation Rum gilt als einer der edelsten der Insel. Selbst auf Grenada ist er nicht immer erhältlich, umso seltener ist er in Europa zu finden. Wir haben dank unseren Beziehungen zu Grenada den Import zeitweise selber organisiert und konnten diesen Rum lange Zeit exklusiv anbieten.

12 Degrees White Rum 40% 1/3 m k

Auch der weisse Rum von Westerhall verbringt zwei Jahre in Eichenfässern. Danach wird er kohlefiltriert, um die aufgenommene Farbe wieder zu entfernen und ihn besonders mild zu machen. Westerhall Light Rum 40% 2/3 m k

Dieser Rum bleibt drei Jahre in den Eichenfässern. Sehr ausgewogener «medium-body»-Rum mit einer guten Balance von Süsse und Würzigkeit. Zum pur Trinken oder zum Mixen. 49


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Strassenszene in Sauters – Grenada


Westerhall Plantation 43% 3/3 m k

Der Plantation ist mit mindestens fünf Jahren im Fass ein sogenannter «sipping rum», das heisst: zum pur Trinken gedacht. In der Nase noch leicht alkoholisch, ist er im Mund sehr mild und geschmeidig – jedoch mit einem starken Charakter. Westerhall XO 10 40% 4/3 m k

Das Flaggschiff der Range wurde zehn Jahre in Fässern gelagert. Vollmundig, sehr mild und ausgewogen River Antoine Distillery N

Die River-Antoine-Destillerie müsste eigentlich sofort zum Unesco-Welterbe erklärt werden. Sie wurde 1785 errichtet und seither kaum verändert. Strom gibt es nur im Büro, denn gearbeitet und angetrieben wird sonst noch immer mit Wasserkraft, Holz oder «bagasse», den getrockneten Resten des ausgepressten Zuckerrohrs. Das mächtige Wasserrad ist mit der oben erwähnten Jahreszahl gekennzeichnet und treibt die Zuckerrohrpresse und ein ebenso altes Förderband an. Dann läuft der Saft in den «concentration room», in dem er in fünf aufeinanderfolgenden Becken durch die brennende Bagasse immer weiter erhitzt wird. In einem sechsten Becken wird der Saft mit fünf bis zehn Prozent Melasse (zum Süssen) vermischt und danach acht Tage lang offen vergärt. Dies geschieht seit wenigen Jahren nicht mehr in Fässern, sondern in Betontanks – die einzige grössere Neuerung, die hier in 250 Jahren stattgefunden hat. Gebrannt wird in zwei «pot stills», die mit Holz beheizt werden und denen zwei Verstärker angehängt sind. Der Rum erreicht so einen Mindestalkoholgehalt von 75 Prozent. Falls nicht, geht er zurück zur Destillation, um erneut gebrannt zu werden. Sind 75 Prozent erreicht, wird er abgefüllt und sofort lokal verkauft. Es gibt auch eine 69-Prozent-Version für Touristen – Rum mit einem Alkoholgehalt von über siebzig Prozent darf nämlich nicht im Flugzeug transportiert werden. 51


Rivers Royale Grenadian Rum 69% 5/1 m & z p

Dieser Rum ist ein Unikum in der Rumwelt: gebrannt aus reinem Saft von handgeschnittenem Zuckerrohr in uralten «pot stills», mit einem Anteil von fünf bis zehn Prozent Melasse – und das alles völlig «overproof». Diese Kombination habe ich so noch nie kennengelernt, und sie lässt an höchst dubiose Hinterhofbrennereien denken. Sie war einst aber typisch für Grenada-Rum. Was hier rauskommt, ist für verwöhnte mitteleuropäische Rumtrinkerinnen und -trinker kaum geniessbar und erinnert im ersten Moment an Feuerzeugbenzin, Pinselreiniger oder Nagellackentferner. Es gibt wohl keinen anderen Rum, der so nahe am sagenumwobenen Piratenschnaps von früher dran ist. Wer sich erst mal daran gewöhnt hat, findet allerdings schöne fruchtige Noten. Auch ist der extrem hohe Alkoholgehalt weniger präsent, als zu befürchten wäre. Dieser Rum ist dennoch unbedingt auf Eis zu empfehlen, das auch ruhig ein wenig schmelzen darf.
Im Norden Grenadas ist ein «Rivers» für die lokale Bevölkerung absolut unverzichtbar und ein Synonym für Rum überhaupt. Auf den Punkt gebracht hat es dann auch ein «local», mit dem ich bei einem Besuch in Grenada «Rivers» trank: «It’s the best rum in the world but it stinks.»
Leider in Europa fast nie erhältlich, doch wir arbeiten daran. (Die Bilder auf den Umschlaginnenseiten zeigen die Brennerei)

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Der ÂŤconcentration roomÂť bei River Antoine

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Antigua 1632 besiedelten die Briten Antigua und blieben bis zur Unabhängigkeitserklärung 1981 die Kolonialmacht. Danach bildete Antigua mit den Inseln Barbuda und Redonda einen Staatenbund. Im Süden des Landes liegt der sogenannte English Harbour. Der ehemalige Kriegshafen der Royal Navy ist durch seine natürliche Lage einer der wenigen tropensturmsicheren Häfen und gab auch dem lokalen Rum seinen Namen. Antigua Distillery Ltd.

Die Rums dieser 1932 gegründeten Destillerie heissen auf St. Lucia «Cavalier»; für den Export haben sie den touristisch besser zu vermarktenden Namen der Hauptsehenswürdigkeit angenommen.

English Harbour 10 yo 40% 3/3 m p

Mindestens zehn, aber bis zu 25 Jahren in kleinen Eichenfässern gereift. Solider «medium-body» Rum.

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British Virgin Islands Auf den dreissig Inselchen der British Virgin Islands ist Rum ein Teil der Geschichte und der Tradition. Erinnerungen an die rumgetränkten Tage der Marine sind hier noch lebendig. Ab 1680 übernahm England, nach einem kurzen Intermezzo von Holland, endgültig wieder die Kontrolle über die Inseln. Die Engländer machten weiter, womit die Holländer begonnen hatten: Zucker anzubauen und Rum zu produzieren. Auf der Hauptinsel Tortola entstehen noch immer einige Destillate, die im Gegensatz zum benachbarten St.-Croix-Rum kräftig und wild sind. Leider ist davon fast nichts erhältlich, dafür hat der Pusser’s-Rum – und mit ihm ein Stück britische Geschichte – auch uns erreicht. Pusser’s West Indies Ltd.

Weil das Trinkwasser auf den Schiffen oft verunreinigt war, wurden die im Wasser befindlichen Bakterien mit Rum neutralisiert. Admiral Edward Vernon (Übername «Old Grog») befahl, den der Besatzung zugedachten Viertelliter pro Tag in zwei Rationen aufzuteilen, mit Wasser zu verdünnen und – gegen die Vitaminmangelkrankheit Skorbut – eine Zitronenscheibe beizugeben. Damit war der Grog erfunden. Über 300 Jahre lang erhielt jeder Matrose der Royal Navy seine tägliche Ration Rum vom sogenannten «pusser», dem Zahl- und Proviantmeister (von «purse», dem Portemonnaie), gereicht. Diese Praxis wurde am 31. Juli 1970, dem noch heute zelebrierten «Black Tot Day», abgeschafft. Als Ersatz wurde ein Fonds für Seeleute eingerichtet – der Royal Navy Sailors’ Fund, im Volksmund «Tot Fund». Im Jahr 1979 konnte dann Charles Tobias das Originalrezept kaufen und kommerzialisieren. Eine Auflage die bis heute besteht, sind die regelmässigen Spenden in den «Tot Fund». Pusser’s Rum ist heute die grösste Einnahmequelle des Fonds, und Charles Tobias wurde inzwischen auch von der Queen für seine Verdienste geehrt. 57


Pusser’s Blue Label 40% 4/2 m k & p

Dieser Rum wird immer noch nach Originalrezept hergestellt und ist ein Verschnitt fünf verschiedener Rums aus Guyana und Trinidad. Er ist sehr kräftig und würzig, aber doch süsser, als die Nase vermuten lässt. Die Eigenwerbung der Firma lautet: «Der Single Malt des Rums». Das trifft es ziemlich gut. Nelson’s Blood 40% 4/3 m k & p

Ein Pusser’s Rum, der mindestens fünfzehn Jahre in Fässern gelagert wurde und deswegen etwas süsser und geschmeidiger ist. Der Name kommt von einer etwas unappetitlichen Seemannsgeschichte. Als Admiral Nelson in der Schlacht von Trafalgar 1805 fiel, wurde seine Leiche nach London gebracht, um ihm ein Staatsbegräbnis zu ermöglichen. Damit die Leiche gut konserviert ankam, soll sie in ein Rumfass gelegt worden sein. Der Rum, von dem die Matrosen dann doch heimlich tranken, soll ziemlich rot gewesen sein. Heute ist bewiesen, dass Nelson nicht in einem Rum-, sondern in einem Branntweinfass «konserviert» wurde. Der Rum darf trotzdem noch so heissen.

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U. S. Virgin Islands Die heutigen amerikanischen Virgin Islands gehören zur grösseren westlichen Gruppe dieser Inseln. Sie haben eine wechselhafte Geschichte hinter sich, denn nicht weniger als sieben Nationen hissten hier nacheinander ihre Flaggen: Spanien, England, Holland, Frankreich, Malta, Dänemark und schliesslich die USA, die den Grundbesitz 1917 für 25 Millionen Dollar erwarben. Die Rumherstellung begann im frühen 17. Jahrhundert mit den Franzosen und gewann dann mit britischen Pflanzern auf der Insel Saint Croix an Bedeutung. Der damalige Stil soll dem schweren jamaikanischen Rum sehr ähnlich gewesen sein und genoss hohes Ansehen.
Heute haben die Cruzan-Rums (der Name verweist auf die Einwohner der Insel) einen eher leichten, eleganten Körper, der an den spanischen Stil erinnert. Cruzan Rum Distillery

Diese Destillerie ist eine der grössten in der Karibik und wird von der Familie Nelthropp geführt. Als Besitzer gaben sich schon diverse multinationale Getränkekonzerne die Klinke in die Hand. Seit 2008 gehört die Destillerie der amerikanischen Firma Beam Suntory. Rum gebrannt wird hier seit 1760. Nur einmal wurden die Maschinen angehalten – während der Prohibition in den USA. Da die letzte Zuckermühle auf St. Croix auch noch geschlossen wurde, kommt die Melasse heute aus anderen Ländern. Der damit hergestellte Rum ist sehr sauber und eher leicht.

Cruzan Single Barrel 40% 2/3 m k

Der Single Barrel ist ein Verschnitt aus verschiedenen, bis zwölf Jahre lang gereiften Rums und erhält seinen Finish in einem grossen, neuen Eichenfass. 59


A.H. Riise XO Reserve 40% 2/5 m k

Im Jahr 1837 erhielt Albert Heinrich Riise eine Exklusivlizenz zur Eröffnung einer Art Apotheke auf der zu Dänemark gehörenden Insel St.Thomas. Sein Geschäft entwickelte sich blendend, und bald stellte er auch preisgekröntes «bay rum» her – ein Aftershave auf Rumbasis, versetzt mit karibischem Loorbeer («bay leaf»). Das Geschäft wechselte zwar mehrmals die Besitzer, existiert aber immer noch und ist heute ein riesige «duty-free mall» mit Tausenden von Artikeln. Der unter Riises Namen hergestellte Rum wird in der CruzanDistillerie gebrannt und ist ein Blend von mindestens 20-jährigen Rums. Ein sehr gelungener, wenn auch sehr süsser Rum. Starke Anklänge von Orange, die auf verwendete CuraçaoFässer zurückzuführen sind.

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Anguilla In Anguilla vertritt der Gouverneur als Staatsoberhaupt die britische Monarchin, Königin Elisabeth II. Die Insel ist sogenanntes britisches Überseegebiet. Die Bewohnerinnen und Bewohner leben vor allem von Luxustourismus, Hummerfang und Offshore-Banking. Bis zur Gründung der Anguilla Rum Company waren Zucker und Rum auf dieser Insel kein grosses Thema. Anguilla Rum Company

Die Anguilla Rum Company wurde erst 1995 gegründet mit dem Ziel, Rum im Premium-Sektor anzubieten. Eine Destillerie gibt es nicht, die Produzenten blenden Rums verschiedenster Provenienz

Pyrat XO Reserve Planters Gold 40% 2/5 m k

Ein likörartiger, sehr süsser Rum mit starken Orangenaromen.

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Bermuda Auch Bermuda ist britisches Überseegebiet. Der erste Europäer der auf die Insel traf, war 1503 der Spanier Juan de Bermúdez, der aber wegen der gefährlichen Riffe erst gar nicht an Land ging. Auf einem dieser Riffe liefen dann 1609 150 englische Kolonialisten auf und wurden so unfreiwillig zu den ersten Siedlern. Heute lebt Bermuda vor allem vom Tourismus und dem Ruf als Steueroase. Viele internationale Firmen verlegten ihren Standort hierhin. Auch Bacardi hat hier seinen Hauptsitz in einem sehr schönen Mies-vander-Rohe-Haus. Es gibt hier weder Zuckerrohr noch eine Destillerie, und trotzdem ist das mengenmässig wichtigste Exportprodukt der Nationalrum Gosling’s Black Seal. Gosling Brother Ltd.

Im Jahr 1806 landete James Gosling auf Bermuda – sein Geld reichte nicht mehr für die Überfahrt bis Amerika. Zusammen mit seinem Bruder eröffnete er 1824 einen Laden in der Hauptstadt Hamilton. Als James zurück nach London ging, führte sein Bruder Ambrose den Laden weiter, doch erst dessen Söhne fingen ab 1857 an, Rum zu blenden und zu verkaufen. Bis zum Ersten Weltkrieg war Gosling nur offen ab Fass erhältlich. Weltberühmt wurde deren Black Seal dann mit dem Cocktail Dark & Stormy, an dem Gosling die Namensrechte besitzt.

Gosling’s Black Seal 40% 3/5 m k

Ein Verschnitt aus drei separat gereiften Rums der Karibik. Der Rum wird auf Bermuda verschnitten und abgefüllt, aber nicht hergestellt. Der einzig zugelassene Rum für Bermudas offiziellen Nationalcocktail aus Rum, Ginger Beer und einem Stück Limette – ohne Black Seal darf er nicht Dark & Stormy genannt werden. Zum pur Geniessen nur bedingt geeignet. 63


Kuba Einst deckte Kuba einen Drittel des Weltbedarfs an Rohrzucker. Da liegt es nahe, dass hier schon immer viel Rum gebrannt wurde. Dem Kubaner Facundo Bacardí gebührt die Ehre, dem Rum die Verruchtheit ausgetrieben zu haben, die ihm lange Zeit anhing. Mittels Filtration durch Aktivkohle wurde sein Rum mild und leicht und trat so seinen Siegeszug in Form von Cocktails an. Die Klassiker kommen denn auch fast alle aus Kuba. Da der hiesige Rum nicht sehr aromatisch ist, eignet er sich bestens für die fruchtig-frischen kubanischen Cocktails. Während der Zeit der Prohibition reisten viele Amerikaner nach Kuba, um den leichten Genüssen des Lebens zu frönen. Und später trank Hemingway in legendären Bars wie dem Floridita oder der Bodeguita del Medio Unmengen von Daiquiris und Mojitos. Es gibt auf der Insel nach wie vor viele Destillerien, doch sie zu besuchen und damit genaueres zu erfahren, ist sehr schwierig. Da der Markt von Havana Club dominiert wird, gelangen viele Produkte nie bis nach Europa.

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Havana Club International N

Der erste Rum mit dem Namen Havana Club kam 1935 auf den Markt – gebrannt und als Marke lanciert, wurde er in der Brennerei von José Arechabala, die seit 1878 in Cardenas stand. Nach der Revolution durch Fidel Castro und dessen Mitstreiter wurde die Firma enteignet, und die Familie setzte sich, wie auch die Bacardís, ins Exil ab. Die Namensrechte gingen 1973 an den kubanischen Staat. 1993 ging die Firma Pernod Ricard ein Joint Venture mit dem kubanischen Staat ein und lancierte den Rum weltweit (mit Ausnahme der USA), sehr zum Missfallen des Marktleaders Bacardi, der nach jahrelangem Rechtsstreit heute in den USA einen Rum verkauft, der ebenfalls Havana Club heisst und, wie zum Teil Bacardi selbst, auf Puerto Rico produziert wird.

Havana Club Añejo Blanco 37,5% 1/4 m k

Ein guter Rum für die klassischen kubanischen Cocktails. Wird leider zugunsten des «3 años» abgeschafft.. Havana Club Añejo 7 Años 40% 1/4 m k

Sehr guter, milder, dunkler Rum zum Mixen oder pur Trinken. Havana Club Màximo extra añejo 40% 1/4 m k

Der «Superpremiumrum» der Marke. Ein Blend aus den besten Fässern. Die Flasche kostet um die 2000 Franken – dafür erhält man dann auch richtig viel Holzgeschmack. Destilería Paraíso (Sancti Spíritus)

Diese Brennerei heisst eigentlich Paraíso, wird aber meist nur Sancti Spíritus genannt, benannt nach der Stadt im Zentrum Kubas, in der sie liegt. Sie produziert unter anderem den Santero- und den Mulata-Rum und ist wahrscheinlich die einzige Destillerie, die auch ganze Fässer an Abfüller verkauft. Wie bei allen kubanischen Destillerien gibt es sonst sehr wenig zu erfahren. 65


Fine Cuban Rum 2003 Bristol Spirits 43% 2/3 m k

Ein sehr schöner Rum vom Abfüller Bristol Spirits. Ziemlich trocken für einen Kubaner. Sancti Spiritus 17yo Cadenhead’s 62.2% 2/2 m k

Ein Einzelfass, abgefüllt mit Fassstärke. Für mich persönlich das Beste, was ich bisher aus Kuba getrunken habe.

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Dominikanische Republik Die Insel Hispaniola gehört zu den grossen Antillen und ist seit der Kolonialzeit in zwei Staaten geteilt. Der grössere ist die Dominikanische Republik, der kleinere Haiti. Hispaniola war eine der ersten Inseln, die Zuckerrohr anbaute; die erste Zuckermühle arbeitete hier schon 1516. Wahrscheinlich wurde damals schon eine Art Rum hergestellt. Heute wird die Insel von den Rumtrinkern gerne übersehen, denn vor allem Rums der Dominikanischen Republik haben keine klingenden Namen. Das rührt auch daher, dass Hispaniola, im Gegensatz zu den anderen grossen Zuckerinseln, nie einen eigenen prägnanten Stil hervorbrachte. Die drei grossen Rumproduzenten des Landes – Brugal, Barcelo und Bermúdez – waren spanische Einwanderer und pflegten somit den spanisch-kubanischen Stil: weiche, in amerikanischer Eiche gereifte Spirituosen von sanfter Eleganz mit spürbarer Holznote. J. Armando Bermúdez & Co.

Im Gebirgsstädtchen Santiago produziert dieser Familienbetrieb seit 1852. Auf der Insel zwar bestens bekannt, wenn auch die beiden anderen grossen Produzenten international präsenter sind.

Bermúdez Aniversario 40% 1/4 m k

Der Aniversario reift über zwölf Jahre im Solera-System. Ein sehr schöner, eleganter und sanfter Rum.

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Haiti Der Sklavenaufstand von 1791 auf Haiti führte zur «ersten schwarzen Republik» nach dem Vorbild der Französischen Revolution. Unter der Führung von Nationalheld Toussaint Louverture kämpften die Aufständischen gegen die Unterdrückung durch die Kolonialmacht und gegen britische, französische und spanische Truppen. Die Kolonialmächte hatten nicht zu Unrecht Grund zur Sorge, schliesslich waren sie dank der Sklaverei reich geworden. 1794 erklärte Frankreich das Ende der Sklaverei in Haiti, und am 1. Januar 1804 wurde der Staat unabhängig. Das kostete allerdings: Frankreich verlangte für die Anerkennung später 150 Millionen Francs – heute entspricht das 21 Milliarden Dollar. So wurde aus einer der reichsten Kolonien einer der ärmsten Staaten: Achtzig Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Dass nirgendwo in der Karibik mehr Rum konsumiert wird, liegt aber eher daran, dass das Getränk, das hier «Clairin» genannt wird, ein wichtiger Bestandteil vieler Voodoo-Zeremonien ist. Es ist der Rum der Armen, der heute noch produziert wird wie vor 300 Jahren. Der Italiener Luca Gargano, der seit einigen Jahren mit Clairin experimentiert, zählte 532 rudimentäre Distillerien. Rhum Barbancourt

Dupré Barbancourt aus der Charente (dem Cognacgebiet) brachte 1800 die Cognac-Technologie auf die Insel. Bis heute wird in der von ihm gegründeten Destillerie ein Rum aus Zuckerrohrsaft mit sehr viel Finesse gewonnen. Gebrannt wird zuerst in einer stählernen «column still» und danach auf kupfernen «pot stills» oder, wie sie in diesem Fall heissen: «alambic charentais». Die Rums werden danach in Fässern aus Limousin-Eiche in verschiedensten Grössen (bis zu siebzig Hektoliter) ausgebaut. 69


Gebrannt wird gemäss alter Tradition nur in den Monaten Dezember bis Mai, denn in dieser trockenen Jahreszeit weist das Zuckerrohr den höchsten Zuckergehalt auf.

Rhum Barbancourt 4 ans (3 stars) 40% 3/2 z k & p

Der jüngste der gealterten Barbancourt-Rums hat die typische Schärfe junger Rhums agricoles. Ihm fehlt noch die Eleganz, dafür ist da viel Frische. Rhum Barbancourt 8 ans (5 stars) 43% 3/3 z k & p

Ein ganz grosser Rum in perfekter Balance – wegen ihm zählt Barbancourt zu den ganz wichtigen Häusern. Rhum Barbancourt 15 ans (Réserve du Domaine) 43% 3/3 z k & p

Der 15-jährige Barbancourt ist nur sehr limitiert erhältlich. Grosse Eleganz mit schöner Süsse.

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Distillerie Arawak

Arawaks hiessen die ursprünglichen Bewohner der Kariben, die von den europäischen Siedlern vertrieben wurden. Zu ihren Ehren benannte Danois Vaval, der Vater des heutigen Besitzers Fritz, seine Destillerie, die er nach dem Zweiten Weltkrieg gründete. 2005 wurde aufwendig renoviert, aber auch heute noch haben Chemie oder Zusätze keinen Platz in Vavals Rumproduktion.

Vaval 51,1% 3/2 z k & p

Auf einem kleinen «pot still» («alambic») und einer Kolonne mit acht Böden wird hier ein sehr frischer Rum mit sehr starkem Charakter erzeugt. Distillerie Casimir

Baradères, das kleine Dorf, in dem Faubert Casimir seinen Clairin herstellt, ist dermassen isoliert, dass die Zeit dort stehengeblieben scheint. Dasselbe gilt für die Destillerie, die vom Vater des Besitzers gegründet wurde. Der aromatische Geruch der alten Zuckerrohrsorte, die in der Umgebung wächst, wird durch die Zugabe von Anis, Sauerampfer oder weiteren Gewürzen noch verstärkt.

Casimir 53,4% 3/2 z k & p

Auf einem kleinen «pot still» («alambic») und einer Kolonne mit sechs Böden wird hier ein Rum produziert der eigentlich ein «spiced rum» ist. Mit den klebrigen Getränken, die aber meist in dieser Kategorie angeboten werden, hat er rein gar nichts zu tun. Extrem viel Geschmack! Distillerie Chelo

Die Brennerei Chelo liegt auf 450 Metern, auf einer Hochebene mitten in den Bergen, die nur auf dem Geländeweg erreichbar ist. Der Zucker stammt von den eigenen Plantagen und ist eine ursprüngliche Variante, die ansonsten aus der 72


Karibik verschwunden ist. Geerntet wird von Hand, transportiert per Maulesel; chemische Unkrautvertilger kommen dem Besitzer Michel Sajous keine auf sein Land. Der Soujous gilt als eine der perfektesten Versionen dieses Rums aus einer vergangenen Zeit.

Sajous 51% 3/2 z k & p

Auch hier wird auf einem kleinen «pot still» («alambic») und einer Kolonne mit sechs Böden produziert. Dieser ist der «reinste» der drei Clairins. Gehörte Haiti noch zu Frankreich, wäre es ein echter Rhum agricole. Nach Gesetz darf er nämlich nur auf französischem Staatsgebiet so heissen.

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Martinique In Martinique wird heute fast ausschliesslich Rum aus Zuckerrohrsaft, der sogenannte Rhum agricole, hergestellt. Das war nicht immer so, denn früher hätte niemand dieses kostbare Rohprodukt für Alkohol verwendet. Um 1880 gab es auf der Insel etwa 500 Destillerien, die alle Melasse-Rum produzierten, und ein Grossteil ihres Absatzes ging ins Mutterland Frankreich. Dort wütete gerade die Reblaus, und der Wein wurde knapp. Die Nachfrage nach alkoholischen Getränken blieb aber gross, und der Rum aus den Überseedepartementen erlebte seine Blütezeit. Die Zeit verging, der Wein kam zurück, und gleichzeitig stellte Frankreich auch immer mehr Zucker aus der heimischen Zuckerrübe her, anstatt ihn aus den Tropen zu importieren. Den Ruin vor Augen, verlegten sich die Zuckerpflanzer darauf, den Rum direkt aus dem Saft des Zuckerrohrs zu brennen. Ein kluger Entscheid, denn heute ist Rhum agricole aus Martinique ein berühmtes französisches Spitzenprodukt, das strengen AOC-Vorschriften unterliegt. Die besten Produzenten orientieren sich an den Wein-Chateaux. Sie beachten Jahrgänge, Terroir und die Auswahl der Fässer. Die weissen Rhums agricoles sind erdig, vegetabil und etwas scharf. Sie eignen sich perfekt für einen Ti Punch, einen Verwandten des Caipirinhas und des Daiquiris und Nationalgetränk auf den französischen Inseln. Mit der Lagerung im Fass werden die Rhums agricoles sehr elegant und erreichen eine grosse Aromenvielfalt und Komplexität. Die besten Martinique-Rums brauchen den Vergleich mit dem berühmten Cognac in keiner Weise zu scheuen. Im Gegensatz zu vielen populären Rums aus aller Welt sind sie nie lieblich, leicht, sanft und süss. 75


Ist man aber erst einmal auf den Geschmack gekommen, lassen sie einen nicht mehr los. Da im letzten Jahrhundert viele Brennereien geschlossen wurden, deren Marken aber weiterleben, liefern wir hier eine kurze Zusammenstellung, wo die Rums heute gebrannt werden. Die Fasswahl und Lagerung haben einen sehr wichtigen Einfluss, und in einigen Brennereien stehen sogar noch die originalen Brennanlagen der alten Standorte. Distillerie des Plantation Saint James:

Saint James / Maniba / Bally / Dillon / G. Hardy

Distillerie Depaz: Depaz

Distillerie La Mauny:

La Mauny / Trois Rivières / Duquesne

Distillerie Neisson: Neisson

Distillerie Simon:

Saint Etienne (HSE) / Monna / ClĂŠment

Distillerie J. M: J. M

Distillerie La Favorite: La Favorite

Usine du Galion:

Grand ArĂ´me / Grand Fond Galion 76


Distillerie J.M N

J. M ist die kleinste und nördlichste Destillerie auf Martinique und die wohl wichtigste Adresse, wenn es um gereifte Rhums agricoles geht. Das Zuckerrohr stammt ausschliesslich aus dem eigenen Anbau in unmittelbarer Nähe zur Brennerei, und die Fässer werden alle auf dem Gelände gelagert. Hier wird mit sehr gutem Rohmaterial sehr sauber gearbeitet – doch die übrigen grossen Geheimnisse, die diesen Rum so einzigartig machen, bleiben solche.

J.M blanc 50% 4/1 z k

Perfekt für einen Ti Punch oder «on the rocks». J.M elévée sous bois 50% 4/1 z k

Ein Jahr in neuen, kleinen Eichenfässern. Für Ti Punch, mit Eis, für Cocktails oder pur. J.M vieux V. S. O. P . 43% 4/1 z k

Mindestens vier Jahre im Eichenfass. Mit Eis, für Cocktails oder pur. J.M très vieux X.O. 45% 4/2 z k

Mindestens sechs Jahre im Eichenfass. Pur als Digestif. J.M très vieux 2003 10 ans 44,8% 4/2 z k

Mindestens zehn Jahre alter Rum, in Fassstärke abgefüllt («brut de fut»). Immer mit der Jahreszahl gekennzeichnet. Einer der ganz grossen Rums.

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Destillerie Reimonenq


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Destillerie J.M – Martinique


J.M très vieux 1994 15 ans 45,2% 4/2 z k

Mindestens fünfzehn Jahre alter Rum, in Fassstärke abgefüllt («brut de fût»). Immer mit der Jahreszahl gekennzeichnet. Über siebzig Prozent dessen, was einst im Fass landete, verdunstet! Sehr rar. Der Fünfzehnjährige von J.M gehört zu den allerbesten Rhums agricoles weltweit. J.M cuvée du fondateur 45% 4/2 z k

Ein Cuvée aus mindestens zehn Jahre altem Rum, mit 45 Prozent abgefüllt. Die etwas rundere, harmonischere Version des Zehnjährigen. J.M cuvée prestige 48,2% 4/2 z k Ein Cuvée der allerbesten Fässer, eigenhändig ausgewählt vom Kellermeister. Weltweit limitiert auf 500 Stück.

Distillerie Depaz N

Im Städtchen St. Pierre, das ganz im Norden von Martinique liegt, gab es einst sehr viele Destillerien. Die blühende Stadt galt als «das Paris der Karibik». Sie liegt am Fusse des Vulkans Montagne Pelée, der 1902 ausbrach und alles unter seiner Lava begrub. Seine fruchtbaren Hänge sind heute die beste Lage für Zuckerrohr, und trotzdem zogen fast alle Brennereien nach der Katastrophe an sicherere Plätze auf der Insel. Depaz ist die einzige Brennerei, die alles wieder neu aufbaute – und damit der Stolz der Gegend. Hier wird ein sehr eleganter, fast schon filigraner Rhum agricole hergestellt, der gelagert neben J. M zum Besten zählt, was Martinique zu bieten hat.

Depaz V.S.O.P. 45% 3/2 z k

Perfekter, trockener, sehr ausgewogener Rhum agricole. 80


Depaz X.O. 45% 3/2 z k

Über Jahre in kleinen Eichenfässern gereift. Einer der ganz grossen Martinique-Rums. Plantation Saint James N

An der anderen Hangseite der Montagne Pelée lag einst das Stammhaus von St. James, das den Ausbruch von 1902 wie durch ein Wunder fast unbeschadet überstand. Seit 1974 wird trotzdem am neuen Standort in Sainte-Marie produziert. Saint James hatte die weltweit erste eckige Flasche, was für die Lagerung und Verpackung viele Vorteile mit sich brachte. Auch der Name wurde bewusst anglophil gewählt, um in den englischsprachigen Märkten bessere Chancen zu haben. Obwohl Saint James heute ein sehr grosser Produzent ist, beruht vieles auf den alten Traditionen, die bis 1765 zurückreichen. Seit 1885 werden hier Millésime-Abfüllungen gemacht, und im Keller lagern von jedem Jahrgang noch mindestens sechs Flaschen.

Saint James Millésime 2000 43% 4/2 z k

Der erste Jahrgangsrum des neuen Jahrtausends. Ausgesprochen rund, mit vollem Körper, die Aromenvielfalt ist beeindruckend! J. Bally

Auch bei J. Bally werden viereckige Flaschen verwendet, und auch hier ist man stolz auf seine Tradition von Millésime-Abfüllungen. Gebrannt wird heute nicht mehr am alten Standort bei Carbet, sondern in der oben beschriebenen SaintJames-Brennerei. Die Rums sind meist etwas fruchtiger als diejenigen von Saint James.

Bally Millésime 2000 43% 3/2 z k

Sieben Jahre in kleinen Cognacfässern gereift. Sehr gelungen. 81


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Alter Zuckerrohrzug. Destillerie Saint James – Martinique


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Distillerie Dillon

Arthur Dillon war mit sechzehn Jahren bereits Oberst in einer der irischen Brigaden unter Louis XIV. Er kämpfte im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und landete 1779 auf Martinique. Dort heiratete er eine Cousine der zukünftigen Kaiserin und Ehefrau Napoleons, Joséphine de Beauharnais. Die Zuckerplantage, welche ihrer Familie gehörte, nahm den Namen von Dillon an und damit auch der Rum. Da sich das Gelände in Fort-de-France, der Hauptstadt Martiniques, befindet, wurde es von der wachsenden Stadt immer mehr bedrängt und die Produktion 2006 geschlossen. Die Marke besteht noch, doch der Rum kommt heute von der Saint-James-Destillerie .

Dillon V.S.O.P. 43% 3/3 z k

Ein einfacher, aber sehr gut gemachter Rhum agricole. Habitation Clément

Die Destillerie Habitation Clément fungiert heute als Museum, Touristenattraktion und als wunderschöner Park. Ihren Namen kennt man auf ganz Martinique, und wer das Ansehen besucht, kann erahnen, welcher Reichtum einst mit Zucker und Rum zu erwirtschaften war. Gebrannt wird heutzutage in der Distillerie du Simon, wo auch die Kolonnenanlage der abgebrannten Brennerei Habitation Saint-Etienne steht. Clément hat auf seinem Gelände aber riesige Lager mit Tausenden von Fässern und bietet eine grosse Bandbreite an gelagerten Rums an.

Clément canne bleue 50% 3/2 z k

Jedes Jahr kommt bei Clément ein neuer «canne bleue»-Jahrgangsrum auf den Markt. Dies ist ein weisser Rhum agricole, der auschliesslich aus dem Saft der ebenso genannten Zuckerrohrvarietät gebrannt wird. Canne bleue gilt als eine der edelsten Zuckerrohrsorten. 84


ClĂŠment 10 ans 44% 3/2 z k

Ein Vorzeige-Rhum-agricole. Perfekt gereift, mit kräftigem Holzeinschlag.

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Destillerie Reimonenq – Guadeloupe


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Guadeloupe Wie Martinique gehört auch Guadeloupe als eigenständiges Département zu Frankreich und damit auch zur EU. Auf der «île papillon» – ihre Umrisse erinnern an einen Schmetterling – wird der Ti Punch so selbstverständlich getrunken wie der Pastis in der Provence. Der erste grosse Aufschwung kam auch hier mit der fernen Reblausplage im Mutterland. Die Umstellung auf Rhum agricole war allerdings nicht so radikal, und so wird auch heute noch Melasse-Rum erzeugt. Dieser geniesst allerdings keine so hohe Achtung wie die Agricole-Produkte. Allgemein steht Guadeloupe etwas im Schatten von Martinique und deren AOC-System. Die Rums aus Guadeloupe haben meist ein bisschen weniger Raffinement, dafür einen etwas volleren Körper. Die meisten Destillerien befinden sich in Basseterre, dem linken Schmetterlingsflügel, der bedeckt ist von tropischem Urwald. Der flachere rechte Teil, Grande Terre, ist ein beliebtes Ziel von französischen Pauschaltouristen. Distillerie Damoiseau

Die einzig verbliebene Destillerie auf Grandeterre ist Damoiseau – eine der ältesten, grössten und bekanntesten Marken auf Guadeloupe. Vor einigen Jahren machte Hervé Damoiseau, Erbe der Destillerie, Schlagzeilen, und zwar negative: Er reagierte auf einen Streik seiner Angestellten mit:«Sollen sie doch im Senegal nachschauen, ob es dort besser ist als im kolonialen System Frankreichs.» Es war nicht das erste Mal, dass er mit rassistischen Kommentaren auffiel. Als ein Journalist sich wunderte, dass Damoiseau heute noch dampfangetriebene Maschinen nutzt, antwortete er, dies sei eben «die Alternative zum Auspeitschen von Eingeborenen». Seither gibt es immer wieder Boykotte gegen Damoiseau. Die Béké, die weissen Nachfahren französischer Siedler, profitieren bis heute vom Reichtum, den sie durch die Sklaverei erwirtschaftet haben. Dass sich einige unter ihnen die Sklaverei zurück88


wünschen, oder sich zumindest rassistisch äussern, ist auf den französischen Inseln der Karibik leider keine Seltenheit.

Distillerie Carrère (Montebello)

Bei Montebello in der Nähe von Petit-Bourg wird nicht im französischen Standardstil produziert. Neben der Verwendung einer untypischen Säulenanlage wird auch deutlich länger fermentiert, wodurch die Destillate etwas leichter werden als sonst in Guadeloupe üblich. Dazu werden die Rhums agricoles meist mit Melasse-Rum vermischt. Es entstehen dabei aber sehr interessante Destillate. Die Brennerei besteht seit 1930, war zwischenzeitlich (1960–1968) aber mal geschlossen.

Montebello 6 ans 42% 3/3 z k

Mindestens sechs Jahre in gebrauchten Bourbon-Fässern gelagert. Ein leicht zu trinkender, aber sehr guter Rum. Montebello 10 ans 42% 3/3 z k

Mindestens zehn Jahre in gebrauchten Bourbon-Fässern gelagert. Sehr komplex. Distillerie Reimonenq (Musée du Rhum) N

Joseph Reimonen zog einst von Finnland nach Guadeloupe und begann dort, Rum zu brennen. Um seinen Namen etwas frankophiler zu gestalten, hängte er einfach ein q an. Drei Generationen später führt Léopold sein Werk weiter – besser als alle vor ihm. Mit einer selbstentworfenen, in Frankreich hergestellten einzigartigen Kolonnenbrennerei bringt er eine Vielfalt an Rum-Stilen zustande, die ihresgleichen sucht. Léopold Reimonenq ist ein Spinner, der an jeder einzelnen Anlage rumbastelt, bis sie in seinen Augen perfekt ist. Neben der Brennerei können auch das Musée du Rhum, die riesige Insektensammlung, die Guadeloupe-Ausstellung und die Schiffsmodellsammlung besucht werden. 89


J.R on the rocks 40% 3/3 z k

Léopolds Antwort auf den Rat seines Arztes, weniger zu trinken. Ein leichterer, «gesünderer» Rum, den man «on the rocks» trinken sollte. Auch ohne Eis geht natürlich hervorragend, denn leicht ist das bei weitem nicht – aber perfekt gemacht. Reimonenq 6 ans 40% 4/3 z k

Das Flaggschiff unter Reimonenqs «vieux rhums». Genau so schmeckt ein ausgewogener Rhum agricole aus Guadeloupe. Distillerie Mon Repos/Longueteau

Für den lokalen Markt wird der Rhum agricole unter dem Namen Mon Repos abgefüllt, für den internationalen verwendet die Destillerie den Besitzernamen Longueteau. Auch die Rums der Marke Karukera stammen aus den Beständen von Mon Repos (und Reimonenq). Gebrannt wird hier seit 1895. Elektrisches Licht gibt es im Brennschuppen genauso wenig wie elektrische Pumpen für die Maische. Es ist alles noch wie in der «guten alten Zeit». Einer der wenigen kleinen Familienbetriebe, die für ihren Rhum agricole nur eigenes Zuckerrohr verwenden.

Longueteau 6 ans 42% 4/3 z k

Ein etwas süsslicher, leicht zu trinkender Rhum agricole im alten Stil. Domaine de Courcelles

Die Courcelles-Destillerie schloss im Jahr 1964 ihre Tore. Da, wo sie einst stand, befinden sich heute ein paar Häuser und eine Lagerhalle. Das Brenngerät wurde zur Brennerei von Sainte-Marthe gebracht, die noch weitere acht Jahre Rhum Courcelles produzierte, bis auch sie schloss. Der letzte Rum dieser Brennerei lagerte über 35 Jahre bei der Distillerie Poisson auf Marie-Galante im Fass. 90


LĂŠopold Reimonenq

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Der Besitzer der Distillerie Poisson, Jean Brot, nutzt den Markennamen heute wieder. Allerdings wird für die «neuen» Courcelles wohl Rum aus seiner Destillerie verwendet.

Courcelles 1972 47% 4/4 m k

Dieser Rum aus Melasse ist ein Zeuge aus einer vergangenen Zeit. Er entstand bei der allerletzten Destillation auf den alten Geräten. Über 38 Jahre im Fass gelegen. Absolut einmaliger süsser Melasse-Rum.

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Marie - Galante 1493 kam Kolumbus zu dieser kleinen Nachbarinsel von Guadeloupe. Eines seiner Schiffe trug den Namen «Maria Galanda», und so kam das 15 Kilometer Durchmesser grosse Inselchen zu seinem Namen. Es war – und ist bis heute – mit Zuckerrohrfeldern übersät und fast hundert Windmühlen, welche die Zuckermühlen antrieben. Heute ist nicht mehr Zucker, sondern Rum das wichtigste Produkt der Insel. Auf die lediglich 13’000 Einwohner kommen drei Produzenten. Sie sind bekannt für exzellente Qualität. Distillerie Bielle N

Beim Spitzenproduzenten auf Marie-Galante kann man miterleben, wie Rum seit Ewigkeiten produziert wird. Unzählige Kleinbauern bringen zweimal wöchentlich ihr frisch und von Hand geerntetes Zuckerrohr mit kleinen Wagen zur Brennerei. Oftmals besitzen sie sogar bloss einen Ochsenkarren. Frischer und sauberer als hier kann Rum fast nicht hergestellt werden, und vom Umgang mit Fässern verstehen die Besitzer Dominique Thierry und sein Neffe Jérôme mehr als manch andere. Der allergrösste Teil der Produktion ist weisser 59-Prozent-Rum, der direkt auf der Insel konsumiert wird. Das herausragende Renommee, welches sich die Brennerei erarbeitet hat, stammt aber von ihren «rhums vieux», die meist in Fassstärke abgefüllt werden. Seit 2005 stehen hier auch noch zwei kleine deutsche Obstbrandhäfen, die dem vielfach ausgezeichneten italienischen Fruchtbrand- und Grappabrenner Vittorio Capovilla gehören. Er produziert hier zusammen mit Bielle einen Rum nach «europäischer» Art, was sich in einer längeren und kühleren Fermentation sowie in einem zweiten Brenndurchgang in «pot stills» äussert.

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Bielle blanc 59% 4/2 z k

Intensiver, vollmundiger weisser Rum mit deutlichem Zuckerrohrgeschmack. Bielle blanc Premium 59% 3/2 z k & p

Sehr sauberer und etwas leichterer weisser «rhum blanc». Sehr schöne, saubere Frucht. Bielle brut de fût 2003 53,1% 4/2 z k

Ein ganz grosser Rum bei dem das Fass perfekt zur Geltung kommt. Sehr gehaltvoll. Einmalig gut gelungen und sehr limitiert. Bielle brut de fût 2007 57,3% 4/2 z k

Auch der Nachfolger ist sehr gelungen. Eine Spur fruchtiger, aber ebenfalls extrem gelatvoll und beeindruckend. Liberation 2015 45% 4/2 z k

Beim Rumprojekt, das Bielle zusammen mit dem Grappabrenner Vittorio Capovilla betreibt, ist einiges anders. Der Zuckerrohrsaft wird länger und kühler vergärt als üblich, und gebrannt wird in kleinen deutschen Obstbrandhäfen. Eigentlich wird der Liberation hergestellt, als wenn es Grappa wäre – aber in der Karibik und nicht aus Traubentrester. Die Lagerung findet während sechs Jahren unter anderem in Ex-Sauternes-Fässern statt. Er ist noch immer ein typischer Bielle-Rum, vielleicht ein wenig leichter, etwas sauberer und etwas fruchtiger, aber jedenfalls sehr gelungen. 96


Distillerie Poisson

Der Rum dieser Destillerie ist nach dem Dominikanerpriester Père Labat aus Paris benannt. Dieser wurde Ende des 17. Jahrhunderts auf die Insel geschickt, um ein Hospital für Arme zu errichten, und brachte modernste Gerätschaften für die Produktion von reinem Alkohol mit. Bald fanden sie auch in der Rumproduktion Verwendung – ein Wendepunkt für die französischen Inseln, da man nun über ein hohes technisches Wissen verfügte und so eine bessere Wirtschaftlichkeit in der Herstellung erreichen konnte. Noch heute lassen sich viele Traditionen in der Rumerzeugung auf «Vater» Labat zurückführen.

Père Labat 6 ans 42% 4/3 z k

Ein sehr eigenständiger Rhum agricole mit viel fruchtigen Aromen. Ziemlich einmalig, aber leider fast nicht mehr erhältlich.

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Destillerie Bielle – Marie-Galante


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Guyana Guyana liegt an der Ostküste des nördlichen Südamerikas und erlebte in seiner bewegten Geschichte verschiedene Kolonialmächte. Das heutige Guyana bestand im 17. und 18. Jahrhundert aus den ursprünglich niederländischen Kolonien Essequibo, Demerara und Berbice. Diese drei Kolonien wurden am Wiener Kongress 1815 offiziell an Grossbritannien und Irland übertragen, von dem das Land erst 1966 unabhängig wurde. Rum aus Guyana wird denn auch bis heute als Demerara-Rum bezeichnet. Lange Zeit stammte der Löwenanteil britischer Rumsorten aus Guyana, doch von den ehemals 200 Destillerien gibt es heute nur noch eine einzige. Im 18. Jahrhundert exportierte jede Plantage ihren eigenen Rum und kennzeichnete diesen mit einem Kürzel («mark»). Das Spezielle daran war, dass die grossen Brennereien komplett verschiedene Brenntechniken anwandten und somit sehr unterschiedliche Rum-Stile entstanden. Es gab hier einfache und doppelte Kolonnen aus Metall oder aus Holz. Ebenso einfache und doppelte «pot» und «vat stills». Für die hölzernen Brennanlagen, die sehr heissen Temperaturen standhalten müssen, wurden extrem harte Tropenhölzer verwendet. Demerara Distillers Ltd.

Im Jahr 1983 fusionierten die Destillerien Uitvlugt, Enmore und Diamond zum Unternehmen Demerara Distillers. Die verschiedenen «vat», «Coffey» und «column stills» der Brennereien wurden daraufhin zu Demerara Distillers gebracht und stehen heute noch da. Damit ist die Destillerie eine Art lebendiges Rummuseum, in dem diese uralten Anlagen noch immer in Betrieb sind und grosse Mengen Rum produzieren. Die weltweit letzte hölzerne «Coffey still» (Kolonnenanlage) steht da, genauso wie eine einfache sowie eine doppelte «vat still». Diese sind eigentlich «pot stills», deren unterer Teil, in 100


welchem die Melasse aufgeheizt wird, wie ein Fass aus Holz gebaut ist. Dazu kommen eine vierfache Kolonnenanlage und eine metallene «Coffey still». Mit all diesen Geräten ist die Brennerei einer der mengenmässig grössten und auch vielfältigsten «bulk rum»-Hersteller. Dieser Rum wird offen verkauft und gelangt so in die verschiedensten «blends» dieser Welt. In unseren Breitengraden ist meist nur ihr Flaggschiff, der El Dorado-Rum, zu finden. Durch unabhängige Abfüller, die Fässer der einzelnen «stills» kaufen, sind die verschiedenen Stile aber immer wieder erhältlich. Eine kleine Übersicht der «stills», die heute bei Demerara Distillers in Gebrauch sind, und die Namen und «marks» dazu: Doppelter hölzerner «vat still»: Original Sugar Estate: Port Mourant Original Distillery: Albion Marks: PM, AW, MPM Einfacher hölzerner «vat still»: Original Sugar Estate: Versailles & Lusignan Original Distillery: Versailles & Enmore Marks: VSG, KFM, SXG Hölzerner «Coffey still»: Original Sugar Estate: Enmore Original Distillery: Enmore Marks: EHP, ELCR, MD Metallene vierfache Kolonne «Savalle still»: Original Sugar Estate: Uitvlugt Original Distillery: Uitvlugt Marks: ICBU, AN, LBI, B, SWR, GS Metallener «Coffey still»: Original Sugar Estate: Diamond Original Distillery: Diamond Marks: SVW, SV 101


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El Dorado 12 yo 40% 4/3 m k

Dieser Rum ist süsslich und doch schwer mit Anteilen aus zwei Brennanlagen: EHP und SVW (fettgedruckt = dominantere Anteile). El Dorado 15 yo 43% 4/3 m k & p

Dies ist ein süsser und sehr reichhaltiger Rum mit Anteilen aus vier verschiedenen Brennanlagen: EHP, PM, VSG, SVW. Das ergibt einen perfekt ausbalancierten Rum, der oft als Referenz für gealterten schweren Rum gilt. El Dorado 21 yo 43% 4/3 m k & p

Noch etwas süsser und voller mit Anteilen aus drei Brennanlagen: EHP, VSG, AN. Uitvlugt Distillery

Die Uitvlugt Distillery (sprich: «eyeflat») befand sich westlich von Georgetown und wurde im Jahr 2000 definitiv geschlossen. Ursprünglich wurde in dieser Brennerei, wie oben erwähnt, eine «French Savalle still» verwendet. Bei Uitvlugt stand aber auch eine doppelte «vat still» von Port Mourant, bis sie nach der Schliessung zur Diamond Distillery kam, dem Standort der Demerara Distillers Ldt.

Uitvlugt 14 yo Cadenhead’s 70,7% 5/1 m p

Dieser Rum vom unabhängigen Abfüller Cadenhead’s ist mit dem «mark» PM gekennzeichnet. Das heisst also, dass er von der «Port Mourant still» stammt, die zu dieser Zeit bei Uitvlugt stand. Er ist in Fassstärke abgefüllt, was in diesem Fall 70,7 Prozent bedeutet und für einen Rum mit vierzehnjähriger Lagerung ein ziemlich stolzer Wert ist. 104


Hier ist ein leichtes Verdünnen mit Wasser sicher angebracht, um die vielen Aromen perfekt zur Geltung kommen zu lassen. Extrem schwerer, vollaromatischer, «dreckiger» Rum im britischen Stil. Enmore Distillery

Der ursprüngliche Stil von Enmore ist mittelschwer und kam von einer hölzernen «Coffey still» («column still»). Das Gerät ist mehr oder weniger identisch mit der ersten Kolonnenanlage, die der Ire Aeneas Coffey 1832 erfand. Als 1966, nach der Unabhängigkeit Guyanas, die Versailles Distillery geschlossen wurde, kam auch deren berühmte «single vat still» zu Enmore. Diese beiden legendären «stills» gingen 1995 an Demerara Distillers.

Enmore Distillery 11 yo W.D.J. Marketing 46% 5/1 m p

W. D. J. Marketing ist ein unabhängiger Abfüller, der nicht mehr existiert. Dies ist also ein Rum aus einer geschlossenen Brennerei von einem «geschlossenen» Abfüller. Die Etikette hat kein «mark», es bleibt deswegen alles ein wenig vage. Anstelle eines «marks» steht da allerdings:«pot still». Es müsste also ein Rum sein, der vom «Versailles vat still» kommt. Dieser Rum hat extreme Holzaromen, die fast schon an den Korkgeruch eines Weins erinnern. Ansonsten schwer, komplex und in seiner Art ziemlich einmalig. Enmore 1990 25yo Cave Guildive 58% 4/1 m p

Vom legendären «Versailles still», als er noch in der Enmore Distillery stand. Ein Rum mit grosser Eleganz, der alles beinhaltet, was diesen «vat still» so berühmt gemacht hat. Trotz 25 Jahren im Fass noch jugendlich frisch und gleichzeitig spürt man die konzentrierte Komplexität, die eine so lange Lagerung mit sich bringt. Ein absolut grossartiger Rum. 105


Port Mourant Distillery

Die Port-Mourant-Destillerie wurde irgendwann im frühen 19. Jahrhundert gegründet und zwischen 1954 und 1958 geschlossen – wahrscheinlich im Jahr 1955, doch ganz genau belegbar ist das nicht. Ihr Brenngerät war eine doppelte hölzerne «pot still», also eigentlich eine «vat still». Diese hat ein sehr eigenes, unverkennbares Aromaprofil und produziert einige der schwersten und interessantesten Rums der Welt. Die «still» wurde nach der Schliessung zur Albion-Destillerie gebracht und lief dort weiter bis zu deren Ende – irgendwann zwischen 1966 und 1969. Danach kam sie zur Uitvlugt Distillery und schliesslich zu Demerara Distillers, wo sie bis heute steht und produziert.

Port Mourant 1974 Velier 54,5% 5/1 m p

Eine uralte Abfüllung von Velier. Von diesen Flaschen existieren weltweit nicht mehr sehr viele, und sie sind sehr gesucht. Einmalige, extrem konzentrierte Aromenvielfalt mit starkem Holzeinschlag. Port Mourant 1999 Portwood Bristol Spirits 46% 5/2 m p

Diese Abfüllung erhielt ein «finish» in einem Portweinfass. Das hält den teils extremen Aromen dieses Rum-Stils eine gewisse Süsse entgegen und macht ihn etwas harmonischer. Sehr ausgewogen und gelungen. Port Mourant 2005 10yo Cave Guildive 55% 5/2 m p

Eine relativ junge Abfüllung eines klassischen Port Mourants. Dadurch ist er noch richtig ungehobelt und wild. So ähnlich muss Rum vor 200 Jahren geschmeckt haben.

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Brasilien Für die Rumherstellung ist Brasilien heute sehr wichtig. Brasilien ist mit Abstand die grösste Zuckerrohrproduzentin der Welt und nicht wenige karibische Produzenten beziehen Melasse aus diesem Land. Caipirinha kennt wohl jeder: Das Getränk hat vor einigen Jahren die Bars in Europa derart überrollt, dass es fast nicht mehr vorurteilslos bestellt werden kann. Eigentlich ist der Caipirinha die brasilianische Version des kubanischen Daiquiris oder des französischen Ti Punch: Zucker, Limetten, Rum. Der Rum wird in Brasilien Cachaça genannt und, wie Rhum agricole, aus Zuckerrohrsaft gebrannt. Cachaça jedoch nur auf diesen einen Cocktail zu reduzieren wird seiner langen Vergangenheit nicht gerecht. Mit dem «Tratado de Tordesillas» von 1494 wurde Brasilien den Portugiesen zugesprochen. Diese übergaben im Gegenzug unter anderem die Kanarischen Inseln an Spanien. Möglicherweise lernten sie so die kanarische Version des Zuckerrohrschnapses kennen, die aus Indonesien über Genua eingeführt worden war, und nahmen die Idee mit über den Atlantik. Sicher ist, dass sie im 16. Jahrhundert «pot stills» aus Madeira nach Brasilien mitnahmen und dort begannen, Cachaça zu brennen. Die brasilianische Rum-Version ist demnach älter als jene aus Barbados, wo die erste schriftliche Urkunde eines Rumverkaufs mit 1703 datiert ist. Agroecològica Marumbi

Seit 1700 wird in Morettes, am Fuss des Pico do Marumbi, Cachaça produziert. Es ist ein biologischer «artesanal Cachaça», der hier entsteht. Das bedeutet, dass das Zuckerrohr von Hand geerntet und der Cachaça in kupfernen «pot stills» gebrannt wird. 109


Iguaçu 40% 3/2 z p

Die Brennerei Humbel aus dem Aargau importiert diesen Cachaça roh aus Brasilien und füllt ihn hier ab. Dieser Cachaça ist sehr sauber und fruchtig und ergibt einen hervorragenden Caipirinha, kann aber auch pur getrunken werden. Cask Adventures Nr.3 48% 3/3 z p

Bei dieser Abfüllung wurde ein gebrauchtes Bourbon-Fass, in welchem fünf Jahre lang ein Rhum agricole von Reimonenq aus Guadeloupe lagerte, mit Cachaça befüllt. Er hat viel Süsse und Aromen vom Rhum Agricole übernommen. Ein sehr interessanter Cachaça, der sehr gut pur getrunken werden kann und charaktervolle Cocktails ergibt.

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Peru Das alkoholische Nationalgetränk in Peru ist, wie im Nachbarland Chile, der Weinbrand Pisco. In den Andentälern wird aber auch Zucker angebaut, und somit fällt auch Melasse an. Trotzdem hat das Land keinen hohen Stellenwert in der Welt des Rums. Die Schweiz ist ein sehr wichtiger Wirtschaftspartner von Peru, denn elf Prozent aller peruanischen Exporte kommen in unser Land. Zum allergrössten Teil handelt es sich dabei um Gold. Sinnigerweise heisst denn auch der hierzulande bekannteste Rum aus Peru Millonario. Ron Millonario Destillery

Die Millonario-Brennerei im Norden Perus gehört zur italienischen Firma Rossi & Rossi Srl, die mit der «Rum Nation»Linie den Markt mitprägt. Die Brennerei besitzt drei alte schottische Kolonnenanlagen und baut ihre Rums in vier Solera-Reihen aus. Die Fässer sind aus amerikanischer und slowenischer Eiche, die Melasse kommt ausschliesslich aus Peru.

Ron Millonario 15 años 38% 2/5 m k

Ein guter, sehr süsser und voller Rum, der typisch ist für den lateinamerikanischen Stil. Destilerias Unidas S. A. C.

Die grösste Destillerie des Landes wurde 1929 gegründet. Sie produziert verschiedenste Alkoholika, ist international jedoch vor allem für ihre gelagerten Rums bekannt. 2004, zum 75-Jahr-Jubiläum, wurde sie komplett renoviert und modernisiert.

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Cartavio 12 años Solera 40% 2/4 m k

Dieser Rum wurde zum 75-jährigen Bestehen der Destillerie lanciert. Produziert im spanischen Solera-System, ist er in Fässern aus slowenischer Eiche mindestens zwölf Jahre gealtert. Cartavio XO 40% 2/4 m k

Der XO lagert für 18 Jahre in Bourbonund Sherryfässern. Dies sit ein sehr schöner Vertreter des süssen lateinamerikanischen Stils.

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Kolumbien Der Name dieses Landes im Norden Südamerikas wurde direkt vom Namen Christoph Kolumbus’ abgeleitet. Denken wir an kolumbianische Exporte, kommen uns zuerst der berühmte Kaffee und die berüchtigten Drogenkartelle in den Sinn. Jedoch sind auch Zuckerrohr und Zucker bedeutende Exportartikel, und von da ist es nicht weit zum Rum. Die grossen Weltmarken sind hier zwar nicht zu Hause, dafür beispielsweise eine Anis-Variation, die von der lokalen Bevölkerung grosszügig konsumiert wird. Industria Licorera de Caldas

Der Betrieb wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet. Neben dem erfolgreichen Aguardiente Cristal wird hier auch der Ron Viejo de Caldas gebrannt. Im Herbst 2011 brannten die Hallen nieder, in welchen der dreijährige Rum gelagert wurde.

Aguardiente Cristal 30% 1/3 m k

Auch hier ist das Ausgangsprodukt Rum. Doch es ist ein Grenzfall in diesem Buch: halb Rum, halb Likör. Eigentlich gar nicht so aussergewöhnlich: denn es ist schlicht ein aromatisierter Rum, wie es ihn auch von vielen namhaften Produzenten gibt (z. B. Malibu, Captain Morgan). In diesem Falle ist Anis der Aromageber. Gekühlt zu empfehlen. Viejo de Caldas 3 años 37,5% 1/4 m k

Der Klassiker aus Kolumbien, bei dem es wegen des Feuers 2011 immer wieder mal zu Engpässen kommen kann. Nichts Spezielles, aber typisch für sehr einfachen jungen lateinamerikanischen Rum. 115


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Venezuela

Venezuela spielt in der Rumherstellung eine grosse Rolle, denn viele karibische Brennereien greifen heute auf venezolanische Melasse zurück, weil ihre lokale Zuckerindustrie zu klein geworden ist. Doch auch einheimische Produkte können sich sehen lassen. Als eines der wenigen südamerikanischen Länder werden in Venezuela neben den üblichen Kolonnenanlagen auch «pot stills» verwendet. Destilerias Unidas S. A.

Die Destilerias Unidas sind ein venezolanisches Konglomerat diverser Hersteller. Gegründet wurden sie 1959 von Seagram’s, und eine Zeit lang gehörte die Firma auch Diageo. Unter anderem werden hier auch der Cacique-Rum und diverse andere Spirituosen hergestellt.

Diplomatico Reserva Exclusiva 40% 3/5 m k

Der Diplomatico Reserva gilt als einer der besten im «pot still»-Verfahren hergestellten Rums. Ein typischer Vertreter des sehr süssen Kontinentalstils. Diplomatico Single Vintage 2000 45% 3/5 m k

Das Jahr 2000 bescherte Venezuela eine der süssesten Zuckerrohrernten seit langem. Darum wurde dieser Single Vintage lanciert. Er wurde während zwölf Jahren in Bourbon- und Single-Malt-Fässern gelagert und dann mit einem SherryFinish veredelt. Sehr rar und exklusiv.

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Panama Obwohl Zuckerrohr aus Panama durchaus seine Bedeutung hat, gelangt dieses eher selten in Form von Rum in unsere Breitengrade. Das hat sicher auch damit zu tun, dass hier wirtschaftlich alles im Schatten des berühmten Kanals steht. Und: Es gibt nur eine einzige kommerzielle Rumbrennerei – Varela Hermanos S.A. Der panamaische Stil erinnert ein wenig an den kubanischen, ausser dass der Rum ein wenig mehr «Gewicht» hat. Der berühmteste Master Blender des Landes arbeitete denn früher auch bei Havana Club: Francisco «Don Pancho» Fernandez. Varela Hermanos S.A.

Die Wurzeln dieser Brennerei gehen zurück bis ins Jahr 1908. Heute eine sehr grosse Produzentin, die verschiedenste Alkoholika herstellt. Sie befindet sich jedoch weiterhin in Familienhand. Verwendet wird nur eigenes Zuckerrohr, das noch immer von Hand geschnitten wird. Neben den Eigenmarken Ron Abuelo und Ron Cortez werden grosse Mengen von weissem und auch gelagertem Rum an die verschiedensten Abfüller und Weiterverarbeiter verkauft. Auch Bacardi hat hier lange gebrannt. Zafra, Malecon oder Ron de Jeremy kommen beispielsweise aus dieser Brennerei und ebenso der Rum Maja aus El Salvador. Die Abfüller sind unzählig, darunter alle wichtigen wie Nation, Cadenhead‘s, Duncan Taylor, A. D. Rattray, Berry Bros & Rudd, Plantation und Samaroli.

Ron Abuelo 7 años 40% 3/5 m k

Der Abuelo 7 años ist der Klassiker diese Brennerei. Ein süsser Rum mit guter Balance. 118


Ron Abuelo 12 años 40% 3/5 m k

Der grosse Bruder dazu. Etwas dichter, etwas mehr Holz und Komplexität. Rum Nation Panama 18 yo 40% 3/3 m k

Dieser Rum wurde abgefüllt von Rum Nation, einem Abfüller, der gute Rums aus verschiedenen Ländern anbietet. Ein sehr gutes Beispiel für einen gehaltvollen, süsslichen Rum mit Charakter.

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Costa Rica Dieses kleine Land zwischen Panama und Nicaragua wird oft die «Schweiz Zentralamerikas» genannt. Es hat 1983 seine Armee abgeschafft, sich selber als «dauerhaft und aktiv unbewaffnet neutral» erklärt und blieb in seiner Geschichte – untypisch für die Region – weitgehend von sozialen Unruhen und Bürgerkriegen verschont. Kolumbus landete hier bereits 1502, und ab 1560 wurde das Land systematisch kolonialisiert. Da es aber strategisch uninteressant liegt und arm an Bodenschätzen ist, blieb Costa Rica stets eine unterentwickelte Kolonie, die bereits 1821 unabhängig werden konnte. Zucker und damit auch Rum spielen hier keine so grosse Rolle wie in vielen anderen Ländern. Hauptexportgüter sind Bananen, danach folgen – noch vor dem Zucker – Ananas und Kaffee. Centenario Internacional S. A.

1969 gründete der Grosskonzern Seagram’s in Costa Rica einen Ableger, der sich seit 2002 Cisa nennt und seit 2003 zur Wisa-Gruppe aus Panama gehört. Die Brennerei arbeitet mit Zuckerrohr aus Costa Rica auf grossen Kolonnenanlagen. Die Reifung erfolgt in Eichenfässern und im Solera-System.

Centenario 20 años 40% 3/5 m k

Sehr gelungen, süss und vollmundig. Eine gute Alternative zum berühmten Zacapa.

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Hier drin steht die Kolonne für Flor de Caña


Nicaragua In Nicaragua wird seit 1890 kommerziell Rum erzeugt. Es ist üblich, dass die hiesigen Rums lange Reifezeiten haben, sogar die weissen bleiben einige Jahre im Fass. Der bekannteste und mehrfach ausgezeichnete Rum des Landes ist der Flor de Caña. Untypisch für Lateinamerika ist die Lagerung: Während fast überall das Solera-System angewandt wird, lagert hier der Rum tatsächlich so lange in kleinen Eichenfässern, wie auf der Flasche angegeben. Compañia Licorera de Nicaragua

Die Destillerie gehört der Grupo Pellas. Zum Konglomerat aus rund fünfzig verschiedenen Firmen gehören Banken, Telekommunikations- und Nahrungsmittelfirmen. Kerngeschäft war aber immer der Zucker; in den Sechzigern war die Zuckerplantage in Chichigalpa die ergiebigste Produzentin Zentralamerikas. Dann verstaatlichte die sandinistische Regierung unter Daniel Ortega die Fabrik der Oligarchen, und die Familie pendelte während des Contra-Kriegs zwischen den USA und Nicaragua hin und her. Nach dem Friedensprozess von 1987 begann die Familie ihr Vermögen wiederaufzubauen – mit Erfolg, denn der heutige Besitzer des Konzerns, Carlos Pellas, wurde damit zum ersten und bisher einzigen Milliardär des Landes. Die Compañia bietet verschiedene Rums an, die sich vor allem durch ihre Reifezeit unterscheiden, die zwischen vier und 25 Jahren liegt. Noch heute lagern die Fässer im Originalgebäude, das ohne Klimaanlage, Temperaturgeräte oder Luftbefeuchter auskommt. Dieses «slow-aged» genannte Verfahren gilt hier als essenziell, um den Rum ungestört reifen zu lassen. Überschattet wird der Ruf des traditionellen Unternehmens immer wieder von Boykottaufrufen. Sehr viele ehemalige Plantagenarbeiter leiden an chronischem Nierenversagen oder sind bereits daran gestorben. In Chichigalpa kommt diese Todesursache sechs Mal häufiger vor, als im Durchschitt von Nicaragua. Fast die Hälfte aller Männer im Dorf sterben daran. Dies könnte nicht nur auf den höchst intensiven Einsatz von Pestiziden zurück123


zuführen sein, sondern auch auf die Tatsache, dass die Vertragsarbeiter nach geernteter Menge bezahlt werden. Deswegen machen sie kaum Pausen und trinken zu wenig, was die Nierenprobleme noch verstärkt. Die Firma streitet bisher alles ab.

Flor de Caña 7 años 40% 2/3 m k

Bereits der siebenjährige zeigt sehr gut, wie hier gearbeitet wird. Nicht so übersüsst wie viele andere lateinamerikanische Rums. Flor de Caña 12 años 40% 2/3 m k

Dasselbe gilt für den zwölfjährigen. Ein guter, ausgewogener Rum, der trotz langer Lagerung nicht zu holzbetont ist. Nicaragua 2000 15yo Cave Guildive 56% 3/2 m k

Eine Einzelfassabfüllung des Zürcher Abfüllers Guildive. So schmeckt Nicaragua-Rum ohne jeden Zusatz von Karamell oder anderem. Rund, vollmundig und mit angenehmer Süsse.

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Guatemala Während der Kolonialzeit hat sich Guatemala vor allem als Kaffeeproduzentin hervorgetan. Schon damals wurde Rum erzeugt, doch die erste kommerzielle Destillerie entstand erst 1914. Heute geniesst vor allem der Zacapa berechtigten Weltruhm und gewinnt internationale Preise. Alle guatemaltekischen Rums kommen aus derselben Destillerie und werden aus «virgin sugar cane honey» gebrannt. Dabei wird der Saft von – ausschliesslich guatemaltekischem – Zuckerrohr erhitzt, sodass sich der Wasseranteil verringert und der Zuckeranteil mindestens 72 Prozent beträgt. Für die Fermentation muss der Saft allerdings wieder mit Wasser verdünnt werden, da sonst die Hefe abstirbt. Durch die Erhitzung wird der Zuckerrohrsaft aber besser haltbar. Licorera Zacapaneca

Der Produzent der Zacapa-Rums ist die Licorera Zacapaneca, die zur Industrias Licoreras de Guatemala gehört, die auch die Botran-Rums herstellt. Die Marke Zacapa gehört wiederum dem multinationalen Spirituosenkonzern Diageo. Hier wird weder Melasse noch Zuckerrohrsaft verwendet, sondern «virgin sugar cane honey», was ungefähr so viel bedeutet wie pasteurisierter Zuckerrohrsaft. Die Reifung erfolgt dann auf 2332 Meter Höhe in einer sogenannten doppelten Solera, wie sie für Sherry angewendet wird.

Zacapa 23 Solera 40% 3/5 z k

Ein Verschnitt aus verschiedenen Fässern, in denen zwischen drei und 23 Jahren lang Rum lagerte. Dieser Rum gewann schon sehr viele Preise und ist die Referenz für moderne lateinamerikanische Rums. 127


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Mexiko Die berühmteste Spirituose Mexikos ist natürlich Tequila. Dank der langen Ostküste hat Mexiko aber auch karibischen Einfluss – und so wird auch guter Rum gebrannt. Von den zahlreichen Destillerien, die in den letzten Jahren entstanden sind, schaffte allerdings noch keine den grossen Durchbruch. Licores Veracruz

Dieser Familienbetrieb an der Küste des Golfs von Mexiko stellt diverse Spirituosen her. Seit über sechzig Jahren produziert die Familie Villanueva mit Kolonnen- und «pot still»Anlagen Tequila, Mezcal, Liköre, Wodka, aber auch die Rums Mocambo und Los Valientes – lange Zeit jedoch nur für den mexikanischen Markt. Seit einigen Jahren werden einzelne Spirituosen exportiert.

Los Valientes 10 años 40% 3/3 m & z k & p

Dieser Rum ist in seiner Beschaffenheit ziemlich einmalig. Er wird aus Melasse (30%) und Zuckerrohrsaft (70%) hergestellt, was ihm ein interessantes Aromenspektrum verleiht. Die grasigen, frischen Noten vom Saft sowie die süssen, schweren der Melasse kommen gut zur Geltung. Das Zuckerrohrsaftdestillat wird in «pot stills» gebrannt, das Melassedestillat auf einer Kolonnenanlage.

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Madagaskar Madagaskar ist die viertgrösste Insel der Welt und wird manchmal auch der «achte Kontinent» genannt. Flora und Fauna konnten sich durch die geografische Isolierung über Millionen von Jahren völlig eigenständig entwickeln. Die Insel liegt vor der Ostküste Mosambiks im Indischen Ozean. Neben Vanille, Nelken und anderen Gewürzen ist Zucker ein wichtiges landwirtschaftliches Produkt. Pro Jahr werden 40’000 Tonnen davon produziert. Compagnie Vidzar

Die Destillerie wurde 1982 im Ort Dzamandzar gegründet. Dieser liegt auf der kleinen Insel Nosy Be, die der Nordwestküste Madagaskars nur wenige Kilometer vorgelagert ist. Im Jahr 1996 starb der Gründer der Compagnie, Lucien Fohine. Sein Sohn Franck übernahm die Geschäfte und führt sie bis heute sehr erfolgreich weiter. Als er an die Spitze der Firma kam, war er gerade mal siebzehn Jahre alt. Mit seiner Übernahme fing man bei Vidzar auch an, die Rums zu lagern. Die Ergebnisse sind sehr positiv. Die Rums sind relativ süss, doch man spürt förmlich die Gewürze, die in Madagaskar die Luft bereichern.

Rhum vieux Dzama 1998 10 ans 45% 3/4 m k

Bernsteinfarbener Rum, der für mindestens zehn Jahre in französischen Limousin-Eichenfässern gelagert wurde. Ein sehr eigenständiger, gutgemachter, süsser Rum.

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La Réunion Die Ile de la Réunion ist französisches Überseegebiet und somit bemächtigt, «echten» Rhum agricole herzustellen, denn dieser darf offiziell so genannt werden, wenn er in Frankreich hergestellt wurde. Auf dieser Insel im Indischen Ozean wird seit 1704 Rum produziert. Schon zuvor haben allerdings die Sklaven ein vergorenes Zuckerrohrsaftgetränk namens Fangourin getrunken. Der Rhum agricole wird zwar gepflegt, weil die grossen Rumerzeuger aber der Zuckerindustrie angeschlossen sind, wird auch viel «rhum traditionel» aus Melasse hergestellt. Bei beiden Stilen werden eher Liebhaber von strengem, würzig-aromatischem Rum angesprochen.

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Rhumerie Rivière du Mât

In dieser Brennerei wird die Melasse zweier grosser Zuckerfabriken verarbeitet. Sie ist die grösste Produzentin von Rum und Alkohol auf der Insel und brennt auch Rhum agricole aus Zuckerrohrsaft.

Rhum agricole vieux cuvée spéciale 45% 3/2 z k

Fünf bis acht Jahre Fasslagerung. Wild und doch elegant. Rhum traditionnel vieux 40% 3/3 m k

Ein kräftiger Melasse-Rum mit Würze viel Charakter. Distillerie Isautier

Dies ist die kleinste und eine der ältesten Brennereien auf La Réunion. Sie ist auch als einzige keiner Zuckerfabrik angeschlossen. Hier wird Rum sowohl aus Melasse wie auch aus Zuckerrohrsaft produziert. Isautier bringt bei beiden Stilen hervorragende Qualitäten hervor.

Isautier Barrik 40% 3/2 m k

Der jüngste der gealterten Rums. Nur drei Monate verbringt er in neuen französischen Eichenfässern. Er erhält in dieser Zeit aber schon kräftige Holzaromen, die sich sehr schön mit dem jungen fruchtigen Stil paaren. Isautier 7 ans 40% 3/2 m k

Neben dem Barrik gibt es noch drei-, fünf-, und zehnjährige Melasse-Rum. Wie so oft ist die goldene Mitte am besten: Der siebenjährige vereint die Frucht- und Holzaromen am perfektesten. Ein wunderbarer eigenständiger Rum, der leider sehr oft ausverkauft ist. 133


Mauritius Mauritius liegt im Indischen Ozean, 900 Kilometer östlich von Madagaskar und in der Nähe der Insel La Réunion und des Inselstaats Seychellen. Seit 1968 ist die Inselgruppe unabhängig und Mitglied des Commonwealth. Vor den Engländern waren hier die Portugiesen, die Holländer und die Franzosen an der Macht. In der französischen Zeit (1715–1810) liess die «Französische Ostindienkompanie», welche bis 1767 Besitzerin der Insel war, von afrikanischen Sklaven Zuckerrohrplantagen anbauen und bewirtschaften. Heute sind über neunzig Prozent der Landesfläche mit Zuckerrohr bepflanzt. Vor 2008 durfte auf Mauritius kein Rum hergestellt werden, der auch als solcher bezeichnet werden durfte. Es gab bloss «sugar cane spirit» mit weniger als 37,5 Prozent Alkohol. Seit 2008 wird die Qualität mit jedem Jahr besser, und es entstanden auch einige neue Marken und Brennereien. Rhumerie Chamarel N

Die Rhumerie de Chamarel steht mitten in einem Nationalpark und existiert erst seit 2008. Sie stellt auf einer kleinen kupfernen Kolonnenanlage und einer «pot still» ausschliesslich Rhum agricole her. Es werden vier Varianten von Zuckerrohr verwendet, die alle auf dem eigenen Land wachsen. Die Besitzerfamilie kommt aus der Luxushotellerie und betreibt die Brennerei fast wie ein Resort. Die Führungen machen «Hostessen», im Restaurant kocht ein französischer Spitzenkoch, das Fleisch stammt von Wild, das auf dem eigenen Gelände lebt und in der eigenen Metzgerei verarbeitet wird. Somit lebt die Rhumerie zu einem beträchtlichen Teil von Touristen und Restaurantbesuchern. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier mit viel Sorgfalt sehr guter Rum hergestellt wird.

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Chamarel blanc 50% 3/2 z k

Einer der besten Rums, um einen Ti Punch zu machen. Sehr würzig, kräftig, mit klarem Zuckerrohrsaft-Aroma. Chamarel V.O. 46% 3/2 z k

Der erste gelagerte Rum von Chamarel verbrachte zwei bis drei Jahre im frischen Limousin-Fass. In Mauritius selber ist er längst ausverkauft. Chamarel V.S.O.P. 41% 3/2 z k & p

Mindestens vier Jahre in Limousin-Fässern. Mit Anteilen vom doppelt gebrannten Rum. International Distillers Mauritius Ltd.

Die International Distillers Mauritius Ltd. entstand 1972 aus einem Joint Venture der Development Bank of Mauritius und dem englischen Grosskonzern International Distillers & Vintners. Die Brennerei stellt auch den beliebten Green-IslandRum her.

Flamboyant 40% 2/4 m k

Mindestens vier Jahre in Limousin-Fässern gelagert. Mit Anteilen vom doppelt gebrannten Rum. Ein einfacher, süsser Rum.

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Trou d‘eau douce – Mauritius


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Philippinen Christoph Kolumbus gebührt die Ehre, Zuckerrohr von den Kanarischen Inseln in den karibischen Raum gebracht zu haben. Die ursprüngliche Heimat der Pflanze ist jedoch Ostasien, und auf den Philippinen ist dieses Riesengras schon seit Urzeiten heimisch. In Ostasien wird aus Melasse meist Arrak (bekannt als «Rum der Asiaten») gebrannt, doch auf den Philippinen gibt es eine gute Auswahl an echtem Rum, wovon der Tanduay der bekannteste ist. Das Land ist eine der grössten Rumproduzentinnen und absatzmässig der drittgrösste Markt der Welt. Dass die Spanier auf den Philippinen 1565 koloniale Ansprüche geltend machten, hinterliess auch beim Rum-Stil Eindruck. Die philippinischen Rums sind eher mild und süss und damit entfernt vergleichbar mit den Rums des spanischsprachigen Lateinamerika. Tanduay Distillers Inc.

Die Ursprünge dieser Firma gehen bis ins Jahr 1854 zurück. Drei spanische Kaufleute gründeten ein Handelsunternehmen, welches die lokale Dampfschiffgesellschaft kaufte. Später kam eine Destillerie dazu, und heute ist Tanduay in Bezug auf die hergestellte Menge eine der grössten Rumbrennereien der Welt.

Tanduay 12 yo 40% 1/4 m k

Ein einfacher süsslicher Rum ohne grosse Ansprüche. Bleeding Heart Rum Company

Auf der Insel Negros ist Zuckerrohr seit Jahrhunderten heimisch. Die Melasse, die für den Rum verwendet wird, stammt ausschliesslich von der Insel. Gebrannt wird in einer grossen Brennerei in Manila. Danach reift der Rum während sieben 138


Jahren wieder auf Negros, in Fässern aus amerikanischer Eiche. Lanciert wurde dieser Rum von einem Engländer: Stephen Carroll war zuvor im Marketingbereich von Diageo, Rémy Cointreau und LVMH tätig – drei der ganz grossen Spirituosenhersteller.

Don Papa 40% 2/5 m k

Ein sehr schönes Dessert. Aromen von Orangen, kandierten Früchten, Zimt und Vanille. In Wahrheit aber wohl ein «spiced» Rum.

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Japan Über die japanische Rumproduktion ist im Westen noch sehr wenig bekannt. In Europa sind zurzeit drei Sorten zu erhältlich, eine davon wird aus Zuckerrohrsaft gebrannt. Dass Japan gute Kenntnisse im Brennen hat, beweist die grosse Whiskytradition des Landes. Ebenfalls schon lange wird sogenannter Shōchū aus Melasse gebrannt. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Rums zu probieren, denn sie haben schon jetzt ihren eigenen Stil. Kikusui Shuzo Co Ltd.

Auf der Insel Shikoku, in Kuroshio, befindet sich die KikusuiDestillerie. Sie gehört dem ältesten Zuckerrohrverarbeiter Japans und ist auch für ihren Sake bekannt.

Ryoma 7 yo 40% 2/2 m k

Der sieben Jahre im Eichenfass gelagerte Ryoma-Rum ist im Geschmack komplex, mundfüllend, leicht fruchtig. Sehr eigen und interessant.

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Nepal Aus diesem Land kennt man die Sherpas, den Mount Everest, das Himalajagebirge. Dass auch Nepal Rum produziert, wissen die wenigsten. Doch wo immer die Engländer mal waren, haben sie Spuren hinterlassen. Aus dem Himalaja stammt denn auch das Wasser, das die Nepal Distilleries braucht, um ihren Rum auf Trinkstärke zu verdünnen. Im kalten Nepal wird der Rum oft mit heissem Wasser getrunken oder anderen warmen Getränken beigegeben. In einer geheizten, mitteleuropäischen Bar ist der Genuss aber pur zu empfehlen, denn der Khukri fällt nicht nur durch seine Flasche auf, sondern auch durch seinen Geschmack. Nepal Distilleries Pvt. Ltd.

Die Nepal Distilleries wurde 1959 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Kathmandu, am Fusse des Himalajas. Früher wurde hier im «pot still»-Verfahren destilliert, heute kommt eine kontinuierliche Brennanlage zum Einsatz. Das Flaggschiff der Firma ist der Coronation Khukri.

Coronation Khukri 42,8% 2/5 m k

Was zuerst auffällt, ist seine eigenwillige Flasche. Sie hat die Form einer traditionellen nepalesischen Waffe und wird in Handarbeit hergestellt. Der Rum selbst kommt ganz anders daher als seine karibischen Verwandten. Die speziellen Himalaja-Holzfässer mögen das Ihrige beitragen – oder vielleicht doch das Himalajawasser? Die spezielle Coronation-Flasche wurde 1974 eingeführt, um der Krönung des neuen Königs zu gedenken: «Shree Panch Birendra Bir Bikram Shah Dev.»

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Indien Indien ist hinter China das bevölkerungsreichste Land der Erde. Der lokale Alkoholmarkt ist immens. Einige der grössten Whiskymarken der Welt sind hier beheimatet, Namen, die man hierzulande noch kaum je gehört hat. Da die Engländer sehr lange grossen Einfluss hatten, geniessen neben Whisky auch Gin und Rum einen gewissen Stellenwert; von der Hauptzutat ist jedenfalls mehr als genug vorhanden. Indien ist nach Brasilien das zweitgrösste Anbauland für Zuckerrohr. Mohan Meakin Ltd.

Dieses Unternehmen ist im Bundesstaat Uttar Pradesh beheimatet und produziert noch viel mehr als nur den Old-MonkRum. Angefangen hat alles mit Bier. Heute kommen, neben dem bereits erwähnten Rum, verschiedenste Whisky-, Brandy-, und Ginmarken dazu.

Old Monk Gold Reserve 12 yo 42,8% 2/5 m k

Weltweit einer der meistverkauften Rums, da sein heimischer Absatzmarkt riesig ist – die Menschen in Indien sind trinkfreudig. Ein einfacher süsser Rum.

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Indonesien Indonesien ist der grösste Archipelstaat der Welt, 17508 Inseln umfasst er. 1945 rief das Land die Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht, den Niederlanden, aus. Eine Erklärung, die erst nach einem vierjährigen Krieg und unter diplomatischen Druck der USA akzeptiert wurde. Im Gegenzug musste die junge Republik riesige Staatschulden übernehmen. Zuckerrohr ist hier seit Jahrtausenden heimisch und auch heute noch eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Die Hauptstadt Jakarta liegt auf der Insel Java und hiess bis zur Unabhängigkeit Batavia. Hier entstand vor Jahrhunderten der wahrscheinlich direkteste Vorfahre des Rums – Arrack. Marco Polo brachte ihn im 14. Jahrhundert erstmals nach Europa, wo er schnell sehr grosse Beliebtheit erlangte. Genueser Händler, die den europäischen Arrack-Markt bis nach Russland belieferten, steckten nun ihr Geld in kanarische Zuckerplantagen. Dort produzierten sie neben Zucker auch eine lokale Zuckerrohrspirituose. Das war weniger aufwendig, als Arrack aus Asien zu importieren. Der javanische Arrack heisst noch immer Batavia Arrack und unterliegt klaren Vorschriften. Gebrannt wird er nur auf Java – in «pot stills» und aus Melasse sowie einer Art Reisküchlein, das die Fermentation beschleunigt. J.B. Labat Spirituosen

In unserem Spirituosengeschäft in Zürich hatten wir immer mal wieder Anfragen nach einem echten Batavia Arrack. Da fast nichts Gutes auf dem Markt ist, konnten wir unseren eigenen Blend bei einem Arrack-Händler machen lassen. 146


E.D. Dekker’s Batavia Arrack 50% 4/2 m p

Ein Blend aus drei verschiedenen Arracks aus derselben Destillerie, der ein Jahr in Fässern aus Teakholz lagerte. Dieser Arrack eignet sich hervorragend, um die alten Punch-Rezepte wiederaufleben zu lassen, in denen sehr oft nach Batavia Arrack verlangt wird. Er kann aber auch pur genossen werden Voraussetzung ist die pure Freude an viel Geschmack!

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Beenleigh Distillery


Australien Australien produziert pro Jahr mehr als dreissig Millionen Tonnen Zuckerrohr. Ein guter Grund, auch einen Rum aus Ozeanien ins Sortiment aufzunehmen. Die Colonial Sugar Refining Company (CSR) wurde bereits 1855 gegründet und erstellte Zuckerraffinerien auf Australien, Neuseeland und den Fidschi-Inseln. Zwischen 1890 und 1901 eröffnete die CSR Destillerien in verschiedenen Landesteilen. In der frühen Kolonialzeit diente Rum in Australien auch als Zahlungsmittel, um Sträflinge für ihre Arbeit zu entlöhnen. Marktleader ist der Bundaberg-Rum, der 95 Prozent des Konsums von dunklem Rum in Australien abdeckt. Es gibt aber auch noch weitere, sehr hochstehende Produkte. Beenleigh Distillery

Die älteste Destillerie Australiens produziert unter ihrem eigenen Namen Rum, der bei uns so gut wie nie erhältlich ist. Besonders interessant ist der grossartige und leider selten erhältliche Inner Circle. Ursprünglich war dieser Rum von der CSR ausschliesslich für den eigenen Verwaltungsrat und einige wichtige Kunden hergestellt worden. Als der Zuckerkonzern seine Destillerien verkaufte, verschwand auch der Rum. Stuart Gilbert kaufte im Jahr 2000 die Marke Inner Circle und reaktivierte den legendären Rum zusammen mit dem ehemaligen Beenleigh-Master-Distiller Malcolm Campbell. Bald gewann er alle wichtigen Auszeichnungen. 2007 verkaufte Gilbert den Inner Circle wieder und gründete seine eigene Marke– Holey Dollar.

Inner Circle Red 40% 4/2 m p

Reiner «pot still»-Rum im alten Stil. Hier sind die Aromen von Jamaika und Demerara-Rum wunderbar vereint. Ein grossartiger Rum für wenig Geld. 149


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Fidschi Selbst mitten im Südpazifik, nahe an der Datumsgrenze, wird Rum produziert. Die Bedingungen dazu sind sehr gut. Hier wächst, dank Klima und vulkanischer Erde, qualitativ sehr gutes Zuckerrohr. Eine grosse Rum-Vergangenheit haben die Inseln trotzdem nicht. South Pacific Distilleries Ltd.

In Laukota, der drittgrössten Stadt der Hauptinsel Viti Levu, wurde 1980 diese Brennerei eröffnet. Die Gegend gilt als Zentrum der Zuckerproduktion, und so war es naheliegend, die anfallende, hervorragende Melasse in einer eigenen Brennerei zu Rum weiterzuverarbeiten. Hier wird mit alten «pot stills» und Kolonnenanlagen gearbeitet und Rum hergestellt, der keinen Vergleich zu scheuen braucht.

Holey Dollar Silver 40% 4/2 m p

Stuart Gilbert gründete die Firma 2008 mit dem Ziel, zum 200-jährigen Jubiläum der australischen Rum-Rebellion (einem erfolgreichen Aufstand gegen die Regierung von 1808) einen Rum im «alten Stil» herzustellen. Dabei behielt er die Produktionsweise seines Erfolgsprojektes, dem australischen Inner-Circle-Rum bei: Das Zuckerrohr kommt von den Fidschi-Inseln, gebrannt wird in «pot stills», und der Ausbau erfolgt in kleinen Eichenfässern. Innert kürzester Zeit gewann Gilbert auch mit diesem Rum verschiedenste Auszeichnungen. Ein kräftiger Rum, der an Jamaika-Rum erinnert. Cave Guildive Fiji 2001 - 2016 58% 5/2 m p

Ein reiner «pot still» Rum. Hocharomatisch und sehr abwechslungsreich. Dieser Rum kann problemlos mit den grossen Jamaika- und Demerararums mithalten. 151


U.S.A. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es heute in erster Linie Whiskeys. Die frühen Siedler tranken allerdings sehr viel Rum. In jenen dreizehn östlichen Kolonien, die sich 1776 von der britischen Krone lossagten, war die Rumproduktion einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Die Hälfte des konsumierten Rums wurde lokal hergestellt. In nur sechs Monaten des Jahres 1688 wurden allein in Massachusetts beinahe 600‘000 Liter Melasse importiert. Die Hälfte davon wurde zu Rum destilliert. Die Hauptstadt Boston und das nahegelegene Medford wurden zum Epizentrum dieses sogenannten Medford-Rums. Im Jahr 1770 brannten die dreizehn nordamerikanischen Kolonien knapp neunzehn Millionen Liter Rum. Die Melasse wurde aus den britischen Kolonien der Karibik importiert. Dort waren die mächtigen Plantagenbesitzer derart auf ihr extrem einträgliches Zuckergeschäft fixiert, dass sie fast nichts anderes mehr anbauten. Alles Notwendige musste importiert werden, meistens aus Nordamerika. Melasse hingegen war endlos vorhanden und als Tauschware beliebt – sie war sehr viel billiger als das eigene Getreide, das zu dieser Zeit öfter zu Nahrung denn zu Alkohol verarbeitet wurde. In den französischen Kolonien war Melasse allerdings noch billiger. Nachdem die Nordamerikaner deshalb vermehrt bei den Franzosen einkauften, beschwerten sich die düpierten englischen Pflanzer aus Barbados und Antigua in London. Das Mutterland Grossbritannien erliess 1733 sehr hohe Zölle auf ausländische Melasse (Molasses Act). Auf dieses erste Steuergesetz folgten weitere. Die zunehmende 152


Unzufriedenheit der nördlichen Kolonien führte Jahrzehnte später zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts verliert der amerikanische Rum dann immer mehr an Bedeutung. Der Whiskey war auf dem Vormarsch, und Rum galt je länger je mehr als völlig unmodern. Im Jahr 1888 war die Zahl der Rumbrennereien in Boston auf drei geschrumpft. Die Prohibition von 1917 beseitigte schliesslich den letzten Rest der amerikanischen Rumtradition. Doch in den letzten Jahren hat in den USA ein starker Trend zu lokalen Produkten (und damit auch zu Brennereien) eingesetzt, und nun sind auch wieder Rumbrennereien entstanden. Es gibt noch keinen eigenen amerikanischen Stil, die Szene ist aber quicklebendig. GranTen Distilling

Diese Brennerei nahm ihren Betrieb im Jahr 2012 auf und stellt neben Rum noch diverse andere Destillate her. Da sie in Boston beheimatet ist, musste natürlich auch ein Rum in ihr Portfolio.

GrandTen Medford Rum 40% 3/3 m p

Dieser Rum soll den alten Medford-Stil wiederaufleben lassen. Wie sehr das gelang ist schwierig zu sagen, denn nur wenige lebende Menschen haben noch «echten» Medford-Rum getrunken. Er soll aber mittelschwer, rustikal und melassebetont dahergekommen sein. Dies kann man vom GrandTen durchaus auch behaupten. Er wird in kleinen «pot stills» aus «blackstrap»-Melasse gebrannt, die als besonders aromatisch gilt. St. George Spirits

In Kalifornien, dieser ehemals spanischen und später mexikanischen Kolonie, hat Rum keine grosse Tradition. Diese 153


Brennerei ist denn in unseren Breitengraden auch eher für ihre Gins bekannt. Daneben stellt sie unterschiedlich gute Fruchtbrände her. Wenig erstaunlich, denn es war der Sohn eines deutschen Brenners aus dem Schwarzwald, der die Destillerie 1982 in Oakland gründete.

California Agricole Rum 43% 4/1 z p

Dieser Rum wurde aus der Lust am Experimentieren geboren. Eigentlich braucht niemand einen teuren weissen «agricole»Rum aus Kalifornien. Das wissen auch die Leute von St. George. Doch weil in Südkalifornien wunderbares Zuckerrohr wächst, war das ihnen Grund genug. Der Rum macht sehr viel Spass – für Menschen, die gerne starke Aromen haben.

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Spanien Spanien ist nicht wirklich berühmt für Rum, obwohl hier alles begann: mit Kolumbus und dem Zuckerrohr, das er aus den Kanaren nach Westindien mitnahm. Der spanische Einfluss auf die Rumgeschichte ist zwar immens, doch im Land sind nur wenige Zuckerrohrfelder an der südlichen Costa Tropical übriggeblieben. Früher reichten die Felder von Valencia bis Gibraltar, doch die Verlockungen der Immobilienindustrie waren immer grösser als jene der weniger einträglichen Zuckerrohrproduktion. Rum gebrannt wird in Spanien aber heute noch, auch Bacardi hat hier eine Fabrik für den europäischen Markt. Der spanische Stil ist mild, und natürlich erfolgt hier die Reifung in sogenannten Bodegas und im Solera-System. Ron Montero S.L. N

Die Bodega Montero besteht seit 1963. Francisco Montero Martin produzierte zuerst Wodka, dann Gin. Am Schluss entschied er sich doch für den Rum, das traditionelle Getränk aus der Gegend von Motril, wo Bodega und Brennerei stehen. Vor einigen Jahren sollte der Betrieb verkauft werden. Interessenten gab es genug, unter anderem auch Bacardi. Doch die Firma blieb in Familienhand, und die nächste Generation übernahm. Der Alkohol wird auf einer kontinuierlichen Brennanlage gebrannt und kommt dann in die Bodega. Hier reift er in neuen 500-Liter-Fässern aus amerikanischer Eiche – im traditionellen Solera-System, wie es auch beim Sherry angewandt wird. Während Jahren wandert er von Fass zu Fass, um dann abgefüllt zu werden. Den Ron Montero Gran Reserva importieren wir selber. Ausser in der Gegend von Granada und in der Bar 63 in Zürich ist er sehr schwer zu finden.

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Ron Montero Gran Reserva 40% 1/3 m k

Mindestens vier Jahre im Fass. Mild und rund, aber mit kräftigem Holzton. Etwas Brandy-ähnlich. Destilerias Aldera S. L.

Diese kanarische Brennerei wurde 1936 an der Westküste von Gran Canaria gebaut. Der Besitzer Don Manuel Quevedo Alemán hatte sein Handwerk auf Madeira gelernt, damals die europäische Hochburg der Rumproduktion. Auch Gran Canaria bot den idealen Boden für den Anbau von Zuckerrohr. Allerdings setzten die einheimischen Bauern Ende der fünfziger Jahre auf die einträglichere Tomate, und die Brennerei musste 1959 schliessen. Zehn Jahre später nahmen zwei seiner Söhne die Produktion auf der Nachbarinsel La Palma wieder auf.

Ron Aldea Familia 40% 2/3 z k

Aldea brennt Rum aus Zuckerrohrsaft und nicht aus Melasse – im Februar während der Zuckerrohrernte läuft die Fabrik auf Hochtouren. Sie produziert nicht nur ähnlich wie Barbancourt in Haiti, auch der Rum schmeckt vergleichbar. Relativ mild, mit einer angenehmen Süsse und sehr harmonisch.

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Schweiz Auch in der Schweiz wird Rum gebrannt, wenn auch sehr selten. Weil das Ausgangsprodukt immer Zuckerrohr sein muss, wird die Melasse importiert – in der Schweiz wachsen nur Zuckerrüben, die meist zu Ethanol verarbeitet werden. Brennerei Humbel Zuckerfabrik C. A. I. Baliñ o N

Zusammen mit dem Kirschbrenner Lorenz Humbel besuchte ich im Jahr 2010 die biologisch produzierende Zuckerfabrik Baliño in Kuba. Aus deren Bio-Melasse brennt die Brennerei Humbel im Aargau einen Rum im kubanischen Stil. Wie in Kuba üblich, wird er durch Aktivkohle filtriert.

Guajira blanco 40% 1/4 m p

Ein sauber gebrannter weisser Rum mit süsslichem Geschmack. Perfekt für klassische kubanische Cocktails. Guajira añejo 40% 1/4 m p

Mindestens ein Jahr in neuen Eichenfässern bei Humbel im Aargau gelagert. Cask Adventures No. 2 Batch 2 50% 1/3 m p

Zusammen mit Marc Rohner, dem Blender von Humbel, kann ich mit dem Guajira-Rum und anderen Spirituosen Versuche mit verschiedenen Fasslagerungen machen. Dies sind jeweils sehr limitierte Abfüllungen. Bei den Cask Adventures No. 2 ruhte weisser Guajira-Rum für ein halbes Jahr in einem Scotch-Whisky-Fass und danach für weitere zwei Jahre in einem Fünfzig-Liter-Gravensteiner-Holzfass. 158


Ein eher leichter und doch komplexer, stark an Fruchtbrand erinnernder Rum.

Der Fasskeller bei Humbel

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Cocktails

Punch

Das Rezept für den Rum-Punch hatten die Engländer aus Indien in die neuen Kolonien der Karibik mitgebracht. Das Hindi-Wort für «fünf» heisst «panch» und beziffert die Anzahl der Zutaten, die für einen Punch verwendet werden. In Indien wurde der Drink wahrscheinlich noch mit Arrack gemixt, auf den Inseln der «West indies» wurde natürlich lokaler Rum verwendet. One of sour Two of sweet Three of strong Four of weak Five drops of bitters and nutmeg spice Serve well chilled with lots of ice Der saure Teil ist meist Limettensaft,«sweet» ist Zucker und «strong» ein lokaler Rum. Beim schwachen Teil wurde traditionell Tee genommen, später ein Fruchtsaft, Ginger Ale oder eine andere Limonade. Der in der Bar 63 servierte Punch 63 funktioniert, genau wie viele berühmte Tiki-Drinks, nach diesem System. Die Fruchtsäfte, die verwendeten Rums und verschiedene Zuckersirups machen das Geheimnis aus.

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Punch63 – Bar 63 Zürich


Cocktails

Ti Punch

Der Ti Punch (von Petit Punch) ist die Punch-Variante der französischen Kolonien. Durch das Weglassen des «schwachen» Teils bleibt der Geschmack der Spirituose deutlicher im Vordergrund. Eng verwandt mit dem kubanischen Daiquiri und dem brasilianischen Caipirinha, ist es wohl die beste Art, einen weissen Rhum agricole zu trinken. Rezepte gibt es so viele, wie Rumtrinker in den französischen Überseegebieten. Meist werden aber einfach ein paar Limetten, eine Flasche Rhum agricole und Zuckersirup auf den Tisch gestellt. Das geflügelte Wort dazu: Chacun prépare sa propre mort. 1/4 sirop de canne 3/4 de rhum blanc 1 pièce citron vert glaçons

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Cocktails

Grog

Admiral Edward Vernon trug oft einen warmen Umhang aus Grogram, einem starken Stoff aus Seide und Wolle. Dies brachte ihm den Spitznamen Old Grog ein. Da seine Matrosen durch die staatlich verordneten täglichen Rumportionen oft etwas zu lustig wurden, befahl er, den Viertelliter pro Tag in zwei Rationen aufzuteilen, mit Wasser zu verdünnen und – gegen Skorbut – eine Zitronenscheibe beizugeben. Der Grog war erfunden. Wer nun beim Landgang etwas zu viel davon getrunken hatte und nur noch durch den Hafen torkelte, wurde mit «he’s groggy» belächelt. So wird Admiral Vernon neben einem guten Getränk für kalte Tage auch noch ein Wort zugeschrieben, das vor allem im Boxsport sehr geläufig ist. 2 parts water 1 part Navy rum lime juice to taste dark cane sugar to taste

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Quellen- und Literaturnachweise: Bücher: HAMILTON, EDWARD. Das Rum Buch. München: Lichtenberg, 1998. CURTIS, WAYNE. and a BOTTLE of RUM. New York: Three Rivers Press, 2006. BROOM, DAVE. Rum. München: Christian Verlag, 2004. COULOMBE, CHARLES A. Rum. New York: Citadel Press, 2005. VINGTIER, ALEXANDRE. 101 rhums à découvrier. Paris: Dunod, 2014. TRADER, VIC. Bartender‘s Guide. New York: Garden City, 1948. CAMPOAMO, FERNANDO G. El hijo alegre de la caña de azucar. Havana: Cientifico Técnica, 1993. LABAT, JEAN-BAPTISTE. Pater Labats Sklavenbericht. Stuttgart: Thienemann, 1984. GARGANO, LUCA. Atlas du rhum. Paris. Flammarion, 2014. Internet: http://barrel-aged-thoughts.blogspot.ch http://www.ministryofrum.com http://www.diffordsguide.com http://www.rumportal.com http://www.jamaicasugar.org/FactoryHistory/FactoryHistory.html sowie die jeweiligen offiziellen Firmen-Homepages. Fotos: Pascal Kählin, Jonas Schwarz, Seite 46 Christelle Harris Seite 122 zVg, Seite 148 Beenleigh Distillery, Seite 164 unbekannt Cover: Jamaika um 1880. Bridgeman Images Jahrhunderte lang wurde für die harte Zuckerproduktion Menschen aus Afrika in die Karibik verschleppt und versklavt. Dieses Buch widmen wir auch Ihnen. 168


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