JP Grätzelbericht 2012

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J P I M MO B I L I E N P R Ä S E N T I E R T

AUSGABE 1 / H E R B S T 2012

VOM AR SE NA L BIS Z U M Y PPE N PL AT Z

Der Grätzel Bericht 03

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fi Lokalaugenschein im Arsenal fi Das 21er Haus lädt ein fi Flanieren im Schweizergarten fi Im Bundesdenkmalamt

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fi Rund um das Elisabethviertel fi Der neue Hauptbahnhof fi Schulen in Wieden fi Edelgreißlerei Opocensky

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fi BahnhofCity Wien West fi Streifzug durch die Felberstraße fi Galerie Foto K fi Taschen von Urban Tool

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fi Der Yppenmarkt im Fokus fi Zu Besuch bei Staud’s fi Yppig Ecofashion fi Das Gschwandner lebt


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EINLEITUNG

Vier Grätzel im Lokal­ augenschein

Neuer Schwung in alten Mauern


EINLEITUNG

Den Wienern wird nachgesagt, dass sie gerne raunzen und das Glas des Lebens nicht so sehr halbvoll, sondern eher halbleer sehen. Aber eines verbindet sie im Positiven: Sie lieben ihre Stadt. Und jeder Wiener hat gleich zwei Wiens, das Zentrum mit seinen Prachtbauten und sein eigenes Grätzel, den Teil der Stadt, in dem er lebt.

„Servas Mizzi, wie ham mas?“

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ie Innenstadt ist bestens dokumentiert. Tag für Tag fotografieren ganze Legionen von Tou­ risten die immer gleichen Häuser, Plätze und Denkmale. Ihre Grätzel aber gehören den Wienern alleine. Dort gibt es den Stammwirt, die Geschäfte, in denen man bekannt ist und mit Namen begrüßt wird, ja sogar einen eigenen Dialekt, der sich um Nu­ ancen von jenem des Nachbargrätzels unterscheidet. Im feinen Westen heißt es „Grüß Sie, Frau Hof­ rätin, was steht zu Diensten? “, im proletarischen Sü­ den eher „Servas Mizzi, wie ham mas?“. In jedem die­ ser Stadtteile aber kann man sich wohl und daheim fühlen.

Jedem Grätzel werden unter­schiedliche Eigenschaften und Gebräuche zu­ge­ schrieben. Jedes hat seine Geschichte und seine Kultur.

Weil aber Städte sich fortentwickeln wie lebendige Organismen, verändern sich auch die Lebensbedin­ gungen in den Grätzeln. Gleich geblieben über Jahrhunderte ist der zen­ trale Kern. Aber schon die im Nordosten angren­ zende Leopoldstadt hat ihr Gesicht stark verändert. Durch das Wachstum der Stadt weit über die Donau hinaus und die Anbindung an die U-Bahn ist der 2. Bezirk ins Zentrum gerückt. Wo früher in Hinter­ zimmern der Stoß gespielt und manche Unterwelt­ fehde ausgetragen wurde, stehen heute die Häuser der jungen und weniger jungen, hippen Städter. Ähnliches hat sich beispielsweise in Neubau, dem 7. Bezirk, zugetragen, wo die Sanierung des Spittel­ bergs, der Bau des Museumsquartiers und die Aus­ gestaltung der Mariahilferstraße aus einem vernach­ lässigten Innenbezirk einen zeitgemäßen Platz für Studenten, Künstler und Kreative gemacht hat.

Erfolgreiche Immobilien-Entwickler registrieren sol­ che Veränderungen lange im Voraus. Sie wissen, wo Infrastrukturmaßnahmen geplant sind, wo sich Kultur­ einrichtungen ansiedeln, wo neue Zentren entstehen. Dort investieren sie und helfen mit, die Stadtentwick­ lung voranzutreiben. Der vorliegende Bericht zeigt vier Grätzel mit langer guter Tradition, für die sich, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, ein Aufschwung voraus­ sagen lässt. Stadteile also, wo es sich lohnt zu inves­ tieren oder sich anzusiedeln, sei es als Unternehmen, sei es als Privatperson.

Wien ist wie ein Spiegel, in den das Licht aus verschiedenen Richtungen fällt. Jeder Blick fällt auf wunderbaren Glanz, und doch würde jeder die Stadt anders beschreiben. Schauen wir uns gemeinsam vier Blickwinkel an.

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Leben zwischen Kultur und Technik

Zu neuem Leben erweckt …

Außen ein eigenwilliger Backsteinbau, innen ein gefragtes Wohn- und Arbeits­ viertel. Das Areal des Arsenal Wien entwickelt sich sukzes­­​sive zum beliebten Grätzel im Süden Wiens. Mitarbeiter der im Objekt 15 situierten Abteilung Konservierung und Restaurierung des Bundes­denkmalamts teilen ihre Erfahrungen mit dem charmanten Areal mit.

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uf den ersten Blick wirkt der rostrote Backsteinbau am Eingang zum Arsenal Wien befremdlich: Eine Mischung aus mittel­ alterlicher Festung mit byzantinischem Dekor und maurischen Fassaden­ spielereien. Beim Anblick glaubt man sich in eine frühere Epoche versetzt. Das Gebäude zwischen Ghegastraße und Lilienthalgasse im 3. Wiener Ge­ meindebezirk mutet wie ein Märchen­ schloss an, wäre da nicht die Geschichte des gesamten Komplexes am äußeren Landstraßer Gürtel. Als Reaktion auf die Märzrevolution 1848 zum Schutz gegen die Feinde in der eigenen Bevölkerung errichtet, war das Arsenal bis nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine militäri­

sche Zentrale. Kein Wunder also, dass sich ausgerechnet hier das HEERES­ GESCHICHTLICHE MUSEUM befindet. Äußerlich erinnert aber nur mehr we­ nig an diese Vergangenheit. Zwischen den herrschaftlichen Backsteinmauern stehen noch ein paar Kanonen und Panzer in und vor den Arkaden des „Einser­ hauses“, dem Objekt 1 – sie sollen über kurz oder lang Wohn- und Bürokomplexen weichen. Auch hält das ÖSTERREICHISCHE BUNDESHEER noch eine Kaserne hier, wie der eine oder andere kakifarbene LKW, der übers Ge­ lände rauscht, belegt. Aber Kinderspiel­ plätze, Tenniscourts und jede Menge Grünflächen brechen von innen heraus das alte Image des Arsenals.


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… ein Ort für Kinder und Familien.

Heute tummeln sich hier junge Familien mit Kindern, Menschen mit Hunden, Läufer und Radler, die das Areal aus seinem Dorn­röschenschlaf holen und Leben in die romantisch-historistische Gebäudelandschaft bringen. Längst hat sich das Arsenal zum belieb­ ten Wohn- und Arbeitsviertel entwickelt. Johannes Nigisch kennt das Grätzel von beiden Seiten. Er ist nicht nur Bewoh­ ner des Arsenals, sondern auch Mitar­ beiter der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Österreichischen Bundesdenkmalamts, das seit mehr als 50 Jahren im Objekt 15 angesiedelt ist (mehr dazu auf Seite 6). „Ich hatte hier schon gearbeitet, als ich auf Wohnungs­ suche war“, so der Experte für Holz, Bild­ hauerei und Metall. „Und da hat es sich hier im Arsenal irgendwie ergeben.“ Die Nähe zur Arbeit störe ihn nicht. „Ich ma­ che oft den Scherz: Heute war wieder ein fürchterlicher Stau in die Arbeit“, albert der Restaurateur. Natürlich nutze er das Areal für die Freizeit, zum Laufen oder für einen Spaziergang. Und auch Einkau­ fen sei kein Problem: „Da gehe ich ins Fasanviertel – das ist zu Fuß erreichbar.“

„Da bekommt man dann ein Semmerl oder so.“ Der Kollege von der Stein-Restauration, Hans Nimmrichter, nutzt das Angebot im Arsenal: „Es gibt hier auch noch Nahversorger im Einser-Haus“, so der Leiter der Fachbereichs Stein. „Das ist die Frau Handler. Vor einiger Zeit hat

der Sohn den Laden übernommen. Da be­ kommt man dann ein Semmerl oder so. Na­ türlich sind die Prei­ se etwas höher als im Supermarkt und auch die Auswahl ist nicht besonders groß. Dafür erfährt man den einen oder anderen Tratsch und Klatsch.“ Maria Teuschl, Sekretärin der Abteilung, ergänzt: „Es gibt auch einen Arzt und einen Friseur beim Haupteingang. Da bin ich übrigens die jüngs­ te Kundin. Die meisten sind im Durchschnitt 70 Jahre alt.“ Gut essen könne man hier auch, in der Arsenal­ stuben. „Das Restaurant ist vor kurzem abgebrannt“, fügt Frau Teuschl hinzu. „Jetzt wurde es gerade generalsaniert und rechtzeitig zur Sommersaison hat es wieder geöffnet.“ Da kommen dann auch die Gäste vom angrenzenden SCHWEIZERGARTEN und speisen in dem legendären Lokal im Einser-Haus. Gut essen könne man auch in der Kantine von ART FOR ART , meint Hans Nimmrichter. In den Dekorations- und Kulissenwerkstätten des Alleinausstat­ ters der ÖSTERREICHISCHEN BUNDES­ THEATER wird auf einer Fläche von 15.000 Quadratmetern an Bühnenbil­ dern, technischen Spezialeffekten für das Theater und den perfekten Illusi­ onen für verschiedene Shows getüftelt. Die Dekorationswerkstätten verfügen über Tischlereien, Malereien, Schlosse­ reien, Bildhauereien sowie eigene Waf­ fenwerkstätten – und eben über eine gute Küche. „Da kocht ein Afrikaner gute Wiener Schmankerl“, so Nimm­ richter. „Da gehen wir zu Mittag immer wieder mal ins Objekt 19 rüber – auch wenn der Portier skeptisch schaut, wo wir eigentlich hingehören.“

Mehr Kunst spielt sich wenige Meter entfernt in einem schwebenden Kubus ab. Dort befindet sich seit Anfang 2012 die neue Probebühne der Wiener Staatsoper. Eine elegante Lösung: Dank der Lager und Werkstätten nebenan können die Sänger und Tänzer hier auch mit Ku­ lissen proben. Und immer wieder wird das neue Gebäude auch für Auffüh­ rungen und die Kinderoper genutzt. Bereits ein kultureller Traditionsbe­ trieb im Arsenal ist die Probebühne des BURGTHEATERS , die seit den frü­ hen 1970er Jahren hier angesiedelt ist.

„Da sieht man dann beispielsweise Otto Schenk“, so Johannes Nigisch. Und Rosie Hager, guter Geist in der Abteilung für Konservierung und Re­

selben zu hieven. Irritieren mögen die Geräusche, die hinter Zäunen mit den grünen Sichtblenden entlang der west­ lichen Gebäudelinie zu hören sind.

staurierung, fügt hinzu: „Auf der Pro­ bebühne finden auch Workshops und Aufführungen von ImpulsTanz statt. Das bringt schon eine ganz eigene At­ mosphäre ins Arsenal.“ Im hinteren Teil des Geländes geht es etwas technischer zu. Neben dem Areal des TECHNOLOGIEZENTRUM ARSENAL der A1 Telekom Austria wer­ den einige Objekte seit 2010 für die Nutzung durch die Technische Uni­ versität Wien adaptiert: Objekt 227, die so genannte „Panzerhalle“, wird die La­ bors des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik beherbergen. Im Objekt 221, der „Siemens-Halle“, werden Labors des Instituts für Energietechnik und Thermodynamik sowie des Insti­ tuts für Fertigungstechnik und Hoch­ leistungslasertechnik errichtet. Im Ob­ jekt 214 wird neben der TECHNISCHEN

Wer vermutet schon eine Tennisanlage inmitten des Arsenal Wien! Und den­ noch: Bereits seit Anfang der 1960er Jahre frönt man hier diesem Ballsport. Dem Ächzen und Stöhnen der Tennis­ spieler setzt maximal Hundekläffen etwas entgegen. „Übrigens geht auch Herr Schäfer-Elmayer hier mit seinem Hund Gassi“, so Hans Nimmrichter. „Sie wissen schon, der Mann für das gute Benehmen von der Tanzschule.“ Rosie Hager kommt ins Schwär­ men: „Ja, hier gibt es schon eine ganz spezielle Wohnqualität“, meint sie. „Die Ruhe, die garantierte Verkehrsarmut, die großen Freiräume.“ Johannes Nigisch nickt und spricht vom Generations­ wechsel im Arsenal.

VERSUCHS- UND FORSCHUNGSANSTALT

auch die zweite Ausbaustufe des VIEN­ NA SCIENTIFIC CLUSTER untergebracht: Hier entsteht ein Supercomputer, der gemeinsam von der TU Wien, der Uni­ versität Wien und der Universität für Bo­ denkultur errichtet wird. Die Kleinen aus dem KIWI Kinder­ garten Arsenal freilich kümmern diese technischen Details am Gelände wenig. Sie erfreuen sich lieber der vielen Grün­ flächen, die auf dem gesamten Areal wie kleine oder größere grüne Oasen die Mischung aus alten Backsteinhäu­ sern und modernen Stahl-Betonbauten durchbrechen. Einzig der riesige Kran, der aus dem Innenhof eines Wohnkom­ plexes ragt, mag die Aufmerksamkeit der Kids fesseln, wenn der Schwenkarm langsam über dem Dach des Hauses dreht, um Material zum Ausbau des­

„Hier hat sich viel geändert. Die Bewohner haben gewechselt – weniger alte Leute, mehr Familien und Kinder. Aber die Nachbarschaftlichkeit ist geblieben.“ Und übrigens sei man bald auch sehr gut angebunden mit der geplanten Verlängerung der U-Bahnlinie U2 über das Arsenal zur Gudrunstraße in Favo­ riten. Von den Impulsen, die der an­ grenzende Hauptbahnhof setzen wird, ganz zu schweigen. Renate HolzschuhHofer, Leiterin der Öffentlichkeits­ arbeit des BUNDESDENKMALAMTS und selbst Kunsthistorikerin, resümiert: „Das Arsenal ist durch seine Öffnung für die Menschen zu einem beliebten Grätzel geworden.“ Das Wohnen im vielfältigen Grätzel erfreut sich großer Nachfrage. Tendenz steigend.

ART for ART: Die Dekorationsund Kulissenwerkstätte der Österreichischen Bundestheater

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Konserviert O

b das Keckmann-Epitaph, ein Grabdenkmal der Spätgotik aus

dem Wiener Stephansdom, das älteste Fass des Burgenlandes aus Bruckneudorf, datiert auf 120 nach Christus, oder ein kleiner Clown, ein Artefakt aus der KZGedenkstätte Mauthausen – in der Ab­ teilung Konservierung und Restaurierung des BUNDESDENKMALAMTS werden die­ se Kulturgüter mit Umsicht, Sorgfalt und größter Handfertigkeit behandelt – und etwas Liebe ist auch im Spiel. Wenn Hans Nimmrichter, Leiter des Fachbereichs Stein, über die Ob­ jekte in seiner Halle im Objekt 15 des Arsenal Wien spricht, sieht und spürt man die Begeisterung für die Kunstwer­ ke, das Material, das Handwerk dahin­ ter. Hingebungsvoll beschreibt er die Arbeit, die seine Mitarbeiter­innen und Mitarbeiter tagtäglich verrichten. Wert­ voll und wichtig sei sie. Und befriedi­ gend, wenn am Ende des Tages neue Er­ kenntnisse oder eben gut konservierte Artefakte da sind. Ähnlich euphorisch

UND FÜR DIE EWIGKEIT ERHALTEN

Die Akribie der Denkmalpflege

beschreiben auch die anderen Fachbe­ reichsleiterInnen ihre Tätigkeit. Hofrat Dr. Bernd Euler-Rolle bringt die Auf­ gaben seiner Abteilung auf den Punkt: „Konservierung und Restaurierung ge­ hören zu den zentralen Aufgaben der Denkmalpflege“, fasst der Fachdirektor zusammen. Jährlich werden in den

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Werkstätten im Arsenal in Kooperati­ on mit freischaffenden RestauratorIn­ nen mehr als 50 Objekte untersucht beziehungsweise restauriert und rund fünf Außenarbeiten in unterschiedli­ chen Fachbereichen durchgeführt. Da­ neben begleiten die Experten fachlich zahlreiche Projekte in Kooperation

mit den Landeskonservatoren. Publika­ tionen, Tagungen und Weiterbildungs­ veranstaltungen tragen zur Wissens­ vermittlung und zum internationalen Wissensaustausch bei. Am Standort im Arsenal Wien arbeitet man schon seit den 1950er Jahren. Die riesigen Hallen im Objekt 15 stellen optimale Werk­ stätten für die Arbeiten an überdimen­ sionalen Wandgemälden, schweren Steinskulpturen oder auch sperrigen Holz-Objekten. „Unsere Mitarbeiter­ Innen schätzen diesen Arbeitsplatz als ruhigen, kreativen Ort inmitten eines geschichtsträchtigen Gebäudekomple­ xes“, meint Renate Holzschuh-Hofer, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesdenkmalamts. „Das Arsenal hat mit seinem historistischen Baustil ein ganz besonderes Flair. Das passt zum Bundesdenkmalamt.“ Mehr zur Abteilung Restaurierung und Konservierung unter: WWW. B DA .AT

Grün, grün, grün… DER SCHWEIZERGARTEN

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ie Vögel zwitschern, Wasser plät­ schert gurgelnd über Fels und Stein und der bunte Teppich des Rosa­ riums erfreut das Erholung suchende Auge. Wäre da nicht der Straßenlärm von Wiedner und Landstraßer Gürtel, der dumpf, aber stetig den Ton im Hin­ tergrund angibt, man würde sich mitten im Paradies wähnen. Der Schweizergarten hat alles, was ein Wiener Park benötigt: Viel Grün, ausreichend Wege zum Flanieren, Spielplatz für die Kleinen, Gasthaus für die Großen, Zonen für die Hunde und ihre Besitzer – selbst die Jugend

kommt mit einer eigenen Sportanlage auf ihre Kosten. Den jetzigen Namen verdankt die Grünanlage übrigens der unkonventionellen Umbenennung des „Roten Wiens“ im Jahr 1920 – aus Dankbarkeit für die großzügige Hilfe der Schweizer in Zeiten der Not nach Ende des 1. Weltkriegs. Und die grüne Mark findet man im Schweizergarten auch. Das Lokal KLEIN STEIERMARK macht seinem Namen alle Ehre: Alm­ hütte mit Kachelöfen, charmanter Gast­ garten, solide Küche mit steirischen und saisonalen Spezialitäten, rustikales Ambiente inklusive.

Hotel Daniel SMARTER LUXUS IM HOTEL

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iener Stadthotels haben meis­ tens einen ganz typischen Cha­ rakter – entweder im herrschaftlichen Stil überladen und pompös oder im Charme eines 80er Jahre KettenHotellerie-Betriebs in funktionellem Einheitsdesign. Ein kleines Hotel am Landstraßer Gürtel beweist gekonnt und stilsicher, dass ein Stadthotel Luxus und Understatement spielend verbinden kann. „Smart Luxury“ nennt das HOTEL DANIEL sein Motto – und

das wird konsequent umgesetzt. Ganz nach dem Vorbild des Pionierprojekts in Graz reagiert man auf die Bedürf­ nisse der modernen Städtereisenden: ästhetisch mit architektonischen Spe­ zialitäten, aber nicht zu Tode kreiert. Praktisch, aber mit dem gewissen Extra im Service und in der Ausstat­ tung. Nicht mitten in der Stadt, aber in bester Lage im neuen Trendviertel Wiens. Mit dem Verkehrsleben einer Großstadt und dem Grün-Flair vom

Belvedere und Schweizergarten. Wer will, entdeckt die Metropole per Rad oder Vespa – der hauseigene Verleih macht’s möglich! Selbst wenn man nicht im HOTEL DANIEL absteigt, ist der Besuch der DANIEL BAKERY ein Muss – kulinarische Weltreise inbe­ griffen: Vom florentinischen Brotsalat über orientalische Antipasti bis zum amerikanischen Rib-Eye-Steak kommt jeder Geschmack auf seine Kosten. WWW.HOTELDANIEL.COM

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21er Haus

Wo die Seele der Künstler zur Arbeit geht F O T O  ©   B E LV E D E R E W I E N , M I C H A E L R A U S C H - S C H OT T

DAS MUSEUM FÜR ZEITGENÖSSISCHE KUNST IN NEUEM GEWAND.

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icht ist es im 21ER HAUS . Die Farbe Rot ist unverkennbar Programm und 21 die magische Zahl – auch wenn ihre Bedeutung kein Mysterium dar­ stellt: 1962 als Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts in Wien eröffnet, kommt nun auch der ehemalige Öster­ reich-Pavillon der Weltausstellung 1958 in der Zukunft an und steigt zum 21. Jahrhundert auf.

Frisch saniert und mit neuem Profil präsentiert sich das Architekturjuwel seit Novem­ ber 2011 unter Leitung des Belvedere als Plattform für die österreichische Kunst von der Nachkriegsmoderne bis in die Gegenwart.

Mit der Adaptierung und Erweiterung des Gebäudes wurde mit Adolf Kri­ schanitz ein Schüler von Karl Schwan­ zer, Architekt des Pavillons, beauftragt. Respektvoll gegenüber Urheber und Ort inszenierte Krischanitz vor allem den Innenraum neu und schuf durch die monumentale Mittelhalle ein ein­ zigartiges Raumerlebnis. Die Fassade des sechsgeschossigen Neubaus fügt sich der Hülle des Ursprungsbaus. Al­ tes wie neues Haus bieten Platz – nicht nur für die Sammlungen des Hau­ ses – unter anderem mit Arbeiten von Arnulf Rainer, Christian Ludwig Atter­ see oder Elke Krystufek –, sondern auch für Ausstellungen wie die Werkschau des Künstlers Hans Schabus oder die künstlerische Aufarbeitung des Themas „Wenn die Seele zur Arbeit geht“, die die

Schwächen und Folgen der modernen Leistungsgesellschaft illustriert.

Nahezu zum Inventar seit Anbeginn des Museums gehört Fritz Wotruba. Der Wiener Künstler wurde damals mit der Gestaltung eines monumentalen Figu­ renreliefs beauftragt, das als Markstein für das Gebäude beim Schweizergarten aufgestellt wurde. Seitdem lebt der Geist Wotrubas im 21er Haus. Mit der Neugestaltung findet der Künst­ ler nun auch einen sichtbaren Platz: Die FRITZ WOTRUBA PRIVATSTIFTUNG und die FRITZ WOTRUBA WERKNUTZUNGS­

stellen dem BELVEDERE den künstlerischen Nachlass Fritz Wotru­ bas als Leihgabe für die Dauer von zwölf Jahren zur Verfügung. Das 21ER HAUS öffnet sich auch dem bewegten Bild: Mit dem BlickleKino – benannt nach der Ursula-Blickle-­ Stiftung – will man den öffentlichen Dis­­ kurs zwischen Film und Kino, Kunst und Wissenschaft fördern und Debatten um Geschichte und Zukunft bewegter Bilder im Kontext der Bild- und Medien­kultur des 21. Jahrhunderts anregen. Auf dem Programm stehen zeitgenössische Filmund Videoarbeiten wie die „Deutschland Trilogie“ vom verstorbenen Theater- und Filmkünstler Christoph Schlingensief oder „Crash Site“ von der IndependentRegisseurin Constanze Ruhm. GESELLSCHAFT

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Ein Grätzel Teppich

Gemütlich, freundlich Dorffleben mitten in Wien

Karolinenviertel, Drascheviertel, Schaumburggrund – die Gegenden im 4. Wiener Gemeinde­bezirk verkörpern, was man mit dem Wort „Grätzel“ assoziiert: eine ganz eigene soziale Identität, geprägt durch die Bewohner, die Infrastruktur und durch ein urtypisches Lebensgefühl.

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as Lachen der Kinder ist bereits zwei Gassen entfernt zu hören und leitet den Weg zu einem der schönsten Grätzel in Wieden. Wenn die Volksschüler aus der Elisabeth­ schule im Karolinenviertel strömen, wird es laut und lebendig am St. Elisa­ bethplatz. Die Kinder stürmen den Spielplatz, deren Geräte das moderne Bindeglied zwischen dem Backsteinge­ bäude der Schule und der neugotischen Staffelkirche St. Elisabeth aus dem 19. Jahrhundert bilden. Die alten Damen auf den Parkbänken stört das Geschrei kaum. Sie sind vertieft in Tratsch und Klatsch – über Politik, das Wetter und

die Unannehmlichkeiten des Altwer­ dens. Ein Blick vielleicht, wenn ein Ball in ihre Richtung rollt. Oder wenn die Kids schreiend Fangen spielen. Frau Nikolic hilft ihrer älteren Tochter beim Klettern. Schon seit vier Jahren lebe sie hier. „Ich schätze die ruhige, familiäre und kinderfreundliche Atmosphäre, die gute Verkehrsanbindung. Und der 1. Bezirk ist um die Ecke.“ Die kleinere Tochter versteckt sich hinter ihrer Mama. „Und viele Kindergärten gibt es hier auch.“ Frau Sempal vom Obst- und Ge­ müsestand auf der Ostseite der Kirche sor­tiert gerade ihre Produkte, grüßt zwei

Be­kannte im angrenzenden Markt-Kaf­ feehaus. Übersichtlich ist es, kleinteilig.

Die gemütliche, freundliche Stimmung trägt zur guten Nachbarschaft bei. Dorfleben mitten in Wien findet man hier. Wäre da nicht in unmittelbarer Nähe, in der Fluchtlinie der Argentinierstraße, ein Wald aus Baukränen zu erkennen, man würde das Grätzel für eine klei­ ne Gemeinde, nicht für einen Stadtteil der Metropole Wien halten. Die hohen Stahlskelette am Wiedner Gürtel sym­ bolisieren die Innovation im Süden

Wiens. Wenige Meter entfernt von der Idylle des Karolinenviertels wächst der neue Hauptbahnhof der Bundeshaupt­ stadt – ein Mega-Bauprojekt, das in den kommenden Jahren zum zentralen Verkehrsknotenpunkt werden soll. Die­ sen Perspektiven blicken die Bewohner gelassen entgegen. Ihr Leben geht un­ beirrt weiter – in den Parks, in den klei­ nen Geschäften, den Greißler-Läden, in den Cafés von nebenan. Im Kulturcafé GOLDEGG beispielsweise mischt sich Wiener Kaffeehaus-Flair mit Kitsch und modernem Interieur. Beim Blick vom Café gen Süden hinauf ins Nirva­ na der größten Baustelle Österreichs


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wähnt man sich fast ein bisschen in den Straßen von San Francisco. Frau Sibel, die Chefin des türki­ schen Herren- und Kinderfriseurs

Jetzt sind einige andere da.“ So ähnlich sieht es auch Herr Gamal. Der Ägypter führt seit 16 Jahren das Zu­

gasse: Da thront das pompös-barocke PALAIS STARHEMBERG-SCHÖNBURG auf der leichten Anhöhe, frisch renoviert und vom satten Grün eines riesigen

in der Favoritenstraße 74, wohnt schon seit 21 Jahren hier. Den Laden hat sie seit knapp 4 Jahren. „Die Leu­ te hier sind super“, fasst sie kurz und bündig zusammen. Natürlich wisse sie um die Chancen des neuen Bahn­ hofs, die Aufwertung der verschlafenen Seitengassen und der Favoritenstraße, einer Hauptverbindungsachse zwischen Innenstadt, Gürtel und den südlichen Außenbezirken, durch die neuen Stadt­ entwicklungspläne. Die Geschäftsführe­

ckerlgeschäft BOULES in der Favoritenstraße und hofft auf jüngeres Publikum. Immer­ hin bietet der Mann traditi­ onelle Zuckerware feil. „Hier gibt es noch echte Seidenzu­ ckerl und Krachmandeln“, wirft eine Kundin ein. Die ehemalige Lehrerin, eine UrWienerin, wohnt seit über 54 Jahren in diesem Grätzel. Sie habe die Eröffnung der U1, der ersten U-Bahn-Linie Wiens, im Jahr 1978 miter­ lebt, sie kenne die Straße noch mit der Straßenbahnlinie 67, die zwischen In­ nenstadt und Außenbezirken verkehrte. „Das ist ein wunderbarer Wohnbezirk“, meint die alte Dame, die früher der Frau und den drei Kindern von Herrn Gamal Deutschunterricht gegeben hat und der Familie seither freundschaftlich ver­ bunden ist. Gelebte Integration nennt man diese selbstverständliche Nach­ barschaftshilfe heutzutage. Herr Gamal

Parks umgeben. Gegenüber ist die un­ aufregende Hinterseite der Österreichi­ schen Wirtschaftskammer. Querfeldein zum Alois-Drasche-Park scheint es man­ cherorts verlassen und verfallen. Aber spätestens rund um die Grünan­ lage – dem Namensgeber für das Viertel – blüht wieder das Leben. Man spürt: Die Menschen identifizieren sich mit ihrem Grätzel. Es sind die Straßen, Gassen und Plätze, wo der Alltag stattfindet, von städ­ tischer Anonymität kann keine Rede sein: Hier trifft man sich zum Plausch im Klieberpark oder zum Glaserl Wein im „WIRTSHAUS “ in der Johann-StraußGasse. Es sind aber vor allem die typi­ schen Gerüche und Geräusche, die den Grätzel-Teppich in Wieden prägen: das gebackene Brot, das Bellen der Hunde und das Geschrei der Kinder, die süße Mehlspeise, der Autolärm und die Kir­ chenglocken, der frisch gebrühte Kaffee und die hupenden Fahrzeuge. In jedem Fall ist für jeden Geschmack das passen­ de Ambiente dabei.

CUCCU

„Hier gibt es noch echte Seidenzuckerl und Krachmandeln.“ rin erwartet „mehr Leben“. „Aber zum Gürtel hin ist es ohnehin schon sehr le­ bendig“, so Frau Sibel. „Ich war eine der ersten, die in dieser Ecke ihr Geschäft eröffnet hat. Das war ein Dominoeffekt.

selbst lebt am Naschmarkt, aber „das hier wäre auch ein Platz zum Wohnen.“ Der Weg von der Favoritenstraße hinüber zum Drascheviertel und zum Schaumburggrund kann nicht gegensätz­ licher sein: Sauber und ruhig in der Kol­ schitzkygasse, laut und lebendig in der Waltergasse, mit dem Bundesrealgymna­ sium Waltergasse an der einen und dem vornehmen Theresianum an der anderen Ecke. Ungewöhnlich ist es in der Rainer­

Straße mit Geschichte D I E I N N E R E FAVO R I T E NST R A S S E

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inst führte sie zum „FavorithenThor“ des Linienwalls, der äuße­ ren Befestigungsanlage Wiens. Bereits seit dem Mittelalter galt sie als ent­ scheidender Verbindungsweg nach Un­ garn. Heute bildet die Favoritenstraße neben der Wiedner Hauptstraße die wichtigste Ausfallstraße des 4. Bezirks gen Süden. Die historischen Bauten entlang der Straße wissen viele Ge­ schichten zu erzählen – allen voran das Theresianum: Die Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht war einst Teil der Favorita, dem kaiserlichen Sommer­ schloss, bis Schloss Schönbrunn diesen Status erhielt. Danach ging die barocke Residenz an die Jesuiten, die hier eine Schule errichteten. Das Bildungsambi­ ente hielt sich bis heute: Nun befindet sich neben dem Gymnasium auch die Diplomatische Akademie Wien in dem Gebäude. Anstelle des 1973 errichteten Gebäudes des „Elektrotechnischen In­ stituts“ der Technischen Universität in der Favoritenstraße 5 befand sich von 1794 bis 1843 die Artilleriekaserne Wieden. Versteckt in einem Hinterhof der Hausnummer 7 offenbart sich das einstige barocke Gartenpalais von Erz­ herzog Carl Ludwig. Dort liegen auch die Anfänge des Casino Wien: 1961 wurde hier der Spielbetrieb eröffnet – allerdings nur kurze Zeit, zu weit war das erste Casino vom Zentrum entfernt.

1968 übersiedelte es ins Palais Ester­ házy in der Kärntner Straße. An Stelle des August-Bergmann-Hofs in der Favo­ ritenstraße 8, in dem sich heute eine Filiale der Büchereien Wien eingemie­ tet hat, stand einst das Johann-StraussTheater, später bekannt als das „Neue Theater in der Scala“. 1960 wurde das Gebäude nach Verdacht kommunisti­ scher Betätigung und nach Subventi­ onsschwierigkeiten abgerissen. Einige Meter weiter steht die städtische Wohn­ hausanlage Berta-von-Suttner-Hof: Wo heute nebst viel Grünflache Platz für 360 Wohnungen ist, war einst das 1710 erbaute Palais Czernin, das spätere Pa­ lais Althan. Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich hier die weithin bekannte Biedermeier-Möbelfabrik Danhauser. Auf Höhe der Hausnummer 64 thront in der Eckfassade die Skulp­ tur eines legendären Mannes: Georg Franz Kolschitzky soll der Erzählung nach 1683 das Kaffeetrinken in Wien eingeführt haben: Während der Tür­ kenbelagerung führte er im Auftrag des Kaiserhauses waghalsige SpionageAkte durch und erbot sich als Lohn nicht mehr, aber auch nicht weniger als einige Säcke Kaffee aus der Türken­ beute. Damit soll er eine der wichtigs­ ten Traditionen der Bundeshauptstadt begründet haben. Was wäre Wien ohne eine gute Tasse Kaffee?

Auf dem Weg in den Süden

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Gut ausgebildet SCHULEN IN WIEDEN BRG4 Waltergasse – wo schon Viktor „die Schiffsturbine“ Kaplan die Schulbank drückte.

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ildung wird in Wieden groß ge­ schrieben: Von der Vorschule über Neue Mittelschule bis zur Hoch­ schule und Akademie ist hier alles vertreten – und zwar in einer großen Dichte und auf hohem Qualitäts­

standard. Neben sieben Volksschulen und zwei Mittelschulen trumpft der 4. Wiener Gemeindebezirk vor allem mit drei erstklassigen Gymnasien auf: Das BUNDESREALGYMNASIUM WALTER­ GASSE setzt auf naturwissenschaftlich-

technische Fächer mit besonderen Schwerpunkten in Geometrie und Me­ diendesign. Das WIEDNER GYMNASIUM – wahlweise mit Fokus auf Sprachen oder Naturwissenschaften – beherbergt die SIR-KARL-POPPER -SCHULE , die sich

mit ihrem individuellen Schulmodell auf die Förderung von Hochbegabten spezialisiert hat. Überregionale Be­ rühmt­heit hat das Öffentliche Gymna­ sium der Stiftung Theresianische Aka­ demie – kurz THERESIANUM – erlangt. Die Privatschule mit Öffentlichkeits­ recht blickt auf eine lange Bildungs­ geschichte zurück: Von Kaiserin Maria Theresia 1746 als Erziehungsanstalt für Adelige errichtet und bis 1989 nur Jun­ gen zugänglich, gilt das Gymnasium als eine der besten Schulen Österreichs. Selbst aus den Bundesländern kom­ men Schülerinnen und Schüler, die im integrierten Halb- oder Vollinternat untergebracht werden. Neben der All­ gemeinbildung setzt das THERESIANUM auf Fremdsprachenausbildung und Er­ ziehung zur Internationalität. Passend dazu befindet sich übrigens die DIPLO­ MATISCHE AKADEMIE in unmittelbarer Nähe. Seit 2011 bietet die Schule auch einen Kindergarten und eine Volks­ schule an.

Es grünt so grün UM DIE FAVORITENSTRASSE

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er die Favoritenstraße von der Wiedner Hauptstraße stadt­ auswärts fährt, mag es kaum glauben: Aber die Grätzel links und rechts der Hauptverkehrsanbindung halten das eine oder andere grüne Kleinod parat. Wieden und Margareten sind zwar typische „innere“, also innerhalb des Gürtels liegende Bezirke: dicht besie­ delt mit wenig Grünflächen. Allerdings beweisen beide Bezirke, dass man auch auf wenig Platz viel erreichen kann: Immerhin werden rund 90 Prozent der spärlichen Grünräume für Parkanlagen genutzt. Die gängigste Form ist der so genannte Beserlpark. Diese kleinen Anlagen sind typisch für Wien. Sie entstehen oft dann, wenn nach Abriss­ arbeiten eines Hauses eine Lücke in einer Bauzeile entstanden ist. Ein klas­

sischer Beserlpark ist der KLIEBERPARK , eine grüne Pufferzone zwischen der stark befahrenen Wiedner Haupt­straße und der Hauslabgasse, unweit des Gür­ tels. Größer und familiengerechter ge­ staltet sich der ALOIS-DRASCHE-PARK : Vor wenigen Jahren generalsaniert bietet die Anlage nun ein Paradies für Kids – mit Mini-Kletterpark, Schaukeln für alle Altersstufen, Sandspielplatz und etlichen Sitzgelegenheiten für die Gro­ ßen. Relativ jung ist der ANTON BENYAPARK in der Argentinierstraße: Die von der Arbeiterkammer Wien zu Ehren des Gewerkschafters und Politikers be­ nannte und 1990 eröffnete Parkanlage befindet sich auf geschichtsträchtigem Boden: Im 19. Jahrhundert stand hier das Palais von Nathaniel Meyer Freiherr von Rothschild samt Park. Im zweiten

Weltkrieg wurde es als Gestapo-Ge­ fängnis genutzt und nach 1945 abgeris­ sen. Heute befindet sich auf dem Areal neben dem Park das ADOLF-CZETTELBILDUNGSZENTRUM der Arbeiterkam­ mer mit dem THEATER AKZENT .

Der Klieberpark: beste Lage im Grätzel


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Edles am Eck DAS OPOCENSKY

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obert Opocensky steht am Ein­ gang seiner Edelgreißlerei in der Favoritenstraße 25 und richtet einen der Obstkörbe zurecht. Es ist 16 Uhr, der Mittagstisch gerade erst been­ det, die letzten Gäste verlassen den hin­ teren Sitzbereich des Ecklokals. „Lauter Stammgäste“, betont der Wiener, der so oft als möglich selbst hinter dem Herd steht. „Die schätzen mein Geschäft seit vielen, vielen Jahren – auch wenn sie schon lange nicht mehr in der Gegend wohnen oder arbeiten, kommen sie immer wieder gerne zu uns.“ Kein Wun­ der. Robert Opocensky bietet Spitzen­ produkte und kulinarische Leckereien wohlfeil. Seit mittlerweile 31 Jahren achtet der engagierte Verfechter von quali­ tätsvollem Genuss auf die erste „Edel­ greißlerei“ in Wien: frisches biologi­ sches Obst und Gemüse, ofenfrisches

vom Wiener Bäckermeister, seltene Schinken, Fleischprodukte aus öster­ reichischer Bioaufzucht, eine große Auswahl an internationalen und öster­ reichischen Schmankerln, obendrein eine erlesene Auswahl an Spitzenwei­ nen – und eben kleine Mittagsgerich­ te, die den Gaumen und die Herzen aller Feinschmecker höher schlagen lassen.

„Ich hatte mir viel vor­ge­ nommen, als ich 1981 das Geschäft eröffnet habe“, erzählt Opocensky. Damals waren es rund 30m2, auf denen vor allem Obst und Gemüse verkauft wurden. Heute werden 140m2 genutzt – modern gestaltet und in frischem Rot gehalten.

Gaumenfreuden vom Edelgreißler

Vor 20 Jahren kam dann noch ein Cate­ ring-Service dazu, das Opocensky in der Zwischenzeit aber wieder verkauft hat. „Ich habe viel Kraft in diesen Laden und auch die Belebung der Umgebung in­ vestiert, stetig erneuert und ausgebaut. Ich mache immer das, was ich will“, so der Gourmet-Experte. „Ich habe mir erwartet, dass die Geschäftsleute mitgehen und sich anstecken lassen. Früher gab es hier nämlich eine Reihe von kleinen Lebensmittelgeschäften. Meine Vision war, mit meinem Laden diese Greißler-Struktur zu aktivieren.“ Die Zeit und der Zeitgeist spielten ge­ gen Opocensky. Die veränderten Ein­

„Ich mache immer das, was ich will.“ kaufs- und Ernährungsgewohnheiten machten dem ambitionierten Mann einen Strich durch die Rechnung. Das rege Geschäfts­­ treiben blieb aus, statt­ dessen stieg der Durchzugsverkehr auf der wichtigen Süd-Route. Aber Robert

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Opocensky hegt Hoffnung. „Der neue Hauptbahnhof wird zwar ein eigenes Grätzel, ein geschlossener Komplex“, ist sich der Anrainer – Opocensky wohnt seit 20 Jahren in Wieden – sicher. „Aber mit dem Bau kommt es wohl auch zu einem Innovations- und Investitions­ schub in unserer Gegend. Und das ist sicherlich ein Gewinn.“

Der Geschäftsmann setzt auf die jungen Menschen. Die könnten solche Einrichtun­ gen wie seine Edelgreißlerei schätzen und ähnliche Ideen in die Gegend bringen. Schon jetzt gebe es den einen oder anderen Studenten, der sich hier ansiedelt. Im Idealfall erleben die Grätzel rund um die innere Favoritenstraße eine ähnliche Belebung wie die einst tot ge­ glaubten Ecken in dem weiter stadtein­ wärts gelegenen Freihausviertel oder im angrenzenden Schleifmühlviertel. Einstweilen hält Robert Opocensky Qualität und Genuss in der Favori­ tenstraße hoch, „solange es mich eben noch freut“, resümiert der Idealist aus Passion.

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WIEDEN

Im Verkehrs­ knotenpunkt Europas Lokalaugenschein auf der derzeit größten Baustelle Österreichs: Der neue Hauptbahnhof in Wien belebt nicht nur den transeuro­päischen Bahnverkehr, sondern auch das verwaiste Wohnund Arbeitsviertel zwischen Südtiroler Platz und Favoritenstraße.

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erzeit ähnelt das Gelände zwi­ schen Südtiroler Platz und Ar­ senal einem Wald aus gelben Baukränen. Überall staubt und lärmt es. Bagger schieben Erdreich durch die Gegend. LKWs bahnen sich ihren Weg über das Areal, auf dem sich ab 2015 mit dem neuen Hauptbahnof Wien der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) Europas modernster Verkehrs­ knotenpunkt zwischen Osten und Wes­ ten, Norden und Süden befinden wird. Geschäftiges Treiben auf rund 109 Hek­ tar Fläche, deren Baustellenflair durch die querenden Autokolonnen auf dem Wiedner Gürtel gebrochen wird. Ein­ zig die riesigen Rauten aus Stahl und Glas lassen erahnen, dass hier in den kommenden Jahren ein Mega-Bauwerk entsteht. Sie werden als monströse Dä­ cher auf 40.000 Quadratmetern Fläche die fünf Inselbahnsteige des Bahnhofs überspannen. Schnellere Verbindungen, einfaches Umsteigen, optimale Anbin­


WIEDEN

EINGANG ZUR TRANS­­E UROPÄISCHEN DREHSCHEIBE:

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Der Südtiroler Platz D

ie letzten Jahre fristete der Süd­ tiroler Platz zwischen Wieden und Favoriten ein tristes Dasein: Infra­ strukturell suboptimal, optisch unat­ traktiv und verkehrstechnisch unbeliebt galt die Verkehrsstation – der einstige Umsteigeknoten zwischen Südbahn­ hof, S-Bahn und U1 sowie zahlreicher regionaler und internationaler Bus­ linien – als unübersehbarer Makel im Süden Wiens. Mit dem Bau des neuen Hauptbahnhofs erfährt der Südtiroler Platz nun die längst überfällige Auf­ wertung. Näher an den Bahnhof her­ angerückt und architektonisch an das Zukunftsprojekt angelehnt soll die Ver­ kehrsstation zum Markstein für mobile Innovation und Modernität werden. Als Haupteingang des Bahnhofs steht der Südtiroler Platz künftig symbolisch für das Tor zu einem wichtigen transeuro­ päischen Verkehrsknotenpunkt. Dem­ entsprechend will sich auch das Grätzel in neuem Gewand präsentieren: Mit einer Reihe von infrastrukturellen Maß­ nahmen und Investitionen soll die Ge­ gend zwischen Wieden und Favoriten – Wiens bevölkerungsreichstem Bezirk – in den kommenden Jahren aufgewertet und belebt werden.

Künftige Drehscheibe für den internationalen und nationalen Reisenden F OTO  ©   Ö B B   /   STA DT W I E N

BAHNORAMA M

it dem BAHNORAMA hat im August 2010 ein modernes Informati­ onszentrum zum künftigen Hauptbahn­ hof und neuen Stadtviertel eröffnet. Eine Ausstellung und ein 66m hoher

dungen sowie Barrierefreiheit sollen künftig außergewöhnlichen Reisekom­ fort bieten.

Mit dem Hauptbahnhof wächst eine Schlüsselstelle des transeuropäischen Schienen­netzes und eine wichtige Drehscheibe für den internationalen und nationalen Reiseverkehr: Rund 1.000 Züge und 145.000 Menschen pro Tag werden in Zukunft den neuen Hauptbahnhof Wien frequentieren. Auch innerstädtisch ist der Haupt­ bahnhof gut in das öffentliche Ver­ kehrsnetz eingebunden: Eine neue, großzügige Passage unter dem Südti­ roler Platz soll den neuen Haupt­ bahnhof attraktiv und direkt mit der S-Bahn, der unterirdischen Straßen­

Der neue Hauptbahnhof – eine Stadt in der Stadt

bahnhaltestelle der Linie 18 und der U1-Haltestelle verbinden. Der Ausbau der U2 und der Straßenbahn-Linie D sind ebenso geplant. Und ein dichtes Netz an Rad- und Fußwegen wird den Weg durch die Metropole bahnen. Mit dem Projekt entwickelt sich aber auch ein gesamtes Stadtviertel. Die Region im Süden Wiens wird durch das

Aussichtsturm bietet dem interessier­ ten Publikum Einblick in den Stand des Bau- und Entwicklungsgeschehens. W W W. H A U P T B A H N H O F -W I E N . AT

Menschen, Büroflächen im Ausmaß von 550.000 Quadratmetern, ein acht Hektar großer Park sowie Schulen und Kinder­ gärten geschaffen. Eine Stadt in der Stadt also, die rund 30.000 Menschen Arbeits­ platz und Wohnort bieten wird. Auch die umliegenden Bezirke wis­ sen um die Chancen des neuen Haupt­ bahnhofs: In den Grätzeln herrscht Auf­ bruchsstimmung, die Impulse aus dem Mega-Projekt werden für die Belebung von Wirtschaft, Arbeits- und Wohn­ markt genutzt: F OTO  ©   Ö B B  /  STA DT W I E N

größte Infrastrukturprojekt Österreichs neu geprägt und belebt. Neben dem Hauptbahnhof entsteht eine Bahnhof­ City: Im Herzstück, einer rund 100 Me­ ter langen und 25 Meter breiten Halle, sowie den angrenzenden Gebäudekom­ plexen ist Platz für Handel, Dienstleistung, Gastronomie, Hotels und Büros. Es wer­ den 5.000 neue Wohnungen für 13.000

Häuser werden saniert, die Infrastruktur optimiert, Investitionen im großen Stil getätigt, innovative Geschäftsideen umgesetzt. Schließlich will man vorbereitet sein, wenn die Gegend in den kommenden Jahren zum transeuropäischen Haupt­ verkehrsknotenpunkt avanciert.

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RUDOLFSHEIM-FÜNFHAUS

„Hierher kommen die Leute, die wenig Geld im Hosensack, aber viel Inspiration und Kreativität im Herzen haben.“


RUDOLFSHEIM-FÜNFHAUS

Go

West!

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atarina Cherabon kennt Lon­ don, liebt Mailand, genießt Paris. Die Kreativdirektorin für Beauty, Mode und Lifestyle hält ihren Lebens­ mittelpunkt allerdings in RudolfsheimFünfhaus. „Mitten im fünfzehnten Hieb“, betont die Künstlerin, ohne auf den Unterton zu verzichten, der klar macht, dass diese Gegend für sie das derzeit hippste Grätzel in Wien ist. „Hierher kommen die Leute, die wenig Geld im Hosensack, aber viel Inspiration und Kreativität im Herzen haben. Sie sind wandelbar, leben ihrer Zeit voraus und stecken mit ihrer unkonvention­ ellen Art ihre Umgebung an – und das gibt diesem bislang farblosen Bezirk völlig neue Töne.“ Diese frische, verrückte At­ mosphäre hat auch Katarina Cherabon vor wenigen Jahren angezogen. „Ich liebe dieses Grätzel“, schwärmt sie und dreht sich begeistert um die eigene Ach­ se. „Das ist der Berliner Prenzlauer Berg der Zukunft.“ Wir stehen am Eingang zur Felber­ straße, einst neben dem Gürtel eine der wichtigsten Rotlicht-Viertel. Langsam greifen die Anstrengungen des Bezirks, die Prostitution von der Straße zu ban­ nen. Aber der schmuddelige Charme haftet dem Gassenwerk nach wie vor an. Kein großes Thema für Katarina Che­ rabon. Nach dem Motto „Leben und leben lassen“, genießt sie die aufkei­ mende Kultur rund um ihre Wohnung. „Vor allem der Westbahnhof bringt neue Energie, neue Leute“, weiß die Künstle­ rin und bittet uns zur Rundschau durch die neuen, 2010 eröffneten Hallen des wichtigsten Verkehrsknotenpunkts im Westen Wiens. Mit der Renovierung und Neu­ eröffnung vollzog der Westbahnhof nicht nur einen optischen Wandel, sondern auch einen längst fälligen Imagewech­ sel. Statt eintöniger Warte- und Abferti­ gungshalle mit qualitativ vernachlässig­ barer Gastronomie, wenig Handel und etwas Dienstleistung mit Friseur und Post, präsentiert sich das Gebäude als

Die Grätzel diesseits und jenseits des neuen Westbahnhofs Wien leben auf. Als räudig und verfallen schimpfte man einst die Grätzel rund um den Westbahnhof. Seit der Revitalisierung des wichtigsten Verkehrsknoten­punktes im Westen von Wien keimt in Rudolfsheim-Fünfhaus eine neue, frische Lebenskultur auf. Fashion- und Beauty-Expertin Katarina Cherabon lädt in „ihr Viertel“, führt durch die neue BahnhofCity Wien West und verrät ihre persönlichen Höhepunkte in den Gassen des 15. Bezirks.

BahnhofCity Wien West – Dreh- und Angelpunkt am Neubaugürtel

Mischung aus modern ausgestattetem Bahnhof und bestens sortiertem Shop­ ping Center mit langen Öffnungszeiten und kann sich nun der Konkurrenz mit den großen Metropolen der Welt stel­ len. BahnhofCity Wien West nennt sich der neue Dreh- und Angelpunkt am Neubaugürtel. 90 Geschäfte über drei Ebenen, zum Teil einzigartig in Wien, mit Öffnungszeiten, die nicht nur den Bedürfnissen der Reisenden angepasst sind, sondern auch die Herzen der Rudolfsheimer und Fünfhauser höher schlagen lassen. Bereits vor den Toren am Europa­ platz 1 macht Katarina Cherabon halt und rühmt mit großer Geste: „Schau dir diese Architektur an. Ein Kunst­ werk! Der absolut geniale Altbau des Westbahnhofs – Gott sei Dank blieb dieses Kleinod der Nachkriegsjahre erhalten. In Kombination mit den mo­

dernen Seitenflügeln verbindet sich hier sehr gelungen Nostalgie mit In­ novation.“ Gleich nach dem Eingang biegen wir ungebremst nach links ab und fallen in einen großen, offenen, in edlem Schwarz gehaltenen Store ein: MAC COSMETICS gehört zu den international angesagten KosmetikUnternehmen – ein Pflichttermin der Kreativ-­ Dame. „Ein absoluter Renner am Westbahnhof“, so Cherabon. „Hier kommen nicht nur Touristen, Pendler und sonstige Zugreisende, sondern auch MAC COSMETICS -Anhänger aus ganz Wien her.“ Das bestätigt auch MAC Mitarbeiter Ferman: „Wir sind ein abso­ luter Blickfang in der Eingangshalle. Wir profitieren sehr viel vom Laufpublikum – und wir haben von 9 bis 21 Uhr geöff­ net. Da kommt schon mal die eine oder andere Frau nach der Arbeit vorbei und stöbert ein wenig.“ Katarina Cherabon

ergänzt: „Am Westbahnhof habe ich alles, was ich brauche – Lebensmittel, Fashion, Kosmetik und Snack Bars – quasi die Shopping Mall direkt vor der Haustüre.“ Tatsächlich versammeln sich hier unter anderem Modelabels und -shops wie die spanische Marke DESIGUAL , der italienische DessousHersteller INTIMISSIMI oder das hippe Franchise-Unternehmen KULT . Einen Stock höher hängt eine Trau­ be von jungen Leuten um ein Ecklokal. „Das ist die BUBBLE’S TEA BAR“ , weiß die Expertin. „Das ist derzeit die Attraktion in Wien. Der Trend kommt aus dem asiatischen Raum.“ Ein eigenartiges Trinkerlebnis! Das Getränk basiert auf gesüßtem grünem oder schwarzem Tee, der mit Milch und Fruchtsirup versetzt und wie ein Milchshake zubereitet wird. Die Besonderheit sind die farbigen Kü­ gelchen aus Tapioka – die Stärke aus

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der Maniokwurzel – oder einer anderen Speisestärke. „Sie haben verschiedene Geschmacksrichtungen und schme­ cken ein bisschen wie Gummibärchen“,

Mariahilfer Straße in die BahnhofCity und nutzt die Hallen offenbar als Treff­ punkt in der Mittagspause. Zwei Mütter mit Kinderwagen spazieren plaudernd

findet Katarina Cherabon. „Manchmal gibt es auch Kügelchen, die eine flüssi­ ge Füllung haben und beim Zerbeißen platzen. Konsumiert wird das Getränk mit einem breiten Strohhalm, durch den die Kügelchen „durchflutschen“. Der Trend-Shake begeistert. „Hier ste­ hen zu jeder Tages- und Nachtzeit viele Menschen“, erzählt die Künstlerin. „Die jungen Leute kommen sogar extra we­ gen des BUBBLE’S TEA zum Westbahn­ hof. Katarina Cherabon verrät auch ih­ ren kulinarischen Geheimtipp in der BahnhofCity Wien West: „Das asiatische Lokal BOK & COCOS im Untergeschoss ist eine Dreiländerküche. Hier vereint man die chinesische, thailändische und vietnamesische Kochkunst. BOK & COCOS ist extrem lecker, sehr authentisch und vor allem günstig“, schwärmt sie. „Ich liebe die Kokossuppe mit Huhn. Und ein Pflichtmenü sind Garnelen in rotem Curry – das muss man einfach auspro­ bieren.“ Übrigens gibt es BOK & COCOS nur dreimal in Österreich – in Parndorf, in Salzburg – und eben am Westbahn­ hof in Wien. Mit einem „Thai Curry Huhn“ to go lässt sich gut auf einem der zahlreichen modernen Wartebänke Platz nehmen und dem regen Treiben zusehen. Tou­ risten mit schweren Koffern flanieren durch die Gänge, eine Gruppe Schüler schlendert vom Ausgang zur Äußeren

gen Osten zum Lebensmittelhandel am anderen Ende. Zwei ältere Damen neh­ men beim Traditionsbäcker HEBERER Platz. Die Atmosphäre ähnelt den gro­ ßen Einkaufszentren:

Eine Mischung aus strate­ gisch klug sortiertem Handel, regional wichtigen Dienst­ leistern wie Friseur, Änderungs­schneider und Schlüssel- und Schuhmeister sowie einem sozialen Treffpunkt für Jung und Alt, Anrainern und Reisenden. Die Service-Bereiche der Ö B B mischen sich zwischen die vielen Geschäfte, ohne optisch im Trubel unterzugehen. „Mit diesem Flair kann der Wiener Westbahnhof locker mit den großen Bahnhöfen in Deutschland, Italien oder Frankreich mithalten“, unterstreicht die erfahrene Weltenbummlerin Katarina Cherabon. Das Nachtleben für die jungen Touristen kann sich sehen lassen. „Für die Kulturinteressierten gibt es vor allem rechts vom Westbahnhof, in den Seiten­ gassen zwischen Felber- und Märzstraße, einige Wiener Szenetreffs – beispiels­ weise das CAFÉ AMADEUS “, meint Kata­ rina Cherabon. „Dort finden regelmäßig hörenswerte Musikveranstaltungen statt

– von hippem Gypsy Swing über Strizzi Rock bis zu Country Music.“ Billard spielen könne man auch – wenige Me­ ter weiter im Kaffeehaus WEINGARTNER . „Da sammeln sich die echten Profis – ein Erlebnis, denen beim Spiel zuzu­ schauen“, so die Kreative. Zurück auf der Felberstraße. Am Weg zur Äußeren Mariahilfer Straße, auf die andere Seite des 15. Bezirks. „Die Ge­ gend hat ein Problem. Sie ist durch den Bahnhof beziehungsweise die Schienen zerschnitten“, bemerkt Katarina Che­ rabon. „Aber mit der BahnhofCity Wien West besteht die Hoffnung, dass diese beiden Grätzel verlinkt werden. Dann wird der Funke des Aufbruchgeists diesseits der Schienen auch auf die noch verschlafenen Gassen runter bis zur Sechshauser Straße überspringen.“ Immerhin regt sich das Leben dank neuer Geschäfte und Lokale rund um den äußeren Teil der beliebten Ein­ kaufsmeile. Beim Spaziergang durch das Viertel zeigt sich vor allem eines: Die Gegend wird unterschätzt, trägt ihren schlechten Ruf zu Unrecht. Das Bild des Stadtteils kann sich sehen lassen: Hier steht eine Reihe von wunderschö­ nen Altbauten, von denen einige gera­ de saniert werden. „Die Lage ist zentral, man lebt gleich neben dem 6. und 7. Bezirk, ohne die Wohnungspreise die­

ser Stadtteile zu haben“, wirbt Katarina Cherabon für ihr Viertel. „Das nutzen auch viele Kreative – und mieten sich auf beiden Seiten des Westbahnhofs ein – letztens hat grad ein Schmuck­ designer ein kleines schickes Ecklokal eröffnet.“ Freitags geöffnet hat Sabine Hein, Künstlerin und Möbelhändlerin. In ihrem Geschäft SITZFLÄCHE in der Schwendergasse verkauft sie gebrauch­ te Sessel, Designklassiker, kocht Kaffee und beobachtet den Wandel im Grätzel. „Ein echter Geheimtipp für ausgefallene Möbel“, bestätigt Katarina Cherabon. Seit Jahren begeisterte Rudolfs­ heimer-Fünfhauser sind die Leute von URBAN TOOL (mehr dazu auf der nächs­ ten Seite). Das Designbüro hat seine Zentrale in der Reindorfgasse bereits 2001 bezogen – und will „dort sicherlich nicht weg“, so die einhellige Meinung der Mitarbeiter. Auch in der Galerie FOTO K , Nachbar von URBAN TOOL , geht es heiß her. Bei Ausstellungseröffnungen stehen die Menschenmassen bis auf die Straße. Und wenn vis-à-vis in der Kunstgalerie eine Vernissage ist, dann kommen die Au­ tos nicht mehr durch. Die Monatszeitung BIBER hat hier ihre Räumlichkeiten und ein Lokal namens Boutique ist freitags offen – abgekürzt FROFF . Der Verein für alles Gute bringt im FROFF Performances, Ausstellungen, Handwerk und Kunst.


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Taschen 2.0 DAS DESIGNBÜRO URBAN TOOL

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In der Ruhe liegt die Kraft

Die Reindorfgasse gilt ohnehin als Ecke mit Potenzial. Die leicht ansteigende Einbahnstraße hat fast schon einen dörflichen Charakter: Da gibt es den Kirchplatz, gleich daneben das Wirts­ haus und Kirschbäume blühen. Ein Wirtshaus mit Lokalkolorit ist das Gast­ haus QUELL , ein Prototyp dafür, wie das Zusammenleben im 15. Bezirk künftig funktionieren könnte. Abends sitzen hier der Kreativdirektor der Werbeagentur, die ORF-Moderatorin, der Serbe und die Frühpensionistin. „Das Lokal zeigt die Mischung, die wir hier haben – Hack­

ler, Akademiker und Neoösterreicher“, staunt selbst die Journalistin. Zwischen Mariahilfer Straße, Gürtel und Wienzei­ le gibt es nämlich nicht nur die coolen Designer, Künstler und Galeristen, son­ dern auch den türkischen Friseur, den alteingesessenen Fleischhauer, den gut sortierten Eisenwarenhändler oder das Brautmodengeschäft. „Das liebe ich so an diesem Grätzel – diese bunte Vielfalt“, resümiert Katarina Cherabon. „So schick wie der Naschmarkt und so hipp wie der Yppenplatz sind wir hier noch nicht – aber wir sind am besten Weg dorthin.“

aufen gehen ohne Musik ist nur das halbe Vergnügen. Aber wohin gibt man den iPod, wenn das Sportgewand keine pas­ senden Taschen hat? Und überhaupt – wenn man den trag­ baren Musikplayer doch irgendwo verstauen kann: Muss man das kleine Gerät jedes Mal aus der Tasche nehmen, um die Schaltflä­ che zu bedienen? Nein. Denn das Designerbüro URBAN TOOL hat eine unkonventionelle Lösung für diese Probleme gefunden: Die junge Designergruppe aus Wien bietet „wearable communications“, also mobile Telekommunikation zum Anziehen. Die Geschichte von URBAN TOOL beginnt, als Kurt Tanner, Partner der heutigen URBAN TOOL GMBH und Mann von Sabrina Tanner, nach einer Lösung zum bequemen Tragen seiner digitalen Gegenstände sucht. Sabrina, Pro­ duktdesignerin und heutige CFO der URBAN TOOL GMBH, entwirft und fertigt ihm eine Tasche, die persönlich auf die dynamischen und schnellen Anforderungen seines Alltags zugeschnitten ist, das erste „urban tool“ war geboren. Das positive und große Echo auf diese Tasche zeigte sehr rasch, dass Kurts Wunsch des bequemen Tragbar-Machens von digitalen Gegenständen keine Ausnahme war, sondern sehr viele Menschen genau vor der gleichen Frage standen: Wohin nur mit all dem Taschen­inhalt? Dieses authentische „Marktfeedback“ wurde aufgegrif­ fen und in ein Forschungsprojekt, das sich mit dem Thema „wearable communication“ beschäftigte, eingebunden. Nach einigen Monaten der Entwicklung, Verbesserung und Aufbau für eine Serienfertigung wurden die ersten 100 Stück URBAN TOOL basicHolster gefertigt und an interessierte Probaten und Freunde in Wien im Jahr 2003 ver­ kauft. Im Sommer 2004 gründeten Anja Herwig, Sabrina Tanner und Kurt Tanner das Unternehmen URBAN TOOL GMBH mit Sitz in Wien, gleichzeitig wurde URBAN TOOL international mit dem BrandNew­ Award für das innovativste Sportaccessoire des Jahres 2004 auf der ISPO in München ausgezeichnet. Seither hat sich URBAN TOOL als internationale Marke etabliert und steht für herausragende Design­ lösungen, um das Tragen von digitalen Geräten und Ausstattungen im Alltag zu ermöglichen.

Herausragende Designlösungen für den Alltag Im Westen viel Neues

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Lebensgenuss im neuen Ottakring Im Brunnenviertel blüht das Leben. Rund um den Brunnenund den Yppenmarkt geht es besonders bunt her: kulturell, künstlerisch und kulinarisch. Ein Lokalaugenschein in Wiens neuem Schmelztiegel der Nationen offenbart, warum immer mehr Menschen dieses Grätzel zum Lebensmittelpunkt machen.

Heimisches und Exotisches – Genuss, der verbindet

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ine angenehm exotische Wür­ ze liegt in der Luft – nach Mus­ kat und Liebstöckel, knackigem Obst, delikatem Fisch, frisch gebraut­ em marokkanischen Kaffee, nach pick­ süßem Baklava und Köstlichkeiten aus dem Trentino. Am Yppenmarkt ist es bunt, vielfältig und laut: Da spricht man Türkisch, dort schimpft man Wienerisch. Etwas weiter entfernt musiziert eine Roma-Gruppe, um die Ecke dröhnt die Ballade eines kroatischen Schlagerstars aus der Box. Auf dem Platz unweit des Hernalser Gürtels wird der Alltag aus­ giebig gelebt – besonders am Samstag blüht das Leben. Der Platz gemeinsam mit dem angrenzenden Brunnenmarkt – dem längsten Straßenmarkt Europas – ähnelt einer Mischung aus Naschmarkt und ägyptischem Bazar mit Hamburger Lokalmentalität: Moderne Glaskobel rei­ hen sich neben klassische Wiener Markt­ häuschen und viele freie Stände. Wer den Melting Pot New York mag, wird den Yppenplatz im Brunnenviertel lieben. Der vor knapp zehn Jahren sa­ nierte Brunnenmarkt – der Ursprung des Marktlebens in Ottakring – ent­


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Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen

stand 1786 im damaligen Wiener Vor­ ort Neulerchenfeld in der ehemaligen Elisa­ beth­ gasse. An der Kreuzung mit der Neulerchenfelder Straße ließ Kaiser Joseph II. einen Auslaufbrunnen errich­ ten, der an die vom Wienerwald zur Hofburg errichtete Hochquellwasserlei­ tung angeschlossen war. Diese sollte die Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgen. Erst 1873 erhielt die Straße die amtliche Bezeichnung Brunnengas­ se. Der Brunnen selbst musste allerdings 1872 der neuen Pferdestraßenbahn wei­ chen, der Markt blieb bestehen und ist heute – gemeinsam mit dem 1897 entstandenen Yppenmarkt – lebendiger denn je zuvor. Mit dem Markt unter freiem Him­ mel, den vielen kleinen Kunstgeschäf­ ten und Galerien sowie einer stetig wachsenden Zahl an Restaurants und kleinen Schmankerlläden hat der Yp­ penplatz nicht nur das Herz vieler Tou­ risten, sondern vor allem der Wiener Bevölkerung gewonnen – als Ort des Vergnügens, der Entspannung und der Kulinarik und als Lebensmittelpunkt. Immer häufiger siedeln sich vor allem

junge Menschen – Studenten, Künstler, Alternativdenkende, Weltenbummler – rund um den Platz und seine angren­ zenden Seitengassen an, um das Leben im 16. Bezirk in vollen Zügen zu genie­ ßen. Die um 2008 sanierten Wohnhäu­ ser und Neubauten im Brunnenviertel werden dementsprechend gerne gemie­ tet und gekauft.

Die Ansiedlung eines jungen Publikums hat auch wertvolle wirtschaftliche Impulse gesetzt. War das Eck bis vor zehn Jahren noch vorwie­ gend von Wienern türkischer Abstammung bewohnt, hat die Aufwertung von Brunnenund Yppenmarkt durch kreative Köpfe aller Nationen und ihre originellen Ideen innerhalb kürzester Zeit für eine frische Völkervielfalt gesorgt – ohne den Charme türkischer Geselligkeit und Lebenslust zu verlieren.

Eines der ersten Lokale am Platz war das CAFÉ C.I. , das mit seinem sommer­ lichen Gastgarten rasch zum Treffpunkt für Menschen aus aller Welt wurde. Gleich nebenan serviert das RASOULI feines Österreichisches mit mediterra­ nem und asiatischem Einschlag, selbst­ gemachte Kuchen und Limonade. Alle Zutaten stammen aus kontrolliert bio­ logischem Anbau – unter anderem er­ worben von „Bioprodukte Oberkirchen“ wenige Häuser weiter. Zum absoluten Szenetreff hat sich das Café AN-DO ent­ wickelt. Das architektonisch schlicht gestaltete Lokal mitten auf der Piazza und seine kleine Schwester, das Restau­ rant AN-DO FISCH , erfreuen sich stets voller Tische und glücklicher Gäste. Wer im Sommer am Samstag Vormit­ tag auf einen freien Platz im Gastgarten hofft, muss Glück haben. Die Menschen frühstücken, plaudern über die Woche, trinken noch einen Kaffee oder ein Glaserl Prosecco und sitzen und sitzen und sitzen, während die Kids den Platz unsicher machen. Die Lokalbesitzer Ergün, Sezgin und Ibrahim Kilicdagi, drei Brüder türkischer Abstammung,

gehören zu den Pionieren im „neuen Ottakring“. Begonnen hat die Erfolgsge­ schichte eigentlich am Naschmarkt im 4. Bezirk, wo Ibrahim mit zwei Cousins das Lokal AN-DO groß gemacht hat. Sein Gespür für die Entwicklungsregionen der Zukunft brachte Ibrahim Kilicadagi schließlich 2006 zum Yppenmarkt. Mit dem Konzept haben die Brüder das Bild am Platz wesentlich geprägt. Wer aller­

Weltoffen und modern, mit einem Hauch von allem. dings Döner, türkischen Kaffee oder Tee erwartet, wird enttäuscht. Die Kilica­ dagis servieren weltoffene und moderne Küche – mit einem Hauch von allem. Das Publikum wie im Sturm er­ obert hat das WETTER : In einem ehe­ maligen Waschsalon hat Raetus Wetter am oberen Ende des Yppenplatzes ei­ nes der spannendsten Restaurants der Stadt errichtet. Ablösefrei angeboten,

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fand der Gastronom Gefallen am Eck­ lokal im Brunnenviertel. Viel Potenzial sah der Experte in der Örtlichkeit – ob der spürbaren Dynamik und steten

Gleich nebenan geht es im Design voll Öko zu – und zwar auf höchstem kre­ ativem Niveau. Im YPPIG ECOFASHION Showroom – Nomen est Omen – findet

nur Publikum, sondern Künstler zu­ gleich. Eine Reihe von Projekten fordert die Menschen auf, selbst künstlerisch tä­ tig zu sein und auf der Bühne zu stehen.

Veränderung rundherum. Gut erkannt, viel gewonnen. Heute muss man Tage im Voraus reservieren, um einen Platz im Lokal zu erhaschen. WETTER kocht Ligurisch, wie es nördlich der Alpen nicht häufig zu finden ist. Ebenfalls Ita­ lienisch und ein wenig Kroatisch geht es im LA SALVIA zu: Der Marktstand bietet Köstlichkeiten des Trentino und Istriens wohlfeil – mit Glück kann man Wein, Wurst und Pasta gleich vor Ort an den paar Sitzplätzen ausprobieren.

man den Öko-Fashion-Showroom der Stadt. Das Wiener Modelabel MILCH fertigt lokal und fair aus bereits getrage­ nen Herren-Anzügen und Herrenhem­ den neue intersaisonale Klassiker her. Hinter MILCH steckt Cloed Priscilla Baumgartner, eine Frau mit grüner Visi­

Unter der Leitung professioneller Schau­ spieler und Regisseure wird gemeinsam geprobt, produziert und auf der Bühne gestanden, darüber hinaus gibt es auch viele Aufführungen und Veranstaltungen zum Zuschauen. In Entschleunigung übt man sich im

Wer glaubt, am Yppen- und Brunnenmarkt geht es vor allem um Essen, Trinken und Genießen, behält recht. Aber wie die Küche bei einem guten Fest ist auch die kulinarische Vielfalt in diesem Grätzel der Nukleus für neue Erfahrungen, gute Nachbarschaft und langjährige Freundschaften. Dieses Flair zieht zudem die Kreativen vieler Kunstsparten an. Beispielswei­ se LILA : Das Modegeschäft – liebevoll benannt nach den Initialen der Inha­ berin Lisi Lang – hält Fashion Design auf höchstem Niveau bereit. Allerdings nur samstags von 10 bis 15 Uhr, der be­ sagten „Rush Hour“ am Yppenplatz. Den Rest der Woche findet man LILA in der Kirchengasse 7, im 7. Bezirk. Ausge­fallen und bunt, mit gewagten Schnitten, aber alltagstauglich – so könnte man die Mode von Lisi Lang umschreiben. Über die Theaterwissenschaft kam die Desi­ gnerin zur Regieassistenz und Bühnensowie Kostümbildnerei. Dann entdeck­ te sie die Leidenschaft für Kleidung und Mode. Heute kreiert LILA auch In­teri­ eur, Blumenschmuck und Accessoires.

gen bis zu Lieblingsbüchern der Inha­ berin, ihrer Töchter und Stammgästen. „Die Bücher sind zum Schmökern, Rein­ lesen und zum Kaufen“, ergänzt Stahr­ müller. „Und: Wir können auch fast jeden Titel bestellen – und tun das auch sehr gerne.“ Ein besonderes Lokal mit besonderem Service. Gerald Kerbl, mit seinem Laden PAPIER KERBL Lokalmatador auf der Ot­ takringer Straße, hat klare Worte für die Entwicklung im Grätzel: „Vor 15 Jahren habe ich bereits gesagt: Diese Gegend ist so abgesandelt, da muss man was tun – und das ist gelungen.“ Ein Ort am Yppenplatz hat für den Mann besonde­ re Bedeutung: Die Arlen-Litfasssäule, ein Mahnmal für verfolgte Juden. „Die­ ser Platz ist mir wichtig!“, fasst Kerbl

„Dieser Platz ist mir wichtig!“

Yppig, Milch und andere Moden

on, viel Esprit und Mut zum Unkonven­ tionellen. Die Mode passt zum Yppen­ platz: Sie ist ebenso ein Patchwork wie die Menschen des Brunnenviertels. Die Chancen des neuen Melting Pot von Wien hat auch die Caritas Wien erkannt. „Integration und Kunst für alle“, lautet der Leitsatz des Kunst­ sozialraums BRUNNENPASSAGE in der Brunnengasse 71. Die Idee ist so einfach wie stimmig: Migranten und sozial be­ nachteiligten Menschen soll über die Passage generationsübergreifend Zugang zu zeitgenössischer Kunst ermöglicht werden. Die Besucher sind aber nicht

MUSKAT .

Das kleine Lokal offenbart, was die Lebensphilosophie von Ursula Stahrmüller ist. Die Besitzerin „würzt mit Muskat, liest Bücher und genießt das Leben mit Familie, Freundinnen und Freunden, am liebsten bei Essen und Trinken“, so die Eigenbeschreibung der 46-Jährigen. Nach Jahren in der Filmbranche als Produktionsleiterin hat sie sich am Brunnenmarkt den Traum vom eigenen Laden erfüllt. MUSKAT bietet eine kleine exquisite Auswahl an Schmankerln – besonders das Frühstück ist sehr zu empfehlen – und Belletristik – von Klassikern über Neuerscheinun­

inbrünstig zusammen. Die Litfasssäule steht vor dem Gebäude des ehemaligen Textilkaufhauses „Osei“, das mit der Sa­ nierung des Platzes nach seiner Grün­ derfamilie in Dichter-Haus umbenannt wurde. Die Familie war im 2. Weltkrieg enteignet worden und musste vor den Nazis fliehen. Nun erinnert eine Ge­ denktafel an die tragische Geschichte der Familie Dichter. Ein Zeichen der Versöhnung mit den Enkeln des Kauf­ hausgründers – dem Musikkritiker und Komponisten Walter Arlen und seiner Schwester Edith Arlen-Wachtel. Im neu­ en kulturellen Schmelztiegel Wiens mahnt die Litfasssäule nicht nur, son­ dern signalisiert auch das Motto, das am Yppen- und Brunnenmarkt hoch gehalten wird: Für die Chancen kultu­ reller Vielfalt und ein heterogenes Mit­ einander, wider Diskriminierung und Ausgrenzung.


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Genuss mit Geschichte DIE FAMILIE STAUD UND IHR BRUNNENVIERTEL

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as gelbe Häuschen mit den gro­ ßen, einladenden Fensterfronten am Brunnenmarkt, Ecke Brunnengasse und Schellhammergasse, ist nicht zu übersehen. STAUD’S steht in großen grü­ nen Lettern an den Seitenfronten. Drin­ nen herrscht gepflegte Ordnung. Die Gläser mit Konfitüren stehen Reihe an Reihe, ebenso die feinsauren Gemüse­ konserven und die eingelegten Früchte und Kompotte. Zwischendrin, hinter einer Theke, plaudert Hans Staud mit einer Kundin. Es ist Samstag Vormittag und der Feinkosthersteller in seinem Element. Der Unternehmer gehört zum Urgestein des Brunnenviertels – und ist ein Marktstandler durch und durch. Im­ mer am Schwatzen, meist freundlich, hin und wieder Urwienerisch und ein ganz klein wenig grantig. Anrainer wie Marktbummler lieben seinen Schmäh, seine liebenswerte Art.

Zwar agiert der Chef des Unternehmens Staud’s Wien längst nicht mehr in einem traditionellen offenen Stand, aber Luft und Leben am Brunnen- und Yppenmarkt wollte er niemals missen. Auf die gerne gestellte Frage, warum er gerade dort sei, meint Staud: „Weil das immer so war. Wir sind seit 1885 ein Gemüsehandel, seit 1895 war genau an dieser Stelle ein Gemüsemarkt. Wien ist außerdem meine Heimat, meine frü­ heste Kindheit habe ich hier verbracht. Ich wohne, arbeite und verbringe meine Freizeit in Ottakring. Meine Mitarbei­ terinnen wohnen zu 70 Prozent in der Umgebung und können zu Fuß zur Ar­ beit gehen. Das ist doch etwas.“ Eine kla­ re Ansage eines direkten Menschen. Au­ ßerdem befindet sich in unmittelbarer

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Nähe – in der Hubergasse – die kleine Fabrik der Stauds. Und wie ernst es dem Unternehmer mit dem Stamm­ sitz ist, beweist die Tatsache, dass die Produktionshallen derzeit um 2,7 Millionen Euro erweitert werden und dazu ein neues Gebäude entstehen soll.

Hans Staud liebt Ottakring – mit all seinen Ecken und Kan­ten, Verrücktheiten, dem multi­kulturellen Flair. Der Brunnenmarkt sei sein Grätzel. Von hier bringe ihn niemand weg. 120 Jahre Familiengeschichte hängen an diesem Ort. Jeden Türken in der Umgebung kennt er beim Namen, ist auf Du und Du mit ihnen, jeder Standler schätzt seine Erfahrung, Staud wiederum genießt sei­ ne Stellung als Leithammel des Markt­ geländes. Und der Erfolg gibt dem Geschäftsmann recht. Seine Produkte gehen weg wie die warmen Semmeln.

Geheimnis sei keines dahinter. Die Delikatessen von STAUD’S sollen den Gaumen erfreuen – und zwar mit dem puren Geschmack der Frucht. Eine Marille soll nach Marille schmecken, die eingelegten Gurken nicht in Kon­ servierungsmitteln ertränkt, sondern mit den Aromen feiner Kräuter und Gewürze verfeinert werden. Reiner Genuss ist selbstverständlich für Hans Staud. Die Originalität in den Produk­ ten kommt dabei nicht zu kurz. Bunte Vielfalt spiegelt sich auch bei der Beleg­ schaft wider. Das rund 35-köpfige Team repräsentiert acht verschiedene Län­der beziehungsweise drei Kontinente – Europa, Afrika und Asien. Das offene Klima hat in der kleinen Feinstkost-Fa­ brik eine lange Tradition – bereits seit rund 40 Jahren wird bei STAUD’S Integ­ ration tagtäglich gelebt. Für das Engage­ ment wurde der Unternehmer 2011 im Rahmen des Österreichischen Integrati­ onspreises mit dem Ehrenpreis der Jury ausgezeichnet. W W W. S TA U D S . C O M


O T TA K R I N G

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Das Gschwandner lebt! Das einstige Grand Etablissement, sieben Gehminuten vom Yppenmarkt entlang der Brunnen- und Pallfygasse entfernt, erblüht dank stilvoller Revitalisierung in neuem Glanz.

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on außen sieht es unspektaku­ lär aus, das Gschwandner im benachbarten Hernals, nicht zu unterscheiden von seinen Nach­ bargebäuden. Einzig ein Hinweisschild mit der Aufschrift „Etablissement Gschwandner“ lässt erahnen, dass es sich bei dem Gründerzeithaus in der Hernalser Hauptstraße 41 um keinen herkömmlichen Bau mit ordinärem Inhalt handelt. Erst im Hof hinter den Lagerräumen einer Fahrschule offen­ bart sich, was die Inschrift der Tafel verspricht. Ein breiter Treppenlauf – zu opulent für das äußerlich einfache Haus – lädt nahezu feierlich zum Eintritt. Unmittelbar findet man sich in einem großen, nahezu vollständig erhaltenen Saal wieder – einem von zwei Sälen, die jenes Gebäude beherbergt. Er bil­ det das Herzstück der einst legendären und weit über Hernals hinaus berühm­ ten Vergnügungsstätte: dem GRAND ETABLISSEMENT GSCHWANDNER . Rund 120 Jahre lang sorgte die Familie Gschwandner mit ungeheurer Begeis­ terung und Professionalität für Unter­ haltung auf höchstem Niveau. Kein Ronacher, kein Konzerthaus, kein Ball­ saal, sondern ein Ort des Festes und des Feierns im besten Gemüte des Wiener Vorstadtlebens. Zu Beginn ein kleiner und un­ scheinbarer Wiener Familienheuriger,

in dem Volkssänger und Musiker wie die bekannten Schrammeln auftraten, avancierte der Heurige über die Jahre mit seinem 1877 erbauten großen Saal zu einem der größten Wiener „Schank­ salons“. Zahlreiche Um- und Neubau­ ten der Räumlichkeiten wandelten die Buschenschank zur „Unterhaltungsma­ schinerie“: Es wurden Konzerte gegeben, Wäschermädel- und Fiakerbälle abgehal­ ten, die ersten kinematografischen Vor­ führungen gemacht, Gartenschauen und Boxkämpfe veranstaltet – also alles, was die ausgelassene Unterhaltungskultur der Vorstadt und die distinguierte Ver­ gnügungslust des Wiener Großbürger­ tums und Adels miteinander verband. Zwischen 1838 und der Schließung im Jahr 1960 dürften mehrere Millionen Menschen Gast im Salon gewesen sein – kein Wunder, wussten die Gschwandner doch erfolgreiche Werbung zu machen. Annoncen, Plakate, Flugblätter oder Zei­ tungsberichte – und nicht zuletzt die gute Mundpropaganda machten das Gschwandner weit über die Bezirks­ grenzen hinaus bekannt. Bedeutende Größen wie Schauspieler Hermann Leo­ poldi, das „Lercherl von Hernals“ Betty Fischer, Fritz Muliar oder Heinz Conrads beehrten das Etablissement. Nachdem das Gschwandner 1960 seine Türen geschlossen hatte, fristete das Gebäude jahrzehntelang ein un­

scheinbares Dasein im Hinterhof in Hernals, verfiel mit den Jahren seiner nutzlosen Existenz und schlummerte als unentdecktes Kleinod vor sich hin. Nun wird das Haus mit seinem spekta­ kulären Saalensemble revitalisiert. Reza Akhavan und Daniel Jelitzka haben das Schmuckstück erstanden und wollen es nun bis Ende 2013 zu Wiens wichtigs­ tem Veranstaltungs- und Kulturraum ausbauen. Die Geschichte liefert den beiden Visionären die Vorlage für die Zukunft der Anlage: Geplant ist eine kulturelle Plattform für Veranstaltun­ gen aus allen Kunstbereichen. Damit

„Ein Beitrag zur Belebung der Wiener Kultur­ landschaften.“ wolle man einen „Beitrag zur Belebung der Wiener Kulturlandschaften leisten“. Das „Gschwandner“ soll sich wieder als Ort der kulturellen Aktivität, als kul­ turpolitischer Dreh- und Angelpunkt für KünstlerInnen, UnternehmerInnen, Familien und BesucherInnen aller Al­ tersgruppen verstehen. Eine sanfte Wie­ derbelebung einer geschichtsträchtigen

Immobilie, die zu Wiens kultureller Identität zählt und künftig bestenfalls ein Abbild der künstlerischen und so­ zialen Vielfalt des Grätzels darstellt. Im großen Saal und in den beiden weite­ ren kleineren Räumen sind sparten­ übergreifende Veranstaltungen aus den Bereichen Literatur, Tanz, Theater oder Film angedacht. Es sollen Bälle und Ausstellungen stattfinden, Märkte und Symposien abgehalten werden. Als Bin­ deglied und Zentrum für Hernalser und Wiener Initiativen verstanden, sollen sich hier Vereine, freie Künstlergrup­ pen, Tanzschulen oder Festivalbetreiber einmieten können. Sichtbares Symbol und Rückgrat der Wiederbelebung stellt eine öffentliche Verbindung dar, eine direkte Durchgangsmöglichkeit von der Hernalser Hauptstraße bis zum Yppen­ platz, die mit dem innenliegenden Frei­ raum zum neuen Vorbereich für die ge­ samten Anliegen werden kann. Kurzum: Das Grand Etablissement Gschwandner lebt auf ! Zum Auftakt des Umbaus hat der Architekt Erich Bernard zusam­ men mit Astrid Göttche den Bildband „Das Gschwandner. Ein legendäres Wiener Etablissement“ im Metro-Verlag herausgebracht: ein Streifzug durch die Geschichte des Familienbetriebs Gschwandner und durch die ehemalige Etablissement-Kultur Wiens. W W W. G S C H WA N D N E R . AT

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