Code: LISA
Spuren an der Adria Ich hatte in meiner Jugendzeit, als junges Mädchen nur wenige Bezugspersonen, denen ich vertraut habe und die in mein Herz blicken durften. Da war Margret eine Mitschülerin, die mich aufgeklärt hat und sich ein bisschen um mich kümmerte und da war meine Oma väterlicherseits. Meine Eltern waren mit ihrer vielen Arbeit im Weingarten, in der Wirtschaft und mit den übrigen sieben Geschwistern sehr beschäftigt und wohl auch überfordert. Die Haltestelle für meine Busverbindung, um zuerst ins Gymnasium und dann in die Handelsschule zu gelangen, befand sich direkt vor dem Haus meiner Großeltern. Da ich erst am Abend nach Hause fuhr, kehrte ich immer bei meiner Oma ein. Manchmal band sie mir die Haare zu einem Pferdeschweif und stets lockte sie mit ihrer guten Kost aus dem Kochtopf und verwöhnte mich. Ich putzte ihr dann das ganze Haus durch. Auf dem Steg des Baches, der direkt durch den Hof führte, habe ich ihre Wäsche gewaschen. Das fand ich dann immer sehr romantisch. Die Fische tummelten sich im Wasser vorbei an den langen Pflanzen und ab und zu habe ich sie sogar mit Brotkrumen gefüttert. Diese Tage bei meinen Großeltern habe ich immer sehr genossen. Meine Oma war sehr lustig. Wenn ihre Semmelknödel nicht so gut gelungen waren, wie sie es sich vorgestellt hatte, sagte sie dann immer enttäuscht mit ihrem trockenen Humor: „Die können wir aber wieder mal übers Dach werfen!“ Sie war auch sehr reisefreudig und ich habe sie oft begleitet. Eines Tages machten wir einen Tagesausflug nach Caorle zum Mittelmeer. Heute führt es mich wieder dorthin und ich versuche mich zurück zu erinnern. Meine Großeltern leben längst nicht mehr. Doch es bleiben viele Erinnerungen, besonders an diesen Tag an der Adria. Ich möchte wieder ein Stück schöne Vergangenheit leben lassen und mich an Kindheitserinnerungen erfreuen, und so zieht es mich
- mehr als 30 Jahre später - hierher an den Strand von Caorle. Ich
versuche, hier meine Spuren zu verwischen, um neue Spuren aufzunehmen. Meine Oma war für mich etwas Besonderes. Sie hatte viel Humor, war dennoch streng und gläubig. Sie verpasste sonntags nie den Kirchgang und ihre Krokotasche stellte sie in der Kirche demonstrativ auf die Bank, um ein bisschen den Menschen ihren Wohlstand zu zeigen und wohl auch ihren Stand unter den Bauersleuten. Wenn ich bei ihrem Haus die Fenster putzte, freute ich mich besonders auf ihre alttraditionelle Kochkunst. Am Abend teilte ich dann mein Schlaflager mit meinen Großeltern. Nie ging mein Großvater, er war Viehhändler, mit seinem zerschlissenen blaugestreiften Pyjama zu Bett, bevor er nicht seine Geldtasche nahm und sein Geld zählte. Ein Ritual, das er zeitlebens frönte. Bevor ich die Augen schloss und einschlief, betete meine Oma immer mit mir und im Winter wärmten wir uns mit unseren Füßen von der Kälte. Ihre Reiselust teilte sie mit mir bis ins hohe Alter und so kam es, dass wir, als ich 13 Jahre alt war, mit einem großen Reisebus an die Italienische Adria fuhren. Damals war es meine erste Begegnung mit dem Meer, dem Wechseln von Ebbe und Flut, dem Meeresrauschen und den vielen Muscheln am Strand. Heute erinnere ich mich ganz bewusst daran und mit meinen nackten Füßen tauche ich ein, in dieses herrliche Nass, das