Spät war es wieder einmal geworden. Spät, sogar für seine Verhältnisse. Wieder einmal hatte er sein ganzes Geld, das eigentlich für eine Woche hätte reichen sollen, an einem Abend verbraucht. Aber der Wein war eben sein Laster, sein Lebensinhalt, nachdem er alles andere bereits verloren hatte. Job, Familie und auch Freunde. Trinkkumpanen fand er zwar alle Mal, aber das war alles, nur nichts Beständiges. Reine Zweckgemeinschaften in berauschten Nächten. Und so wankte er wie so oft alleine nach Hause in seine kleine Zweizimmerwohnung am Ortsanfang über dem alten Lokal, das seine Besitzer wechselte, wie er seine Socken. Kalt war es in jener Nacht. Kühler Nebel zog über die dunklen Straßen. Immerhin war es ja bereits November. Plötzlich hörte er Schritte hinter sich, die immer näher kamen. Er drehte sich um und sah seinem Verfolger in die Augen…
„I hab sofort die Polizei angrufen! I hob jo immer scho gwusst, dass dem irgendwas passiert! Der wor ja immer scho so komisch!“ Der Polizeibeamte, der die Aussage der Nachbarin aufnahm, seufzte. „Gut Frau Kremser, “ sagte er. „Bitte erzählen sie mir nochmal ganz genau, was ihnen aufgefallen ist.“ „Oiso, i hob mein Murli gfüttert, wissens eh, mein Kater. So wia olle Tag. Und dann bin i zum Fenster gangen. A wia olle Tag. Ma muass ja lüften, gö? Jo, und dann hob i den Plattner do liegn gsehn. Guat, dass der in ana Gluat amal wo umaliegt, wor jo nix neigs, owa des ganze Bluat do umadum. Do hob i gwusst, dass do wos net passt. Und dann hob i glei angrufn!“ „Sehr gut, Frau Kremser, “ sagte der junge Beamte. Es war sein erster Einsatz in so einem Fall und er war er sehr Bedacht darauf, keinen Fehler zu machen, da er eine große Karriere als Oberkommissar anstrebte. „Sie wohnen alleine hier?“ „Ja sicher“, antwortete die rüstige Dame. Mann hob i nie an wolln! Hast ja nur Scherereien mit die Männer! I hob immer nur Katzen ghabt. Die san wenigstens ehrlich.“ „Wohnte das Opfer auch alleine?“ „Da Plattner? Klor! Als Nüchternen haltst den ja schon net aus, und wann der dann no sei Quantum ghabt hat, wors sowieso ganz aus! Der hat immer nur so komische Sachen dahergred. Des wor keiner, mit dem ma hätt reden wolln als rechtschaffener Mensch. Der mit seine Spinnereien!“ „Spinnereien? Was meinen sie denn damit?“ „Na, wissens eh, wenn ana mehr mit sich selber red, als mit andere. Guat, i red sunst nur mit meim Murli, der is wenigstens ehrlich. Owa da Plattner hot immer nur von früher gred. Und dass früher ois besser wor.“ „Können sie mir sagen, was der Herr Plattner beruflich gemacht hat?“ „Der wor amal a Wichtiger! A richtiger Anwalt! Nur mit die ganz großen hat der z’tuan ghabt. Und irgendwann hat der si irgendwo vaspekuliert, wie’s so gred wordn is. Und dann wor ois mit am Schlag furt! Es ganze Geld, die Frau is ihm davongrennt, Kinder hats keine gebn und sei Zulassung habens eam a weggnommen. Dann hat er sei Keischn verkaufn müssn und hat sei letzte Marie in Wein umgsetzt. Des worn a paar Doppler jedes Monat, des kann i eana sagn!“ „Und die Frau? Wissen sie auch, was aus ihr geworden ist?“ „Oposcht is. Mit so am jungen Feschen, den sie si ausm Urlaub in da DomRep mitbracht hat. Jetzt hat sie so a Modegschäft in da Stadt wo. Owa fragens mi bitte net, wie des haßt. Mit die Fetzn kenn i mi nix aus!“ „Danke Frau Kremser, sie haben uns sehr geholfen. Wenn wir noch Fragen haben…“ „Halt!“ Der junge Polizist wurde jäh unterbrochen. „Und sie sind?“, wandte er sich an den recht ungepflegt wirkenden Mitvierziger im schwarzen Kapuzenpulli. „Berger. Mordkommission Bezirksdezernat. Wir arbeiten ab jetzt zusammen“, sagte dieser knapp und holte eine
zerknautschte Zigarette aus seinem Hosensack. „Gute Frau“, wandte Berger sich an die skeptisch dreinschauende alte Dame. „In welche Lokale hat denn das Opfer sein Geld hingetragen?“ „Der Plattner? In so ziemlich a jedes da! Wenigstens die haben gut glebt durch eam!“ Berger nickte ihr kurz zu, blickte seinem verdatterten Kollegen in die Augen und sagte: „Dann gemma. Mir haben no viel vor! Owa zuerst ziehst dich um. Wie heißt denn du überhaupt?“ Der junge Kollege brauchte einen Moment, bis er zur Kenntnis nahm, dass er gemeint war. „Ich wüsste nicht, dass wir schon per du sind!“ „Machts einfacher. Und jetzt hau dich in die Zivilpanier und dann geh ma’s an.“ „Warum bitte soll ich mich umziehen? Immerhin sind wir im Dienst!“ „Ich wiederhol mich ungern. Machts einfacher. Und fragen kannst nachher. I geh zur Tankstelle da am Eck, trink an Kaffee und wenn ich fertig bin, stehst du parat. Hamma uns?“ Der Beamte ging kopfschüttelnd zu seinem Polizeiauto und klärte via Funk die Sachlage ab. Niedergeschlagen stieg er nach ein paar Augenblicken wieder aus und sagte zu Berger: „Die Kollegen wissen Bescheid. Ich hab die Order mich ihnen anzuschließen. Angeblich könne ich noch viel von ihnen lernen… was zu bezweifeln wäre!“ „Oiso, net bummeln! Eini in die Zivilmode und in 10 Minuten bist in da Tankstelle. Owa bitte kan Anzug, ka Hemd oder sowas Schnöseliges. Leger, hast mi?“ Nach eben jenen zehn Minuten fanden sich die beiden Herren vor der Tankstelle wieder. „So, ich bin wenigstens schon a bisserl gscheiter worden in der Zeit. Und…“, sagte Berger als er seinen Kollegen von Kopf bis Fuß musterte. „Naja, Geschmäcker sind ja verschieden. Aber überlass das Reden vorerst mir. Wie heißt du jetzt?“ „Georg Mühlecker“, antwortete er trotzig. „Oiso Schurli, geh ma.“ Mühlecker verbog es merklich, was den Kommissar äußerst kalt ließ, der schnellen Schrittes einen kleinen holprigen Gehweg entlang ging und es ihm nicht gerade leicht machte, mit ihm Schritt zu halten. „Die in der Tankstelle haben den Plattner gekannt. Der war oft dort. Grad am Wochenende. Gespielt hat er beim Automaten und literweise Dosenbier hat er verbraucht. Oft hat er nicht zahlen können und ist das Geld lange schuldig geblieben. Nur einmal alle paar Wochen hat er seine ganzen Altlasten beglichen. Da hat er bündelweise Hunderter eingesteckt gehabt.“ „Und woher hatte er das ganze Geld? Die Nachbarin hat ja zu Protokoll gegeben, dass er pleite war!“ „Das, Schurli, hat mir auch keiner sagen können.“ „Und wohin gehen wir jetzt?“ „Lokalaugenschein im wahrsten Sinne des Wortes!“ Am nächsten Morgen… „Schönen guten Morgen!“ rief Berger laut und gutgelaunt als er das Büro betrat und seine verschlissene Ledertasche auf den freien Schreibtisch warf. „Wos is Schurli? Hast an Kater?“ „Maximal ein leichtes Dröhnen im Kopf vom dezenten Wurf Ihrer Tasche.“, gab Mühlecker patzig zurück. „Haltst halt nix aus Burli.“, meinte Berger verschmitzt. „Sag, wie lang bistn scho da?“ „Na seit sieben. Dienstbeginn eben!“ „Brav is er der Bub! Ich war noch Kaffee trinken. In Judendorf. Da haben echt a paar Tschecherln schon so früh offen. Da Kaffee is zwar nix Besonderes, aber dafür san die Wirtn schon gesprächig. Und was hast du die zwei Stunden da allein scho gmacht?“ „Na Protokolle geschrieben! Zusammenfassungen der Aussagen.“ „Er is ja wirklich brav der Bub! Und? Schon schlau draus worden?“ Widerwillig gab Mühlecker ihm Auskunft. „Also, nachdem wir mittlerweile wissen“, begann er mit hochgezogenen Augenbrauen. „Also dass das Opfer in so ziemlich alle großen
Bauvorhaben der letzten zehn Jahre vor seinem Konkurs verwickelt war, wurde uns von insgesamt zwanzig Personen in vier verschiedenen Lokalen bestätigt. Im Grunde ging beinahe nichts im Ort ohne ihn. Ein hohes Tier also. Liebkind vor allem in der Gemeinde und bei den Banken. Bis zu diesem Vorfall am Kirchberg eben.“ „Genau. Da wo’s den angeblichen großen Streit zwischen ihm und dem Bauherrn gebn hat, der dann die Stiegen zufällig herunterg’fallen is und der seitdem im Rollstuhl sitzt. Der fehlt uns no, den geh ma jetzt besuchen.“ „Grüß Sie, Herr Stifter. Danke, dass Sie Zeit für uns haben.“, sagte Mühlecker höflich. Der krankheitsbedingt pensionierte Bauherr aber blickte den beiden Herren recht skeptisch entgegen. „Ja ja, passt schon. Bitte? Was wollens von mir?“ „Wissen wo Sie gestern so g’wesen sind die ganze Zeit“, antwortete Plattner. „Im Krankenhaus war ich. Zur monatlichen Kontrolle. So wie seit vielen Jahren schon!“ „Und des kann doch sicher wer bezeugen, gell?“, hakte Brenner nach. „Ungefähr fünf Ärzte, zehn verschiedene Schwestern und mei Frau, die mich hin und wieder heim geführt hat! Reicht des?“ „Ja, vorerst“ sagte Mühlecker. „Aber dass wir das überprüfen müssen ist ihnen doch klar, oder?“ „Mir is des Wurscht, was ihr machts“, antwortete Stifter trocken. „Is sonst noch was?“ „Schon“, meinte Berger, der sich gründlich im Wohnzimmer des Bauherren umgesehen hatte. „Interessieren tät uns, was damals am Kirchberg passiert ist. Wie das damals mit ihrem Unfall war.“ Stifters Gesichtszüge verhärteten sich. „Dazu sag ich nix mehr! Und jetzt gehns bittschön. Ich bin müde!“ Draußen vor dem Haus sahen sich die beiden Kommissare an. „Und wie jetzt weiter?“, fragte Mühlecker. „Wir gehen auf ein Reparaturfrühstück für dich. A Gulasch und a Bier!“ „Alkohol im Dienst? Sicher nicht!“ rief Mühlecker. „Dann trinkst halt a Glaserl Milch dazu, wenns dir leichter is! Nur darfst dich nicht wundern, wenns dir dann immer noch schlecht ist“ sagte Berger grinsend und schob seinen Kollegen Richtung Auto. Am späten Nachmittag fanden sich die beiden wieder in ihrem Büro ein. Berger saß vor einem Berg von Akten, während Mühlecker zwei Aspirin in einem Glas Wasser auflöste. „Burli, wie i no so jung war wie du, hab ich aber um einiges mehr vertragen!“ Berger konnte sich diesen Seitenhieb nicht verkneifen. Der desolate Zustand seines Kollegen amüsierte ihn köstlich. „Haltens doch die Luft an“, gab Mühlecker knapp zurück. „Sagens lieber, was wir jetzt mit dem Altbürgermeister machen. Ich mein, nachdem was uns in den drei anderen Lokalen erzählt wurde, hat der ja damals ein schönes Regiment geführt.“ „So isses“, sagte Berger, ohne den Blick von den Akten zu heben. „Und ich bin mir sicher, dass uns der auch noch so einiges erzählen kann von damals!“ „Ob da irgendetwas Brauchbares zu unserem Mord dabei ist?“ „Da bin ich mir sogar ganz sicher.“ Einen starken Kaffee später waren die beiden im Haus des Altbürgermeisters. Ein sehr gepflegter Mann mit strengem Gesichtsausdruck und maßgeschneidertem braunen Anzug blickte ihnen entgegen. „Sie wünschen?“, fragte er, nachdem sich die beiden vorgestellt hatten. „Ein paar Informationen hätten wir gern vom Unfall am Kirchberg vom Baumeister Stifter.“, sagte Berger. „Wir wissen, dass sie damals die Rettung verständigt haben.“ „Ja und? Erste Hilfe ist doch Pflicht!“, sagte der Altbürgermeister schnippisch. „Das schon. Aber laut unseren Unterlagen war nur der Herr Plattner damals am Unfallort. Wieso haben sie dann angerufen? Wieso wussten sie, dass da was passiert war?“, fragte Mühlecker. „Schauns“, sagte er. „Der Plattner hat die Panik ghabt damals. Er hat das ja nicht wollen. Und wie er den Stifter da liegen gsehn hat, hat er die Nerven verloren. Der Plattner und ich, wir waren damals recht gut miteinander. Eine Hand wäscht die andere, wenn sie verstehen was ich meine. Und weil er es nicht besser gewusst hat, hat er mich angerufen und ich
wiederum die Rettung.“ „Und der Plattner hat sich dann versteckt.“, warf Berger in den Raum. „Weil er Angst ghabt hat. War ja klar! Dabei hat er im Grunde nix für den Unfall können vom Stifter. Des war halt nur a depperte Rangelei wegen so am Bauprojekt. Dass der Stifter dann über die Kirchenmauer gfallen ist, hat ja keiner wollen.“ „Komisch“, sagte Berger. „Komisch ist des Ganze aber schon. Naja. Ach, noch was. Sie wissen nicht zufällig woher der Plattner jedes Monat einen ordentlichen Batzen Geld bekommen hat?“ „Nein“, antwortete der Altbürgermeister. „Seitdem er zum Saufen angefangen hat, hab ich den Kontakt abgebrochen.“ „Danke, das wars auch fürs erste.“, sagte Berger. „Wiedersehen.“ „Hoffentlich nicht“, gab er zurück. „Die ganze Gschicht is ja schon längst verjährt.“ „Das werden wir sehen“, sagte Berger als die beiden Kommissare das Haus verließen. „So, Schurli! Jetzt müss ma uns sputen! Sonst haben die Gschäfte schon zu!“, sagte Berger. „Und wo geht’s jetzt hin?“ „Zur Ex vom Plattner! Nur werd ma dort net parken können. Also wirst du brav Runden fahren und ich red derweil a bisserl mit der Dame.“ „Und?“, fragte Mühlecker, als Berger wieder ins Auto stieg. „Aufschlussreich wars, Schurli, aufschlussreich!“ Zwei Stunden später machten sich die beiden wieder auf zum Haus des Altbürgermeisters. Eine gepflegte, aber verhärmte ältere Dame öffnete ihnen. „Ich habs ja gwusst! Schon wie mir der Heinz gsagt hat, dass die Polizei da war, hab ich gwusst sie kommen wieder. Bitte. Mein Mann sitzt in seinem Arbeitszimmer. Ich sag ja nix dazu, aber wenns ihn mitnehmen, sein Kofferl hab ich schon gepackt.“ Die beiden Kommissare nickten ihr zu und gingen in besagtes Arbeitszimmer. „Sie schon wieder!“, rief der Altbürgermeister, als sie eintraten und steckte schnell einen Ordner in die Schreibtischschublade. „Was verstecken sie denn da vor uns?“, fragte Mühlecker. „Nichts, was sie etwas anginge“, antwortete er. „Das glaub ich aber schon“, sagte Berger, schob den Mann zur Seite und nahm den Ordner wieder heraus. „Na das ist ja interessant“, murmelte er, als er die Seiten überflog. „Wieso überweist man jemand jedes Monat knappe 5000 Euro, wenn man mit ihm nichts mehr zu tun haben will?“ „Das geht sie nichts an“, wiederholte der alte Mann zähneknirschend. „Also, von dem was die ehemalige Frau Plattner gsagt hat, schon. Schauns, wir können das einfach machen, in dem sie uns sagen, was los ist, oder wir stellen ihr Haus komplett auf den Kopf!“, sagte Berger. „Sie werden sich hüten!“, rief der Altbürgermeister. „Einen Schmarrn werden wir!“, sagte Berger und hielt ihm ein Schreiben unter die Nase. „Durchsuchungsbefehl“, erklärte er knapp. „Ich hab ihm geraten still zu sein“, murmelte der Altbürgermeister. „Sie haben was, bitte?“, hakte Mühlecker nach. „Ich sag jetzt gar nichts mehr!“ „Könnte unter Umständen für sie besser sein“, sagte Berger. „Hanni!“, rief der alte Mann plötzlich. „Hanni, bring mir die Nummer vom Martin! Vom Anwalt, net vom Arzt! Hast du ghört?!“ „Natürlich hab ich gehört. Immer hab ich gehört. Und nie was gsagt.“, sagte dessen Frau mit merkwürdigem Unterton, als sie das Zimmer betrat. „Du, sag, soll ich deinen Golfschläger vorher putzen, oder nachher?“, fragte sie noch und hielt den Kommissaren das blutbefleckte Eisen unter die Nase. „Wie kannst du nur?!“, schnaubte der Altbürgermeister. „Ich hätt schon lang sollen!“, gab sie knapp zurück. „Und der Martin ist schon auf dem Weg hierher. Wegen der Scheidungspapiere. Und falls die Herren mich noch brauchen“, wandte sie sich an Berger, „ich bin dann in der Küche.“ „Nun also?“, sagte Mühlecker und sah dem alten Mann in die vor Wut zusammengekniffenen Augen. „Ja! Bitte! Gut! Der Plattner hat von mir jedes Monat ein Geld bekommen. Damit er still ist. Damit er nicht sagt was am Kirchberg war. Sollt ja keiner wissen, dass ich…“ Abrupt hörte er auf. „Sollt ja keiner wissen, dass sie den Stifter vom Kirchberg geworfen haben, stimmts?“, vollendete Berger für ihn. „Ich hab dem Stifter eh alle
Behandlungen bezahlt. Das extra noch! Ja wie hätt denn das ausgeschaut? Zwei Monate vor der Wahl?!“ „Bestimmt nicht rosig“, sagte Mühlecker. „Und warum jetzt der Plattner?“, fragte Berger nach. „Hat ihm das Geld nicht mehr gereicht?“ „Auspacken hat der wollen! Nicht mehr mit der Lüge wollt er leben, hat er gesagt. Ja sicher wars arg für ihn, dass er alles verloren hat, weil er im Grunde die Schuld am Unfall auf sich genommen hat, aber er hat doch genug dafür bekommen!“ „Stimmt! Einsamkeit, Depressionen, Alkoholismus. Wahrlich erstrebenswerte Dinge.“, sagte Mühlecker. „Rotzbua halts zamm, sonst bist du der nächste auf den ich in einer finsteren Ecken wart!“, rief der Altbürgermeister. „Also, Schurli“, wandte Berger sich an seinen Kollegen. „Wir haben, was wir brauchen. Sie packen sich jetzt bitte zusammen und kommen mit uns.“ „Psst“, flüsterte er Mühlecker zu. „Du bringst ihn schon zum Auto. Ich komm gleich nach.“ Berger ging in die Küche, wo die Frau des Altbürgermeisters gedankenverloren aus dem Fenster starrte. „Sie wollen sicher wissen, warum ich meinen Mann verraten hab, gell?“, sagte sie als sie ihn eintreten hörte. Ohne seine Antwort abzuwarten sprach sie weiter. „Wissens, ich war auch amal jung. Und schön. Viele Burschen wollten anbandeln mit mir. Auch der Plattner. Geliebt hamma uns. Aber meinen Eltern war er nicht recht. Bis mein Jetziger daher kommen is und mir Avancen gmacht hat. Ein aufstrebender junger Politiker, das hat meinen Eltern gefallen. Und weils mich unbedingt schnell unter die Hauben bringen haben wollen, hab ich halt mitgespielt. Und ja gsagt zu ihm. Obwohl er mich nie gut behandelt hat. Wie a Dienstmagd war ich für ihn. Der Plattner hat immer gsagt, dass ich was Besseres verdient hab, aber was hätt ich denn tun sollen? Zum Überlegen, dass ich geh, hab ich erst angefangen, wie des mit dem Stifter war. Feig war ich halt. Viel zu feig. Nur wie ich dann draufkommen bin, dass er meinen Plattner erschlagen hat, wars aus. Frei fühl ich mich jetzt. Fast so frei wie als jungs Dirndl. Schmoren soll er in der Höll für das, was er gmacht hat!“ Berger, der mittlerweile dicht hinter ihr stand, legte ihr eine Hand auf die Schulter, nickte und sagte: „Keine Angst. Dafür werden wir schon sorgen.“ „Vergelts Gott“, sagte die Frau und hielt für einen kurzen Augenblick seine Hand, die immer noch auf ihrer Schulter lag.