Böse Menschen haben keine Lieder… Die Sonne schien wie zum Trotz über die Kirche Maria Straßengel. Der Friedhof war zum Bersten gefüllt mit trauernden Menschen, die nicht nur wegen des Wetters alle dunkle Sonnenbrillen trugen. Die gesamte Marktmusik spielte die letzten Takte, dann wurde der Sarg ins Grab gelassen und die Menschen konnten Abschied nehmen. „Furchtbar is des!“ „Ja, so tragisch!“ „Mein Gott, die arme Familie!“ „So jung war der no!“ , so der Tenor beim anschließenden Leichenschmaus. Die beiden ermittelnden Kommissare hielten sich dezent im Hintergrund, nicht ohne die große Ansammlung von Menschen genauestens zu beobachten. Mit der Familie hatten sie schon ausführlich gesprochen und sie wollten sie auch, die in einem Gasthof fern ab der anderen unter sich bleiben wollten, für heute in Frieden lassen. Nachdem die Stimmung sich etwas gebessert hatte und nun die ersten fröhlicheren Anekdoten des Toten von seinen ehemaligen Musikerkollegen zum Besten gegeben wurden, wagten sie sich weiter vor und lauschten den Erzählungen. Als sie sich verabschiedet hatten, sondierten sie auf dem Weg zu ihrem Auto die Lage. „Also, i waß net. Wenn einer, der so gor kan‘ Streit mit irgendwem ghabt hat, einfach so erschoss’n wird, dann brauch ma lang, bis ma den Schuldigen finden!“, sagte Kommissar Brunner zu seinem Kollegen. „Gor kane Feinde hat ka Mensch! Es gibt immer wen, dem’st was net recht machst!“, antwortete Melcher, der weitaus ältere der beiden. „Jedenfalls is mir da kana komisch vorkommen jetzt“, gab Brunner zurück. „Jo eh. Mir a net. Fast halt.“ , sagte Melcher. „Fahr ma zurück ins Büro und geh ma no amal die Fakten durch.“ Das Opfer, 42 Jahre, vom Beruf Malermeister, seit seiner Jugendzeit Musiker bei der Trachtenmusik, seit knapp 5 Jahren dort Kapellmeister, am 24.6. aus einem Hinterhalt mit einem Schrotgewehr von hinten erschossen, hinterlässt Frau und zwei Kinder, gut situiert, großes Haus, gutes Verhältnis zu Familie, Kunden, Vereinskollegen, Nachbarn, passionierter Jäger. „Was meinst, ob den net einfach nur wer verwechselt hat?“ „Na, Brunner! Da, wo der dawischt worden is, geht nur der eine Weg zu seinem Haus. Der Mörder hat auf den g’wartet. Außerdem muss der gwusst haben, wann die Musikprob aus is und dass der immer gleich heimgeht nachher. Sonst hätt ma mehr Spuren finden müssen.“ Einige Zeit später… „Oiso, Melcher weißt, i hab mir Aufnahmen von der Trachtenmusikkapell’n anghört. So schlecht spielen die net, dass ma dagegen was haben könnt!“ „Heast, Brunner, i glaub, des 1
is net da richtige Zeitpunkt für so blede Schmäh! Schau da lieber da den Tatort an und dann redst mit da Nachbarin, die eam gfunden hat!“ „Jawoll, Chefe“, gab Brunner kleinlaut zurück und machte sich an die Arbeit. „Hearns, Herr Polizeirat, i hab glaubt, mi trifft da Schlag, wie i den Sepp da liegen gsehn hab! I bin immer so gern zu die Konzerte gangen! Und jetzt?! Erst da Kapellmeister, jetzt da Obmann von da Musik! Hearns, wer macht denn sowas?!“ Die betagte Dame wandte sich ganz verzweifelt an den jungen Kommissar. „Ich kann ihnen das im Moment auch noch nicht sagen, aber eins ist sicher, Musikfreund ist es keiner!“ Worauf die Nachbarin in ein regelrechtes Tränenmeer ausbrach. Zehn Tage danach gingen die beiden Kommissare wiederum in ihrem Büro die Fakten durch. Das zweite Opfer, 66 Jahre, pensionierter Postbeamter, wurde am Abend des 30.6. nach einer Vereinssitzung der Trachtenmusikkapelle von seiner Nachbarin tot im Flur aufgefunden. In seiner Hand hatte der frühere Hobbyschnapsbrenner einen Flachmann mit Arsen versetztem Zwetschkenschnaps – die Todesursache. Sein Leben galt seit seiner Kindheit der Musik, so wie auch dem letzten Opfer. Er war Bewerter bei Musikprüfungen, Musiklehrer für sämtliche Blasinstrumente und war 51 Jahre Mitglied der Trachtenmusikkapelle Judendorf, die er seit 25 Jahren als Obmann leitete. Keine Frau, eine ledige Tochter, wohnhaft in Berlin, zu der allerdings seit Jahren kein Kontakt besteht. Wird als lebenslustiger Zeitgenosse beschrieben, der zwar gerne diskutierte, aber nie mit jemandem böse war. „Du, Melcher, um eins ist das Begräbnis. Müss ma da scho wieder hin? San eh sicher nur die gleichen Leut!“ „Grad deswegen, Brenner! Da heißts besonders die Augen offen halten!“, gab dieser knapp zurück und sie machten sich wieder auf den Weg nach Maria Straßengel. Die Verzweiflung in den Gesichtern der Trauergäste war doch deutlicher, als in den Tagen zuvor. Unisono wurden die Köpfe geschüttelt über die Tragik der Geschehnisse. „Erst da Heinz und jetzt da Sepp! Der Kapellmeister UND der Obmann! Des derf net wahr sein!“, so die Stimmen. Brunner sollte recht behalten, es waren tatsächlich, bis auf vereinzelte Ausnahmen, die gleichen Gäste wie schon beim letzten Mal. Auch das Buffet beim anschließenden Leichenschmaus im Musikheim, war das Gleiche. „Psst, sag amal,“ flüsterte Brunner seinem Kollegen zu. „Haben die nur an Wirtn da im Ort?“ „Na, des net! Owa nur an, der am Montag offen hat.“, zischte Melcher zurück. „Sag amal, kommt dir do heut ana komisch vor?“ fragte Brunner. „I bin ma no net sicher“, antwortete Melcher mit zusammengekniffenen Augenbrauen. „Komm, schnapp dir a Flascherl vom Roten und geh nachschenken. Wenn die Leut a Spitzerl haben, sans redseliger.“ 2
Gesagt getan. Nur so wirklich schien der Plan nicht aufzugehen. Viel zu traurig waren die Freunde und Musikkollegen, als dass irgendjemand viel zu erzählen hätte. „Sagts amal“, wandte sich einer aus der Runde an die Kommissare, „Habts ihr schon irgend a Idee, was mit die zwei passiert is? I man, wer des war?“ Melcher sah dem Fragenden direkt in die Augen. „Wir haben tatsächlich schon a Spur. A recht Konkrete sogar. Nur red’n dürf ma da natürlich net drüber. Wir gehn’s dann jetzt auch an. Pfiat euch miteinand.“ Mit diesen Worten schubste er Brunner zur Tür hinaus. „Heast Chefe,“ fauchte Brunner, als sie draußen waren. „Wieso waß i nix von dera Spur bitte? Mir hab’n an Verdächtigen?“ „Melcher, oida Freund, du muasst no vü lernen! Natürlich hamma no keinen Verdächtigen… g’habt. Bis jetzt!“ „Mah, bitte! Und wos sull jetzt des wieder heißen?“ „Des sog i dir im Büro! Owa vorher fahr ma beim Schachtelwirt vorbei, i hab Hunger!“ Gerade als die beiden besagten Schachtelwirt, also das nahe gelegene Fastfoodrestaurant, verließen, läutete Brunners Diensthandy. „Jo?...Was?...Na!...Net scho wieda…! Wir…jo, na sicher! Mir san glei do!“ Brunner legte auf. „So Chefe, i glaub, du wirst mir scho früher sagen müssen, wer unser sogenannter Verdächtiger is, weil… wir hab’n den nächsten Toten!“ „Er wollt si nur a bisserl hinlegen nachm Begräbnis“, stammelte die junge Frau unter Tränen. „I wollt eam aufwecken, damit ma no ins Musikheim zu die andern geh’n und dann… dann…“ Weiter kam sie nicht. Bitterlich heulend brach sie neben ihrem toten Mann zusammen. „Vielleicht redens besser morgen weiter mit ihr“, wandte sich die Distriktsärztin, die von der Frau gerufen worden war, an die Kommissare. „Ich hab ihr vorhin was zur Beruhigung gegeben. Ihre Schwester kommt gleich und sie sollte versuchen etwas zu schlafen. Die Kollegen von der Gerichtsmedizin holen den Toten gleich ab. Danach wissen sie sicher schon mehr. Nur eines: der Tod ist vor zirka einer Stunde eingetreten. Und… nein, das sollen die Kollegen sich anschauen.“ „Entschuldigung,“ wandte Brunner sich an die Ärztin. „Nur eine Frage, bitte. Wissen sie zufällig, ob der auch bei der Musik dabei war?“ Die Ärztin nickte. „Freilich! Das war der Kassier vom Verein. Und stellvertretender Kapellmeister.“ Zwei Tage später… „So Melcher, du hast mir bis jetzt no immer net gsagt, wen du im Auge hast! Also, wer glaubst du war des? Und glaubst du, des war nur einer?“ Brunner sah seinen Kollegen fordernd an. „Ja, i glaub schon, dass des nur einer war. Wart ma noch das Begräbnis ab Ende der Woche. Du schaust mir dann dort genau auf die Finger und noch genauer schaust den Leut dort in die Augen. I bin gspannt, ob er sich noch amal verrät und noch mehr, ob er dir auffällt. So, und bis dorthin lernst ma alle Fakten von den drei Fällen auswendig!“ 3
Das dritte Opfer, 37 Jahre alt, Angestellter bei der ortsansässigen Bank, wurde am Abend des 9. Juli von seiner Frau aufgefunden. Er hat nach der Verabschiedung seines Freundes eine Flasche Wein getrunken, wollte kurz nach Hause und sich dann zu den anderen Trauergästen gesellen. Seit 15 Jahren aktives Mitglied des Musikvereines, seit 2 Jahren stellvertretender Kapellmeister und Kassier, hinterlässt eine Frau, keine Kinder. Vor kurzem ein neues Fertigteilhaus erworben, gutes Verhältnis zu Nachbarn, Freunden und Kollegen. Hat vor 5 Jahren einen Weinberg geerbt. Todesursache: Vergiftung. Wie im vorigen Fall handelte es sich um Arsen. „I bin gspannt, was heut passiert. Weil, alle, die die drei a bisserl besser gekannt haben, haben g’wusst, dass der eine gern schießt, der andere gern schnapserlt und der letzte durch sei Weinbergerl gern amal das ein oder andere Flascherl trinkt. Des is für mi wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen!“ Melcher lächelte seinem Kollegen zu. „Abwarten. Wart’s nur ab!“ Die Musiker und anderen Trauergäste saßen diesmal noch enger beieinander als zuvor. Es sah so aus, als wollten sie sich gegenseitig Halt und Trost spenden. Brunner beobachtete alle ganz genau, doch keiner kam ihm auch nur im Entferntesten verdächtig vor. Er stieß Melcher vorsichtig in die Seite. „He du! Psst.“ Melcher gab ihm mit einem vielsagenden Blick zu verstehen, dass er das sprichwörtliche Maul zu halten hatte. „Und da soll noch amal ana sagen, dass alle guten Dinge drei sind. Jaja, es is scho so, gell?! Wo man spielt, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen haben keine Lieder.“ Ein sehr betagter Mann hatte sich aus der hinteren Reihe erhoben und blickte in die Runde. „Recht hast, Schurli.“ Der Mann, der auch beim letzten Mal mit den beiden Kommissaren gesprochen hatte, nickte dem alten Mann zu und wandte sich an die beiden. „Sie haben geblufft das letzte Mal, was? An Schmarrn wissens, wer des war! Was glaubens eigentlich wer sie sind? Kommen da jedes Mal her, saufen gratis unseren Kaffee und horchens unsere G’schichten an, dabei rennt da draußen a Mörder frei umanand! Meinens net, dass sie was Besseres z’tuan hättn?!“ Brunner kochte innerlich, während Melcher keine Miene verzog. Mit ruhiger Stimme antwortete er: „Machens ihnen keine Sorgen. Wir waren genau da, wo wir hinghört haben. Aber, für heute war’s des eh für uns. Wir san schon dahin. Nur, ans no. Passens auf sich auf in nächster Zeit. Alle.“ Wieder einige Tage später… „So, Brunner, was gibt’s Neues?“, fragte Melcher, als sein Kollege das Büro betrat. „Außer, dass ma Gott sei Dank seit einer Wochn kan Toten mehr ghabt haben, nix. Leider!“ Melcher lächelte ihm süffisant entgegen. „Na zum Glück hab wenigstens ich meine Hausaufgaben 4
gmacht!“ „Und was genau soll das jetzt bitte heißen?“ Brunner schaute ihn mit großen Augen an. „Ganz einfach, dass du dich jetzt zum Computer setzt, die Liste mit den Vereinsmitgliedern anschaust und mir sagst, wer von denen in Frage kommt als Täter.“ „Sag, Chefe, willst du mi verarschen? Seit drei Tagen mach i nix anderes! Außerdem hamma beide mit allen schon mehr als einmal geredet! Über alle drei Toten! Mit den Aktiven und allen anderen Mitgliedern auch! Schön langsam glaub i, dass du mir da a reine Beschäftigungstherapie verpasst und mi nur quälst, während du scho lang weißt, wer’s war! I bin mir net amal sicher, dass der Täter zu dem Verein dazu ghört!“ „Siehst, ich schon.“ Brunner brüllte seinen Vorgesetzten an: „Und seit wann bitte? I man, bist du wahnsinnig? Du weißt wer’s war und hockst da deppert im Büro umanand? Wo is da Haftbefehl? Warum sitzt der no net?! Heast, i bin net scharf auf a Diszi!“ Melcher drehte seinem Kollegen den Rücken zu. „Magst auch an Kaffee?“, fragte Melcher ruhig. „Na!“, rief Brunner. „I koch scho selber! Oiso, wos is jetzt? Willst drauf warten, dass der nächste tot is?“ „Ok, Brunner. Jetzt schnaufst amal durch, setzt di hin und horchst ma zua. Während du nach Dienstschluss immer brav heim geschurlt bist zu Weib und Hund, war i no unterwegs. I hab mi in allen Gasthäusern a bisserl umghört und auch a paar von den Musikern daheim besucht. Recht viel hab i so derfragt. Guat, viel war dabei, was net wichtig is für uns, aber a paar Schmankerln waren schon dabei. I hab dir doch gsagt, du sollst dir alle Leut gut anschauen. Und? Is dir was aufgfallen? Oder wer besser gsagt?“ Brunner schüttelte den Kopf. Einerseits aus absoluter Verständnislosigkeit seinem Kollegen gegenüber, andererseits, weil ihm tatsächlich nichts Besonderes aufgefallen war. „Nein! Halt! Doch! Also, vielleicht halt.“, rief er plötzlich. „Und?“, fragte Melcher. „Naja, der eine, der immer wissen wollt, ob wir schon was wissen. Ob der durch sei Fragerei net nur wissen wollt, ob wir net wissen, dass er des war.“ Melcher seufzte. „Heast, des is a bissi viel wissen für kein Wissen! Der is der einzige, der dir aufgefallen ist? Guat, ok, der war am auffälligsten so gsehn. Owa der Hund steckt im Detail! Merk dir des, die Auffälligsten… sans in den wenigsten Fällen. Weißt eh, Hunde, die bellen, beißen nicht. Oiso vergiss den amal. Denk an alle Gschichten, die’s uns erzählt haben, wie wir zammen unterwegs waren. Is dir da dabei was aufgfallen?“ Brunner dachte eine Weile nach. Da gab es einen jungen Musiker, der sein Instrument wechseln wollte, aber vom Kapellmeister aus nicht durfte. Aber der hatte mit den beiden anderen kein Problem. Dann gab es die zwei Frauen, die unbedingt neue Dirndln haben wollten, aber vom Kassier kein Geld und auch vom Obmann kein Ok dafür bekommen hatten, das aber waren die Frau und die Schwägerin des Kapellmeisters. Dann gab es den älteren Musiker, der zu allen Proben zu spät kommt, weil er vorher noch seinen Stammwirten besuchen muss, was den Kapellmeister ständig auf die Palme gebracht hatte, der allerdings 5
auch der Vater des verstorbenen Kassiers war. Er grübelte und überlegte und kam auf keinen Nenner. Keine einzige Person fiel ihm ein, die ein Motiv hatte alle drei umzubringen. „Also?“ Melcher sah ihn an, wie früher sein Mathematiklehrer bei der Entscheidungsprüfung. Brunner reagierte auch wie damals. Er senkte den Blick auf seine Schuhe und zuckte schuldbewusst, weil unwissend, mit den Schultern. „Komm, pack dich zamm. Mir fahrn!“, erlöste ihn Melcher. „Haftbefehl hab ich eingsteckt. Den hab ich ganz in der Früh schon beantragt, weil ich eben seit heut um vier in der Früh weiß wer’s war. Und dass du no nix weißt… is… weil…“ Melcher druckste beinah verlegen herum. „Schau Brunner, ich habs dem Chef versprechen müssen. Weil der wollt, dass ich dir nix sag, weil du sonst immer gern a bisserl klugscheißt. Und des nervt. Und deswegen hamma ausgmacht, dass ma dir a Lektion erteiln. Owa mach da kane Sorgen, i weiß wirklich erst seit viere fix, was da alles passiert is und von wem und warum. Und jetzt gemma!“
Brunner setzte sich schmollend auf den Beifahrersitz und musterte seinen Kollegen. „So, bitte! Jetzt habts euern Spaß ghabt! I hoff, es war lustig! Oiso, wohin fahr ma jetzt?“ „Geduld ist net dei Stärke, was?“ schmunzelte Melcher. Die Frotzelei schien ihn köstlichst zu amüsieren. „Wirst scho sehen wo ma landen.“ „Bitte!“, murmelte Brunner trotzig und starrte aus dem Seitenfenster. Knapp vor dem Ortsende von Judendorf parkte Melcher das Auto vor einem alten, mehr als baufälligen kleinen Häuschen. „Spiel ma jetzt Hänschen und Gretchen und da kummt glei die Hex aussa, oda wos wird des jetzt?“ Melcher wurde zornig. „Brunner, hör auf zum umananda mocken wie a klans Kind und reiß di jetzt zamm! Da nimm des und benimm di endlich ois warats‘d du im Dienst!“ Er gab ihm den Haftbefehl und klopfte an die Tür, da keine Klingel zu erkennen war. Nach mehrmaligem Klopfen und Rufen gingen sie hinein. „Hallo? Hallo? Is da wer zuhause?“ Da sich niemand meldete, gingen sie von Raum zu Raum, bis Melcher plötzlich rief: „Ach du Scheiße!“ Brunner, der gerade einen Blick in die Küche riskiert hatte, lief zu seinem Kollegen. „Wos? Der? Na!“ Melcher sah in an. „Doch, der! Und da schau, a Brieferl hat er dagelassen. Lies dir’n durch, i kann mir vorstellen was drin steht. I ruf gschwind die Bestattung an derweil.“ Wer mich findet, findet auch den Brief. Ich, Georg vulgo Schurli Schneidbacher, hab immer Musik spielen wollen. Aber der Vater hat mich nie lassen. Weil kein Geld da war für ein Instrument. Und später hat mich die Frau nicht lassen, weil Musiker alle saufen und sie keinen Tschecheranten daheim haben wollte. So hat sie immer gesagt. Ich hab sie geliebt und darum hab ich nie musiziert. Dann wie mein Weiberl gestorben ist, wollt ich endlich zur 6
Musik. Aber dann habens mich dort nicht lassen, weil ich schon zu alt war. Zahlen hab ich dürfen. Immer. Unterstützt hab ich sie immer. Und wie ich dann dazu gehen wollt, hat es nur geheißen, dass ich immer ein Ehrenplatzerl hab bei allen Konzerten und mitnehmen auf die Fahrten im Verein tätens mich auch, aber so zum spielen wär ich zu alt. Aber man soll sich nicht in den Alten täuschen hab ich gesagt und dann habens mich ausgelacht. Alle drei. Und alle drei haben gesehen, was ich noch kann! Gute Augen zum Zielen und ruhige Hände zum Treffen und zum Verfeinern von Trankerln hab ich noch. Aber das hilft jetzt auch nix mehr, weil ich jetzt nicht mehr spielen mag. Ich mag jetzt zu meinem Weiberl und zu den Engerln, die viel schönere Musik spielen als alle Musiker da auf der Welt. „Na wenigstens an schönen Anzug hat er anghabt. Und so schön aufgehängt war der!“ Melcher schlug seinem Kollegen mit der flachen Hand leicht auf den Hinterkopf. „Brunner, du bist unmöglich!“
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