12_beitrag

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Zuerst kommt der Blitz, dann kommt der Donner um am Ende ein ganzer Sommer Die Schritte der Feuerwehrmänner hallten durch das dunkle Haus. Von den einst klassischen und wertvollen Möbeln, die die Räume zierten, war nur noch Asche übrig. Die Wände waren schwarz verkohlt, die Fenster zersprungen und aus den klaffenden Löchern im Dach drangen dicke Rauchschwaden. Ingrid saß mit ihren Töchtern Lisa und Christin vor den Überresten der alten Villa. Lisa weinte bitterlich in den Schoß ihrer Schwester, die apathisch ins Leere starrte. Als der letzte der zwölf Feuerwehrmänner aus der Ruine trat, huschte ein flüchtiges Lächeln über Christins Gesicht. Ihre Mutter hingegen fing hysterisch an zu schreien, sprang auf und fasste einen der Feuerwehrmänner, um ihn kräftig zu schütteln. Am darauffolgenden Tag bestätigte sich der grausame Verdacht der Familie und der Retter. Die Polizei konnte die verkohlten menschlichen Überreste bergen, die nicht mehr identifiziert werden konnten, was ohnehin unnötig gewesen wäre, da es nur eine Möglichkeit gab. Der Stiefvater der Mädchen, Hermann, war in den Flammen umgekommen. Er hatte die Angewohnheit gehabt bis spät in der Nacht im Keller zu sitzen und dort in der Werkstatt zu arbeiten. Oft schlief er am Werkzeugtisch ein und erwachte am nächsten Tag mit schrecklichen Rückenschmerzen. So ähnlich durfte es sich auch bei dem Brand zugetragen haben, mit dem Unterschied, dass er nun nicht mehr erwachen würde. Den Mädchen und seiner Gattin war es streng untersagt die Kellerräume zu betreten und er verschloss diese auch stets ordentlich. Hermann hatte einige solcher Eigenheiten und lebtags etwas geheimnisvolles, unheimliches an sich, was es den Mädchen immer erschwerte ihn ins Herz zu schließen. Obwohl er seiner Tätigkeit als Psychiater nachging, und diese offensichtlich beherrschte, was unzählige Urkunden bezeugten, gab er sich keine Mühe den Kindern näher zu kommen. Ingrid belastete dieses Verhältnis doch sie gewöhnte sich allmählich daran. Nach dem Selbstmord Michaels, dem leiblichen Vater der Mädchen der jahrelang unter schweren Depressionen litt, fühlte sich sein Psychiater mitverantwortlich für dessen Tod und suchte den Kontakt zu den Hinterbliebenen auf. Ingrid und Hermann kamen sich schnell näher, heirateten zwei Jahre nach dem Ableben Michaels und Hermann zog in die Villa der Familie ein. Elf Jahre lang lebte er als vertrauter Fremder unter einem Dach mit Familie Söhling. Verschlossen und oft eingeschlossen in seinen Kellerräumen wurde er ein Mitglied, welches die drei Frauen durch emotionale Distanz und Launenhaftigkeit häufig verletzte. Ein knappes Jahr nachdem die Familie ihr vertrautes und geliebtes Haus durch den Brand verloren hatte, zeigte sich erneut die Angst vor dem Alleine sein bei Ingrid, und ihren Hang zu Rettern in der Not. Sie verliebte sich kurz nach dem schrecklichen Vorfall in den Feuerwehrmann, den sie einst vor Wut schüttelte. Albert war ein warmherziger, liebevoller Mann, der der Familie großzügig Unterkunft in seiner Wohnung gewährte und sich geduldig und interessiert mit Lisa und Christin auseinandersetzte. Die Mädchen, 15 und 17 Jahre alt, schlossen ihn schnell ins Herz und genossen Familienausflüge und ein idyllisches Zusammenleben nach den Jahren in denen sie unter der Distanz und den Aggressionen Hermanns litten. Vor allem Christin machte keinen Hehl


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