stolper-welten der zaun – der nicht ist und trennt die tür – die nicht ist und zugeschlagen wird das hindernis – das nicht ist und stolpern lässt die faust – die nicht ist und zu boden zwingt die kette – die nicht ist und fesselt das gefängnis – das nicht ist und aus dem spiegel schaut o freiheit
… seinerzeit Kindheit Es war dieser ländliche Raum, mit all seiner Schönheit und Härte. Mit Härte ist nicht so sehr das gemeint, was unmittelbar körperlich spürbar war. Mitunter wehgetan hat. Der Rücken, wenn nächtens die Bretter durch das flach gelegene Stroh drückten. Die Blasen an den Fingern, nach harter Arbeit. Die blutige Zehe, vom Stein auf der Schotterstraße – Schuhe waren im Sommer überflüssig. Aber das war mitunter recht angenehm. So konnte man den Staub zwischen den Zehen spüren. Oder ein sanftes Kitzeln an den Fußsohlen. An manchen Stellen war die Straße nämlich samtig weich. Besonders wenn der Hömina Luis sie mit frischem Sand geebnet hat. Ich habe ihn bewundert. Wie er da so ruhig und gelassen mit der Pfeife im Mundwinkel sein Wagerl vor sich her geschoben hat. Und diese Treffsicherheit. Das ging "schwups", und der Sand flog von seiner Schaufel zielgenau in die Schlaglöcher. Da war dann das Radfahren wieder eine wahre Freude. Schlaglöcher sind nämlich heimtückisch. Sie warten auf den richtigen Moment. Ein richtig harter Stoß – und schon kann es geschehen sein. Und einmal geschah es prompt. Die Füße rutschten – tschack – von den Pedalen und wurden unfreiwillig zu Bremsklötzen. Barfüßig hängend! Mit den Händen krampfhaft am Lenker festgekrallt. Mit dem "Nichts" auf dem Kettenblatt holprig abgestützt. Das Damenradl von der Mama hatte also auch seine Nachteile. Die Beine waren noch um einiges zu kurz, um beim Treten auf dem Sattel zu sitzen. Von den Pedalen abzurutschen, war somit heikel und mitunter recht schmerzhaft. In diesem Fall waren weniger die wund geschundenen Füße das Problem, sondern der atemberaubende Schmerz beim "Nichts". Richtig zusammenziehend. Ein einsames Leid, denn reden konnte man darüber mit niemand. Dazu muss man wissen, dass der Körper damals beim Scheitel begonnen hat, in der Hüftgegend vorübergehend endete und sich dann von den Oberschenkeln bis zu den Fußsohlen fortsetzte. Dazwischen war dieses "Nichts" oder zumindest das, worüber man nicht reden konnte. Auch nicht mit dem Hömina Luis. Und so konnte ich ihm auch meine Dankbarkeit über seine gefüllten Schlaglöcher nie zum Ausdruck bringen. Ich konnte meine Lehrerin nicht verstehen, als sie mich ganz entgeistert angeschaut hat. "Wegmacher", habe ich gesagt – auf die Frage, was wir einmal werden wollen. "Wegmacher?" Und dass das doch kein richtiger Beruf sei, hat sie noch gesagt. Zugegeben: Idole sind scheint's auch recht zeitbedingt. Aber der Hömina Luis war ein Wegmacher, und das ist beileibe kein Straßenkehrer. Damals waren aber auch die Straßenbenützer noch ganz andere: Fußgänger, Radfahrer, Pferdefuhrwerke, ein paar Motorräder. Autos sind fast keine gefahren. Wenn dann doch eines gekommen ist, ist auch immer dieser Konflikt gekommen – zwischen Neugier und Verstecken. Wie immer, wenn etwas "Fremdes" oder "Lautes" auf einen zugekommen ist. Und das war eine der eigentlichen Härten: Diese kindliche Verschrecktheit. Dieses "sich verstecken wollen". Vor dieser diffusen Bedrohung. Da ist man zurückgeschreckt. Gehemmt, verschämt, schweigsam – sprachlos. Wie ohnmächtig. Niedergedrückt, von einer unsichtbaren Last. Mitunter ist daraus wohl das geworden, was man Rückgratlosigkeit nennen kann. f-blues
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… seinerzeit Kindheit
Es hat aber neben all dem diese unbeschreibliche Schönheit gegeben. Dieses Horchen in einer heute nicht mehr nachvollziehbaren Stille. Diese Nächte – in totaler Finsternis oder mit faszinierendem Sternenhimmel. Diese glitzernde Morgensonne im taufeuchten Gras – die eigene Spur. Dieses feuchtkühle Anschmiegen an den bloßen Füßen. Dieser hauchfeine Nieselregen – leicht Nebel verhangen. Schützend unter einem Baum neben dem leisen Gurgeln des kleinen Bächleins. Das sanfte Rieseln angenehm zart streichelnder Kälteschauer über den Rücken. Diese uneingeschränkte Fantasie ... Die Welt ist noch flach gewesen und ich habe immer ganz weit da hin gehen wollen, wo sich Himmel und Erde berühren. Als dann in der Schule meine Welt zur Kugel geworden ist, ist ein Stück Fantasie zerbrochen. Erst als sich der Vater einen Gucker gekauft hat, und mich damit in den Nachthimmel hat schauen lassen, hat sich meine Welt wieder verändert. Diese Sterne, dieses Strahlen – und der Mann da oben auf dem Mond. Da ist die Fantasterei wieder gekommen. Es ist nicht so, dass es damals in meiner Umgebung nicht schon so etwas wie Matratzen und das elektrische Licht gegeben hat, aber ich bin auf einem Strohsack im Schein einer Petroleumlampe zur Welt gekommen. Ein Strohsack war etwas sehr Persönliches. Ähnlich wie der Löffel. Da hat man hinten beim Stiel seinen Namen hineingeritzt. Und damit war es dein Löffel. Der Strohsack hat keinen Namen bekommen. Und man hat ihn in der Kindheit meist mit anderen teilen müssen. Und da hat man sich manchmal zu zweit besonders gefreut: so hoch, so weich – ein frisch gefüllter Strohsack. Mit der Zeit hat dann jeder seinen ureigenen Strohsack gehabt – und seinen Löffel. Und jeder hat gewusst, was passiert ist, wenn es geheißen hat, dass jemand seinen Löffel abgegeben hat. Aber während ein Löffel auch nach dem Tod seines Benützers noch irgendeine Verwendung gefunden hat, ist vom Strohsack nichts geblieben. Es war eine seltsame Stimmung: Der Feuerschein hinterm Garten. Erst eine große Flamme. Dann das leise knisternde Flackern. Und dann ist da nur noch ein kleines rauchendes Häufchen Asche auf der Wiese gelegen. Die Großmutter ist dann noch drei Tage auf der Bahre gelegen. Beim Großvater gab es einige Zeit später die gleiche Zeremonie. Das Licht hat man "angezündet", und es hat inmitten rauer Winterdämmerung heimelig wärmend den Raum gefüllt. Und man hat es riechen können – ein Duft aus Docht und Petroleum. Wenn ich alle paar Wochen das Lichtöl in einem kleinen Kanister heimgetragen habe, den der Kaufmann im Dorf wo die Schule gewesen ist angefüllt hat, habe ich wahrscheinlich auch nach Licht gerochen. Und wer weiß wonach ich sonst noch gerochen habe. Einmal hat mir zumindest mein Sitznachbar – er hat zu Weihnachten mich als Wichtel gezogen – eine Seife geschenkt. Ich hab davor eh schon manchmal ein ungutes Gefühl gehabt. Na ja – was soll man sagen, wenn man nichts sagen kann. Und ich habe nichts gesagt, hab mich angezogen und bin in die Schule gegangen. Ich habe mir gedacht es wird schon trocken werden. Selbst habe ich nicht wirklich etwas gerochen. Erst beim Lesen. Da mussten wir zu zweit aus einem Buch lesen. Zusammenrücken. Und da ist mir vorgekommen, dass mein Sitznachbar manchmal etwas unregelmäßig atmet. So schnuppernd. Und dann, als ich daheim die Tür geöffnet habe, gab es endgültig Klarheit. Die Mutter war aus allen Wolken. Der Fleck ist nicht wirklich trocken geworden. Weder im Bett noch in meiner Unterhose. Schandfleck! Gewaschen haben wir uns vor dem Haus beim Brunnen. Hände und Gesicht. Im Winter ist das Wasser sehr frisch gewesen – heute würde man sagen "eiskalt" – und wir haben oft erst das Eis weg schlagen müssen. Warmes Wasser hat man sich nur etwa einmal in der Woche gemacht. In der Lawur – so haben wir dazu gesagt. Und dann hat man etwas mehr gewaschen als die Hände und das Gesicht. Im Stüberl – möglichst schnell – mit einem unguten Gefühl. Wenn da wer herein kommt und sieht es – man wäre vor Scham vergangen. Zu meinem Vater habe ich "Sie" gesagt und er hat zu seinem Vater "Uicher" gesagt. Später habe ich durchschaut, dass "Uicher" die dritte Person ist und "Euer" geschrieben wird. f-blues
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… seinerzeit Kindheit
Das Wort der Älteren hat etwas gegolten, und wer sich dagegen aufgelehnt hat, hat es schwer gehabt. Ich erinnere mich noch genau. Mit der Schwester hätte ich mitgehen sollen. Zum Nachbarn. Irgendetwas war zum Holen. Ich weiß nicht mehr was. Aber ich wollte nicht so recht. Da ist der Vater etwas lauter geworden. Und dann war die Tür ziemlich laut. Hinter meinem Rücken. Viel zu laut. Ich hätte mir in diesem Moment ohnedies schon selbst am liebsten auf den Kopf geschlagen. Zurückkommen soll ich, hat's geheißen. Aber das hab ich nicht gehört. Oder überhört. Weil ich so schnell weggerannt bin. Und zur Schwester bin ich extra freundlich gewesen. Und ich hab mir und ihr alles Mögliche einreden wollen. Aber das schlechte Gewissen hat genau gewusst, dass die Tür nicht von allein zugefallen ist. Der Weg ist viel zu kurz gewesen. Und als ich dann die viel zu laut zugefallene Tür wieder ganz leise aufgemacht habe, ist der Vater da gestanden. Als ob er sich in der Zwischenzeit nicht vom Fleck gerührt hätte. Die kleine Dachtel hat nicht wirklich wehgetan. Weh getan hat dieser Blick. Dieses schiere Entsetzen über ein missratenes Kind. Diese bebende Enttäuschung in der Stimme. Es war im Grunde genommen undenkbar, dass ein Kind zurückgeredet hat. Als Kind hat man sowieso wenig geredet. "Beim Essen gogazn d'Heana" – das hat geheißen, dass beim Essen nur die Hühner gackern und wir gefälligst unseren Schnabel halten sollen. Von der Schule haben wir auch nie erzählen dürfen. "Schula-Gschichtn interessieren uns nicht", hat es da sofort geheißen. Das war manches Mal kein Nachteil. Ob es Tannenoder Fichtenzapfen waren – oder beides – sie sind halt überall herumgelegen. Und wir haben sie herumgeworfen. Ein Spiel nach der Schule auf dem ziemlich langen Weg nach Hause. Und dass es den stotternden Erich getroffen hat, hat ganz sicher keiner gewollt. Zumindest nicht beim Auge. Das Auge war jedenfalls ziemlich blau. Dass es hin sein hätte können, hat uns der Lehrer gerügt, und dass wir den Erich gefälligst in Ruhe lassen sollen. Immer alle auf den Erich! Schluss damit! So richtig laut ist der Lehrer aber erst wegen der Zigarette geworden. Ich weiß nicht mehr wer sie mitgebracht hat, aber alle haben halt einmal angezogen. Früh übt sich, wer ein Meister werden will, hat der Lehrer gesagt. Und dass er besonders über mich enttäuscht sei. Es war das einzige Mal, dass ich geweint habe. Nicht weil wir Schulbleiben mussten, sondern weil der Lehrer so enttäuscht war. Und ich war erleichtert, dass "Schula-Gschichtn" daheim niemand interessierten. Ein anderer war an unserem Tun und Lassen hingegen sehr interessiert. Dieser strenge Mann mit dem schwarzen Gewand. Gelobt sei Jesus Christus. Und niederknien hat man müssen, wenn er vorbeigegangen ist. Schweren Schrittes zur letzten Ölung hinauf zum alten Bangersegger. Nicht bloß ein Kreuzzeichen, nein: Niederknien! Nicht vor dem Herrn Pfarrer, nein, vor dem Allerheiligsten, hat die Mama einmal erklärt. Und was wird dieser Pfarrer sagen, wenn man es ihm sagen wird – muss – beichten, im Beichtstuhl. Die Sünden. Und die hatten wir zuhauf. Dabei mussten wir gar nichts Böses tun. Es genügten Gedanken – besonders, wenn sie unkeusch waren. Und jetzt auch noch diese bösen Taten: Zigarette, blaues Auge. Er wird vielleicht schreien. Wie mit der Else. Das hat mich besonders getroffen. Die Else. Ich konnte nicht einmal ihren Namen aussprechen. Und wenn ihn andere ausgesprochen haben, ist es mir brennheiß aufgestiegen. Feuerrot. "Eier färben tut man zu Ostern" hat einmal jemand gespöttelt. Oh, ich weiß schon sehr lange, dass etwas möglich ist, was man kaum für möglich hält. Dieses durchdringende Gefühl. Ab dem ersten Schultag! Blanke Verliebtheit! Ich habe sie gesehen und bumm! Und dieses Gefühl hat einfach nicht mehr aufgehört. Aber ich hab es niemand sagen können – auch ihr nicht. Und jetzt schreit der Pfarrer mit ihr. Weil sich ihre Eltern scheiden haben lassen. Man hat es durchgehört durch die Wand. Und die Wände in der Schule sind viel dicker als die Wände vom Beichtstuhl. Die Kinder in der Klasse sind damals zusammengezuckt. Und es war so still, dass es gedonnert hätte, wenn eine Stecknadel hinab gefallen wäre. Die Frauen können nicht einfach tun was sie wollen. Wenn sie verheiratet sind, haben sie Pflichten, hat der Pfarrer geschrieen. Die Ehe kann der Mensch nicht trennen. Und Gott wird sie einer gerechten Strafe zuführen. Die Else f-blues
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… seinerzeit Kindheit
hat nachher so dreingeschaut, wie damals als sie erzählt hat, dass sie nicht weiß was passiert ist. Und woher die Mama das geschwollene Gesicht hat. Und beim Mund hat sie geblutet. Und der Papa schreit so viel. Bei mir daheim ist kaum geschrieen worden. Es ist meist wenig geredet worden. Über viele Dinge ist kaum oder gar nicht geredet worden. Und über manche Dinge hat man überhaupt nicht reden können. Wenn der Vater manchmal, wenn ein Besuch da war, darüber dann doch etwas gesagt hat, ist er oft nach wenigen Sätzen zum Weinen gekommen. Ich bin nicht ganz mitgekommen worum es wirklich gegangen ist, aber es ist die Rede von Frauen gewesen, von denen ich manche gekannt habe. Eine davon ist meine Lehrerin gewesen. Und das Grausame für meinen Vater war, dass diese Frauen keine Kinder kriegen konnten. Er hat dann manchmal richtig geschluchzt und gemeint, dass das das Schlimmste sei. Und was das Leben überhaupt noch für einen Sinn haben kann, wenn man keine Kinder kriegen kann. Schuld war der "Russ". Das habe ich verstanden. Das hat was mit dem Krieg, der einige Jahre vorbei war, zu tun gehabt. Wenn wer vom Krieg geredet hat – und das war höchst selten – dann hat man meistens von Einzelnen gesprochen: der Russ, der Ami, der Deutsche. Was da wirklich passiert ist, habe ich nie wirklich verstanden. Was den Frauen wirklich passiert ist, habe ich auch nicht verstanden. Dass mein Bruder nur einen Arm gehabt hat, war einfach so. Ich habe ihn nie anders gekannt. Manchmal hat man davon geredet, dass er und der andere Bruder herumgespielt haben mit einem Pa-Rohr. Irgend so eine Waffe gegen Panzer. Und dann hat ihn dieser Bruder auf dem kleinen Leiterwagerl heimgezogen. Und der Vater hat ihm mit der Schere den Arm abgeschnitten. Genauer gesagt, den Hautfetzen, an dem der Arm gebaumelt ist. Meinem Vater hat schon einen Krieg zuvor eine Krankenschwester einen halben Fuß und einen halben Unterschenkel abgeschnitten. Abgefroren. Am Monte Grappa. Und dass ich manchmal wach geworden bin, weil mein Vater in der Nacht vor sich hin geseufzt hat, ist mir nicht ungewöhnlich vorgekommen. Es war einfach so. Es gab in dieser Zeit viel Stöhnen und Seufzen. "Ei, ei, auweh", hat die Nachbarin immer geseufzt. Niemand hat gefragt "warum?". Und als sie am Dachboden gefunden wurde – "aufgehängt" – hat niemand verstanden – warum. Ich habe auch nicht verstanden warum, und was es mit diesen seltsamen Briefen auf sich gehabt hat. Sie sind bei der Nachbarin auf diesem kleinen dreieckigen Brett gelegen. Unterm Kreuz. Herrgottswinkel. "Für Führer und Vaterland", hat die Nachbarin einmal verächtlich gesagt. Und manchmal hat sie daraus vorgelesen, dass es ihm gut geht. Und dass er vielleicht bald heimkommen wird. Aber daraus sind Jahre geworden. Viele Jahre. Als die Nachbarin dann wieder einmal so einen Brief bekommen hat, hat sie die Stirn schluchzend in die Handflächen gepresst. Da habe ich Angst bekommen. Und ich habe mir gewünscht, dass nie mehr so ein Brief kommt. "Was soll man machen, man muss es so nehmen wie es kommt." Und: "Der Herrgott wird schon wissen, warum", hat man gesagt. Aber die Nachbarin hat immer öfter nur noch "ei, ei, auweh" gesagt. Man mag über das Seinerzeitige den Kopf schütteln oder nach Verständnis ringen – um eines kommen wir nicht herum: Wir sind alle "Seiner-Zeit-Kinder". Und als solche sind wir in der jeweiligen Zeit mehr oder weniger gefangen. So hat man seinerzeit nicht wahrgenommen, was man wahrnehmen hätte können – müssen. Da waren deutlich sichtbare Wunden – und unsichtbare. Aber es fanden sich dafür keine Worte. Die Wunden waren oft zu tief, zu leidvoll – oder beleidigend. Zudecken. Schweigen. Nicht anrühren. Zufrieden, wenn sich endlich Narben gebildet hatten – wenigsten oberflächlich. Warum trotz vieler Ungereimtheit und Unfassbarkeit in der Erwachsenenwelt immer wieder unbeschwerte Glückseligkeit in den Kinderaugen getanzt hat? Ich weiß es nicht. Es waren wahrscheinlich diese kleinen aber wunderschönen Augenblicke, die man – zumindest seinerzeit – nur als Kind wahrnehmen konnte. f-blues
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… seinerzeit Kindheit
… poetischer Nachschlag glücklich-kinder glücklich sein – tagaus tagein – in kinderschuhen – barfuß – wiese sand und straßenstaub fantasie-welten – stein-autos – das schönste spielzeug – feuchte-erde-häuser – lehm-menschen – frei erfunden so einfach – gar nichts – und doch alles ein blick von oben – erwachsene – so groß – wie götter worte – blicke – in grund und boden stampfend oder unendlich glücklich machend glücklich sein – am abend – schlafen gehen – deine schritte – knarrendes holz im finstern tastend – das bett – rascheln – der strohsack – es riecht nach schlaf zusammengekauert – horchen – stille hören manchmal unterbrochen – von nebenan – der vater – oder die mutter der schrei – vom nahen wald – unheimlich – dieser vogel der tut dir bestimmt nichts – hat die mutter gesagt vater unser – der du bist und – gegrazeist du maria gegrazeist ??? egal – der vater sagt immer so – beim vorbeten wenn advent ist – oder bald ostern kommt glücklich sein – in der nacht – wenn man aufwacht aus dem bett steigen – tasten – unterm bett – da steht er – der kochl – metallener klang wenn man sich setzt – kalt – aber nur kurz – dann ist es gut da darf es rinnen – da gehört es hin – das plätschern – noch ein paar tropfen vorsichtig zurück schieben – damit nichts überschwappt der geruch – unterm bett – nicht im bett – wie schön nicht mehr der warme nasse fleck – einfach passiert wenn man endlich wach geworden ist – zu spät dann in der früh – feucht und kalt – schand-fleck warum kann der erdboden nicht wirklich verschlucken aber jetzt – diese freude – stolz wieder hineinkuscheln unter die warme decke – alles trocken der vater schnarcht glücklich sein – am morgen früh aufstehen – müde – und doch schön die wiese – die kuh – sie dampft im kühlen morgengrauen fußspuren im tau – von ihr – von mir mit schleifendem schritt – barfuß – in das glitzern schreiben im nieselregen kauern – am bach unter dem baum dem rauschen lauschen – kaum atmend – horchen die zärtlichen kälteschauer – die über den rücken krabbeln – gewähren lassen glücklich sein – am tag die sonnenstrahlen streicheln – im gras liegend – in die wolken schauen – schweben ganz einfach – glücklich sein in kinderschuhen
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