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Paranoide Gartenzwerge Codewort: HAWAII Es gibt zwei Arten von Menschen. Die Einen, die einen Plan A haben und diesen, komme was wolle, hartnäckig, ja geradezu stur, verfolgen und sollten sie dann dennoch scheitern, einfach aufgeben. Die Anderen hingegen weichen auf ihren Plan B aus, sind offen für eine von ihnen neu geschaffene Alternative. Und dann gibt es noch Alex Prant. Er hat sich gerade von seinem Plan C scheiden lassen. Seit drei Monaten lebt er nun schon in seiner neuen Unterkunft in Judendorf-Straßengel. Er wollte weg von all dem Trubel und fand nach nur einem Tag Suche bereits das Haus seiner Träume. Alt, voller Charme und diesem speziellen Charakter, den manche Häuser im Laufe der Zeit bekommen. Und das Wichtigste: es lag mitten im Grünen. Ein Paradies in dem er so richtig entspannen konnte. Bisher war das auch das Einzige was er tat. Entspannen. In seinem Beruf als Privatdetektiv war zurzeit nicht viel los. Fremdgehen scheint nahezu ein Kavaliersdelikt geworden zu sein, das jeder Ehemann seiner Ehefrau fast noch stolz erzählt, frei nach dem Motto: was die steirische Eiche tut kann so falsch nicht sein. Er wusste aus eigener Erfahrung nur zu gut wie verletzend es ist, wenn man selbst der treue, naive Partner ist. Aber auch sonst war nichts für ihn zu tun. Die vermissten Personen wurden von niemandem vermisst und bei Einbrüchen vertraute man auf die Polizei und verzichtete auf zusätzliche kostenintensive Hilfe. Obwohl Alex freie Zeit so groß war wie Griechenlands Schuldenberg, genoss er lieber die Idylle als das Haus ein wenig zu renovieren oder den Garten, der eher den `vertrocknet-verkommenen-Naturlook` hatte, auf Vordermann zu bringen. Beinahe bereute er seinen Entschluss hierher gezogen zu sein. Es war viel zu ruhig und viel zu `verbrechensfrei`. Er sollte sich in seinem Leben noch nie so getäuscht haben wie jetzt. Es war nun bereits die dritte Nacht in Folge in der er Wache hielt. Unbequem eingeklemmt in einem struppigen Strauch, dessen einzige Aufgabe es zu sein schien ihn andauernd mit trockenen Ästen zu piksen und zu kratzen, versteckte er sich auf seinem eigenem Grundstück. Mit seinem Nachtsichtgerät versuchte er jede noch so kleine Bewegung von seinem Nachbargrundstück wahrzunehmen. Nein, er ist nicht zum Stalker geworden. Obwohl seine Nachbarin Sarah Sanders, wenn man von ihrer nervigen Art absieht, durchaus attraktiv und anziehend sein konnte. Als sie das erste Mal vor seiner Tür stand, begann sein Herz Purzelbäume zu schlagen und er freute sich über ein nettes Willkommen in der Nachbarschaft – wieder ein Irrtum. Sarah beschuldigte ihn, wenn auch sehr charmant und eher indirekt, dass er es auf ihre Gartenzwerge abgesehen habe. Und es stellte sich heraus, dass Gartenzwerge kein Synonym für etwas anderes war, wie er zunächst fälschlicherweise annahm und dafür sogleich eine zarte Ohrfeige kassierte, sondern es ging tatsächlich um 1


ihre Gartenzwerge. Seit einiger Zeit wurden die Hütten der Gartenzwerge und sie selbst immer wieder verstellt, teilweise umgeworfen, Fritzi, der Gartenzwerg mit der Gießkanne verschwand sogar spurlos und auf Karli, der mit der Pfeife, wurde eingestochen. Ja, er hatte tatsächlich ein Küchenmesser im Rücken. Soviel zum Thema Rauchen kann tödlich sein. Obwohl es noch andere Nachbarn gab, war Alex der Hauptverdächtige, da er ja erst seit kurzem hier wohnte. Er war der Zuagraste. Alex wusste, dass er unschuldig war. Auch wenn für ihn die besondere Liebe von manchen Menschen zu Gartenzwergen, nicht nur unverständlich, sondern auch ein wenig erschreckend war, so hat er noch nie einem von ihnen jemals etwas getan. Er konnte seine Unschuld nur beweisen indem er den wahren Täter fasste. Für ihn als Privatdetektiv sollte es wohl ein Kinderspiel sein, einen Gartenzwergattentäter zu schnappen. Mitnichten. In den vergangenen zwei Nächten übermannte ihn der Schlaf. In der Früh wurde er sanft von Rudolfo wachgeleckt. Er war wohl der Einzige, der ihn hier mochte. Männer halten eben zusammen. Wenn Sarahs Kater doch nur sprechen könnte. Er wusste bestimmt was es mit den Gartenzwergen auf sich hatte. Obwohl Alex nicht viel Kontakt zu seinen Nachbarn hatte, wusste er bereits viel über sie. Es gab da die alte Anna Gruber mit dem Kopfschuss, wörtlich gemeint. Bei einem Überfall vor fast zwei Jahren wurde ihr in den Kopf geschossen, seither lebt sie mit einer Kugel im Kopf. Sie ist mit Abstand noch die Normalste von allen. Abgesehen davon, dass sie ebenfalls einen Gartenzwerg hat. Willi, ein winkender Gartenzwerg mit einem Fußball unterm Arm, ein Geschenk von Sarah. Der Rosenmann erscheint da schon seltsamer. Er geht zu jeder Tages-und Nachtzeit in der Gegend spazieren und kaum sieht er Rosen umarmt er sie, so gut es geht ohne verletzt zu werden. Seine Affinität zu Rosen mag seltsam sein, aber es ist kein Beweis für eine eventuelle Abneigung gegen Gartenzwerge. Das junge Pärchen am Ende der Straße war allen, bis auf Alex suspekt. Sie hatten ihr Haus bunt gestrichen, haben sich alte Surfbretter in den Garten gestellt, Palmen und Hängematten kamen dazu und mit der kleinen Tiki Bar sieht das ganze Haus mit dem Garten aus wie ein kleines Inselparadies. Alex schloss niemanden von vorherein als Täter aus, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie mit Gartenzwergen machen würden. Und dann gab es noch die Klon-Familie. Zumindest nannte sie Alex so. Sie hatten zwei Söhne und eine Tochter. Das ist ja auch nicht das Seltsame. Aber dass die Söhne immer gleich angezogen waren wie ihr Vater und die Tochter immer das gleiche anhatte wie die Mutter wirkte als ob die Familie aus einem Roman von Aldous Huxley entsprungen wäre. Es lief ihm jedesmal ein Schauer über den Rücken wenn er diese perfekt gleich angezogene, Katalogfamilie sah. Und damit waren nur noch er und Sarah übrig. Vorerst waren für ihn alle verdächtig. Und alle verdächtigten ihn. Und all das nur, weil es Jemand auf Gartenzwerge abgesehen hatte. Alex fragte sich wer wohl verrückter war: Leute mit Gartenzwergen oder Leute, die Gartenzwerge sozusagen foltern. Diese Nacht würde er nicht einschlafen. Er malte es sich bereits aus, wie er 2


heldenhaft aus dem Strauch springen würde, vermutlich irgendwelche Jugendliche auf frischer Tat ertappt und Sarah würde ihm vor lauter Dankbarkeit um den Hals fallen. Zumindest so ähnlich. Er hätte von der Wahrheit nicht weiter entfernt sein können. Kurz nach Mitternacht kam endlich Leben in die verschlafene Straße. Alex konnte sehen wie sich eine dunkle Gestalt Sarahs Haus näherte. Die Person sprang fast beneidenswert elegant über den Zaun und ging auf die Gartenzwerge zu. Vorsichtig hob sie einen nach dem anderen hoch und schüttelte sie leicht. Bei Humphrey, dem coolen Gartenzwerg mit dem Trenchcoat, hörte die Person anscheinend was. Alex wunderte sich währenddessen darüber, dass er mittlerweile alle Gartenzwerge mit Namen kannte. Mit seinem Nachtsichtgerät und einer Taschenlampe relativ mäßig bewaffnet, sprang Alex aus seinem Versteck hervor, hechtete zwar unsportlich aber mit Erfolg über den Zaun und sprang auf den potentiellen Gartenzwergattentäter. Ein kurzer, lauter Kampf folgte, bis Sarah aus dem Haus geeilt kam und mit ihrer Taschenlampe Alex genau in sein Nachtsichtgerät leuchtete. Alex schrie auf. Geblendet von der Taschenlampe, die in seinem Nachtsichtgerät wie 1000 Scheinwerfer wirkte, ließ er vom Täter ab und dieser nutzte die Gelegenheit und verschwand in die dunkle Nacht. Sarah wiederum, die Alex mit seinem Nachtsichtgerät nicht erkannte, schlug mit Humphrey auf diesen ein. „Au! Ich bin’s. Alex. Au!“ schrie er auf. „Alex? Also doch! Ich hab’s gewusst. Na warte,…“ Noch bevor Sarah Humphrey weiter als Waffe missbrauchen konnte, klärte Alex sie auf. „Aber warum gerade Humphrey?“. Ja, das wollte nicht nur Sarah wissen. Alex nahm Humphrey und schüttelte ihn. Irgendwas war in ihm versteckt. „Tut mir leid“ murmelte Alex und zog Karli das Küchenmesser aus seinem Rücken, um damit sogleich Humphreys Rücken aufzuschlitzen. „Nein!“ entfuhr es Sarah. „Schon gut“ meinte Alex lächelnd, „Wir werden Humphrey danach wieder zusammenflicken“.

Alex sah den

Verschluss zum Aufschrauben, aber so machte es mehr Spaß. Es war erstaunlich einfach Humphreys Rücken aufzuschlitzen. Gespannt sahen Alex und Sarah was aus seinem Rücken zum Vorschein kam. Erstaunt, ungläubig und verwirrt sahen sie das Ding an, das Alex in seiner Hand hielt. „Oh, nein!“ hauchte Alex. Es war eine Granate. Und der Splint fiel in diesem Moment raus. Ohne zu zögern warf er die Granate durch Sarahs Küchenfenster und warf sich schützend auf Sarah. „Bist du jetzt komplett irre? Geh von mir runter!“ fauchte sie. „Die Granate ist scharf!“ Kurze erwartungsvolle Stille folgte. „Ach ja? Und sollte sie dann nicht irgendwann in die Luft gehen?“ fragte Sarah scharf. Die Sekunden vergingen und nichts tat sich. „Geh runter von mir! Die Granate ist harmlos wie…“ Weiter kam Sarah nicht. Die Explosion war ohrenbetäubend. Mauerstücke, Staub und Glassplitter flogen durch die Luft. Alex hielt seinen Körper schützend über Sarah. Beide zitterten. Alles Weitere lief wie in Zeitlupe ab. Der Staub verteilte sich auf den ganzen Garten, bedeckte die Gartenzwerge ebenso wie Sarah und Alex. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern bis sie wieder was sehen konnten. Inzwischen waren sämtliche Nachbarn herbeigeeilt und das junge Pärchen 3


zog Alex und Sarah aus dem Garten raus auf die Straße. Keine Sekunde zu spät. Das Dach des Hauses stürzte auf den Garten. Die Nachbarn schienen sie zu fragen wie es ihnen geht und was passiert ist, aber Alex und Sarah konnten aufgrund der Explosion kaum etwas hören. Nachdem die Feuerwehr mit den Löscharbeiten fertig war und Alex und Sarah den Sanitätern versicherten, dass es ihnen gut gehe, wurden sie auch die Polizei los mit dem Versprechen am nächsten Tag aufs Revier zu kommen und ihre Aussagen zu Protokoll zu geben. Ihre Nachbarn wurden sie nicht so schnell los. „Das darf doch nicht wahr sein“ hauchte Sarah fassungslos als sie vor den Trümmern ihres Hauses stand. „Au!“ schrie Alex. Diesen Fausthieb hatte er nicht kommen gesehen. „Musste das sein?“ brüllte Sarah ihn an. „Rundherum ist nur Wald! Bäume! Oder dieses alte Grundstück hier! Aber nein. Ausgerechnet in MEIN Haus musstest du diese Granate werfen?! In MEIN Haus!“. Alex verstand die Welt nicht mehr. Er hat ihr das Leben gerettet und statt Dankbarkeit, bekam er ein blaues Auge. Als die Sonne aufging standen immer noch alle vor Sarahs Haus – oder dem was davon übrig war. Kurzerhand lud das junge Pärchen alle zu sich auf ein gutes Frühstück ein. Die Klonfamilie, die auch bei den Pyjamas das gleiche Outfit hatte, stellten sich als sympathische Spaßvögel raus, der Rosenmann war begeistert von der Palme und Alex und Sarah genossen mit dem jungen Pärchen die wärmenden Sonnenstrahlen und das deftige Frühstück. Nur Anna, die alte Dame, hatte sich auffällig früh verabschiedet. „Was war das eigentlich für ein Überfall bei dem Anna angeschossen wurde“ wollte Alex wissen. „Ein Juwelier wurde damals überfallen. Den Täter haben sie bis heute nicht geschnappt. Er verwendete auch eine Granate“, erklärte Sarah. „Und die Beute?“ „Etliche Diamanten. Der Schaden war hoch.“ Alex hatte ein seltsames Gefühl. Ohne Erklärung ging er zu Anna, gefolgt von seinen wissbegierigen Nachbarn. Doch das Haus war leer. Keine Spur von Anna oder Willi. Alex eilte zu Sarahs Hausresten, seine Nachbarn dicht auf seinen Fersen. „Tut mir leid“ meinte Alex zu Sarah und schnappte sich wieder das mittlerweile verdreckte Küchenmesser und stach erneut in den nun völlig verstaubten Karli ein. „Falls du es noch nicht mitbekommen hast, mein Haus ist bereits in die Luft gejagt worden. Du musst dir schon ein neues suchen“ fauchte Sarah. Alex lächelte. Auch Karli war leicht zu knacken. „Hier“. Alex präsentierte stolz zwei kleine glitzernde Steinchen. Der Räuber hatte wohl einen Teil der Beute und der Waffen in den Gartenzwergen und deren Hütten versteckt. Anna hat es rausgefunden, als sie von Sarah Willi geschenkt bekommen hatte. Es war wohl eine Verkettung unglückseliger Umstände, dass auch der Täter zeitgleich den Rest der Beute holen wollte. Als die Polizei zum zweiten Mal zu Sarahs Haus kam, bot sich ihnen ein seltsames Bild. Alex, Sarah und die übrigen Nachbarn bearbeiteten, die Schraubverschlüsse ignorierend, mit Messern, Sägen und Hämmern die Gartenzwerge und auch die Gartenzwerghütten. Ergebnis: fast eine Gartenzwergschubkarre voll Diamanten, zwei weitere Granaten, eine Schusswaffe und eine tote Maus, die Opfer der Explosion wurde. 4


„Anscheinend hat der Täter den Rest der Beute mitgenommen“ stellte die Polizei messerscharf fest. Alle nickten. Fritzi hatte sich wohl nicht allein aus dem Staub gemacht. Keiner von ihnen sprach jemals wieder von Anna. Offiziell war sie nach all den Ereignissen zu einem Neffen gezogen. Wenn auch keiner wusste wo sie wirklich war, so wusste jeder wer und was bei ihr war. Willi hatte in seinem Fußball genug Platz für einige Diamanten. „Was meinst du, sollen wir Humphrey nicht lieber auf die Terrasse hinstellen?“ fragte Sarah. Alex nickte und lächelte zufrieden. Sarah war vorübergehend bei ihm eingezogen – samt Rudolfo und ihren wiederhergestellten Gartenzwergen. Ein Jahr später bekam Sarah eine Fotopostkarte. Es stand nichts drauf, aber auf der Vorderseite war Willi, ohne Fußball aber dafür mit einer Sonnenbrille an einem Strand zu sehen. Offensichtlich ging es ihm gut. „Grüße von Willi“ verkündete Sarah lachend mit der Postkarte in der Hand, als Alex gerade die Steaks auf den Grill warf. Die Nachbarn hatten es sich bereits gemütlich gemacht und waren bester Laune. Sarah wohnte noch immer bei Alex und die Renovierung ihres Hauses hatten sie vorerst auf Eis gelegt. Bald würden sie für ein Jahr auf Weltreise gehen. Vielleicht sogar Willi unterwegs treffen. Wie sich herausstellte hatten sie und Alex zunächst unter all dem Schutt Bud und Terence völlig übersehen. Den großen und den kleinen Zwerg. Plan D und E sozusagen. Vollgefüllt mit schönen Steinchen. Aber das ist eine andere Geschichte. ENDE

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