15_beitrag

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Man mag es nicht glauben, aber es gibt sie doch – die sonnigen Sonntage im Frühjahr. Und an einem dieser wenigen herrlichen Exemplare gingen Rosi und Peter Berger ihrem zumeist verhassten, aber stets notwendigen Hobby nach. Sie führten ihren Rambo Gassi. Gut, unter einem Rambo stellt man sich doch zugegebenermaßen gerne einen richtigen HUND vor, doch der Bergersche Rambo gehörte doch mehr zur der Gattung Kelomat-Töle. Also bessere Ratte an der Leine. So ein Mini-Taschen-Köter, den man zu Hause auch gern mal ins Katzenklo schickt (oder vielleicht sogar im Käfig hält…?). Nichtsdestotrotz braucht so ein Fifi auch seinen Auslauf und zu diesem Zweck marschierten die Bergers mit ihrem „Baby“, so der sonstige Kosename, fleißig die Judendorfersche Merkurmeile hinauf. Vom einstigen Trimm-dich-Pfad ist zwar leider nur mehr der Name übrig geblieben, aber für das rüstige Rentnerpaar, das der ein oder anderen Speckjause inklusive den dazugehörigen Achterln nicht abgeneigt ist, reicht die Steigung alle Mal um ordentlich aus der Puste zu kommen. Rambo ließen sie gerne voraus laufen, denn die kleinen Beinchen bringen ihn ja nicht weit und um dem Wildbestand gefährlich zu werden fehlte es immens an Zentimetern und Kampfgewicht. Und so war es für Rosi und Peter auch gar kein Problem, dass er auch mal links und rechts in den Wald hinein schnupperte. An diesem Sonntag allerdings, wo Rambo sich wieder mal im Wald umsah und trotz mehrmaligem Rufen nicht erschien, wurden die Bergers stutzig. Das war nicht des Köters gewohnte Art. Und obwohl Herr Berger über seinen bösen Ischias klagte und Frau Bergers künstliches Knie wieder mal nicht so wollte, gingen sie doch tapfer hinein in Wald, um ihren Liebling zu suchen. Nach einiger Zeit wurden sie fündig. Rambo sprang um einen kleinen Blätterhaufen umher, steckte zwischendurch die Nase hinein und knurrte fürchterlich. Peter schnaufte verächtlich und rief: „Heast, wos hostn do scho wieda?“ Ein für diese Hundegröße lautes Bellen war die Antwort. „Geh, schleich di. Loss mi schaun.“ Während Rosi langsam näher kam, fegte Peter mit der Hand Blätter um Blätter zur Seite. „Jessas, Maria und Josef! Himmeldati schau owa!“ schrie die sonst eigentlich nicht so katholische Rosi hysterisch, als mitten im Blätterhaufen ein Finger zum Vorschein kam. So erschrocken Rosi und auch Peter waren, so erfreut war Rambo, der den Finger sofort als neues Spielzeug auserkoren hatte. Aber das Herrl war schneller und hob das Fundstück mit seinem, sagen wir mal nicht ganz so frischen, Stofftaschentuch auf. „Geh, des wird a so a Plastikdings sein. Waßt eh, Mama, des wos die Kinder do fian Hellowien oda in Fosching hernehman.“, wandte sich Peter an seine Frau. „Na, du Vati, oiso i waß net“ erwiderte Rosi. „Des schaut scho so aus, ois wia… na, ois wia… na ob des a echta Finga is!“ Peter legte kurz die Stirn in Falten und murmelte: „Najo, nix genaues waß ma net! Kumm Mama, frog ma in Rudi, der wird des wissn. Der wor jo net umsunst Arzt.“ „Jo, owa Zahnarzt! Der hot d’Leit in’d Pappn gschaut und net auf die Finger!“ „Owa, wann die Kronen zum zoin worn, hot er scho auf’d Händ schaun miassn! Ob d’Leit wui genau zoin und eam net prölln!“


Rosi schüttelte vehement ihr Haupt samt brav mitwibberndem Doppelkinn. „Du wüst jetzt net wirklich des Ding do mit Ham nehman?! Oda? Na, gö?!“ Aber Peter ignorierte seine Frau, packte den Finger ins Taschentuch, steckte selbigen in seine Hosentasche, schnappte sich Rambo und ging davon. Rosi blieb nichts anderes übrig, als ihm hinterher zu dackeln. Daheim angekommen klingelte Peter sofort bei seinem Nachbarn Rudi, besagtem pensionierten Zahnarzt. Etwas missmutig stapfte Rudi zum Gartentor. Anscheinend hatte er die sonntägliche Nachmittagssonne für ein Schläfchen im Garten genützt. „I hob heit ka Schnapserl fia eich.“ Grummelte er den Bergers entgegen. „Kennat owa sein, dass mir alle glei ans brauchen“, sagte Peter. „Da, schau dir amal an, was da Rambo grad gfunden hat!“ Peter enthüllte das Taschentuch und zeigte Rudi den Finger. „Ja seids ihr narrisch?! Was zahts denn ihr da daher?“, rief er. „Da oben im Wald hat da Rambo den gfunden!“, sagte Rosi aufgeregt. „Du, Rudi, sag, glaubst is der echt?“ „Kummts amal eina mit dem Ding! Miassn jo net glei alle Nachbarn mitkriegen, was ihr da habts“, meinte Rudi und winkte die Beiden samt ihrem Flocki ins Haus. „Leitln, des is a echter Finger!“, sagte Rudi, als er das Fundstück in seinen mittlerweile behandschuhten Fingern hin und her drehte. „Habts außer dem Finger dort sonst no was gfunden?“, fragte er noch. „So genau wollt ma gar nimmer schaun, ehrlich gsagt!", meine Rosi. „Dann sollt ma nochamal nachschaun! Was meinst?“, wandte Rudi sich an Peter. Dieser streckte die Schultern zurück und sagte: „Gut! Gemma! Mama gehst a mit?“ „Na, Vati! Weißt eh, i hab scho mitm Nannerl ausgmacht, dass mir uns auf an Kaffee treffen!“, antwortete sie. „Dass die Weiber immer so viel ratschen müssen!“, sagte Berger. „Owa versprich ma ans, sag ihr nix von dem Finger! Du waßt eh, was des für a Tratschtantn is!“ „Jaja! Versprochen!“, gab sie knapp zurück und so trennten sie sich. Die Herren der Schöpfung gingen zurück in den Wald und Frau Berger machte sich auf zu ihrer Verabredung. Drei Tage später… „Is des net a Wahnsinn?“ „Ja! Nicht zum glauben!“ „Und des mitten in unserem Dorf!“ „Ja, wer weiß, was als nächstes passiert! Ma traut sich ja scho nirgendwo allein mehr hingehen!“ Rosi Berger spitzte die Ohren, um die Gespräche an der Wursttheke des nahe gelegenen Supermarktes genau zu belauschen. „Geh, was sagst denn du dazu?“, wandte sich die Verkäuferin an Rosi. „Is des net a Wahnsinn mit dera Leich vom Kirchberg?“ „Ja um Gottes Willen! Habens doch wen gfunden?“, fragte diese schockiert. „Wieso doch wen gfunden? Weißt du was, was wir net wissen?“, hakte die Verkäuferin nach und die anderen Hausfrauen um sie herum sahen sie mit großen Augen an. Rosi schluckte. „Ich weiß nicht, was du meinst“, begann sie vorsichtig und blickte in die Runde. Sie hatte ihrer Freundin Nannerl doch unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit von dem gefundenen Finger erzählt. Es muss noch etwas anderes passiert sein. „Geh, gib mir a halbes Kilo vom Faschierten und… was is jetzt mit der Leich?“, wandte sich Rosi an die Verkäuferin. „Grauslich is des, wennst mi fragst! An Mann habens gfunden droben am Kirchberg. Komplett zerstückelt war der!“, sagte sie und patzte schwungvoll die fleischige Masse auf die


Waage. Rosi würgte. „Geh, weißt was? Ich brauch doch ka Faschiertes. Ich mach meinem heut nur a Eierspeis. Des muss reichen.“ „Mei, owa es is scho wirklich schlimm“, sagte die Dame neben Rosi. „Wenn i dran denk, dass dem sei ganzes Hirn scho aussa gschaut hat, so wie’s mir dazählt wordn is!“ Rosi würgte erneut. „Vielleicht is a Eierspeis doch net so a gute Idee. A Butterbrot wird’m Vati scho auch reichen. Pfiat euch!“, sagte sie und ging mit leeren Händen von dannen. Am Abend dann… „Nimmst du no ans?“ Peter Berger wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er blickte sich um und sah dem Wirt in die fragenden Augen. „Hast du was zu mir gsagt?“, fragte er. „Ob du no ans trinkst mecht i wissen!“, antwortete der Wirt. „Ahm, jo! Ans nimm i no, bitte.“ „Wo bistn du heit mit deim Kopf?“, fragte der Wirt als er ihm das Glas Bier hinstellte. Berger schüttelte leicht den Kopf. „Sag net, du machst di a no verruckt wegen dera Leich?“ „Geh, na! I doch net!“, antwortete er schnell. Dabei war es genau das, was ihn nicht mehr los ließ. Was wenn der gefundene Finger, der mittlerweile gut vergraben im nachbarschaftlichen Garten ruhte, ein Teil dieser Leiche war, von der alle reden. Dann hätte er doch ein Beweisstück vernichtet. Von schlechtem Gewissen geplagt nagte er an seiner Unterlippe. Aber er hatte doch die ganze Gegend mit dem Rudi abgesucht. Sie hatten nichts weiter gefunden! Er nahm all seinen Mut zusammen und ging ein Stück die Theke entlang, wo der Wirt mit zwei anderen Männern Karten spielte. „Sagts amal…“, begann er vorsichtig. „Was genau isn da passiert?“ „A Hand und a Haxn san am Parkplatz vorm Friedhof glegen.“, sagte der eine Kartenspieler. „Der Rest war a Stückerl weiter oben im Wald. Also, besser gsagt, dort a Stückerl, und da a Stückerl.“, sagte der zweite. „An Zwanzger sag i an!“, rief der Wirt, legte die Karten ab und sah Berger an. „Nur den Kopf…“, fuhr er fort. „Den Kopf habens direkt am Friedhof gfunden. Ganz am Rand unter am Bam. Was is jetzt? Stichst, oder net?“, fragte er den einen Kartenspieler trocken, der mittlerweile völlig blass geworden war. „I… i kumm glei!“, rief der plötzlich, hielt sich die Hand vor den Mund und lief Richtung Toilette. „So a Hascherl! Speibt der sich glatt an wegen so am Kopferl!“, sagte der Wirt kopfschüttelnd als er ihm nachschaute. Eine Woche später… „Mama, du hast doch keinem was erzählt, oda? Von dem Finger?“, fragte Peter seine Frau, als sie das Gasthaus betraten. „Ich?“, quiekte sie. „Ich, sicher net!“ „Dann is ja guat“, sagte er. Sie sahen sich kurz um und entdeckten an einem Tisch einen alten Bekannten sitzen. „Griaß di, Sepp! Dürf ma uns zuwi setzen?“, fragte Berger. „Kummts nur her da, samma mehr da!“, rief dieser fröhlich. „Ja Sepperl! Jössas, was hastn du da bei deiner Hand?“, rief Rosi erschrocken, als sie den dicken Verband sah. „Ach, was soll i sagen? Patschert bin i gwesen!“, antwortete Sepp gelassen. „Wie ma die letzten gschlagenen Bäum holen wollten, hab i beim zammschneiden net aufpasst. Und jetzt hab i halt an Finger weniger. Meine Burschen haben eh no gschaut, obs den wo finden, aber sie haben mich dann glei ins Krankenhaus bracht. Hat ja bluatet wie Sau! Kamma nix machen!“ Sepp zuckte mit den Schultern. „Owa


arg is schon, was da so alles passiert, wennst a paar Tag net da bist! Gibt’s da doch tatsächlich a Leich am Kirchberg! Schon a Wahnsinn!“ Berger und seine Frau sahen sich entsetzt an. Plötzlich ging die Türe auf und Rosis Freundin, die Nannerl kam in Begleitung von fünf Frauen in den Gastraum. „Da! Die hat die Leich gfunden!“, rief sie und zeigte wild fuchtelnd auf Rosi. „Geh, hör auf! Du hast die Leich gfunden?“, fragte Sepp erstaunt. Rosi sah hilfesuchend um sich, doch ihr Mann funkelte sie nur zornig an. „I habs ja glei gwusst, dass du dei Pappn net halten kannst!“, herrschte er sie an. Doch Rosi schob den Schwarzen Peter sogleich von sich. „Du hast mir versprochen, dass du nix weiter sagst!“, schrie diese Nannerl an. Doch die zuckte nur mit den Schultern. „I hab doch eh nix gsagt.“, sagte sie schnippisch. „Wohl hast du! Mir hast du erzählt, dass dei Freundin da an Toten gfunden hat!“, rief eine der Frauen mit denen Nannerl gekommen war. „Ja, owa hast mir net du erzählt, dass da Kopf von der Leich am Friedhof glegen is?“, fragte jetzt der Wirt, der zu dem Tumult an den Tisch getreten war und sah der zuletzt Fragenden in die Augen. „Oiso, jetzt bin i owa wirklich neugierig!“, rief Sepp. „Du hast wirklich die Leich gfunden von der alle redn?“ Peter seufzte tief. „Ihr Weiber seids ja wirklich für ois z’deppert!“, rief er. „Oiso bitte“, sagte er gottergeben und dann begann er zu erzählen, was bei dem Spaziergang damals wirklich vorgefallen war. Als er geendet hatte, rief Sepp: „Ha! Des find i ja großartig! Haha! Ihr vergrabts mein Finger beim Nachbarn und dann wird draus a komplette Leich! Hahaha!“ Die Bergers fanden das weniger zum Lachen und blickten äußerst zerknirscht aus der Wäsche. Besonders Frau Berger. „Na ihr seids mir a Bagage!“, sagte der Wirt schmunzelnd und brachte ein Tablett voller Schnapsgläser zum Vorschein. „Auf die Weiber und auf die Tratschereien!“, rief er und wandte sich augenzwinkernd an Sepp. „Und auf die Todgesagten!“ „Vergelts Gott“, antwortete dieser. „Weil die leben ja zum Glück ewig! Mit oder ohne alle zehn Finger!“

Und die Moral von der Geschicht‘? Gerede glaubt man, oder nicht!


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