Totenstille Panisch rannte er zum Waschbecken. Das Blut, das an seinen Händen klebte war noch frisch. Er begann seine Hände mit Seife einzureiben und ließ danach heißes Wasser darüber laufen. Im Waschbecken sammelte sich rot gefärbtes Wasser. Blut. Nicht seines sondern ihres. Es war auch nicht seine Schuld! Das wusste er. Zumindest redete er es sich ein. Er stand immer noch am Waschbecken. Er hob den Kopf und blickte in einen Spiegel. Schnell senkte er den Kopf und konzentrierte sich wieder aufs Waschen. Er wollte nicht in den Spiegel sehen. Nein, er konnte es nicht. Selbst als das Blut verschwunden war, schrubbte er weiter. Als könnte er so die Erinnerung verschwinden lassen, so wie das Blut verschwunden war. Er beobachtete, wie sich das rote Wasser den Abfluss hinunter stürzte als ob es fliehen wollte. Aber es war zu spät. Das wusste er. Irgendwann hatte er sich beruhigt. Langsam ging er ins Wohnzimmer. Dabei achtete er darauf, nicht in die Blutlacken zu treten. Der Parkettboden krächzte als er vorsichtig einen Fuß vor den nächsten setzte. Als er den Teppich erreichte, blieb er stehen. Sein Blick auf eine junge Frau gerichtet. Sie lag regungslos am Boden. Ihr Blick starr ins Nichts gerichtete. Er kniete sich neben sie und sah sie an. Sie trug ein langes hell rosa Kleid. Es war ein Designerstück. Er lächelte. Sie war wunderschön. Ihre makellose Haut war perfekt und selbst die starren, blauen Augen strahlten durch das Sonnenlicht, welches durch ein offenes Fenster hereinschlich. Es war ein wunderschöner Sommertag doch die Sonne erhellte nur den Teppich. Der Rest der Wohnung war in einen düsteren Schleier gehüllt als hätte sie vorhergesehen, was für ein Drama sich hier abspielen würde. Als seine Blicke jedoch die roten Flecken entdeckten, die das Kleid verunstalteten verschwand das Lächeln. Panik machte sich in ihm breit. Schnell packte er seine Tasche und stolperte aus dem Zimmer. Nach einem letzten Blick zurück rannte er aus dem Haus doch es kam ihm schon die Polizei entgegen. „Verdammt, “ dachte er „die Nachbarn müssen die Schüsse gehört haben!“ „Weshalb so eilig, junger Mann?“ fragte ein Mann in Uniform. Diese Stimme holte ihn in die Realität zurück. Wie ein aufgescheuchtes Huhn sah er um sich. Überall Polizisten. Für eine kurze Zeit fühlte er sich wie in Trance. Er sah alles in Zeitlupe. Langsam glitten seine Finger in seine Tasche und umfassten eine Pistole. Er spielte mit dem Gedanken, die Polizisten zu erschießen. Er musste von hier verschwinden. Das war klar. Doch bevor er die Waffe aus seiner Tasche ziehen konnte, fiel sein Blick auf die Polizeiautos, die jeden Fluchtweg versperrt hatten. Abhauen war also ein Ding der Unmöglichkeit. Einer der Polizisten kam
immer näher. Vorsichtig ließ er die Waffe wieder in die Tasche verschwinden. Er hätte sie im Haus lassen sollen. Ohne Fingerabdrücke hätte sie der Polizei nichts genützt. Aber jetzt? Jetzt war alles zu spät. Der Polizist kam noch näher. Natürlich nicht, ohne mit seiner Dienstwaffe auf ihn zu zielen. Aber der Lauf der Pistole war nur auf den Boden gerichtet. Verwundert musterte er den Polizisten. Er war muskulös und hatte eine furchteinflößende Statur .Doch als er in das Gesicht des Mannes sah, blieb ihm der Atem weg. „Du? Ein Bulle?“ verwundert starrte er ihn an. Selbst wenn er gewollt hätte, konnte er nicht mehr fliehen. Seine Knie zitterten und es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Nicht aus Angst sondern aus Verwunderung. Der Polizist nickte ihm zu, legte ihm die Handschellen an und flüsterte: „Keine Sorge, ich hol dich da raus!“ „Danke!“ Er hatte es schon immer gewusst. Auf seine Jungs war Verlass. Die Fahrt mit dem Polizeiauto dauerte lange. Als er nach gefühlten zwei Stunden einen Blick auf die Armbanduhr eines Polizeibeamten erhaschen konnte, waren gerade zehn Minuten vergangen. Sein Freund hatte seine Handschellen nicht geschlossen. Er könnte sie jederzeit öffnen. Aber er tat es nicht. Nicht einmal seine Tasche hatten sie ihm abgenommen. Sie lag auf seinem Schoß. Mit der Pistole im Inneren. Er hatte keine Lust in einer kleinen Zelle zu vergammeln. Aber er hatte die Gewissheit, dass seine Freunde ihn raushauen würden. Das hatten sie schon immer getan. Aber diesmal war es anders. Er fühlte sich schuldig. Aus irgendeinem Grund wollte er gestoppt werden. Seine Gedanken sprangen von einem Thema zum nächsten. Er dachte an seine Freunde, an seine Familie, an seine Freundin. Bei seiner Freundin blieben seine Gedanken hängen. Er dachte an ihre blonden Haare, an ihre blauen, leblosen Augen und an ihr rotes Blut an seinen Händen. Auf einmal wurde er traurig. Er hatte sie getötet. Aus Eifersucht. Oder aus Rache? Das wusste er selbst nicht mehr so genau. Seit er sie mit seinem besten Freund zusammen gesehen hatte, konnte er sowieso nicht mehr logisch denken. Er wusste nur, dass er sie getötet hatte und dass ohne sie zu leben die reinste Hölle werden würde. Er wollte ohne sie nicht weiterleben. Er konnte es nicht. Es gab nur eine Möglichkeit wieder bei ihr zu sein. Auch das war klar. Ehe er sich versah, hatte er seine Waffe in der Hand und hielt sie sich an die Schläfe. Er hörte die Schreie der Polizisten, einen Knall und dann nur noch Stille. Totenstille!