HEIMKEHR
Da ist sie gestanden, die Keuschn. Der Platz kommt mir heute klein vor, kein Wunder, ich war ja ein Kind. Es ist über fünfzig Jahre her, dass ich da aufgewachsen bin. Gleich dahinter die Kirche, deren Turmglocke wie eh und je die Stunden schlägt, so als wär keine Zeit vergangen. Ein bisschen weiter weg der Pfarrhof, damals mit dem Kaplan, der aus mir einen Priester machen hat wollen. Das alte Haus hat der Kirche gehört, meine Oma war Messnerin und ich war Ministrant, seit ich fünf war. Confiteor Deo omnipotenti quia peccavi…. mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. (Ich bekenne dem allmächtigen Gott, dass ich gesündigt habe, durch meine Schuld, ….durch meine übergroße Schuld Früher konnte ich das Gebet auswendig hersagen, als dass ich das Lesen und Schreiben gelernt habe. Dass ich dem Joschi sein Jesusbild bei einer Rauferei zerrissen habe, hat mich für kurze Zeit das Ministrantenamt gekostet und in tiefes Unglück gestürzt. Auch musste ich als Strafe eine Stunde auf einem Scheit knieen. Die Wohnung selbst war klein, links die Küche mit dem Sparherd, einem Diwan und dem Bett für uns Kinder. Da erinnere ich mich heute noch, wie die Oma meiner kleinen Schwester die Finger ins Feuer gehalten hat, weil diese etwas von der Nachbarin mitgehen hat lassen. In der Ecke ist das Bett gestanden und ich denke an die Nacht, in der ich allein daheim war, es war stockfinster und das Plumpsklo weit weg hinter dem Haus, und ich dann im Urin gelegen bin. In der Küche haben wir gegessen und später die Aufgaben gemacht, auch Weihnachten gefeiert. Da bin ich auf den ersten Holzschiern gerutscht, die mir mein Onkel gemacht hat. Einmal ist der Opa in seinem Rausch ausgerutscht und der Christbaum hat gebrannt, es hat wie ein kleines Feuerwerk ausgeschaut. Ja, der Großvater war ein Trinker, das hat er sich im ersten Weltkrieg am Isonzo angewöhnt, wo sie vor jedem Angriff einen Rum gekriegt haben, damit sie weniger Angst hatten. Dann war der Krieg vorbei, aber der Opa ist nicht mehr vom Rum losgekommen. In der Mitte war das Vorhaus, Da erinnere ich mich, dass Ratzen sich durch den Holzboden genagt haben. Damals ist der Großvater hergegangen und hat einen mit der Hacke erschlagen. Das Loch hat er zugegipst, danach war eine Ruh. Ich hab` ihn auch dabei beobachtet, wie er eine tote Katze ausgenommen hat. Ihr wisst ja, es war ein Elend in der Nachkriegszeit.
Die Rauchkuchl war nicht mehr im Betrieb, der Opa hat die letzten Vieher versoffen, aber sie hat mit ihren schwarzen Wänden immer wieder einen Mordsrespekt bei mir hinterlassen. Das Schlafzimmer war der größte Raum, an Kirchtagen und bei größerem Besuch ist es als Wohnzimmer genutzt worden. Dort geschah das Unfassbare. Kurz vor der Morgendämmerung im Mai riss uns die Großmutter aus dem Schlaf: „Feuer, Feuer!“ Ich rannte vors Haus und schaute aufs Dach, aber da war nichts zu sehen, nicht einmal ein Rauch. Nur ein flackernder Schein hinterm Schlafzimmerfenster schien auf einen Brand hinzudeuten. Tatsächlich stand ein Bett in Flammen. Später schoben wir die Pferdedecke über dem verbrannten Leichnam ein wenig zur Seite und starrten in tiefe leere Augenhöhlen und auf Blutspuren und Fleischfetzen. Dies war der Beginn eines langsamen Auszugs aus einer unbewohnbar gewordenen Wohnung. Ein Gutes hatte der Brand trotz des tragischen Ausgangs: Ich entrann den Klauen des Kaplans, der zu mir gesagt hatte:“Du bist dazu auserwählt, ein Priester zu werden.