Von der Polarisierung und Einschüchterung
zur Vertreibung und Vernichtung
Privatarchiv Dr. Karl Sablik
im NS-Regime
23. Juni 1931: Nationalsozialistische Studierende kleben Plakate mit der Aufschrift „Juden Eintritt verboten“ neben den Eingang der Universität Wien und hindern jüdische Studierende am Betreten des Hauptgebäudes.
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IMPRESSUM
Von der Polarisierung und Einschüchterung
zur Vertreibung und Vernichtung im NS-Regime
Wanderausstellung der Universität Wien aus Anlass des Jubiläumsjahres 2015 17. März bis 6. April 2015
7. bis 26. April 2015
27. April bis 18. Mai 2015
19. Mai bis 27. Juni 2015
Aula im Hauptgebäude der Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien
Aula des Juridicums, Schottenbastei 10 –16, 1010 Wien
Universitätszentrum Althanstraße 14, 1090 Wien
Hörsaalzentrum am Campus der Universität Wien, Spitalgasse 2–4, 1090 Wien
KONZEPTION/HERAUSGEBER:
Univ.-Prof. Dr. Franz Stefan Meissel, Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Olechowski, Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte
WISSENSCHAFTLICHES TEAM/AUTORINNEN UND AUTOREN DER AUSSTELLUNGSTEXTE: Dr. Klaus Taschwer „Der Standard”
Dr. Stefan Wedrac Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der ÖAW
Mag. Linda Erker, Dr. Herbert Posch Institut für Zeitgeschichte
Mag. Susanne Gmoser Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte
Univ.-Prof. Dr. Franz Stefan Meissel Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte
Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Olechowski Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte
Dr. Roman Pfefferle Graduiertenzentrum der Fakultät für Sozialwissenschaften
Mag. Michael A. Mathiaschitz Institut für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte
Mit besonderem Dank auch an: O. Univ.-Prof. Dr. Mitchell Ash, Institut für Geschichte Univ.-Doz. Dr. Johannes Feichtinger, Institut für Kulturwissenschaften der ÖAW Ao. Univ.-Prof. Dr. Margarete Grandner, Institut für Geschichte Univ. Ass. Mag. Katharina Kniefacz, Institut für Zeitgeschichte Hofrat Mag. Thomas Maisel, Universitätsarchiv Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb, Institut für Zeitgeschichte Univ.-Prof. Dr. Friedrich Stadler, Institut für Zeitgeschichte Organisatorische Betreuung: Em. Univ.-Prof. Dr. Dieter Schweizer; MMag. Katharina Hötzenecker, Jubiläumsbüro der Projekte für das Jubiläumsjahr 2015; Dipl. Ing. Florian Krug, Veranstaltungsmanagement der Universität Wien Gestaltung: Ausstellung und Zeitung KADADESIGN, Alexander Kada mit Ricarda Schweigler und Iris Kirchner www.kadadesign.com Glacisstraße 9, 8010 Graz Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Projektsponsoren: Für die großzügige Ermöglichung der Drucklegung der Ausstellungspublikation gilt unser besonderer Dank Dr. Helmut Sohmen, OBE. Dr. Sohmen zählt zu den Absolventen des Rechtswissenschaftlichen Studiums an der Universität Wien, ist seit 1970 als Reeder in Hongkong tätig und mit vielen kommunalen und Industriebelangen befasst. Im universitären Bereich war Helmut Sohmen Mitglied des Rates der Hongkong University und der Hongkong University of Science and Technology, Trustee der Southern Methodist University in Dallas (Texas) sowie Vorsitzender des Rates der Hongkong Academy of Performing Arts. Die Umsetzung der Ausstellung wurde durch Projektförderungen seitens des Zukunftsfonds der Republik Österreich und des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus unterstützt.
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Bildarchiv der ÖAW
EINLEITUNG
Universität Wien, am 23. Juni 1931
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n keiner Epoche hat die in der Universität versammelte Intelligenz unter so großen Bedrohungen gelitten wie in der Zeit des Nationalsozialismus, als mehr als 300 ProfessorInnen und DozentInnen entlassen wurden bzw. ihre Lehrbefugnis verloren. Personen jüdischer Abstammung und anderen politisch Verfolgten wurde das Studium an der Universität verboten. Viele von ihnen verließen Österreich; viele kamen in den Konzentrationslagern oder auf andere Weise gewaltsam ums Leben. Nur wenige kehrten nach 1945 zurück an die Universität Wien, die damit einen unersetzlichen Verlust erlitt. Die folgende Ausstellung soll die Vertreibungen und Verfolgungen der
Jahre 1938–1945 veranschaulichen und jener ProfessorInnen gedenken, die dem Rassenwahn des NS-Regimes zum Opfer gefallen sind. Sie will aber auch aufzeigen, wie Repressalien schon lange vor der NS-Machtergreifung in Österreich begonnen haben und in welcher Weise sich Lehrende und Studierende der Universität Wien an Schmähungen, Einschüchterungen und Verfolgungshandlungen vor und nach 1938 beteiligt haben. Schließlich wird die in den letzten Jahrzehnten intensivierte universitäre Selbstreflexion über diese Ereignisse, die zu einer Fülle von Forschungsarbeiten, Tagungen und Akten bewusster Erinnerungspolitik geführt haben, dokumentiert. Auf der Homepage des Forums Zeitgeschichte findet sich eine laufend ergänzte, umfassende Bibliografie zur universitären Zeitgeschichte: forum-zeitgeschichte.univie.ac.at/literatur Scannen Sie die QR-Codes und gelangen Sie direkt zur Website.
TEXT THOMAS OLECHOWSKI / FRANZ STEFAN MEISSEL
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ANFÄNGE DES ANTISEMITISMUS
Männern jüdischen Glaubens war das Studium an der Universität Wien seit 1782 prinzipiell möglich, doch bestanden zunächst noch einige Einschränkungen. So war es ihnen z.B. bis 1872 nicht erlaubt, die Prüfung aus Kirchenrecht und damit das Jusstudium vollständig zu absolvieren. Daher konvertierten viele vor dem Studienabschluss. Eine große Zahl „getaufter Juden“ war die Folge. anthropologische und biologische Forschungen genommen; gerade die Universitäten waren daher maßgeblich an der Verbreitung des Antisemitismus beteiligt.
1876 verfasste der Chirurg Theodor Billroth (1829–1894), Ordinarius an der medizinischen Fakultät der Universität Wien, ein Buch „Über das Lehren und Lernen der Medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der Deutschen Nation nebst Allgemeinen Bemerkungen über Universitäten“. Darin beklagte er sich über das zum Teil schlechte Niveau der Studenten und sah die Wurzel dieses Übels „in der mit den verschiedens-
ten nationalen Elementen überfüllten Weltstadt Wien“ und ihren „jüdische[n] Elemente[n]“. Doch verwahrte er sich dagegen, „mit den jetzt so beliebten modernen Judenschimpfern“ in einen Topf geworfen zu werden und angesichts des immer stärkeren Ausgreifens des Antisemitismus in den folgenden Jahren trat Billroth schließlich auch dem „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“ bei.
Eines der ersten explizit antisemitischen Bücher, die an der Universität Wien geschrieben wurden, ist das 1887 erschienene Werk „Das Gesetz des Nomadenthums und die heutige Judenherrschaft“ von Adolf Wahrmund (1827–1913), Privatdozent für arabische Sprache.
UAW / Univ. Wien
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n dieser Zeit, um 1879, tauchte das Wort „Antisemitismus“ erstmals auf. Es kennzeichnete eine neue, säkular begründete und sich als wissenschaftlich ausgebende Form des Judenhasses. Dabei wurde Bezug auf
Theodor Billroth im Hörsaal, Gemälde von A. F. Seligmann um 1880
TEXT THOMAS OLECHOWSKI
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Faksimile nach: Oliver Rathkolb (Hg.), Der lange Schatten des Antisemitimus
ANFÄNGE DES ANTISEMITISMUS
Aus: „Ein Stich in's Wespennest oder Der 6. Allgemeine österreichische Katholikentag (1907) und die katholische Universitätsfrage” (anonyme Broschüre)
verzichtete 1895 auf seine Wahl zum Rektor, um nicht zur Zielscheibe der Antisemiten zu werden. Eine anlässlich des 6. Allgemeinen österreichischen Katholikentages 1907 erschienene Broschüre nahm auf die dort gehaltene Rede des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger Bezug, in der dieser beklagt hatte, dass mehr jüdische als nichtjüdische Professo-
Zur Problematik der Terminologie im zeithistorischen Diskurs
Wer gilt denn hier ei»gentlich als „Jude“ – ist mit dieser Bezeichnung von Abstammung, Ethnizität oder Konfession die Rede? Und geht es dabei um die eigene Identität der betreffenden Personen–, oder darum, wie diese Personen von anderen zugeordnet wurden und werden?
ren ernannt würden. Unter den Studierenden waren Schlägereien zwischen den verschiedenen Studentenverbindungen, darunter auch deutschnationalen und jüdischen, an der Tagesordnung. Besonders folgenschwer waren die „Badeni-Krawalle“, als sich deutschnationale Studenten 1897 im Universitätsgebäude vor der Polizei verschanzten.
Es ist wichtig, hier Klarheit zu schaffen, denn im öffentlichen Diskurs werden heute noch die Zuschreibungen der Antisemiten zur Grundlage genommen und Menschen als „Juden“ definiert, die es niemals waren oder freiwillig konvertiert sind – frei nach dem Motto: „Alles Opfer, wir wollen ihrer gedenken, das reicht doch!“ Doch damit wird der Schock ausradiert, der von so vielen Menschen erlitten wurde, als sie nicht nur ihrer Staatsbürgerschaft, sondern ihrer kulturellen Identität als Österreicher beraubt wurden. Weiterhin von „Juden“ und „Österreichern“ zu reden, setzt den Diskurs der Antisemiten von Lueger bis Hitler fort – wenngleich mit moralisch umgekehrten Vorzeichen. Das ist ein Sieg Hitlers!
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Mitchell Ash, Wissenschaftshistoriker, Univ.-Prof. am Institut für Geschichte der Universität Wien UAW / Univ. Wien
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unehmend belastete der Antisemitismus das universitäre Geschehen. Der Geologe Eduard Suess (der „Vater der Wiener Hochquellwasserleitung“) musste wegen antisemitischer Anfeindungen das von ihm bekleidete Amt des Rektors der Universität Wien 1889 vorzeitig niederlegen; der Handelsrechtler Carl Samuel Grünhut
JÜDISCH ALS IDENTITÄT ODER ALS FREMDZUSCHREIBUNG?
„Badeni-Krawalle” 1897
TEXT THOMAS OLECHOWSKI
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Privatarchiv Dr. Karl Sablik
politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
Wien, am 23. Juni 1931: Nationalsozialistische Studierende kleben Plakate mit der Aufschrift „Juden Eintritt verboten“ neben den Eingang der Universität Wien und hindern jüdische Studierende am Betreten des Hauptgebäudes. An der Universität Wien war der text KLAUS TASCHWER
Antisemitismus bereits in der Zwischenkriegszeit zu einem bestimmenden Faktor geworden: Gewaltsame antijüdische Krawalle unter Studenten prägten den universitären Alltag ebenso wie Diskriminierungen jüdischer WissenschafterInnen.
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politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich am 12. November 1918, Menschenmassen drängen sich vor dem Parlament am Ring
Die wirtschaftliche Lage in Wien und auch an der Universität war nach dem Ersten Weltkrieg katastrophal. Antisemitische Ressentiments wurden dadurch verstärkt,
dass es während des Ersten Weltkriegs zu einem starken Zuzug von jüdischen Studentinnen und Studenten aus Galizien und der Bukowina gekommen war.
1919 bekam das Hauptgebäude der Universität Wien eine neue Adresse: „Ring des 12. November“, um an den Tag der Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich im Jahr 1918 zu erinnern. An der Universität war, wie in weiten Teilen der Bevölkerung, das Vertrauen in den neuen Staat nicht sehr groß: Der akademische Senat sprach sich im Februar 1919 für den „Anschluss“ an Deutschland aus.
Die wirtschaftliche Not nach dem Ersten Weltkrieg wurde an den Wiener Hochschulen durch zahlreiche Spenden aus dem Ausland – den USA, aber auch aus Argentinien oder der Schweiz – gelindert. Doch auch das stieß auf Widerstand:
Schon während des Ersten Weltkriegs war es zu einem starken Zuzug von jüdischen StudentInnen aus Galizien und der Bukowina gekommen. Der Anteil der jüdischen HörerInnen lag während der Kriegsjahre je nach Fakultät bei über 50 Prozent. Der jüdische Anteil an der Gesamtbevölkerung Wiens betrug hingegen rund zehn
Prozent. Das verstärkte den Antisemitismus auch unter den Professoren:
Das Lesen an der Alma mater macht mir jetzt sehr wenig Freude. Meine tüchtigen Studenten stehen an der Front und was zurückgeblieben ist, sind polnische Juden und Jüdinnen, deren Anblick allein schon Brechreiz erregt. Ich komme mir in meiner Vorlesung manchmal wie ein Hanswurst vor. Das Gesindel, das jetzt die Hörsäle füllt, ist entsetzlich.
Paläontologie-Professor Othenio Abel in einem Brief vom 20. Mai 1917
Und dies alles einzig und allein dazu, damit noch ein paar hundert russische und polnische Juden mehr bei uns angenehm studieren, sich in Wien habilitieren und den Akademikern des eigenen Volkes das Brot wegnehmen können.
Ein anonymer Mediziner in der „Reichspost”, 21. Februar 1919
» Zentrale Kategorien
des NS-Regimes wie Antisemitismus und Rassismus sowie Führerkult und Demokratiefeindschaft basieren auf negativen Entwicklungen der Moderne vor 1914/1918 und deren ideologischer Ausformung im Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit.
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Oliver Rathkolb, Univ.-Prof. am Institut für Zeitgeschichte
text klaus tasCHWer
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politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
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wei der frühesten Unterstützer von antisemitischen Zugangsbeschränkungen an der Universität Wien waren zwei spätere Bundeskanzler Österreichs: Ignaz Seipel und Engelbert Dollfuß. Ignaz Seipel, Professor für katholische Theologie an der Universität Wien, rechtfertigte diesen Vorstoß laut Bericht der rechtskatholischen Tageszeitung „Reichspost” vom 23. September 1920 mit folgenden Worten:
Dieser Antisemitismus ist ebenso wie jener, zu dem uns der wirtschaftliche Kampf zwingt, ein reiner Notwehrantisemitismus. Ein anderer ist der großen Rasse der Österreicher und insbesondere der Wiener überhaupt fremd. Die Gefahr von Pogromen besteht bei dem Charakter unseres Volkes nicht.
Ignaz Seipel
Einen Tag später sekundierte ihm der junge Engelbert Dollfuß als Vertreter der katholischen Fraktion der Deutschen Studentenschaft und CV-Mitglied im gleichen Blatt unter anderem mit folgenden Forderungen:
Ersten Weltkrieg laut. Die Proponenten eines solchen antisemitischen Numerus clausus kamen vor allem aus dem deutschnationalen und dem katholischen Lager.
ÖCV
Forderungen nach Zugangsbeschränkungen für jüdische Studierende, aber auch für jüdische Lehrende, wurden an der Universität Wien schon bald nach dem
Engelbert Dollfuß sprach sich 1920 bei einer Tagung in Regensburg (erfolglos) für die Einführung eines Arierparagrafen im Cartellverband aus
Vor allem die Deutsche Studentenschaft, die 1919 gegründete Dachorganisation deutscher StudentInnen, von der in Österreich jüdische Studierende ausgeschlossen blieben, heftete sich diese Forderung nach einem Numerus clausus auf die Fahnen. Unterstützung dafür gab es auch bei Rektoren wie dem Geologen Karl Diener, der die Universität Wien im Studienjahr 1922/23 leitete. Anders als in Ländern wie Ungarn (1920) und Polen (1923) oder an US-Universitäten wie Yale, Harvard oder der Columbia University in New York wurde an der Universität Wien kein Numerus clausus für jüdische Studierende eingeführt. Die Verringerung ihrer Zahl erfolgte durch andere Maßnahmen: durch höhere Studiengebühren für AusländerInnen, durch Zugangshürden bei der
„Fremdländer“-Frage in der Wiener Universität, „Reichspost“, 24. September 1920 text klaus tasCHWer
In der geradezu erschreckenden Invasion solcher rassen- und wesensfremder Elemente, deren Kultur, Bildung und Moral tief unter jener der bodenständigen deutschen Studentenschaft stehen, liegt der wahre Krebsschaden unserer akademischen Verhältnisse. Der Abbau der Ostjuden muss heute im Programm jedes Rektors einer deutschen Hochschule einen hervorragenden Platz einnehmen. Der fortschreitenden Levantisierung Wiens muss wenigstens an den Hochschulen Einhalt geboten werden.
Rektor Karl Diener am 10. Dezember 1922 in der Tageszeitung „Die Reichspost“
Inskription – sowie durch Ausübung physischer und psychischer Gewalt. Im Zusammenhang mit solchen antisemitischen Krawallen an der Universität ist Ende 1922 erstmals von einer neuen Gruppe zu hören: den „Hakenkreuzlern“, die in den nächsten Jahren das gewalttätige Geschehen an der Universität Wien bestimmen sollten.
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politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
Der 1923 in der Universität aufgestellte „Siegfriedskopf“ hatte auch eine antisemitische Botschaft: Er spielte auf die Dolchstoßlegende an, eine Verschwörungstheorie, nach der die deutsche und die österreichisch-ungarische Armee
von Sozialdemokraten und dem internationalen Judentum verraten und von hinten erdolcht worden seien. Rund um seine Aufstellung häuften sich die gewaltsamen Übergriffe auf jüdische und linke StudentInnen.
Hak enkreuzstudent en sprengen Vo rl esungen „Der Abend“, 19. November 1923
UAW / Univ. Wien
Aber auch die „New York Times” berichtete am 20. November 1923 über die antisemitischen Ausschreitungen:
Der 1923 aufgestellte „Siegfriedskopf“ befand sich bis 2006 in der Aula der Universität Wien
R
ektor Karl Diener ließ ein Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Studenten und Forscher errichten, das auf die Initiative der antisemitischen Deutschen Studentenschaft zurückging.
Das mit deutschnationaler und antisemitischer Symbolik aufgeladene Mahnmal wird am 9. November 1923 in der Aula der Universität Wien eingeweiht, just am Tag des Hitlerputsches in München. Rund um diese feierliche Enthüllung kommt es an der Universität Wien zu den ersten schweren Gewaltakten mit rund zehn Verletzten.
Zeitungsüberschriften aus diesen Tagen lauteten wie folgt:
Der Hak enkreuzt erro r auf der Univer ität „Arbeiter-Zeitung”, 25. Oktober 1923
Krawal l szen en an der Wi en er Univer ität „Neue Freie Presse”, 25. Oktober 1923
Kampfan age der hakenkreuzl er i chen Studenten „Arbeiter-Zeitung”, 27. Oktober 1923 Die „Arbeiter-Zeitung“ berichtet am 20. November 1923 über die Krawalle text klaus tasCHWer
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politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
Die Gewalt zeigt Wirkung: Die Zahlen der jüdischen Medizinstudierenden gehen stark zurück
Zahlen nach Leo Goldhammer, „Die Juden Wiens“
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is Ende 1926 kam es zu einem leichten Abflauen der Gewalt. Das lag auch daran, dass der Anteil jüdischer Hörerinnen und Hörer zurückging – auch an der medizinischen Fakultät, wo der Anteil jüdischer StudentInnen traditionell am höchsten war.
nichtjüdische Studierende jüdische Studierende
Die Hetze nahm dann im Herbst 1926 wieder zu, als unter anderem gegen die Wahl von Josef Hupka zum Dekan der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät protestiert wurde. Der bereits 1897 zum
Das Resümee des Artikels, der noch zahlreiche weitere antisemitische Diffamierungen zitierte:
An vielen Stellen scheint sich die Universität überhaupt in eine hakenkreuzlerische Kolportageeinrichtung verwandelt zu haben.
Eine Kulturschande an der Universität, „Neue Freie Presse“, 20. Dezember 1926
Bericht in der „Neuen Freien Presse“ am 20. Dezember 1926 text klaus tasCHWer
Protestantismus konvertierte Hupka war der letzte Dekan jüdischer Herkunft an dieser Fakultät. Im Dezember 1926 wurden Anschlagkästen der nationalsozialistischen Studierendenvertretung für antisemitische Hetze aller Art verwendet, um die Stimmung aufzuheizen. Die Zeitung „Neue Freie Presse” berichtete darüber am 20. Dezember 1926 in einem Text mit dem Titel „Eine Kulturschande an der Universität“ (siehe Zeitungsausschnitt links). Diese Hassparolen, versehen mit Hitlerporträts, wurden auf Geheiß von Rektor Hans Molisch erst nach 14 Tagen und öffentlichem Druck entfernt. Der deutschnationale Molisch wies zugleich darauf hin, dass „der deutsche Charakter der Universität ein unantastbares Heiligtum ist-, und dass nicht im Entferntesten daran gedacht wird, die Tätigkeit der national gesinnten Studentenverbände irgendwie einzuschränken“.
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Nicht nur Studierende waren Opfer des Antisemitismus. Antisemitische Professorenzirkel waren ebenfalls bestrebt, jüdische Forscherinnen und Forscher an Soziologen Max Adler zum Ordinarius zu verhindern. Die vermutlich einflussreichste antisemitische Geheimclique nannte sich „Bärenhöhle“ – benannt nach dem Seminarraum am Paläobiologischen Institut im Hauptgebäude. Ihr Organisator war der antisemitische Paläontologe Othenio Abel.
UAW / Univ. Wien
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in solcher Geheimzirkel war die akademische Fachgruppe der 1919 gegründeten Deutschen Gemeinschaft, eines antilinken und antisemitischen Geheimbundes aus Deutschnationalen und Christlichsozialen. Dieser Clique gelang es unter anderem im Jahr 1926, die Berufung des
Karrieren zu hindern. Das bedeutete konkret, dass man erfolgreich versuchte, deren Habilitationen und Berufungen scheitern zu lassen.
Treffpunkt der Antisemiten: der Seminarraum der Paläobiologie (vulgo „Bärenhöhle“)
Foto: Theodor Bauer / UAW / Univ. Wien
Dass ich unsere antisemitischen Gruppen an der Universität so fest zusammengeschweißt habe, sodass wir eine feste Phalanx bilden, rechne ich mir wirklich zum Verdienst an, und wenn ich viel Zeit und Kraft dabei verloren habe und verliere, so hält mich das Bewusstsein dabei fest, dass diese Arbeit vielleicht ebenso nötig ist als Bücher zu machen.
Othenio Abel in einem Brief vom 19. Januar 1923
Zu den Teilnehmern an Abels „Bärenhöhle“ zählten insgesamt 18 universitätspolitisch sehr einflussreiche Geisteswissenschafter wie Richard Meister, Oswald Menghin, Rudolf Much, Heinrich Srbik oder Hans Uebersberger. Die Teilnehmer der „Bärenhöhle“ ließen sich unter anderem in Habilitations- und Berufungskommissionen nominieren und mischten sich so in etliche Personalentscheidungen erfolgreich ein.
Othenio Abel, der Koordinator antisemitischer Interventionen an der Universität text klaus tasCHWer
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„Deutschösterreichische Tages-Zeitung“ („DÖTZ“), 6. Dezember 1923
text klaus tasCHWer
Karl Horovitz wurde aus rassistischen Gründen die Habilitation verweigert
Bei der Wiener philosophischen Fakultät ist gegenwärtig das Gesuch des Assistenten am ersten physikalischen Institute, Dr. Karl Horovitz, eines kommunistischen Juden, um Habilitation als Privatdozent für Physik anhängig, und die Kommission sprach sich für eine Zulassung aus. Die Entscheidung liegt nunmehr beim Professorenkollegium, dessen starke arische Mehrheit es noch in der Hand hat, den Kommissionsantrag abzulehnen. Dieser Fall zeigt aber auch, dass es gar nicht notwendig ist, erst nach einer Abänderung des Staatsgrundgesetzes zu rufen, denn in diesem steht nirgends, dass ein Jude von arischen Professoren habilitiert werden, zum Professor vorgeschlagen oder zum akademischen Amtswalter gewählt werden muss.
Marcus Blechman/American Institute of Physics Emilio Segrè Visual Archives
Horovitz wurde beim Verfahren 1923 unterstellt, ein Kommunist zu sein, was eine Lüge war. Dennoch stimmten die Professoren der philosophischen Fakultät gegen ihn – nachdem in der deutschnationalen, ab 1926 nationalsozialistischen „Deutschösterreichischen Tages-Zeitung“ („DÖTZ“) unmittelbar vor der Abstimmung ein entsprechender Aufruf erschienen war.
Marcus Blechman/American Institute of Physics Emilio Segrè Visual Archives
nter den Opfern der „Bärenhöhle“ waren unter anderem die jungen Physiker Karl Horovitz und Otto Halpern und der Biologe Paul Weiss, die aus antisemitischen Gründen nicht habilitiert wurden, schon in den 1920er-Jahren in die USA auswanderten und dort Karriere machten.
Offizielle Begründung, warum Otto Halpern keine Dozentur erhielt: Er hatte als 21-Jähriger den Institutsschlüssel verloren
Das letztlich gescheiterte Habilitationsverfahren von Otto Halpern dauerte von 1927 bis Ende 1932, produzierte Hunderte von Aktenseiten – um mit einer Farce zu enden: Den Ausschlag gab letztlich für die Universität und den Verwaltungsgerichtshof, dass der Jude Halpern als 21-Jähriger einen Institutsschlüssel verloren und das seinem Professor zuerst verschwiegen hatte.
Parallel zu dieser antisemitischen Personalpolitik im Geheimen wurde mit sogenannten gelben Listen gegen den Besuch von Lehrveranstaltungen jüdischer Universitätslehrerinnen und -lehrer gehetzt. Die „DÖTZ” druckte diese Listen unter dem Titel „Rasse und Wissenschaft“ auch ab, das erste Mal bereits im April 1924.
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Ein frühes Opfer der Antisemiten an der Universität Wien war der Rechtswissenschafter Stephan Brassloff, der 1925 mit allen Mitteln diskreditiert wurde, um seine Berufung auf ein frei gewordenes Ordinariat zu verhindern. Die Angriffe gegen den Gelehrten hatten Erfolg: Brassloffs Ruf wurde ruiniert, die Professur erhielt ein späterer Nationalsozialist.
UAW / Univ. Wien
uch an der rechtsund staatswissenschaftlichen Fakultät wurde es im Laufe der 1920er-Jahre für jüdische und linke WissenschafterInnen immer schwieriger. Hier wirkte der Kreis um den „Proto-Nationalsozialisten“ Othmar Spann als einflussreiches Netzwerk. 1925 starteten deutschnationale Studierende gemeinsam mit der antisemitischen Presse („Reichspost”, „Deutschösterreichische Tages-Zeitung”) eine Hetzkampagne gegen Stephan Brassloff (1875–1943 in Theresienstadt), Ao. Prof. für Römisches Recht an der Universität Wien.
Brassloff habe angeblich durch „unziemliche Bemerkungen“ in Vorlesungen die „Ehre der deutschen Studentenschaft“ verletzt. Der eigentliche Grund für die Anwürfe war vermutlich ein anderer: Zwei Ordinariate für Römisches Recht waren frei geworden und Brassloffs Chancen sollten zunichtegemacht werden. Rund um den Jahreswechsel 1925/26 kam es an der Universität zu einem Verfahren gegen den auch sozial engagierten Juristen, der eine Rüge erhielt und ein Jahr lang nicht lehren durfte.
Ordentlicher Professor für Römisches Recht wird 1927 der Jurist und deutschnationale Politiker Ernst Schönbauer, der von 1938 bis 1943 als Vertrauensmann der Nationalsozialisten Dekan der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät sein wird.
» Das war [...] eine
ganz böse Sache mit der Disziplinaruntersuchung gegen meinen Vater, der hilflos war. Praktisch hat ihm niemand geholfen – mit Ausnahme des Kelsen ... Das Verfahren endete damit, dass man meinem Vater eine Rüge erteilt hat. [...] es war für meinen Vater eine „Watschen“ – im Selbstrespekt [...] sein Renommee war unten und seine Karriere beendet [...] Wie mein Vater wieder gelesen hat, war eine große Überschrift: ‚Der Jude Brassloff’ verpestet wieder die Universität.
«
Stephan Brassloffs Sohn Dr. Fritz L. Brassloff in einem Interview 1984
Opfer einer antisemitischen Hetzkampagne: Stephan Brassloff text FranZ steFan meissel / klaus tasCHWer
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politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
In den Jahren 1929 bis 1933 erstarkten die Nationalsozialisten an der Universität. Das lag auch daran, dass in dieser Zeit mit Wenzel Gleispach, Hans
Uebersberger und Othenio Abel drei besonders prononcierte Antisemiten und Deutschnationale das Rektorat innehatten.
G
ing der Rektor und Theologe Theodor Innitzer 1928/29 entschieden gegen antisemitische Ausschreitungen vor, so sorgte sein Nachfolger – der Strafrechtsprofessor Wenzel Gleispach – dafür, dass die Universität Wien zu einer Brutstätte des Nationalsozialismus wurde.
Im Oktober 1929 publizierte die „Deutsch-Österreichische Tages-Zeitung“, das Parteiblatt der NSDAP, unter dem Titel „Rasse und Wissenschaft“ eine Liste sämtlicher jüdischer Universitätslehrerinnen und -lehrer der Universität Wien, deren Lehrveranstaltungen gemieden werden sollten. Gleispach nahm auch einen neuen Anlauf im Kampf für einen Numerus clausus für „nichtdeutsche“ Studierende. Die am 20. März 1930 beschlossene „Gleispach‘sche Studentext klaus tasCHWer
tenordnung“ besagte, dass ordentliche HörerInnen gleicher Abstammung und Muttersprache eine sogenannte „Studentennation“ bilden sollten. Das lief auf eine Einteilung nach „rassischen“ Kriterien hinaus. Am 23. Juni 1931 wird Gleispachs Studentenordnung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, was bereits zu besonders gewalttägigen Übergriffen an der Universität führt. Um die Mittagszeit bringen die Nationalsozialisten dann auf den Säulen am Haupteingang zwei Plakate aus gelbem Karton an. Darauf prangen in roter Schrift die Worte: „Juden Eintritt verboten!“ Es dauert Stunden, ehe diese Plakate entfernt wurden.
Die „DÖTZ“ fordert am Beginn des Wintersemesters 1929/30 die „deutschen Studenten“ auf, Professoren „jüdischer Volkszugehörigkeit“ zu meiden
Bildarchiv ÖNB
Schon bei Gleispachs Amtseinführung am 6. November 1929 gab es eine Machtdemonstration der Nazi-Studenten.
„Juden Eintritt verboten“ prangte am 23. Juni 1931 in roter Schrift auf gelbem Untergrund vor dem Eingang der Universität. Drinnen wüteten Nazi-Schlägertrupps
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politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
Gut eine Woche nach der Aufhebung der Studentenordnung im Juni 1931 organisierten die nationalsozialistischen Studierenden einen Fackelzug durch Wien.
Am Abend des 3. Juli 1931 erklärte sich Rektor Hans Uebersberger (mit Redemanuskript in der Hand) vor der Universität Wien mit den NS-Studierenden solidarisch. Hinter ihm (mit Hut in Händen): Prorektor Wenzel Gleispach
Wenn eines mich an den Sieg der Bewegung glauben lässt, so ist es der Vormarsch des Nationalsozialismus in der Studentenschaft.
Bildarchiv ÖNB
Bildarchiv ÖNB
Vom 19. bis 21. Juli 1931 fand der 14. Deutsche Studententag in Graz statt, bei dem erstmals Mitglieder des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) zu den Vorsitzenden gewählt wurden.
Adolf Hitler nach dem 14. Deutschen Studententag, der vom 19. bis 21. Juli 1931 in Graz stattfand
Nationalsozialistische Studierende forderten mit diesem Plakat zur Teilnahme an der Protestkundgebung auf
Im Studienjahr 1932/33 übernahm der Paläontologe Othenio Abel, ein exponierter NS-Sympathisant und deklarierter Antisemit, das Rektorat. Ende Oktober 1932 kommt es zu den bis dahin brutalsten Übergriffen nationalsozialistischer „Radaustudenten“. Unter den zahlreichen Schwerverletzten sind diesmal auch Studierende aus den USA, was zu einem diplomatischen Eklat führt.
» An diesem Tag
zerriss etwas in Österreich, das niemals mehr geknüpft werden sollte: die in der Ära des Bundeskanzlers Ignaz Seipel gelungene politische Allianz der Christlichen und der Deutschnationalen.
«
Zeitzeuge Heinrich Drimmel, späterer ÖVPUnterrichtsminister, 1984
Ende 1932 kam es zum Bruch zwischen den nationalsozialistischen und den katholischen Studierenden, die bis dahin in der Deutschen Studentenschaft kooperiert hatten: Am 2. Dezember 1932 waren nämlich nicht mehr die sozialdemokratischen und jüdischen StudentInnen Opfer der NaziSchlägertrupps, sondern katholische Gruppen.
Karikatur in der „Arbeiter-Zeitung“ vom 30. Oktober 1932: Nazi-Studenten verprügeln an der Universität US-amerikanische Studierende. Rektor Abel (mit Talar) und sein Vorgänger Gleispach (rechts) ersuchen um Mäßigung gegenüber AusländerInnen
text klaus tasCHWer
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Die Jahre 1933/34 bis 1938 markierten für die Universität Wien einen tiefen Einschnitt. Sie verlor nicht nur große Teile ihrer Autonomie und wurde vom katholisch-autoritären Regime in eine Art „Erziehungsanstalt“ umfunktioniert. Vor allem nützte die Regie-
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Lehrer in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken. Davon waren in erster Linie Professoren und Dozenten betroffen, die mit dem Nationalsozialismus sympathisierten. So gut wie alle linken Professoren waren zu dieser
Zeit längst von der Universität vertrieben worden. Eine der wenigen Ausnahmen war der sozialdemokratische Gesundheitsstadtrat und Anatom Julius Tandler, der im März 1934 zwangsemeritiert wurde.
Grafik: Eigene Berechnungen nach den Personalstandsverzeichnissen
ie Regierung Dollfuß gab ab 1933 eine ganze Reihe von Erlässen für die Universitäten und Hochschulen heraus. So wurde es ab dem 31. Juli 1933 möglich, „politisch exponierte“ Beamte oder
rung ein radikales Sparprogramm dazu, missliebige Wissenschafter in den Ruhestand zu versetzen. Zugleich gelang es, durch strenge Sanktionen die gewalttätigen Ausschreitungen der nationalsozialistischen Studenten einzudämmen.
Insgesamt büßte die Universität in den Jahren 1932 bis 1937 rund 25 Prozent der Professuren ein, was eine der stärksten Kürzungen in der Geschichte der Universität markiert und wesentlich zu ihrem wissenschaftlichen Verfall beitrug. Außerordentliche Professoren Ordentliche Professoren
text klaus tasCHWer
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Bildarchiv ÖNB
politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
Straßensperren hinter dem Hauptgebäude der Universität Wien im Februar 1934
N
ach der Ermordung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß im Juli 1934 wird Kurt Schuschnigg Bundeskanzler. Unter seiner Führung wird am 7. August 1934 das Bundesgesetz „betreffend Maßnahmen an Hochschulen“ und am 6. September das Bundesgesetz „betreffend die Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an den Hochschulen“ erlassen. Beide Gesetze sahen eine noch strengere Überwachung der Lehrenden und Studierenden vor. Weitere Verschärfungen brachten das Hochschulermächtigungs- und das Hochschulerziehungsgesetz vom Juni 1935. Mit diesen Gesetzen wurden für die Studierenden Hochschullager, militärische Übungen und Vorlesungen zur weltanschaulichen Erziehung verpflichtend eingeführt.
Das Ministerium plante aber auch beim Personal einen „auf Jahre ausgedehnten Umschichtungsprozess“:
Ein Beispiel für den vom austrofaschistischen Unterrichtsministerium geplanten „Umschichtungsprozess“ war die Nachbesetzung des Anatomie-Lehrstuhls von Julius Tandler. Dieses Ordinariat ging an den wissenschaftlich nicht allzu gut ausgewiesenen, aber im Cartellverband organisierten Mediziner Gustav Sauser.
Ich glaube, dass, abgesehen von einer gewissen Anzahl Unbelehrbarer, die einfach ausgeschaltet werden müssen, in absehbarer Zeit doch die größere Anzahl der Hochschullehrer sich zum neuen Staate bekennen und in der Erziehungsarbeit mitgehen wird.
Hans Pernter, für die Universitäten verantwortlicher Staatssekretär, im November 1935
Die „Arbeiter-Zeitung“ berichtet am 1. November 1936 aus dem Exil über die Berufung Sausers text klaus tasCHWer
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politisierung und polarisierung in der 1. republik und im ständestaat
In der Zeit des Austrofaschismus kommt es auch zu einem Mord an der Universität Wien: Am Montagvormittag des 22. Juni 1936 wird Moritz Schlick, Professor für Philosophie, auf der sogenannten Philosophenstiege von seinem ehemaligen Dissertanten Hans Nelböck erschossen. Die Reaktionen auf die Tat offenbaren das herrschende politische Klima.
A
uf halber Höhe der der Philosophenstiege, wo der Mord geschah, ist heute eine Tafel in den Boden eingelassen:
Moritz Schlick, Protagonist des Wiener Kreises, wurde am 22. Juni 1936 an dieser Stelle ermordet. Ein durch Rassismus und Intoleranz vergiftetes geistiges Klima haben zu dieser Tat beigetragen.
text klaus tasCHWer
Wie groß der Beitrag des „vergifteten Klimas“ zum Mord tatsächlich war, ist umstritten, denn der 33-jährige Täter Hans Nelböck war mehrfach in psychiatrischer Behandlung. Öffentliche Diskussionen rund um den Mord machen allerdings offensichtlich, wie antisemitisch aufgeladen das Klima war. Unrühmlicher Höhepunkt war ein Text, der in der katholischen Wochenschrift „Schönere Zukunft“ unter dem Pseudonym „Prof. Dr. Austriacus“ erschien und vermutlich vom Ao. Prof. Johannes Sauter verfasst worden war.
„Neue Illustrierte Kronen-Zeitung” vom 23. Juni 1936
Am Ende von Sauters seitenlangem Pamphlet hieß es:
Auf die philosophischen Lehrstühle der Wiener Universität im christlich-deutschen Österreich gehören christliche Philosophen! Man hat in letzter Zeit wiederholt erklärt, dass die friedliche Regelung der Judenfrage in Österreich im Interesse der Juden selbst gelegen sei, da sonst eine gewaltsame Lösung derselben unvermeidlich sei. Hoffentlich beschleunigt der schreckliche Mordfall an der Wiener Universität eine wirklich befriedigende Lösung der Judenfrage!
Prof. Dr. Austriacus, 1936
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten brachte Johannes Sauter am 27. Juli 1938 eine Gnadenbitte für den ursprünglich zu zehn Jahren Kerker verurteilten Hans Nelböck ein. Der Mörder von Moritz Schlick wurde am 11. Oktober 1938 tatsächlich aus dem Gefängnis in Stein bei Krems entlassen.
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Bildarchiv ÖNB
SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Studenten auf der Rampe der Wiener Universität beim „Deutschen Gruß“ nach einer Kundgebung 1938
Äußerst rasch und umfassend verlief der Machtwechsel an der Universität Wien im März 1938. Unter dem Applaus vieler räumten die alten akademischen Behörden das Feld und machten den Weg frei für die neue nationalsozialistische Führung.
In den folgenden Wochen gliederte man die Universität in den NS-Staat und seine Bürokratie ein. Dies hieß nicht nur, dass man seine Gesetze übernahm, sondern auch, dass man „rassisch“ und sonstige politisch Verfolgte rücksichtslos vertrieb. TExT STEFAN WEDRAC
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UAW / Univ. Wien
SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Die beflaggte Universität Wien in den Anschlusstagen (kolorierte Fotografie)
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ls der „Anschluss“ am 12. März 1938 in vollem Gange war, trafen beim eben vereidigten nationalsozialistischen Regierungschef Arthur SeyßInquart die ersten Glückwünsche ein. Unter den Gratulanten befanden sich auch fast alle Universitätsrektoren. Für die Universität Wien versicherte Rektor Ernst Späth volle Loyalität. Bereits drei Tage später legte Späth – so wie alle anderen Rektoren – sein Amt zurück und richtete an den Bundesminister und Professor der Universität Wien, Oswald Menghin, folgendes Schreiben: TExT STEFAN WEDRAC
Rücktrittsschreiben des Rektors Ernst Späth
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Das Unterrichtsministerium bestimmte einen neuen Rektor und dieser eine neue Führungsriege für die Universität Wien.
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amit waren die gewählten Funktionäre der Universität entfernt und im nationalsozialistischen Sinne die Autonomie der Institution beseitigt. Der Staatssekretär „für politische Willensbildung“, Odilo Globocnik, betraute Rektor Knoll damit, die Interessen der Landesleitung der NSDAP auf dem Boden der Universität wahrzunehmen. neuen Würdenträgern waren hauptsächlich Nationalsozialisten wie Friedrich Knoll, Eduard Pernkopf, Viktor Christian und Ernst Schönbauer. Um der Gleichschaltung der Universität eine legale Basis zu geben, beschloss die Übergangsregierung SeyßInquart am 24. März 1938 ein Gesetz, in dem man den zuständigen Minister zur Abberufung und Neubestellung der akademischen Behörden ermächtigte, worauf auch der entsprechende Akt des Ministers Menghin folgte.
GBlÖ 14/1938
Unter den scheidenden Funktionären waren einige, denen der „Anschluss” zum Verhängnis werden sollte: So inhaftierte man Egon Ranzi und den im „Ständestaat“ sehr aktiven Johannes Hollnsteiner und zwang Karl Beth mit seiner nach den NS-Rassegesetzen als Jüdin geltenden Frau zur Emigration. Selbst der an sich deutschnationale Heinrich Mitteis hatte wegen früher geübter Kritik am Nationalsozialismus Repressalien und eine Strafversetzung zu gewärtigen. Unter den
Gesetz über die Abberufung der akademischen Behörden
TExT STEFAN WEDRAC
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Alle Beamten des Staates hatten im Dritten Reich einen Eid des Gehorsams auf Adolf Hitler zu leisten. Dies sollte die Loyalität der Staatsbediensteten
dem obersten Führer gegenüber sicherstellen. In Österreich führte man bereits am 15. März 1938 diesen Diensteid für die hiesigen Beamten ein.
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Diensteid-Formular, das bei der Vereidigung unterschrieben werden musste
UAW / Univ. Wien
Unterrichtsministeriums eindeutig fest. Für sie folgte eine Zeit der beklemmenden Unsicherheit, wie sie ihre Existenz weiter erhalten konnten. Universitätsangehörige mussten aber auch von sich aus darauf hinweisen, wenn sie den Eid nicht leisten durften, wie etwa der am Institut für Radiumforschung tätige Karl Przibram.
GBlÖ 3/1938
Menschen, die nach den NS-Rassegesetzen als „Jude“ galten, und von den Nationalsozialisten als „politisch unzuverlässig“ Eingestufte durften den Eid nicht leisten. Sie waren mit diesem Verbot von der Tätigkeit an der Universität ausgeschlossen, ohne dass es noch Maßnahmen im Einzelfall bedurfte. Dies stellte ein zeitgleicher Erlass des
UAW / Univ. Wien
er Diensteid verpflichtete die Beamten in erster Linie zur Treue dem Führer gegenüber und erst in zweiter Linie zur Wahrung der Gesetze und Amtspflichten. Viele Universitätsangehörige legten den Eid in mehreren Veranstaltungen ab dem 22. März 1938 ab.
Das Gesetz über den Eid auf den Führer
TExT STEFAN WEDRAC
Brief von Karl Przibram an das Rektorat der Universität Wien vom 21. März 1938
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Nach dem „Eid auf den Führer“ der Professoren erklärte Rektor Knoll, dass der „Rohbau der inneren Organisation“ fertig sei und „alles in geordneten Bahnen“ verlaufe. Dies bedeutete vor allem, dass die akademischen Behörden zusammen mit dem Unterrichtsministerium im März/April 1938 darangingen, Hunderte UniversitätslehrerInnen zu entfernen. Die Professoren beurlaubte man entweder vorläufig oder
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etroffen waren in dieser ersten „Säuberungswelle“ zunächst 252 Universitätslehrer, davon 52 Professoren, 195 Privatdozenten und 5 Lektoren. Sie mussten sich jeder Tätigkeit an der Universität Wien enthalten. Ihr weiteres Schicksal behielten die Nationalsozialisten späteren Entscheidungen vor. Rektor Knoll konnte einige Zeit später stolz festhalten, dass „der Jude auch aus unserer Wissenschaft verschwunden [ist] und zwar für alle Zeiten“. Diese frühe „Säuberungswelle“ war wohl die größte, die es aus politischen und rassistischen Gründen an einer Universität gab. Die Mehrheit der Betroffenen verfolgte man aus „rassischen“ Gründen, weil sie den NS-Gesetzen zufolge als Juden oder Mischlinge galten.
Eine gesetzliche Grundlage dafür gab es – mit Ausnahme des Gesetzes über die Eidesleistung und die damit verknüpfte Verordnung – noch nicht, sie sollte erst mit dem Berufsbeamtengesetz nachgeliefert werden. Dies kümmerte die Nationalsozialisten kaum, sie wollten möglichst rasch unliebsame Personen loswerden, was der in Wien agierende Beauftragte des Reichserziehungsministeriums, Hans Huber, folgendermaßen kommentierte:
Bei der ungeheuren Verjudung des Lehrkörpers, insbesondere der Universität Wien, und bei der Durchsetzung mit politisch unzuverlässigen Elementen muss schon vor Einführung des Beamtengesetzes […] eine Beurlaubung der sicher nicht tragbaren Personen herbeigeführt werden. […] Die Listen sind bereits fertiggestellt.
Hans Huber
enthob sie gleich ihres Amtes. Die Lehrbefugnis von Privatdozenten wurde widerrufen, den Lektoren entzog man die Lehraufträge. Als gesetzliche Grundlage für die Entlassung der DozentInnen diente übrigens die im „Ständestaat“ modifizierte Habilitationsordnung, derzufolge der Minister die Habilitation „aus wichtigen Gründen des öffentlichen Wohles“ widerrufen konnte (Artikel IV BGBl II 34/1934). Abgesehen von den rassistisch Verfolgten traf die Entlassungswelle vor allem politische Gegner. Zu diesen zählte – zu seiner eigenen Überraschung – auch der Gesellschaftswissenschaftler Othmar Spann. Er hatte als katholischer Vertreter einer eigentümlichen Ständestaatsidee, die teilweise in die Verfassung von 1934 Eingang fand, einen Namen. Zwar lehnte er die Umsetzung derselben durch Dollfuß ab und näherte sich den Nationalsozialisten an, doch wurde er mit seinem Schülerkreis Opfer von NS-internen Richtungskämpfen: 1938 sahen die neuen Machthaber ihn als suspekt an, weil er zu religiös war und sich in den Nationalsozialismus „nicht vollinhaltlich hineinleben“ konnte. Er wurde verhaftet, einige Zeit interniert und verlor seine Lehrbefugnis.
Bis 1945 folgten – zumeist aufgrund der Berufsbeamtenverordnung in Verbindung mit den NS-Rassegesetzen – noch weitere Entlassungen. Insgesamt sind 322 Enthebungen, Entlassungen oder Fälle des Entzugs der Lehrbefugnis in diesem Zeitraum aktenkundig. 82 davon betrafen Professoren, 233 DozentInnen und sieben Lektoren. Damit hatte die Universität Wien 45 Prozent aller Professoren und DozentInnen in der Zeit des Nationalsozialismus vertrieben. text STEFAN WEDRAC
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UAW / Univ. Wien
SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Enthebungsbescheide des Unterrichtsministeriums für Angehörige der fünf Fakultäten.
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Die am Nürnberger „Reichsparteitag der Freiheit“ 1935 beschlossenen rassistischen Gesetze „zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (RGBl I 1935,
S. 1147) und das „Reichsbürgergesetz“ (RGBl I 1935, S. 1146) entrechteten die jüdische Bevölkerung Deutschlands im Sinne der NS-Rassenlehre.
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as Blutschutzgesetz verbot Ehen zwischen Juden und „Deutschblütigen“, das Reichsbürgergesetz führte neben der deutschen Staatsbürgerschaft die Reichsbürgerschaft ein, die besondere Rechte gewährte und an eine „arische“ Abstammung anknüpfte. Diese Gesetze und ihre Ausführungsbestimmungen waren juristischer Ausgangspunkt für Diskriminierung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden.
Die „Nürnberger Gesetze“ dienten als wesentliche Referenz für die rassistische NS-Definition von Juden in anderen Gesetzen – etwa der Berufsbeamtenverordnung –, in deren Zusammenhang sie zur Entrechtung auch von jüdischen UniversitätslehrerInnen führten.
Arthur Wagner, Wissenswertes für jedermann. Ein praktisches Nachschlagewerk für alle Fragen des täglichen Lebens (Hannover, 1940)
Als Jude galt nach den Durchführungsbestimmungen des Reichsbürgergesetzes, „wer von mindestens 3 jüdischen und 1 deutschblütigen Großelternteil abstammt“. Darüber hinaus galten unter bestimmten Voraussetzungen sogenannte „Mischlinge“ als Juden.
Tabelle zur Bestimmung von „Mischlingen“ nach dem Reichsbürgergesetz
TExT STEFAN WEDRAC
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Die „Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums“ (RGBl I 1938, S. 607ff) vom 31. Mai 1938 war das wichtigste rechtliche Werkzeug der Nationalsozialisten, um den Beamtenapparat – auch an den Universitäten – in ihrem Sinne umzugestalten. Nach dem Vorbild des 1933
im Deutschen Reich erlassenen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (RGBl I 1933, S. 175ff) erfasste die nach dem Anschluss erlassene Verordnung alle öffentlichen Bediensteten und sah mehrere Möglichkeiten vor, um unerwünschte Beamte loszuwerden.
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Auf politische GegnerInnen gemünzt war § 4. Demzufolge waren Beamte, die „nach ihrem bisherigen Verhalten nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten“, mit wenig oder gänzlich ohne Pension in den Ruhestand zu versetzen. Insbesondere galt dies für offene Gegner der Nationalsozialisten. Außerdem konnten Beamte „zur Vereinfachung der Verwaltung“ in den Ruhestand oder auf andere Posten versetzt TExT STEFAN WEDRAC
werden (§ 5f). An der Universität Wien leitete die Berufsbeamtenverordnung den letzten Akt des „Säuberungsprozesses“ ein, in dem der Lehrkörper systematisch nach verbliebenen, unliebsamen Personen durchforstet wurde. Man pensionierte die noch verbliebenen Gegner und als Juden oder Mischlinge geltenden UniversitätslehrerInnen. Oft erkannte man ihnen ihre Pension nach wenigen Monaten ab und stellte sie vor grundlegende Existenzprobleme.
RGBl I 1938
emäß § 3 waren Beamte, die Juden, „Mischlinge“ oder mit Juden oder Jüdinnen verheiratet („jüdisch Versippte“) waren, in den Ruhestand zu versetzen. Eine Pension erhielten die Betroffenen (vorerst) aber nur, wenn sie bereits zehn Dienstjahre vorweisen konnten.
Das Gesetz zur „Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums“
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Friedrich Knoll trat schon während seines Studiums in Graz einer deutschnationalen Verbindung bei und war einschlägig politisch engagiert. Nach seiner in Wien erfolgten Habilitation war er ab 1922 an der deutschen Universität Prag Professor für Botanik, wo er sich bei der „deutschen
Kulturarbeit“ hervortat. 1933 nach Wien berufen, schloss er sich 1937 der illegalen NSDAP an und weigerte sich, der Vaterländischen Front beizutreten. Später wurde berichtet, dass er seine Vorlesungen gerne in SS-Stiefeln und -Hose hielt und bei NSaffinen Studenten sehr beliebt war.
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noll gestaltete die Vertreibung von Hunderten Lehrenden und Studierenden aktiv mit und brüstete sich damit auch gern bei öffentlichen Auftritten: „Nach Reinigung der Lehre und Forschung von rassefremden und volksfremden Wissenschaftlern ist es nun erst möglich geworden, dass der deutsche Lehrer und Forscher in jeder Hinsicht ein Vorbild für die deutsche Jugend sein kann.“
Porträt des Rektors Fritz Knoll: Ein Bediensteter musste wochenlang im Talar in der gewünschten Pose Modell stehen
Bild in einen Abstellraum. 1943 löste man Knoll ab, 1945 wurde er entlassen. Ein Betätigungsfeld fand der ehemalige Rektor in der Nachkriegszeit jedoch an der Akademie der Wissenschaften, wo er es noch bis zum Generalsekretär brachte. Von der Universität Wien erhielt Knoll 1961 noch eine seltsam anmutende Ehrenbezeugung, nämlich das Rektorserinnerungszeichen für seine Tätigkeit an der Spitze der Universität „in schwerer Zeit“, so das Begleitschreiben.
Archiv der ÖAW
UAW / Univ. Wien
Knoll inszenierte sich im einzigen Rektorenportrait der NS-Ära selbst als barocker Führer der Universität. Im Schriftzug am unteren Rand des Gemäldes heißt es: „Den deutschen Geist vergangener Jahrhunderte verknüpft die Universität mit neuem Geist in Gegenwart und Zukunft 1938“. Darüber hinaus steckte Knoll sein Territorium gegenüber der NS-Bürokratie ab: Er sollte als alleiniger Machthaber der Universität inszeniert werden. Nach 1945 stellte man Knolls
Rektorserinnerungszeichen für Fritz Knoll (1961)
TExT STEFAN WEDRAC
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
1943 organisierte man eine Befragung der Professoren, um, ausgehend von einem Vorschlag der Fakultäten, dem Ministerium einen neuen Rektor vorzuschlagen.
Diese „Wahl“ bemängelte die NSDAP, weil sie nicht nach dem „Führerprinzip“ erfolgt war. Mit dem Ergebnis konnte die Partei jedoch zufrieden sein.
Bildarchiv ÖNB
Der „Pernkopf“: Atlas der Anatomie, Ausgabe 1943
Eduard Pernkopf
Pernkopfs wissenschaftliches Hauptwerk als Professor der Anatomie war die von den späten 1930er-Jahren bis 1960 erstellte „Topographische Anatomie des Menschen, Atlas der regionär strategischen Präparation“. Die detaillierten Zeichnungen des umfassenden Atlas machten ihn weltweit einzigartig. Pernkopf verwendete dafür allerdings auch Abbildungen von 1.377 Leichen von Personen, die am Landesgericht Wien in der Zeit von 1938 bis 1945 hingerichtet worden waren.
Foto: Stefan Wedrac (2014)
Zielsetzung: Ist die Universität für uns bildungsmäßig betrachtet die höchste und reinste Ausprägung des im Volke wirkenden Geistes und die Stätte, die die Auslese der Nation zu wahren geistigen Führern heranzubilden hat, so darf sie sich nicht damit begnügen, bloß eine entsprechende fachliche und rein intellektuelle Bildung zu vermitteln.
Eduard Pernkopf Der „Pernkopf“: Atlas der Anatomie, Ausgabe 1943
TExT STEFAN WEDRAC
Foto: Stefan Wedrac (2014)
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achfolger Fritz Knolls als Rektor wurde der Professor und bisherige Dekan der medizinischen Fakultät und Vorstand des Anatomischen Instituts, Eduard Pernkopf. Er galt den Nationalsozialisten als Garant für den NSEinfluss an der Universität. Tatsächlich war der Burschenschafter bereits 1933 Mitglied der Partei, vertrat überzeugt rassistische, vor allem auch rassenhygienische Ansichten der Nazis und galt als „ideologisch einwandfrei“. Die Rolle der Universität sah er 1943 folgendermaßen:
Die NS-Bürokraten waren Pernkopf letztlich nicht dauerhaft gewogen. Nach Streitigkeiten über die Bezahlung von Professoren legte er schließlich sein Amt im Februar 1945 zurück, um einer eventuellen Absetzung zuvorzukommen. Der ehemalige Dekan und bisherige Prorektor Viktor Christian, ein hochrangiges Mitglied der SS, übernahm daraufhin bis zum Kriegsende die Leitung der Universität.
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Ein zentraler Begriff der NS-Ideologie war die „Rasse”. Die Idee, man könne die Menschheit in verschiedenartige „Rassen” einteilen, hatten die Nationalsozialisten freilich nicht erfunden, sondern sie war wissenschaftlicher Mainstream am Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit dem
„Anschluss“ intensivierte sich die Rassenforschung jedoch an der Universität Wien, wobei zwei Institute als Zentren für die großzügig geförderte Forschung auf diesem Gebiet fungierten, nämlich das 1942 gegründete Institut für Rassenbiologie und das Institut für Anthropologie.
A
bereits vor 1938 entstandene Institut für Anthropologie, an dem man sich mit „Rassekunde“ beschäftigte. Anthropologen wie Eberhard Geyer und Karl Tuppa versuchten hier, Rassen zu definieren und zu erforschen. Ein Beispiel sind die Arbeiten von Tuppa, welcher die Menschen in Niederösterreich in ein Rassenschema zu bringen versuchte:
Vergleichsfotos und Zusammenfassung eines Abstammungsgutachtens von Karl Tuppa, 1940
Auch die Anthropologen fertigten rassenkundliche Gutachten in Fällen, wo die Abstammung nicht urkundlich belegt werden konnte, oder aber zur Feststellung der Vaterschaft an. Diese kamen vor Gericht zur Verwendung, wenn die – nur manchmal mögliche und nur in wenigen Fällen eindeutige – Blutgruppenuntersuchung scheiterte. Auch hier entschieden die Wissenschafter über das weitere Schicksal von Personen, etwa im folgenden Beispiel eines Prozesses:
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, Aktenzahl 1Cg130/40
Seite aus Karl Tuppa, Rassenkunde von Niederdonau
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, Aktenzahl 1Cg130/40
Im Umfeld des Instituts entstanden – meist vom Direktor Lothar Löffler selbst verfasste – rassenbiologische Gutachten, die feststellten, ob eine Person „erbgesund“, aber auch, ob jemand „arisch“ im Sinne der NSGesetze war. Dies hatte gravierende Konsequenzen für die Betroffenen, die bis zur physischen Vernichtung reichen konnten. Daneben existierte das
Karl Tuppa, Rassenkunde von Niederdonau (= Schriftenreihe für Heimat und Volk 22, St. Pölten 1940)
m Institut für Rassenbiologie beschäftigte man sich mit Krebsforschung, Genetik, Biostatistik, Anthropologie und der „Rassenhygiene“. Letztere hatte zum Ziel, in einer als „Rasse“ definierten Bevölkerungsgruppe mit gesundheitspolitischen Maßnahmen als unerwünscht angesehene Erbanlagen mittels Tötungen, Zwangssterilisationen und Verboten zu minimieren. Das Institut versuchte, chemische Tests zur Bestimmung der „Rasse“ zu entwickeln. Dies scheiterte, daher verlegte man sich auf anthropologische Vermessungen.
Zusammenfassung eines Abstammungsgutachtens von Karl Tuppa, 1940
TExT STEFAN WEDRAC / MICHAEL A. MATHIASCHITZ
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SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
Semesterbeginnn an der Wiener Universität, Antrittsvorlesung des neuen Dekans der medizinischen Fakultät, Eduard Pernkopf. 26. April 1938
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UAW / Univ. Wien
SELBSTGLEICHSCHALTUNG IM NS-STAAT
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UAW / Univ. Wien
VERTRIEBENE STUDIERENDE 1938–1945
Studierende der Universität Wien, 1938
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VERTRIEBENE STUDIERENDE 1938–1945
rasch – radikal – rassistisch
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UAW / Univ. Wien
ie Inskriptionsscheine („Nationale“) waren die Grundlage für das NSRegime, jüdische Studierende rasch zu erfassen und zu vertreiben. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurden die dortigen Angaben zur Volkszugehörigkeit und Konfession zum Verfolgungskriterium. 23 Prozent aller Studierenden der Universität Wien wurden aus rassistischen Gründen vom Studium ausgeschlossen: über 2.230 Personen. Mindestens 90 Studierende wurden in der Shoah ermordet. Nationale von Egon Gollerstepper. Er studiert zuletzt im Sommersemester 1938 Medizin an der Universität Wien und wird nach Dachau deportiert, nachdem er noch kurz zuvor einen Numerus clausus-Platz erhält
Ein Numerus clausus von zwei Prozent für jüdische Studierende wird eingeführt. Das heißt, rund 80 Prozent von ihnen sollen auf diesem Wege ausgeschlossen werden. Nationalsozialisten verfolgten schon seit zwei Jahrzehnten das Ziel
einer „judenreinen“ Universität. Dementsprechend wird auch den 136 noch zugelassenen „nichtarischen“ Studierenden binnen weniger Wochen der Zugang zur Universität verwehrt. Nur wenige jüdische DoktorandInnen können nach langem Hin und Her 1938 noch mit ihrem Doktorat die Universität verlassen. Um sie „loszuwerden“, findet im Juli und Oktober 1938 je ein „Nicht-Arier-Promotionstermin“ statt. Dies ist ein Anlass für symbolische, aber auch für ganz reale Diskriminierungen: Statt einer Berufsberechtigung folgt auf dieses Doktorat ein Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Weltbild / Bildarchiv ÖNB
Nach dem „Anschluss“ wird der Studienbetrieb eingestellt und der administrative und physische Ausschluss der Studierenden aus rassistischen und/oder politischen Gründen beginnt. Während dieser Prozess noch läuft, wird am 25. April 1938 die Universität Wien feierlich wiedereröffnet, und sie präsentiert sich als neue nationalsozialistische Elite und Gesamtheit.
Fritz Knoll, kommissarischer Rektor der Universität Wien, hält im Zuge der feierlichen Wiedereröffnung der Universität am 25. April 1938 eine Rede zu den Aufgaben der Hochschule im nationalsozialistischen Staat
TEXT LINDA ERKER / HERBERT POSCH
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VERTRIEBENE STUDIERENDE 1938–1945
ihnen befinden sich auch die 2.230 rassistisch und/oder politisch Verfolgten. Bis 1944 gehen die Studierendenzahlen um weitere 35 Prozent zurück und erreichen mit 3.500 ihren Tiefststand.
Studierende der Universität Wien nach Geschlecht 1918–1955
Promotionen und Sponsionen an der Universität Wien nach Fakultät 1918–1955
Grafik: Herbert Posch
Die Zahl der Studierenden sinkt in fünf Jahren Austrofaschismus von rund 12.000 auf rund 9.000. Unmittelbar nach dem März 1938 brechen die HörerInnenzahlen um 42 Prozent weiter ein, unter
Schrittweise wird das gesamte Studium militarisiert (Wehrsport, Luftschutz, Gaskrieg als neue Themen, Leibesübung wird als vormilitärische Ausbildung Pflicht für alle) und ideologisiert (z.B. Rassenbiologie, Deutsche Volkskunde, Propagandawissenschaft, Deutsche Physik, Südostraumforschung). Das Studienjahr wird in Trimester geteilt und Studienzeiten werden radikal verkürzt, um rascher AkademikerInnen für den Arbeitsmarkt zu erhalten. Dennoch geht die Zahl der Promotionen und Studienabschlüsse drastisch zurück. Dafür nehmen die außerwissenschaftlichen Tätigkeiten stark zu: Studierende werden „im Dienst des Deutschen Volkes“ als Ersatzarbeitskräfte in den Ferien „freiwillig“ zu Landdienst, Erntehilfe, Fabriksdienst, Arbeitsdienst etc. verpflichtet.
Weltbild / Bildarchiv ÖNB
Staat und („arisierter“) Wirtschaft. In den letzten Jahren des Krieges können fast nur noch Frauen und schwer Kriegsverletzte an der Universität studieren – daneben werden Soldaten an der Front mit „Lehrbriefen“ von der Universität „fernbetreut“. Studierende Männer werden im NS-Studentenbund erfasst (NSDStB), Frauen in der Unterorganisation Arbeitsgemeinschaft der NS-Studentinnen (ANSt).
Langemarck-Feier beim Gefallenendenkmal „Siegfriedskopf“ in der Aula am 11. November 1938, am Rednerpult NS-Studentenbundführer Robert Müller
TEXT LINDA ERKER / HERBERT POSCH
Der reguläre Studienbetrieb ist durch Einberufung zahlreicher Lehrender und später Verlagerung wichtiger Unterrichtsmittel (Bibliotheken, Laboreinrichtungen) in den Westen eingeschränkt und kommt 1944/45 fast ganz zum Erliegen. Bombentreffer zerstören zahlreiche Universitätsgebäude.
Weltbild / Bildarchiv ÖNB
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eben dem Ausschluss der rassistisch und/oder politisch Verfolgten und dem Weggang der internationalen Studierenden, sinkt die Studierendenzahl durch neue Vorbedingungen wie Arbeits- und Wehrpflicht vor Studienbeginn, später durch Einberufung der Studenten zur Wehrmacht im Kriegsdienst, aber auch durch neue Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten in Partei,
Masseninszenierung und NS-Beflaggung zur Propagandarede von Gauleiter Josef Bürckel für die Volksabstimmung nach dem „Anschluss“, 17. März 1938
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VERTRIEBENE STUDIERENDE 1938–1945
Die Studierenden sind die größte Gruppe der vertriebenen Universitätsangehörigen. Trotzdem kommen ihre Biografien selten in offiziellen Darstellungen vor. Ihre Erzählungen der Vertreibung von der Universität, von der erzwungenen Emigration und ihren weiteren Lebenswegen sind ein wichtiger Teil der Universitätsgeschichte.
Ab 1938 beendet das NS-Regime die Bildungsbiografien zahlreicher rassistisch und/oder politisch verfolgter Studierender. Manche werden ermordet, manche können emigrieren. Unter den schwierigen Bedingungen des Exils können wenige von ihnen studieren. In vielen Fällen ist dies nicht mehr möglich, auch nicht nach einer allfälligen Remigration nach Österreich.
Irene Butterfass, 2006
Privatarchiv Herbert Posch, Wien
rene Butterfass (geb. Katzner) studiert im 5. Semester Psychologie und Kunstgeschichte, als sie im Mai 1938 von der Universität vertrieben wird. Sie emigriert nach New York, kann ihr Studium nie fortsetzen und arbeitet bei den Yellow Pages. Irene Butterfass, Meldungsbuch, 1938
UAW / Univ. Wien
Irene Butterfass, Foto aus Reisepass, 1938
Privatarchiv Herbert Posch, Wien
Privatarchiv Herbert Posch, Wien
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Nationale von Irene Butterfass, geb. Katzner, 1938
Video: Gabriele Mathes / Mediathek (TMW)
IRENE BUTTERFASS 1917 Wien – 2012 New York
It was the most dramatic thing for anybody. You are totally thrown out of your entire environment. And some people didn’t make it mentally and some people did make it. I don’t know. I made it, I think pretty good, but maybe certain things stayed with me, that are not that great, like I’m always anxious, you know, I’m not afraid for myself, I’m afraid for my children, and maybe that stayed with me.
Irene Butterfass in einem Interview 2006 in New York
Irene Butterfass, Abgangszeugnis, 1938 TEXT LINDA ERKER / HERBERT POSCH
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VERTRIEBENE STUDIERENDE 1938–1945
Privatarchiv Peter und Friedl Ebner, Wien
Rosl Ebner, 1972
osl Ebner (geb. Rosa Marie Kraus) studiert 1938 im 7. Semester Medizin, als sie nach Großbritannien emigriert, wo sie im österreichischen Widerstand aktiv ist.
UAW / Univ. Wien
Rosl Ebner in den 1950er Jahren
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Privatarchiv Peter und Friedl Ebner, Wien
ROSL EBNER 1915 Wien – 1994 Wien Ihr späterer Ehemann Hugo flüchtet im Frühjahr 1938 gemeinsam mit dem Literaten Jura Soyfer in die Schweiz. Hier werden beide gefangen genommen und ins Konzentrationslager Buchenwald überstellt. Hugo Ebner gelingt die Ausreise Richtung London, Jura Soyfer überlebt das Lager nicht und stirbt an den Folgen der Haft 1939. Rosl Ebner kehrt 1946 nach Wien zurück, schließt ihr Medizinstudium erfolgreich ab und arbeitet als Ärztin in Wien.
Ich stand buchstäblich allein da, ich war also auf einmal als Jüdin mit nur noch wenigen jüdischen gleichaltrigen Freunden beisammen, besser gesagt, wenig beisammen, man hatte ja Angst, dass das auffallen könnte im Haus. Also ganz persönlich, ganz individuell, eben als Atom ohne echte Ideologie hat man sich halt recht verloren gefühlt, und es ist kein Wunder, dass viele sich selbst umgebracht haben.
Rosl Ebner in einem unveröffentlichten Brief
Nationale von Rosl Ebner, geb. Kraus, 1938
Kurt Elias, 2006
Privatarchiv Herbert Posch, Wien
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urt Elias studiert im 2. Semester Medizin, als er in die USA auswandern muss. Er setzt sein Studium ab 1941 am New York Medical College fort, wo er 1944 promoviert und dann
UAW / Univ. Wien
Kurt Elias, Foto aus Meldungsbuch
Nationale von Kurt Elias, Medizinische Fakultät, 1938 TEXT LINDA ERKER / HERBERT POSCH
Video: Gabriele Mathes / Mediathek (TMW)
KURT ELIAS 1918 Wien – 2010 New York als Arzt in New York arbeitet. Ab 1953 engagiert er sich in einer Gruppe von ÄrztInnen, die sich bemüht, auch für ökonomisch schlechter gestellte PatientInnen gute medizinische Versorgung anzubieten. Kurt Elias ist auch der Vertrauensarzt für das österreichische Generalkonsulat in New York. Sein Vater, Herbert Elias, in Wien Primar am Rothschildspital, muss in der Emigration erst sein Medizinstudium erneut absolvieren, um wieder als Arzt arbeiten zu können.
Das Lernen und Wissen war wichtig für mich. Früh, und das ist ein Teil meines jüdischen Erbteils, früh hab ich gelernt, dass man mir alles wegnehmen kann, außer was ich weiß. Mein Wissen kann man mir nicht wegnehmen. Geld, was immer, kann man mir wegnehmen.
Kurt Elias in einem Interview 2006 in New York
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VERTRIEBENE STUDIERENDE 1938–1945
G
Museo Nacional de Historia Natural Chile, Santiago de Chile
Museo Nacional de Historia Natural Chile, Santiago de Chile
GRETE MOSTNY 1914 Linz – 1991 Chile Grete Mostny, 1980
rete Mostny legt im Sommersemester 1938 ihre Dissertation „Die Kleidung der ägyptischen Frau im alten Reich“ vor. Nach dem „Anschluss“ kann sie ihre letzte Prüfung in Wien nicht mehr abschließen und wandert über Italien
UAW / Univ. Wien
Grete Mostny in Atacama, Chile, 1952
nach Belgien aus. Hier beendet sie ihr Studium und emigriert 1939 nach Chile. Dort beginnt sie am Nationalmuseum für Naturkunde zu arbeiten, wird bald Leiterin der anthropologischen Abteilung und 1964 Direktorin des Nationalmuseums. Ein Höhepunkt ihrer archäologischen Arbeit ist der Fund der berühmten Inkakind-Mumie vom Cerro el Plomo. 1968 gründet sie das erste museologische Zentrum Lateinamerikas. Seit 2013 verleiht die Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien den „Grete Mostny-Dissertationspreis“ für hervorragende Doktorarbeiten.
Die Universität Wien hat mich geformt, die Universität Brüssel perfektioniert und die Universität Santiago de Chile hat mich aufgenommen, um an neue Generationen weiterzugeben, was ich von den vorherigen gelernt habe.
Grete Mostny in: F. Mouat, Breve Biografía de la Dra. Grete Mostny, 2014
Nationale von Grete Mostny, 1937
W
Walter Sokel, 2006
turwissenschaft studieren und promoviert 1953 an der Columbia University in New York. Er hat Gastprofessuren in Hamburg, Freiburg, Harvard und Graz. Er forscht zur Literatur des 20. Jahrhunderts und
UAW / Univ. Wien
alter Sokel studiert im 3. Semester Romanistik und Kunstgeschichte, als er 1938 in die USA emigrieren muss. Er kann im Exil Germanistik und Vergleichende Litera-
Video: Gabriele Mathes / Mediathek (TMW)
WALTER SOKEL 1917 Wien – 2014 San Francisco zur deutschen Geistesgeschichte. Mit seinen Arbeiten über Franz Kafka und Friedrich Nietzsche hat er große Erfolge. Neben einer Reihe von Ehrungen in den USA erhält Sokel das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich und ein Ehrendoktorat der Universität Graz. 2008 ist er Ehrengast der Universität Wien, um hier am 70. Jahrestag des „Anschlusses“ eine vielbeachtete Rede zu seinen Erfahrungen als vertriebener Student der Universität Wien zu halten.
[Ich wollte] nicht nur deutschsprachige Kultur in der demokratischen Welt des Westens rehabilitieren, sondern auch die reaktionäre Weltanschauung, die in der frühen Bundesrepublik wie auch in der Zweiten Republik Österreichs noch fast genau so vorherrschend war wie vor und unter den Nazis, provozieren und ein wenig dazu beitragen, sie zu unterminieren.
Walter Sokel im Rahmen seiner Ehrenpromotion in Graz, 1998
Nationale von Walter Sokel, 1938 TEXT LINDA ERKER / HERBERT POSCH
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VERTRIEBENE STUDIERENDE 1938–1945
Nur wenige Studierende der Universität Wien wagten es, Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten. Gegen das herrschende totalitäre Regime und gegen die abwartendangepasste Haltung der österreichischen Mehrheitsgesell-
schaft anzukämpfen, konnte den Tod bedeuten. Dennoch setzten sich – sowohl in Wien als auch in der Emigration – einige der verbliebenen wie vertriebenen Studierenden für das Ende des Krieges und des NS-Systems ein – und starben dafür.
AUGUST BLANDENIER 1905 Gelsenkirchen – 1941 Dachau Flugblatt-Aktionen und damit „Hochverrat“ vorbereitet zu haben. Das Gerichtsverfahren wird noch 1939 mangels Beweisen eingestellt. Er wird im März 1940 erneut verhaftet, ins Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er am 20. April 1941 stirbt. In der Pfarrkirche in Wien 8, Alser Straße 17, erinnert eine Gedenktafel an August Blandenier.
UAW / Univ. Wien
Archiv Minoritenkonvent, Wien
A
ugust Blandenier tritt 1934 in Österreich dem Minoritenorden bei, ab 1938/39 studiert er an der Universität Wien Katholische Theologie. Er schließt sich der monarchistischen Widerstandsgruppe „Hebra“ an, die sich im Kloster Alser Straße trifft. Ein Spitzel enttarnt die Gruppe. Blandenier wird im Mai 1939 verhaftet. Ihm wird vorgeworfen,
Nationale von August Blandenier, 1938 TEXT LINDA ERKER / HERBERT POSCH
August Blandenier, Foto aus Meldebuch
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emigration und einzelschicksale
» Die Nazifizierung
der deutschen und öster reichischen Universitäten scheint mir einer der Gründe für die geistige Verarmung Mitteleuropas zu sein. Eine Gelehrten flucht trat ein, wie es sie bis dahin nicht gege ben hat.
«
Bruno Kreisky, 1986
Beinahe die Hälfte der Universitätslehrer an der Universität Wien verlor nach der NS-Machtergreifung ihre Position. Unzählige Universitätsangehörige mussten die Flucht antreten. Etliche von ihnen konnten im Exil ihre wissenschaftliche Tätigkeit wieder aufnehmen und erfolgreich fortsetzen. NS-Verfolgte, denen die Emigration nicht gelang, wurden verhaftet und eingesperrt; viele nahmen sich aus Verzweiflung das Leben oder wurden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.
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emigration und einzelschicksale
Aufgrund der erzwungenen Emigration kam es in vielen Forschungsbereichen der Universität Wien nach 1938 zu einem in der Geschichte einmaligen Braindrain. Besonders stark betroffen waren etliche
A
Das kam auch in einem Memorandum zum Ausdruck, das der bereits 1930 nach London ausgewanderte Wirtschaftswissenschafter Friedrich August von Hayek (Wirtschaftsnobelpreis 1974) im April 1938 an internationale Hilfsorganisationen schickte, die sich um EmigrantInnen aus Österreich kümmerten:
The main point is that the strong anti-Semitic tendencies which have prevailed at the Austrian Universities at least since the war have had the effect that comparatively few ,non-Aryans‘ have held full-time academic positions. […] There are a great many men of very high standing as scholars who […] have never had any academic position. […] My point, which I should like to urge strongly, is that in the Austrian case the bodies which are willing to help academic people should not confine their assistance to people who actually held an academic position, but equally include people with similar qualifications who for reason of their race were excluded from an academic career.
Bildarchiv der ÖAW
ber auch in der Psychologie (das Ehepaar Charlotte und Karl Bühler und viele ihrer SchülerInnen), der Nationalökonomie, der Kunstgeschichte, den Rechtswissenschaften, der Biologie (die Biologische Versuchsanstalt) oder der Psychoanalyse – um nur einige weitere Beispiele zu nennen – sind ganze „Wiener Schulen“ zerstört worden. Zum Teil waren deren VertreterInnen wegen des Antisemitismus an der Universität Wien aber auch schon lange vor 1938 ausgewandert oder hatten ihre Forschungen außeruniversitär betreiben müssen.
medizinische Fächer und naturwissenschaftliche Disziplinen wie die Chemie (etwa die Polymerforschung unter Hermann Mark), die Physik (das Radiuminstitut) oder die Logik und Mathematik (u.a. Kurt Gödel).
Das renommierte Psychologenpaar Charlotte und Karl Bühler gehörte zu den über 150 ForscherInnen der Universität Wien, die ins Exil flüchteten
teXt klaus taschWer
Friedrich August von Hayek im April 1938
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emigration und einzelschicksale
Unter den Emigrierten befanden sich Hunderte Studierende, AbsolventInnen und MitarbeiterInnen der Universität Wien – sowie drei österreichische Nobelpreisträger, die zumindest kurz an der Universität Wien gelehrt hatten: ERWIN SCHRÖDINGER 1887–1961 Der weltberühmte Physiker war 1938 Professor an der Universität Graz und Honorarprofessor
akg-images/picturedesk.com
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ach dem „Anschluss“ flüchteten mehr als 150.000 Menschen aus Österreich, rund 136.000 von ihnen waren jüdischer Herkunft. Das waren rund zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung Österreichs, von der wiederum der überwiegende Teil in Wien lebte. Es gab aber auch viele Personen, die aus politischen und weltanschaulichen Gründen auswandern oder flüchten mussten. Die wichtigsten Exilländer waren die USA und Großbritannien, aber auch die Schweiz, Palästina (heute Israel) oder die Türkei.
Paris, 5. Juni 1938, Gare de l'Est: Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse und ehemalige Dozent an der Universität Wien (mit dem Titel eines O. Prof.), neben seiner Tochter Anna auf dem Weg ins Exil nach London. Die Nationalsozialisten hatten ihm vor der erzwungenen Flucht das Vermögen abgepresst. Wenig später zog das Institut für Orientalistik der Universität Wien in die arisierten Räumlichkeiten der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung in der Berggasse 19 ein.
an der Universität Wien. Schrödinger wurde 1938 aus politischen Gründen entlassen und musste fliehen. Er kehrte erst 1956 aus Dublin zurück nach Wien. VICTOR FRANZ HESS 1883–1964 Der überzeugte Katholik und Gegner des Nationalsozialismus musste das Nobelpreisgeld gegen deutsche Reichsschatzscheine eintauschen, um seine Ausrei-
se zu finanzieren. Hess wurde 1944 US-Bürger. OTTO LOEWI 1873–1961 Loewi, der kurz auch in Wien gelehrt hatte, war 1938 Professor
für Pharmakologie an der Universität Graz. Auch er musste das Geld aus Stockholm als Reichsfluchtsteuer abführen, um über Belgien und England nach New York zu emigrieren. Loewi erhielt 1946 die US-Staatsbürgerschaft.
Lange vor 1938 sind zwei Nobelpreisträger der Universität Wien emigriert, die unter dem Antisemitismus zu leiden hatten: Der HNO-Arzt Robert Bárány (1876–1936), Dozent an der Universität Wien, wurde 1914 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Danach strebte er eine unbezahlte A.o. Professur an, die ihm vor allem wegen Interventionen antisemitischer Kollegen verwehrt wurde. Bárány emigrierte nach Schweden und trat 1917 eine Professur in Uppsala an. Der Erforscher der Blutgruppen, Karl Landsteiner (1868–1943), verließ Wien unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg – wegen fehlender Anerkennung und einer schwierigen Arbeitssituation. Als Landsteiner 1930 den Medizin-Nobelpreis erhielt, war er längst US-Bürger. teXt klaus taschWer
emigration und einzelschicksale
Die an der Universität Wien tätigen Professoren Stephan Brassloff, Viktor Hammerschlag, Josef Hupka, Norbert Jokl, Jacques Pollak, Hans Przibram, Felix Reach, Elise Richter, Fritz Schenk, Alexander Spitzer und Alfred Tauber wurden vom
NS-Regime verfolgt, deportiert und ums Leben gebracht. Um an ihr Schicksal zu erinnern und ihre Ermordung in einen breiteren Kontext antisemitischer und politischer Verfolgung zu stellen, wurde diese Ausstellung konzipiert.
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emigration und einzelschicksale
Ein Großteil der hier porträtierten NS-Opfer unter den Lehrenden der Universität Wien wurde im Ghetto/KZ Theresienstadt ermordet.
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Bundesarchiv Berlin
n der Festung der ehemaligen Garnisonsstadt Theresienstadt (heute: Terezín) wurde 1940 zunächst ein Gestapo-Gefängnis eingerichtet. 1941 entstand in der Stadt ein Sammel- und Transitlager, in dem vornehmlich ältere Juden und Jüdinnen aus dem Deutschen Reich, den Niederlanden, Ungarn und Dänemark interniert wurden. Eine Zeit lang wurde das Lager von der NS-Propaganda als „Vorzeigeghetto“ instrumentalisiert. Spätestens seit der Wannseekonferenz 1942 diente Theresienstadt als Ausgangspunkt für die Deportationen in die Vernichtungslager. Siegfried Seidl, Lagerkommandant von Theresienstadt und ehemaliger Student der Universität Wien
Rund 150.000 Menschen wurden bis zur Befreiung im Mai 1945 nach Theresienstadt verbracht, von diesen überlebte bloß jeder Fünfte: Mehr als 33.000 Menschen starben an Krankheiten und Seuchen, die sich aufgrund der
S
schrecklichen Lebensumstände (extreme Überfüllung, katastrophale hygienische Verhältnisse und Unterernährung) ausbreiteten; etwa 88.000 Personen wurden von Theresienstadt in Vernichtungslager deportiert und ermordet.
Die Juden wurden bei ihrer Ankunft von Dr. Seidl mit der Reitpeitsche geschlagen, ihres mitgebrachten Hab und Gutes beraubt, sehr mangelhaft verpflegt und unter so schlechten sanitären Verhältnissen untergebracht, dass täglich ungefähr 250 Todesfälle zu verzeichnen waren. […] Dr. Seidl stellte auch die Listen jener Personen auf, die für den Transport nach Osten (Vergasung) bestimmt waren, darunter waren auch Frauen, Kinder, Kranke u. dgl. enthalten. […]
DPA
Aus dem Gauakt Siegfried Seidl
Blick in einen Innenhof des Lagers Theresienstadt teXt susanne gmoser / Franz steFan meissel
iegfried Seidl (1911–1947) studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften, Geschichte und Germanistik. Schon 1930 trat er der NSDAP bei, 1933 war er bereits SS-Oberscharführer. 1940 promovierte er zum Dr. phil., der akademische Grad wurde ihm 1947 aberkannt. Als Beamter des Reichssicherheitshauptamts war Seidl 1941 mit der Einrichtung des Lagers Theresienstadt beauftragt, als dessen Leiter er bis Juli 1943 fungierte. Nach Kriegsende wurde Seidl vom Counter Intelligence Corps an die österreichische Justiz übergeben, die ihn zum Tod durch den Strang verurteilte und als Kriegsverbrecher exekutierte.
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emigration und einzelschicksale
Ao. Prof. für Römisches Recht, Altertumsforscher und Sozialreformer (1875 Wien – 1943 Theresienstadt)
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Nach der Promotion zum Dr. iur. (1898) folgte Brassloff für zwei Semester dem großen Romanisten und Zivilisten Ludwig Mitteis zu Forschungszwecken nach Leipzig. 1903 erlangte er an der Universität Wien die Habilitation für „Rechtsgeschichte des Altertums“.
Bildarchiv ÖNB
n eine bildungsbürgerliche Wiener Familie geboren, studierte Stephan Brassloff an der Universität Wien Rechtswissenschaften, Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Klassische Philologie. Sein besonderes Interesse galt der Epigrafik, die ihm von Eugen Bormann (der als Ausgräber von Carnuntum berühmt wurde) nahegebracht wurde.
Stephan Brassloff
Am 14. August 1942 wurde Stephan Brassloff gemeinsam mit seiner Frau Ottilie nach Theresienstadt deportiert, wo beide ums Leben kamen.
Brassloffs publizistisches Oeuvre umfasst neben dem Römischen Recht und der Antiken Rechtsgeschichte auch jüdische Rechtsgeschichte und Rechtstheorie. Nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigte er sich zunehmend mit Fragen des geltenden Privatrechts und trat durch sozialreformerisch ausgerichtete Vorträge und Publikationen hervor. Neben der akademischen Lehre engagierte er sich zwanzig Jahre lang als ehrenamtlicher Rechtsberater in der Rechtshilfestelle der Stadt Wien und in der Erwachsenenbildung. Im März 1938 außer Dienst gestellt und am 1. Juni 1938 in den zeitlichen Ruhestand versetzt, wurde Stephan Brassloff am 21. März 1939 der Ruhegenuss aberkannt, sodass er von Fürsorgeleistungen der Israelitischen Kultusgemeinde abhängig wurde. Im November 1938 wurde
ihm seine Wohnung in der Gentzgasse 61/9 gekündigt. Danach war Brassloff in wechselnden Sammelquartieren untergebracht. Seine Bücher lagerte Brassloff zunächst bei einer Spedition, wohl hoffend, diese ins Exil mitnehmen zu können; die Emigration gelang ihm aber nicht mehr. Die sich rapide verschlechternden Vermögensverhältnisse zeigen sich in Brassloffs regelmäßigen Berichten an die Vermögensverkehrsstelle:
Schreiben Brassloffs an die Vermögensverkehrsstelle, 1939 (Transkript des handschriftlichen Briefes)
teXt Franz steFan meissel
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emigration und einzelschicksale
Todesfallsanzeige Hedwig Hammerschlag, 1942
Viktor Hammerschlag promovierte 1895 an der Universität Wien zum Dr. med. univ. Der bedeutende Ohrenheilkundler Adam Politzer (1835–1920) brachte ihn als Assistenten an das Wilhelminenspital, wo er bis 1936 als HNO-Facharzt tätig war. 1901 habilitierte sich Hammerschlag an der medizinischen Fakultät für Otologie (Ohrenheilkunde), 1912 wurde ihm der Titel eines Ao. Prof. verliehen. Viktor Hammerschlag engagierte sich politisch als Sozialdemokrat und war Mitglied des Wiener Gemeinderats. In der Freimaurerloge Zukunft übte er in den 1920er-Jahren die Funktion eines Meisters vom Stuhl aus. Ein Drittel der an der Universität Wien tätigen Mediziner wurde von den Nationalsozialisten in die Emigration getrieben, zumindest drei begingen Selbstmord und zumindest vier starben in Theresienstadt, unter ihnen Viktor Hammerschlag.
Meine sehr Verehrten! Hiermit sage ich Ihnen allen – auch Namens meiner Frau und meines Sohnes Peter – Dank und Lebewohl! […] spätestens am 20. Juni erfolgt der Transport nach TheresienstadtBöhmen. In einem späteren Zeitpunkte wird es mir wohl möglich sein, Ihnen unsere genauere Adresse mitzuteilen. Also nochmals viele herzliche Abschiedsgrüße […] Von Ihrem herzlichst ergebenen Viktor Hammerschlag
1938: Entziehung der Venia legendi „aus Gründen des öffentlichen Wohls“ teXt susanne gmoser
ÖStA, Allgemeines Verwaltungsarchiv
Viktor Hammerschlag
Am 20. Juni 1942 wurde Viktor Hammerschlag gemeinsam mit seiner Ehefrau Hedwig nach Theresienstadt deportiert, wo beide ums Leben kamen. Von den Söhnen Hammerschlags gelang Valentin die Flucht ins Exil nach Argentinien, während der bekannte Schriftsteller und Kabarettist Peter Hammerschlag am 17. Juli 1942 ins KZ Auschwitz verbracht und dort ermordet wurde.
Zehn Tage vor der Deportation Viktor Hammerschlags ins KZ Theresienstadt richtete dieser an Freunde folgenden Abschiedsbrief:
ÖStA, Allgemeines Verwaltungsarchiv
Foto: Willy Hlosta Wien / UAW / Univ. Wien
Nationalarchiv, Prag – Terezín Initiative Institute
Ao. Prof. für Ohrenheilkunde, Sozialdemokrat und Wiener Gemeinderat (1870 Leipnik – 1943 Theresienstadt)
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emigration und einzelschicksale
O. Prof. für Handels- und Wechselrecht und engagierter Kämpfer gegen antisemitisches Unrecht (1875 Wien – 1944 Theresienstadt) Nachdem ihm die Nationalsozialisten die Prunkstücke seiner beachtlichen Kunstsammlung abgepresst hatten, flüchtete er mit seiner Frau Hermine im Mai 1939 nach Zürich, wo sie abgewiesen wurden. Also mussten sie weiter in die Niederlande. Fluchtversuche nach England, in die USA und über Belgien nach Frankreich scheiterten.
We could not persuade father, who was one of the greatest pessimists, to put his and mother’s name down at any of the embassies. He insisted that he had his pension of his 35 years of professorship and he wasn’t going to live on other people’s charity. A month after I left for England his pension was withdrawn. By that time all the quotas for immigration at all the embassies were full. In May they got to Holland via Switzerland.
Father and mother had booked a flight for 9th September 1939 from Amsterdam […]. War broke out on September 3rd! Had the dates been in reverse they would have been safe in England. There were other near misses when almost in the last minute things went wrong. All their attempts to get to South America, hoping to get from there to the USA failed disastrously – until it was all too late.
Aus den unveröffentlichten Memoiren von Josef Hupkas Tochter Marie Parkinson
Aus den unveröffentlichten Memoiren von Josef Hupkas Tochter Marie Parkinson
A. J. Parkinson
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enige Wochen nach dem „Anschluss“ verlor Josef Hupka, seit 1915 Ordinarius für Handelsrecht, aufgrund der Rassengesetze seine Professur, im März 1939 wurde ihm nach 35 Dienstjahren die Pension gestrichen.
Die letzte Aufnahme von Hermine und Josef Hupka, 1942 in den Niederlanden
Im Frühjahr 1943 wurden sie in ihrem Amsterdamer Versteck festgenommen und nach Theresienstadt deportiert. Dort endete die Leidensgeschichte von Josef Hupka am 23. April 1944. Für seine Witwe war das Martyrium immer noch nicht vorbei: Sie wurde am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt, wo sie am 11. Oktober ermordet wurde. Hupka war nicht nur ein bedeutender Rechtswissenschafter, der sich schon mit 26 Jahren für Römisches und Deutsches Bürgerliches Recht und kurz darauf für Handelsrecht habilitierte. Als Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät im Studienjahr 1926/27 und auch in öffentlichen Stellungnahmen als Intel-
lektueller kämpfte er mutig gegen den Antisemitismus, der das universitäre Klima nach dem Ersten Weltkrieg mehr und mehr vergiftete. So war Hupka jener Professor, der 1930 die rassistische Studentenordnung Wenzel Gleispachs öffentlich kritisierte und mit seinen Argumenten zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof beitrug. teXt klaus taschWer
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emigration und einzelschicksale
Ao. Prof. für Indogermanische Sprachwissenschaft, Begründer der Albanologie und Bibliothekar der Universitätsbibliothek Wien (1877 Bisenz – 1942 Maly Trostinec)
Norbert Jokl
» Seine Geschichte
und die Geschichte seiner privaten Bibliothek gehören zu den unrühmlichsten Kapiteln österreichi scher Wissenschafts und Bibliotheksge schichte.
«
Mirjam Triendl/Niko Wahl, „ Arisierung" von Mobilien (2004)
1938 entzog ihm die Universität Wien die Venia legendi, enthob ihn vom Dienst und versetzte ihn in den Ruhestand. Im Herbst 1939 stellte Norbert Jokl auf Anraten seines Lehrers Paul Kretschmer ein Ansuchen auf „Gleichstellung mit Mischlingen ersten Grades“.
UAW / Univ. Wien
Foto: Fayer Wien / UAW / Univ. Wien
N
orbert Jokl studierte an der Universität Wien Rechts- und Sprachwissenschaften. Nach Studienabschluss wandte er sich der kaum erforschten albanischen Sprache zu, wobei ihm erstmals der Nachweis der Zugehörigkeit zur indogermanischen Sprachfamilie gelang. Schon während seines Studiums hatte Jokl begonnen, in der Universitätsbibliothek zu arbeiten, in deren Dienst er 35 Jahre bleiben sollte. 1913 für Indogermanische Sprachwissenschaften habilitiert, erhielt er 1923 den Titel eines Ao. Prof.
"...soll Dr. Norbert Jokl (…) in seiner Eigenschaft als Jude abtransportiert werden." Dekan Viktor Christian an SS-Hauptsturmführer Alois Brunner, 7. März 1942
ÖStA, Archiv der Republik
Jokls Ansuchen wurde durch den NS-Dozentenbundführer der Universität Wien, Arthur Marchet, abgelehnt. In der Folge versuchte Norbert Jokl noch, die Hilfe seiner ausländischen Kollegen bei der Suche nach einem Exilplatz in Anspruch zu nehmen. Er erhielt jedoch nur Absagen.
Verfallenes Vermögen des Norbert Jokl teXt susanne gmoser / michael a. matthiaschitz
Auch die Ernennung zum „Organisator der albanischen Bibliotheken“ durch das albanische Unterrichtsministerium im Jahr 1941 konnte Norbert Jokl nicht retten, da ihm die Ausreisegenehmigung nicht erteilt wurde. Am 6. Mai 1942 wurde er im Alter von 65 Jahren in das in der Nähe von Minsk gelegene Vernichtungslager
Maly Trostinec deportiert und dort ermordet. Obwohl er seinen Nachlass dem Staat Albanien vererbt hatte, sorgten Viktor Christian, Dekan der philosophischen Fakultät der Universität Wien, und Paul Heigl, Direktor der Nationalbibliothek, für dessen Verbleib im Deutschen Reich. Die wertvollen Bestände wurden beschlagnahmt und „arisiert”, 1942 der Nationalbibliothek „leihweise” übergeben und 1946 in deren Besitz übernommen. Christians Einflussnahme auf Jokls Deportation ist bis heute nicht hinreichend geklärt und wird kontroversiell beurteilt.
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emigration und einzelschicksale
O. Prof. und Vorstand des Laboratoriums für Chemische Technologie der Universität Wien (1872 Budapest – 1942 Theresienstadt)
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Foto: Theodor Bauer Wien / UAW / Univ. Wien
ls Sohn eines Fabrikanten in Budapest geboren, wo er 1889 mit Auszeichnung maturierte, belegte Pollak das Studienfach Chemie an der Universität Wien, wo er 1893 promovierte und sich 1901 für Chemie habilitierte. Während des Ersten Weltkriegs war Pollak zunächst als Artillerieoffizier und dann als Chemiker für die Landesverteidigung tätig. 1920 wurde ihm der Titel eines O. Prof. verliehen. 1922/23 initiierte Jacques Pollak die Einrichtung des Laboratoriums für Chemische Technologie, dessen Vorstand er wurde. Hier entfaltete er seine beachtliche wissenschaftliche Tätigkeit, die sich vorwiegend mit der Erforschung organischer Farbstoffe beschäftigte.
Foto: Susanne Gmoser (2014) / Univ. Wien
Jacques Pollak, 1927
Eine Gedenktafel im Eingangsbereich des Instituts für Chemie, Währingerstraße 42, deren Anbringung auf Initiative von Chemie-StudentInnen erfolgte, erinnert heute an seine Ermordung.
ÖStA, Archiv der Republik
Bereits im Studienjahr 1935/36 wurde Pollak vorzeitig in den dauernden Ruhestand versetzt. Er behielt aber einen kleinen Arbeitsraum im I. Chemischen Universitätsinstitut und konnte dort weiterhin forschen. Nach der NS-Machtergreifung 1938 kam es zur Entziehung seiner Venia
legendi. Das Betreten des Chemischen Instituts wurde ihm verboten. Im Juli 1942 wurde er gemeinsam mit seiner Frau Wilhelmine nach Theresienstadt deportiert. Jacques Pollak kam einen Monat später ums Leben. Wilhelmine Pollak starb Anfang September 1942.
Ausschnitt aus den Unterlagen, die Jacques Pollak der Vermögensverkehrsstelle Wien im Zuge seiner Vermögensanmeldung zukommen ließ. teXt susanne gmoser
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emigration und einzelschicksale
Ao. Prof. für Zoologie, Gründer, Leiter und Financier eines der innovativsten biologischen Forschungsinstitute Österreichs (1874 Wien – 1944 Theresienstadt)
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teXt klaus taschWer
himself was not only an eminent biologist but of benevolent, almost saintly disposition, rare among scientists, whose life ended in martyrdom.
«
Arthur Koestler: The Case of the Midwife-Toad
Hans Przibram, ein großer Biologe und von 1902 bis 1938 erfolgreicher Institutsleiter
Eine seiner letzten Nachrichten war eine Postkarte aus Amsterdam, auf die er am 21. April 1943 eine lapidare Mitteilung für seinen Bruder, den Physiker Karl Przibram, schrieb:
Lieber Karl! Wir sind aufgefordert worden, nach Theresienstadt zu fahren ... Bildarchiv ÖNB
Przibram studierte von 1894 bis 1899 an der Universität Wien Zoologie. 1902 erwarb der damals erst 28-jährige Forscher mit zwei befreundeten Botanikern – Leopold von Portheim und Wilhelm Figdor – das „Vivarium“ im Prater. Przibram investierte enorme Summen, um daraus ein weltweit führendes und hochinnovatives Institut für Experimentalbiologie zu machen: die Biologische Versuchsanstalt (BVA), die der Ao. Prof. für Zoologie an der Universität Wien 35 Jahre lang leitete und die Vorbild für ähnliche Einrichtungen weltweit wurde.
» Hans Przibram
Bildarchiv ÖNB
n der Geschichte dieses Landes hat wohl kein Forscher mehr eigenes Vermögen in die Wissenschaft gesteckt als Hans Przibram – der einzige Biologieprofessor einer deutschen oder österreichischen Universität, der in einem KZ den Tod fand. Przibram wurde nach dem „Anschluss” noch länger in Wien festgehalten, um ihm sein Vermögen abzupressen. Als er mit seiner Frau versuchte, aus den Niederlanden in die USA auszureisen, war es zu spät.
Die von Hans Przibram gegründete Biologische Versuchsanstalt im Prater
Etwas mehr als ein Jahr später fand das Leben von Hans Przibram sein tragisches Ende: Der international angesehene Biologe starb am 20. Mai 1944 in Theresienstadt, vermutlich an Unterernährung und Entkräftung, seine Frau Elisabeth beging einen Tag später Selbstmord. Przibram war aber nicht das einzige Shoah-Opfer seines Instituts. Neben seiner Frau wurden mindestens fünf weitere Forscherinnen und Forscher dieses Instituts, von denen die meisten an der Universität Wien promoviert hatten, in Konzentrations- und Vernichtungslagern umgebracht: Leonore Brecher, Henriette Burchardt, Martha Geiringer, Helene Jacoby und Heinrich Kun. Die Biologische Versuchsanstalt, die zumindest in ihren Anfangsjahren sehr eng mit der Universität Wien zusammenarbeitete, war damit jenes Forschungsinstitut in Österreich und Deutschland, das im Verhältnis zu seiner Größe die meisten NS-Opfer zu beklagen hatte.
Es scheint, dass mein Bruder durch die ganz unzureichende Nahrung zu schwach wurde, dass er schließlich ins Spital gebracht werden musste, wo er nach einigen Wochen starb. Die einzige Begünstigung scheint die gewesen zu sein, dass sie wenigstens Betten hatten. Ein Trost ist es noch zu wissen, dass sie nicht weiter in ein Vernichtungslager verschleppt worden sind.
Bruder Karl Przibram in einem Brief vom 23. August 1945
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emigration und einzelschicksale
Priv.-Doz. für Physiologie an der Medizinischen Fakultät (1872 Prag – 1943 Theresienstadt)
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elix Reach promovierte 1895 an der Universität Prag zum Doktor der gesamten Heilkunde. 1909 habilitierte er sich an der Hochschule für Bodenkultur in Wien für Physiologie des tierischen Stoffwechsels. 1919 wurde ihm von der Medizinischen Fakultät der Universität Wien die Venia legendi für Physiologie mit besonderer Berücksichtigung der Stoffwechselphysiologie verliehen. 1938 wurde diese widerrufen. Dozent Reach war Mitglied der Gesellschaft der Ärzte sowie der Gesellschaft für Innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien und Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen, vor allem zu Fragen der Ernährungs- und Arbeitsphysiologie. Der Physiologe wurde gemeinsam mit seiner Frau Theresia am 10. Juli 1942 aus Wien nach Theresienstadt verbracht, wo er am 1. oder 2. April 1943 verstarb. Theresia Reach kam bereits am 16. Jänner 1943 ums Leben.
ÖStA, Archiv der Republik
Im November musste ich schnell übersiedeln und wohne jetzt mit meiner Frau in einem kleinen Kabinett. […] Das bisschen Silber, das ich in meine provisorische Wohnung mitgenommen habe, liefere ich vorschriftsmäßig ab.
Felix Reach im Nachtrag zu seiner 1938 erfolgten Vermögensanmeldung Am 14. März 1939 macht er zu seiner bereits am 11. Juli 1938 der Vermögensverkehrsstelle Wien übermittelten Vermögensanmeldung ergänzende Angaben über seine ihm noch verbliebenen Wertgegenstände
teXt susanne gmoser
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emigration und einzelschicksale
Erste habilitierte Frau des deutschen Sprachraums, Ao. Prof. für Romanische Philologie (1865 Wien – 1943 Theresienstadt)
E
» Elise Richter hatte das
Wiener Bilder vom 18. September 1907
«
Frank-Rutger Hausmann, Vom Strudel der Ereignisse verschlungen (2000)
Mit Rücksicht auf das am 9. April d. J. ergangene Rundschreiben nehme ich an, dass ich zu meinem Bedauern nicht mehr in der Lage sein werde, meinem Lehrauftrag nachzukommen.
UAW / Univ. Wien
Wienbibliothek
Elise Richter, vermutlich 1907
Dekanat der phil. Fak. der Univ. Wien an Fr. Prof. Dr. Elise Richter, Wien 9. April 1938: Aufforderung, die Rassenzugehörigkeit am Dekanat der phil. Fak. ersichtlich zu machen
Wienbibliothek
Ich sagte dem Dekan Christian, ich hätte das Geheimnis nicht erfahren, wie man sich seine Großeltern aussuche […]
Elise Richter an den kommissarischen Dekan der phil. Fak. der Univ. Wien, Wien 12. April 1938
teXt susanne gmoser
Wienbibliothek
erreicht, was eine Frau in der männerbeherrschten akademischen Welt über haupt erreichen konnte, und noch mehr als das. Selbst Feinde des Frau enstudiums mussten ihre wissenschaftliche Könner schaft anerkennen.
lise Richter war eine der ersten Studentinnen und die dritte Frau, die an der Universität Wien promovierte (1901), zudem die erste Frau im gesamten deutschen Sprachraum, die sich habilitierte (1905, für Romanische Philologie). Sie erhielt jedoch erst 1907 vom Ministerium die Lehrbefugnis bestätigt und musste bis 1921 auf ihre Ernennung zum „Ao. Prof.“ warten (jedoch nur dem Titel nach, ohne die Bezüge einer Extraordinaria). Der Antrag, ihr eine ordentliche Professur zu verleihen, scheiterte am Widerstand der Professorenkurie. Als eine Art Kompensation wurde dem Antrag auf ZuerBrief des kommissarischen Dekans an kennung eines Verdas österreichische Bundesministerium vom 13. April 1938 sorgungsgenusses entsprechend ihrer Lehrtätigkeit als Titular-Extraordinarius 1935 einstimmig zugestimmt.
Dekanat der phil. Fak. der Univ. Wien an Fr. Prof. Dr. Elise Richter, Wien 23. April 1938; Erlöschen der Lehrbefugnis
Auch Elise Richter wird Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung.
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emigration und einzelschicksale
Elise Richter, Summe des Lebens
Leo Spitzer, ehemaliger Schüler Elise Richters in Wien, der nach 1945 an der Johns Hopkins University in Baltimore lehrte, schreibt 1948:
Wienbibliothek
Der Bücherverkauf bedeutet natürlich eine kleine Lebensverlängerung, jedenfalls eine Sterbenserleichterung für uns.
Exlibris der Richter-Bibliothek mit dem Lebensmotto von Elise Richter, der „Gaya Scienza“, der „fröhlichen Wissenschaft“
Mit 77 Jahren wurde Elise Richter zusammen mit ihrer Schwester Helene in einem Viehwagen nach Theresienstadt deportiert, wo Helene im November 1942 und Elise im Juni 1943 starb.
Elise Richter, Todesfallsanzeige aus dem Ghetto Theresienstadt, Juni 1943: Mit dem letzten großen Transport aus Wien trafen die Schwestern Elise und Helene Richter am 10. Oktober 1942 in Theresienstadt ein. Sie trugen die Nummern 598 und 599.
(…) dass ich Ihnen das Paket mit den biogr. Schriften mit dem größten Vergnügen aufhebe und dass ich froh bin, wenn ich Ihnen in diesen schweren Zeiten wenigstens damit behilflich sein kann! Christa Rohr von Denta in einem Brief an Elise Richter vom 7. März 1941
Das Herz krampft sich einem zusammen, wenn man an das Ende der beiden Achtzigjährigen in einem Nazilager denkt, die ihr Leben in bürgerlicher Geborgenheit und Achtung, in geistigem Streben, von zivilen Formen und Schönheit umgeben, verbracht hatten. In ihnen starb Österreich – es war schon lange vor ihrem Tod gestorben.
Leo Spitzer, In Memoriam Elise Richter (1948)
Foto: Fayer Wien / UAW / Univ. Wien
Christa Rohr von Denta, ehemalige Schülerin Elise Richters und Bibliothekarin an der Nationalbibliothek, hatte bereits 1941 einen Teil des Nachlasses zur Aufbewahrung übernommen, unter anderem die autobiografischen Aufzeichnungen Elise Richters.
Gerlinde Hanifl
Ich […] wartete längere Zeit auf bestellte Bücher, als ein neuer junger Beamter zu mir trat und fragte, ob ich denn nicht den Türanschlag gelesen hätte. Da stand, dass den nach dem Nürnberger Gesetz als Juden Geltenden der Eintritt ins Professorenzimmer sowie die Benützung der Bibliothek untersagt sei. Ich wollte wenigstens die bestellten Bücher abwarten […] Sie kamen und kamen nicht. Der so gefällige und flinke Diener, der mich immer besonders gut behandelt hatte, sagte mir mit einem eigentümlichen Gesichtsausdruck, er wisse nicht, warum sie nicht heraufgeschickt würden. Offenbar durfte er nichts bringen. So verließ ich das Haus meiner liebsten und teuersten Stunden, ging noch einmal durch den Arkadenhof, […] in tiefster Rührung und Schmerz.
1942 mussten Elise und ihre Schwester, die Anglistin Helene Richter, das Haus, in dem sie 47 Jahre gelebt hatten, verlassen. Ihre Existenznot zwang sie auch zum Verkauf der Bücher.
Nationalarchiv, Prag – Terezín Initiative Institute
Trotz der Einstellung ihrer Lehrbefugnis im April 1938 wollte Elise Richter weiterhin forschen. Ihren letzten Besuch der Universitätsbibliothek beschreibt sie eindrücklich:
Elise Richter, vermutlich um 1938
Heute erinnert der „Elise-Richter-Saal“ im Hauptgebäude der Universität und das „Elise Richter“-Förderungsprogramm des FWF für weibliche Senior Post Docs an diese Pionierin der Geisteswissenschaften. teXt susanne gmoser
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emigration und einzelschicksale
Priv.-Doz. für Zahnheilkunde und ehemaliger Leiter der Zahnärztlichen Ambulanz (1874 Wien – 1942 Theresienstadt)
Aufgrund seiner regen wissenschaftlichen Tätigkeit wurde er im Jahr 1916 zum Privatdozenten für Zahnheilkunde an der Universität Wien bestellt.
Seit 1903 führte er im 9. Wiener Gemeindebezirk eine Zahnarztpraxis, die er nach der NS-Machtübernahme gemäß der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens
Am 28. Juli 1942 wurde Fritz Schenk zusammen mit seiner Mutter Rosalie nach Theresienstadt deportiert, wo er am 16. August 1942 starb.
Auszug aus den Vermögensverzeichnissen, die Fritz Schenk der Vermögensverkehrsstelle zukommen ließ
teXt susanne gmoser
ÖStA, Archiv der Republik
ÖStA, Allgemeines Verwaltungsarchiv
ÖStA, Archiv der Republik
1894 trat Fritz Schenk nach seinem Studium an der medizinischen Fakultät der
von Juden vom 26. April 1938, veräußern musste.
Universität Wien in das Wiener Zahnärztliche Institut ein. Unmittelbar nach seiner Promotion 1899 übernahm er die Leitung der Zahnärztlichen Ambulanz, die er bis 1903 innehatte.
ÖStA, Archiv der Republik
F
ritz (Friedrich) Schenk findet sich auf der Liste jener Privatdozenten und TitularProfessoren der Wiener medizinischen Fakultät, denen es aus „rassischen“ Gründen nicht erlaubt war, den Dienst- bzw. Treueid auf den „Führer“ zu leisten und denen die Venia legendi entzogen wurde.
Einziehungserkenntnis betreffend das Vermögen des Fritz Schenk
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emigration und einzelschicksale
Alexander Spitzer
Spitzer ist ein Mann von überaus großer Bescheidenheit und von geradezu mustergültiger Einfachheit. Als ein allen äußerlichen Erfolgen abholder Mann hat er bisher aus reiner Liebe zur Wissenschaft gearbeitet.
1924 wurde Spitzer zum Ao. Prof. für Anatomie und Pathologie des Nervensystems ernannt, 1933 wurde er altersbedingt in den Ruhestand versetzt.
Lebenslauf Alexander Spitzers aus dem Jahr 1919 anlässlich seines Ansuchens um Erteilung der Lehrbefugnis
Bildarchiv Josefinum
Julius Tandler anlässlich des Ansuchens Alexander Spitzers um Erteilung der Lehrbefugnis an der Universität Wien
N
ach dem Besuch des Gymnasiums in Miskolc (Ungarn) inskribierte Alexander Spitzer Medizin an den Universitäten Heidelberg und Wien, wo er 1892 promovierte und sich für Anatomie habilitierte. Unter seinen Arbeiten ist vor allem die Theorie des nach ihm benannten „Spitzer'schen Bündels“ hervorzuheben, die Eingang in die medizinische Nomenklatur fand. ÖStA, Allgemeines Verwaltungsarchiv
Foto: Willy Hlosta Wien / UAW, Univ. Wien
Ao. Prof. für Anatomie und Pathologie des Nervensystems, Entdecker des „Spitzer'schen Bündels“ (1868 Miskolc – 1943 Theresienstadt)
1942 erfolgte seine Deportation nach Theresienstadt. Sein weiteres Schicksal war den Herausgebern des Totenbuches Theresienstadt nicht bekannt, in den
Personalblättern des Akademischen Senats der Universität Wien wird jedoch sein Todestag mit „16. Jänner 1943 (Theresienstadt)“ angegeben.
ÖStA, Archiv der Republik
Alexander Spitzer (4. Reihe, 4. von links) im Kreis seiner Kollegen (u.a. Sigmund Freud, 2. R., 3. v. r. und Julius Wagner-Jauregg, letzte R., 3. v. r.) im Rahmen der 66. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Wien (Psychiatrie und Neurologie), 1894 im Arkadenhof der Univ. Wien
Der Auszug aus den Vermögensverzeichnissen, die Alexander Spitzer der Vermögensverkehrsstelle zukommen ließ, ist ein weiteres Beispiel für die bis in die persönlichste Privatsphäre reichende materielle und existenzielle Entrechtung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden. Letztendlich erstreckte sich diese auf die Verwertung der körperlichen Überreste der Ermordeten in den Konzentrations- und Vernichtungslagern.
teXt susanne gmoser
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emigration und einzelschicksale
O. Prof. für Mathematik, Urheber der „Tauber-Theoreme“, Versicherungsmathematiker und Analytiker (1866 Preßburg – 1942 Theresienstadt)
teXt susanne gmoser
Theresienstadt”. Dort kam Alfred Tauber am 26. Juli 1942 ums Leben.
ÖStA, Archiv der Republik
Vor seiner Deportation musste Alfred Tauber seine Wohnung aufgeben und sein Eigentum veräußern. Eine geplante Auswanderung nach Südamerika scheiterte. Der Plan des 75-jährigen, international anerkannten Mathematikers, sich mit Hilfe seines dort lebenden Schülers Emil Schoenbaum als Hilfslehrer nach Ecuador zu retten, kam nicht mehr zur Durchführung.
Aufforderung der nationalsozialistischen Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Handel und Verkehr an Alfred Tauber, seine ausländischen Wertpapiere der Reichsbankstelle Wien anzubieten „und auf deren Erfordern zu verkaufen“, Wien am 5. August 1938
Auszug aus dem Totenbuch Theresienstadt, Eintrag Dr. Alfred Tauber (falsches Geburtsdatum!): Mit dem 2. Transport aus Österreich unter der Nr. 621 deportiert …
Archiv der ÖAW
Nachdem Tauber dem Rektor der Technischen Hochschule Wien mitteilen musste, dass der geforderte Nachweis seiner arischen Abstammung „leider nicht möglich” sei, fand sich sein Name auf der Liste jener, die nicht den Diensteid auf Adolf Hitler geleistet hatten – und später dann auf der Liste des „Totenbuchs
Alfred Tauber
Jüdisches Komitee für Theresienstadt
1919 wird Alfred Tauber zum O. Prof. ernannt. Daneben unterrichtete er ab 1899 auch als Honorarprofessor an der Technischen Hochschule (heute: TU Wien). 1933 aufgrund von Sparmaßnahmen emeritiert, hielt er jedoch noch bis 1938 Vorlesungen über Versicherungsmathematik.
UAW / Univ. Wien
A
lfred Tauber, Sohn eines Preßburger Holzhändlers, studierte ab 1884 an der Universität Wien bei Emil Weyr Mathematik sowie Physik. 1889 folgte seine Promotion, bereits zwei Jahre später habilitierte er sich für die gesamte Mathematik. Von 1892 bis 1908 arbeitete er als Chefmathematiker für die „k.k. private Lebensversicherungsanstalt Phönix“. In einer 1897 publizierten Schrift begründet er eine neue Richtung der Analysis, die später als „Taubersche Sätze“ bezeichnet wurde.
Brief Alfred Taubers vom 22. November 1941 an Frau Michalup, die Mutter von Dr. Erich Michalup, einem Schüler Taubers, mit dem er bis zu seiner Deportation in ständigem Kontakt stand
Die Mathematiker waren nur eine kleine Gruppe innerhalb der Uni versität, aber sie reicht bereits aus, um etwas von der Lückenlosigkeit der bürokratischen Schikanen zu vermitteln, mit denen die sogenannte Säuberung des Lehrkörpers und der Stu dentenschaft durchgeführt wurde. Univ.-Prof. Karl Sigmund in einem Interview mit dem ORF
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UAW / Univ. Wien
emigration und einzelschicksale
Das Hauptgebäude der Universität Wien wurde in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs von über 20 Bomben getroffen.
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ENTNAZIFIZIERUNG
Nach 1945 stand man an der Universität Wien vor dem Problem, dass fast drei Viertel der Professorenschaft NSDAPMitglieder oder Parteianwärter waren.
Eine Schlüsselrolle bei der glimpflichen Entnazifizierung an der Universität Wien kam dem Pädagogikprofessor Richard Meister zu. Meister, der sich lange vor 1938 aktiv in antisemitischen Zirkeln betätigt hatte und auch im Nationalsozialismus wichtige Positionen innehatte, war nach 1945 Prorektor der Universität. Für seine erfolgreichen Bemühungen um NS-belastete Kollegen wurde er 1948 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien mit einem juristischen Ehrendoktorat ausgezeichnet. 1949/50 wurde Meister Rektor der Universität Wien.
Auch als Folge des Nationalsozialistengesetzes 1947 und der „Minderbelastetenamnestie“ 1948 bedeutete die Entnazifizierung für einen beträchtlichen Teil der Professorenschaft der Universität grundsätzlich keinen Bruch. Man muss viel eher von einem vorübergehenden „Einbruch” sprechen, der „widrigenfalls” einige Jahre dauerte.
Konkret konnten 56 – also fast zwei Drittel – der 92 belasteten Professoren der Universität Wien ihre Laufbahn an einer österreichischen oder ausländischen Hochschule weiterführen, 30 von ihnen gelang dies an der Universität Wien. Beispielsweise setzten an der Philosophischen Fakultät 37 der 53 NS-Belasteten (70 Prozent) ihre Karrieren an Universitäten fort.
An der Wiener Universität ist seit dem Kriegsende der allmächtige Mann der Pädagoge Prof. Meister, der auch mich mit Beihilfe der übrigen Wegbereiter des Nazismus aus Wien weggeekelt hat.
Musikhistoriker Rudolf Ficker 1946 in einem Brief an den nach England geflüchteten Musikwissenschafter und Komponisten Egon Wellesz
Archiv der ÖAW
V
on den insgesamt 124 ordentlichen und planmäßig außerordentlichen Professoren des Jahres 1944 gehörten 92 Ordinarien (das sind 74 Prozent) der NSDAP als Mitglieder oder Anwärter an. Sie waren 1945 folglich mit Maßnahmen der Entnazifizierung konfrontiert, die unmittelbar nach 1945 recht streng gehandhabt wurden.
Vor allem dank der Amnestie der „Minderbelasteten“ 1948 gelang es der Mehrheit der früheren Parteigänger, ihre Karrieren fortzusetzen.
Richard Meister war mitverantwortlich dafür, dass die Entnazifizierung glimpflich ausfiel TEXT ROMAN PFEFFERLE / KLAUS TASCHWER
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ENTNAZIFIZIERUNG
Nur wenige Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universität Wien, die nach dem „Anschluss“ fliehen mussten oder schon vor 1938 emigriert waren, kehrten nach dem
Bildarchiv ÖNB
Das Unterrichtsministerium war damals ganz generell dem Katholizismus und dem Cartellverband verpflichtet, was auch Martin F. Herz, einem politischen Mitarbeiter der US-Gesandtschaft in Wien, nicht entging:
Geschickter Jongleur, wenn es darum ging, vorbelastete Professoren in einen christlich-konservativen Wertekanon zu reintegrieren: Otto Skrbensky
N
ach dem Zweiten Weltkrieg war Sektionschef Otto Skrbensky für die Hochschulen zuständig, und damit auch für die Entnazifizierung und die mögliche Rückkehr der emigrierten WissenschafterInnen. Skrbensky war im austrofaschistischen Ständestaat ab 1934 „Kommissär für die Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an den Wiener Hochschulen“ gewesen – und hatte diese von SozialistInnen und NationalsozialistInnen zu „säubern“. Dass die Entnazifizierung glimpflich ausfiel und RemigrantInnen unerwünscht waren, lag auch an ihm.
Ministry of Education: This ministry is the bulwark of the Cartellverband since Minister Hurdes himself is an Alter Herr (CV member). […] Perhaps the most powerful single official, however, is Sektionschef Dr. Otto Skrbensky, a CV member who controls university appointments. Part, at least, of the appalling decline of Austrian learning must be charged to the narrowly conservative orientation of these personalities.
Martin F. Herz 1948
Zweiten Weltkrieg zurück. Im Unterrichtsministerium setzte man auf konservative Kontinuitäten, die zu einer intellektuellen „Provinzialisierung“ in den Jahren nach 1945 führten.
Ein anderer Grund für die intellektuelle Provinzialisierung der Universität Wien in den Jahren nach 1945 war, dass man sich nicht um die Remigration der vertriebenen KollegInnen kümmerte. Rektor Adamovich waren zwar von den Alliierten 1946 zwei Listen mit 175 und dann mit 370 Namen von ForscherInnen überreicht worden, die 1938 von den Hochschulen vertrieben wurden und an einer Rückkehr interessiert waren. Doch von diesen kehrten bis Mitte 1947 nur vier Professoren und eine Dozentin zurück. Sowohl im Unterrichtsministerium wie auch an der Universität Wien wurde der „Bedarf“ an RemigrantInnen als gering eingeschätzt – zumal die Entnazifizierung nicht allzu viele „Opfer“ forderte. Zu den ganz wenigen RückkehrerInnen zählten die Physiker Karl Przibram, Felix Ehrenhaft und Erwin Schrödinger, sowie der Chemiker Engelbert Broda. Ehrenhaft, der ab 1947 wieder an der Universität Wien tätig war, erhielt allerdings nur den Status eines Gastprofessors, weshalb ihm später die Pensi-
on verweigert wurde. Engelbert Broda, 1947 aus dem Exil in England nach Wien remigriert, habilitierte sich 1948 – und musste dann bis 1964 warten, ehe er eine bezahlte Ao. Professur an der Universität Wien erhielt. Schrödinger kehrte erst 1956 nach Österreich zurück, wenige Jahre vor seinem Tod. TEXT ROMAN PFEFFERLE / KLAUS TASCHWER
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UNIVERSITÄRE ZEITGESCHICHTE
Rund um die Bundespräsidentschaftswahl Kurt Waldheims 1986 kam es zu einer offenen Debatte um Österreichs Beteiligung und Mitschuld am Nationalsozialismus.
Mitverantwortung für das Leid, das … Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben.
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Franz Vranitzky
Univ. Wien
text SUSANNE GMOSER / Franz STEFAN MEISSEL
Jurist Raoul Kneucker, Physiker Harry Lustig, Judaistin Eveline Goodman-Thau, Zeithistoriker Oliver Rathkolb und Literaturwissenschafterin Ruth Klüger beim Symposium „Österreich und der Nationalsozialismus: Die Folgen für die wissenschaftliche und humanistische Bildung“ (5.–6. Juni 2003)
» Es gibt eine
In Abkehr von der lange offiziell vertretenen Opferthese sprach Bundeskanzler Franz Vranitzky am 8. Juli 1991 in einer Rede vor dem Nationalrat von einer Mitschuld vieler Österreicher und Österreicherinnen an den Verbrechen des NS-Regimes:
Historiker Gerald Stourzh, Rektor Georg Winckler und Zeithistorikerin Erika Weinzierl beim Symposium „Österreich und der Nationalsozialismus. Die Folgen für die wissenschaftliche und humanistische Bildung“ (5.–6. Juni 2003)
Univ. Wien
D
er Umgang der Universität Wien mit ihrer eigenen Geschichte vor, während und nach der NS-Machtergreifung verlief ähnlich wie der gesamtgesellschaftliche Diskurs: Noch bei der 600-Jahre-Feier der Universität 1965 handelte es sich um ein Thema, über welches man den Mantel des Schweigens legte. Die Verstrickungen vieler Uni-Angehörigen und die rassistischen und antisemitischen Umtriebe vor 1938 blieben ausgeblendet. Ein deutlicher Wandel setzte erst ab der Mitte der 1980er-Jahre ein.
Das österreichweit begangene „Gedenkjahr 1988“ führte auch an der Universität Wien zu einer Reihe von Projekten, Symposien und Publikationen, in denen eine zunehmend (selbst-)kritische Untersuchung der universitären Zeitgeschichte ihren Ausdruck fand. Einen Meilenstein bildete das von Friedrich Stadler herausgegebene mehrbändige Sammelwerk „Vertriebene Vernunft“ (1987/88, Neuaufl. 2004), welches der Emigration und dem Exil österreichischer WissenschafterInnen 1930– 1940 gewidmet ist. Spezifisch zur Geschichte der Universität
Wien erschienen 1989 der von einem Team rund um Gernot Heiss edierte Band „Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938–1945“ sowie „Vertriebene Intelligenz 1938“ (1990, 2. Aufl. 1993) von Kurt Mühlberger. Eine Reihe von Tagungen und Sammelbänden widmete sich der NSGeschichte unter fächer- und fakultätsspezifischen Gesichtspunkten, stellvertretend sei nur Mitchell Ash/Wolfram Nieß/ Ramon Pils (Hg), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus (2010) genannt.
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UNIVERSITÄRE ZEITGESCHICHTE
Das Fortwirken totalitären Gedankenguts nach 1945
» Lange Zeit wurde
I
n der Folge gelangten die Kontinuitäten und Zäsuren vor 1938 und nach 1945 ins Blickfeld, wofür z.B. Margarete Grandner, Gernot Heiss und Oliver Rathkolb (Hg), „Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945–1955“ (2005) sowie das 2014 publizierte Buch von Roman und Hans Pfefferle „Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren“ zu nennen sind.
Die US-amerikanischen Planungen zur demokratischen Neuausrichtung der Wissenschaft in Österreich nach Ende der NS-Herrschaft untersuchte jüngst Christian H. Stifter, „Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration“ (2014).
die konservative bis provinzielle Wissenschaftskultur der Aufbaujahre nach 1945 zu wenig hinsichtlich der Konservierung und Tradierung von überkommenen Inhalten analysiert, die im Kern totalitäre Tendenzen beinhaltet haben und die Universität noch weiter von der gesellschaftlichen Entwicklung entfernt haben.
Auch der Titel „Vertriebenes Recht – Vertreibendes Recht“ der 2009 organisierten Ringvorlesung zur Geschichte der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (Publ. 2012) deutet an, dass das gesamte Spektrum der Handlungsspielräume der Akteure ausgelotet werden soll.
Auch den Biografien von Studierenden schenken ZeithistorikerInnen verstärkt Aufmerksamkeit, so z.B. Andreas Huber/ Katharina Kniefacz/Alexander Krysl/Manès Weisskircher, „Universität und Disziplin. Angehörige der Universität Wien und der Nationalsozialismus“ (2011) und Herbert Posch/Doris Ingrisch/ Gert Dressel „‚Anschluss’ und Ausschluss 1938“ (2008). Der Untertitel „Vertriebene und verbliebene Studierende“ zeigt, dass die Geschichte der NSTäter und -Mitläufer in den Fokus der Forschungsinteressen rückt.
„Selbstgleichschaltung“ – Vertriebene und Vertreibende
» Die Vertreibung
«
Oliver Rathkolb, Univ.-Prof. am Institut für Zeitgeschichte
Vielfältige Bezüge zur NS-Geschichte der Universität Wien finden sich auch in Johannes Feichtinger/Herbert Matis/Stefan Sienell/Heidemarie Uhl (Hg), „Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945“ (2013).
In ihrer Untersuchung zur Wiener Juristenfakultät 1918–1938 mussten Olechowski, Ehs und Staudigl-Ciechowicz immer wieder feststellen, wie sehr das Fakultätsgeschehen, etwa bei der Berufung neuer Professoren, von antisemitischen Strömungen beeinflusst war.
und Vernichtung von WissenschafterInnen und Studierenden sowie die Umgestaltung der Universität zur NS-Institution ab 1938 sollte als Machtübernahme von unten, von oben, von innen und von außen betrachtet werden – „Selbstgleichschaltung“ der Universitätsangehörigen, unter denen antisemitisches, deutschnationales und antidemokratisches Gedankengut bereits zuvor weit verbreitet gewesen war, und „Gleichschaltung“ durch die neuen Machthaber gingen Hand in Hand und ergänzten einander.
«
Katharina Kniefacz, Wiss. Mitarbeiterin am Forum Zeitgeschichte
text SUSANNE GMOSER / Franz STEFAN MEISSEL
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UNIVERSITÄRE ZEITGESCHICHTE
Institutionalisierung und Professionalisierung der universitären Zeitgeschichte
Für ausführlichere Informationen siehe die folgenden Links:
forum-zeitgeschichte.univie.ac.at/literatur
Univ. Wien
U
m die Aufarbeitung der vielschichtigen Dimensionen der Geschichte der Universität im 20. und 21. Jahrhundert bemüht sich in institutionalisierter Weise das von Friedrich Stadler geleitete Forum „Zeitgeschichte der Universität Wien“. Dieses hat Projekte wie „Vertreibung der Studierenden der Universität Wien 1938“, „Eliten/dis/kontinuitäten in der Zweiten Republik“ sowie die Erstellung des „Gedenkbuches für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938“ durchgeführt. Die wissenschaftliche und künstlerische Neu-Kontextualisierung des „Siegfriedskopfes“ sowie die Gedenkveranstaltung anlässlich der Wiederverleihung der rund 200 im Nationalsozialismus aus „rassischen“, politischen oder damaligen strafrechtlichen Gründen aberkannten akademischen Grade, wurden vom „Forum Zeitgeschichte” organisiert bzw wissenschaftlich begleitet.
Team des Forum „Zeitgeschichte der Universität Wien”: Projektleiter Friedrich Stadler, Katharina Kniefacz und Herbert Posch
gedenkbuch.univie.ac.at
exilforschung.ac.at
photoglas.com Projekt Siegfriedskopf
Univ. Wien
Erinnerung und Mahnung
text SUSANNE GMOSER / Franz STEFAN MEISSEL
Das handgeschriebene „Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938“ wird als „Teil des kollektiven Gedächtnis- und Erinnerungsraumes der Universität“ (Rektor Heinz W. Engl) im Denk-Mal Marpe Lanefesch, dem ehemaligen jüdischen Bethaus des Allgemeinen Krankenhauses, am Campus der Universität Wien aufbewahrt und als Datenbank online gestellt. Ein Großteil der rund 2.700 Vertriebenen wurde bereits aufgenommen. Die Konzeption des Projekts als offener Forschungsprozess macht es möglich, laufend Ergänzungen vorzunehmen.
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UNIVERSITÄRE ZEITGESCHICHTE
Ein Appell für Toleranz und Humanität in einem geeinten Europa
D
ie 2002 gegründete Österreichische Gesellschaft für Exilforschung versteht sich als Plattform für die Aufarbeitung von Exil und Migration in zeitgeschichtlicher, politischer und kultureller
Hinsicht und ist die einzige einschlägige gesamtösterreichische, international und interdisziplinär ausgerichtete Initiative. Mit der Einrichtung dieses Zusammenschlusses von Exilierten, ForscherInnen und interessierter Öffentlichkeit
soll ein wissenschaftlicher, aber auch gesellschaftspolitischer Beitrag zur Aufarbeitung und Kontextualisierung der Bedeutung und des Ausmaßes von Vertreibung, Flucht und Exil für die Betroffenen geleistet werden.
» Schlussstriche dürfen um
unserer Zukunft willen nirgends gezogen werden, auch und erst recht nicht in der Exilforschung, in der es noch sehr viel aufzuarbeiten gibt – und nicht nur von Historikern.
«
Erika Weinzierl, 2003
Antovas Projekt, das »auchMinna die Israelitische Kultusge-
meinde unterstützt, hat große Attraktivität, weil sie eine Stätte des Gedenkens und Bedenkens schafft, gleichzeitig ermöglicht sie, dieses sehr geschichtsträchtige Gebäude einer sensiblen kulturellen Nutzung zuzuführen.
«
Univ. Wien
Johann Jurenitsch, Vizerektor der Universität Wien 2000–2011
Innenraum des Denkmals, Minna Antova im Hintergrund
Der heute im Universitätscampus Hof 6 gelegene Pavillon wurde 1903 als Bethaus im Alten Allgemeinen Krankenhaus für PatientInnen jüdischen Glaubens nach einem Entwurf Max Fleischers errichtet. 1938 wurde das Bethaus beim Novemberpogrom von Nationalsozialisten geschändet. Nach der Übernahme des Alten AKH gestaltete die Künstlerin Minna Antova das Bethaus um. 2005 wurde das Denk-Mal Marpe Lanefesch (hebräisch: „Heilung für die Seele“) eröffnet. Seither dient es als Aufbewahrungsort des Gedenkbuchs für die Opfer des Nationalsozialismus und als vieldimensionaler Bedeutungsort, als eine „Stätte des Gedenkens und Bedenkens“.
Univ. Wien
„Stätte des Gedenkens und Bedenkens”
Der Wiener Stadtrat für Kultur und Wissenschaft, Andreas Mailath-Pokorny, Minna Antova und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Ariel Muzicant (von li. nach re.), bei der Eröffnung des künstlerisch neu gestalteten ehemaligen Bethauses Marpe Lanefesch im Oktober 2005.
text SUSANNE GMOSER / Franz STEFAN MEISSEL
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UNIVERSITÄRE ZEITGESCHICHTE
Die Verlegung und Kontextualisierung des „Siegfriedskopfes” (2006)
D
text SUSANNE GMOSER / Franz STEFAN MEISSEL
Jeden Samstag hatten die deutschnationalen Studenten der schlagenden Verbindungen ihren Korso in den Wandelgängen der Universität. Anschließend stürmten sie die Hörsäle mit dem Ruf: ‚Juden raus!‘ Ich wusste von keinem Professor, der sich ihnen entgegengestellt hätte. Univ. Wien
Auf der Außenhülle finden sichAuszüge aus der Autobiografie der jüdischen Studentin Minna Lachs, in der Gewaltaktionen deutschnationaler Studierender gegen jüdische Kommilitonen auf Universitätsboden in den 1920erJahren geschildert werden. Diese Installation befindet sich nun im hinteren Teil der Grünfläche des Arkadenhofs.
Atelier Photoglas
er 1923 in der Aula der Universität zentral aufgestellte „Siegfriedskopf“ ist aufgrund seiner Geschichte deutschnational, antisemitisch, revanchistisch und xenophob konnotiert. Seine Entfernung wurde jahrzehntelang gefordert, aber erst im Jahr 2006 in Form einer künstlerischen Intervention von Bele Marx & Gilles Mussard/Atelier Photoglas vollzogen: Das Denkmal wurde in seine drei Bestandteile zerlegt und unter einen Glassturz gestellt, auf dem zeitgenössische Texte den politischen Kontext der ursprünglichen Aufstellung thematisieren. Falls angegriffen, würde sich die Schrift-Skulptur „verteidigen”.
Minna Lachs
Bele Marx & Gilles Mussard haben den „Siegfriedskopf” von seinem Sockel „gestürzt” und ihn mit einer Schrift ummantelt. Diese Schrift dominiert die Skulptur und schildert antisemitische Übergriffe an der Universität Wien in den 1920er-Jahren, die vor allem die Gruppe zu verantworten hatte, die den „Siegfriedskopf” finanzierte. In subtiler Weise „antwortet” und „verteidigt sich” die Schrift-Skulptur, wenn notwendig, auf mögliche Eingriffe und lässt die Erzählung akkurat und von Mal zu Mal stärker hervortreten.
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UNIVERSITÄRE ZEITGESCHICHTE
Aus Österreich vertriebene Wissenschafter, von denen die Welt spricht … Neue Ehrendoktoren: Alfred Bader, Walter Kohn und Peter Pulzer (4. Dezember 2012)
Univ. Wien
Univ. Wien
Vortrag, Film und Diskussion von und mit Peter Pulzer an der Universität Wien: „Die Juden als Minderheit in Europa" (12. November 2013)
Univ. Wien
Von links nach rechts: Rektor Heinz W. Engl, Dekanin der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät Claudia Theune-Vogt, der Historiker und Politikwissenschafter Peter Pulzer, der Leiter des Forums Zeitgeschichte Friedrich Stadler, der Physiker Walter Kohn und der Dekan der Fakultät für Physik Markus Arndt bei der Übergabe der Ehrendoktorate am 4. Dezember 2012.
Der US-amerikanische Physiker Walter Kohn, der 1938 aus Wien emigrieren musste, und Rektor Heinz W. Engl bei der Übergabe des Ehrendoktorates.
Verleihung des Ehrendoktorats an Carl Djerassi (5. Juni 2012)
Eric Kandel bei der Antisemitismus-Konferenz der Universität Wien: „Der lange Schatten des Antisemitismus” (11. Oktober 2012)
Univ. Wien
Univ. Wien
Peter Pulzer, renommierter britischer Historiker und Antisemitismusforscher an der Universität Oxford (hier vor dem All-SoulsCollege), musste 1939 mit seiner Familie Wien verlassen.
Der Neurowissenschafter und Nobelpreisträger für Physiologie/Medizin (2000) Eric Kandel, der 1939 mit seiner Familie aus Wien vertrieben wurde und in die USA emigrierte.
Der weltberühmte Chemiker und Schriftsteller Carl Djerassi, der 1938 vor den Nationalsozialisten flüchten musste, über London in die USA emigrieren konnte und seit 1959 an der Stanford University Chemie lehrte, und Bundeskanzler Werner Faymann bei der Verleihung des Ehrendoktorats am 5. Juni 2012.
text SUSANNE GMOSER / Franz STEFAN MEISSEL
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nerungspolitik‘ verstehe ich eine nach außen gerichtete, bewusste Steuerung der Memorial- und Erinnerungskultur (die Gesamtheit aller universitären Ehrungen, Gedenkorte, Gedenkanlässe sowie geehrten Personen, denen im Rahmen von Denkmälern, Institutsgalerien, Raumbenennungen etc. gedacht wird) und aktive Bemühungen um eine zeitgemäße Selbstrepräsentation und -positionierung der Universität – nicht zuletzt in politischer Hinsicht.
» In Bezug auf die Uni-
Univ. Wien
Univ. Wien
rungspolitik‘ verbinde? Ideologiekritik, zunehmend aber auch Ideologieproduktion. Problematisch beim Projekt der Erinnerungspolitik ist außerdem, dass der Fokus recht einseitig auf die ‚Kopfgeburten‘ gelegt wird, materielle und soziale Verhältnisse und Beziehungen sind meines Erachtens wichtiger.
«
Margarete Grandner, Ao.Univ.Prof.in am Institut für Geschichte und am Institut für Internationale Entwicklung
Georg Winckler, Rektor der Universität Wien 1999–2011
Katharina Kniefacz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forum „Zeitgeschichte der Universität Wien“
versität hat Erinnerungsgeschichte die Aufgabe, sich u.a. mit der Art der Universitätsgeschichtsschreibung in der Zweiten Republik kritisch und reflexiv auseinanderzusetzen; was wird von wem wie behandelt? Was wird nicht erwähnt?
text SUSANNE GMOSER / Franz-STEFAN MEISSEL
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Mitchell Ash, Univ.-Prof. am Institut für Geschichte
das leitende Prinzip jeglicher wissenschaftlicher Tätigkeit. Dieser Grundsatz verpflichtet die Universität, auch ihre eigene Vergangenheit zu erforschen. Die Universität Wien hat sich offiziell zu ihrer Mitschuld und Mitverantwortung bekannt. Dieses Bekenntnis ist auch eine Selbstverpflichtung, ohne jede Einschränkung, ohne Rücksicht auf Eigeninteressen die Geschichte der Universität Wien in der Zeit des Nationalsozialismus zu erforschen.
» Was ich mit ‚Erinne-
Worauf wurde zu welchem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit gelenkt? Erinnerungspolitik lässt sich als ein daraus abgeleitetes Handeln seitens der Universitätsorgane verstehen.
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Johannes Feichtinger, Univ.-Doz. an der Universität Wien und Wissenschaftshistoriker an der ÖAW
Univ. Wien
rungspolitischen Arbeit große Bedeutung zu, denn es gilt der Tendenz entgegenzuwirken, alles ‚heutig‘ werden zu lassen, als gäbe es keine Geschichte und als hätte diese reale Vergangenheit keine Weiterwirkung auf die Gegenwart. Unter ‚Erinnerungspolitik‘ verstehe ich nicht nur die rituelle Wiederholung von inzwischen wohlfeil gewordenen Sentiments – sind wir doch alle gegen Diskriminierung und Gewalt! – sondern die ungleich härtere Arbeit einer sorgfältigen Aufarbeitung der sorgsam konstruierten Karrierekontinuitäten nach 1945 und der darauf aufbauenden wissenschaftlichen Schulbildungen – also der bewusst gewählten Provinzialität, die bis in die 1970er-Jahre und zum Teil noch länger andauerte.
» Unter dem Begriff ‚Erin- » Wahrheitsfindung ist
Foto: Thomas Olechowski (2009)
» Ich messe der erinne-
Univ. Wien
Univ. Wien
UNIVERSITÄRE ZEITGESCHICHTE
» Erinnerungspolitik – Ich
verwende diesen Begriff nicht, weil das Konzept der ‚Erinnerung‘ sehr stark auf individuelle und soziale Verarbeitungen abstellen sollte. Ich glaube, dass die kritische inhaltliche Auseinandersetzung mit der nachhaltig in der Gegenwart nachwirkenden Vergangenheit konziser mit Geschichtspolitik umschrieben werden kann."
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Oliver Rathkolb, Univ.-Prof. am Institut für Zeitgeschichte
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Hauptgebäude in der Zeit des Nationalsozialismus, 1943
UAW / Univ. Wien
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Universität Wien am 17. März 1938: NS-Kundgebung, bei der Gauleiter Josef Bürckel in der Aula neben dem "Siegfriedskopf" eine Rede hielt.