DAS CHRISTENTUM ALS „MOTOR“ DER MODERNE – HEFT 13
Das 'C' und Kulturdialog Wilhelm Staudacher / Angelika Klein / Markus Goller
Das 'C' und Kulturdialog Wilhelm Staudacher / Angelika Klein / Markus Goller
Angelika Klein: „Europa muss mit beiden Lungenflügeln atmen“. Ost- und Westkirchen im Gespräch
Positionspapier von Rom der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Dialog mit der Orthodoxie Als Papst Johannes Paul II. das so treffende und seitdem immer wieder gebrauchte Bild von den zwei Flügeln einer Lunge, welche Europa beide zum Atmen benötige, zum ersten Mal verwendete, zog sich noch eine Bruchstelle durch Ost und West, war der Kontinent durch einen eisernen Vorhang geteilt. In diesem Jahr gedenken wir der siebzig Jahre, vor denen der Krieg, der für diese Teilung verantwortlich war, ausgebrochen ist. Und wir feiern zwei Jahrzehnte seit dem Fall der Mauer, der die Teilung wieder aufgehoben hat. Was für Konrad Adenauer, Robert Schumann und Alcide De Gasperi noch ein Traum gewesen ist, ist inzwischen Realität geworden. Und die Bruchlinie, die auch eine konfessionelle war, weitgehend aufgehoben: Seit dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens gehören rund 40 Millionen orthodoxe Christen zur Europäischen Union und prägen das Gesicht des neuen Europa mit - Griechenland, Zypern und die stetig wachsenden orthodoxen Diasporagemeinden nicht zu vergessen. Nicht nur durch die Osterweiterung der Europäischen Union ist der Ausspruch, „Europa endet dort, wo die Orthodoxie beginnt“, unhaltbar geworden. Und dennoch ist diese Haltung noch weit verbreitet, ist Europa für viele „Westeuropa“ geblieben. Die politische Wende ist vollzogen, der geistig-kulturelle Wandel aber steht noch weitgehend aus. Ost und West begegnen sich, aber sie kennen sich kaum. Die neuen Nachbarn werden nach wie vor mit Skepsis betrachtet, die orthodoxen Kirchen als ein Fremdkörper des 21. Jahrhunderts wahrgenommen. Doch könnten gerade sie zu einem integrierenden Faktor des europäischen Geisteslebens werden, der das
Zusammenwachsen
unterstützt
und den gesellschaftlichen
und
politischen Diskurs bereichert und erneuert. Und zwar auf der Basis des gemeinsamen Wertefundaments, das Ost und West verbindet und das ein christliches ist: Wir teilen das gleiche Menschenbild, die gleichen christlichen Grundwerte. Das europäische Haus ist auf diesem Fundament gebaut, das Christentum der geistige Kitt, der es zusammenhält. Doch wir teilen nicht nur dieselben Werte, wir begegnen auch denselben Schwierigkeiten: Die Herausforderungen der Moderne, die Folgen der Globalisierung betreffen West wie
Ost. „Noch sind unsere Kirchen voll“, mag es bei einigen unserer östlichen Nachbarn noch heißen, noch habe die Orthodoxie ihre große Bindekraft vielerorts noch nicht verloren. Aber die Zeit beginnt bereits, ihre Zeichen zu setzen. Die unmittelbar nach der Wende einsetzende Renaissance der Religiosität im Osten ist bereits im Abklingen begriffen. Säkularismus
und
Pluralismus,
Weltanschauungen
und
Orientierungsbedarf,
die
Begegnung
Lebensmodellen,
machen
eine
mit
anderen,
erzeugen
erneute
auf
Reflektion
konkurrierenden beiden
Seiten
Basis
unserer
der
handlungsleitenden Grundwerte notwendig - auch und vor allem in Politik und Gesellschaft. Wir
teilen
ein
gemeinsames
Wertefundament,
wir
begegnen
gemeinsamen
Herausforderungen - somit müssen wir auch gemeinsam die noch offene, die große Zukunftsfrage angehen, wie das Gesicht Europas künftig aussehen könnte, und gemeinsam die Initiative ergreifen, es mit zu formen, dieses neue Europa nicht nur zu verwalten, sondern auch zu gestalten. Auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Wertorientierung können die Kirchen also in doppelter Hinsicht - sowohl in der geforderten Orientierungsleistung der Moderne wie auch für die Integrationsleistung im europäischen Einigungsprozess - für die Politik Grundpfeiler und Partner sein. Somit ist es nicht nur hilfreich, sondern geradezu unerlässlich, Ost und West auch kulturell in einen Dialog zu bringen. Für die politische und gesellschaftliche Dimension bedeutet dies konkret: Auf nationaler und europäischer, aber zunehmend ebenso globaler Ebene, geht es immer mehr auch um komplexe, teilweise neue ethische Fragestellungen, die einer Antwort bedürfen. Diese Antwort muss eine an christlichen Grundwerten orientierte Politik mit gemeinsamen handlungsleitenden Werten sein: Die Achtung der Menschenwürde und der Schutz
der
Nächstenliebe.
Menschenrechte, Diese
die
neuzeitlichen
Bewahrung
der
Ideale
Errungenschaften
und
Schöpfung,
Solidarität sind
aus
und dem
christlichen Gedankengut erwachsen, ihm liegen die konstituierenden Werte unseres sozialen und politischen Lebens zugrunde: die Bedeutung des Individuums in seiner Personalität, die Ideale von Freiheit und Selbstbestimmung - gepaart mit Gerechtigkeit und Verantwortung sowie der sozialen Verpflichtung für die Gemeinschaft und das Gemeinwohl. Dieses
Wertefundament
ist
die
Grundlage,
auf
der
sich
der
europäische
Integrationsprozess zeigt und gelingt. Die christlichen Kirchen im Westen haben sich als Dialog- und Reibungspartner für Politik und Gesellschaft bewährt. Vor allem in sozialethischen Fragen machen sie ihre Anliegen geltend und bringen sich in den politischen Diskurs mit ein. Die orthodoxen Kirchen stehen diesbezüglich noch am Anfang. Nach den Zeiten des Umbruchs in ihren jeweiligen Transformationsländer ist ihre Rolle in der neuen
Zivilgesellschaft noch vielfach ungeklärt. Hierin liegt aber auch eine unschätzbare Chance - die Gelegenheit, sich einzubringen und einen signifikanten Beitrag dazu zu leisten, das geistig-moralische hinterlassen
Vakuum,
haben,
mit
das
Inhalten
Jahrzehnte zu
füllen
kommunistischer
Zwangsherrschaft
und
der
den
Kurs
Gesellschaft
mitzubestimmen. Die Möglichkeit, Antworten zu geben - auch und vor allem dort, wo eine enthemmte und schrankenlose Konsumherrschaft, als die sich der postkommunistische Kapitalismus zuweilen zeigt, sie schuldig bleiben muss. In Spannungsregionen entdecken die Kirchen zudem ihr friedensförderndes Potential und leisten einen Beitrag zur Verständigung, Versöhnung und Stabilität in ihrem Land. Die orthodoxen Kirchen beginnen, ihre gesellschaftliche Prägekraft und ihr erhebliches Gestaltungspotential zunehmend zu erkennen und suchen den Dialog auch über ihre geistlich-religiöse Bestimmung hinaus. Auf der Grundlage der Überzeugung, dass die christlichen Kirchen erheblich zu einer konstruktiven Entwicklung der Gesellschaft beitragen können und sollen, unterstützt die Konrad-Adenauer-Stiftung seit nunmehr vielen Jahren diesen gesellschaftlichen und politischen Dialog. Die Förderung einer christlichen Soziallehre der orthodoxen Kirchen steht dabei im Mittelpunkt. Als erste und bisher einzige hat die Russische Orthodoxe Kirche zur Jahrtausendwende zu einer auch systematisch und programmatisch formulierten Sozialdoktrin gefunden, die von der Konrad-Adenauer-Stiftung ins Deutsche übersetzt und herausgegeben worden ist. Damit liegt
die
erste
grundsätzlichen
kirchenamtliche und
aktuellen
Stellungnahme
politischen,
der
Orthodoxie
gesellschaftlichen
und
überhaupt
zu
wissenschaftlich-
kulturellen Fragen vor. Das zweite sozialethische Dokument der ROK bezüglich der Grundlagen ihrer Lehre „über die Würde, die Freiheit und die Menschenrechte“, knüpft hieran an und wurde im Juli 2008 ebenfalls von der KAS in deutscher Sprache herausgegeben und einem breiteren Kreis zugänglich gemacht. Diesen Dokumenten kommt im Dialog zwischen Ost und West eine bedeutende Rolle zu der interkonfessionelle und interreligiöse sozialethische Diskurs ist damit um eine dritte Dimension reicher. Doch auch andere orthodoxe Kirchen und Stimmen setzen sich damit vermehrt auseinander und erkennen die Möglichkeit als Chance, sich ebenfalls Gehör zu verschaffen, um auch ihre eigenen Antworten auf Fragen der Zeit systematisch und programmatisch zu reflektieren und einzubringen. Es gilt, sie alle in den europäischen Gestaltungsprozess mit einzubinden, die vielfältigen und heterogenen byzantinischen und römisch-lateinischen Stimmen miteinander ins Gespräch zu bringen. Denn ihre Vielheit sieht sich in eben jener Einheit aufgehoben, welche Europa ausmacht, ihre Dialekte in jener Sprache, die ihre gemeinsame Muttersprache ist. Denn „das Christentum ist die Muttersprache Europas“, wie es Johannes Paul II. einmal gesagt hat.
Ost trifft West: Mit Johannes Paul II. hat dieser Dialog schon lange vor der eigentlichen politischen Wende begonnen. Als Karol Woytila 1978 zum Papst gewählt wurde, trat mit ihm seit mehr als vier Jahrhunderten nicht nur ein Nichtitaliener, sondern auch zum ersten Mal ein Slawe aus einem kommunistischen Land ins Amt. Selbst an der Bruchstelle aufgewachsen,
hat
„der
polnische
Papst“
sein
Bemühen,
die
Bedeutung
der
osteuropäischen Völker für Europa in Erinnerung zu rufen, ins Zentrum seines Pontifikats gerückt und erste Zeichen der Hoffnung für eine geistig-kulturelle Einheit des Kontinents gesetzt. Eine Einheit, die er auch selbst verkörperte. Entsprechend war es ihm von Anfang an ein Kernanliegen, den Osten in Europa einzubinden, die Aufhebung der Teilung Europas mit vorzubereiten, die Spaltung zwischen West- und Ostkirchen zu überwinden. So hat er die Slawenapostel Kyrill und Methodius zu Schutzheiligen Europas erklärt und sie dem hl. Benedikt als Vater des Abendlandes zur Seite gestellt. Als geistige Brücke zwischen Ost und West, hat er damit den Blick vom Abendland zur byzantinischslawischen Welt, vom Atlantik zum Ural erweitert und mit seinem berühmten Wort von den beiden Lungenflügeln immer wieder unterstrichen: Europa müsse mit beiden atmen, um als Gesamteuropa leben zu können. Dieses Gesamteuropa sollte ein christliches sein - an seiner Vision von einer an christlichen Werten orientierten Zukunft Europas hat er zeitlebens festgehalten. Denn die europäische Anatomie braucht, um im Bild zu bleiben, nicht nur beide Lungenflügel, sondern auch den Atem, der sie belebt, sie, wenn man so will, beseelt. „Europa eine Seele geben“ - auch diese Vorstellung ist inzwischen zu einem Prägebegriff geworden. West trifft Ost: Dem Brückenbauer Europas und seinem Eintreten für gesamteuropäische, christliche Werte zu folgen, den auch in Rom begonnenen und auch von hier aus maßgeblich geprägten Dialog eben hier wieder aufzunehmen und fortzuführen, ist der Konrad-Adenauer-Stiftung - gerade und vor allem in Rom - eine besondere Aufgabe und Verpflichtung zugleich. Europa wurde, was es ist, auch und vor allem durch das Christentum. Wie Europa künftig sein wird, ist eine der noch offenen Zukunftsfragen, deren Antwort nicht zuletzt auch vom Gestaltungswillen der Kirchen abhängig ist. Der Dialog zwischen den orthodoxen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche hat sich intensiviert. Die Adenauer-Stiftung beteiligt sich konstruktiv an diesem Austausch. Zwischen den Kirchen besteht zwar Einigkeit in vielen Fragen. Doch zu Fragen der Umsetzung in staatliches Handeln, der Nähe der Kirche zum Staat oder deren Trennung, gibt es unterschiedliche Standpunkte – nicht nur zwischen orthodoxen oder römischkatholischen Christen, sondern auch innerhalb der Konfessionen. Die Trennlinien gehen quer durch die Rechtsordnungen der Länder Europas. Dies betrifft auch Fragen der Wirksamkeit und Verbindlichkeit im gesellschaftlichen Leben, der Zivilgesellschaft oder dem, was man als politische Kultur bezeichnet. Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der KAS-Tagung in Rom.
Markus Goller: Mittelmeer – „Mare Nostrum“. Ein strategisches Muss für Europa
Alljährlich im September ist die Luft rund um die sizilianische Ortschaft San Vito lo Capo vom Geruch des Couscous in seinen verschiedensten Variationen erfüllt. Es ist die Zeit des „Couscous-Festes“, zu welchem jedes Mittelmeerland eine Mannschaft von Köchen und Gourmets in den Nordwesten Siziliens entsendet. Diese bereitet eine der jeweiligen nationalen Küche entsprechende Variante des nordafrikanischen Gerichtes zu. Eine Jury aus Gourmets und einfachen Bürgern unterschiedlicher Staaten kürt den Sieger. Umrahmt wird der Wettkampf von kulturellen Veranstaltungen – wie Buchvorstellungen und Konzerten, bei denen Künstler aus dem Mittelmeerraum ihre Werke präsentieren – und einer Messe, bei der Handwerk und Touristiker um Kunden werben. Das Couscous-Fest ist ein Festival des interkulturellen Dialoges
und
zeigt
in
vielfältiger
Form
die
kulturellen
Gemeinsamkeiten
des
Mittelmeerraumes auf. Ist dies eine idealistische romantische Sicht? Ist der Mittelmeerraum ein einheitlicher Kulturraum oder ist dies eine unerreichbare Vision? Die Wirklichkeit zeigt uns häufig ein anderes Bild, das Mittelmeer wird als Grenze zwischen dem christlichen Norden und dem muslimischen Süden wahrgenommen. Die politischen, ökonomischen und sozialen Gegensätze sind groß, einer Gruppe von reichen entwickelten Demokratien im Norden stehen großteils arme, unterentwickelte und nicht demokratische Systeme im Süden gegenüber. Die Unterschiede in der Lebensqualität sollen an einigen Zahlen erkenntlich werden. Laut Fischer-Weltalmanach betrug das BNP/Kopf im Jahr 2006 in Tunesien rund 3200 US-Dollar, in Marokko rund 2200 US-Dollar und in Ägypten nur rund 1600 USDollar. Im Norden des Mittelmeers zeigt sich ein anderes Bild, das BNP/Kopf betrug 2006 in Griechenland rund 25.700 US-Dollar, in Spanien 29.300 US-Dollar und in Italien 33.500 US-Dollar. Die Europäische Union beschäftigt sich seit dem Jahre 1995 im Rahmen des BarcelonaProzesses
intensiv
mit
dem
Mittelmeer-Raum.
Ziel
dieser
Euro-mediterranen
Partnerschaft ist es, Frieden und Stabilität in der Region zu sichern und zu stärken. Die Erklärung von Barcelona bestand – in Analogie zum Helsinki-Prozess – aus drei Körben. Der erste Korb umfasst die politische Zusammenarbeit und die Sicherheitspartnerschaft, der zweite Kooperation in Wirtschafts- und Finanzfragen und der dritte Korb die Zusammenarbeit im kulturellen, sozialen und menschlichen Bereich. Die Bilanz des Barcelona-Prozesses fällt eher mager aus. Im Bereich der Sicherheitspolitik konnten aufgrund des Nahost-Konfliktes kaum Ergebnisse erzielt werden. Die Einrichtung einer Parlamtarier-Gruppe im Jahr 2003 war ein erster Schritt zur Schaffung gegenseitigen Vertrauens.
In der ökonomischen Zusammenarbeit hat es einige Fortschritte gegeben, allerdings wurde die Süd-Süd-Integration nicht gefördert. Die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens haben meist bilaterale Assoziationsabkommen mit der EU geschlossen, wodurch es
einen
wirtschaftlichen
Integrationsprozess
unterschiedlicher
Geschwindigkeiten
gegeben hat. Die Einrichtung einer Freihandelszone bis 2010 im Mittelmeerraum erscheint vor diesem Hintergrund und bei Beachtung der Agrar– und Immigrationspolitik der EU eher unwahrscheinlich. Allerdings sind die Exporte der Mittelmeerländer in die EU angestiegen. Kleine und mittlere Betriebe nördlich und südlich des Mittelmeeres konnten durch
Kooperationsabkommen
wichtige
Kontakte
knüpfen.
Mit
Hilfe
des
MEDA-
Programmes und der Europäischen Investitionsbank wurden darüberhinaus Kredite an verschiedene Mittelmeerländer zum Ausbau ihrer Infrastrukturen vergeben. Im Bereich des dritten Korbes hat es einige erfolgreiche Initiativen gegeben. Dazu gehört die Einrichtung der Anna-Lindh-Stiftung im Jahr 2003 mit Sitz in Alexandria, welche sich die Förderung des interkulturellen Austausches zum Ziel gesetzt hat. Mittlerweile ist die Stiftung laut eigenen Angaben in 43 Ländern aktiv und hat ein Netzwerk von über 2.000 Organisationen aufgebaut. Die Anna-Lindh-Stiftung nimmt – gemäß einer Deklaration der Kulturminister des EuroMed-Raumes aus dem Jahr 2008 – eine wichtige Rolle in der Kulturpolitik der Euro-mediterranen Partnerschaft ein. Als solche setzt sie sich im Bereich Bildung für Lehrerfortbildung und im Bereich der Zusammenarbeit mit den Medien für die Vermittlung eines positiven Bildes des Mittelmeeres ein, welches das Gemeinsame in den Vordergrund rückt. Darüberhinaus wurde auf Initiative der EU die erste Euro-mediterrane Universität in Piran (Slowenien) gegründet. Die sogenannate „EuroMed Non-Governmental Platform“ widmet sich den zivilgesellschaftlichen Akteuren im Mittelmeerraum. Im Rahmen des dritten Korbes wurden Initiative zur Erhaltung des Kulturerbes (EuroMed Heritage), ein Programm zur Förderung des Informationsaustausches im Mittelmeerraum (EuroMed Information and Communication programme), ein Jugendprogramm (EuroMed Youth Programme) und ein Gender-Programm (EuroMed Gender Programme) initiiert. Viele Politiker und Beobachter haben die Ergebnisse des Barcelona-Prozesses als nicht zufriedenstellend bewertet. Aus diesem Grund sollte die EU-Mittelmeerpartnerschaft auf neue Pfeiler gestellt werden. Die Initiative von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy führte im Sommer 2008 zur Gründung der Union für das Mittelmeer. Sie hat die Fortsetzung und Erweiterung des Barcelona-Prozesses zum Ziel. Zunächst sollten – so die Vorstellung Nicolas Sarkozys - nur die Mittelmeeranrainerstaaten beteiligt werden. Dies stieß aber nicht auf ungeteilte Zustimmung in der EU. Auf Drängen von Bundeskanzlerin Merkel wurden daraufhin alle EU-Staaten in die Union für das Mittelmeer eingebunden. Die Ziele des neuen Partnerschaftsprojektes sind: Wie im Barceolona-Prozess soll ein Raum
der
Sicherheit,
Gründungserklärung
des
hebt
Friedens vor
allem
und
der
Aspekte
Stabilität der
geschaffen
Sicherheits-
werden.
Wirtschafts-
Die und
Umweltpolitik hervor. Die Europäische Union hat ein existentielles Interesse an Frieden und wirtschaftlicher Entwicklung in der Region. Eine Destabilisierung der Region und wirtschaftliche Probleme würden sich unweigerlich negativ auf die Staaten nördlich des Mittelmeers auswirken. Soziale und menschliche Aspekte werden – wie in der BarcelonaDeklaration – eher am Rande angesprochen. Das Gründungsdokument vom 13.Juli 2008 sieht die Einrichtung einer zweijährig wechselnden Ko-Präsidentschaft vor, wobei ein Präsident aus einem EU-Mitgliedsstaat und der andere aus einem Nicht-EU-Mitgliedsland kommen soll. Der Vertrag sieht darüber hinaus die Einrichtung eines Sekretariats als Exekutivorgan und eines ständigen Komittees vor, welches die Arbeit des Sekretariats überprüft. Laut Berichten des Fernsehsenders Arte wurde bislang nur die Ko-Präsidentschaft (Frankreich und Ägypten) eingerichtet. Die Finanzierung der Union für das Mittelmeer soll hauptsächlich über die Europäischen Nachbarschafts- und Partnerinstrumente erfolgen, daneben sollen auch die Nicht-EU-Mitglieder und andere internationale Organisationen zur Finanzierung beitragen. Laut Arte haben die EU-Staaten 20 Milliarden Euro für die Finanzierung genehmigt, dies reiche aber bei weitem nicht für die Projekte, welche die Union in Angriff nehmen möchte. Auch die demografische Entwicklung macht die Union für das Mittelmeer und die Euromediterrane Partnerschaft zu einer dringenden Aufgabe. Nördlich des Mittelmeers leben vorwiegend alternde Gesellschaften. Sie weisen eine stagnierende oder rückläufige Entwicklung ihrer Bevölkerung auf. Südlich des Mittelmeers ist die Entwicklung umgekehrt.
Hier
finden
wir
insbesondere
junge
Gesellschaften
mit
hohen
Bevölkerungswachstumsraten. Zieht man zusätzlich in Betracht, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den südlichen Ländern des Mittelmeers stagniert, wird die Notwendigkeit, heute in diese Volkswirtschaften zu investieren und ihre Entwicklung zu fördern, offenbar. Andererseits bietet der Mittelmeerraum auch große Chancen für die Europäische Union. Mit 450 Millionen Menschen in 24 Ländern eröffnen sich - wirtschaftliche Reformen im Süden vorausgesetzt – neue Wachstumsmärkte. Auch die Rohstoffe in Nordafrika (Gas in Algerien, Erdöl in Libyen) könnten die Europäische Union dem Ziel der Diversifikation ihrer Rohstoffquellen näherbringen. Als Vorbild der Mittelmeer-Zusammenarbeit wird immer wieder die Kooperation im Ostseeraum erwähnt. Daran ist richtig, dass der Ostseeraum heute ein beispielloses Erfolgsmodell
ist.
Wirtschaft
und
Handel
blühen
und
davon
profitieren
alle
Anrainerstaaten. Wer dafür aber rein ökonomische Gründe sieht, irrt. Wahrscheinlicher ist, dass der Erfolg eine immaterielle kulturelle Basis hat. Hanse, lübisches Recht sowie der nordische Protestantismus haben den Humus geschaffen, auf dem Verstehen, Vertrauen und darauf aufbauend Recht als Ausdruck einer gemeinsamen Gesinnung, Gesittung und Tugenden wuchsen. Diese waren dann die Grundlage für erfolgreichen Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Nennt man also die Ostseeregion als Vorbild, so muss man auch die Frage nach den kulturellen Grundlagen der Mittelmeerregion stellen. Gibt es eine solche gemeinsame Kultur im Mittelmeerraum? Unbestritten ist, dass es eine solche Kultur, Stabilität, Frieden und gemeinsames Recht gab. Das „Mare Nostrum“ war Zentrum eines Weltreiches, einer gemeinsamen Kultur. Es war möglich, das Mittelmeer frei von Grenzen zu bereisen, es gab einheitliches Recht, eine einheitliche Währung und einen einheitlichen „Pass“. Kulturelle Impulse kamen aus allen Ecken des Mittelmeeres, vermischten sich und schufen ein Ganzes. Literaten und Philosophen kamen aus Griechenland und Italien, aus Spanien und Nordafrika. Eine gemeinsame Kultur hatte sich bereits gebildet bevor das Römische Reich entstand. Der Hellenismus war die globale Kultur dieser Welt. Es gab einen mediterranen Menschen, einen mediterranen Lebensstil, wie ihn der große Mittelmeerexperte Fernand Braudel beschreibt. Das Ende dieses „Mare Nostrum“ wird vielfach mit dem Aufkommen des Islam im Osten und Süden des Mittelmeerraumes begründet. Dagegen wehrt sich der Historiker Andrea Riccardi. In seinem Werk „Cristianesimo ed Islam tra coabitazione e conflitto“ versucht er deutlich zu machen, dass es eine Kultur des Zusammenlebens zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen geben kann. Kann das Mittelmeer also wieder werden, was es war? Kann aus der Wiege Europas ein neuer Phoebus wachsen? Kann es einen homo mediterraneus wieder geben? Und was kann bzw. muss getan werden? Kann man das Mittelmeer „neu denken und eine Kultur der Verständigung und der Toleranz entwickeln? Der „homo mediterraneus“, der daraus entstehen könnte, würde Einflüsse aller drei großen Zivilisationen, die im Mittelmeer aufeinander treffen, der römisch-katholischen, der griechisch-orthodoxen und der muslimischen Konfession, vereinen. Er wäre – wie Edgar Morin sagt – nicht geradlinig, sondern
auf
Dialog
ausgerichtet
und
nähme
Ergänzendes
und
Widerstreitendes
gleichermaßen wahr. Er wäre Kosmopolit und das Mittelmeer wäre ein polizentrischer Raum, der sich nicht auf einen Endzustand hin entwickelt, sondern durch einen Prozess des Wechsels geprägt wäre. Dies würde zwar nicht das Ende von Konflikten und Auseinandersetzungen bedeuten, aber diese würden in friedlicher Form ausgetragen und aus dem friedlichen Wettbewerb würden neue Kraft und Erkenntnisse entstehen. Es wäre nicht ein Raum des ewigen Friedens, aber er könnte ein Raum der Kreativität, der Dynamik und der Prosperität werden. Erforderlich dafür wären neben dem Wirtschaftsraum u.a. ein kultureller Raum. Tugenden, welche dem homo mediterraneus eigen waren, müssten wiederentstehen. Zu diesem Zweck muss Europa die gemeinsame kulturelle Grundlage stärker fördern und auf das Verbindende aufmerksam machen. Allen funktionierenden Gemeinschaften ist eigen, dass sie ein Mindestmaß an Gemeinsamkeiten haben müssen. Sprache, Kultur, Geschichte,
gemeinsame
kulturelle
Erinnerungen
(„Erzählungen“,
„Mythen“,
„Gründungsmythen“),
die
solide
Grundlage
für
Kooperation
in
Wirtschafts-
und
Rechtsfragen bilden. Ein solcher Kulturdialog muss mehrere Ebenen umfassen. 1. Die zwischenstaatliche Ebene, wobei Außen- und Kulturminister eine gemeinsame Strategie
des
kulturellen
Dialoges
erarbeiten
müssen.
Die
Kulturminister
der
Mitgliedsländer der Euro-Med haben bei einem Treffen im Mai 2008 die Formulierung einer derartigen Strategie als wichtiges Ziel festgelegt. 2. Es muss zu einem Austausch zwischen Bildungsinstitutionen und der Erstellung von Lehrbüchern kommen, die objektiv berichten, die gemeinsame Geschichte der „Heimat“ Mittelmeer darstellen und mehr Nachdruck auf das Verbindende als auf das legen. Universitäten sind „key institutions“ bei der Entwicklung von Identitäten und daher ist die erfolgte Gründung einer gemeinsamen Euro-mediterranen Universität ein erster wichtiger Schritt. Darauf könnte die Einführung von Curricula für den Unterricht der gemeinsamen Geschichte des Mittelmeerraumes folgen, welche die Bedeutung des kulturellen Erbes aufzeigen. Eine stärkere Verknüpfung des Erasmus-Programms mit den Universitäten und Studenten innerhalb
der
Mittelmeerkooperation
wäre
wünschenswert.
Die
Förderung
des
Sprachunterrichts rundet dieses Bild ab. 3. Völkerverständigung und Kulturdialog können nicht von oben per Dekret festgelegt werden, sondern sie müssen von unten nach oben wachsen. Noch vielfältigere Formen des kulturellen Austausches zwischen den Völkern des Mittelmeerraumes müssen entwickelt werden. Dazu gehören Städtepartnerschaften, gemeinsame Feste, Schülerund
Studentenaustauschprogramme
oder
gemeinsame
Kulturprogramme.
Den
Intellektuellen und Künstlern käme dabei eine besondere Rolle zu. Sie könnten dazu beitragen, eine gemeinsame Dichtung, Literatur, Musik und bildende Kunst, einen gemeinsamen Kulturkanon, entstehen zu lassen. Ein einheitlicher Kulturraum sollte weniger das Ergebnis staatlicher Kulturförderung sein, sondern vor allem ein Projekt der Zivilgesellschaft mit neuen Formen regionaler Zusammenarbeit. Wenn man ein solches bürgerschaftliches Mittelmeer neu denkt, wäre es subsidiär, multikulturell, tolerant, dezentral und multipolar. Auch die Religion muss kein trennendes Element sein. Wichtig ist, mehr voneinander zu wissen, Vorurteile abzubauen. einen Dialog auf der Grundlage der Achtung voreinander zu führen. Es geht nicht
um
die
Expansion
der
eigenen
Religion,
sondern
um
die
Achtung
und
Wertschätzung der jeweiligen Andersartigkeit. Religionswissenschaftler und Theologen sollten das Gemeinsame herausarbeiten und dazu beitragen, dass das Andersartige verstanden und akzeptiert wird. Die EU tut gut daran, mit konkreten Projekten zu beginnen, zum Beispiel gemeinsamen Programmen zum Umweltschutz, Erhalt und Pflege der mediterranen Pflanzen- und Tierwelt. Die mediterrane Landschaft gehört zu den schützenswerten Gemeinsamkeiten. Man könnte sagen, dass das gesamte Mittelmeer ein „Weltnaturerbe“ ist, das aber auch
von allen gemeinsam geschützt werden kann. Eine nachhaltige und die Umwelt schonende Wirtschaftsethik muss sich durchsetzen. Der Mittelmeerraum könnte auch ein Raum der Innovation und der Wissenschaft werden. Früher haben Staaten Kriege um Territorien geführt, heute kommt es auf die „Brains“ als wichtigste Ressource an. Staaten müssen fähig sein, ein Umfeld zu schaffen, in welchem Innovation gefördert und deren Erträge der Allgemeinheit zu Nutze kommen können dazu gehört u.a. die Wissenschafts- und Forschungszusammenarbeit. Die besondere Betonung der Kultur soll natürlich nicht bedeuten, dass Kooperation in Wirtschaftsfragen und Förderung von Handel zwischen Nord und Süd aber keinesfalls eine nur marginale Bedeutung hat. Das Gegenteil ist der Fall, Europa muss die wirtschaftliche Entwicklung im Süden und Osten des Mittelmeeres fördern, um die sozialen Gegensätze zu verringern. Gerade dies ist ein wichtiger Beitrag für die Schaffung eines Raumes der Sicherheit und des Friedens. Dabei sind Wirtschaft und Handel pragmatische am Eigeninteresse orientierte Ansätze, die nicht zwangsläufig zu einer wahren Völkerverständigung führen. Außer korrelierender Eigeninteressen hält die Partner nichts zusammen. Auf einer wirtschaftlichen Basis kann nur schwer Vertrauen erwachsen. Noch sieht die Realität anders aus. Das größte Hindernis für die Ausnützung der Chancen des Mittelmeerraumes ist der Nahost-Konflikt. Israel muss mit seinen Nachbarn eine neue Form des Dialogs finden, damit eine positive Entwicklung eingeleitet werden kann. Israels Nachbarn müssen erkennen, dass Frieden im Nahen Osten eine „win-winSituation“ bedeutet. Israel könnte für seine Nachbarn eine Chance für wirtschaftlichen Erfolg im Wissens- und Forschungssektor sein, von dem die gesamte Region profitieren könnte. Die Verschiedenheit der Religionen ist leider noch nicht zu einer kreativen und dynamischen Vielfalt geworden. Aber es gibt auch erste Fortschritte, so haben Syrien und der Libanon bei der Gründungskonferenz der Union für das Mittelmeer beschlossen, die bilateralen Beziehungen zu normalisieren. Der Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels, Claudio Magris, hat anlässlich der Preisverleihung gesagt: „Jedes Land hat seinen Osten, den es abzuwehren gelte.“ Die Europäische Union muss verhindern, dass der südliche Teil des Mittelmeers zum „neuen Osten“ der EU wird. Früher war der Rhein die umkämpfte Grenze, heute darf das Mittelmeer nicht zu einer neuen Grenze werden. Es liegt nun an der Europäischen Union und ihren Hauptakteuren, ob sich eine Politik der Verständigung und des kulturellen Dialoges entwickeln kann. Die Konrad-AdenauerStiftung beteiligt sich aktiv an dieser Diskussion und greift das Thema „Mittelmeer – Mare Nostrum“
im
Rahmen
einer
dreiteiligen
Veranstaltung
auf,
welche
sich
mit
Zukunftsfragen der Europäischen Politik beschäftigt. Das Mittelmeer muss wieder zu einem Raum des Austausches und des Dialoges werden, es darf nicht als Grenze zwischen zwei oder drei Kulturräumen werden, sondern muss zu einem Zentrum dieser
werden. Nicht zuletzt im globalen Wettbewerb wäre ein solches Zusammengehen ein Muss. Dafür ist ein „neues Denken des Mittelmeers“ nötig. Dieses zu fördern setzt sich die Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen ihrer Konferenz am 29.Oktober 2009 in Rom zum Ziel.
Wilhelm Staudacher: SOF statt SOS: Save our future - Eurafrika
Eine Zukunft in Frieden heißt, die Gesetzmäßigkeit der Globalisierung zu akzeptieren und starke Nachbarn im Mittelmeerraum und Afrika als starken Partner anzuerkennen. Ohne Afrika wird Europas Sicherheit, aber auch sein Wohlstand nicht zu halten sein. Daher brauchen wir gerade in der Globalisierung ein „Weltgespräch“, d.h. Konsens über die Zukunft der „Einen Welt“. Bei dieser Auseinandersetzung spielen Religion, Kultur, Geschichte und Kunst eine entscheidende Rolle. Globalisierung nur als Wirtschaftsethik oder technologische Entwicklung zu definieren, wäre unzulänglich. Über Jahrhunderte hinweg hat Europa seine eigenen Maßstäbe als die bestimmenden angesehen – nun müssen wir Europäer umdenken. Zur Dynamik der Moderne in Afrika gehören ein Freiheitsethos und universale Menschenrechte. Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas nannte dies schon vor gut zehn Jahren „Einbeziehung des Anderen“. Der Theologe Hans Küng sprach von einem globalen Ethos. Und eine Veranstaltung, die jüngst, am 20.10.2009 im Bundespräsidialamt stattfand, handelte von der „Würde des Unterschieds“. Ein Teilnehmer fasste die Debatte mit dem Satz zusammen, dass wir uns im Dialog mit anderen zugleich Zugang zu uns selbst verschaffen. Die Verpflichtung gegenüber Afrika ist für die EU nicht neu, sondern stand schon bei der Gründung der EU in den Römischen Verträgen. Seitdem fanden viele Konferenzen statt, die jedoch nicht zu einer grundsätzlichen Veränderung der schwierigen Situation in Afrika geführt haben. Nach Angaben der Vereinten Nationen im November 2009, sind wegen der sinkenden Kaufkraft seit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2008 über eine Milliarde Menschen unterernährt. Der prozentual höchste Anteil der Hungernden lebt in Afrika. Das Gipfeltreffen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO vom 16. bis 18. November 2009 in Rom setzte sich zum Ziel, „weitreichende Übereinstimmungen im Kampf gegen den weltweiten Hunger zu finden“. Eine 2008 von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon ins Leben gerufene hochrangige Arbeitsgruppe engagiert sich gemeinsam mit NGO’s, Stiftungen und Unternehmen dafür, dass der Zugang zu Nahrung endlich als Menschenrecht anerkannt wird. Beim diesjährigen G8-Gipfeltreffen im italienischen l’Aquila haben die 26 Industrie-und Schwellenländer auf Drängen der Arbeitsgruppe des UNO-Generalsekretärs Nahrungsmittelkrise
einen
umfassenden
verabschiedet
und
20
Aktionsplan Milliarden
zur
Bekämpfung
US-Dollar
zugesagt.
der Die
Perspektiven für Afrika stehen im Grunde gut. Die Not hingegen ist nach wie vor groß. Der Direktor der FAO Jacques Diouf erklärte jüngst: Afrika wird sich in den nächsten 40 Jahren zum Kontinent der Zukunft entwickeln. Bis 2050 wird sich seine Bevölkerung auf
zwei Milliarden verdoppeln. Dank seiner ungeheuren Bodenschätze ist der Kontinent seit langem auf der Landkarte der Weltwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Laut einer Studie der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung vom März 2009 sind in den afrikanischen Ländern 40 Prozent der Bevölkerung jünger als 15 und 50% unter 25 Jahren. Die jungen Bürger Afrikas wären auch als Abnehmer europäischer Waren in Zukunft interessant. Doch nach wie vor beherrscht die Armut den afrikanischen Alltag. Immer noch gilt jeder zweite Afrikaner als arm. Hinzu kommt die Immunschwächekrankheit Aids: Täglich sterben auf dem afrikanischen Kontinent 6600 Menschen an Aids. Die Zahl der Waisenkinder steigt drastisch. Laut UNICEF werden 2010 in Afrika 15,7 Millionen Kinder ein oder beide Elternteile verloren haben. Es ist ein paradoxer Sachverhalt, dass Afrika der rohstoffreichste und gleichzeitig der ärmste Kontinent ist. Dies belegt die volkswirtschaftliche These, dass Rohstoffreichtum nicht automatisch reich macht. Der „geistige Rohstoff“, das heißt die „Intelligenz dieser Länder“, ist das entscheidende. Die Bilanz der Entwicklung in einigen – nicht in allen – Regionen Afrikas ist schockierend: Afrika, der älteste bewohnte Kontinent stellt mit seinen 53 Staaten rund 14% der Weltbevölkerung. Bei der Entwicklung Afrikas geht es jedoch fast ausschließlich um Leben, ums Überleben. Der Afrika-Experte Pasenal Chávez schreibt: „I have become aware, that the most important value the Africans have to be most sensitiv is life“. Hilfsmittel gegen die Armut sind auch in Zukunft unverzichtbar. Allerdings müssen wir gezielter die Ursachen der Armut bekämpfen. Und das bedeutet, mehr in die Bildung zu investieren.
Viele afrikanische Volkswirtschaften, die durch politische und wirtschaftliche Reformen attraktive Standorte geworden sind, drohen durch die internationale Finanzkrise erneut in die Armut abzurutschen. Sie werden somit abermals Opfer einer Misere, die durch die westlichen Industrieländer und nicht durch Afrika verursacht wurde. Es ist nicht zu akzeptieren,
dass
die
Finanzkrise
den
in
den
letzten
Jahren
errungenen
Entwicklungsfortschritt zunichte macht. Auch die in erster Linie von den Industrieländern verursachten Klimaveränderungen, die zunehmende Wüstenbildung, und die daraus resultierende Migration darf nicht auf Kosten der Afrikaner gehen. Die Industrieländer müssen ehrlich bekennen, dass sie die weltweite Hungerkrise größtenteils verschuldet haben und für die Konsequenzen eintreten müssen. Die Beispiele sprechen für sich: Durch den über Jahrhunderte hinweg geförderten industriellen Fischfang hat die EU dazu beigetragen, dass afrikanische Gewässer überfischt sind und die einheimische Bevölkerung nicht mehr ernähren können. Ölressourcen in Nigeria und Kongo-Brazzaville sowie Kupfervorkommen und andere Rohstoffe wurden vielfach von westlichen Gesellschaften ausgebeutet und stehen
Afrikanern nicht mehr zur Verfügung. Trotz öffentlicher Proteste wird Afrika nach wie vor als „Halde“ des westlichen Industriemülls und als Standort für den Anbau von genverändertem Getreide missbraucht, dessen Wachstum in westlichen Ländern verboten ist. Die Zucht von Monokulturen und die Überweidung der Gebiete durch Rinder, deren Fleisch in Europa benötigt wird, verhindert, dass sich die afrikanische Bevölkerung eines Tages selbst ernähren kann. Die Einstellung Europas gegenüber Afrika unterlag in der Vergangenheit „Konjunkturen“. War in den 50er und 60er Jahren, auch infolge des „Kalten Krieges“, Afrika für die „Lager“ wichtig und das Engagement der Europäer für Afrika groß, schlug diese positive Stimmung in den 70er und 80er Jahren um. Nicht zuletzt mögen übertriebene Haltungen zur übertriebenen Enttäuschung beigetragen haben. Nicht zu bestreiten ist, dass Hunderte von Milliarden an Entwicklungsgeldern nicht zu einer Besserung der Lage führen, da die Mittel in kriegerischen Konflikten vergeudet wurden, an der die Waffenindustrie außerhalb Afrikas am meisten verdiente. Nachrichten über die Verschwendung von Hilfsgeldern gaben der Enttäuschung zusätzlich Antrieb. Die nicht am Gemeinwohl interessierten Führungskräfte mancher Länder Afrikas stellen das größte Problem des Kontinents dar. Afrikanische Eliten betrachten ihre Staaten als Goldesel; sie haben keinerlei Verantwortungsgefühl für ihre Länder und sind an deren Entwicklung nicht interessiert. Moeletsi Mbeki, der südafrikanische Politikwissenschaftler und jüngere Bruder des früheren Präsidenten Thabo Mbeki beschreibt dieses Phänomen in seinem soeben erschienenen Buch „Architekten der Armut“. Die einheimische Elite, die sich nach der Unabhängigkeit in den afrikanischen Ländern herausbildete, habe sich kräftig am Reichtum ihrer Länder zum persönlichen Nutzen bedient. Diesem Eliteversagen kann Europa entgegen wirken, indem es intensiv in die Bildung und Ausbildung
der
Afrikaner
investiert.
Die
Förderung
der
Hochschul-
und
Ingenieursausbildung sowie die Begünstigung einer qualifizierten Berufsausbildung spielen dabei eine wichtige Rolle. Auch wenn der Begriff Elite zum Teil ungute Gefühle auslöst, weil wir stets von der Gleichwertigkeit der Menschen ausgehen, so darf man in Afrika nicht verkennen, dass hier ein offensichtliches Versagen der Elite vorliegt. Ohne die Bildung einer verantwortungsvollen und am Gemeinwohl orientierten Führung sind die Probleme in Afrika nicht zu lösen. Hier kommt den christlichen Kirchen und der katholischen Soziallehre eine besondere Bedeutung zu. Es wirkt sich positiv aus, dass die Salesianer hierfür ein eigenes Entwicklungsprogramm konzipiert haben. Der Orden ist heute in 42 Ländern auf dem afrikanischen Kontinent tätig. Vorbildlich ist auch die Initiative AFCAST (African Forum for Catholic social teaching), das auf dem Arrupe
College “Jesuit School of Philosophy and Humanities” aufbaut. Auch die KAS hat Modelle zur Unterrichtung der Katholischen Soziallehre in Lateinamerika und Afrika entwickelt. Auch die Vergabe von Kleinkrediten an Frauen, die aufgrund dieser Hilfe ihre Zukunft ein stückweit selbst in die Hand nehmen können, hat sich als besonders wirksam erwiesen. Experten sehen gerade in den Frauen ein hohes Entwicklungspotential für die Zukunft. Zentrale Aufgabe ist es, für die Gleichberechtigung der Frauen einzutreten. Dafür muss vor allem das Familienrecht geändert werden. Ein Afrika-Experte hat dies einmal so formuliert: „familiy law is a source of power“. Wir wissen, dass gerade die Familie kulturelle Werte vermittelt. Afrikanische Familien sind darüber hinaus auch Stätten der sozialen Sicherheit im Alter und in Notsituationen. In vielen afrikanischen Verfassungen ist verankert, dass Mann und Frau gleiche Rechte haben. Die Wirklichkeit sieht jedoch oft anders aus. Die EU sollte den Ländern, die z. Bsp. durch einen „Brautpreis“ Frauen zum Eigentum von Männern machen oder durch Beschneidung Frauen grausam verstümmeln, ihre Unterstützung verweigern. Solche Sanktionen blieben auf die Führung der Länder, die solche Rituale dulden, nicht ohne Wirkung. Wenn wir die europäische Bevölkerung für die Entwicklungsförderung in Afrika gewinnen wollen, dann muss die westliche Presse ihre Berichterstattung kritisch reflektieren und auf positive Entwicklungen in Afrika eingehen. Der südafrikanische Kardinal Wilfrid Fox Napier
kritisierte
im Rahmen der Afrikasynode
in Rom eine vielfach einseitige
Berichterstattung, die ein ungenügendes Bild des Kontinents verbreitet. Dabei gäbe es durchaus Positives zu berichten:
-
in Afrika wächst eine junge, pragmatische und am Gemeinwohl interessierte Elite heran.
-
Die Zivilgesellschaft Afrikas, die eine demokratische, an Selbsthilfe orientierte Bevölkerungsschicht
bildet,
wächst.
Sie
entwickelt
sich
unabhängig
von
den
politischen Machthabern -
Mit NEPAD (New Partnership for Africa's Development ) hat Afrika eine politische Institution geschaffen, die die begründete Hoffnung auf einen zuverlässigen Partner zulässt, dem es um Effizienz und Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Afrika geht.
-
Die Entwicklung der Wirtschaft, der Technologie und der Energiegewinnung soll von Anfang an westliche Fehler vermeiden, d.h. eine nachhaltige Wirtschaftsform bevorzugen. Afrika könnte daher ein Vorbild für den Westen werden.
·
Noch
wichtiger
als
finanzielle
Hilfen
sind
Investitionen
in
den
Aufbau
der
Rechtsstaatlichkeit. Sie ist die Voraussetzung für Demokratie, wie neueste Studien zeigen. Der Westen muss umdenken, will er die Milleniumsziele erreichen. Wir müssen „anders“ leben, damit andere überleben. Europa verbraucht rund 45% der Weltenergiereserven. Afrika nur 3%. Wieviel Energie verschwenden die Europäer für ihr persönliches WohlfühlAmbiente, während in Afrika nur rund zehn Prozent der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität hat.
Deutsch-afrikanische Partnerschaft als positives Signal Erfreulicherweise
funktioniert
unterschiedlichen
Ebenen
–
die fast
deutsch-afrikanische alle
Bundesländer
Partnerschaft haben
heute
auf
Freundschaften
mit
afrikanischen Ländern geschlossen. Saarbrücken ist 2009 zur „Stadt des fairen Handelns“ geworden – 600 Städte haben diesen Titel bereits erworben. Seminare und Kunstfestivals moderner afrikanischer Literatur, Dichtung, Musik und Malerei finden in Deutschland mittlerweile großen Zulauf. Projekte wie „Gleichzeitig in Afrika...“ von der Bundeszentrale für politische Bildung bieten neue innovative Anstöße für die afrikanische und europäische Kunst. Ziel ist es, zeitgenössische afrikanische Kunst in
Deutschland
zu
zeigen
und
gleichzeitig
Einblick
in
die
Produktions-
und
Rezeptionsbedingungen in Afrika zu gewähren. Positiv ist, dass dies nicht im Sinn folkloristischer Wahrnehmung geschieht, sondern ein künstlerischer Dialog eröffnet wird, der zu ganz neuen künstlerischen Ausdrucksformen eurafrikanischer Kultur führt. Vielfach ist
Afrikas
politische
Kultur
geprägt
von
Reaktionen
auf
den
Kolonialismus,
Befreiungskriege oder Apartheid. Es geht jetzt nicht darum, eine „Negritude“ die nicht gelungen ist, neu zu beleben. Vielmehr geht es um den Versuch, auch aus afrikanischen Quellen zu schöpfen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der europäisches und afrikanisches Denken keine Gegensätze bilden, sondern sich gegenseitig befruchten und – um es mit dem chinesischen Yin Yang zu verdeutlichen – zusammen gehören. Das Europäische in Afrika wird auch durch die Tatsache deutlich, dass afrikanische Schriftsteller meist in europäischen Sprachen schreiben. So sind zwischen 1988 und 1996 etwa 1500 afrikanische Bücher in europäischen Sprachen erschienen.
In Deutschland haben sich Netzwerke gebildet, die das Zusammenleben mit Afrikanern fördern. „Afrika bei uns“ meint heute eine positive Einstellung zu Immigranten und
Integration. Wer in der Migration nur eine Gefahr sieht, hat die Zeichen der Zeit verkannt. Der deutsche Minister für Integration, Armin Laschet, hat in seinem Buch „Die Aufsteigerrepublik – Zuwanderung als Chance“ nachgewiesen, wie sehr Deutschland von der Einwanderung profitiert.
Migration als Menschenrecht Angesichts der im Zusammenhang mit der Migration formulierten antiafrikanischen Vorurteile kann man den Zorn vieler Afrikaner verstehen. Im Rahmen der Afrikasynode hat Erzbischof Charles Palmer Buckle von Accra in Ghana diesen Punkt deutlich angesprochen: „Menschen haben das Recht hinzuwandern, wo sie wollen. Migration ist ein Menschenrecht. [...] Europa hat uns die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gebracht, und immer darauf gedrängt, dass unsere Regierungen die Menschenwürde und die Menschenrechte wahren“. Dass europäische Länder die Frage der Einwanderung weiterhin im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit diskutieren, bringt Europa in eine Glaubwürdigkeitskrise. Der Anspruch einer europäischen „ethic power“ bekommt Risse. Die Aufgabe einer klugen europäischen Politik ist Integration statt Abgrenzung. Wir müssen Einwanderung gestalten und dürfen sie nicht beliebig sich selbst überlassen. Zu Recht fordern Afrikaner das Recht auf Migration. Diese Forderung bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass auch Christen das Recht gewährt werden muss, ihre Religion frei und ohne Gefahr für Leib und Leben in afrikanischen Ländern ausüben zu können. Auch Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, das politische Führer in Afrika zum Teil missachten.
Fünf Vorschläge zur Verbesserung des eurafrikanischen Verhältnisses 1. Neue Strategien der Entwicklungshilfe müssen ausgebildet werden. Fachleute kritisieren
die
bisherige
Form
der
Entwicklungspolitik.
Sie
hat
in
der
Vergangenheit zu einer Schwächung von Eigeninitiative und zu einer fehlenden Übernahme von Verantwortung geführt. Die bisherige Entwicklungshilfe hat im Grunde das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollte. Wir müssen eine partnerschaftliche
Entwicklungszusammenarbeit
fördern,
die
die
Interessen
Afrikas einbezieht 2. Die Vergabekriterien von Krediten der Weltbank grundlegend verändern. Gekoppelt mit klaren Maßstäben müssen sie der Zielerreichung und Effizienz genügen.
3. Europa
muss
den
afrikanischen
Ländern
faire
Handelsbedingungen
gewähren. Die EU darf nicht durch Subventionen Wirtschaftszweige am Leben erhalten, die der afrikanischen Ökonomie die Marktchancen nehmen. 4. Die Herstellungsbedingungen für Waren überprüfen. Es darf uns nicht gleichgültig sein, unter welchen Bedingungen Exportgüter für den Verbrauch in Europa
hergestellt
werden.
Zu
unseren
Aufgaben
gehört
es,
die
Rahmenbedingungen zu prüfen, unter denen in Afrika Rohstoffe abgebaut werden. 5. Statt kurzfristiger Gewinnmaximierung auf langfristige Partnerschaft setzen. Das Ziel europäischer Politik muss demnach auch eine Verbesserung der Infrastruktur
Afrikas
durch
Bildung
und
die
Förderung
der
afrikanischen
Selbsthilfekräfte verfolgen. Die deutsche ehemalige Staatssekretärin Uschi Eid formuliert dies mit den Worten: „cooperative means to realize a vision together with the people of an Africa that is modern and independent where self-confident African men and women shape their own path of sustainable and a democratic development. Only stimulant efforts coming from Africa will lead to success”.
Eurafrika – nicht nur ein Traum? Wenn das Ziel einer eurafrikanischen Partnerschaft nicht nur ein schöner Traum bleiben soll, brauchen wir die Zustimmung unserer Bürger. Wir müssen uns folgenden Fragen widmen: I. Was ist Europa für Afrika? Warum braucht Afrika Europa? II. Was ist Afrika für Europa? Warum braucht Europa Afrika? I. Europa für Afrika Der Gründer der katholischen Laiengemeinschaft Sant’Egidio, Prof. Andrea Riccardi, sprach einmal von „exchange of gifts between Europe and Africa“. Diesen Satz könnte man geringfügig verändern indem man behauptet, dass Europa und Afrika ein Geschenk füreinander sein können. „Afrika ist nicht ganz schwarz’“, so der Titel einer Zeitungsausgabe des römischen Politologen und Journalisten Lucio Caracciolo. Aber: Nachdem Europa nicht mehr in imperialen Kategorien denkt, hat es noch keinen Weg gefunden, seine Präsenz in Afrika neu zu begreifen. Die Solidarität mit der Dritten Welt hat sich erschöpft. II. Afrika für Europa Prof. Andrea Riccardi weist darauf hin, dass ein sich im Verfall befindliches Afrika schon per se ein Drama sei. Er bezeichnet es als Gefahr für die Welt, vor allem für das nahe
gelegene Europa. Zugespitzt könnte man sagen, dass die Krisen Afrikas von heute die Krisen Europas von morgen sein werden. Und auch hier gilt die Rechnung, dass es billiger ist, Krisen von Anfang an zu stoppen, anstatt zu versuchen, sie einzudämmen, wenn es fast zu spät ist. Können wir es uns leisten, Afrika links liegen zu lassen? Italien wird täglich mit den seismischen Vorboten in Form von Flüchtlingsbooten, die vor der Insel Lampedusa ankommen, konfrontiert. Unsere Hoffnung für einen Dialog auf Augenhöhe beziehen wir auch aus dem Bewusstsein, dass ein christlich verwurzeltes Europa mit einem vor allem christlich geprägten Afrika spricht. Auf dieser Grundlage gemeinsamer Werte kann man ein neues Miteinander aufbauen. China
kauft
schon
heute
in
Afrika
riesige
Landflächen
auf,
um
die
drohende
Ernährungskrise einzudämmen. Nicht nur in Fragen der wirtschaftlichen Ressourcen braucht Europa Afrika. Europa braucht vor allem die geistigen Ressourcen des afrikanischen Kontinents. Dafür ein Beispiel: Die Zeitung „Nouvel Observateur“ wählt regelmäßig die wichtigsten Denker unserer Zeit. Jüngst hat sie den in Princeton lebenden Kwame Anthony Appiah gekürt. Gerade Appiah verdeutlicht das Dilemma afrikanischer Intellektueller, die im Ausland leben. Immer mehr gut ausgebildete Menschen verlassen ihre Heimat. Etwa 30.000 Afrikaner mit Doktortitel arbeiten in den industrialisierten Ländern Europas und Amerikas. Hinzu kommen weitere rund 100.000 hochqualifizierte Afrikaner. Gleichzeitig jedoch arbeiten europäische Entwicklungsexperten in Afrika! Afrika besitzt wichtige Ressourcen, die zu mobilisieren sind und nicht importiert werden müssen. Es gibt seit Jahren ein
Brain Drain von Afrikanern nach Europa. Stattdessen
wäre „Brain Circulation“ wünschenswert. Afrikanische Studierende sollten die Möglichkeit haben, Ausbildungschancen in anderen Ländern zu nutzen. Dennoch sollten sie nicht für ihr eigenes Land verloren sein. Außerdem müsste die EU helfen, den Standard der Universitäten in Afrika zu erhöhen und Neugründungen von Hochschulen zu favorisieren, damit die Auszubildenden auch in ihrer Heimat bleiben und dort berufliche Perspektiven finden können. Prof. Andrea Riccardi hat seinen Begriff „Eurafrika“ in die aktuelle politische Diskussion eingeführt. Er hat nicht verschwiegen, dass Eurafrika ein Traum des senegalesischen Präsidenten Senghor war. Er verstand unter dem Begriff zwei Kontinente, die sich auf gleicher Ebene begegnen, die vereint sind durch die Sorge um die Zukunft, die einander brauchen. Allerdings hat die eurafrikanische Kultur, wie der französische Denker Emmanuel Mounier bemerkt, noch keine eigene Strukturform gefunden. Dennoch oder gerade deswegen räumt Riccardi Afrika einen außerordentlich hohen Stellenwert ein: „Die erste Mission Europas heißt Afrika. Vereint zu sein findet dort seinen Sinn. Eurafrika ist
noch keine politische Maxime, doch schon heute stellt es eine Perspektive dar. Diese bietet die geschichtliche, ideelle und politische Grundlage, die unsere Länder brauchen“.
Perspektiven für die Zukunft Europa klagt immer wieder über mangelnde Herausforderungen für unsere Jugendlichen. Afrika könnte eine der größten Herausforderungen sein, für die es positive Kräfte europäischer Jugendlicher zu mobilisieren lohnt. Das Engagement für und in Afrika kann gerade in Europa einen Sinn für gemeinsame Werte und Solidarität fördern. Italien könnte
an
dieser
Staatspräsident
Stelle
Ciampi
eine
hat
Spitzenreiterrolle
deutlich
auf
die
übernehmen.
Bedeutung
einer
Der
ehemalige
eurafrikanischen
Zusammenarbeit hingewiesen: „Vor uns steht eine epochale Aufgabe: Die Zukunft Afrikas solide und dauerhaft mit Europa zu verbinden.“ Eine leidvolle und reiche Geschichte verbindet Europa und Afrika. Dennoch ziehen sich viele europäische Länder aus Afrika zurück. Afrika erscheint vielmehr als Land derer, die einmal nach Europa auswandern möchten. Die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika, die Bekämpfung von Krankheiten und des Krieges sind europäische Aufgaben. Es sind die wahren Antworten auf den unaufhaltsamen Migrationsfluss, der nicht an Landesgrenzen oder durch Kontrollen im Mittelmeer zu stoppen ist. Die Fakten scheinen auf der Hand zu liegen. Europa und Afrika brauchen einander. Nötig erscheint jedoch nicht so sehr eine politische Struktur Eurafrika, sondern eine kulturelle und geistige Einheit. Riccardi drückt dies mit den Worten aus: „Eurafrika will eine Politik sein, aber auch ein gegenseitiges Kennenlernen von zwei Welten, die ihre gegenseitige Nähe entdecken“. Die Afrikasynode stand unter dem Motto „Afrika steh auf“. Eurafrika bedeutet auch: Europa hilft Afrika aufzustehen. Alle müssen mitmachen. „Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, werden das Antlitz dieser Welt verändern“, sagt ein südafrikanisches Sprichwort.