Heft 6 - Das 'C' und die Familie

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DAS CHRISTENTUM ALS „MOTOR“ DER MODERNE – HEFT 6

Das 'C' und die Familie Kristina Schröder


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Das 'C' und die Familie Kristina Schröder

„Kompendium der Soziallehre der Kirche“, Kapitel 5 und 6: (211) „Die Familie, die aus der im Ehebund zwischen Mann und Frau gestifteten innigen Gemeinschaft des Lebens und der Liebe erwächst, besitzt eine nur ihr eigene und ursprüngliche soziale Dimension, weil sie der erste Schauplatz zwischenmenschlicher Beziehungen, die ‚Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft’ ist.“ Die Bedeutung der Familie für die Person (212) „Die Familie ist für die Person wichtig und von zentraler Bedeutung. (…) Die erste und grundlegende Struktur zu Gunsten der ,Humanökologie’ ist die Familie, in deren Schoß der Mensch die entscheidenden Anfangsgründe über die Wahrheit und das Gute empfängt, wo er lernt, was lieben und geliebt werden heißt und was es konkret besagt, Person zu sein.“ Die Bedeutung der Familie für die Gesellschaft (214) „Kein Gesellschaftsmodell, das dem Wohl der Menschen dienen will, kann über die zentrale Bedeutung und die zentrale Verantwortung der Familie hinwegsehen. Gesellschaft und Staat haben im ‚Gegenteil die Verpflichtung, sich in ihren Beziehungen zur Familie an das Subsidiaritätsprinzip zu halten. Aufgrund dieses Prinzips dürfen die öffentlichen Autoritäten der Familie jene Aufgaben, die sie gut allein oder im freien Verband mit anderen Familien erfüllen kann, nicht entziehen; andererseits haben dieselben Autoritäten die Pflicht, die Familie zu unterstützen, indem sie ihr alle Hilfsmittel zur Verfügung stellen, die sie benötigt, um ihre Verantwortung in angemessener Weise wahrzunehmen.“ Der Wert der Ehe (216) „Trotz der zahlreichen Änderungen, die (die Familie) im Lauf der Jahrhunderte in den verschiedenen Kulturen, Gesellschaftsstrukturen und Geisteshaltungen erfahren hat, gibt es in allen Kulturkreisen ein sicheres Gespür für die Würde des Ehebundes, auch wenn dies nicht überall mit derselben Deutlichkeit zutage tritt.“ (254) „Wenn die zivilen Einrichtungen und der Staat den Vorrang der Familie vor jeder anderen Gemeinschaft und vor der Realität des Staates selbst anerkennen, hat dies die Überwindung rein individualistischer Betrachtungsweisen sowie die Akzeptanz der familiären Dimension als einer im Hinblick auf die Person unverzichtbaren kulturellen und politischen Perspektive zur Folge. (…) Diese Sichtweise ermöglicht die Ausarbeitung normativer Kriterien für eine angemessene Lösung der verschiedenen gesellschaftlichen Probleme, da die Personen nicht nur einzeln betrachtet werden dürfen, sondern auch in ihrer Beziehung zu den Kernfamilien zu sehen sind, denen sie angehören und deren besondere Werte und Ansprüche berücksichtigt werden müssen.“ Die Familie und das Recht auf Arbeit (294) „Die Arbeit ist ‚eine Grundlage für den Aufbau des Familienlebens, welches eine Recht und eine Berufung des Menschen ist’: Sie sichert den Lebensunterhalt und gewährleistet die Erziehung der Kinder. (…) Das Familienleben und die Arbeit bedingen einander in vielfältiger Weise.“


3 Familie, Wirtschaftsleben und Arbeit (250) „Um dieses Verhältnis zwischen Familie und Arbeit zu bewahren, muss der Familienlohn, das heißt ein Lohn, der ausreicht, um der Familie ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, berücksichtigt und geschützt werden. Dieser Lohn muss die Bildung von Ersparnissen ermöglichen, die den Erwerb von Eigentum erlauben und damit Freiheit garantieren: Das Recht auf Eigentum ist eng mit der Existenz von Familien verbunden, die sich auch dank ihrer Ersparnisse und der Bildung von Familieneigentum vor der Bedürftigkeit schützen können.“ (251) „Im Verhältnis von Familie und Arbeit verdient die Arbeit der Frau in der Familie, die so genannte Pflegearbeit, die auch einen Appell an die Verantwortung des Mannes als Ehepartner und Vater darstellt, besondere Aufmerksamkeit. Die Pflegearbeit, angefangen bei der mütterlichen Pflege, stellt, gerade weil sie dem Dienst an der Lebensqualität gewidmet und auf diesen ausgerichtet ist, eine Tätigkeit dar, die in hervorragender Weise persönlich und persönlichkeitsbildend ist. Sie muss sozial entsprechend anerkannt und aufgewertet werden, womöglich durch eine wirtschaftliche Vergütung ähnlich derjenigen, die auch für andere Arbeiten geleistet wird. Gleichzeitig muss alles beseitigt werden, was die Eheleute daran hindert, ihre Verantwortung für die Fortpflanzung in Freiheit wahrzunehmen, und insbesondere alles, was die Frau davon abhält, ihr Muttersein voll und ganz zu entfalten.“ Die Frauen und das Recht auf Arbeit (295) „Die Anerkennung und der Schutz der Rechte der Frau im Bereich der Arbeit hängen im Allgemeinen von der Organisation der Arbeit ab, die die Würde und Berufung der Frau berücksichtigen muss, deren wahre Förderung ‚eine Arbeitsordnung [erfordert], die so strukturiert ist, dass sie diese Aufwertung nicht mit dem Aufgeben ihrer Eigenheit bezahlen muss und zum Schaden der Familie, wo ihr als Mutter eine unersetzliche Rolle zukommt’ (…). Die Tatsache, dass die Würde und Berufung der Frau in der Arbeitswelt nach wie vor in verletzender weise diskriminiert werden, ist die Folge einer langen Reihe von Benachteiligungen der Frau, die ‚in ihren Vorzügen entstellt, oft ausgegrenzt und sogar versklavt wurde’ und immer noch wird.“ Würde und Rechte der Kinder (244) „In der Familie als eine Gemeinschaft von Personen muss dem Kind ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, in tiefem Gespür für seine personale Würde, in großer Achtung und selbstlosem Dienst für seine Rechte. (…) Es ist vor allen Dingen unerlässlich, dass der gesellschaftliche Wert der Kindheit in allen Ländern öffentlich anerkannt wird. (…) Das erste Recht des Kindes ist das Recht darauf, ‚in einer wahren Familie geboren zu werden’, ein Recht dessen Beachtung immer problematisch gewesen ist und dessen Verletzungen heute infolge der Entwicklung der Gentechnologien neue Formen annehmen.“ (245) „Die Situation eines großen Teils der Kinder auf der Welt ist alles andere als zufrieden stellend, weil es an Voraussetzungen fehlt, die ihre umfassende Entwicklung begünstigen, obwohl mittlerweile ein eignes internationales Rechtsinstrument zum Schutz der Rechte des Kindes existiert, das für fast alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft verbindlich ist. Es geht um Bedingungen im Zusammenhang mit der Tatsache, dass es an medizinischer Versorgung, angemessener Ernährung, einem Mindestangebot an schulischer Bildung und an einem Zuhause fehlt. Zudem sind einige äußerst schwerwiegende Probleme nach wie vor ungelöst: Kinderhandel, Kinderarbeit, das Phänomen der ‚Straßenkinder’, der Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten, die Verheiratung von Kindern, der Missbrauch von Kindern für den auch mit den modernsten sozialen Kommunikationsmitteln betriebenen Handel mit pornographischem Material.“


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Benedikt XVI: Enzyklika „Caritas in Veritate“, Kapitel 4: (44) „Außerdem laufen die kleinen, manchmal sehr kleinen Familien Gefahr, die sozialen Beziehungen zu vernachlässigen und keine wirksamen Solidaritätsformen zu gewährleisten. Diese Situationen weisen die Symptome eines geringen Vertrauens in die Zukunft sowie einer moralischen Müdigkeit auf. Daher wird es zu einer sozialen und sogar ökonomischen Notwendigkeit, den jungen Generationen wieder die Schönheit der Familie und der Ehe vor Augen zu stellen sowie die Übereinstimmung dieser Einrichtungen mit den tiefsten Bedürfnissen des Herzens und der Würde des Menschen. In dieser Hinsicht sind die Staaten dazu aufgerufen, politische Maßnahmen zu treffen, die die zentrale Stellung und die Unversehrtheit der auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie, der Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft, dadurch fördern, indem sie sich auch um deren wirtschaftliche und finanzielle Probleme in Achtung vor ihrem auf Beziehung beruhenden Wesen kümmern.“

Benedikt XVI.: „Päpstliche Botschaft von Benedikt XVI. zum 96. Welttag des Migranten und Flüchtlings (2010)“: „Obwohl die Kinderrechtskonvention in aller Deutlichkeit hervorhebt, daß das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist (vgl. Art. 3) und dem Kind in gleicher Weise wie einem Erwachsenen alle grundlegenden Rechte der Person zuerkannt werden müssen, ist dies in der Realität bedauerlicherweise nicht immer der Fall. Während nämlich in der öffentlichen Meinung das Bewußtsein dafür wächst, daß ein umfassendes und wirkungsvolles Handeln zum Schutz der Minderjährigen notwendig ist, sind in Wirklichkeit viele von ihnen sich selbst überlassen und laufen Gefahr, ausgebeutet zu werden.“

Die vorliegenden Texte wurden von Katharina Fuchs zusammengestellt.


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Der folgende Text beruht auf dem Grundsatzpapier der CDU und einem

gleichnamigen

Text

von

Familienministerin

Kristina

Schröder

Familien, das Fundament unserer Gesellschaft stärken – Wahlfreiheit für Familien schaffen Familien werden immer wichtiger und sind das Fundament unserer Gesellschaft. Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung tragen. Sie ist der Ort, an dem Partnerschaft und Solidarität gelebt und der Sinn für Gerechtigkeit vermittelt wird. In ihr reift der Mensch zur Persönlichkeit heran und entfaltet sich zur Freiheit in Verantwortung. Hier werden Werte gelebt, die sich aus dem christlichen Verständnis vom Menschen ergeben – seiner unveräußerlichen Würde und seiner Mitmenschlichkeit. Familie ist nicht alleine die junge Familie mit kleinen Kindern oder Jugendlichen. Sie umfasst alle Generationen. Die Generationenbeziehungen zwischen Kindern, Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sind heute wichtiger denn je und müssen gestärkt werden. Die solidarischen Leistungen von Familien über lange Zeiträume müssen geschätzt und Familien auch in den späteren Lebensabschnitten aktiv unterstützt werden. Die Ehe ist das Leitbild für die Gemeinschaft von Mann und Frau. Sie ist die beste und verlässlichste Grundlage für das Gelingen von Familie. In der Ehe kommt die gemeinsame Verantwortung von Vätern und Müttern für ihre Kinder verbindlich zum Ausdruck. Auch in Ehen, die ohne Kinder bleiben, übernehmen Männer und Frauen dauerhaft füreinander Verantwortung. Deshalb ist es wichtig, die Ehe unter den besonderen Schutz durch den Gesetzgeber zu stellen. Ehe und Familie sind das zuverlässigste soziale Netz, wenn Menschen Menschen brauchen. Familienbeziehungen bleiben ein Leben lang bestehen. Noch nie zuvor haben Eltern und Kinder eine so lange gemeinsame Lebenszeit gehabt wie heute. Dennoch gibt es immer weniger Familien. Gegenwärtig ist jede nachfolgende Generation um ein Drittel kleiner als die vorhergehende. Das ist der Widerspruch unserer Zeit: Eine reiche Gesellschaft ist arm an Kindern. Die vielen individuellen Entscheidungen summieren sich zu einer Entwicklung, die weit reichende Folgen hat sowohl für die Lebensqualität der Menschen als auch für Wohlstand und Wohlfahrt der Gesellschaft. Zu einem glücklichen Leben gehören für die große Mehrheit von Frauen und Männern Familie und Kinder. Kinder binden uns an das Leben und bereiten Freude. Wer sich für Kinder entscheidet, glaubt an die Zukunft und beweist Zuversicht und Optimismus. Kinder bereichern unser Leben. Deshalb kann von einem Bedeutungsverlust der Familie keine Rede sein, ganz im Gegenteil.


6 Die Entscheidung für Ehe, Kinder und Familie ist eine persönliche Entscheidung: Staat und Gesellschaft dürfen aber den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Allerdings müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass viele Familienund Kinderwünsche in Erfüllung gehen können. Manch eine aufgeschobene oder aufgehobene Entscheidung, Kinder und Familie zu haben, hat gesellschaftliche Ursachen, die verändert werden können und verändern werden müssen, wenn Familienwerte engagiert bewahren werden sollen. Um familienfreundliche Strukturen zu schaffen, gehört die Unterstützung von Familien, deren Kinderwunsch nur mit medizinischer Hilfe verwirklicht werden kann. Ziel einer engagierten Familienpolitik muss es sein, den Familien

Gerechtigkeit

widerfahren

zu

lassen;

ein

Leben

mit

Kindern

und

die

Verwirklichung von Kinder- und Familienwünschen zu erleichtern. Die Gesellschaft braucht starke Familien, in denen die Kinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen, fähig zu Eigenverantwortung und Solidarität. Unsere Politik für die Familien orientiert sich an traditionellen Werten und neuen Wirklichkeiten. Familien leben nicht für sich allein, sie sind eingebettet in ein kulturelles und soziales Umfeld, umgeben von Strukturen, die ihnen helfen oder aber es ihnen schwer machen, Familie zu leben - und die die Gesellschaft und der Staat gestalten müssen. Für eine familienfreundliche Gesellschaft In der Familie lernen Menschen soziale Tugenden, wechselseitige Verpflichtungen, Vertrauen und Verantwortung. Hier erfahren sie das Miteinander der Generationen. Hier werden Menschen angenommen unabhängig von Leistung und Versagen. Familien brauchen ein Klima, in dem sie sich entfalten können. Familienwerte sind elementar für die Entwicklung des Einzelnen, aber auch für den sozialen Zusammenhalt. Familienwerte in diesem Sinne und aus diesen Gründen zu bewahren, ist entscheidend. Zu dem Klima gehören auch die Anerkennung der gleichen Entfaltungsrechte der Geschlechter und der Wunsch von jungen Männern und Frauen nach Entfaltung in Familie und Beruf. Familienwerte verpflichten Frauen und Männer gleichermaßen. Es ist das Ziel einer zukunftsorientierten Familienpolitik, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich möglichst viele Menschen für ein Leben mit Kindern entscheiden. Es geht deshalb darum, echte Wahlfreiheit zu schaffen, damit Eltern entscheiden können, ob und wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren. In der bürgerlichen Familie des 21. Jahrhunderts werden sich häufig beide Eltern sowohl um die wirtschaftliche Basis als auch um die emotionale Qualität der Familie kümmern. Gerade weil Liebe und Zuwendung, wechselseitige Verantwortung und Verpflichtung in der Familie eine Zukunft haben sollen, müssen wir Familie neu denken und gestalten. Zu den Familienwerten


7 gehören Hingabe und Verlässlichkeit, aber auch Respekt vor der Individualität und den Entfaltungswünschen des Partners und der Kinder. Alle, die Kindern Leben schenken und in anderer Weise Familie leben, verdienen Respekt und Anerkennung für die große Verantwortung, die sie übernehmen. Allein erziehende Mütter und Väter erbringen diese bedeutende Leistung nicht selten unter besonderen Schwierigkeiten, bei denen sie Unterstützung brauchen. Die Gesellschaft und der Staat müssen die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen, respektieren. Es muss anerkannt werden, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Dies gilt nicht nur für nicht-eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern. Dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Hier muss die Gesellschaft tolerant sein und gegen jede Form von Diskriminierung vorgehen. Eine Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau als Kern der Familie sowie ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare sollte es indes nicht geben. Eine Familien- und Gesellschaftspolitik im Zeichen des „C” respektiert die Vielfalt gleichberechtigter Lebensentwürfe. Verabschieden sollten wir uns von der Vorstellung, Familienwerte könnten nur in einer ganz bestimmten Form familiären Zusammenlebens gelebt werden. Warum nicht unterschiedliche Formen von Verantwortung zulassen? Als verlässlichster Rahmen für familiäre Verantwortung muss die Ehe zu Recht unter dem besonderen Schutz der Verfassung gestellt werden. Doch ob Lebenspartnerschaft oder Lebensabschnittsbeziehung, ob Einverdiener-Ehe oder Doppelverdiener-Patchwork, ob klassische, vertauschte oder gemischte Rollenverteilung – Menschen können auf vielfältige Weise füreinander Verantwortung übernehmen und füreinander einstehen. Dass Menschen Verantwortung übernehmen, sollte eine Gesellschaft immer unterstützen, unabhängig davon, wie Menschen Partnerschaft und Familienleben gestalten und mit ihren beruflichen Zielen und Verpflichtungen in Einklang bringen wollen. Zweitens: Eine Familienpolitik im Zeichen des „C” sieht die Verantwortungsfähigkeit des Einzelnen und der Gesellschaft als ihre zentrale Gestaltungsaufgabe. Ziel ist es, Menschen

die

politische

Unterstützung

zu

geben,

die

sie

brauchen,

um

ihrer

Verantwortung gegenüber ihrer Familie und ihrem Umfeld gerecht zu werden – egal, in welcher Lebenssituation sie sich befinden, egal, ob sie berufstätig sind oder nicht und egal, wie sie sich familiäre Aufgaben teilen. Was zählt, ist, dass die Unterstützung denjenigen zugute kommt, die sie brauchen, vor allem den Kindern, insbesondere auch denjenigen, die in einem schwierigen sozialen Umfeld aufwachsen. Drittens: Nicht Geld, sondern Zeit ist die Leitwährung moderner Familien- und Gesellschaftspolitik. Denn Verantwortungsfähigkeit setzt Zeit für Verantwortung voraus: Zeit, in der Familie füreinander da zu sein; Zeit, sich um Kinder oder um pflegebedürftige


8 Angehörige zu kümmern; Zeit, sich ehrenamtlich zu engagieren; Zeit, sich im Freundeskreis und in der Nachbarschaft gegenseitig zu helfen. Von maßgeblicher Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Strukturen unserer Arbeitswelt. Es sollte uns zu denken geben, dass familiäre Fürsorgepflichten im Berufsleben immer noch als Handicap gelten. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass unsere Arbeitskultur von einer Leistungselite geprägt ist, die sich deshalb so kompromisslos ihrer Karriere widmen kann, weil sie die Zuständigkeit für Kinder und Küche aus ihrem Leben outgesourced – und das heißt meist: an die Ehefrau delegiert – hat. Die Folge ist, dass Frauen und Männer, die sich als Eltern Zeit für Verantwortung nehmen, dafür mit Gehaltseinbußen und eingeschränkten beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten bezahlen. Was aber bedeutet es für die Verantwortungsfähigkeit des einzelnen und den Zusammenhalt der Gesellschaft, wenn Zeit für Verantwortung mit beruflichen Entwicklungschancen bezahlt werden muss und wenn nur diejenigen nach ganz oben kommen, die sich keine Zeit für Verantwortung nehmen? Viertens: Faire Chancen für jeden sind in unserer Gesellschaft die integrierende Kraft. Eine Chancengesellschaft ist der Nährboden für Solidarität und Zusammenhalt. Nur wer selbst eine faire Chance hat, kann Verantwortung für sich selbst und für andere übernehmen. Faire Start- und Bildungschancen für Kinder sind deshalb Leitbild meiner Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Die Chance des einzelnen auf persönliche Entwicklung und gesellschaftlichen Aufstieg ist eine treibende Kraft, die uns alle nach vorne bringt. Menschen brauchen Anlass zum Optimismus und die Aussicht auf Erfolg. Bessere Präventionsinstrumente gegen Frustration, Aggression und soziale Ausgrenzung gibt es nicht. Fünftens:

Jedem

eine

faire

Chance

heißt

auch,

verschiedenen

Lebens-

und

Familienentwürfen eine faire Chance zu geben. Es wäre schon viel gewonnen, wenn diese These zumindest als Gebot politischer Klugheit von allen Seiten akzeptiert würde. Eine am Leitbild des gesellschaftlichen Zusammenhalts orientierte Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendpolitik integriert, statt zu spalten, und hat deshalb im Hinblick auf das Ziel einer christlichen Verantwortungskultur in unserer Gesellschaft mehr Aussicht auf Erfolg

als

Grabenkämpfe

um

Deutungshoheiten

und

den

vorzugswürdigeren

Lebensentwurf. Denn solche Diskussionen erlauben keine Kompromisse. Im Gegenteil: Sie verhindern Verständigung. Genau das aber kann gerade nicht im Sinne einer Politik im Zeichen des „C” sein.


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