Heft 8 - Das 'C' und Migration und Integration

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DAS CHRISTENTUM ALS „MOTOR“ DER MODERNE – HEFT 8

Das 'C' und Migration und Integration Peter Graf


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Das 'C' und Migration und Integration Peter Graf

„Kompendium der Soziallehre der Kirche“, Kapitel 6 und 9: Migration und Arbeit (297) „Die Einwanderung muss kein Hindernis, sie kann vielmehr eine Quelle der Entwicklung sein.“ (298) „Die Regelung der Migration nach den Kriterien der Billigkeit und des Gleichgewichts ist eine der unerlässlichen Voraussetzungen dafür, dass sich die Eingliederung in einer Weise vollzieht, die die von Würde des Menschen geforderten Sicherheiten garantiert. Die Einwanderer müssen als Personen aufgenommen und gemeinsam mit ihren Familien bei der Integration in das gesellschaftliche Leben unterstützt werden.“ Internationale Gemeinschaft und Werte (433) „Das Zusammenleben der Nationen beruht auf denselben Werten, die auch das Zusammenleben einzelner Menschen bestimmen müssen: Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit. Auf der Ebene der grundlegenden Prinzipien der internationalen Gemeinschaft fordert die Lehre der Kirche, dass die Beziehungen zwischen den Völkern und den politischen Gemeinschaften über Vernunft, Vorurteilslosigkeit, Recht und Verhandlung in der angemessenen Weise geregelt werden, während sie Gewalt und Krieg, Formen der Diskriminierung, der Einschüchterung und der Täuschung ausschließt.“

Benedikt XVI.: Enzyklika „Caritas in Veritate“, Kapitel 2 und 5: (26) „Man darf dabei allerdings nicht außer Acht lassen, daß die zunehmende Kommerzialisierung des Kulturaustauschs heute eine zweifache Gefahr begünstigt. An erster Stelle ist ein häufig unkritisch angenommener kultureller Eklektizismus zu beobachten: Die Kulturen werden einfach nebeneinander gestellt und als im wesentlichen gleichwertig und untereinander austauschbar betrachtet. Das fördert das Abgleiten in einen Relativismus, der dem wahren interkulturellen Dialog wenig hilfreich ist; auf gesellschaftlicher Ebene bewirkt der kulturelle Relativismus ein getrenntes Nebeneinanderher-Leben der Kulturgruppen ohne echten Dialog und folglich ohne wirkliche Integration. An zweiter Stelle existiert die entgegengesetzte Gefahr, die in der kulturellen Verflachung und der Vereinheitlichung der Verhaltensweisen und der Lebensstile besteht. Auf diese Weise geht die tiefe Bedeutung der Kultur der verschiedenen Nationen und der Traditionen der verschiedenen Völker verloren, in denen der Mensch sich mit den Grundfragen der Existenz auseinandersetzt. Eklektizismus und kulturelle Nivellierung laufen auf die Trennung der Kultur von der menschlichen Natur hinaus. So können die Kulturen ihr Maß nicht mehr in einer Natur finden, die über sie hinausgeht, und reduzieren den Menschen schließlich auf ein bloßes kulturelles Phänomen. Wenn das geschieht, gerät die Menschheit in neue Gefahren der Hörigkeit und der Manipulation.“


3 (62) „Ein anderer Aspekt, der in Bezug auf die ganzheitliche menschliche Entwicklung Beachtung verdient, ist das Phänomen der Migrationen. Dieses Phänomen erschüttert einen wegen der Menge der betroffenen Personen, wegen der sozialen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen Probleme, die es aufwirft, wegen der dramatischen Herausforderungen, vor die es die Nationen und die internationale Gemeinschaft stellt. Wir können sagen, daß wir vor einem sozialen Phänomen epochaler Art stehen, das eine starke und weitblickende Politik der internationalen Kooperation verlangt, um es in angemessener Weise anzugehen. Eine solche Politik muß ausgehend von einer engen Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Aufnahmeländern der Migranten entwickelt werden; sie muß mit angemessenen internationalen Bestimmungen einhergehen, die imstande sind, die verschiedenen gesetzgeberischen Ordnungen in Einklang zu bringen in der Aussicht, die Bedürfnisse und Rechte der ausgewanderten Personen und Familien sowie zugleich der Zielgesellschaften der Emigranten selbst zu schützen. Kein Land kann sich allein dazu imstande sehen, den Migrationsproblemen unserer Zeit zu begegnen. Wir alle sind Zeugen der Last an Leid, Entbehrung und Hoffnung, die mit den Migrationsströmen einhergeht. Das Phänomen zu steuern ist bekanntermaßen komplex; (…). Jeder Migrant ist eine menschliche Person, die als solche unveräußerliche Grundrechte besitzt, die von allen und in jeder Situation respektiert werden müssen.“

Benedikt XVI.: „Päpstliche Botschaft von Benedikt XVI. zum 96. Welttag des Migranten und Flüchtlings (2010)“: „Es ist mein aufrichtiger Wunsch, daß den minderjährigen Migranten die nötige Aufmerksamkeit entgegengebracht werde, denn sie brauchen ein soziales Umfeld, das ihre physische, kulturelle, geistliche und moralische Entwicklung ermöglicht und fördert. In einem fremden Land ohne feste Bezugspunkte aufzuwachsen bereitet vor allem denjenigen unter ihnen, die ohne die Unterstützung der Familie aufwachsen müssen, zahlreiche und mitunter massive Entbehrungen und Schwierigkeiten. (…) Ein typischer Aspekt der Migration von Minderjährigen ist die Situation der in den jeweiligen Gastländern geborenen Kinder sowie derjenigen, die nicht mit den nach ihrer Geburt emigrierten Eltern zusammenleben, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt mit ihnen zusammenkommen. Diese Heranwachsenden gehören zwei Kulturen an und sind mit all den Vor- und Nachteilen konfrontiert, die mit dieser zweifachen Zugehörigkeit verbunden sind, obgleich ihnen dieser Lebensumstand auch die Gelegenheit geben kann, den Reichtum der Begegnung zwischen verschiedenen kulturellen Traditionen zu erfahren. Es ist wichtig, daß ihnen der Schulbesuch und die spätere Eingliederung in die Welt der Arbeit ermöglicht werden und sie durch angemessene Strukturen im sozialen Bereich und im Bildungswesen in die Gesellschaft integriert werden. Dabei darf nie vergessen werden, daß das Jugendalter eine grundlegende Etappe auf dem Bildungsweg des Menschen darstellt.“

Die vorliegenden Texte wurden von Katharina Fuchs zusammengestellt.


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Peter Graf: Steuerung von Migration als Integration - eine europäische Aufgabe

Illegale Formen der Einwanderung kennzeichnen derzeit die Migration nach Europa. Italien als ein Mitgliedsland an den Außengrenzen ist davon in einem besonderen Maße betroffen. Die Migranten kommen auf Wegen, die weder vorgesehen noch bereitet sind. Hinzu kommt, dass es Formen von Gewalt sind, die Menschen veranlassen, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Auf ihrem Weg erfahren die Migranten weiter Gewalt. Darin liegt die Dynamik der aktuellen Prozesse von Migration, daraus leiten die Menschen ihre Kraft ab, um jeden Preis die Grenzüberschreitung auf sich zu nehmen. Allein Menschen, die in aussichtslose Zwangslagen geraten, wandern quer durch einen riesengroßen Kontinent Afrika, händigen ihr letztes Vermögen korrupten Beamten und aus und überlassen

schließlich

ihr

Letztes

einem

verantwortungslosen

Bootsführern,

um

schließlich - mit leeren Händen und entkräftet - nach Europa zu kommen. Dieses tun erwachsene Menschen nur, nachdem sie Gewalt erfahren haben, aus ihren zwanghaften Lagen heraus schließlich mit allen Mitteln den Ausweg nach Europa suchen. Daraus leitet sich die Aufgabe im Blick auf die Migranten ab: Es geht darum, zu verhindern, dass Migrationsprozesse,

an

deren

Ursprung

Gewalt

steht,

Formen

von

Zwang

und

Ausbeutung nach Europa übertragen. Zwanghafte Lebenslagen als push-Faktoren der Auswanderung münden häufig in Bestechung und Ausbeutung, haben zur Folge, sich an korrupte Schlepper auszuliefern, erfordern das Vernichten der Papiere über die eigene Identität. Migrationsgeschichten dieser Art sind geeignet, weitere Formen illegalen Verhaltens einerseits und der Ausbeutung andererseits in das Land der Einwanderung zu importieren.

Der Erfahrung von Gewalt Grenzen setzen. Das Wissen um die Erfahrung von Gewalt als Auslöser von Migration fordert die Europäer auf, eine Übertragung von Gewalt und Zwangslagen nach Europa zu verhindern Nur wenn die Verlängerung dieser Tendenz, die der aktuellen Migration innewohnt, unterbunden wird, werden aus illegalen Sackgassen für die Einwanderer mögliche Wege des legalen Überlebens, für die Aufnahmegesellschaft mögliche Formen des Zusammenlebens mit Minderheiten. Angesichts der Virulenz dieser Kräfte, die Migration einleiten und begleiten, können nur kraftvolle Maßnahmen steuernd wirken. Daher genügen weitere Formen des Abwartens nicht, reichen rechtliche Maßnahmen, die für Asylbewerber konzipiert wurden, nicht aus,


5 die kontinuierliche Flucht aus aussichtslosen Lebenslagen zu steuern. Vielmehr wird es nur durch entschiedenes Handeln und einschneidende Maßnahmen gelingen, den starken push-Kräften, die Migration auslösen, in einer Weise Grenzen zu setzen, dass sie nicht in neue Gewalt und Ausbeutung in Europa münden. Nicht zu handeln bedeutet, die Entwicklung starken Kräften der Destruktion zu überlassen, auf Seiten der Einwanderer ebenso wie auf Seiten der aufnehmenden Gesellschaft. In diesem Falle erzeugen Prozesse, an deren Ursprung zwanghafte Lebenslagen oder die Erfahrung von physischer Gewalt stehen, neue Formen struktureller Gewalt, ihrer Ausgrenzung und Verachtung auf Seiten

der

etablierten

Gesellschaft

des

Landes

der

Einwanderung

bis

hin

zu

interkulturellen Konflikten.

Eine Europäische Aufgabe von historischer Dimension Diese Prozesse zu gestalten bedeutet, einer historischen Aufgabe globalen Ausmaßes ins Auge zu sehen. Kein Mitgliedsland der EU, das an den südlichen Außengrenzen der EU liegt, wird diese Aufgabe allein schultern können, kein Teil des bestehenden Flüchtlingsund Asylrechts allein wird genügen, die Dinge so zu steuern. In einigen Regionen Afrikas herrscht Krieg ohne Kriegserklärung, ethnische Vertreibung ohne Dokumentation, Unterdrückung und Versklavung

ohne Belege. Daher reichen die Vorgaben des

Asylrechts, die rechtliche Administration von Flucht und Vertreibung allein nicht aus, müssen soziale Lebenslagen der Einwanderer beachtet werden, um den Kreislauf von Ankunft und Untertauchen, von Rückführung und erneuter Einreise zu durchbrechen. Aufgrund der Zahlen müssen sich die Partnerländer der EU gegenseitig unterstützen, zumindest über die Mittelmeer-Schiene zusätzliche Strukturen der Steuerung von Migration in Kooperation mit den orientalischen und afrikanischen Nachbarländern einziehen. Prozesse der Migration entschiedener gemeinsam zu steuern, bedeutet nicht nur, Einwanderung zu kontrollieren, sondern Europa zu gestalten. Daher geht es keineswegs nur um Einwanderer, sondern um Europa und das im europäischen Recht verankerte Menschenbild.

Europa als Raum der Personen- und Menschenrechte Die Europäische Union zieht Menschen mit großer Kraft an. Dieses zeichnet Europa aus. Sie ist weltweit der einzige große politische Raum, in dem ‚Ausländer’ anderer Nationalität und Sprache gleichzeitig Mitbürger der EU sind und so einen Status haben, der nahe an die Stellung des Staatsbürgers herankommt. Europa selbst ist ein interkultureller Kontinent der Sprachen, Kulturen und Religionen. Darüber hinaus ist Europa nicht zu verstehen ohne seinen Austausch mit den Kulturen rings um das


6 Mittelmeer, das die Römer über Jahrhunderte als ihr eigenes Meer, als ‚mare nostrum’ bezeichneten. Einer der aus Afrika Eingewanderten hieß Augustinus, gilt seit dem 5. Jht. als Lehrer und Kirchenvater des Abendlandes. In Florenz hat der Philosoph Pico della Mirandola 1486 zum ersten Mal in der Weltgeschichte die Gelehrten des Abendlandes und des Orients zu einem großen Konzil eingeladen, um über die ‚dignitas hominis’, als allgemeine Grundlage menschlicher Existenz, das Thema der ‚Menschenwürde’ zu verhandeln. Diese Konferenz wurde zwar vom Papst Innozens VIII wegen seiner starken Inspiration durch die Philosophie des Orients untersagt, doch das Thema ließ Europa nie mehr

los,

hat

schließlich

die

Grundlagen

für

das

Konzept

der

Personen-

und

Menschenrechte geschaffen und Eingang in die Verfassungen der europäischen Staaten gewonnen. Sicher wird Europa nicht die Welt aufnehmen, wird die globale Formen der Not und Gewalt nicht lösen können, doch Europa muss in der Art, wie es mit den fremden Anderen umgeht, weiter sich selbst im eigenen Spiegel erkennen. Europa ist sehr viel mehr als der Kontinent einer Religion, einer Sprache, einer führenden Nation oder herrschenden Ethnie. Als Europäer kann sich nur verstehen, wer im Verhältnis zu anderen Menschen anderer Sprache und Herkunft die Personen- und Menschenrechte achtet. Dies bedeutet, allen Menschen ihr Recht auf eine eigene Weltanschauung, Religion und Lebensform zuzugestehen. Die Praxis vieler Herkunftsländern ringsum, in denen diese Rechte nicht geachtet werden, stellen keinerlei Maßstab für Europa selbst dar. Fremde Normen auf Menschen aus der Fremde anzuwenden, bedeutet, das eigene Bild vom Menschen zu verachten, mehr noch, die hohen Ansprüche der eigenen europäischen Verfassungen mit Füßen zu treten.

Die Europäische Union als Raum der Krisenbewältigung Migration

nach

Europa

ist

und

wird

sowohl

für

die

Eingewanderten

wie

die

Aufnahmegesellschaften immer zu den schwierigsten Aufgaben zählen. Sie zu gestalten ist Teil der Aufgabe, Europa gemeinsam zukunftsorientiert auszurichten. In ihrer Geschichte hat die Europäische Union schon mehrmals Aufgaben übernommen, die zunächst unlösbar erschienen. Ich nenne hier die Aufnahme der Länder Osteuropas einschließlich der Übernahme sozialistisch geführter Industrien durch westeuropäische Firmen. So erschien es zunächst unerhört, dass eine der ersten und renommiertesten tschechischen Firmen wie Skoda durch eine deutsche übernommen werden sollte. Inzwischen floriert die tschechische Firma wie der internationale Markt eben durch diese Kooperation, die anfangs nicht nur riskant und teuer, sondern kulturpolitisch untragbar erschien. Die gegenwärtige Finanzkrise Griechenlands ist ein weiteres Beispiel. Auch hier


7 wird zwischen der Alternative zu entscheiden sein: Entweder die Dinge gemeinsam zu gestalten – zum gegenseitigen Vorteil -, oder abzuwarten und nicht zu handeln und so, ebenfalls gemeinsam -, hohe Risiken einzugehen. Ähnlich wird der Umgang mit den aktuellen Formen der Einwanderung gemeinsam zukunftsorientiert konstruiert werden oder man überlässt diese Entwicklung – ebenfalls gemeinsam -, destruktiven Kräften. Ersteres wird nicht ohne hohe Kosten und gemeinsames Engagement gelingen, letzteres wird Krisen erzeugen, die kaum zu kontrollieren sind und konfliktreiche kulturelle Verwerfungen im öffentlichen Leben zur Folge haben. Daher muss jetzt handeln, wer politische

Polarisierung

am

Ort

der

Einwanderung

reduzieren

und

erhebliche

Nachfolgekosten für Europa verhindern will. Wer jetzt Maßnahmen einleitet, die Migration effizient steuern, leistet eine Arbeit der Integration, die nicht darin besteht, Fremde zu anzuziehen oder sie zu dulden, sondern darin, ihnen eine Perspektive zusammen mit der Aufnahmegesellschaft zu erschließen, in Kooperation mit den Strukturen und Erwartungen der etablierten Gesellschaft zu leben, zu lernen und so

zum kulturellen,

wirtschaftlichen

und sozialen Mehrwert des

Aufnahmelandes beizutragen. Eben dann wird die Begegnung mit anderen, die Reflexion über das Eigene und das Fremde ein neues Bewusstsein erzeugen, das bereichert und neue Formen im kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Leben erschließt. Es wird keine Integration im Innern der Europäischen Union geben, wenn nach außen die ‚Festung Europa’ abgeschottet wird, die Prinzipien der europäischen Verfassungen im Verhältnis zu Menschen ohne EU-Pass missachtet werden. Wer die Einwanderer von draußen nur zurück schickt, wird auch in Europa selbst sich auf Kosten der vielen ‚anderen’, die andere Sprachen sprechen, profilieren und dafür eintreten, sie ‚nach Hause’ zu schicken. Zu viele politische Parteien in Europa setzen weiter auf diese Position gegen ‚die Ausländer’, vielfach mit großem Erfolg. Andererseits gibt inzwischen es große Parteien etwa in Deutschland, die erfahren haben, dass ‚Ausländerfeindlichkeit’ keine Stimmen mehr bringt, in den Augen der Mehrheit keine überzeugende Perspektive mehr darstellt. Dieses Bewusstsein ist daher kontinuierlich im öffentlichen Leben zu erarbeiten, um der Mehrheit eine zukunftsorientierte Perspektive anzubieten, das Verhältnis zu Minderheiten konfliktfrei zu gestalten.

Handlungsperspektiven: Folgende sieben Ebenen politischen Handelns, die ich thesenhaft aufrufe, sind dabei gemeinsam zu gestalten: 1. Migration konsequenter überwachen.


8 Migration zu steuern bedeutet, illegale Einwanderung effizienter zu kontrollieren. Es gibt technische Möglichkeiten, Gewässer nicht nur durch Schiffe, sondern vom Weltraum aus konsequent zu überwachen und in Kooperation mit den Anrainer-Ländern in Nordafrika die Häfen strenger zu kontrollieren. Dieses erfordert Initiativen der Europäischen Union, nicht

zuletzt

ihres

Verbunds

mit

den

Mittelmeer-Staaten.

Eine

gemeinsame

Administration und Technik, die über die jeweils nationale Küstenwache der betroffenen Länder hinaus führt, wird von den Anrainer-Staaten in einem höheren Maß beachtet werden. Es geht darum, die Möglichkeiten der Schiffsführer, Einwanderer illegal zu transportieren,

einzuschränken.

Ihre

Schiffe

sind

für

aufmerksame

Beobachter

erkennbar. Auf diese Weise werden auch Hunderte von Opfern, die durch überfüllte Boote beim ersten Sturm ertrinken, vor dem Tod bewahrt. Darüber hinaus wird die EU Möglichkeiten der Kooperation mit den Partnerländern zur Kontrolle ihrer Küsten aufbauen und finanzieren können, die einzelnen Mitgliedsländern allein nicht zur Verfügung stehen. 2. Illegale Beschäftigung vermindern. Über

die

push-Kräfte

der

Herkunftsländer

hinaus

sind

es

die

pull-Kräfte

der

Einwanderungsländer, die Prozesse der Migration am Laufen halten. Wer genauer hinsieht,

kann

erkennen,

wo

Einwanderer

illegal

beschäftigt

werden,

so

ganze

Wirtschaftszweige unterhalten. Wer Migranten illegal beschäftigt, entzieht sie gleichzeitig dem legalen Verfahren, versteckt sie in unmenschlichen Unterkünften, erzeugt neue Formen der Ausbeutung. Diese Felder sind endlich auszutrocknen, denn sie führen eben an den Ort, aus dem Migranten kommen. Gleichzeitig verfügen alle Länder über Arbeitskräfte, die Beschäftigung suchen, zu legalen Bedingungen einfachste Löhne annehmen. Die Beschäftigung von Einwanderern muss, so niedrig die Entlohnung ausfallen mag, ‚unter staatlicher Aufsicht’ erfolgen, um keine neue Illegalität zu schaffen, das Untertauchen von großen Gruppen über viele Jahre zu vermeiden. Illegale Beschäftigung beinhaltet nicht nur die Ausbeutung von Einwanderern, die sich aufgrund ihrer Migrationsgeschichte dagegen nicht wehren können, sondern auch ein Vergehen gegenüber den Arbeitssuchenden der etablierten Gesellschaft. Sie erzeugt nicht nur neues Unrecht, sondern auch soziale Konflikte auf Seiten der aufnehmenden Gesellschaft. 3. Familiäre und soziale Netzwerke beteiligen. Einwanderer, die Aussicht auf ein erfolgreiches Verfahren der Aufnahme haben, sollen Familien und sozialen Netzwerken anvertraut werden, die bereit sind, Verantwortung für sie zu übernehmen. Viele Einwanderer haben Verwandte oder Familienangehörige in Europa. Sind diese bereit, gegen Hinterlegung einer Kaution sich um die neuen Einwanderer zu kümmern, werden sie sie konsequent beraten, auf ihrem Weg begleiten


9 und dafür sorgen, dass sie nicht in die Illegalität untertauchen. Vor allem für Einwanderer, die als Familien ankommen, erscheint dieser Weg als Überlebensform. Der Wert dieses Vorgehens liegt ferner darin, dass Italien entlastet wird, ein Teil der dort anlandenden Einwanderer in andere Länder der EU weitergereicht werden können, ohne dort Kommunen zu überlasten. Dieses

Vorgehen

verlangt

eine

Zusicherung

der

aufnehmenden

Familien

oder

Vereinigungen, etwa gegen eine Kaution die neuen Einwanderer zu beraten und Verantwortung dafür zu übernehmen, dass diese nicht untertauchen, sich nicht dem regulären Aufnahmeverfahren entziehen. Im Falle der Nichterfüllung dieses Versprechen gibt es Möglichkeiten, diesen Familien oder Vereinigungen die Kaution zu entziehen, sie aus weiteren Verfahren dieser Art heraus zu nehmen. Gleichzeitig erscheint die Kompetenz eingewanderter Familien unersetzbar, sowohl sprachlich wie kulturell, beruflich und sozial, denn kein Einwanderer kann es allein schaffen, sich zügig und erfolgreich in der neuen Welt zu integrieren, vor allem wenn sie als Eltern für eine Familie zu sorgen haben. 4. Sprach- und Integrationskurse einfordern. Wer ein Aufnahmeverfahren durchlaufen hat, kann nicht erfolgreich sein Leben gestalten, ohne die Landessprache zu lernen, die Regeln des öffentlichen Lebens zu verstehen. Dieses

gilt

in

besonderem

Maß

für

Familien,

die

mit

Kindern

einwandern.

Integrationskurse für Menschen, die beruflich beschäftigt sind, für Mütter oder Kinder im Kindergarten beinhalten sehr unterschiedliche Zeiten, Formen und Methoden des Sprachenlernens. Diese unterschiedlichen Angebote sind in dem Maße vorzuhalten, in dem die Öffentlichkeit eine Teilhabe der Einwanderer am öffentlichen Leben wünscht. Väter oder Mütter, die die Landessprache nicht lernen, sind nicht in der Lage, sich verstehend um die Bildung ihrer Kinder zu kümmern, sie in ihren grundlegenden Aufgaben zu beraten oder sie zu unterstützen. An dieser Stelle zeigt sich die Relevanz von Sprach- und Integrationskursen für die kulturelle, soziale und berufliche Perspektive eingewanderter Familien. Die Investition der Mehrheit in diese Kurse zahlt sich in jeder Form aus, da sie Minderheit vor Fehlleistungen bewahrt. 5. Schulische Erziehung der Kinder konzipieren. Eingewanderte Gruppen sind überfordert, von sich aus die Erziehung ihrer Kinder zu konzipieren. Dieses ist Aufgabe der Systeme öffentlicher Erziehung, die für alle Kinder im Land Verantwortung übernehmen müssen. Die nationalen Schulen sind nur teilweise auf Kinder eingestellt, die eine andere Erstsprache sprechen als die Landessprache, deren Eltern keineswegs vergleichbar in den Schulen präsent sind wie die Eltern der Mehrheit. Die Zeit, die Erziehung von Minderheiten auf andere Schultern zu delegieren, sie den


10 Herkunftsländern zu überlassen, ist abgelaufen, da diese Vorgehensweisen insgesamt gescheitert sind. Kinder aus eingewanderten Minderheiten haben in der Schule nur Erfolg, wenn sie von der öffentlichen Schule als Teil der jungen Generation wahrgenommen werden, für die in jeder Hinsicht Verantwortung zu übernehmen ist. In der Regel sind diese Schüler nicht nur in der Landessprache und Schulsprache zusätzlich zu fördern, sondern auch in der Entwicklung ihrer Erstsprache spezifisch zu unterrichten. Ohne zusätzliche Fördermaßnahmen werden Schüler aus eingewanderten Minderheiten in einem hohen Maß in der Schule versagen. Ohne eine gemeinsame und gleichrangige Erziehung mit den Gleichaltrigen der Kinder – ihrer zukünftigen Umwelt -, kann dieses Ziel nicht gelingen. Abgesehen von den Folgekosten für die aufnehmende Gesellschaft beinhaltet ein Scheitern in der Schule höchst belastende und schwer zu verkraftende Einschnitte in die Biographie der betroffenen jungen Menschen. 6. Religiös-ethische Erziehung ‚unter Aufsicht des Staates’. Integration beinhaltet Lernprozesse der Orientierung, die mit der Umwelt, in der Menschen leben, abgestimmt sind. Insofern muss ein Schulsystem, das junge Menschen auch zu Staatsbürgern und Mitgliedern der Gesellschaft bildet, eine religiös-ethische Erziehung anbieten. In Deutschland wird dieses Lehrangebot durch das Grundgesetz verlangt, wenn die Eltern es wünschen. Religiös-ethische Erziehung an öffentlichen Schulen ist immer auch verpflichtet, die Werte und Normen der Verfassung den jungen Menschen zu vermitteln. Sie schafft daher Grundlagen für ein ebenso gemeinsames wie verbindliches Menschenbild, das

sowohl

den

Werten

europäischer

Verfassungen

entspricht

als

auch

andere

Glaubenshaltungen anerkennt. Religiös-ethische Erziehung ‚unter Aufsicht des Staates’ ist daher immer ein pädagogisches Angebot,

das sich an alle Schüler richtet, in

gegenseitiger Abstimmung verwirklicht wird und im Austausch mit den Mitschülern zur Reflexion über den Menschen, seiner Stellung als Mann und Frau und seinen Aufgaben in der Gesellschaft einlädt. 7. Öffentliches Leben gemeinsam verantworten. Integration als Teilhabe am öffentlichen Leben wird nicht gelingen ohne gemeinsam Orte der Begegnung, in die man ohne Unterschied eintreten und die man gleichermaßen wieder verlassen kann. Institute der Erwachsenenbildung, Akademien der politischen Bildung, Orte des Sports, der Medien, Rundfunkanstalten und kirchliche Institutionen schaffen in vielen Ländern ebenso persönliche wie fachlich kompetente Räume der Begegnung. Sie sind unabdingbar für Erwachsenenbildung im Kontext höchst komplexer Lernprozesse, die nicht nur für Eingewanderte, sondern auch für die etablierten Gruppen neu anstehen. Sie haben die Aufgabe, Antwort zu geben auf gemeinsam gestellte Fragen,


11 so Verantwortung für zukünftige Entwicklungen zu übernehmen. Vollendet werden Prozesse

der

Integration

dann,

wenn

die

gefundenen

Antworten

beide

Seiten

überzeugen, Einwanderer schließlich am politischen, kulturellen und sozialen Leben der Mehrheit gleichrangig teilnehmen. Die genannten Ebenen des Handelns bedingen sich gegenseitig, stehen in einer gegenseitigen Interdependenz. Gelingt es, parallel auf unterschiedlichen Ebenen in Kooperation zwischen der Mehrheit und eingewanderten Minderheiten die gestellten Aufgaben gemeinsam zu gestalten, so werden damit nicht nur freie Räume der interkulturellen Begegnung und des gemeinsamen Austausches geschaffen. An die Stelle von Ausgrenzung und interkulturellen Konflikten wird eine neue Aufmerksamkeit für das Recht und hohe Menschenbild der europäischen Verfassungen treten. Auf diesem Weg werden sich die Europäer in ihrer großen geistes- und kulturgeschichtlichen Tradition wieder erkennen, sie neu verwirklichen und so einen politisch-kulturellen Raum für offene Begegnung in gegenseitiger Achtung auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft schaffen.


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