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Kunstwerk Natur

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FAIR FASHION

FAIR FASHION

KUNSTWERK NATUR

DIE SCHÖNSTEN DESIGNS DIESER SAISON SIND DIREKT VON UNSERER NATUR INSPIRIERT — PRINTS, DIE AN SCHMETTERLINGE UND SOMMERHIMMEL ERINNERN, STRUKTUREN VON INSEKTENFLÜGELN, DIE ZARTEN PULLIS IHRE MUSTER VERLEIHEN, RÖCKE, DIE SICH ÖFFNEN WIE BLÜTENKELCHE.

Diese Seite — Kleid um € 349,–und Rock um € 279,–, beides von Weekend by Max Mara. Linke Seite — Batikkleid von La Fée Maraboutée um € 149,–.

Gelbe SCHLÜSSELBLUMEN, dunkelviolette Akeleien und roten Klatschmohn pflücken, während Bienen summen und feengleiche SCHMETTERLINGE auf den zarten Blüten von WILDROSEN landen, die am Wegesrand wachsen.

Im WALD baden: Den federnden Boden unter sich spüren, ziellos durch das Dickicht streifen, und plötzlich tritt innere RUHE ein, eine tiefe Entspannung, die die SINNE und das Bewusstsein schärft.

Kleid von Hugo Boss um € 249,–.

Kreislaufdes Lebens

Ein paar Worte zum Anfang: Nur weil man in der Stadt lebt, ist die Natur nicht fort; sie umgibt uns, wo immer wir sind; sie geht nicht weg, wenn wir ihre Freunde bleiben. „Natur muss gefühlt werden“, sagte der Forschungsreisende Alexander von Humboldt Ende des 18. Jahrhunderts. Wie wahr.

von

CORINNA VON BASSEWITZ

Die ersten acht Jahre meines Lebens verbrachte ich mit Mutter, Vater und zwei Geschwistern in dem großen, alten Haus meiner Großeltern mütterli cherseits. Es stand am Rande eines Waldes und war umgeben von Blumen- und Obstgärten. Der nächste Nachbar wohnte fünf Kilometer entfernt hinter dem Forst. Die Natur fand nicht nur direkt vor der Haustüre, son dern auch in den Räumen statt. Der Wind bahnte sich in Form eines Luftzugs durch undichte Fenster seinen Weg ins Innere, das Wasser tropfte bei Regen durch das undichte Dach. Ein na türlicher Lebensraum. Das Schönste aber war der undurchdringliche Wald, ein wahrer Dschungel mit dichtem Gebüsch und jahrhundertealten Bäumen, der einen Abenteuerspielplatz ohne Grenzen bot. Wir fühlten uns wie Mowgli aus dem „Dschungelbuch“, wenn wir an armdicken Lianen hochkletter ten, die von den Ästen einer uralten Buche herunterhingen. Als Schlange Kaa diente uns ein Stück Gartenschlauch, dem wir Augen aufgemalt hatten. Wir spielten Verstecken im mächtigen Wurzelwerk einer umgestürzten Eiche. Wir stellten bei Schlammschlachten die Kämpfe der Nibelungen nach, die wir aus den Sagen kannten. Der Wald beflügelte unsere Fantasie und die Lust, ständig Neues zu entdecken. An friedlichen Ta gen pflückten wir gelbe Schlüsselblumen, dunkelviolette Akeleien und roten Klatschmohn. Die Bienen summten und feengleiche Schmetterlinge landeten auf den zarten Blüten der Wildrosen, die am Wegesrand vor sich hin wuchsen. In einem Gewächshaus gediehen Tomaten, Stangenbohnen und Erbsen, die wir Kinder aus der Schale lösen mussten. Es gab Zwetsch ken- und Apfelbäume, deren Früchte im Herbst geerntet wurden. Die Bucheckern, die im Herbst zu Boden fielen, presste die Großmutter zu Öl. Am schönsten war es, wenn wir mit un seren Großeltern loszogen, um Kräuter zu sammeln: Spitzwegerich, Sauerampfer, Bärlauch – die dann zu herrlich duftenden Suppen verarbeitet wurden – ein herrliches Leben voller Abenteuer und unendlich scheinender Sommer.

Süßer Vogel Jugend

Irgendwann zogen wir mit unseren Eltern in die Stadt, in der ich heute noch lebe. Anfangs vermisste ich die verschiede nen Grüntöne des Waldes, die Farbenpracht der Wildblumen, den Duft von Jauche und Freiheit. Ich trug geblümte Kleider und Blusen mit Schmetterlingsärmeln, parfümierte mich mit dem Duft „Flower“ von Kenzo, in dessen transparentem Fla kon eine stilisierte Mohnblume steckte. In einem Anfall von Heimweh tapezierte ich den Flur meines ersten eigenen Apart ments mit einer Blütentapete nach einem Gemälde des niederländischen Künstlers Jan Davidsz de Heem. Der Zeitgenosse von Rembrandt ist bekannt für feine Stillleben mit Blume. Als ich während meiner Jugendzeit die Stadt lieben lernte, die kul turellen Angebote, die Menschen, die Bars und die Clubs, trug ich statt Blusen mit Schmetterlingsärmeln enge Rollkragen pullover zu Röhrenhosen, den Look der Existenzialisten. Flora und Fauna verloren ihre Bedeutung und waren nicht mehr der Inbegriff unbeschwerten Glücks. Ich pflegte kultivierte Vorur teile gegen „Landeier“ und Jauchegeruch, eine typische Stadtbewohnerin eben, die den Gedanken an alles, was natürlich ist, verdrängt hatte. An Bärlauch, das Lieblingsgrünzeug aus mei ner Kindheit, erinnerte ich mich nur, wenn ich in der Nähe eines Gemüsestandes den leicht knoblauchartigen Geruch wahrnahm. Es war nichts, was ich vermisste.

Zurück zum Ursprung

Auf einmal trat die Natur wieder in mein Leben. Ein Besuch an einem Nachmittag im Juli bei einem befreundeten Künstler, der in dem winzigen Weiler Oed (nomen est omen!) in einem Austragshäuschen auf einem Bauernhof lebte, war der Auslöser für meine wiederentdeckte Liebe zu Wald, Wiese und Viehzeug. Der Anderthalb-Häuser-Ort ist von Kuhweiden, Fichten und Buchen umgeben – Fauna und Flora bis zum Horizont. Es war

Pullover um € 159,95 und Rock um € 179,95, beides von Hugo.

ein wunderschöner Sommertag. Am blauen Himmel zogen ein paar Kumulus-Wölkchen vorüber. Kühe muhten, Bienen summten, delikat gemusterte Schmetterlinge ließen sich auf feuerrotem Klatschmohn nieder. Wir liefen los, rasteten auf ei ner kleinen Lichtung, legten uns auf das weiche Moos und schauten in die Höhe, wo die Wipfel der Bäume zusammenstie ßen. Wir beobachteten grün schillernde Käfer, die lautlos und selbstvergessen über den von Fichtennadeln bedeckten Wald boden liefen. Manchmal krabbelte einer über unsere Hände. Später rannten wir über eine abgemähte Weide zurück zum Haus. Es duftete nach frisch geschnittenem Gras, nach Jauche und dem Glück des Augenblicks. „Alle Theorie ist grau, und nur der Wald und die Erfahrung sind grün“, schrieb 1846 der deut sche Waldwissenschaftler Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil in seinen kritischen Blättern. Der weise Forstexperte war seiner Zeit voraus. Grünes zu erfahren, macht jetzt, über 150 Jahre spä ter, die Runde. „Waldbaden“ ist neben Achtsamkeitsübungen die Freizeitbeschäftigung der Stunde. Der Trend schwappte von Japan zu uns, wo er bereits 1982 in das Bewusstsein der geplag ten Stadtbevölkerung rückte. „Shinrin Yoku“ heißt Waldbaden dort, „ein Bad in der Luft des Waldes einnehmen“. Wälder gibt es überall. Hineinspaziert! Vom Weg abschweifen! Innehalten und die reine Luft und den modrigen Geruch der Pilze einat men! Den federnden Boden unter sich spüren, ziellos durch das Dickicht streifen – das ist pures Glück. Und plötzlich tritt innere Ruhe ein, eine tiefe Entspannung, die die Gedanken leiser wer den lässt. Ein „Waldbad“ ist Bewusstseinsbildung im Hier und Jetzt: Der hohe Sauerstoffgehalt in der Luft löst Hochgefühle aus und sorgt für seelisches Gleichgewicht.

Beide Welten natürlich vereint

Auch wenn ich weiterhin in der Stadt leben werde, tue ich es jetzt mit einem anderen Bewusstsein. Ich habe mich mit der Natur angefreundet, die auch in Häuserschluchten lebt. Ich sehe die kleinen Spinnen, die ihre Netze im Efeu an einer Wand weben. Ich freue mich über die Maiglöckchen, die jedes Frühjahr im Stadtpark unter den Bäumen blühen. Ich beob achte vom Fenster meines Apartments das Wachstum des struppigen Buschs im Hinterhof, den ich nie wahrgenommen hatte. Meine Re-Naturierung schärft meinen Sinn für Details. Ich wähle Mode mit Naturfreundblick, trage flatternde Blu menkleider, hauchzarte Sommerpullis, deren Muster an Libellenflügel erinnern und träume von flirrenden Sommertagen auf dem Anwesen meiner Großeltern beim Anblick einer lichtblauen Tunika. Wann immer ich Zeit habe, besuche ich meinen Freund in Oed, dort, wo ich dem Kunstwerk Natur wieder nahekam. „Wenn man die Natur wahrhaft liebt, so fin det man es überall schön.“ Dieses wunderbare Zitat von Vincent van Gogh passt zu meinem Balanceakt zwischen Stadt und Land. Ich gehe heute da und dort auf Humboldt’sche For schungsreise. Kommen Sie doch mit. •

BEAUTY

Machen Sie sich bereit für den Sommer – die schönste Zeit des Jahres! Mit international angesagten Looks, verführerischen Düften für sie und ihn, gepflegter Männerhaut und einer Menge Tipps rund um gesunde und strahlende Urlaubsbräune.

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