16 minute read

III Resümee

1 Kritische Anmerkungen zur aktuellen Ausgestaltung des ABS

Kontinuierliche Aushöhlung des ABS durch Abflachung

Betrachtet man die Entwicklungen rund um den ABS im Zeitverlauf, zeigt sich eine eindeutige Verschiebung zu Ungunsten der größeren Städte. Wie in Tabelle 2 ersichtlich, kam es nicht nur zu einer Reduktion der Stufen und einer damit verbundenen Anhebung der untersten Stufe auf die nachfolgende Stufe. Vielmehr wurde auch der Vervielfacher in den unteren Stufen im Zeitverlauf kontinuierlich angehoben. Besonders deutlich wird dies bei einer Betrachtung des Verhältnisses zwischen den Stufen (Abbildung 6). So betrug das ursprüngliche Verhältnis zwischen der untersten Stufe (bis 2.500 EW) und der obersten Stufe (über 50.000 EW) 0,43:1. Eine Gemeinde bis 2.500 EW erhielt daher pro EW nur 43 Prozent der Mittel einer Stadt über 50.000 EW. Dieses Verhältnis wurde laufend reduziert, sodass seit 2011 ein Verhältnis von 0,69:1 (zwischen Gemeinden unter 10.000 EW und über 50.000 EW) besteht. Eine Gemeinde unter 10.000 EW erhält nun pro EW 69 Prozent einer Stadt über 50.000 EW. Dies verdeutlicht die Abflachung des ABS in beträchtlichem Ausmaß.

Abbildung 6: Verhältnis zum obersten Vervielfacher des ABS im Zeitverlauf

Verhältnis zur ABS-Stufe über 50.000 EW 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

1948 1955 1985 2005 2011 Jahre mit ABS-Änderungen im FAG bis 1.000 EW 1.001-2.500 EW 2.501-10.000 EW 10.001-20.000 EW 20.001-50.000 EW

Quelle: Diverse Novellen zum Finanzausgleichsgesetz seit 1948; KDZ: eigene Darstellung 2014. Die Abflachung des ABS wirkte sich jedoch nicht nur auf das Verhältnis zwischen der kleinsten und größten EW-Stufe aus. Bemerkenswert ist insbesondere, dass sich das Verhältnis zwischen den kleineren Gemeinden und den Gemeinden zwischen 10.001 bis 20.000 EW im Zeitverlauf dramatisch veränderte. So näherten sich die Pro-Kopf-Beträge bis zum Jahr 2011 beinahe vollständig an. So lag der Anteil an der obersten Stufe im Jahr 1948 bei den Kleinstgemeinden bei 43 Prozent, bei den Gemeinden von 10.001 bis 20.000 EW bei 71 Prozent. Im Jahr 2011 liegt der Anteil bei den Gemeinden von 10.001 bis 20.000 EW noch immer bei 71 Prozent, der Anteil der anderen EW-Stufen hat sich jedoch mit einem Anteil von 69 Prozent beinahe vollständig angenähert.

Damit erhalten sämtliche Gemeinden unter 20.000 EW beinahe die selben Mittel aus dem Finanzausgleich, obwohl diese sehr unterschiedliche Funktionen wahrnehmen und auch teilweise zentralörtliche Leistungen erbringen.

Änderungen am ABS orientieren sich in keinster Weise an tatsächlichen Leistungsänderungen

Durch die Abflachung des ABS kommt es zu einer Aushöhlung desselben. Die vorgenommenen Änderungen orientieren sich dabei in keinster Weise an den tatsächlichen Gegebenheiten. So ist nicht davon auszugehen, dass sich der Aufwand einer größeren Stadt im Verhältnis zu einer kleinen Gemeinde im Zeitverlauf (so wie der Verhältnisschlüssel beim ABS) beinahe halbiert hat. Es ist auch nicht argumentierbar, dass sämtliche Gemeinden unter 20.000 EW die selben ProKopf-Beträge aus dem ABS erhalten, da diese unterschiedliche Aufgabenniveaus haben. So bestehen unterschiedliche sozio-demografische und geo-topografische Rahmenbedingungen sowie ein unterschiedliches Ausmaß an Zentrumsaufgaben.

Geringere Bedeutung des ABS bei gleichzeitig höherer Komplexität im FAG

Ein weiterer wesentlicher Aspekt im Zusammenhang mit dem ABS ist das Verhältnis zu weiteren Verteilungsvorgängen im Rahmen der Gemeinde-Ertragsanteilsverteilung. So wurde der ABS bereits im Jahr 1959 teilweise durch einen Finanzbedarf-Finanzkraft-Ausgleich ersetzt, um auch einen Ressourcenausgleich zwischen den Gemeinden zu erreichen. Hinzu kamen im Jahr 2000 der Getränkesteuerausgleich und der Werbeabgabe-Ausgleich sowie ab dem Jahr 2008 mehrere Vorausanteile, welche nun neben dem ABS bestehen. Letztere wurden auch wegen der kontinuierlichen Abflachung des ABS – und der damit verbundenen Begünstigung kleinerer Gemeinden und Städte – notwendig. Schließlich reduzierten auch die Abzüge für das Landespflegegeld die ABS-Mittel.

Tabelle 6: Bedeutung des ABS im Zeitverlauf

Anteile einzelner Verteilungsschritte am gesamten Aufkommen, exkl. Wien BVA Verteilungsschritte 2001 2005 2008 Ist 2012* Finanzbedarf-Finanzkraft-Ausgleich 3,5% 4,6% 4,1% 4,6% Sockelbetrag 6,9% - - - Getränkesteuerausgleich 6,6% 6,8% 6,3% 6,2% Werbesteuerausgleich 0,5% 0,4% 0,4% 0,3% Werbeabgabe nach Volkszahl 0,1% 0,7% 0,7% 0,5% Vorausanteil § 11 Abs 5 - - 2,5% 2,5% Vorausanteil § 11 Abs 6 - - - 1,3% Vorausanteil Selbstträgerschaft § 11 Abs 8 - - - 0,6% ABS (Rest) 82,5% 87,5% 86,0% 83,9% Summe 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% * Das Landespflegegeld wurde anteilsmäßig bei sämtlichen Verteilungsschritten abgezogen. Exkl. Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel Quelle: Österreichischer Gemeindebund und Österreichischer Städtebund: Finanzausgleich 2001: Ein Handbuch, 2001; KDZ: Finanzausgleich 2005: Ein Handbuch, 2005; KDZ: Finanzausgleich 2008: Ein Handbuch, 2008; BMF: Sonderauswertung zum Finanzausgleich 2012; KDZ: eigene Berechnungen zum Finanzausgleich 2014.

Insgesamt zeigt sich eine vor allem in den letzten 15 Jahren entstandene deutlich komplexere Verteilung der Gemeinde-Ertragsanteile, wobei eine steigende Zahl an Regelungen neben dem ABS besteht und damit die Bedeutung des ABS zusätzlich verringert wird. So lag der Anteil des ABS (inkl. Sockelbetrag) im Jahr 2001 noch bei 89,4 Prozent. Seitdem reduzierte sich der Anteil kontinuierlich und liegt im Jahr 2012 nur mehr bei 83,9 Prozent.

Netto-Belastung der Gemeinden spiegelt sich nicht im ABS wider

Die tatsächliche Netto-Belastung 8 der Gemeinden ist von der Ausgestaltung des ABS völlig unabhängig. Liegt die durchschnittliche Netto-Belastung der Gemeinden im Jahr 2012 bei den Gemeinden bis 500 EW bei rund 1.200 Euro, sinkt diese bei den Gemeinden von 1.001 bis 2.500 EW auf knapp 1.000 Euro ab und steigt danach wieder an und liegt bei den Gemeinden zwischen 10.001 und 20.000 EW bei knapp 1.300 Euro pro Kopf. Die Städte zwischen 20.001 und 50.000 EW bewegen sich bei 1.400 Euro, der höchste Wert wird bei den Städten über 50.000 EW mit knapp 1.800 Euro erreicht. 9 Diese unterschiedlichen Belastungen zeigen einen kontinuierlichen Verlauf zwischen den Gemeinden nach verschiedenen Größenklassen und keinen abrupten Sprung bei 20.000 EW. Die höheren Mittel aus dem ABS können auch nicht verhindern, dass die Netto-Belastung bei den Städten über 20.000 EW gegenüber den Gemeinden unter 20.000 EW deutlich höher ist.

Tabelle 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Gruppen 2003 bis 2012

Gruppe 3

0 bis 500 EW

501 bis 1.000 EW

1.001 bis 2.500 EW

2.501 bis 5.000 EW Gruppe 4 Gruppe 8

5.001 bis 10.000 EW

10.001 bis 20.000 EW

20.001 bis 50.000 EW

50.001 bis 500.000 EW

0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600 1.800

Euro pro Kopf

Anmerkung: Gruppen gemäß Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung.

Gruppe 0

Gruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 5

Gruppe 6

Gruppe 7

Quelle: Mitterer et.al.: Gemeindefinanzen 2003-2012, S. 14.

Aktueller ABS bildet derzeitige Funktionen und Aufgabennotwendigkeiten nicht ab – Hohe Heterogenität der Gemeinden würde differenzierte Mittelvergabe benötigen

Diese ungleiche Belastung nach EW-Klassen ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich. So besagt § 4 des Finanzverfassungsgesetzes 1948, dass die Verteilung der Mittel unter der Prämisse der Übereinstimmung mit den Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen hat und die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften nicht überschritten werden

8 Netto-Belastung ist die Saldierung aus ordentlichen Einnahmen und Ausgaben. 9 Vgl. Mitterer et.al.: Gemeindefinanzen 2003 bis 2012, S. 14.

dürfen. 10 Dieser Grundsatz gilt für sämtliche Gemeinden im selben Ausmaß und darf daher nicht zulasten einzelner Gemeindentypen gehen. Vielmehr scheint es, dass der aktuelle ABS die derzeitigen Aufgabennotwendigkeiten nicht berücksichtigt. Einerseits stehen die Gemeinden aufgrund der kleinteiligen Gemeindestruktur vor sehr unterschiedlichen sozio-demografischen sowie geografisch-topografischen Rahmenbedingungen, andererseits wird die Funktion im Raum – daher die Übernahme von zentralörtlichen und ballungsraumspezifischen Aufgaben – nicht berücksichtigt. Hinsichtlich zentralörtlicher Leistungen gilt, dass zwar einige Ausgleiche der Lasten der Zentralörtlichkeit bestehen, dass diese jedoch keinen Bezug zu den tatsächlich erbrachten Leistungen aufweisen, sondern es sich vielmehr um historisch gewachsene Verhandlungsergebnisse handelt. Im Sinne eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs bedarf es daher einer stärkeren Verknüpfung zwischen tatsächlichem Finanzbedarf und den im Finanzausgleich bereitgestellten Mitteln. So zeigt eine Betrachtung der Netto-Belastung der Gemeinden nach Aufgabentypen 11 , dass es zu keinen sprunghaften Veränderungen bei einer Gemeindegröße von 20.000 EW kommt, sondern dass der Anstieg der Netto-Belastung gleichmäßig verlaufend ist. Auch ist ersichtlich, dass zentralörtliche Aufgaben nicht nur von den Städten über 20.000 EW erbracht werden, sondern auch von den anderen Gemeinden (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß).

Abbildung 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Aufgabentypen (ohne Finanzwirtschaft), 2012

Euro pro Kopf 2.000 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400 200 0

bis 500 EW 501 bis 1.000 EW 1.001 bis 2.500 EW

Basisaufgaben Zentralörtliche Aufg. 2.501 bis 5.000 EW 5.001 bis 10.000 EW 10.001 bis 20.000 EW 20.001 bis 50.000 EW 50.001 bis 500.000 EW

Ballungsraumspez. Aufg.

Naturbezogene Aufg. Quelle: Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2012. KDZ: eigene Berechnung 2014. Hinzu kommt, dass nicht nur die Gemeindegröße für das Ausgabenniveau verantwortlich ist, sondern dass vielfältige Faktoren zusammenspielen. Die heterogene Ausgangssituation der Gemeinden steht einer einheitlichen Mittelverteilung pro Kopf deutlich gegenüber, weshalb der Ruf nach einer verstärkt aufgabenorientierten Mittelverteilung lauter wird und auch sachlich erforderlich ist.

10 Vgl. Hüttner et.al.: Verfassungsrechtliche Grundlagen, 2008, S. 45. 11 Zuordnung der Aufgaben zu den Aufgabentypen gemäß Bröthaler et.al.: Aufgabenorientierte Gemeindefinanzierung, 2002.

Netto-Belastung ist die Differenz der ordentlichen + außerordentlichen Einnahmen und Ausgaben.

Finanzbedarf als schwer objektiv erfassbarer Begriff

Die mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen einhergehenden Aufgabenerfordernisse ziehen die Frage des tatsächlichen Finanzbedarfs nach sich. Fakt ist, dass der ABS auf den Finanzbedarf nur sehr unbefriedigend Bezug nimmt, indem er unterstellt, dass (quasi) sämtliche Gemeinden unter 20.000 EW denselben Finanzbedarf haben und deshalb gleich viele Mittel aus dem ABS erhalten müssen. Auf unterschiedliche Funktionen und Aufgabenerfordernisse aufgrund heterogener Rahmenbedingungen wird jedoch nicht eingegangen. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Begriff des Finanzbedarfs erscheint daher notwendig. Dabei muss jedenfalls darauf verwiesen werden, dass der aktuell verwendete FinanzbedarfBegriff im Rahmen des Finanzbedarf-Finanzkraft-Ausgleiches des Finanzausgleichsgesetzes keine geeignete Definition des Finanzbedarfs darstellt. Vielmehr wird hier der Finanzbedarf anhand der Finanzkraft des Vorjahres festgestellt. So entspricht der Finanzbedarf der Abweichung von der Landesdurchschnittsquote der Finanzkraft des Vorjahres. Es erfolgt daher keine Abstellung am tatsächlich notwendigen Bedarf, sondern an den verfügbaren Mitteln.

Gleichgewicht zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich besteht derzeit nicht

Ein moderner Finanzausgleich sollte einerseits einen Ressourcenausgleich vornehmen und dazu beitragen, dass Gemeinden mit einer sehr geringen Ausstattung an eigenen Steuern und Abgaben die notwendigen Finanzmittel zur Finanzierung ihrer Aufgaben zur Verfügung haben. Andererseits gilt es auch, einen Lastenausgleich zu erreichen, indem zwar grundsätzlich sämtliche Gemeinden auf eine Grundfinanzierung zurückgreifen können, dass jedoch auch unterschiedliche Aufgabenniveaus berücksichtigt werden. Es gilt daher, besondere Aufgabenerfordernisse (z.B. aufgrund zentralörtlicher Funktionen oder starker demografischer Veränderungen) auch bei der Mittelverteilung der Ertragsanteile zu berücksichtigen.

Transfers konterkarieren die Verteilungswirkungen des ABS

Ergänzend muss darauf verwiesen werden, dass die Verteilungswirkungen im primären Finanzausgleich (Ertragsanteilsverteilung gemäß Finanzausgleichsgesetz) durch die Maßnahmen im sekundären und tertiären Finanzausgleich (das sind v.a. die Umlagen von den Gemeinden an die Länder sowie die eigentlichen Gemeinde-Bedarfszuweisungen) konterkariert werden. So liegt zwar die Finanzkraft der Gemeinden des finanzkräftigsten Quintils 12 rund 80 Prozent über der Finanzkraft (welche auch die Ertragsanteile umfasst) der finanzschwächsten Gemeinden. Nach Berücksichtigung sämtlicher Transfers liegen die verfügbaren Mittel der finanzkräftigsten Gemeinden jedoch nur mehr 40 Prozent über den Werten der finanzschwächsten Gemeinden. Dies verdeutlicht die extrem ressourcenausgleichende Wirkung. 13

Um ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich herzustellen, wird es daher nicht ausreichen, einen verstärkten Lastenausgleich bei der Ertragsanteilsverteilung zu gewährleisten. Ergänzend ist es notwendig, die besonders stark ressourcenausgleichenden Wirkungen im sekundären und tertiären Finanzausgleich deutlich zu reduzieren und beispielsweise auch hier einen Lastenausgleich stärker zu berücksichtigen. Eine Reform der Ertragsanteilsverteilung sollte daher immer Hand in Hand mit einer Reform des sekundären und tertiären Finanzausgleichs gehen.

12 Oberstes Finanzkraft-Quintil bedeutet, dass hier jene 20 Prozent der Gemeinden umfasst sind, welche die höchste Finanzkraft (Ertragsanteile + eigene Steuern) pro Kopf aufweisen. 13 Vgl. Biwald et.al.: Gemeinde-Transferbericht, 2013, S. 11 f.

2 Weiterentwicklung des ABS

Aufgabenorientierte Elemente als Ersatz bzw. Ergänzung zum ABS

Die derzeit bestehende Ausgestaltung des ABS nimmt keinen Bezug auf die tatsächlichen Ausgabenerfordernisse und behandelt insbesondere sämtliche Gemeinden unter 10.000 bzw. 20.000 EW gleich – unabhängig von spezifischen Rahmenbedingungen. Ein entsprechender (zumindest teilweiser) Ersatz zum ABS im Sinne einer verstärkt aufgabenorientierten Mittelverteilung wäre daher notwendig, um auf differenzierte sozio-demografische und geografisch-topografische Rahmenbedingungen einzugehen.

Keine weitere Abflachung des ABS ohne adäquaten Ersatz!

Der Grundgedanke des ABS ist, dass Gemeinden unterschiedliche Aufgabenerfordernisse haben, welche von strukturellen Faktoren (in diesem Falle von der Gemeindegröße) abhängen. Dieser Grundsatz wurde im Laufe der Geschichte des ABS kontinuierlich ausgehöhlt und verstärkt der Grundsatz verfolgt, dass sämtliche Gemeinden dieselbe Mittelausstattung erhalten sollen – unabhängig vom konkreten Leistungsangebot. Eine weitere Abflachung des ABS hätte jedoch zur Folge, dass die Finanzierbarkeit jener kommunalen Leistungen gefährdet wäre, welche nicht von sämtlichen Gemeinden im selben Ausmaß erbracht werden.

Dies betrifft in hohem Ausmaße zentralörtliche und ballungsraumspezifische Aufgaben, welche für die regionale Entwicklung insgesamt von großer Bedeutung sind. Eine weitere Abflachung des ABS hätte daher nicht nur gravierende finanzielle Auswirkungen für die Städte selbst, sondern würde sich auch auf die umliegenden Gemeinden und das regionale Zusammenwirken (inkl. regionaler Wirtschaft) auswirken. Eine weitere Abflachung oder sogar eine Abschaffung des ABS wäre daher nur sinnvoll, wenn im Gegenzug die Finanzierbarkeit der unterschiedlichen Aufgabennotwendigkeiten der Gemeinden gewährleistet ist. Es bedarf daher eines adäquaten Ersatzes, welcher einerseits auf soziodemografische und geografisch-topografische Rahmenbedingungen Rücksicht nimmt, andererseits auch die Finanzierbarkeit zentralörtlicher Aufgaben sicherstellt.

Gesamtgefüge des Finanzausgleichs sollte neu strukturiert werden

Die derzeitigen Gemeinde-Ertragsanteile werden auf vielfältige Weise verteilt:  77 Prozent der Gemeinde-Ertragsanteile werden nach dem ABS verteilt. Daneben bestehen noch zahlreiche weitere Regelungen, welche Einfluss auf die Verteilungswirkungen der Gemeinde-Ertragsanteile haben.  13 Prozent der Mittel betreffen die Gemeinde-Bedarfszuweisungen, welche durch die Länder nach teils intransparenten und bundeslandweise sehr unterschiedlichen Vergabekriterien an die Gemeinden weitergegeben werden.  Sechs Prozent der Gemeinde-Ertragsanteile sind Ausgleiche für Entgänge im Bereich der eigenen Steuern (Getränkesteuerausgleich, Werbeabgabeausgleich). Damit tragen sie zur Finanzierbarkeit jener Gemeinden bei, welche vor Abschaffung dieser eigenen Steuern von diesen profitiert haben. Es besteht jedoch keinerlei Bezug zu den tatsächlichen Aufgabenerfordernissen bzw. Rahmenbedingungen. Vielmehr wird ein in der Vergangenheit bestandener Zustand der Finanzmittelausstattung fortgeschrieben.  Drei Prozent der Mittel sollen einem Ressourcenausgleich dienen. Mit dem FinanzbedarfFinanzkraft-Ausgleich sollen besonders finanzschwache Gemeinden gestützt werden.

Tatsächlich gibt es jedoch nur 113 Gemeinden, welche nicht von dieser Regelung profitieren.  Ein Prozent der Mittel wird für Ausgleiche verwendet, welche durch strukturelle Änderungen im Finanzausgleich notwendig wurden. Dies betrifft die Vorausanteile sowie das Landespflegegeld.

Abbildung 8: Ertragsanteile nach groben Verteilungsschlüsseln, 2012

3%

6% 1%

13%

77% BZ-Mittel

ABS

Ersatz für Steuerentgänge

Ressourcenausgleich

Ausgleiche für strukturelle Änderungen im FAG

Quelle: Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2012. KDZ: eigene Berechnung 2014.

Insgesamt ist festzustellen, dass die derzeitigen Elemente nicht dazu geeignet sind, adäquat auf die Bedürfnisse und unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Gemeinden einzugehen. Vielmehr werden veraltete Verteilungswirkungen konserviert, wie dies beispielsweise auf den Bereich der Ausgleiche für den Entgang im Bereich der eigenen Steuern oder für Ausgleiche aufgrund struktureller Änderungen im Finanzausgleich zutrifft. Es erfolgt jedoch keine grundsätzliche Diskussion darüber, was mit der Verteilung der Gemeinde-Ertragsanteile bewirkt werden soll.

Wesentliche Kritikpunkte am aktuellen Finanzausgleichsgesetz sind daher:  Das FAG ist nicht dazu geeignet, differenziert auf unterschiedliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Gemeinden zu reagieren. Ein entsprechender Lastenausgleich im Sinne eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs fehlt.  Es kann kein Ausgleich zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich geschaffen werden.  Die Verteilungswirkungen der einzelnen Elemente des FAG sind intransparent. Die einzelnen Elemente sind nicht aufeinander abgestimmt.  Es ist keine Zielsetzung hinsichtlich der gewünschten Verteilungswirkungen erkennbar. Vielmehr ist das FAG eine Sammlung an unterschiedlichen Elementen, welche versuchen, vergangene Zustände zu prolongieren.  Regionale Wirkungen von zentralörtlichen Aufgaben werden nicht ausreichend berücksichtigt und abgegolten.  Die zusätzlichen Verteilungswirkungen durch den sekundären und tertiären Finanzausgleich werden im FAG selbst nicht berücksichtigt. So findet dort ein

Ressourcenausgleich (je nach Bundesland in sehr unterschiedlichem Ausmaß) statt, wodurch die Verteilungswirkungen des primären Finanzausgleichs ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden.

In Summe würde es daher einer ganzheitlichen Diskussion bedürfen. Eine alleinige Reform des ABS würde hingegen nicht ausreichen, einen modernen Finanzausgleich zu gestalten. Vielmehr bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der einzelnen Elemente des Finanzausgleichsgesetzes. In diesem Zusammenhang muss insbesondere auch darauf verwiesen werden, dass neben der

Reform der Gemeinde-Ertragsanteile auch die Bereiche der Finanzzuweisungen sowie des sekundären und tertiären Finanzausgleichs (v.a. Bedarfszuweisungen, Umlagen)

miteinbezogen werden sollten. Insbesondere im Bereich des sekundären und tertiären Finanzausgleichs besteht vielfältiger Reformbedarf. Durch eine verbesserte Abstimmung von primärem, sekundärem und tertiärem Finanzausgleich könnten die gewünschten Verteilungswirkungen und die verfolgten steuerungspolitischen Zielsetzungen deutlich besser umgesetzt werden. Möglich wäre hier beispielsweise die Implementierung eines Ressourcenausgleichs auf Gemeindeebene (ein Ausgleich zwischen den Gemeinden anstatt Umlagen und Gemeinde-Bedarfszuweisungen) oder eine Entflechtung der Transferbeziehungen.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ertragsanteile bezüglich Abgestufter Bevölkerungsschlüssel nach EW-Klassen pro

Kopf, 2012 ................................................................................................................................. 9 Abbildung 2: Ertragsanteile betreffend Ausgleichs-Vorausanteile – Fixbeträge nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ......................................................................................................................... 10 Abbildung 3: Ertragsanteile betreffend Ausgleich ABS-Änderung nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ........................................................................................................................................ 11 Abbildung 4: Ertragsanteile betreffend Selbstträgerschaft nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ..... 12 Abbildung 5: Ertragsanteile betreffend Werbesteuerausgleich nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ................................................................................................................................................. 12 Abbildung 6: Verhältnis zum obersten Vervielfacher des ABS im Zeitverlauf ............................... 17 Abbildung 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Aufgabentypen (ohne Finanzwirtschaft), 2012 ................................................................................................................................................. 20 Abbildung 8: Ertragsanteile nach groben Verteilungsschlüsseln, 2012 ........................................ 23

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Abgestufter Bevölkerungsschlüssel und Ausgleiche sowie Finanzzuweisungen mit zentralörtlichem Bezug.............................................................................................................. 6 Tabelle 2: Stufen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im Zeitverlauf ..................................... 8 Tabelle 3: Finanzzuweisungen im Bereich Personennahverkehr 2012 ........................................ 14 Tabelle 4: Finanzzuweisung für Städte über 10.000 EW............................................................... 15 Tabelle 5: Ergänzende Verteilungsvorgänge, welche den ABS reduzieren bzw. ergänzen ......... 15 Tabelle 6: Bedeutung des ABS im Zeitverlauf ............................................................................... 18 Tabelle 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Gruppen 2003 bis 2012 ................................... 19

Literaturverzeichnis

Biwald, Peter; Haindl, Anita; Hödl, Clemens: Gemeinde-Transferbericht. Analyse 2002 – 2011 und Handlungserfordernisse. KDZ-Studie 2013. BMF: Länderweise Anteile an den Ertragsanteilen und den wichtigsten Zweckzuschüssen und Finanzzuweisungen im Jahr 2012 – Gemeindeebene; Auskunft vom BMF 2013. BMF: Sonderauswertung zum Finanzausgleich 2012, 201 3. Bröthaler, Johann; Sieber, Lena; Schönbäck, Wilfried; Maimer, Alexander; Bauer, Helfried: Aufgabenorientierte Gemeindefinanzierung in Österreich. Befunde und Optionen. Springer Verlag 2002.

Hüttner, Bertram; Griebler, Dietmar; Huemer, Ulrike: Das Finanzausgleichsgesetz 2008 – Gesetzestext mit Kommentar; in: Bauer, Helfried (Hrsg.): Finanzausgleich 2008. Ein Handbuch – mit Kommentar zum FAG 2008. NWV Verlag 2008, S. 89-212. Hüttner, Bertram; Griebler, Dietmar; Huemer, Ulrike: Verfassungsrechtliche Grundlagen des Finanzausgleichs; in: Bauer, Helfried (Hrsg.): Finanzausgleich 2008. Ein Handbuch – mit Kommentar zum FAG 2008. NWV Verlag 2008, S. 43-51. KDZ: Finanzausgleich 2005: Ein Handbuch; NWV Verlag 2005. KDZ: Finanzausgleich 2008: Ein Handbuch; NWV Verlag 2008. Mitterer, Karoline; Biwald, Peter; Haindl, Anita; Hochholdinger, Nikola: Entwicklung der österreichischen Gemeindefinanzen 2003 bis 2012. Stadtdialog Jänner 2014. Österreichischer Gemeindebund und Österreichischer Städtebund: Finanzausgleich 2001: Ein Handbuch; Eigenverlag KDZ, 2001. Statistik Austria: Gemeindefinanzstatistik 2003 bis 2012. Sonderauswertung.

KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung

This article is from: