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V Reformen zum Finanzausgleich

1 Reformbedarfe im Finanzausgleichssystem

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse jener Studien, die 2010 vom BMF beauftragt wurden, verdeutlicht, welche Reformbedarfe es im Finanzausgleichssystem aus Sicht der Expertinnen und Experten gibt:  „Bereinigung der Kompetenz- und Aufgabenverteilung: Reform der praktisch unverändert gebliebenen Kompetenzverteilung aufgrund des technischen und wirtschaftlichen Wandels, aber auch aus Sicht der vielfältigen internationalen Verflechtungen und Verpflichtungen.

Verstärkte Konnexität der Aufgaben-, Ausgaben und Einnahmenverantwortung:

Zusammenführung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung mit der Finanzierungsverantwortung auf jeder Ebene des Staatsaufbaus. Verstärkte Abgabenautonomie: Stärkung der Abgabenautonomie der subnationalen Gebietskörperschaften und damit einhergehend Verminderung des Steuerverbunds. Zielorientierung des Finanzausgleichs: Flexibilisierung des Finanzausgleichs im Hinblick auf operationale, zeitlich limitierte Festlegung politisch-strategischer Ziele im Finanzausgleich (z. B. Klimaschutz und nachhaltige Raumentwicklung). Reduktion der Transfers: Stärkung der Verantwortlichkeit der fiskalpolitischen EntscheidungsträgerInnen und erhöhte Transparenz durch radikale Vereinfachung und Entflechtung der Transfers. Trennung von allokativen und distributiven Zielen und Wirkungen: Herstellung von Transparenz und Wirkungssicherheit durch klare Trennung allokativer und distributiver Ziele bei der Mittelverteilung im Steuerverbund und Transfersystem. Zusammengefasster Finanzkraftausgleich: Schaffung eines einzigen klar nachvollziehbaren Transfers zum teilweisen Ausgleich von Finanzkraftunterschieden zwischen Ländern bzw. zwischen Gemeinden. Aufgabenorientierter Lastenausgleich: Lastenausgleich für Aufgaben mit räumlichen ´Spill-overs´ oder sonstige Lasten durch spezifische sozioökonomische oder geographische Rahmenbedingungen. Wettbewerb zwischen Regionen und Gemeinden: Angemessener Wettbewerb durch verstärkte dezentrale Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung und erhöhte Transparenz der Standortvor- und -nachteile. Gemeindestruktur und -kooperation: Verstärkte Nutzung von Skalen- und Verbundvorteilen durch angemessene Förderung.“ 6

6 Siehe Bröthaler et al.: Reformoptionen und Reformstrategien. 2010, S. 3 f. Für weiterführende Ausführungen: Bauer et al. (Hrsg.):

Finanzausgleich 2017: Ein Handbuch, 2017.

2 Kritikpunkte am aktuellen Finanzausgleichsgesetz

Die Kritikpunkte zum FAG 2008 gelten auch für das FAG 2017. 7

Wesentliche Kritikpunkte am aktuellen Finanzausgleichsgesetz (FAG) sind:  Das FAG ist nicht geeignet, differenziert auf unterschiedliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Gemeinden zu reagieren. Ein entsprechender Lastenausgleich im Sinne eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs fehlt .  Es besteht kein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich. Vielmehr dominiert der Ressourcenausgleich, während kaum ein Lastenausgleich erfolgt. Vor allem im Umlagenbereich werden Lasten- und Ressourcenausgleich vermischt, wodurch eine Abgrenzung nicht mehr möglich ist.  Die Verteilungswirkungen der einzelnen Elemente des FAG sind intransparent. Die einzelnen Elemente sind nicht aufeinander abgestimmt.  Es ist keine Zielsetzung hinsichtlich der gewünschten Mittelausstattung erkennbar. Vielmehr ist das FAG eine Sammlung an unterschiedlichen Elementen, welche versuchen, vergangene Zustände zu prolongieren.  Regionale Wirkungen von Aufgaben einzelner Gemeinden werden nicht ausreichend berücksichtigt und abgegolten. Dies trifft insbesondere auf die regionale Versorgungsfunktion von zentralen Orten zu.  Die zusätzliche Mittelausstattung durch den sekundären und tertiären Finanzausgleich wird im FAG selbst nicht berücksichtigt. So findet dort ein Ressourcenausgleich (je nach Bundesland in sehr unterschiedlichem Ausmaß) statt, wodurch die Verteilungswirkungen des primären Finanzausgleichs ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden.

7 Weiterführende Ausführungen siehe Bauer et al. (Hrsg.): Finanzausgleich 2017: Ein Handbuch, 2017; Mitterer u. Haindl: Gemeinderelevante

Aspekte im Finanzausgleichsgesetz, 2014.

3 Wichtige Reformoptionen auf einen Blick

Die wichtigsten Reformoptionen zum Finanzausgleich im Überblick:

Klären der grundsätzlichen Zielsetzungen

Vor der Reform des Finanzausgleichs sollte Klarheit über die gewünschten Zielsetzungen bestehen. Insbesondere zu klären ist das Verhältnis von Allokations- und Distributionszielen (optimale bedarfsorientierte Verteilung der Mittel oder bestmöglicher Ausgleich zwischen den Gebietskörperschaften) sowie Effizienzzielen. Aber auch Verknüpfungen mit etwa wirtschaftsoder gesellschaftspolitischen Schwerpunktsetzungen wären zu diskutieren. Zusätzlich bedarf es einer Klärung der verfolgten Verteilungswirkungen. So ist die Frage zu beantworten, welche Dienstleistungen und Infrastrukturen in welchem Ausmaß garantiert werden sollen und welche Qualitätsstandards – auch unter räumlichen Überlegungen oder Funktionszuordnungen – zu gewährleisten sind.

Aufgabenreform

Noch vor einer Reform des Finanzausgleichs wäre eine Aufgabenreform sinnvoll. Diese umfasst die Bereinigung von Mehrfachkompetenzen sowie eine Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung. Als Ausgangspunkt für einen neuen Finanzausgleich wäre eine klare Zuordnung der Aufgaben zu den einzelnen Gebietskörperschaftsebenen sowie eine Aufgabenbereinigung eine wichtige Grundvoraussetzung.

Aufgabenorientierter Finanzausgleich

Eine verstärkt aufgabenorientierte Verteilung der Mittel schafft die Möglichkeit, dass unterschiedliche Lasten der Gemeinden besser ausgeglichen werden können. Nach einem KDZModell bedarf es demnach – neben der Berücksichtigung einer Basisausstattung für alle Gemeinden – auch einer verstärkten aufgabenorientierten Verteilung, um sozio-demografische sowie geografisch-topografische Rahmenbedingungen auf der einen Seite und zentralörtliche Aufgaben bzw. regionale Versorgungsfunktionen auf der anderen Seite abzudecken.

Stärkung der eigenen Steuern

Eine Stärkung der eigenen Steuern würde wesentlich zu einer höheren Gemeindeautonomie beitragen. Dies bedeutet auf der einen Seite die längst ausständige Reform der Grundsteuer, wobei insbesondere das bestehende Einheitswertsystem zu reformieren wäre. Auf der anderen Seite werden Reformen der Kommunalsteuer vorgeschlagen, wie insbesondere die Streichung zahlreicher Ausnahmetatbestände.

Transferentflechtung und -reduzierung

Zwischen Gemeinden und Ländern besteht ein hohes Transfervolumen, welches nur teilweise transparent ist und hohe Kosten verursacht. Auch werden die finanziellen Spielräume durch die starke Transferdynamik im Umlagenbereich eingeschränkt. Hier bedarf es daher einer Reduzierung des Transfervolumens und einer Erhöhung der Transparenz bei den verbleibenden Transfers. Eine Reduzierung des Transfervolumens könnte beispielsweise durch einen Abtausch der Umlagen gegen Ertragsanteile oder Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel erfolgen.

4 Grundsätzliche Zielsetzungen

Bevor über eine konkrete Reform des Finanzausgleichs diskutiert wird, bedarf es in einem ersten Schritt einer Klarheit über die Reformrichtung. Wichtig ist hierbei das Verständnis, dass der Finanzausgleich weit über das Finanzausgleichsgesetz hinausgeht und einerseits zahlreiche andere Transfer- und Finanzierungsbeziehungen zwischen den Gebietskörperschaften mitumfasst, andererseits jedoch auch die Finanzierung nicht losgelöst von Einnahmen- und Aufgabenverantwortlichkeiten diskutiert werden kann und es hier auch grundlegend um die Frage der Kompetenz- und Aufgabenverteilung auf die Gebietskörperschaften geht. Grundsätzlich gilt es, verstärkt Wirkungsziele zu integrieren und somit eine systematische Verknüpfung von Aufgaben und Budgetsteuerung zu ermöglichen. Dies kann für einzelne Aufgabenbereiche gelten, wie dies bereits jetzt beispielsweise mit der Zielsteuerung im Gesundheitsbereich erfolgt. Empfohlene Ziele für den Finanzausgleich wären beispielsweise eine verstärkte Zielorientierung der Finanzausgleichsinstrumente, eine Steigerung der Effizienz, die Zusammenführung von Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung, das Herstellen von Transparenz und das Stärken der subnationalen Abgabenautonomie. Dabei werden aufeinander abgestimmte Ziele vorgeschlagen:  wirtschafts- und regionalpolitische, wie z. B. beschäftigungs- und wachstumsfördernde Wirkungsziele;  aufgabenbezogene Ziele hinsichtlich Ergebnisse, Maßnahmen und Ressourcenverteilung auf die drei staatlichen Ebenen;  Maßnahmen zum Ressourcen- und Lastenausgleich von strukturell unterfinanzierten Ländern und Gemeindegruppen;  demokratiepolitische Wirkungsziele;  formale Ziele, wie z. B. die Nachvollziehbarkeit der Finanzierungsströme, Effizienz des Systems. 8

Hinsichtlich aufgabenbezogener Ziele bedarf es beispielsweise einer politischen Grundsatzdiskussion und -entscheidung zu den gewollten Versorgungsstandards bei Dienstleistungen und Infrastruktur. Notwendig wäre hierbei vor allem eine Diskussion zu Mindestversorgungsstandards im ländlichen Raum (innerhalb von Regionen) oder eine Diskussion zu Ausstattungsnotwendigkeiten in zentralen Orten. Lösungen in Bezug auf den Finanzausgleich sollten auch stärker auf räumliche Aspekte Bezug nehmen. So gilt es beispielsweise verstärkt in Regionen zu denken, da die vorhandenen Gemeindegrenzen mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht mithalten. Dies trifft auf der einen Seite den städtischen Bereich, wo es einer engen Kooperation oder Zusammenlegung zwischen Zentralort und den umliegenden Gemeinden bedarf. Auf der anderen Seite gilt es auch den ländlichen Raum differenziert zu betrachten und entsprechende regionale Konzepte zu berücksichtigen. Hierbei sind die mit den Finanzierungsströmen verbundenen Zielsetzungen zu klären (z. B. Stärkung regionaler Zentren statt Gießkanne im ländlichen Raum). 9

8 Vgl. Bauer u. Biwald: Wirkungsziele im Finanzausgleich; in: Bauer et al. (Hrsg.): Finanzausgleich 201 7: Ein Handbuch, 2017. 9 Vgl. Mitterer: Finanzausgleich und raumpolitische Entwicklungen, 2013, S. 120.

5 Aufgabenorientierter Finanzausgleich

Ein aufgabenorientierter Finanzausgleich berücksichtigt die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Gebietskörperschaften und die damit verbundenen Aufgabenlasten.

Aufgabenorientierung im FAG 2017

Mit dem FAG 2017 wurde erstmals der Begriff der Aufgabenorientierung im Finanzausgleichsgesetz integriert. Es wird festgelegt, dass ein Teil der Gemeinde-Ertragsanteile in den Pilotbereichen Elementarbildung und Pflichtschule ab 2018 bzw. 2019 aufgabenorientiert verteilt werden soll. Sowohl die Höhe der aufgabenorientierten Ertragsanteile als auch die konkreten Parameter sind jedoch noch offen. Die Neuerungen zur Aufgabenorientierung beschränken sich auf die Gemeindeebene.

Insgesamt ist der jetzige Schritt als punktuelle Maßnahme einzuschätzen. Inwieweit hiermit ein „Einstieg in den Umstieg“ erreicht wird, wie dies vom Finanzministerium beworben wird, wird die Zukunft weisen. Eine grundsätzliche Aufgabenreform oder zumindest eine Diskussion zur Gesamtkonzeption der Aufgabenorientierung wurde jedenfalls auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Grundsätzliche Fragen zu den Zielsetzungen der Aufgabenorientierung, wie beispielsweise das Ausmaß des Ausgleiches zwischen den Gemeinden oder zum Verhältnis zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich, blieben bisher offen. Mit der Fixierung der Aufgabenorientierung bei der Ertragsanteilsverteilung wurde dennoch eine lange geforderte Reformoption aufgegriffen. Nachfolgend werden exemplarisch Studien der letzten Jahre mit konkreten aufgabenorientierten Reformvorschlägen dargestellt. 10

Ertragsanteilsverteilung neu: Aufgabenorientierter Gemeinde-Finanzausgleich

In einem bereits 2009 vom KDZ erarbeiteten Vorschlag zu einer stärker aufgabenorientierten Verteilung der Ertragsanteile 11 werden sozio-demografische (z. B. hoher Anteil an Kindern, hohe Arbeitslosenzahlen, hoher Anteil an Personen mit Migrationshintergrund) und geografischtopografische Lasten (z. B. besonders hohe oder niedrige Siedlungsdichte, Seehöhe) sowie Lasten der zentralörtlichen Funktion (z. B. öffentlicher Verkehr, Bildungseinrichtungen, Kulturund Sporteinrichtungen, Bezirksverwaltungsaufgaben bei Statutarstädten) berücksichtigt. Das KDZ schlägt eine Neuverteilung der Ertragsanteile nach drei Schwerpunkten („Töpfe“) vor, wobei aufgabenorientierte Indikatoren wesentliche Bedeutung erhalten.  Topf 1 – Basisaufgaben (40%): Dieser Topf stellt eine Basisfinanzierung und damit einen wesentlichen Teil der grundsätzlichen finanziellen Ausstattung einer Gemeinde sicher. Aus dem Topf 1 wird ein Pauschalbetrag pro Kopf auf die Gemeinden verteilt.  Topf 2 – Sozio-ökonomische und geografische-topografische Faktoren (40%): Auch dieser Topf trägt zur Basisfinanzierung bei, die spezifische Höhe orientiert sich jedoch an den jeweiligen Lasten. Konkret: Jene Gemeinden erhalten mehr Mittel, welche beispielsweise eine überdurchschnittliche Kinderbetreuungsquote oder einen erhöhten Anteil an Personen mit Migrationshintergrund aufweisen.

10 Vgl. Mitterer: Stärkung der Aufgabenorientierung; in: Bauer et al. (Hrsg.): Finanzausgleich 2017: Ein Handbuch, 2017. 11 Bauer u. Mitterer: Kriterien aufgabenorientierter Gemeinde-Finanzausgleich, 2009.

Topf 3 – Zentralörtliche Funktion (20%):

Mittel aus diesem Topf kommen nur jenen Gemeinden zugute, welche auch zentralörtliche Funktionen erbringen.

Abbildung 16: Verteilung der Ertragsanteile auf die drei Töpfe

Topf 1 - Basisaufgaben (pro Kopf)

20%

Topf 2 - sozio-demografisch und geografischIndikatoren) Topf 3 - Lasten aus der zentralörtlichen Funktion (in Abhängigkeit der Funktion)

40%

topografische Aufgabenlasten (nach

40%

Quelle: Bauer u. Mitterer: Kriterien für einen aufgabenorientierten Gemeinde-Finanzausgleich, 2009, S. 45.

Mögliche Indikatoren: Verstärkte Aufgabenorientierung

In dieser Studie 12 wurden aufgabenorientierte Indikatoren für die Verteilung der Finanzmittel sowohl auf Länder- als auch auf Gemeindeebene identifiziert, welche neben der Einwohnerzahl gelten können. Dazu wurden Aufgaben in Basisaufgaben, für welche die finanziellen Mittel auf Basis der Volkszahl zugeteilt werden, und Sonderlasten, für die andere Indikatoren herangezogen werden, unterteilt.

Aufgabenorientierter Finanzausgleich im Elementarbereich

Eine weitere Studie des KDZ 13 beschäftigte sich mit der konkreten Umsetzung einer aufgabenorientierten Mittelverteilung in einem ausgewählten Aufgabenbereich. Im Mittelpunkt dieser Studie steht die Entwicklung eines Modells für eine aufgabenorientierte Mittelverteilung im Finanzausgleich für den Bereich der elementaren Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Hierzu wurde die aktuelle Aufgabenverteilung und Finanzierung des Kinderbetreuungsbereichs dargestellt sowie bisherige Reformoptionen zu einer aufgabenorientierten Ausgestaltung des Finanzausgleichs in Österreich diskutiert. Schließlich wurde ein Modell in mehreren Varianten entwickelt, um aufgabenorientierte Elemente in den bestehenden Finanzausgleich zu integrieren.

Regionale Versorgungsfunktion auf Gemeindeebene

Gemeinsam mit der TU Wien erstellte das KDZ 2016 14 die Grundlagen für ein Bewertungsschema zur Bestimmung der regionalen Versorgungsfunktion von Gemeinden. Zusätzlich erfolgte eine umfassende Diskussion zur Einordnung dieses Modells in das Finanzausgleichssystem. Darauf basierend wäre ein Modell zu entwickeln, um regionale SpillOvers auf der Gemeindeebene im Rahmen des Finanzausgleichs abzudecken.

12 Bauer et al.: Verstärkte Aufgabenorientierung, 201 0. 13 Vgl. Mitterer u. Haindl: Aufgabenorientierter Finanzausgleich am Beispiel Elementarbildung, 2015. 14 Mitterer et al.: Bestimmung der regionalen Versorgungsfunktion, 2016.

6 Reform der Länder-Gemeinde-Transfers

Die komplexen Transferbeziehungen zwischen Ländern und Gemeinden sind in ihrer Gesamtwirkung nicht mehr steuerbar und bedürfen daher einer klareren Ausrichtung. Nachfolgend werden die wichtigsten Reformpunkte zusammengefasst: 15

Kompetenzbereinigung: In einem ersten Schritt ist eine Kompetenzbereinigung zwischen Ländern und Gemeinden notwendig, insbesondere durch Zuordnen von heute in gemischter Trägerschaft wahrgenommener Aufgaben auf eine einzige Ebene (z. B. Sozialhilfe und Krankenanstalten beim Land, Kinderbetreuung bei den Gemeinden). Reduktion des Transfervolumens – Transferabtausch: Wichtige Reformoption ist der Abtausch von Transfers. Zu nennen ist hier insbesondere der Abtausch von Umlagen gegen Gemeinde-Ertragsanteile oder Förderungen, um eine einnahmenneutrale Lösung für die Länder zu erreichen. Im Zuge von Kompetenzbereinigungen könnten jedoch auch zahlreiche weitere Förderungen von den Ländern an die Gemeinden entfallen (z. B. Wegfall der Ko-FinanzierungsRegelungen im Kinderbetreuungsbereich). Gebündelter Ressourcenausgleich: Die aktuell sehr vielfältigen Transferströme mit ressourcenausgleichenden Wirkungen wären gemeinsam zu betrachten und teils zusammenzufassen. Der Ressourcenausgleich ist generell zugunsten eines stärkeren Lastenausgleichs abzuschwächen.

Gemeinsame Verhandlung von primärem, sekundärem und tertiärem Finanzausgleich: Ein wesentliches Problem der Gemeinden ist, dass das Finanzausgleichsgesetz und die verschiedenen bundesländerinternen Finanzausgleiche nicht gemeinsam verhandelt werden. Dies ermöglicht, dass die je nach Bundesland unterschiedlichen tertiären Transferströme die ursprüngliche Mittelausstattung im primären Finanzausgleich stark verändern bzw. sogar aufheben. Eine verstärkt gemeinsame Betrachtung und Verhandlung wäre daher insbesondere für die Gemeindeebene von Bedeutung. Transparente Gemeinde-Bedarfszuweisungen: Die derzeit je nach Bundesland sehr unterschiedlichen Verteilungsregelungen sollten transparent und bedarfsgerecht verteilt werden. Die Bedarfszuweisungsmittel-Vergaben sollten in einem Landes-Transfer-Bericht transparent dargestellt werden. Insbesondere wäre ein starkes Mitspracherecht der Gemeinden vorstellbar (z. B. Mitsprache bei Zielsetzungen und grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Mittelvergabe bzw. Mitwirkung bei der Formulierung). Transparenzsteigerung: Die Transferdaten sollten bundesländerweise in einem TransferInformationssystem veröffentlicht werden. 16 Dabei sollten nicht nur die Daten und Zahlen dargestellt werden, sondern auch über das Ausmaß der Zielerreichung und der Verteilungswirkungen berichtet werden. Wichtig im Zuge der Transparenz ist auch, dass künftig die Krankenanstalten- und Sozialhilfeumlage länderweise transparent hinsichtlich Höhe, Entwicklung und Abrechnung dargestellt werden.

15 Vgl. Biwald et al: Transferreformen auf Länder- und Gemeinde-Ebene, in: Bauer et al. (Hrsg.): Finanzausgleich 2017: Ein Handbuch, 2017;

Mitterer et al.: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen, 2016. 16 Wie eine solche Veröffentlichung erfolgen kann, zeigt für die Gemeindefinanzen die vom KDZ betriebene Plattform „www.offenerhaushalt.at“.

Hier findet sich auch der sogenannte „Subventions-Checker“, mit dem die Förderungen der Gemeinden differenziert sowie nachvollziehbar dargestellt werden können.

7 Reform der gemeindeeigenen Steuern

Die wichtigsten eigenen Steuern sind die Kommunalsteuer und die Grundsteuer. Die Entwicklung der gesamten Gemeindeabgaben (+31 Prozent von 2006 bis 2015) verläuft moderat. Insbesondere die Grundsteuer wuchs mit 24 Prozent deutlich unterdurchschnittlich, das kommt real einem Rückgang gleich. Bei einer langfristigen Betrachtung ist die Abgabenhoheit der Gemeinden deutlich reduziert worden (z. B. Entfall Getränkesteuer, Werbeabgabe). Wichtige Reformvorschläge im Bereich der eigenen Steuern zielen in erster Linie auf eine Stärkung der Abgabenhoheit der Gemeinden ab: 17

 Reform der Grundsteuer;  Ausbau und Stärkung der Kommunalsteuer;  Stärkung der Abgabenhoheit der Gemeinden durch neue Gemeindesteuern (z. B. kommunale Zuschlagsrechte auf die Einkommensteuer, Umweltbezogene kommunale Abgaben);  Ausbau und Stärkung der Gebühren für die Inanspruchnahme von Gemeindeeinrichtungen und Diensten.

Derzeit intensiv diskutiert wird die Reform der Grundsteuer. Der Einheitswert (ausgenommen landwirtschaftliche Flächen) ist zuletzt in den 1980er-Jahren angehoben worden, die Steuer ist nicht mit der Inflationsrate angepasst worden. Hinzu kommen zahlreiche Befreiungstatbestände, welche die Einnahmen der Gemeinden weiter reduzieren. Alleine durch Streichen der länderspezifischen Befreiungen könnte das Grundsteueraufkommen um geschätzt 15 Prozent erhöht werden. Längst überfällig ist auch eine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte. Da den Finanzämtern Personal fehlt, bleibt eine Feststellung seit Jahrzehnten liegen. Hinzu kommt, dass der Verfassungsgerichtshof die sachliche Rechtfertigung der Einheitswerte als Besteuerungsgrundlage mehr und mehr in Zweifel zieht, was im Falle der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie Teilen der Grunderwerbsteuer zu Gesetzesaufhebungen führte. Mit dem Paktum zum FAG 2017 wurde eine Arbeitsgruppe „Grundsteuer“ eingerichtet, welche bis Mitte des Jahres 2017 auch eine Stärkung der Abgabenautonomie der Gemeinden durch eine Reform der Grundsteuer vorbereiten soll. Intensiv diskutiert wird hierbei das „Altlengbacher Modell“. Wichtige Eckpunkte hierbei: 18

 letztmalige, deutlich vereinfachte Hauptfeststellung von Nutzfläche, Ausführung und Erhaltungszustand;  bei der Bewertung von Grund und Boden: Reduzierung auf die beiden Bodenkategorien Bauland sowie Grünland und sonstige Widmungen;  bei der Bewertung von Gebäuden: Reduzierung der Gebäudekategorien auf Wohnzwecke, geförderter Wohnbau sowie Sonstiges;  Entfall umfangreicher Abschläge und Befreiungen;  laufende Valorisierung über einen Regionalindex (eine Mischung aus Kaufpreis- und Baupreisentwicklung in einer Region);  Möglichkeit des Steuerpflichtigen, per Individualantrag einen niedrigeren Liegenschaftswert glaubhaft zu machen.

17 Pitlik et al.: Optionen zur Stärkung der Abgabenautonomie der österreichischen Gemeinden, 2012, S. 68 ff. 18 Vgl. Gschwandtner u. Puchner: Bewertungs- und Grundsteuerreform nach dem „Altlengbacher Modell“; in: Klug (Hrsg.): Reform der

Gemeindesteuern, 2015.

8 Reformmodell Gemeinde-Finanzausgleich

Mit Fokus auf die Gemeindeebene hat das KDZ ein Reformmodell zum GemeindeFinanzausgleich erstellt, welche verschiedene Finanzausgleichselemente integriert. 19 Das Modell sieht zuerst eine Basisfinanzierung – daher eine grundsätzliche finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden vor. Mit dem Lastenausgleich soll auf verschiedene besondere Aufgabenbedarfe aufgrund unterschiedlicher externer Rahmenbedingungen (z. B. sozio-demografische oder geografisch-topografische Rahmenbedingungen, zentralörtliche Funktion) reagiert werden. Der Ressourcenausgleich soll einerseits die Finanzkraft besonders finanzschwacher Gemeinden stärken, andererseits aber auch finanzkräftige Gemeinden teilweise abschöpfen. Erster Schritt ist eine gemeinsame und transparente Zielsetzung. Sinnvoll ist hier eine Balance von Effizienz-, Wachstums- und Gleichheitszielen. Auch bedarf es eines Gleichgewichts zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich. Ergänzend gilt es, weitere Zielsetzungen zu diskutieren, wie beispielsweise regionale Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen oder Potenziale zur Kooperation zwischen den Gebietskörperschaften auszuschöpfen. Anknüpfend an die generellen Zielsetzungen bedarf es zeitlich limitierter wirtschafts-, finanz-, sozial-, umwelt- und gesellschaftspolitischer Ziele, je nach politischer Priorität.

Abbildung 17: Elemente eines reformierten Gemeinde-Finanzausgleichs

Quelle: Mitterer et al.: Aufgabenerfordernisse der Gemeinden und Mittelverteilung im Gemeinde-Finanzausgleich, 2014, S. 88.

19 Mitterer et al.: Aufgabenerfordernisse der Gemeinden und Mittelverteilung im Gemeinde-Finanzausgleich, 2014.

Im Rahmen von bundesweiten Regelungen – vorwiegend über das Finanzausgleichsgesetz – gilt es eine Basisfinanzierung (z. B. Pauschalbetrag pro Kopf) über die Ertragsanteile sicherzustellen. Gleichzeitig sollte ein ausreichender Lastenausgleich im Sinne eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs entwickelt werden. Ergänzend bedarf es auch einer zielsicheren Ausgestaltung des Ressourcenausgleichs. Damit soll nicht nur die Finanzkraft besonders finanzschwacher Gemeinden angehoben, sondern auch die Finanzkraft besonders finanzstarker Gemeinden – in Abhängigkeit der EinwohnerInnenklasse – teilweise abgeschöpft werden. So wird eine vertretbare horizontale Umverteilung zwischen den Gemeinden erreicht. Dieser horizontale Ausgleich zwischen den Gemeinden soll den bisherigen FinanzbedarfFinanzkraft-Ausgleich sowie den Gemeindekopfquotenausgleich des Finanzausgleichsgesetzes ersetzen. Auch eine Finanzkraftabschöpfung über die Umlagen durch das jeweilige Bundesland kann dann entfallen.

Eine weitere wesentliche Veränderung gegenüber dem jetzigen Finanzausgleichssystem ist eine verstärkt gesamthafte Betrachtung des Finanzausgleichs. Das KDZ empfiehlt, den Rahmen für die grundsätzlichen Zielsetzungen und Elemente der bundesländerinternen Finanzausgleiche auch innerhalb des Finanzausgleichsgesetzes festzulegen. Damit kann sichergestellt werden, dass die einzelnen Finanzausgleichspartner kooperativ agieren und die einzelnen Elemente des Finanzausgleichs nicht gegeneinander wirken. Beispiele für Regelungsbereiche sind die grundsätzliche Zielsetzung, die klare Trennung von Ressourcen- und Lastenausgleich, die gewünschte Mittelausstattung, die Ausgestaltung der Umlagensysteme und die Vergabekriterien von Gemeinde-Bedarfszuweisungen. Ergänzend dazu muss eine Reform der länderinternen Finanzausgleiche einhergehen. Hier bedarf es einerseits eines weitgehenden Streichens der Umlagen. Dies wäre durch einen Abtausch gegen Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel oder Gemeinde-Ertragsanteile möglich und würde die derzeitige stark ressourcenausgleichende Wirkung reduzieren. Andererseits bedarf es einer Reform der Fördervergabe. So kann das Fördervolumen reduziert werden und bei der Fördervergabe kann verstärkt auf transparente und temporäre Zielsetzungen geachtet werden. Eine verstärkte aufgabenorientierte Mittelvergabe ist hier sinnvoll. Auch gilt es, verstärkt Anreizwirkungen oder das Erfüllen von Effizienz- und Wachstumszielen voranzutreiben (basierend auf bundesweit einheitlichen Vorgaben). Auch eine verstärkte Kooperation zwischen den Gemeinden sowie ein verstärkt regionales Denken sind Ansatzpunkte, um auch eine regionalspezifische Steuerung zu ermöglichen. Bei der Formulierung der

Richtlinien und Grundlagen der Fördervergabe ist ein starkes Mitspracherecht der Gemeinden notwendig, da es sich um ursprüngliche Gemeindemittel handelt.

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