Option einer governance-orientierten Reform des Finanzausgleichs - Management Summary

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Option einer governanceorientierten Reform des Finanzausgleichs Strategische Überlegungen Endbericht Management Summary 10.12.2019 verfasst von Dr. Helfried Bauer Dr.in Karoline Mitterer Dalilah Pichler, MSc Qualitätssicherung Mag. Peter Biwald

KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung Guglgasse 13 · A-1110 Wien T: +43 1 892 34 92-0 · F: -20 institut@kdz.or.at · www.kdz.or.at


Studie im Auftrag des Parlamentsklubs JETZT Lรถwelstraร e 12 1017 Wien


MANAGEMENT SUMMARY

Management Summary 1

Ergebnisse

Finanzausgleichsreformen stehen seit vielen Jahren auf der Politikagenda, grundlegende Reformen erscheinen jedoch nicht verein- und durchsetzbar. Dabei zeigen sich vielfältige Defizite im Steuerungssystem, insbesondere in der Würdigung der empirischen Befunde sowie bei der Zusammenarbeit der Akteure in der Mehr-Ebenen-Steuerung. Fehlende gemeinsame Zieleinigungen und Blockaden sind die Folge. Der Studie liegt die These zugrunde, dass das Weiterentwickeln staatlicher Steuerung, also von Public Governance, dazu beitragen kann, Reformen des föderalen Systems und des Finanzausgleichs voranzubringen. Hierzu erfolgt einerseits eine theoriegeleitete Auseinandersetzung mit den Potenzialen von Governance für die inhaltliche Weiterentwicklung des Finanzausgleichs sowie für den Reformprozess. Andererseits wird versucht, die Akzeptanz von Governance-Ansätzen in der Praxis zu erfassen, wozu Interviews mit zentralen Akteuren im föderalen System und im Finanzausgleich geführt wurden. Ergebnis ist ein Vorschlag für eine Reformstrategie des Finanzausgleichs im Mehr-Ebenen-System unter besonderer Berücksichtigung von Governance-Aspekten. Governance zur Regelung von Prozessen und Strukturen Governance-Ansätze haben zum Ziel, die Koordination und Kooperation relevanter Akteure zu verbessern. Im Fokus steht dabei das Bewältigen von Interdependenzen und institutionellen Verflechtungen. Die Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten im Bereich der Governance ist dabei hoch (Tabelle 1). Tabelle 1: Teilbereiche und Ansatzpunkte der Governance bei Finanzausgleichsreformen Teilbereich

Bezug des Teilbereichs * Wertebasis des Agierens (z.B. Föderalismusmodell, Art der Kooperation) * Zielqualität (z.B. mehrere Zieldimensionen, Werte und Ziele für strategische Ausrichtung) den Finanzausgleich * Evaluierungen

Ansatzpunkte für Finanzausgleichsreformen * Stärkung des kooperativen Föderalismus gleichberechtigte Partnerschaft (Bund, Länder, Gemeinden) * Verknüpfung von Aufgabensteuerung und finanzpolitischen Entscheidungen * Einbezug von Leistungs- und Wirkungszielen * gebietskörperschafts-übergreifende Zielsteuerung * aufgabenorientierte Finanzierung

* Zuständigkeiten (Kompetenzverteilung) und Accountability * Ausmaß/Art an Kooperation Agieren in mehreren * Berücksichtigen von Handlungsfeldern Interaktionen * Organisationsprinzipien Formen/ (z.B. Hierarchie oder Mechanismen der Netzwerk) Steuerung * Demokratiequalität

* Verknüpfen von Föderalismus- und Finanzausgleichsreform * Entflechten und Neuordnen der Kompetenzen * Schaffen von Accountability * Stärken der gemeinschaftlichen Aufgabenerbringung * Sichern der finanziellen Autonomie der subnationalen Ebenen * Koordination der Parlamente der drei staatlichen Ebenen

* Aufdecken und Bearbeiten Instrumente der funktionaler/ Mehr-Ebenenorganisatorischer Defizite Governance * ergänzende Instrumente Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019.

* mehr Netzwerk und Abbau von Hierarchieelementen * dosierter politischer Wettbewerb (Benchmarking) * Stärken direktdemokratischer Elemente * bessere vertikale und horizontale Beziehungen * verbesserte Koordination bei gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung * Planung im regionalen Kontext * mehr Augenmerk auf Verhandlungsdesign und -prozess

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Akzeptanz aus Praxissicht Im Rahmen von 16 Interviews mit 22 Expertinnen und Experten der Bundes-, Länder- und Gemeindeebene aus Politik und Verwaltung wurde die praktische Anwendbarkeit der skizzierten Governance-Ansätze überprüft. Eine wichtige Erkenntnis ist zunächst, dass Finanzausgleichsund Föderalismusreformen nur gemeinsam lösbar sind. Weitere Punkte mit hoher Zustimmung im Bereich Föderalismus sind eine gleichberechtigte Kooperation aller drei staatlichen Ebenen sowie vermehrte Bemühungen um die Koordination bei der Erfüllung gemeinschaftlicher Aufgaben. Die Notwendigkeit einer Finanzausgleichsreform wird überwiegend als hoch eingeschätzt, allerdings besteht ausgeprägte Skepsis gegenüber einer Reform „aus einem Wurf“. Vielmehr wird ein schrittweises Vorgehen als realistischer angesehen. Vielfältige Gründe werden für das bisherige Scheitern von Reformen genannt. Diese reichen von mangelndem politischen Engagement, unzureichend definierten Reformzielen bis hin zu Mängeln im Verhandlungsdesign. Auch wenn das Wissen über Governance in der Praxis vielfach nur ansatzweise besteht, werden doch einige konkrete Governance-Aspekte als hilfreich angesehen: Eine schwache Mehrheit der Befragten interessierte sich für Regeln zu Koordination und Zielabstimmung, für vertrauensbildende Maßnahmen und für konsensförderliches Verhandlungsdesign. Für Aufgabenkritik, Benchmarking und andere Innovationen gibt es eher beschränktes Interesse. Netzwerkdenken wird grundsätzlich positiv gesehen, allerdings zeigt sich hier auch eine gewisse Skepsis der Akteure hinsichtlich der Umsetzbarkeit. Vorschlag für eine Reformstrategie des Finanzausgleichs Basierend auf den theoretischen Ansätzen und den Einschätzungen aus der Praxis wurde eine alternative Reformstrategie für den Finanzausgleich im Mehr-Ebenen-System entwickelt (Abbildung 1). Abbildung 1: Etappen zu einer alternativen Reformstrategie im Finanzausgleich

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019.

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Insgesamt zeigen sich drei Etappen einer governance-orientierten Finanzausgleichsreform:  Zu Beginn gilt es, Governance als Lösungsansatz anzuerkennen und zu kommunizieren.  Darauf aufbauend braucht es Governance-Analysen zum Status quo, um aus Vergangenem und Bestehendem zu lernen.  Schließlich wäre eine Weiterentwicklung des Reformprozesses, einer inhaltlichen Konzeption des Finanzausgleichs und der Interaktion der Akteure möglich. Etappe 1: Governance als Lösungsansatz Zunächst würde es eine Anerkennung der Eignung von Governance-Ansätzen brauchen. Eine strategische governance-orientierte Finanzausgleichsreform böte hier vielfach Potenzial, bestehende Blockaden zu reduzieren und das Finanzausgleichssystem stärker aufgabenorientiert und kooperationsbetont zu gestalten. Sodann wären Governance-Ansätze weiter zu konkretisieren und deren Nutzen zu kommunizieren, um ein gemeinsames Verständnis von neuen Governance-Formen und -Regelungsbereichen zu schaffen. Etappe 2: Governance-Analysen des Status quo Drittens bietet sich das Lernen aus dem bisherigen Scheitern von Finanzausgleichsreformen an. So fehlen Status quo-Analysen zu den Stärken und Schwächen der bestehenden Mehr-EbenenSteuerung (z.B. Kompetenzverflechtungen, Autonomiemängel) sowie Evaluierungen zu bisher gescheiterten Reformansätzen aus Governance-Sicht (z.B. aufgabenorientierter Finanzausgleich, Grundsteuerreform, Abgabenautonomie der Länder). Viertens gilt es aus bestehenden erfolgreichen Projekten der Mehr-Ebenen-Steuerung zu lernen und für die Finanzausgleichsreform zu nutzen. Etappe 3: Entwickeln alternativer Reformstrategien Hat man die Grundlagen für eine Weiterentwicklung von Finanzausgleichsreformen gelegt, kann eine alternative Reformstrategie entwickelt werden. Dies basiert dabei auf den drei Elementen Reformprozess, inhaltliche Konzeption und partnerschaftliches Agieren. Fünftens wäre der Reformprozess zu optimieren. Dies bedeutet mehr Beachtung für das Management der Verhandlungen, etwa durch Erarbeiten strategischer Grundkonsense, eine verbesserte Entscheidungsfindung, mehr Verhandlungen im Netzwerk, Regeln für das Verhandlungsdesign sowie vertrauensbildende Maßnahmen. Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass Finanzausgleichs- und Föderalismusreformen eng miteinander verbunden sind. Sechstens bedarf es einer Konzeption eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs-Modells. Auch hier sind die engen Verschränkungen zwischen Finanzausgleichs- und Föderalismusreform zu beachten. Reformen des Finanzausgleichs müssen dementsprechend an verschiedenen Punkten ansetzen, etwa bei der Autonomie der einzelnen Gebietskörperschaften, der Ergebnisverantwortung und Rechenschaftspflicht, der maßvollen Entflechtung der Komplexität der Aufgabenzuordnungen sowie der Verschränkung von Aufgaben- und Finanzierungssteuerung. Zur besseren Abstimmung benötigt es dabei verbesserter Koordinierungsinstrumente und -prozesse, sowohl vertikal als auch horizontal. Schließlich benötigt es für das Gelingen der Reformstrategien ein partnerschaftliches Agieren im Netzwerk. Gemeinschaftliche Aufgabenerbringung bietet die Chance, immer komplexere Herausforderungen – bei geeigneten Prozessen und Strukturen – besser meistern zu können als in klassischen Hierarchien. Hierzu bedarf es vor allem auch des Engagements der politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger.

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Handlungsempfehlungen

Keine Finanzausgleichsreform ohne Föderalismusreform Die notwendige Verschränkung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen bedeutet, dass die Finanzierungsströme auch auf die sich verändernden Aufgaben der Gebietskörperschaften Bedacht nehmen müssen. Hierfür wären das Berücksichtigen von Autonomieerfordernissen von Ländern und Gemeinden, eine Entflechtung sowie klare Aufgabenzuständigkeiten bei gemeinschaftlich erbrachten Aufgaben sowie mehr Mittel für die subnationalen Ebenen mit der zunehmenden Verantwortung für Lebensqualität, Klimaschutz und Integration notwendig. Da große Würfe (wie z.B. mit dem Österreich-Konvent beabsichtigt) nur schwer leistbar sind, sollten Reformen des Finanzausgleichs schrittweise in einzelnen Aufgabenfeldern erfolgen (z.B. Bildung, Pflege, Verkehr). Dabei sind auch die Gemeinden als gleichberechtigte Partner einzubeziehen. Verbesserung der Mehr-Ebenen-Steuerung Bisherige Reformen scheiterten nicht nur am inhaltlichen Dissens, sondern auch an Verfahrensfragen, wie partnerschaftlicher Interaktion (Interessenausgleich), Bereitschaft zu Kooperation und Koordination sowie Verhandlungsdesign. Deswegen sollten – auf Basis von Governance-Ansätzen – Evaluierungen zu den Gründen des bisherigen Scheiterns von Reformansätzen durchgeführt und eine Optimierung des Reformprozesses angestrebt werden:    

Erarbeiten strategischer Grundkonsense unter Einbezug der Gemeindeebene (zum Finanzausgleich bzw. in einzelnen Aufgabenbereichen) mehr Beachtung auf Design und Management von Verhandlungen Verhandlungen im Netzwerk (statt in der Hierarchie) vertrauensbildende Maßnahmen

Inhaltliche Konzeption des Finanzausgleichs Es wäre an drei zentralen Reformthemen weiterzuarbeiten: 

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Mehr Aufgabenorientierung der Mittel des Steuerverbundes - Weiterführen der 2017 angepeilten Pilotprojekte (Klären der Ziele, Erproben unterschiedlicher Lastenausgleiche) - Erweitern der Pilotprojekte auf Ländermittel (z.B. Pflichtschulen, Gesundheit, Soziales) Sichern/Stärken der subnationalen Autonomiebereiche : - Reform der Grundsteuer (einschließlich deren Ökologisierung) - Ausbau der Abgabenautonomie der Länder (bei horizontalem Ressourcenausgleich) Transferbereinigung: - Überführen zeitlich befristeter Bundes- bzw. Länder-Transfers in die laufende Finanzierung (z.B. 15a-Mittel zur laufenden Finanzierung des Gratis-Kindergartens, Mittel zum laufenden Betrieb von Ganztagsschulen, Pflegefonds) - bundesweit einheitlicher Grundrahmen zu deutlich reduzierten Transferbeziehungen zwischen Ländern und Gemeinden: v.a. Stärkung des Lastenausgleichs gegenüber dem Ressourcenausgleich, Abbau der Ko-Finanzierung von Länderaufgaben durch die Gemeinden, Verstärken des horizontalen Ausgleichs zwischen Gemeinden bei Aufgaben mit regionaler Versorgungsfunktion (wie ÖPNV, Sozialangebote, Kultur- und Sporteinrichtungen)



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