Informations Brief Juni 2011

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Aus dem Inhalt

Neu: Aus Lehre und Verkündigung »Treuer Knecht« »… die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen …« Kirche im Schlepptau des ­Zeitgeistes Die Zehn Gebote Dokumentation: Dodoma-Erklärung Ein Brief an den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Aus Kirche und Gesellschaft Buchrezension

ISSN 1618-8306

Juni 2011 Nr.  266

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen Hempelmann jetzt ­Professor

Heinzpeter Hempelmann (56), theologischer Referent beim EKD-Zentrum Mission in der Region am Standort Stuttgart, wurde vom Land Hessen zum ordentlichen Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Evangelischen Hochschule in Marburg berufen. Schäffer folgt Günther beim CVJM Stuttgart

Pfarrer Andreas Schäffer (43), Mitglied des evangelikal ausgerichteten synodalen Gesprächskreises »Lebendige Gemeinde« in der württembergischen Landeskirche, ist neuer Leitender Referent des CVJM Stuttgart. Er folgt auf Wolfgang Günther (61), der diese Stelle 14 Jahre versah.

Neuer Präsident beim ­Zentralrat der Juden

Der Frankfurter Volkswirtschaftler Dieter Graumann (60) ist neuer Präsident des Zentralrates der Juden und damit Nachfolger von Charlotte Knobloch (München). Graumann lebt seit fast 60 Jahren in Frankfurt am Main. Seit 1995 gehört er dem Vorstand der Frankfurter

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Jüdischen Gemeinde an, ist seit 2001 im Präsidium des Zentralrats der Juden und war seit 2006 Vizepräsident. Mit Graumann, der als politischer Kopf gilt, vollzieht sich ein Generationswechsel, da er der erste Präsident des Zentralrats der Juden ist, der nach dem Holocaust geboren wurde.

Menschen, Organisationen und gesellschaftlichen Gruppen gesucht wird«. Kritiker vermuten, beim Versuch der Neuevangelisierung gehe es eher um Rekatholisierung.

Brüder-Unität in Herrnhut mit neuem Bischof

Neuer Bischof in Bayern

Zollitsch im Rat für ­Neuevangelisierung

Erstmals Protestant an der Spitze der Päpstlichen Akademie

Friedrich Waas (62) ist neuer Bischof in Herrnhut. Seit 1973 ist Waas Pfarrer der Brüder-Unität, seit 2006 in Herrnhut. Bevor er Theologie in Wuppertal, Heidelberg und Tübingen studierte, absolvierte er ein Kirchenmusikstudium in Frankfurt am Main. 1980 bis 1985 leitete er das Förderzent­ rum »Sternberg« für Menschen mit geistiger Behinderung bei Ramallah in Palästina. Mit Waas hat die EuropäischFestländische Kirchenprovinz sieben Bischöfe, die aber keine kirchenleitende Funktion haben, sondern seelsorgerliche Aufgaben und die Kirchenleitung beraten.

Der Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, ist vom Papst in den Rat für die Neuevangelisierung berufen worden (19 Mitglieder, im September 2010 eingerichtet). Zollitsch zeigte sich darüber erfreut: Evangelisierung funktioniere nur, »wenn offen und frei der Dialog mit

Als Nachfolger von Johannes Friedrich wählte die Sy­ node der bayerischen Landeskirche am 4. April den Theologieprofessor Heinrich BedfordStrohm (51). Dieser wird sein Amt am 30. Oktober antreten. Bedford-Strohm leitet die Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für Öffentliche Theologie an der Universität Bamberg. Zudem unterrichtet er an der Universität Stellenbosch in Südafrika. m Mehr auf Seite 48

Mit dem Schweizer Mik­ robiologen und Genetiker Professor Werner Arber (81, Basel, 1978 Nobelpreis für Medizin, Foto: Bei der Verlei-


hung durch den schwedischen König), der evangelischreformiert ist, wurde von Papst Benedikt XVI. erstmals in der mehr als 400-jährigen Geschichte der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften (gegründet von Papst Clemens VIII., ihr gehören derzeit 80 weltweit herausragende Akademiker an, darunter 20 Nobelpreisträger) ein Protestant zu deren Präsidenten berufen. Evangelist Wilhelm Pahls 75

Bereits im März konnte der Evangelist Wilhelm Pahls (Wienhausen bei Celle) seinen 75. Geburtstag begehen. 1960 gründete Pahls das Missionswerk »Die Bruderhand«. Pahls, der auch weiter als Verkündiger tätig ist, führt im Jahr etwa 45 Evangelisationen in Zusammenarbeit mit Kirchen, Freikirchen, Gemeinschaften und anderen Missionswerken durch. Er ist zu Recht davon überzeugt, dass in Evangelisationen über Sünde und Gnade, Bekehrung und Wiedergeburt, Himmel und Hölle, Verdammnis und Errettung gesprochen werden muss.

Baden, die der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« nahe steht, ist im Alter von 87 Jahren verstorben. Dichter- und Komponistenpfarrer Kurt Rommel †

Im Alter von 84 Jahren ist in Stuttgart Pfarrer Kurt Rommel, Autor und Komponist von mehr als 800 Liedern und über 1000 Kanons verstorben. Sein bekanntestes Lied ist »Gib uns Frieden jeden Tag«. Im Evangelischen Gesangbuch sowie in Gesangbüchern in Finnland, den Niederlanden, Norwegen und der Schweiz finden sich mehrere Lieder Rommels. Rommel, der viele Jahre Schriftleiter des Evangelischen Gemeindeblattes für Württemberg war, war außerdem Verfasser oder Mitverfasser von mehr als 100 Büchern.

Weitere Kurzmeldungen auf den Seiten 54 und 55.

Pfarrer Theodor Berggötz †

Pfarrer Theodor Berggötz (Weinheim), langjähriges Mitglied im Trägerkreis der Evangelischen Vereinigung für Bibel und Bekenntnis in

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kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«

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… um meines Namens willen Einziger christlicher Minister im pakistanischen Kabinett ermordet

Der pakistanische Minderheitenminister Shabaz Bhatti, einziges christliches Kabinettsmitglied und praktizierender Katholik, ist am 2. März erschossen worden. m Lesen Sie dazu unseren ausführlichen Bericht auf Seite 47. 3


Aus Lehre und Verkündigung m Mit Christus gleichzeitig werden. Kommt das Christwerden nicht zu dieser Bedeutung, so ist all das Geschwätz vom Christwerden Tand, Einbildung, Eitelkeit, Gotteslästerung und Sünde gegen das zweite Gebot und auch Sünde wider den Heiligen Geist. Sören Kierkegaard Sören Kierkegaard

m Wir sind des doch nicht, die da die Kirche erhalten könnten. Unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen. Unsere Nachkommen werden’s auch nicht sein; sondern der ist’s gewesen, ist’s noch und wird’s sein, der da sagt: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Matthäus 28,20).

m Dass die Welt ohne Gott bestehen könnte, ist so unmöglich,

Martin Luther

m Wehe der Kirche, die sich in einen solchen Tempel des Nationalgottes mit einfügen ließe. Der Altar des wahren, lebendigen Gottes duldet neben sich nicht den Altar des Abgottes! Endlich möchten manche meinen, sie brauchten die Verschiedenheit der einzelnen Kirchen und ihrer Bekenntnisse nicht so ernst zu nehmen, und sie könnten alles miteinander versöhnen und in eins bringen. Die so denken, nehmen das Bekenntnis zur Wahrheit nicht wirklich ernst, und wenn sie auf diesem Weg der Vermengung von allem und jedem beharren, so mag’s wohl geschehen, dass sie zu guter Letzt in einer solchen »Nationalkirche« enden. Heinrich Vogel

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als dass sie augenblicklich untergehen würde, wenn Gott sie vergessen könnte. Sören Kierkegaard

Bei einem Befehl Gottes soll man nicht zögern oder lange disputieren. Denn Gott will Gehorsam, Aufschub aber hasst er. Martin Luther

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m Für die biblischen Wunder ist es nicht entscheidend, ob man sie denken kann, sondern für sie ist entscheidend, dass sie geschehen.

Otto Michel

mm Christusverkündigung schließt die Predigt der Buße ein. Jesu Wirken begann mit dem Bußruf (Markus 1,15), die Predigt des Petrus mündete in den Bußruf (Apostelgeschichte 2,38), die Reformation setzte in den 95 Thesen mit einem vertieften Verständnis der Buße ein. Wo Kirche entsteht, wächst sie aus der Buße hervor, nicht aus der Buße, die man andern predigt, sondern die man selber tut. Nur wo sie vorhanden ist, kann Christus wirklich als die große Wende verkündigt werden. Die Kirche Jesu Christi ist die Kirche der Buße. Walter von Loewenich

m Wo spricht denn nun Christus zu uns? Antwort: in dem Wort der Heiligen Schrift, die ihn bezeugt, in deren Mitte er steht, durch deren Wort er sich uns schenkt und gibt. Das ist nämlich das eigentliche Geheimnis dieses Buches, neben dem kein anderes Buch in einem Atem genannt werden kann: Die Bibel ist das Christusbuch, das Buch, das nicht nur von ihm spricht, sondern durch das er zu uns und mit uns spricht. Heinrich Vogel Gottes Geheimnisse sind das Wort Christi, die Weisheit des Kreuzes, das Evangelium, die Gott im Neuen Testament offenbart hat; im Alten Testament waren sie verborgen. Martin Luther

m So wie sich, von der Sehne des Bogen losgeschnellt, der Pfeil des geübten Schützen keine Ruhe gönnt, bevor er am Ziel ist, so ist auch der Mensch von Gott mit der Sicht auf Gott erschaffen, und erst in Gott kann er Ruhe finden. Sören Kierkegaard

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»Treuer Knecht« Markus Sigloch

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m Zusammenhang seiner Endzeitreden sprach Jesus immer wieder vom »treuen Knecht«, der in manchen Gleichnissen beschrieben wird. Die Eigenschaften dieses »treuen Knechtes« werden heute besonders deshalb interessant, weil unsere Zeit zweifelsohne die Zeichen des Endes trägt. Noch nie nahmen die Lebensverhältnisse eine solche globale Dimension ein, wie sie es heute tun. Ja man kann sagen: Die Voraussetzungen der Endzeit sind fast alle erfüllt. Es gibt kaum noch ein Volk, dem das Evangelium nicht verkündigt wäre. Auch Israel ist in sein Mutterland zurückgekehrt. Das dekadente Abendland und das muslimische Morgenland sind im Begriff, eine Synthese aus »Sodom und Ägypten« zu bilden (vgl. Offenbarung 11,8). Es fehlt nur noch die Erscheinung des Antichristen, um sagen zu können, dass die Endzeit eingeläutet ist. In der Endzeit ist besonders die Treue einzelner Christen gefragt. Sie werden in den Gleichnissen Jesu als »Knechte« bezeichnet, was nicht als Beschreibung gewöhnlicher Christenmenschen taugt, sondern nur auf die zutrifft, die sich selbst so bezeichnen, wie z. B. der Apostel Paulus in Römer 1,1, auch Jakobus in Jakobus1,1, Petrus in 2.Petrus 1,1 oder Judas in Judas 1,1, und auch Frauen wie Maria in Lukas 1,38. Man muss sehen, dass dort, wo im Neuen Testament vom Knecht die Rede ist, in der Antike der »Sklave« gemeint war. Sich als Knecht oder Sklave Jesu Christi zu sehen, tun sich moderne Christen besonders schwer. Denn diese Selbstbezeichnung steht im Widerspruch zum Anspruch des freiheitlich-modernen Individuums. Und doch vermag gerade der heutige Mensch mit seinem Anspruch auf ein freies Leben die Zwänge nicht zu überwinden, in die er durch seine Begierden und Süchte geraten ist. Gerade im Bereich der christlichen Ethik versagt der

Markus Sigloch Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 52

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heutige Mensch auf ganzer Linie. Es gehört zu seiner Verblendung, dass er dabei die ethischen Weisungen Jesu Christi nur noch als Fremdbestimmung empfinden kann, und indem er sich gerade der »Fremdbestimmung Jesu Christi« entzieht, gerät er in die Fremdbestimmung der Sünde. Er verliert so seine Freiheit, weil er den Gedanken, ein »Knecht Christi« sein zu sollen, empört zurückgewiesen hat. Martin Luther hatte in seiner Schrift »Von der Freiheit eines Christenmenschen« im Jahre 1520 Bahnbrechendes zu diesem inneren Konflikt geschrieben. Er formulierte eine doppelte These: 1. Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. 2. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan. Diese beiden Thesen entnimmt Martin Luther einem Wort des Apostels Paulus (siehe 1.Korinther 9,16). Demnach ist die Knechtschaft, um die es ihm geht, eine freiwillige Knechtschaft und keine gezwungene. Sie ist zu vergleichen mit der Entscheidung einiger schwarzafrikanischer Sklaven in Amerika, nach ihrer Befreiung weiterhin bei ihren alten Herren zu bleiben, also eine freiwillige Fortführung des Dienstes. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um Sklaven, die schon in früheren Zeiten von ihrem Dienstherrn anständig und würdevoll behandelt worden waren. So tritt auch der getaufte Christenmensch, wenn er durchs Evangelium zum Glauben und zur persönlichen Freiheit gekommen ist, freiwillig in die »Knechtschaft Christi« zurück. Er verzichtet damit ganz bewusst auf die freie, individuelle und von Christus unabhängige Gestaltung seines Lebens. Er stellt sich vielmehr ganz bewusst und ungezwungenermaßen unter die Fremdbestimmung durch Jesus Christus – d. h. dass Jesus Christus über Sinn und Ziel seines Lebens bestimmen darf – und er erlebt darin gerade die höchste Freiheit, die ihm jemals gewährt wurde. Manche Christenmenschen finden allerdings erst spät zu dieser »Knechtschaft Christi«, weil sie zuvor immer wieder versucht haben, ihr Leben in eigener Regie zu führen. »Ich will mein eigener Herr sein«, sagt der moderne Mensch und verspürt dabei, dass der schrecklichste Sklaventreiber er selbst ist. Wer einmal die »Knechtschaft Christi« erlebt juni 2011

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»Ich will mein eigener Herr sein«, sagt der moderne Mensch und verspürt dabei, dass der schrecklichste Sklaventreiber er selbst ist. hat, will nie wieder zurück in die despotische Herrschaft des eigenen Ichs. Er hat gelernt, was der Straßburger Reformator Martin Bucer einmal formulierte: »Ich selbst bin mir der größte Feind. Christus ist mein bester Freund.« Um die Treue eines Knechtes näher zu definieren, ist zu bemerken, dass den Gleichnissen Jesu vom treuen Knecht (vgl. z. B. Matthäus 18,23ff.; Matthäus 24,45ff.; Matthäus 25,14ff.) folgendes gemeinsam ist: Der Herr ist abwesend (z. B. auf Reisen), der Knecht hat während der Abwesenheit seines Herrn einen bestimmten Auftrag und ist nun gehalten, diesen Auftrag zu erfüllen. Dadurch, dass der Herr abwesend ist, kann der Knecht sein Leben erstmals frei gestalten. Erst jetzt zeigt es sich, ob er ein treuer Knecht ist und den Auftrag seines Herrn erfüllt, oder ob ihm die Freiheit als Deckmantel seiner Bosheit herhalten muss. Auch ist den GleichnisInformationsbrief 266

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sen allen gemein, dass der Herr plötzlich überraschend zurückkommt und von seinen Knechten Rechenschaft verlangt. Der treue Knecht erhält seinen Lohn. Der untreue Knecht erhält seine Strafe. Im Blick auf die Abwesenheit des Herrn stellt sich jedem einzelnen Christen die Frage, in welchem Geiste er seine Freiheit lebt. Lebt er sie nach den Maßgaben seines Herrn Jesus Christus, oder lebt er sie nach den Maßgaben dieser Welt? Seine Entscheidung wird ihn als treuen oder untreuen Knecht auszeichnen. Seit einigen Jahrzehnten ist es üblich geworden, dass Christen besonders der Welt gegenüber zeigen möchten, dass auch sie »weltlich« leben können, dass sie tanzen können, dass sie rauchen und trinken können, dass sie vor der Ehe zusammenleben können, dass sie schwul sein können, kurzum: dass sie auch weltlich leben und es prima finden können. Damit unterscheiden sie sich nicht mehr von der Welt und verlieren so ihren Kontrast zur Welt und damit auch ihren Einfluss auf sie. Es gab noch keine Zeit zuvor, in der die Politik, die Wirtschaft oder die Presse so wenig auf die Meinung der Kirche gesetzt hat wie heute. Kirche wird heute größtenteils ignoriert, und daran ist sie selbst schuld. Denn wenn das Salz nicht mehr salzt – wie es Jesus in der Bergpredigt sagte (vgl. Matthäus 5,13) – ist es zu nichts mehr nütze und wird von den Leuten auf den Gassen zertreten. Eine Rückbesinnung auf ihren Auftrag täte der Kirche gut, und es geschieht auch immer wieder, dass Gemeinden oder die Kirchenleitung diesen Versuch unternehmen, ihre alte Salzkraft zurückzugewinnen. Die Zwänge aber, in die sie geraten sind, sind wie des Teufels Gaukelsack. Was gut gemeint ist, versandet in kraftlosen Kirchengesetzen und Ausführungsbestimmungen. Die evangelische Kirche selbst hat keine Kraft mehr; sie ist »sturmreif geschossen«, wie sie in einem Artikel des Katholiken Gerhard Zwilling bezeichnet wird, der seine evangelischen Mitbrüder zur Rückkehr in die katholische Kirche aufruft (14. Januar 2011, www.kreuz.net/article.12526.html). Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma? Sicher nicht die Rückkehr zum Katholizismus. Aber auch nicht eine Ökumene des äußeren Scheins, wie sie im Jahre 2017 als 500-Jahrfeier der Reformation von Papst und evangelischen Bischöfen gemeinsam zelebriert werden soll. Eine solche »Ökumenische Feier« anlässlich der Ablassthesen Martin Luthers ist nicht nur an Peinlichkeit, sondern auch an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. Ist die katholische Kirche bereit, sich bis dahin von ihrer Ablasspra7


Die evangelische Kirche steht und fällt mit ihrem Bezug zum Wort Gottes. xis zu distanzieren? Da darf man gespannt sein! Und finden sich evangelische Bischöfe, die dem Papst gegenüber den Mut haben, wie damals Paulus dem Petrus öffentlich Heuchelei vorzuwerfen? (vgl. Galater 2,11ff.) Ein anderer und besserer Rat als einen zu engem Schulterschluss mit der katholischen Kirche oder gar die Rückkehr in ihren Schoß kam vom Reformator Martin Luther selbst: »Zurück zu den Quellen!« Gemeint ist das Wort Gottes. Gerade heute zeigt es sich, ob sich Christen zu Jesus Christus, wie ihn die Heilige Schrift bezeugt, bekennen und in seinem Geiste und Auftrag handeln. Sie müssen sich entscheiden: weltlich leben, oder nach den Weisungen der Heiligen Schrift, die von Jesus Christus zeugt. Denn Jesus sagte von der Heiligen Schrift: »Sie ist’s, die von mir zeugt« (Johannes 5,39). Fällt die Kirche jedoch vom Wort Gottes ab, wird sie der Vollmacht beraubt, in dieser Welt noch irgendetwas zu bewirken. Die evangelische Kirche steht und fällt mit ihrem Bezug zum Wort Gottes. Wenn evangelische Altbischöfe von Sy­ noden und Kirchenleitungen bezüglich ihrer ablehnenden Haltung zur praktizierten Homosexualität als »rückwärtsgewandt« bezeichnet und öffentlich ihres Alters wegen lächerlich gemacht 8

werden, nur weil sie sich aufs Wort Gottes berufen, begehen diese Synoden und Kirchenleitungen eine Form der Selbstexkommunikation. Sie verabschieden sich aus der Gemeinschaft der Kirchen der Reformation. Wenn diese Synoden und Kirchenleitungen sich weiterhin als »Evangelische Kirche« bezeichnen, betreiben sie Etikettenschwindel; denn sie sind es nicht mehr. Sie haben ihre Treue zum Herrn verraten und damit die Verheißungen ihres Herrn gegen ein Linsengericht eingetauscht, das ihnen die Köche dieser Welt zubereitet haben. Die evangelische Kirche hat nur eine Zukunft, wenn sie zu ihrem Ursprung zurückfindet, dem Wort der Heiligen Schrift. Dann wird sie auch wieder ihre Salzkraft zurückgewinnen, indem sie sich einerseits deutlich von der Ethik einer verdorbenen und ehebrecherischen Gesellschaft absetzt (»Sodom«), andererseits von der politischen Ideologie des Islam (»Ägypten«). Sie erhält damit auch den nötigen Abstand von der Welt und kann wieder segensreich in sie hineinwirken. Dann wird man diese Kirche wieder eine treue Magd ihres Herrn nennen, eine Heimat für alle Knechte des Herrn, die ihren Herrn lieben, ihm die Treue halten und auf seine Wiederkunft warten. W juni 2011

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»… die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen …« In der Welt, aber nicht von der Welt, jedoch für die Welt Günter R. Schmidt

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ie Kirche war lange Zeit kein Thema, das man in der evangelischen Theologie besonders wichtig genommen hätte. Man konzentrierte sich eher auf den einzelnen Gläubigen, seine Rechtfertigung und seine Heiligung. Viel Aufmerksamkeit für die Kirche war in einer Gesellschaft, mit der die Kirche fast deckungsgleich war, auch nicht nötig. In der Gegenwart aber, in der diese Deckungsgleichheit, ja nicht einmal die Existenz der Kirche mehr selbstverständlich ist, tut die Selbstbesinnung der Kirche auf ihr Wesen und ihre Beziehung zur Gesellschaft, zur »Welt«, dringend not. Denn in dem Maße, wie die Illusion der Deckungsgleichheit das Bewusstsein vieler Kirchenmitglieder und kirchlicher Leitungspersonen bestimmt, droht der Kirche die Assimilation an die Welt, die Beschränkung auf Rollen, die ihr die Welt noch lässt, ja Identitätsverlust. Der Ausdruck »Kirche« ist mehrdeutig, je nachdem, ob man ihn rechtlich, soziologisch oder theologisch versteht. Rechtlich ist »Kirche« ein regionaler oder auch ein globaler Verband mit eingetragenen Mitgliedern, in den man ein- und aus dem man austreten kann und der am konkreten Ort als »Gemeinde« in Erscheinung tritt (»Ortsgemeinde«). Soziologisch gibt es mehrere Kirchen und jede davon ist eine Religionsgesellschaft unter anderen. Alltagssprachlich meinen wir in Deutschland mit »Kirche« eine evangelische Landeskirche oder die römisch-katholische Kirche. Wir haben uns daran gewöhnt, dass sich die-

Günther R. Schmidt Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 52 Informationsbrief 266

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se beiden Konfessionskirchen gegenüberstehen. Von ihnen unterscheiden wir die so genannten Freikirchen. Theologisch meint »Kirche« im weiteren Sinne die Gesamtheit der Getauften, im engeren die Gesamtheit der Menschen, die getauft sind, an Jesus glauben und christlich leben wollen. Für »Kirche« in diesem engeren Sinne verwenden manche lieber den Ausdruck »Gemeinde« oder genauer »Gemeinde Jesu« und meinen damit sowohl die lokale christliche Gruppe als auch die weltweite Gesamtheit solcher Gruppen. Die »Gemeinde Jesu« ist nach diesem Verständnis nicht an bestimmte Großverbände, »Kirchen« im rechtlichen oder soziologische Sinne gebunden, sondern existiert innerhalb oder auch außerhalb ihrer. Im Folgenden soll der Begriff der »Kirche« im theologischen Sinne erläutert und kritisch auf die evangelischen Landeskirchen bezogen werden.

Was ist die Kirche, woher kommt sie und wohin geht sie? Diese Fragen möchte ich an das Neue Testa­ ment, an das Nizänische Glaubensbekenntnis und an die Augsburgische Konfession stellen. Dabei soll sich zeigen, wie aktuell diese normativen Grundlagen unseres Glaubens sind. Kirche im Neuen Testament Von den Hörern der Pfingstpredigt des Petrus erzählt Lukas (Apostelgeschichte 2,41): »Die sein Wort annahmen, ließen sich taufen, und es wurden an jenem Tag hinzugetan etwa 3 000 Seelen.« Dieser eine Satz verdeutlicht den Zusammenhang von Wort der Verkündigung, seiner Annahme im Glauben, Taufe und Kirche. Denn der kirchliche Sinn von »hinzugetan« ist überdeutlich: Die Neubekehrten wurden in die Gemeinschaft um die Apostel, die Christenheit, die Kirche eingefügt. Was aber war und ist der zentrale Inhalt des Wortes? Auch darüber gibt Apostelgeschichte 2 Auskunft: »Diesen Jesus hat 9


Apostel heißt Zeuge des Auferstandenen.m Kirche gibt es von dem Augenblick an, in dem die Apostel mit der Botschaft von der Auferweckung des gekreuzigten Jesus hervortraten und für sie Glauben fanden. Gott auferweckt. Dessen sind wir alle Zeugen.« Wesentlicher Inhalt des Wortes ist die Auferweckung des gekreuzigten Jesus. Kirche gibt es von dem Augenblick an, in dem die Apostel mit dieser Botschaft hervortraten und für sie Glauben fanden. Apostel heißt Zeuge des Auferstandenen. Denn die »apostolé«, die Sendung, ist die notwendige Folge der Erfahrung, dass Jesus lebt. Das Bekenntnis zum Auferstandenen ist das wesentliche Merkmal der Kirche und unterscheidet sie von einer Umgebung, die an diesem Bekenntnis nicht teilhat. »Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt« (Apostelgeschichte 2,36). Petrus stellt hier den grundsätzlichen Gegensatz fest zwischen dem Handeln Gottes und dem Handeln der Menschen, zwischen denen, welche die Botschaft von diesem Handeln Gottes angenommen haben, und denen, die sie ablehnen, zwischen Kirche und Welt. Dieses für das Verständnis der Kirche (Ekklesiologie) so ertragreiche zweite Kapitel der Apostelgeschichte beschreibt nicht nur die Entstehung, sondern auch das Leben der frühen Kirche. Es gibt die Merkmale (Kriterien) an, denen jede Gemeinschaft genügen muss, die von sich behauptet, rechtmäßige Fortsetzung der Urkirche und mit ihr identisch zu sein. »Sie blieben beständig in der Apostel Lehre, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet« (Apos­telgeschichte 2,42). Die Kirche entsteht durch Wort, Glauben und Taufe. Merkmale ihres Lebens sind die Lehre der Apostel, die Gemeinschaft, das Abendmahl und das Gebet. Als »Zeuge der Auferstehung« (Apostelgeschichte 1,22) wird ein Apostel nicht nur bezeichnet, sondern geradezu definiert. Bleibendes Zentrum der apostolischen Lehre ist der Hinweis auf die Auferstehung des gekreuzigten 10

Jesus. Die Auferweckung Jesu durch Gott verstehen die Apostel nicht nur als eine Art privater Entschädigung für sein Leiden, sondern als ein Ereignis, das für die gesamte Menschheit von entscheidender Bedeutung ist und ihr deshalb verkündet werden muss. Untrennbar ist mit der Erfahrung des Auferstandenen die Erfahrung der eigenen Sendung verbunden. Die Neubekehrten nehmen das Zeugnis der Apostel und natürlich auch deren Entfaltung dieses Zeugnisses als »Lehre« (didaché) an und »beharren« darin. Der Ausdruck »didaché« meint nicht nur den Inhalt der Lehre, sondern auch den Vorgang der Lehrverkündigung. Man kann keineswegs nur eine Art Lehrpaket von den Aposteln in Empfang nehmen und sich dann von ihnen verabschieden. Der Christ bleibt mit ihnen auch personal verbunden. Insofern leitet der Ausdruck »didaché« zu »Gemeinschaft« (koinonía) über. Hier stellt sich die zwischen den Konfessionen strittige, aber hier nicht zu diskutierende Frage, wer für die nachapostolischen Generationen von Christen an die Stelle der Apostel tritt, um die Kontinuität der ursprünglichen Kirchenstruktur zu gewährleisten. Koinonía meint nicht nur Verbundenheit eines jeden Christen mit den Aposteln, sondern auch Verbundenheit der Christen untereinander. Dem Glauben eignet von Anfang an eine soziale Dimension: Christ sein heißt, in der Kirche sein. Christus verbindet den einzelnen Gläubigen mit sich nur so, dass er ihn gleichzeitig mit der Gemeinschaft aller Christen, der Christenheit, der Kirche verbindet, die in der konkreten Ortsgemeinde in Erscheinung tritt. Hier treten die Christen, auch was ihre Ressourcen an Zeit, Kraft und Geld anlangt, füreinander ein (Apostelgeschichte 2,44). Wirksames Zeichen der Koinonía ist das »Brotbrechen«, das Abendmahl, die Eucharistie. juni 2011

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Sie drückt die Verbundenheit der Christen mit Problematischer ist in der griechischen FasChristus und untereinander nicht nur aus, son- sung die Präposition eis (an): »Wir glauben … an dern bewirkt sie auch und erhält darin. Indem die eine …«, welche das Missverständnis fördert, die Christen den sakramentalen Leib Christi als wäre die Kirche ein Glaubensgegenüber wie empfangen, werden sie in seinem ekklesialen Gott. Glücklicherweise ist es in den westlichen Leib erhalten (1.Korinther 10,6f.). Als letztes Übersetzungen getilgt. Der westliche Christ Kriterium der Kirche nennt Lukas das gemein- bekennt damit den Glauben, dass es die Kirche same Gebet, in welchem die Christen sich auf gibt und dass sie die genannten vier Merkmale die Zuwendung Gottes, die sie im Wort der aufweist, aber er glaubt nicht »an« sie. Lehre, der Gemeinschaft und den Sakramenten Unam (eine) ist das erste Merkmal. Theoloempfangen, antworten. Wo ist die Kirche? Da gisch gesehen gibt es weltweit nur die eine Kirwo eine Gruppe die vier Merkmale apostolische che, die sich in unzähligen regionalen und lokaLehre, Gemeinschaft, Sakrament und Gebet len Kirchen konkretisiert. In diese eine weltweite aufweist. Kirche wird der Christ durch die Taufe eingeDas Neue Testament spricht von der Kirche fügt. Gemeint ist mit »Einheit« nicht Einheitin eindrucksvollen Bildern. An zwei davon sei lichkeit in den konkreten Ausformungen, wohl hier erinnert: »Volk Gottes« und »Leib Christi«. aber in den Grundlagen. Der einzelne Christ »Ihr seid das auserwählte muss – bei entsprechenGeschlecht, das königliche mm Der einzelne Christ muss dem Informationsniveau Priestertum, das heilige […] trotz aller sprachlich und – trotz aller sprachlich Volk, das Volk des Eigenund kulturell bedingten tums«, ruft Petrus den kulturell bedingten Vielfalt im Vielfalt im Kern der LiturChristen seiner Zeit zu, Kern der Liturgie und der Lehre gie und der Lehre andern»damit ihr die Wohltaten orts die Inhalte wieder andernorts die Inhalte wieder dessen verkündigen sollt, erkennen können, in die der euch aus der Finster- erkennen können, in die er selbst er selbst hineingewachsen nis zu seinem wunder- hineingewachsen ist und deren ist und deren Berechtibaren Licht berufen hat« gung er nicht bezweifelt. (1.Petrus 2,9). Sozialer Berechtigung er nicht bezweifelt. Einheit der Kirche bedeu»Leib Christi« sind die Einheit der Kirche bedeutet Eintet Einheit in Lehre und Christen durch gemein- heit in Lehre und Liturgie.  m Liturgie. Inwieweit auch same Teilhabe an seinem Einheit der Leitung daeucharistischen Leib. Das zukommen muss, ist zwiBild erläutert die Einheit der Kirche, die gleiche schen den Konfessionen ebenso strittig wie die Würde aller Christen und die Verschiedenheit Beurteilung mancher Einzelheiten von Lehre ihrer Aufgaben. Es gibt nur den einen Leib der und Liturgie. Aus Raumgründen kann dieses Kirche. Allen kommt als Gliedern des gleichen ökumenische Grundproblem hier nicht weiter Leibes grundsätzlich gleiche Würde zu. Sie tra- erörtert werden. gen aber wie die verschiedenen Organe des KörSanctam (heilige) meint Heiligkeit als zweipers unterschiedlich zum Bestehen des Ganzen tes Merkmal der Kirche. Wer Heiligkeit als mobei (1.Korinther 10,16 f.). ralische Vollkommenheit versteht, wird durch einen Blick auf Geschichte und Gegenwart der Als zweiter normativer Text soll das Glau- Kirche eines Besseren belehrt. Heiligkeit der bensbekenntnis von Nizäa und Konstantino- Kirche bedeutet, dass Gottes Geist in Wort pel von 381 auf das Thema »Kirche« hin befragt und Sakrament nicht wirkungslos bleibt, sonwerden: »Credo … unam sanctam catholicam et dern sowohl den einzelnen Gläubigen als auch apostolicam Ecclesiam …« – »Wir glauben … die die Glaubensgemeinschaft heiligt und auf sich eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche selbst zu weiterbewegt. Nur Gott ist im Voll…« Die lateinische Übersetzung »Credo«, d. h. sinne heilig. Heiligkeit der Kirche drückt aus, »Ich glaube« klingt nach einer unangemessenen dass sie sich bei dem Gegensatz zwischen Gott Individualisierung. In der griechischen Vorlage, und gottwidrigen Mächten auf die Seite Gottes die so in der heutigen griechischen Kirche noch gestellt weiß. Es ist zugesprochene Heiligkeit, gebräuchlich ist, heißt es »Wir glauben … an nicht durch eigene Anstrengung erlangte. Aleine …« Das Pluralpronomen »wir« wurde auch lerdings gehört zu dieser Heiligkeit, auch das in den deutschen Wortlaut übernommen. Es Bemühen um die Orientierung an den Gebopasst besser, weil im Gottesdienst der gemeinsa- ten Gottes. Auch die Kirche als ganze und die me Glaube bekannt wird. einzelne Gemeinde sind nicht einfach so angeInformationsbrief 266

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nommen wie sie sind, so dass sie auch so bleiben mäß gelehrt und schludrig mit den Sakramenkönnten, sondern wie der einzelne Christ auf ten umgegangen wird, da ist gar keine Kirche, den Weg der Heiligung verwiesen. mag man sich durch Betonung von Modernität Catholicam heißt allumfassend, allgemein und Freiheitlichkeit noch so sehr bei halbgebilverbreitet. Auch englischsprachige Lutheraner, deten Meinungsmachern anbiedern. Freiheit Anglikaner und andere beheißt bei Christen etwas andekennen sich zur »holy Cathores als im Umfeld, nämlich die lic Church«, zur weltweiten Möglichkeit, sich unbehindert Christenheit. Nach evangeliauf dem von Christus gewiesenen scher Interpretation existiert Weg weiterzubewegen. Das Heil die ecclesia catholica als Gewird durch Wort und Sakrament samtheit von Kirchentümern, vermittelt. Wo Wort und Sakdie an der Bibel und den ökurament sind, da ist Kirche. Nur menischen Bekenntnissen festin der Kirche gibt es Wort und halten, nach katholischer hat Sakrament. Die Frage, was eher sie ihren Schwerpunkt in der da ist, ähnelt der anderen, ob römisch-katholischen Kirche, das Ei eher da sei als die Henne um die sich die anderen Kiroder umgekehrt. Es gibt den alchen herumlagern. Auch dieses ten Satz: »Extra ecclesiam nulla Thema kann hier nicht breiter salus.« »Außerhalb der Kirche ist entfaltet werden. kein Heil.« Dagegen wird heute Apostolicam verweist auf eingewendet, er drücke absoluden Ursprung der Kirche in Das Augsburger Bekenntnis tistische Anmaßung aus und disder Verkündigung der Apos­ kriminiere die Außenstehenden. von 1530 beansprucht, die tel, welche für alle späteren Die Christusgläubigen stellen Sicht des Neuen Testaments Epochen die Richtschnur bilinnerhalb der Menschheit, wenn und der altkirchlichen det. Damit ist für evangelisches Bekenntnisse weiterzuführen. man darunter alle Menschen zuVerständnis das Wesentliche sammenfasst, die je gelebt haben, gesagt, für katholisches muss zur Kontinuität eine winzige Minderheit dar. Sollten die Vielen der Lehre noch die Kontinuität der Amtsweiter- alle verloren sein? Man sollte den alten Satz ins gabe an die Bischöfe und von diesen wieder zu Positive wenden: »In der Kirche ist Heil.« Das späteren Bischöfen durch die Kirchengeschichte heißt: Durch Wort und Sakrament werden Lehindurch treten (apostolische Sukzession). ben und Lebenssinn über seine irdische Grenze hinaus wirksam mitgeteilt. Wem hier Heil zuteil Das Augsburger Bekenntnis von 1530 bean- wird, für den erübrigt sich die Frage, ob er es sprucht, die Sicht des Neuen Testaments und auch anders und sonst wo erlangen könnte. Die der altkirchlichen Bekenntnisse weiterzuführen. Antwort auf die Frage nach denen draußen ist In Artikel VII drückt es die Zuversicht aus, dass die einladende Kirche. »Gott will, dass alle Men»eine heilige Kirche immerdar bleiben wird« schen gerettet werden und zur Erkenntnis der und definiert sie als »Versammlung aller Gläu- Wahrheit kommen« (1.Timotheus 2,4). Diesem bigen, in der das Evangelium rein (pure) ge- Willen hat die Kirche zu dienen. lehrt wird und die Sakramente recht (recte) Für die unterschiedlichen Lebensäußerungen verwaltet werden«. Die Zuversicht der Kirche, der Kirche stellt die Tradition die Dreiheit von sie werde alle Krisen überdauern, gründet sich martyría, liturgía und diaconía bereit, von denen auf die Zusage des Auferstandenen an die Jün- sich jede in einer Vielzahl von Formen entfaltet. ger: »Ich bin mit euch alle Tage bis an der Martyría ist das Glaubenszeugnis, das wenn es Welt Ende« (Matthäus 8,20), ihre Identität auf entfaltet und argumentativ verteidigt wird, die »reine Lehre« und »rechte«, d. h. dem Stifter- Form der Lehre annimmt. Unter Liturgía werwillen Christi entsprechende Sakramentsver- den alle Handlungen gefasst, mit denen Chriswaltung. Hier ist zu betonen, dass Dauer der ten ihre Aufmerksamkeit auf Gott richten: StoßKirche als solcher verheißen ist, nicht etwa den gebet im Alltag, private Andacht, öffentlicher deutschen Landeskirchen, die in unerträglichem Gottesdienst. Diaconía umfasst alles Wirken, Ausmaß selbst ihre Identität durch falsche Leh- mit dem sich Christen für das Wohl und das re und fehlende Sorgfalt bei der Sakramentsver- Heil von Menschen einsetzen. Christsein heißt waltung beschädigen. Negativ formuliert heißt an diesen Lebensäußerungen der Kirche teilhader oben zitierte Satz aus dem Augsburger Be- ben und sie nach dem Maße eigener Möglichkenntnis: Wo wenig schrift- und bekenntnisge- keiten mit tragen. Diaconía ist nicht einseitig. 12

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Sie vernachlässigt weder die Sorge für das irdische Wohl von Menschen unter dem Vorwand, es sei zweitrangig, noch die Sorge für das Heil mit der Ausflucht, die Hilfe in irdischen Nöten sei ein ausreichendes indirektes Christuszeugnis. Echte Diaconía schließt immer auch Elemente von Martyría ein, ohne Menschen in Momenten der Schwäche zu bedrängen. Sorge für das Wohl und Sorge für das Heil eines Menschen in den rechten Einklang zu bringen, ist das Charisma diakonischen Taktes.

Kirche in der Welt Von außen gesehen, ist die Kirche heute eine zwar nominell zahlreiche, aber eben doch nur eine von vielen gesellschaftlichen Gruppierungen, die mit anderen in einer Vielzahl von Wechselwirkungen steht. Es richten sich auf sie Erwartungen unterschiedlicher Art. Teilweise versucht sie solchen Erwartungen zu entsprechen, teilweise entzieht sie sich ihnen. In jeder Gesellschaft und all ihren verschiedenen Teilmilieus gibt es Vorstellungen und Einstellungen, die als so selbstverständlich angesehen werden, dass vielen Individuen weder die Einstellungen selbst noch mögliche Alternativen dazu bewusst werden: Annahmen über den normalen Lauf der Welt und das Funktionieren oder auch Nichtfunktionieren mancher Lebensbereiche, Rezepte, wie mit bestimmten Problemen umzugehen sei, Werthaltungen, welche Prioritätssetzungen und Entscheidungen beeinflussen. Der Sammelname dafür ist »Zeitgeist«. Beispiele wären Konflikte zwischen Kinder- und Karrierewünschen, Vorstellungen von einem erfüllten Leben, Freizeitbedürfnisse usw. Jahrhunderte lang waren in Europa Kirche und Gesellschaft mehr oder weniger deckungsgleich. Kirchliche und profane Wertvorstellungen gehen bis heute fließend ineinander über. Die Kirche sieht sich als Teil der Gesellschaft und trägt das gesellschaftliche Leben nach allgemein verbreiteten Leitvorstellungen mit. Dies ist vom Neuen Testament her gesehen durchaus legitim. Wenn etwa im 1. Brief an Timotheus (3,7) gefordert wird, wer eine gemeindeleitende Stellung anstrebe, solle auch »bei denen draußen« gut beleumundet sein, dann setzt dies voraus, dass in der umgebenden nichtchristlichen Gesellschaft menschliches Verhalten weithin nach ähnlichen Kriterien beurteilt wird wie in der Kirche. In einem gewissen Maße stimmen Moralwerte offensichtlich auf beiden Seiten überein. Deutlich wird dies auch bei den so genannten »Tugendund Lasterkatalogen« neutestamentlicher Briefe (z. B. Römer 1,29), die sich ähnlich auch in der Informationsbrief 266

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profanen Literatur finden. Die Übereinstimmung kann als so selbstverständlich erfahren werden, dass zwischen christlichen und bürgerlichen Leitvorstelllungen kaum mehr unterschieden wird. Doch ist die Kirche zwar in der Welt

… aber nicht von der Welt. Deshalb muss nach christlichen Kriterien überprüft werden, ob die Werte, an denen sich das Leben in der Welt orientiert, auch für Christen gelten. Nach dem oben Gesagten wird dies weithin der Fall sein. Es gibt aber auch Bereiche, wo der Gegensatz zwischen drinnen und draußen, christlich und unchristlich nicht zu übersehen ist. Dies sind gegenwärtig besonders die Problembereiche des Lebensschutzes und der Sexualität. Nach christlicher Einsicht ist menschliches Leben von der Empfängnis bis zum medizinisch nicht mehr verhinderbaren Tod zu schützen. Abtreibung und Euthanasie oder auch nur die Toleranz ihrer und Versuchen gegenüber, sie argumentativ zu rechtfertigen, sind Christen, welche die normativen Grundlagen ihres Glaubens ernst nehmen, nicht nur verwehrt, sondern sie sind in ihrem Gewissen gehalten, in diesen schwerwiegenden Fragen für die Geltung von Gottes Geboten auch außerhalb des engeren kirchlichen Rahmens einzutreten. Nach der herkömmlichen und besonders aus Markus 10,2–8 ableitbaren christlichen Sicht lebt ein Christ entweder enthaltsam zölibatär oder ehelich. Eine dritte Option gibt es nicht. Die Ehe als dauerhafte, ausschließliche und für Kinder offene liebende Verbindung eines Mannes mit einer Frau ist das Maß, an dem alle sexuellen Beziehungen zu messen sind. Je weiter sie von diesem Kriterium abliegen, desto negativer sind sie zu beurteilen. Am weitesten entfernt sind von der Ehe ganz offensichtlich Prostitution und homosexuelle Verhaltensweisen. Was diese beiden Bereiche, Lebensschutz und Sexualität anlangt, haben es die evangelischen Landeskirchen in den letzten vier Jahrzehnten nicht nur versäumt, im christlichen Sinne auf die Gesellschaft einzuwirken, sondern profane Vorstellungen auch in sich selbst einströmen lassen. Hier ist inzwischen der Tiefpunkt insofern erreicht, als leitende Personen und Gremien auch publizistisch und in der innerkirchlichen Gesetzgebung Orientierungen vertreten, die an Schrift und Bekenntnis nicht nur keinen Anhalt haben, sondern ihnen eklatant widersprechen. Dem größten Übel der Gesellschaft, nämlich den Hundertausenden von Abtreibungen, be13


gegnet die Amtskirche gelegentlich mit halbher- cher dogmatischer Erosion liegt bei der Aufzigen Aktionen und ansonsten weitgehend mit wertung nichtchristlicher Religionen vor. Wenn Schweigen. Christliche Gruppen, die das öffent- man von ebenso halbgebildeten wie selbstgewisliche Bewusstsein sensibilisieren wollen, werden sen medialen Meinungsmachern eingeschüchnicht nur nicht unterstützt, sondern auch inner- tert und aus Angst, sich diskriminierend zu verkirchlich marginalisiert. Nichteheliche Bezie- halten, nicht einmal mehr zu sagen wagt, dass hungen gelten auch in der Kirche schon fast als man die christliche Option gegenüber der jüdiselbstverständlich, Ehescheidung und Zweitehe schen, der islamischen und sonstigen andersreliwerden sogar bei leitenden Geistlichen akzep- giösen Optionen als die bessere, ja letztlich die tiert. Die Offenheit für Nachwuchs wird kaum einzig legitime ansieht, dann entzieht man dem mehr als für die Ehe koneinfachen Christen die Bestitutiv gesehen. Homose- mm Inzwischen ist die christgründung dafür, warum er xuelles Verhalten wird als liche Identität evangelischer denn überhaupt noch Christ mögliche Option erachtet. sein solle und nicht sonst irVerpartnerten homosexu- Landeskirchen durch die gendwas oder gar nichts. ellen Theo­logen soll künf- Zeitgeisthörigkeit von Lei»Nicht von der Welt« tig das Zusammenleben im heißt in manchen Fällen tungspersonen so beschädigt, auch im Gegensatz zur Welt Pfarrhaus erlaubt sein. Begründet werden sol- dass man vorsichtigerweise oder mindestens ohne Beiche Missstände mit dem so nur noch von »Religionsgesell- fall von Seiten der Welt. genannten Wertewandel in Dies müssen Christen, vor der profanen Gesellschaft schaften« sprechen sollte. Inallem kirchliche Leitungsund dem Liebesgebot, auf wieweit ihnen noch die Merkpersonen, aushalten. das christliche Ethik redu- male von »Kirche« zukommen, ziert wird. Als hätten sich Jedoch für die Welt die Kirche und die einzel- muss mittlerweile leider von nen Christen mit einer Zu- Fall zu Fall geprüft werden. […] muss die Kirche auch bei schauerrolle zu begnügen Eine Religionsgesellschaft, die größtem Gegensatz einund als wären sie nicht dazu stehen. Sie tritt priesterlich aufgerufen, nach Kräften nur noch »von der Welt« ist, ist fürbittend vor Gott für die im christlichen Sinn auf den überflüssig.  m Welt ein und sie ist TrägeWertewandel einzuwirken! rin einer Botschaft, welche Als legten die Briefe im Neuen Testament das die Welt zu ihrem Heil braucht, sich aber nicht Liebesgebot nicht durch konkrete Mahnungen selbst sagen kann. Die Welt braucht die Kirche, aus! Statt christliche Impulse in die Gesellschaft weil sie diese Botschaft braucht. Der größte auszusenden, lassen Verantwortliche den Zeit- Dienst, den die Kirche der Welt leisten kann, geist ungefiltert in die Kirche eindringen. besteht darin, ihr diese Botschaft ohne Zusätze In die Kirche? Inzwischen ist die christliche und Abstriche so zu verkünden, wie sie sie selbst Identität evangelischer Landeskirchen durch die empfangen hat. Dann entstehen zusätzlich auch Zeitgeisthörigkeit von Leitungspersonen so be- heilsame weltliche Wirkungen, weil Menschen schädigt, dass man vorsichtigerweise nur noch zu Christen werden, die aus christlicher Motivavon »Religionsgesellschaften« sprechen sollte. tion Lebensförderliches zu tun suchen. Inwieweit ihnen noch die Merkmale von »KirDiese Wirkungen kann die Kirche diakonisch che« zukommen, muss mittlerweile leider von unterstützen, indem sie der Welt kritisch gegenFall zu Fall geprüft werden. Längst erhalten Lai- übertritt und in den verschiedenen Bereichen en von kirchenleitenden Organen keine verläss- - Politik, Wirtschaft, Erziehungs- und Gesundlichen Hinweise mehr, wie sie christlich glauben heitswesen - wenigstens die ethischen Minima und leben können. Eine Religionsgesellschaft, einfordert, die selbst die weltliche Moral als Bedie nur noch »von der Welt« ist, ist nicht nur dingungen der Möglichkeit menschlichen Zukeine Kirche, sondern darüber hinaus überflüs- sammenlebens erkennt. Das heißt aber nicht, sig. Sie ist sogar schädlich, weil ihr Vorhanden- dass sich kirchliche Instanzen als Politik- oder sein die Illusion nährt, die profane Gesellschaft Wirtschaftsberater in Szene setzen dürften. Sie erfreue sich in ihrem Sosein einer Art höherer haben gegenüber Experten auf den verschieLegitimation. denen Gebieten von der Theologie her keinerDie geistliche Erosion betrifft nicht nur die lei Erkenntnisprivileg. Endlich heißt »für die in den Landeskirchen vertretene Ethik, sondern Welt«, dass sie sich derer annimmt, die im Geauch die Dogmatik. Das krasseste Beispiel sol- triebe der Welt unter die Räder kommen. W 14

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Kirche im Schlepptau des ­Zeitgeistes Hanns Leiner

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ass es neben und in der Kirche Jesu Christi auch falsche Kirche gibt, ist nichts Neues. Das sagt Jesus selbst schon in seinem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Matthäus 13), davor warnt der Apostel Paulus die Ältesten: »… auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen ...« (Apostelgeschichte 20,30), das weiß auch unser Augsburger Bekenntnis, das schreibt, dass »in ihr unter den Frommen viel falsche Christen und Heuchler, auch öffentliche Sünder bleiben ...«; das meint auch Luther, wenn er daran erinnert: »Die Kirche ist verborgen, ...« Das war von Anfang der Kirche so. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass sich die Situation unserer Kirche in letzter Zeit verschlimmert hat. Dass Kirche zur falschen Kirche wird, das ist heute nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern wurde immer mehr eine bedrängende Wirklichkeit, unter der wir leiden, die viele Gemeindemitglieder verwirrt. Viele Christen dürften angesichts der gegenwärtigen Lage der Kirche sagen wie ich: Das ist nicht mehr die Kirche, in deren Dienst ich vor mehr als einem halben Jahrhundert getreten bin. Sie ist nicht mehr das, was sie sein sollte und sein könnte. Die Kirche ist schwer krank, ja sogar sterbende Kirche in einem sterbenden Volk. Das gilt zunächst in Bezug auf ihren zahlenmäßigen Schwund. Daran ist die demographische Katastrophe schuld. Ein erschreckender Nachwuchsmangel der deutschen Bevölkerung: Unser Volk schrumpft innerhalb einer Generation auf zwei Drittel des früheren Bestandes. Da sich unsere Gemeinden von diesem verhängnisvollen Trend nicht unterscheiden, bedeutet das

Hanns Leiner Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 52 Informationsbrief 266

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auch einen entsprechenden Rückgang der evangelischen Christen. Man muss nur in Gemeinde­ briefen die Zahl der Taufen mit denen der Beerdigungen vergleichen, so springt einem das in die Augen. Gegen diesen Trend gibt es kein Wachstum, solange der – letztlich glaubenslose – Trend sich nicht ändert. Insofern tangiert das durchaus auch unser Christsein, denn es verrät einen Mangel an Vertrauen auf den Segen Gottes. Viele nehmen zwar das Geschenk des Lebens egoistisch für sich in Anspruch, sind jedoch nicht bereit, es an eine zukünftige Generation weiterzugeben. Übrigens sind auch unsere Pfarrfamilien von diesem Trend voll mit ergriffen: Ein-Kind-Ehen werden bald die Regel, sogar die Zahl der kinderlosen Pfarrers­ ehen nimmt zu. Dagegen kommen kinderreiche Pfarrerfamilien kaum mehr vor. Darum sind die Pfarrhäuser heute in der Regel viel zu groß. Zu diesem »natürlichen« Schwund addieren sich dann noch die Zahlen der Austritte, die bei uns – auch ohne viele ­Missbrauchsskandale – immer noch fast genau so hoch sind wie in der römisch-katholischen Kirche. Das wird auch durch die (viel zu leicht gemachten) Wiedereintritte bei weitem nicht ausgeglichen. Insgesamt nimmt die Zahl unserer evangelischen Kirchenmitglieder in einem Jahr um etwa ein Prozent ab, das heißt um etwa 250 000 Menschen in Deutschland, also um die Wohnbevölkerung einer Großstadt wie Augsburg. Dieser negative Trend wird noch verstärkt dadurch, dass manche ihre Kinder nicht taufen lassen und durch das, was man einen dramatischen Traditionsabbruch christlichen Lebens genannt hat. Die Weitergabe des Glaubens in den Familien wird durch verschiedene Faktoren in Frage gestellt. In den Elternhäusern geschieht sie weithin nicht mehr, da sich die Eltern selbst dabei überfordert sehen, auch gegenüber ihren Kindern nicht vom Glauben reden können oder wollen, nicht mehr mit ihnen beten, das Tischgebet fast völlig verloren gegangen ist. Sie schicken zudem ihre Kinder selten in den Kinder­gottesdienst; in evangelischen Kindergärten wird oft nicht mehr viel christliche Substanz vermittelt; was der evangelische Religionsunter15


richt leistet, ist sehr unterschiedlich und hängt stark vom jeweiligen Religionslehrer ab. Sogar auf den Konfirmandenunterricht ist wenig Verlass, denn man wagt es weithin nicht mehr, hier wenigstens so etwas wie eine »eiserne Ration« an Glaubens- und Liedgut, Katechismus- und Bibelkenntnis den jungen Menschen mit auf den Weg zu geben. Das alles zusammengenommen führt zu einem inneren Schwund der evangelischen Kirche. Dazu kommt nun noch eine Reihe von Auseinandersetzungen, die durch das Eindringen von verschiedenen strittigen Lehren und ethischen Neuerungen entstehen und die bis an den Rand einer Spaltung unserer Kirche führen. Ein heute von den Kirchenleitungen beschworener so genannter »magnus consensus« (große Übereinstimmung) in Lehre und Glauben und Ethik existiert in ihr gerade nicht mehr. Vielmehr wiederholt sich die Situation des Kirchenkampfes auf neue Art und Weise, diesmal nicht durch einen äußeren Feind, sondern durch innere Fehlentwicklungen und Irrtümer. Einerseits gibt es in der Kirche weiterhin treuen Dienst, biblische Predigt und Glaubensgehorsam, für die man nur dankbar sein kann. Andererseits müssen wir aber leider Abweichungen von Gottes Wort und eine ungehorsame Eigenmächtigkeit feststellen bei dem, was

Christen nach Gottes Willen tun sollen und was nicht, und eine Anbiederung an den Zeitgeist, die uns erschreckt. Wir haben es gewissermaßen nicht mehr mit einer Kirche, sondern mit mehreren Kirchen in einem Haus zu tun, die sich untereinander widersprechen und streiten müssen um den Anspruch, die rechte Kirche zu sein. Es herrscht unter uns längst eine innere Kirchenspaltung. Was unsere Lage dabei sehr verschlimmert, ist die Tatsache, dass sich der Schaden der Kirche durchgesetzt hat bis in die Kirchenleitungen und heute teilweise eben selbst von Bischöfen und Synoden vertreten und gut geheißen wird. Dadurch gerät man in die schwierige Situation, der Kirchenleitung, z. B. Synodalbeschlüssen öffentlich widersprechen zu müssen, weil sie Irrlehre und falsche ethische Weisungen in der Kirche verbreiten. Wenn ich nur an unsere bayerische Landeskirche denke, so sind besonders die letzten zwanzig Jahre von einer Reihe solcher Fehlentscheidungen geprägt worden (Ähnliche falsche Entscheidungen finden sich auch in anderen Landeskirchen.): mm Die Rosenheimer Erklärung von 1991 ließ das Missverständnis entstehen, Abtreibung könne von der Frau (und Mutter) vor Gott verantwortet werden und stehe gleichsam automatisch

Erfreulicherweise gibt es in der Kirche weiterhin viel treuen Dienst, biblische Predigt und Glaubensgehorsam, für die man nur dankbar sein kann.

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unter der Vergebung Gottes, was auf die Rechtfertigung der Sünde hinausliefe. mm Die Fürther Erklärung über die Homosexualität gab zwar zu, dass man sich über ihre Bewertung nicht einigen konnte, ließ jedoch auch praktizierte Homosexualität als eine christlich mögliche Lebensform zu. Heute heißt es sogar, dass sie keine Sünde sei und erlaubt, dass solche »Paare« nicht nur als Pfarrer/innen Dienst tun, sondern sogar in Pfarrhäusern zusammenleben dürfen. mm Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung von 1999 vermengte die lutherische und die römisch-katholische (tridentinische) Rechtfertigungslehre in einem so genannten »differenzierten Konsens« so, dass der lutherischen Lehre die Spitze abgebrochen und letztlich der Reformation in dieser entscheidenden Frage die innere Notwendigkeit und letzte Berechtigung genommen wurde. mm Der Spitzensatz der Straubinger Synode zur Frage des Verhältnisses von Kirche und Judentum bestritt aufs Schärfste die Möglichkeit eines christlichen Zeugnisses für Juden, indem eine Bemühung um deren Konversion zum christlichen Glauben – im Gegensatz zum Neuen Testament – sogar als »undenkbar« bezeichnet wurde. Das bedeutet jedoch eine Bestreitung der universalen Heilsbedeutung Jesu Christi für alle Menschen. mm Dem gleichen Muster entspricht auch die blind-naive Haltung unserer Kirche gegenüber dem Islam und seinen Vertretern bei uns: Statt eines Versuchs der theologisch-kritischen Auseinandersetzung mit ihm und einem christlichen Zeugnis ihm gegenüber, gibt es Grußadressen von evangelischen Bischöfen zum Fastenbrechen u. ä. Auch die Christenverfolgungen in islamischen Ländern wurden lange Zeit nicht oder nur ganz am Rande wahrgenommen und thematisiert.

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ufgrund dieser Tatsachen und weiterer besorgniserregender Beobachtungen habe ich den Eindruck, dass eine tiefe, ins Zentrum gehende Verunsicherung und Veränderung unsere Kirche erfasst hat. Das Vertrauen in die Bibel als alleinige Grundlage unserer Kirche (sola scriptura!) ist erschüttert, die kritische Feststellung von Ernst Troeltsch: »Meine Herren, es wackelt alles!« hat unsere Kirche erfasst. Unter Hinweis auf die menschliche Seite und die geschichtliche Entstehung der Bibel (die ja nicht zu leugnen ist) wurde ihre Autorität in Frage gestellt. Dies Fragwürdigwerden biblisch-theologischer Aussagen beschränkt sich nicht nur auf NebensächInformationsbrief 266

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lichkeiten, sondern erfasst sogar so fundamentale Themen wie die Deutung des Kreuzestodes Jesu Christi (Sühnetod!). Diese Verunsicherung spiegelt sich dann auch in Lehre und Predigt unserer Kirche wider: Jeder Pfarrer legt die Bibel nach seiner persönlichen Theologie aus. Das führt allgemein zu theologischer Beliebigkeit und zu einer für die Gemeinde verwirrenden Widersprüchlichkeit. Die Kirchenleitungen (Bischöfe) vermögen ihre eigentliche Aufgabe (nach CA 28) nicht mehr zu erfüllen, nämlich biblisch begründete Weisung und Lehre für die Kirche zu geben und falsche Deutungen theologisch zu widerlegen. Theologie hat den entscheidenden Stellenwert, der ihr einmal in der evangelisch-lutherischen Kirche zukam, verloren. Darum hat sich das Schwergewicht der Predigt auf ethisch-moralische Fragen verlagert. Nach meiner eigenen Beobachtung führt sie weder wirklich in die biblische Botschaft ein, noch entfaltet sie (eventuell schwierige) Fragen des christlichen Glaubens oder Auseinandersetzung mit geistigen Strömungen der Gegenwart oder konfessionellen, weltanschaulichen oder religiösen Entwicklungen und deren Bewertung. Sie soll vor allem nur eines sein: kurz! Und sie soll gefallen, niemanden vor den Kopf stoßen. Dabei werden eine Reihe von wichtigen christlichen Themen stillschweigend ausgeblendet: Das Gesetz Gottes in seiner uns anklagenden Funktion, die zur Erkenntnis der Sünde führt; natürlich überhaupt die Sündenerkenntnis, die viele nicht haben wollen und sagen, man dürfe niemandem »ein Schuldbewusstsein einflößen« und nicht in jedem Gottesdienst ein Sündenbekenntnis ablegen. Ebenso die Rede von Zorn, der Strafe und dem Gericht Gottes; die Notwendigkeit der Umkehr, des Kampfes der Heiligung, der Selbstüberwindung, des Verzichts, des Opfers. Ausgeblendet wird auch die Aufforderung zur Kreuzesnachfolge, der Hinweis auf das Leiden und die Verfolgung der Gemeinde Jesu, der Distanz zur Welt und der Anfechtung von innen, dazu die Rede von Tod und Auferstehung, vom Jüngsten Tag und Jüngstem Gericht, von Himmel und Hölle. Eine solche Zusammenstellung macht einem erst bewusst, was alles heute in Predigt und Lehre unserer Kirche nicht oder nur noch ganz am Rande vorkommt. Das alles konzentriert sich auf die eine, zentrale und entscheidende Frage an die Verkündigung unserer Kirche: Wo und wie kommt in ihr Jesus Christus vor mit seinem Werk und seinem Wort? Denn – nach dem bekannten Wort Luthers – nur das, »was Christum treibet« ist apostolisch und damit christlich. 17


Oder umgekehrt: Wenn das Zeugnis von Jesus Christus nicht mehr Mitte und Ziel aller unserer Aussagen ist, dann haben wir es nicht (mehr) mit christlicher Predigt zu tun. Im Zusammenhang damit wundert es einen kaum mehr, dass nach der Einzelbeichte nun auch die gemeinsame Beichte im Gottesdienst fast ganz verschwunden ist, so wie es schon lange keine Kirchenzucht mehr gibt. Und wenn dann schon wirklich einmal »Buße« gepredigt wird, dann oft nicht an die eigene Adresse (so dass es zu dem Bekenntnis: mea culpa! Meine Schuld! führt), sondern zum Fenster hinaus als Vorwürfe an Politiker, Banker, Wissenschaftler, Ärzte usw.; oder auch als Vorwürfe an unsere Väter, deren Sünden man besonders gerne und leicht »beichtet« und bekennend an den Pranger stellt (Fall Meiser!). Diese geistlichen Verluste und Gewichtsverschiebungen in der Predigt wirken sich auch aus in der Art, wie die Kasualien und Sakramente verstanden und gestaltet werden: Insgesamt sieht man in den Amtshandlungen der Kirche vorwiegend so etwas wie Dienstleistungen und Rituale der Kirche für alle, die zur Feier der Höhe- und Wendepunkte des Lebens den passenden Rahmen abgeben: Die Taufe gilt als eine Feier zur Aufnahme eines Neugeborenen in die Familie und erst dann auch in die Kirchengemeinde. Von dem »mit Christus Sterben und Auferstehen« (Römer 6) ist dabei ebenso wenig die Rede wie von der Notwendigkeit des Glaubens für den Getauften (»Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden«, Markus 16,16). Deswegen führt die (Säuglings-)Taufe auch in aller Regel nicht dazu, dass die Getauften in die Gemeinde hineinwachsen und mit ihr leben. Diese Taufpraxis erscheint mir sehr bedenklich und ich meine, dass wir nicht darum herumkommen werden, sie zu überprüfen und zu korrigieren. Bei Hochzeit und Beerdigung steht es noch schlimmer. Offensichtlich wird hier die Kirche nur zur feierlichen Umrahmung dieser wichtigen Ereignisse im Leben in Anspruch genommen. Die oft behauptete »missionarische Gelegenheit«, mit der man die Mitwirkung bei diesen Feiern rechtfertigt, scheint mir nicht wirklich gegeben zu sein. Ähnliches gilt wohl auch für die Konfirmation. Mit der Abendmahls­praxis steht es nicht viel besser. Dass man das Abendmahl von der Beichte getrennt hat, damit man es häufiger feiern kann, hat die Abendmahlsfrömmigkeit verändert. Doch war das wirklich ein Gewinn? Es hat dadurch viel von seinem früheren Ernst verloren. Und noch etwas ging verloren: Das Ernstnehmen der wirklichen Gegenwart 18

Jesu Christi »in, mit und unter Brot und Wein«, die Luther so entscheidend wichtig war. Stattdessen höre ich oft nur noch die undeutliche Rede vom »Brot des Lebens« und vom »Kelch des Heils«. Und die neueren Abendmahlslieder singen durchweg nur von Brot und Wein! Der »wahre Leib« und das »teure Blut« unseres Herrn Jesus Christus habe ich schon lange nicht mehr in unseren Abendmahlsfeiern gehört (außer vielleicht in den liturgisch festgelegten Sätzen). Außerdem wird bei der offenen Einladung nicht genügend deutlich, dass sie nicht einfach allen Menschen gelten kann, vielmehr nur an alle Christusgläubigen ergeht. Hier vermisse ich den

Hinweis auf die für den Empfänger entscheidende Bedeutung des »sola fide« (aus Glauben allein). Für Luthers Sakramentsverständnis war das doch eindeutig die Voraussetzung für einen Empfang des Abendmahls zum Heil: Die Heilszusage Christi und das glaubende Vertrauen des empfangenden Christen auf diese Verheißung. Dürfen wir das Zweite einfach streichen aus Sorge, damit irgendjemanden auszuschließen? Der Gottesdienst hat auch an Ernst und Würde verloren. Es genügt für ihn anscheinend nicht mehr, »Gottes Wort zu hören und ihn im Gebet und Loblied anzurufen«, es muss dabei immer irgendein »Event«, eine kleine Sensation als Anreiz angeboten werden. Man sieht sich hier anscheinend in Konkurrenz zu den Medien, besonders dem Fernsehen; der Pfarrer wird dann sehr leicht zum Showmaster und benimmt sich auch so. Das passt jedoch überhaupt nicht zum Gottesdienst. Dabei gerät in Vergessenheit, was juni 2011

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ich als Mahnung in der Synagoge in Augsburg über dem Thoraschrein gelesen habe: »Bedenke, vor wem du hier stehst!« Angesichts all dieser bedenklichen Veränderungen verdichtet sich mir immer mehr der Verdacht, dass unsere offizielle Kirche so sehr um Akzeptanz in unserer Gesellschaft bemüht und besorgt ist, dass sie sich eben doch – gegen die Warnung des Apostels Paulus – »dieser Welt gleichstellt« und für ihre Entscheidungen die fragwürdigen weltlichen Maßstäbe übernimmt. So kommt es dazu, dass bei ihr die Zeitgemäßheit über die Schriftgemäßheit siegt. Das zeigt sich z. B. besonders deutlich daran, wie unsere

von Jesus Christus an Israel auszusprechen. Das kann man nur auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte als »Einknicken« der Kirche vor dem Judentum verstehen. Wieder werden zeitbedingte Gründe über das klare Zeugnis der Schrift gestellt. Wir erleben leider in unserer Kirche so etwas wie eine Wiederkehr mittelalterlicher Irrtümer: Wie man damals die Entscheidungen des Papsttums über die Heilige Schrift stellte, so tritt heute der Zeitgeist an die Stelle der letzten Instanz, die über die »rechte« Auslegung der Bibel entscheidet. Das muss man mit Entschiedenheit als Irrtum und Irrlehre ablehnen. Diese Diagnose der Situation unserer Kirchen Insgesamt sieht man in den wollen allerdings die Kirchenleitungen nicht Amtshandlungen der Kirwahrhaben und reden die Lage schön. Sie sind che vorwiegend so etwas wie dabei natürlich Partei, weil sie diese Entwicklung Dienstleistungen und Rituale ja im Wesentlichen zu verantworten haben. Dader Kirche für alle, die zur Fei- rum versuchen sie den Spieß umzudrehen und er der Höhe- und Wendepunkte denen die Schuld für den Streit in die Schuhe zu des Lebens den passenden Rah- schieben, die ihnen widersprechen. Sie kommen men abgeben. mir vor wie die Heilspropheten im Alten Testament, die trotz der Sünden des Volkes nur Frieden verkündeten. Denen musste Jeremia hart Kirche im Laufe der letzten entgegnen: »Sie heilen den Schaden meines Vol20 Jahre immer stärker ihre kes nur obenhin, indem sie sagen: ›Friede! FrieHaltung zur Homosexualität de!‹ und ist doch nicht Friede«(Jeremia 6,14). geändert hat, ihre ursprüng- Gegen den Vorwurf unserer Kirchen erwidere liche Ablehnung einer Dul- ich: Wir müssen reden und dürfen gegenüber dung und sogar Anerkennung den Fehlentscheidungen unserer Kirche nicht gewichen ist, weil die Kirche schweigen, weil wir uns sonst mitschuldig mader Gesellschaft nachgegeben chen würden. Wir müssen dem Trend widerund sich ihre Bewertung weit- sprechen: Um der Wahrheit des Evangeliums gehend zu eigen gemacht hat, willen (Galater 2,5), um der Reinheit des Glauobwohl das Zeugnis der Hei- bens und der rechten Auslegung der Heiligen ligen Schrift in beiden Tes- Schrift willen bleibt uns nichts anderes übrig, tamenten Homosexualität eindeutig und klar als unsere Stimme zu erheben. Denn es handelt verurteilt. Man deutelt dann so lange herme- sich bei den angeschnittenen Fragen nicht – wie neutisch an den Schriftaussagen herum, bis man es gerne hingestellt wird – um »unterschiedliche sie mühsam mit den heutigen gesellschaftlichen Meinungen«, sondern um rechte oder falsche Bewertungen in Einklang bringen kann. Man Lehre, und also letzten Endes um wahre oder will das Wort nicht mehr in seiner ursprüngli- falsche Kirche. Wenn die Kirche von ihrer Kernchen Bedeutung »lassen stahn«, sondern inter- botschaft von Jesus Christus nicht mehr viel zu pretiert es nach eigenen Interessen. Das leiten- sagen weiß und an ethischen Weisungen nur de Interesse ist auch hier die Anpassung an den das wiederholen kann, was die Medien und die Zeitgeist und nicht die biblische Wahrheit. Spatzen von allen Dächern pfeifen, dann macht Eine ganz ähnliche Entwicklung sehe ich sie sich überflüssig und wird als nichts sagenauch in der Frage eines christlichen Zeugnisses de Stimme überhört und übergangen. Sie wird an Israel: Von Jesus und Paulus und von der ge- zugleich untreu und ungehorsam gegenüber ihsamten urchristlichen Geschichte her (die ersten rem eigentlichen Auftrag. Eine stromlinienförChristen waren alle Judenchristen!) kann es hier mige Kirche im Schlepptau des Zeitgeistes gerät überhaupt keine Frage geben. Auch theologisch in die Gefahr, nicht mehr wahre Kirche zu sein. steht ohne Zweifel fest: Das Heilsangebot Jesu Was gegen diese Missstände im Einzelnen zu Christi gilt ausnahmslos allen Menschen. Den- tun ist, wie also die Therapie ihrer Erkrankung noch wagt es eine lutherische Synode, eine to- aussehen soll, das wäre ein neues Thema. Hier W tale Absage an die Weitergabe des Evangeliums ging es zunächst nur um die Diagnose. Informationsbrief 266

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Die Zehn Gebote Die verdrängten Leitlinien – eine Gesellschaft ohne Maßstäbe? Gerhard Naujokat Es ist gegenwärtig kaum gefragt und vielleicht sogar anstößig, über die Zehn Gebote Gottes zu sprechen und zu schreiben. Unser gesellschaftliches Gefüge richtet sich derzeit nicht nach göttlichen Ordnungen, sondern nach dem »was gefällt« und ob das »etwas bringt«. In das Blickfeld der religiösen Aufmerksamkeit gerät eher der Koran und nicht die Bibel. Selbst das Bundesverfassungsgericht fällt seine Grundsatzurteile nach pragmatischen Vorgaben – auch wenn diese biblischen Leitgedanken nicht entsprechen. Es wird in unserem Lande Zeit, dem Willen Gottes und seinem Anspruch nachzudenken und Gottes Wegweisung in der Praxis des Alltags umzusetzen.

Gerhard Naujokat Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 52

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ine Umfrage in Deutschland erbrachte das Ergebnis, dass kaum ein Erwachsener (bestenfalls ein älterer) den vollen Wortlaut der Gebote kennt oder diese zu zitieren vermag. Ebenfalls wurde festgestellt, dass im schulischen Bereich (noch nicht einmal im kirchlichen) die Zehn Gebote weder gelernt noch diskutiert werden. Sind wir ein Volk ohne Leitlinien und Maßstäbe geworden? Die Gebote Gottes sind wie ein Grundgesetz für das Zusammenleben der Menschen. Gott formulierte diese Maßstäbe für den Alltag des Daseins und gab damit Leitlinien der Vernunft, um den Menschen vor Fehlern zu bewahren und vor anderen und sich selbst zu schützen. Gott hat damit die Grundlage einer allgemeinen Rechtsordnung vorgegeben sowie Leitgedanken für die individuelle Ausformung des persönlichen Lebens. Der Mensch benötigt Grundwahrheiten und Eckwerte, damit das Leben gelingt. In den Geboten haben wir eine direkte und maßgebliche Botschaft Gottes. Sie hat alle menschlichen Entwicklungen und Irrwege erkannt und einjuni 2011

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bezogen und nicht das Geringste an Gültigkeit eingebüßt. Die Gebote sind der Inbegriff jener kleinsten, aber hinreichenden Menge göttlichen Wissens, das der Mensch braucht. Hier ist die Klammer, die Menschen und Völker verbindet und auch die Basis für gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb bringen wir nachstehend die Zehn Gebote mit einem jeweils präzisierten Kommentar, um in konkreter Weise gültige Wahrheiten zu verdeutlichen. Zurück zu Gott heißt auch, zurück zu den Wegweisern Gottes. Ohne feststehende Eckwerte des Handelns gibt es kein verantwortliches Leben.

1. »Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.« Der Anspruch Gottes in unserer Zeit Dass dieses Gebot das erste ist, unterstreicht seinen Rang. Alle anderen leiten sich von ihm ab, wie alle Zahlen unseres Dezimalsystems aus der Eins hervorgehen. Wie die Eins die Einheit ist, an der sich alles misst, auf der alles aufgebaut wird und durch die alles teilbar ist, so ist auch Gott die Grundsubstanz, ohne die nichts existiert. Gott ist aber keine Zahl, sondern das große Gegenüber, zwar kein Mensch, schon gar nicht Mann oder Frau, dennoch die Gestalt, aus der alles hervorgeht und die uns ewig begegnet, an der wir uns messen müssen, an die wir uns wenden und auf die wir uns verlassen können. Martin Luther, der zu jedem Gebot eine Erklärung gab, sagt hier: »Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.« Gottesfurcht bedeutet, dass mit Gott nicht zu spaßen ist, dass man mit ihm allen Ernstes rechnen muss. Er ist der Herr der Geschichte und führt diese Welt, er ist es, der die Gewissen lenkt und gelegentlich auch erschüttert. Zugleich dürfen wir ihn lieben. Wie jede echte Autorität ist er nicht nur Macht, sondern eine überlegene Kraft, die wir brauchen und die uns persönlich zur Seite steht. Lieben können wir ihn, weil er uns zuerst geliebt hat. Unsere Liebe ist ein Dank, der sich im Gehorsam äußert. Gottesfurcht und Liebe werden in der Bibel in einen untrennbaren Zusammenhang gebracht. Informationsbrief 266

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Gott ist die Quelle, aus der die Liebe fließt und zugleich das Ziel, wohin sie zurückkehrt. Die Bibel spricht nur von einem Gott. Die Welt kennt viele Götter und betet sie an: erdachte Gestalten und geheimnisvolle Mächte, auch Sonne und Gestirne, Gebilde aus Stein, das Feuer oder ein Tier, auch Gold und Silber. Heute sind es Idole und Ideologien, ebenfalls Ruhm und Geld, Einfluss und Gewalt, Rausch und Genuss. Alles, was der Mensch überschätzt und wovon er sich leiten lässt, kann zum Gott werden. Gegen all das lautet unausweichlich das Gebot: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben! »Erkläre mir Gott«, bat einer einen Weisen. Und der erwiderte: »Erkläre mir das Atmen!« Menschen suchen, beten, stammeln, jubeln und schreien rund um den Erdball nach dem »Höheren«. Sie zweifeln, fluchen und danken oft aus gleichem Munde. Sie suchen und finden ihn nicht, haben mancherlei Wunschvorstellungen und landen bei Irrlichtern. Darum Gottes klares Wort: »Hier bin ich. Ich bin der Herr!« So ist Gott, so stellt er sich dar. Die Religionsgeschichte zeigt, dass der Mensch sich gern beliebig viele Götter macht und diese gleichzeitig, nebeneinander oder nacheinander anbetet. Heute sind es Machtfragen, Gewinnsucht, esoterische Tendenzen oder der Selbsterlösungstrend und okkulte Praktiken, nicht zuletzt das eigene »Ich«. Manchmal hat man den Eindruck, dass es auch der größte Unfug sein kann, der zum Scheingötzen erhoben wird. »Gott« ist kein Name. Gott hat einen Namen, hebräisch lautet er »Jahwe«. Der jüdische Theologe Martin Buber hat den Sinn dieses Namens treffend zusammengefasst: Ich bin immer für euch da. Die Einmaligkeit Gottes ist für den Menschen so etwas wie ein Mantel der Geborgenheit, in den man hineinflüchten kann. Dieser Mantel ist nicht teilbar, auch nicht zu vervielfältigen, steht voll und ganz zur Verfügung, duldet aber keine Ersatzstücke neben sich. In diese Geborgenheit können sich Verzagtheit und Einsamkeit, Tränen und Lachen hineinflüchten, das Leben und der Tod. Und daneben gibt es nichts mehr. Der Absolutheitsanspruch Gottes ist unantastbar. Seine Feinde können ihn nicht stürzen und seine Freunde brauchen ihn nicht stützen. Gott (Jahwe) ist, der er ist und neben ihm ist niemand. 21


2. »Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.« Der Umgang mit der Würde Gottes

Die Religionsgeschichte zeigt, dass der Mensch sich gern beliebig viele Götter macht und diese gleichzeitig, nebeneinander oder nacheinander anbetet. Heute sind es Machtfragen, Gewinnsucht … Über diese Ausschließlichkeit ist aus Gottes Sicht nicht zu diskutieren. Er sagt es selbst: »Ist auch ein Gott außer mir? Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, außer mir ist kein Gott« (Jesaja 44,6–8). Wer dennoch anderes will, strickt sich auf seine Weise, nach seinen Bedürfnissen und nach seinen Vorstellungen seine eigene Gottesidee. Im Hebräischen gibt es für solche Denkmodelle und Machwerke (Götzen) den treffenden Ausdruck »Nichtse«. Wer sich auf sie einlässt, gerät in ihren Bann, obwohl sie Nichtigkeiten sind. Darum sprach Gott zum Schutz des Menschen das Gebot aus: »Keine Götter neben mir!« Die »Nichtse dieser Welt« stehen schnell unter Verfallsdatum. Augenblickliche Höchstwerte, Weltanschauungen und Religionen, politische Tendenzen und heimliche Herzensgötter kommen, gehen und vergehen. Je weiter die Zeit fortschreitet, desto aufgeregter jagt und verjagt eins das andere, der Verschleiß wird immer rapider, der Zerfall in dieser Welt nimmt an Schnelligkeit zu. »Alles ist eitel.« Es ist wie ein Milchgebiss: Vorläufig, wackelt und fällt aus. Die eigene Vergötterung macht die Seele leer. Und die selbsternannte Gottähnlichkeit lässt das Herz bangen, sobald der Rausch verflogen ist. Martin Luther formulierte: »Gott ist der, der dir etwas ist, so dass alles andere dir nichts ist.«

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Schon an zweiter Stelle geht es um den Namen Gottes. Unsere Vorfahren wussten mehr von der Symbolik, dem Geheimnis, der Würde und Kraft der Namen, der Sprache überhaupt. Deshalb soll man Gottes Namen nicht sinnlos im Munde führen – sei es in gedankenlosen Reden, in überflüssigen Zitaten oder als Argument oder gar Instrument. Der Glaube und die Berufung auf Gott dürfen nicht zu einem Mittel der Ideologie werden. Oft wurden und werden Religionen als Feigenblatt und Alibi zur eigenen Macht- und Interessendurchsetzung missbraucht. Auch in sogenannten Religionskriegen ging es nicht um Gott, sondern um Politik und Macht. In Gottes Namen wird unwahrscheinlich geheuchelt und getäuscht, mancherlei Magie betrieben, auch geflucht. Betrüger haben besonderen Erfolg, wenn sie sich als gläubig ausgeben und auf Gott berufen. Darum sagt Martin Luther, »dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen sollen; sondern denselben in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken«. Wir sollten somit mehr mit Gott reden. Denn von alters her gibt es bei fast allen Völkern die Vorstellung, dass der Name eines Gegenstandes oder eines Menschen und erst recht der eines Gottes von besonderer Bedeutung sind. Von unguten Mitmenschen jedoch werden Namen degradiert und missachtet. Als Gefangener wird man zur Nummer gemacht, diese mitunter in die Haut eingebrannt. Der Name ist so etwas wie die Existenz des Betroffenen. Von Urvölkern wurde berichtet, dass es eine Art »Namenszauber« gab. Durch geheimnisvolle Riten versuchte man, des Menschen habhaft zu werden, weil Name und Person zusammengehörten. Inzwischen wurde allen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland eine »persönliche Identifikationsnummer« zugeteilt, die von der Geburt bis zum Grabe gilt. Bisher kannten wir das nur von Massenproduktionen, die nichtssagend ano­nymisiert und nummeriert wurden. Ein persönlicher Name jedoch weist auf die Familie und Sippe hin, auf ganze »Stammbaumreihen« und betont die Zusammengehörigkeit von Generationen. Namen besitzen Inhalte und haben eine Bedeutung. Darum bedeutet der Name Gottes seine Vergangenheit als Schöpfer der Welt und seine Gegenwart, in der er uns nahe ist. Er bejuni 2011

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deutet auch Zukunft, denn Gott bleibt »von 3. »Du sollst den Feiertag heiligen.« Ewigkeit zu Ewigkeit«. Man kann ihn anrufen wie einen lebenden Menschen, nicht wie einen Der Tag, den viele scheuen oder verletzen Anrufbeantworter, der in seiner Technik tot ist. Solange wir denken können, ist die Woche Es gibt eine unmittelbare Verbindung zu Gott, die hineinwirkt in das gegenwärtige Geschehen. in sechs Werktage und einen Feiertag aufgeteilt. Das verhindert nicht, dass Menschen böswil- Das ist erstaunlicherweise in allen anderen Weltlig und mit scharfer Zunge den Namen Gottes religionen ebenso, selbst wenn zur Feier untervielfach missbrauchen und verschandeln. Im schiedliche Tage gewählt werden. Die Christen Alltag erleben wir freche, feindselige, giftige, begehen den Sonntag als Ruhetag, weil er der obszöne und hasserfüllte Aggressionen. Miss- Tag der Auferstehung Jesu Christi ist. Er ist den brauch gibt es auch in verdeckter und verbor- Menschen gegeben zur Erholung, zur Besingener Form, in oberflächlichem Daherplappern. nung und zum Nachdenken, zur Sorge um die Seele und alles, was diese Und manches geschieht still im Herzen, was Gott mm Gott geht es nicht um ein blo- braucht. Der Feiertag ist insbenicht gefällt. Der Mensch ßes Datum, das um des Datums sondere für den Gottessteht in Gefahr, sich selbst dienst vorgesehen. Aber für wichtiger und grö- willen gefeiert werden muss. ßer zu halten und Gott Nicht der Feiertag als solcher soll etwa 85 Prozent der Deutauf eine niedrigere oder geehrt werden, sondern Gott be- schen gehen so gut wie nie in eine Kirche. Der Feigar verschämte Ebene zu ertag gehört dem Sport, drängen. Da das täglich ansprucht diese Ehre. Seine Grödem Hobby, dem Auspassiert, hat Gott es für ße und Heiligkeit sind gemeint, flug oder dem geselligen nötig erachtet, ausdrückdie an diesem Tage besonderer Umtrunk im Stammlokal. lich diesen Missbrauch zu Gott kommt in der moverbieten. Gott lässt sich Beachtung wert sind.  m dernen Freizeitgesellschaft nicht benutzen, dienstbar machen und entehren. Wir missbrauchen nicht mehr vor. Stattdessen möchte eine lautden Namen Gottes, wenn wir ihn nach unseren starke Spiel- und Spaßindustrie die Sinnleere an Wünschen etikettieren. Wir können Gott nicht dieser Stelle mit neuen Zeitfüllern übertünchen. Sicher dürfen wir am Feiertag auch tun, was herbeiwinken wie einen Kellner im Restaurant. Der Allmächtige wird bemüht, bei diesen und uns Freude macht und was Abwechslung bringt. jenen Feierlichkeiten dabei zu sein. Geschieht Für Freundschaft und Familie tun sich hier viegar ein katastrophales Unglück, dann nimmt le Möglichkeiten auf. Dennoch sollten eine schnell die höchste Prominenz an einem Trau- Verinnerlichung und eine Besinnung auf Gotergottesdienst teil und sitzt in der ersten Reihe, tes Führung stattfinden. Denn die gedankliche obwohl man sonst von Kirche und Glauben gar Beschäftigung mit Gott und das innere Gebet nichts hält. Nicht zuletzt erschreckt die Ver- sind Feier und Freude. Solch geistliches Ausspottung Gottes in den öffentlichen Medien ruhen und Sammeln bringt neue Kraft für die und in der freien Werbung. Aber Gottes Gebote kommende Woche. Wer erholt und innerlich gestärkt beginnt, wird mehr zustande bringen, sind weder Spaß noch Spiel. Das zweite Gebot eröffnet dem Menschen die mehr leisten und Erfolg haben. Zwischen Ruhe Möglichkeit, den Namen Gottes in liebevollem und Arbeit besteht ein Zusammenhang. Und Respekt anzurufen. Darüber hinaus hat Gott weil das so wichtig ist, steht das Gebot schon an uns noch einen besonderen Namen gegeben, dritter Stelle. Dieser Feiertag ist das Ergebnis der erbrachmitgeteilt, geschenkt, über den wir Gott erreichen können: Den Namen Jesus Christus, des ten Tätigkeit. Es liegt ein Segen darauf, wenn Sohnes Gottes. Durch ihn ist Gott zugänglich, man innehält, zurückschaut, den Sinn der Aknun haben wir sein Ohr und sein Herz. Gott tivität überdenkt und dann Danke sagt. Danke gab uns Christus, damit wir in seinem Namen dem, der die Kraft, das Geschick und die GeVergebung erfahren und ein Leben des Glau- sundheit für die zurückliegende Woche, das bens führen können. In seelischer Verlorenheit bisherige Leben, gegeben hat. Gleichzeitig erbekommt der Name Gottes Gewicht. Im Na- hält man neue Impulse und Initiativen für den nächsten Zeitabschnitt. men Jesus wird Gottes Name geehrt. Allerdings haben wir auf breiter Ebene den Feiertag zum Werk- und Werkeltag gemacht und zum Lustspender für mancherlei Vergnügen. Es Informationsbrief 266

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ist die Zeit der Freiräume, des Putzfimmels, des Tennisspiels, der Gartenpflege, des Bummelns, der Biertische, des Online-Bankings, des Fußballs, des Rennsports und des Einkaufens. Das ist die Zeit zum Reparieren, Polieren, Schwadronieren, Politisieren. Sicher ist damit alles in Ordnung. Ob jedoch aus allem mehr Sinn des Lebens entsteht, bleibt offen. Es bleibt doch die biblische Frage: »Wes wird’s sein, das du bereitet hast?« (Lukas 12,20) Natürlich gibt es Menschen in Berufen, auf die wir angewiesen sind, die an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten haben oder zu einer zuverlässigen Dienstbereitschaft abrufbar sein müssen. Es entsteht dann ein anderer Siebentage-Rhythmus, aber das Programm Gottes bleibt. Gott Wir arbeiten nicht, um der Arbeit willen. Die Ruhe ist das Ziel aller Arbeit.

geht es nicht um ein bloßes Datum, das um des Datums willen gefeiert werden muss. Nicht der Feiertag als solcher soll geehrt werden, sondern Gott beansprucht diese Ehre. Seine Größe und Heiligkeit sind gemeint, die an diesem Tage besonderer Beachtung wert sind. Wir arbeiten nicht, um der Arbeit willen. Die Ruhe ist das Ziel aller Arbeit. Der Feiertag ist wie eine symbolische Vorstufe der Tatsache, dass alle Lebensarbeit und alles menschliche Bemühen am Ende der Zeit in der großen Ruhe Gottes einmünden. Das geschieht genau nach Gottes Kalender. Er setzt die Zeiten und hat alle Tage eingetragen. So sieht Gott jeden siebenten Tag als seinen Tag an. Gott ist nicht darauf angewiesen, dass man ihn heiligt. Er ist in sich selbst heilig und unanfechtbar. Aber ihm gebühren Respekt und Wertschätzung. Die Heiligkeit Gottes ist kein Etikett, um Eindruck zu machen. Sie ist Ausdruck seines Wesens, seiner Kraft und seiner Würde. Darum lehrte uns Jesus im Vaterunser: »Dein Name werde geheiligt.« 24

4. »Du sollst deinen Vater und ­deine Mutter ehren, auf dass es dir wohl gehe und du lange lebest auf Erden.« Die verunsicherte Familiensituation Ist das vierte Gebot noch anwendbar oder längst überholt? Denn nicht jeder hat mehr Vater und Mutter, steht diesen nahe oder besitzt sogar mehrfache Ersatzpersonen, nämlich Stiefvater, Stiefmutter oder Pflegeeltern. Hinzu kommen wechselnde Patchworkfamilien, die unter Umständen vielfache Variationen mit sich bringen. Und doch: Am Anfang gab es die biologischen Eltern, da waren oder sind noch Vater und Mutter. Aber weshalb bedarf es eines derartigen Gebotes, dieser direkten Ermahnung? Ist es nicht selbstverständlich und eine natürliche Angelegenheit, Vater und Mutter zu achten, ihnen zu helfen, ihnen Nähe und Liebe zu vermitteln? Wahrscheinlich nicht, sonst hätte Gott eine Anrede in dieser Form kaum für nötig gehalten. Sonst hätte er diese »Familienangelegenheit« nicht sozusagen in weltumspannende und völkerverbindliche Grundregeln und in die Reihe der Gebote aufgenommen. Ein Familienidyll und das Vaterhaus im einstigen Sinne gibt es nicht mehr oder nur als seltene Ausnahme. Das Zerbröseln der Zusammengehörigkeit einer Familie wird leidvoll wahrgenommen oder wurde auch von pädagogischen Ideologen gewollt und gefördert. Die Zerstückelung und Verzerrung der Familie sind Realität geworden. Eine Ursache des Generationenkonfliktes sehen Experten in der Anforderungs- und Erfolgsgesellschaft und ihren Auswüchsen. Die Situation ist nicht nur für Eltern schwierig geworden, sondern auch Kinder müssen über Barrieren hinweg, wollen sie Vater und Mutter nahe bleiben. Im Grunde brauchen sie die bergende Wärme, die Zuflucht, das Zuhause, das heimische Nest. Selbst wenn die Ehe geschieden wird, Mann und Frau bleiben Vater und Mutter, die Elternschaft wird ihnen nicht abgenommen und kann nicht rückgängig gemacht werden. Letztlich wird immer ein Band bestehen zwischen Eltern und Kindern, denn Gott wollte das so. Im ersten Abschnitt des Lebens taten Vater und Mutter alles für ihre Kinder, im letzten Abschnitt werden sich dann (hoffentlich) die Kinder um die Eltern kümmern. Eltern sollten sich aber nie darauf verlassen und da­rauf bauen. Meist können die Kinder das nicht. Eher wollen die Jungen den Alten an die Brieftasche. Ein juni 2011

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modisch-lockerer Trend wird zur schmerzenden Disharmonie in der Familie. Vor zerstörenden Zeit­einflüssen möchte Gott bewahren und menschenwürdige Lebensregeln ein­bringen. Darum ermutigt Gott die Jungen in diesem Gebot: »Achtet und beachtet insbesondere die zwei Menschen, die euch das Leben gaben und euch daseinsfähig machten. Ehrt Vater und Mutter. Ihr werdet dadurch selbst gesegnet sein.« Die »Ehre« von der Gott spricht, gebührt Vater und Mutter nicht wegen ihres realen Daseins, sondern weil sie vor uns waren und in Gottes Hand Werkzeuge wurden, durch die uns Gott das Leben gab, weil sie also Vater und Mutter für uns geworden sind. Ob nun »gute« oder »schlechte« Eltern, das steht bei Gott gar nicht zur Debatte. Auch wenn Risse im Lack des Vaterbildes entstanden sein sollten und die Mutter in die Nähe der Verzichtbarkeit gerückt wird, gilt dennoch das Gebot Gottes, das weder geschmälert noch verwässert werden sollte. Denn dieses wirkt sich für beide Teile positiv und harmonisierend aus, für Kinder und Eltern.

Der Segen Gottes wird zugesagt. Das ist das einzige Gebot mit einer so deutlichen Verheißung für die nachfolgenden Jahre. Zwar wollten die Jungen es manchmal den Alten »zeigen«. Aber da waren in vielen Fällen die Beine zu kurz. Gehen Achtung und Respekt verloren, wird das Entstehen eines Gewaltgefüges mit seinen Auswirkungen folgen. Dabei meine ich fast, dass das vierte Gebot kein Gebot für Kinder ist, sondern für Kinder und Erwachsene, eher noch für Erwachsene, denn den größten Schmerz fügt man seinen alten Eltern meist erst zu, wenn man selbst erwachsen ist. Daher ist es sinnvoll und nötig, das vierte Gebot mit den vorangegangenen zu koppeln und in die Gottesbeziehung einzubringen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Generationen aufeinander zugehen, sich abstimmen, gut miteinander leben können und sich aneinander freuen. Freude verlängert dann das Leben. Es bleibt eine Tatsache, dass Gott Familie will und Nachwuchs wünscht. Eltern und Kinder sind jedoch Leihgaben Gottes und nur auf Zeit

Wenn man das vierte Gebot mit den vorangegangenen koppelt und in die Gottesbeziehung einbringt, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Generationen aufeinander zugehen, sich abstimmen, gut miteinander leben können und sich aneinander freuen. Freude verlängert dann das Leben. Informationsbrief 266

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Die »Ehre« von der Gott spricht, gebührt Vater und Mutter nicht wegen ihres realen Daseins, sondern weil sie vor uns waren und in Gottes Hand Werkzeuge wurden. gegeben. Sie sind trotz ihrer gesellschaftlichen Gefährdung und bedrohter Zukunft unersetzlich und daher umso nachhaltiger zu stützen. Das Miteinander von Vater, Mutter und Kindern bleibt ein verletzliches Gut. Es ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine besondere Gnade, wenn Verständnis, Vertrauen und Zuneigung gelingen. Die Familie wird auch in Zukunft die kleinste, aber wichtigste soziale Einheit sein, der Grundstein der Gesellschaft und zugleich ein Eckpfeiler der christlichen Gemeinde.

5. »Du sollst nicht töten.« Von der Unantastbarkeit des Lebens Das ist eine Aussage ohne Wenn und Aber. Es ist die kürzeste, eindeutigste und markanteste Formulierung als Bekenntnis zum Leben. Und doch hat sie die meisten Widersprüche und die größte Vielfalt an Deutungen ausgelöst. Hunderttausendfach wird dieses Gebot gebrochen, hintergangen und missachtet – bei Exekutionen, Kriegshandlungen, Abtreibungen, Sterbehilfe, Mord und Totschlag. Täter werden nicht selten gehätschelt, Opfer gelegentlich verhöhnt. »Du sollst nicht« ist ein Gebot, das in fast allen Sittengesetzen der Völker der Erde enthalten ist. Menschen versuchen damit, Humanität und tragfähige Gemeinsamkeit aufzubauen. Für die Lebenserhaltung in der Welt ist dieses Grundgebot eine fundamentale Voraussetzung. Jedoch beobachten wir die Zunahme von Unbedenklichkeit und Brutalität gegenüber 26

dem Wert des Lebens. Darum betonte schon Martin Luther in seiner Erläuterung: »Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserem Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und ihn fördern in allen Leibesnöten.« Immer beruft sich Luther auf Gottesfurcht und Gottesliebe. Dieses Grundprinzip ist unverzichtbar. Denn nur wer Gott im Herzen hat, kann die Verantwortung für den Mitmenschen nicht so weit vergessen, dass er sich an dessen Leben vergreift. Auch der Schwache, Kranke, Ungeborene und Verzweifelte ist lebenswert und verdient Schutz, Respekt und Förderung. Die tagtägliche Bedrohung nimmt zu. Überfälle, Raub, Terror, Erpressung, Folter, Krieg und Unterdrückung hören nicht auf. Ein Pulverfass, an das jederzeit und überall die Lunte gelegt werden kann. Auch alle Arten von Sucht, Abhängigkeiten und Tragik erscheinen grenzenlos mit tausendfachem Suizid. In einer Welt, die durchzogen ist von dem dringenden Wunsch nach Frieden und Menschlichkeit, greift einerseits die Angst in millionenfachen Metastasen wie ein wucherndes Krebsgeschwulst um sich, andererseits breiten sich Desinteresse und Gleichgültigkeit spiralförmig aus. So werden Menschenwürde und die Unversehrtheit der Person missachtet. Behinderte und kranke, alte und dahinsiechende Menschen werden abgesondert und manchmal notdürftig am Leben erhalten. Gleichzeitig werden Programme für Sterbehilfen entwickelt und hier und da offen und legal praktiziert. Die heftigsten Verjuni 2011

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stöße geschehen täglich in der wegwerfenden Behandlung ungeborenen menschlichen Lebens. Eine meist wohlhabende Gesellschaft verwendet das Scheinargument der sozialen Indikation zur Tötung im Mutterleib. Es ist ja nicht nur lebensunfähiges, krankes oder verkrüppeltes Leben, das wir töten, sondern auch gesundes, erwartungsvolles und begabtes. Das »Töten« ist also ganz handfest unter uns! In der Diskussion um einen gewollten und geplanten Schwangerschaftsabbruch wird meist die Tatsache versteckt, dass sie in ungezählten Fällen ein Vertuschungsversuch ist, um den moralisch guten Ruf zu erhalten. So wird ungeborenes Leben als Folge sexueller Fehltritte vernichtet, um das persönliche Ansehen – meist des Zeugers – nicht in Misskredit zu bringen. Die heimlichen Sexualkontakte sind einer der Gründe für ungewollte Schwangerschaften und nicht zu akzeptierende Endlösungen. Jede bewusst herbeigeführte Zerstörung des Lebens entspricht weder der humanen Verantwortung noch der geschöpflichen Ordnung. Es gibt kein lebensunwertes Leben, auch das ungewollt Entstandene nicht, das so als eigener oder fremder Besitz gewertet werden dürfte, dass Menschen darüber absolut verfügen können. Die Selbstbestimmung, die Unvorsichtigkeit und der Spaß des Menschen finden da ihre Begrenzung, wo anderes Leben gefährdet wird. Das Gebot Gottes schützt die Unantastbarkeit, denn jedes Leben ist ein Geschenk und die Grundvoraussetzung für das Dasein. Menschen dürfen auch nicht zu Sklaven und Prostituierten erniedrigt werden. Aber wo Gott nicht geehrt und ge-

fürchtet wird, gibt es wenig Scheu, Menschen anzutasten, zu entwürdigen und auszulöschen. Dabei muss es nicht immer um handfeste Tötung gehen. Es sei an 1.Johannes 3,15 erinnert: »Wer seinen Bruder hasst, der ist ein Totschläger.« Der Hass und das hasserfüllte Wort können in diesem Sinne gezielt und umfassend die Seele des andern schädigen und verletzen. Da bleiben Menschlichkeit, Vertrauen, Güte und Liebe auf der Strecke. Der Angriff auf das seelische Gefüge des andern kann vernichtend sein. Unser Auftrag heißt dagegen, »Gehilfen des Lebens« zu werden und »Wegbereiter der Freude« zu sein. Wir sind zum Lieben da. Gottes Barmherzigkeit macht uns barmherzig. Tödliche Aggressionen sind ein Teil des animalischen Menschen. Deshalb gibt Gott ihm eine Handreichung auf den Weg: »Du sollst nicht morden« (in wörtlicher Übersetzung). Es gibt nicht den anständigen Menschen, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann. »Edel sei der Mensch, hilfreich und gut« ist reine Illusion. Wir, die Mörder, sind überall, in allen gesellschaftlichen Schichten, auch im frommen Gewand. Unsere Giftmethoden sind oft fein dosiert, kaum feststellbar, aber wirksam. Aber wer andere zerstört, zerstört letztlich sich selbst. Gott will das Leben! Wir sind nur Verwalter des Lebens und keine Eigentümer. Das gilt für die eigene Person und für anvertrautes Leben, das wir nicht entwerten, verwunden und verkürzen dürfen. Der Mensch hat kein Verfügungsrecht. Das fünfte Gebot ist daher ein Ruf zur Besinnung, zur Umkehr, zum Ursprung, zum Willen Gottes, zur Ehrfurcht vor dem Dasein.

Es gibt kein lebensunwertes Leben …

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Die Ehe ist Gottes Werk. Diese Gefährtenschaft bedeutet Bestimmung, Auftrag und Verantwortung. Sie ist eine Zweiergemeinschaft, die getragen wird vom Willen zu gegenseitiger Liebe und Treue für die Zeit des Lebens.

6. »Du sollst nicht ehebrechen.« Ehe mit offenen Grenzen? Es war der besondere Schöpfungsakt Gottes am Anfang der Welt, dass er den Menschen als Mann und Frau schuf und beide zusammenführte. Die Ehe ist Gottes Werk. Diese Gefährtenschaft bedeutet Bestimmung, Auftrag und Verantwortung. Sie ist eine Zweiergemeinschaft, die getragen wird vom Willen zu gegenseitiger Liebe und Treue für die Zeit des Lebens. Mann und Frau ergänzen und erfreuen einander. In der Ehe findet die menschliche Zuneigung ihre Formung und ihren Sinn, erfährt die Liebe zwischen zwei Personen den nötigen Halt und Schutz. Dieses gemeinsame Leben ist mehr als eine Interessen- und Wohngemeinschaft. Sie ist die intensivste Verbindung, die es zwischen Menschen überhaupt geben kann und betrifft die Ganzheit beider Personen. Gehen Mann und Frau eine Ehe ein, begründen sie damit eine feste, alles umfassende Existenz, die die einzelnen Lebensbereiche hineinnimmt in eine gemeinsame Verpflichtung. Denn die Ehe ist das schützende Gefäß für das kostbarste Gut im Zusammenleben von Mann und Frau: die Liebe. Als das zarteste Gefühl ist es zugleich das schwankendste und empfindlichste und bedarf daher 28

zu seiner Bewahrung einer bergenden Kontinuität und eines bindenden Haltes. Den schafft die Ehe mit ihren rechtlichen Voraussetzungen und Folgen. Liebe ist auf Dauer nur lebensfähig, wenn eine verlässliche Ehe sie schützt und hütet. Wird Ehe heute zum antiquierten Auslaufmodell? Wären offene Grenzen vielleicht modern und fördernd? Die Bezeichnung »Lebensabschnittspartner« macht sich breit und der Anspruch oder die Duldung einer »Partner­ ergänzung« neben der Ehe greift um sich. Bei einer Verkümmerung der ehelichen Beziehung sucht man nach zusätzlichen Möglichkeiten und Ersatzformen. Die Einmaligkeit und die Ausschließlichkeit der Ehe werden zur Debatte gestellt. Der Begriff der Treue zerbröckelt. Ehe ist heutzutage in der Tat eine risikoreiche und umstrittene Lebensform, die von allen, die es wagen, viel Kraft, Liebe, Einfühlung und auch Wissen verlangt, nicht zuletzt nüchterne Überlegung. Daher sind die Partnerwahl, die Abstimmung der Charaktere und die Entfaltung des gemeinsamen Lebens von Wichtigkeit. Der Wunsch des Herzens kann Denken und Wollen so beherrschen, dass man oftmals zu sachlicher Klarheit kaum noch fähig ist. Die Verschiedenheit zwischen Mann und Frau bedeutet eine polarisierende Spannung, die auch die Gefahr der Konflikte in sich birgt. Darum sind die geistige Ebenbürtigkeit, der Bildungsgrad und bisher abjuni 2011

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weichende Lebensformen anzugleichen und zu eben solange »wir uns vertragen«. Alle bürgertrainieren, damit eine tragfähige Ebene erreicht lichen und religiösen Hemmungsmechanismen wird. Das geschieht nicht automatisch, sondern früherer Art sind heute unwirksam. Darum wagbedarf der Bemühung, denn die Ehe ist wie eine te man von psychologischer Seite, das »FremdBrücke, die man täglich neu bauen muss – am gehen« als »Therapeutikum für kränkelnde besten von beiden Seiten. Nötig werden zum Ehen« zu empfehlen. Hier gilt wohl »Moral ist Gelingen genügend Einfühlungsvermögen, ein das, was viele tun«. Demgegenüber bietet die Ausloten der inneren Belastbarkeit und ein Zu- Ehe doch einen tragfähigen Schutz vor Zugrifrückdrängen des eigenen Egoismus. Niemand fen und Verführungen gesellschaftlicher Spieldarf in einer Ehe vom andern überfahren und wiesen. Sie ist in der Lage, Aggressionen und erdrückt werden. Hilfreich ist, wenn man sich Zumutungen auszugleichen. Aber Labilität und gegenseitig motiviert und nicht provoziert. Es Bindungsschwäche, vielfältige Reizauslöser und gilt, von der naiven Erwartung Abschied zu eine ungehemmte Freizügigkeit lockern oftnehmen, die Ehe gelänge von selbst. Vielmehr mals die Beziehung und werden zu Gründen ist sie mit gründlicher des ehelichen Aus­ Vorbereitung und stän- mm Ehe ist kein genormter Zustand von ein­­ander­driftens. An dig mit Arbeit und An- Glück und Leidenschaft, sondern eine neuen Haut­angeboten strengung verbunden. fehlt es nicht. KörEhe ist ein Prozess des Straße, die eines guten Schuhwerks perlichkeit wird zum Werdens und Reifens. bedarf. Jeder Weg bedarf der Orientie- Konsumartikel. Ein wirkliches Erproben die bindenrungsschilder. Ohne Ordnungen geht de Wirkt ist nicht möglich, darum Form der Ehe auf sei die alte Weisheit un- es nirgends auf der Welt, schon gar Dauer gelangweilt und terstrichen: die Geburt, nicht im menschlichen und partnerzermürbend? Könnte die Ehe und der Tod lasman durch »Auflockesen sich nicht erproben. schaftlichen Rahmen.  m rung« ein Scheitern Sie sind einmalig und vermeiden? Dazu folunwiederholbar. Selbst eine zweite Ehe wird gende Feststellungen: Eine Ehe zerbricht nicht niemals der ersten gleichen. an der »Institution Ehe«, sondern an der unDaher ist es notwendig, dieses biblische Ehe- zulänglichen Abstimmung der Partner, an expeverständnis zu vertiefen. Die Einbringung des rimentellen Grenzüberschreitungen vor und in Menschen in Liebe und Ehe bedeutet: ein ein- der Ehe, an gravierender Ichhaftigkeit auf einer maliges Zu-dir-gehören, ein Für-mich-geschaf- oder beiden Seiten, an der unzureichenden oder fen-sein, ein Auf-mich-zugeschnitten-sein. Das nachlässigen Hingabefähigkeit, an mangelnder alles ist nicht von vornherein gegeben, sondern Charakterstärke oder am Trend zur ehelichen wächst im Laufe von Jahrzehnten. Hie­raus formt Unverbindlichkeit. Die Ursachen des Scheiterns sich das Ergebnis einer gemeinsamen Geschich- liegen also im menschlichen Versagen. Soll Ehe te, eines gemeinsamen Freuens und Leidens gelingen, wird man immer ein Stück »Eigenes«, und einer gegenseitigen Prägung. Da wird jeder einen Teil des eigenen »Ichs« zurückstecken ein Stück des andern und ist nicht mehr der, der müssen, insbesondere dann, wenn Kinder geer am Anfang war. Man wird durch den andern schenkt wurden. gezeichnet. Auch Liebe und Treue erhalten sich Das Zerbrechen einer Ehe steht immer im in diesen Jahren nicht automatisch, sondern Gegensatz zum Willen Gottes. Ehe ist kein gemüssen laufend gefestigt und gepflegt werden. normter Zustand von Glück und Leidenschaft, Die sich lieben, verletzen sich manchmal, aber sondern eine Straße, die eines guten Schuhwerks sie verbinden sich auch. Ehe ist nicht verbissener bedarf. Jeder Weg bedarf der OrientierungsschilPartnerkrieg. Eheleute sollten einander helfen, der. Ohne Ordnungen geht es nirgends auf der ein tiefes und weites Mann-Frau-Sein zu prakti- Welt, schon gar nicht im menschlichen und partzieren. Dieses grundlegende Fundament in der nerschaftlichen Rahmen. Darum gab Gott die Ehe möchte Gott bergen und schützen. Darum Richtung vor. Es sind Eckpfeiler nötig, an degibt er dem Menschen mit dem sechsten Gebot nen sich jede Beziehung aufbauen und bewäheine klare Richtlinie: »Du sollst diese Verbin- ren muss. Wenn sie lebenslang und unauflöslich dung nicht zerbrechen!« bestehen soll, bedarf sie einer Grenzziehung und Umfragen zeigen, dass es gesellschaftsfähig der Selbstkontrolle. Ist der Segen Gottes dabei, geworden ist, Partner zu hintergehen und Be- gehen die Partner auch durch Schwierigkeiten ziehungen kurzfristig abzubrechen. Wir haben und Durststrecken zuversichtlich und betend heute den/die »Schönwetter-Gefährten/in«, hindurch »bis der Tod sie scheidet«. Informationsbrief 266

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7. »Du sollst nicht stehlen.«

gegen Diebstahl und Veruntreuung jeglicher Art. Ganz persönlich: An unseren Händen soll Das Eigentum und der begehrliche Blick nichts kleben bleiben. Man überprüfe seine Taten und die Folgen. Darum heißt Luthers AusDas ist ein heikles Thema. Gott schaut uns legung: »Wir sollen Gott fürchten und lieben, auf die Finger. Die Hand des Menschen greift dass wir unserem Nächsten sein Geld und Gut gern nach Dingen, die ihm nicht gehören. Es nicht nehmen, noch mit falscher Ware oder wird peinlich, dabei erwischt zu werden. Dieses Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut Gebot schützt den Besitz anderer. Das ist nötig, und Nahrung helfen bessern und behüten.« denn damals wie heute sind wir ein Geschlecht Aus geistlicher Sicht und im Sinne des bibder Gauner und Klauer. Es wird an allen Ecken lischen Verständnisses ist der Mensch auf dieund Enden gestohlen, offen, verdeckt, char- ser Erde nur Haushalter und nicht mehr. Ihm mant. Etwas »leise beiseite bringen« sei »in«, gehört nichts. Was er zu haben meint, zerfließt hörte ich neulich. Luther nennt Langfinger »die eines Tages in seinen Händen zu Staub. Der größte Zunft« und sagt: »Wenn man in die Welt Mensch ist kein Eigentümer und kein Besitzer schaut, so kommt sie einem vor wie ein großer materieller Güter, sondern nur »Verwalter des Stall voller Diebe.« Anvertrauten«. Gott bleibt der Herr. »Du sollst nicht stehlen« klingt auffallend Das siebte Gebot enthält eine beachtensschlicht und für jewerte Zuspitzung. Der dermann verständlich. mm »Du sollst nicht stehlen« klingt althebräische Wortlaut Das ist so einfach, dass auffallend schlicht und verständlich. redet ausdrücklich von es nichts zu fragen »Menschendiebstahl«, und nichts zu deuteln Das ist so einfach, dass es nichts zu also von Menschenraub gibt. Und doch hat fragen und nichts zu deuteln gibt. Und und Versklavung. In der Antike wurde der Sklave jeder schon einmal ge- doch hat jeder schon einmal gestohnicht mehr als Mensch, stohlen, zunächst mit schlechtem Gewissen, len, zunächst mit schlechtem Gewis- sondern als ein niedriges später ohne Gewissen, sen, später ohne Gewissen, manchmal Objekt, als Sache und Gegenstand gehandelt manchmal verunsichert verunsichert oder irritiert.  m und behandelt, oft geoder irritiert. »Du sollst nicht« ist eine glasklare Grundregel. Dennoch geschieht es im großen Maßstab oder im kleinen Rahmen, aus Verlegenheit, in einer Notlage oder durch ausgeklügelte Raffi­nesse. »Die Hemmungen vor Verletzungen fremden Eigentums verlieren sich. Das Heer der Gelegenheitstäter, die bedenkenlos zugreifen wächst. Daraus erwachsen ProfiKriminelle, die sich organisieren und die Taten geschäftsmäßig betreiben. Die Spirale dreht sich weiter nach oben« (Hamacher, Ex-Polizeidirektor). Eigentum ist heute vielfach »Verfügungsmasse« für raffinierte Manipulationen. Das Unrechtsbewusstsein schwindet anscheinend mehr und mehr. Die Aufweichung des Eigentumsbegriffes greift gesellschaftlich um sich bis hin zur ideologischen Umkehrung mit dem Slogan »Eigentum ist Diebstahl«. Es ist also möglich, elementare Grundsätze auszuhöhlen. Wo keine Gottesfurcht vorhanden ist, gibt es auch keine Achtung vor fremdem Eigentum. Das Verbot des Stehlens stellt nach wie vor bei allen Völkern einen fundamentalen Rechtsgrundsatz dar. Diebstahl ist ein Vergehen nicht nur anderen Besitzern gegenüber, sondern auch gegen die von Gott erlassenen Grundrechte. Gott schützt mit diesem Gebot das Eigentum 30

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quält und missbraucht, geschändet und verkauft. Man zertrat die Seele, stahl seine Identität. Gottes Gebot steht dem entgegen: Niemand darf einem anderen Menschen sein eigenes Ich wegnehmen, ihn gewaltsam zum Eigentum machen. Eine Person ist kein willfähriger Gegenstand. Bedenklich wäre auch »Menschendiebstahl« im religiösen Bereich, wenn man sich Menschen bemächtigen würde durch Bedrängung und Einengung ihres seelisches Befindens, durch Aufnötigung psychologisch-esoterischer Erkenntnisse und prophetischer Scheinbotschaften, wenn man ihn in Hysterie und Ekstasen versetzt. Wir bedürfen des Schutzes gegen Entgleisungen in scheinfrommer Fassade. Menschenmissbrauch im religiösen Terrain ist oft undurchsichtig und abwehrschwierig. Wie ernst und weitreichend ist doch Gottes Gebot! Erst recht der kriminelle und verbrecherische Kauf und Verkauf von Kindern, die anscheinend von Vertrauenspersonen adoptiert, aber heimlich zur Prostitution herangezogen und gedrillt werden. Nicht weniger verwerflich ist die Anwerbung oder Entführung von Mädchen und Frauen aus östlichen Ländern, manchmal über eine vorgetäuschte Heirat hinweg, die dann in einem Bordell landen. Das ist Raub, Verachtung und Menschendiebstahl! »Du sollst nicht ...« ist nicht als Gesetz und Rechtsbelehrung zu verstehen, sondern als

Evangelium, als Wegweisung Gottes, wie der Mensch am besten durch dieses Leben findet. Gott zeigt die Stolpersteine auf diesem Weg und schenkt das Augenmaß, die Schwierigkeiten einzuschätzen und zu meiden. Man tut gut daran, dieses Gebot ernsthaft zu befolgen. Viel Unheil würde einem Volk und dem Einzelnen erspart. Die Unantastbarkeit der menschlichen Würde gilt auch im Rahmen dieses Gebotes.

8. »Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.« Die Verzerrung der Wahrheit und vom ­Verdrehen der Tatsachen Dieses Thema zieht sich durch die Jahrtausende. Schon im zweiten Mosebuch steht: »Sei ferne von falschen Sachen«, in freierer Übersetzung: »Halte dich ferne von einer Sache, bei der Lüge im Spiel ist« (23,7). Es geht um Wahrheit und wahrheitsgemäßes Reden und Handeln. Beides scheint von jeher gefährdet zu sein, denn schon Pilatus fragte »Was ist Wahrheit?« Die Unwahrheit kommt in tausend Masken daher und ist nicht immer zu erkennen. Heute nennt man die Vernebelung oder Verdrehung von Tatsachen »gezielte Desinformation«. Das erleben wir in Politik, Indus-

Nichts ist vor Diebstahl sicher: Weder Sachen noch Ideen, Menschen, Texte, Patente …

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trie, im Beruf und im privaten Bereich. Mit der Beispiele gibt es, wo befreundete Menschen und Wahrheit treibt man ein frivoles Spiel. Warum? sogar Brüder einander betrogen. Unter vielen Gründen sticht einer hervor: Die Jedes falsche und trügerische Wort zerstört Institution oder die Person hat den Drang, posi- ein Stück Vertrauen und Gemeinschaft, macht tiv und überzeugend dazustehen. Dafür nimmt aggressiv, zynisch und rücksichtslos. Einander man auch unfaire Mittel zu Hilfe, macht andere überschneidende und überschreiende Inforschlecht oder hängt ihnen etwas an. Klatsch und mationen führen zu einem Irrgarten der MeiTratsch, üble Nachrede und planmäßige oder nungen und zu einer Undurchsichtigkeit des nachlässige Ehrabschneidung sind so verbreitet, politischen, militärischen und gesellschaftlichen dass mit Recht dieser unmenschlichen Praxis ein Gewebes. Dabei verliert das »Wort« gegenüber ganzes Gebot Gottes entgegensteht. dem »Bild« an Gewicht. Das Bild sagt mehr als Besonders heimtückisch wirkt das Unter- tausend Worte. Aber auch die Bildnachricht und fangen, wenn es eingefärbt, hinterhältig oder die fototechnische Aufbereitung können zur scheinbar ehrlich vorgetragen wird, in Wahrheit Desinformation manipuliert werden und somit aber den anderen nicht verfälschte Eindrücke nur verletzen, sondern mm Nicht »Weltprobleme« machen und verzerrte Wahrschädigen soll. Diese uns den größten Kummer, sondern oft heiten vermitteln. Praxis hat sich im poImmer beliebter wird litischen Rahmen und das einfache und schlichte Verhältnis es dabei, Böses symin gesellschaftlichen zu Menschen, die um uns sind. Der pathisch darzustellen, Interessen einschleiVerbrechen zu verkleiGebrauch unserer Worte darf ihnen chen können und nern und Grausames wirkt wie verseuchtes nicht schaden, auch nicht eine zwiemit einem vernebelnBlut in den Adern des lichtige Auskunft und ein Scheinverden Hintergrund zu Zusammenlebens. Das versehen. Und alles gilt nicht nur der Re- halten. Den meisten Schmerz bereiten wird bedenkenlos hingenbogenpresse und sich nahestehende Menschen durch genommen. publizistischen Ver- hässliche Worte und verletzende AusHier erwachsen öffentlichungen, sonFragen an die Glaubdern auch politischen sagen.  m würdigkeit und GefahMethoden und Deren aus dem heutigen monstrationen. Man beteuert, wahr und volks- Zeitgeist. Denn die Definition von Begriffen nah zu sein, schärft aber hinter dieser Schutz- wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Verwand das Messer der Verleumdung, zumindest lässlichkeit, Vertrauen, Treue wird mit anderen, der Verunsicherung. oft gegensätzlichen Inhalten gefüllt oder das Die »Freiheit der Kritik und der Presse« wird Ursprüngliche verbogen. Denken und Hanoftmals überstrapaziert und missbraucht. Im deln verändern sich dadurch. Sind wir auf einem Zeitalter der Medien wird die Verdrehung der Weg, auf dem alles schwankt, vieles verunsichert Wahrheit, jeder Irrweg und jedes Geschwätz wird, aber eine Gesellschaft sich dennoch wohlblitzschnell in den letzten Winkel getragen. fühlt? Das kann für den Betroffenen zum Knock-out Die Grundregeln Gottes ziehen hier eine führen. Beispiele für Bosheiten gibt es täglich. Grenze. Gott lässt in seiner Klarheit und WahrDa traut man nicht der Boulevardzeitung, heit diese Doppelzüngigkeit nicht zu. Darum noch dem eigenen Nachbarn. Das Misstrauen heißt es in Luthers Auslegung: »Wir sollen Gott schleicht bis in die eigene Familie hinein. Wie fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten schutzbedürftig ist Wahrhaftigkeit doch im Mit- nicht fälschlich belügen, verraten, afterreden einander der Menschen. oder bösen Leumund machen, sondern sollen Die Bibel schönt nicht die Entgleisungen mit ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und al»falschen Sachen«. Es werden falsche Propheten les zum Besten kehren.« und falsche Träume genannt (Jeremia 23,26– Nicht »Weltprobleme« machen uns den 32), falsche Orakel (Sacharja 10,2) und Vereh- größten Kummer, sondern oft das einfache und rung falscher Götter (Jesaja 44,20). Die falsche schlichte Verhältnis zu Menschen, die um uns Zunge, Verleumdung und Lügenmäuler (Psalm sind. Der Gebrauch unserer Worte darf ihnen 120,2–3), Falschaussagen der Schriftgelehrten nicht schaden, auch nicht eine zwielichtige Aus(Jeremia 8,8), falsche Zeugen und Schwüre, kunft und ein Scheinverhalten. Den meisten falsche Gewichts- und Grenzsteine und auch Schmerz bereiten sich nahestehende Menschen falsche Freunde gab es schon immer. Wie viele durch hässliche Worte und verletzende Aussa32

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gen. Worte sind dann wie Messer, die durch falschen Gebrauch noch schärfer werden. Welch eine Menschenkenntnis steckt dahinter, wenn Paulus warnt: »So ihr euch untereinander beißet und fresset, so sehet zu, dass ihr euch nicht selbst verzehrt« (Galater 5,15). Wir haben alle vor der eigenen Türe genug zu tun und brauchen nicht noch beim Nachbarn zu fegen. Wie rasch lügt der Mensch! Wie glatt gelingt das Abstreiten einer Schuld, wie schnell das Verkleinern von Fehlern, das Benutzen unechter Entschuldigungen, der Pakt mit der kleinen Lüge, das Erfinden aus dem Nichts, das Vergrößern der eigenen Person! Es legt sich alles fast automatisch wie von selbst auf die Zunge. Der Kopf brütet aus, die Zunge formuliert und der Mund versprüht es. In der Bibel ist von der »zänkischen Zunge« die Rede (Psalm 31,21), denn »die Zunge trachtet nach Schaden, schneidet mit Lügen wie ein scharfes Messer und redet gern alles, was zum Verderben dient, mit falscher Zunge« (Psalm 52,4.6). Immer wieder wird drastisch darauf hingewiesen: Psalm 57,5; 78,36; 109,2; 140,4. Es wird seine Bedeutung haben, wenn Gott die falsche Zunge so scharf beim Namen nennt. Sie hat etwas Kaltes und Unmenschliches: In berechnender Schläue, in schwer durchschaubarer Doppelbödigkeit verdreht sie die Wahrheit, macht schlecht, schwärzt an, stellt in Zweifel, erfindet Gerüchte, verletzt und beleidigt, macht hilflos und klein – gegen eine falsche Zunge sind wir machtlos. Blinde, stumme Wut steigt in uns auf. Man kann nicht widerlegen, auch nicht dementieren, nicht überzeugen und richtig stellen. Denn eine falsche Zunge ist hinterhältig, argumentiert indirekt, verhüllt mehr, als sie klärt, will verunsichern und verschleiern, erzeugt Hass. Damit verdreht sich allmählich die Wirklichkeit und Wertigkeit der Dinge. Jede Ordnung gerät aus den Fugen, die Wertesysteme werden verfälscht. Das ist die Einbruchstelle der Irritation in unserer Zeit, der Ort der Manipulierbarkeit. Viele menschliche Beziehungen werden durch Worte zerschnitten. Trauer und Tränen kommen über Familien und Gemeinden. Ein Klima des Misstrauens entsteht. Dann schließen sich Türen und Herzen. Eine Welt ohne Menschlichkeit tut sich auf. Darum hinterließ Jesus mit großem Ernst den Hinweis: »Ich sage euch, dass die Menschen Rechenschaft abgeben müssen beim Jüngsten Gericht von einem jeden unnützen Wort, das sie geredet haben« (Matthäus 12,36). Das gilt auch von lieblosen, harten und unwahren Worten. Hier zeigt sich die Wichtigkeit des achten Gebotes! Informationsbrief 266

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9. und 10. Gebot: Vorbemerkung Von den Zehn Geboten haben wir zwei Fassungen in der Bibel. Zunächst 2.Mose 20,1–17, sodann 5.Mose 5,6–21. Die Texte zeigen nur leichte Abweichungen, die die Substanz des Inhaltes nicht verändern. Im Laufe der Kirchengeschichte spaltete man das letzte Gebot in zwei Teile (neuntes und zehntes Gebot), obwohl der Text zusammengehört. Die Fassung im fünften Mosebuch hat die Besonderheit, dass in der Aufzählung der »Begehrlichkeiten« die Frau vorangestellt wird. Diese Wertung entspricht wohl am ehesten der Absicht der »Gesetzgebers«, denn die Frau ist weder Einrichtung des Hauses, noch Untergebene des Mannes, wie es Knechte und Mägde sind. Von diesem Sachverhalt her liegt es nahe, das letzte Gebot inhaltlich beisammen zu lassen, aber in zwei Teilen auszulegen und dabei der Frau den Vorrang zu geben.

1. Teil: »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.« (5.Mose 5,18) »Der Lockvogel der Natur« Es gibt eine Spannung zwischen den Geschlechtern, die wohl nie abgebaut werden kann. Die biologischen und psychischen Unterschiede und Anziehungspunkte sorgen dafür. Der Schöpfer hat das so gewollt und schuf Mann und Frau interessant und begehrenswert füreinander. Sonst würden beide wohl nie zusammenfinden. Auch die Ehe lebt von der Tatsache und der Freude an der geschöpflichen Verschiedenartigkeit. Es ist das Wesen der Ehe, auf diese Weise einander zu gehören nach Leib, Seele und Geist und diese Beziehung unter die Obhut Gottes zu stellen. So wollte Gott das und segnete dieses Verhältnis. Die Ehe ist auf Treue aufgebaut. Sie ist das Rückgrad der lebenslangen Beziehung. Jemand Drittes hat darin nichts zu suchen. Dennoch geschieht ein vielfacher Einbruch und Ausbruch aus dem ehelichen Verhältnis. Früher war dabei der Mann der Aktivere. Heute ist die Frau kühner und aggressiver geworden und ist sich ihrer Reize und ihres Charmes bewusst. Und der Mann schaut nach diesen Angeboten. Die Frau ist für ihn – so Schopenhauer – der »Lockvogel der Natur«. Der Mann entwickelt dann ein »Begehren«, ein Haben- und Besitzenwollen, ein Fiebern und Gelüsten, ein Wünschen und Drängen. Selbst wenn ein Mann gut verheiratet 33


ist: Fremde Haut, die nächste beste, erscheint noch interessanter, noch begehrenswerter, noch lüsterner. Er steigert sich in einen erotischen Wahn hinein und sucht Objekte. Und die Frau stellt sich als Reizmittel dar. Die Phantasie des Mannes läuft dann über die Brieftasche. Das Begehren nach einer bezaubernden Frau wird heute nicht mehr bemäntelt, sondern im Fernsehen, im Internet, in Filmen und an fast jeder Straßenecke kräftig angeheizt. ­Medien provozieren es, attraktive Fraulichkeit wie Ware zu handeln und zu kaufen, wenigstens für Stunden oder Minuten. Dem Mann wird heute auf breiter Ebene selbst durch Privatanzeigen »Weibliches« in jeder Form angeboten. Die Weisung und Warnung Gottes hat mit dem Schutz der Ehe zu tun, in die kein fremdes Begehren einbrechen soll. Ehestreitigkeiten und Hahnenkämpfe verstärken sich, wenn ein Partnereinbruch von außen erfolgt. Schützende Mechanismen versagen, sobald ein Dritter im Spiel ist, der/die es auf einen »Einbruch« angelegt hat. Schon die Absicht, die einer Tat vorausgeht, wird durch die Mahnung Gottes verurteilt. Begehren und Wollen gehen immer der Tat und der Schuld voraus! Im Blick auf die Zuordnung der Geschlechterbeziehung gilt, dass das Gesagte in vollem Umfang nicht nur dem Mann, sondern in gleicher Weise auch der Frau gilt: »Begehre nicht den Mann, der dir nicht gehört!« Denn im Rahmen unserer Gesellschaft ist das aus der Sicht der Gleichberechtigung kein Problem mehr. Es gehört zum Stil der Zeit, dass sich die heutige moderne Frau jede Freiheit nimmt. Dazu zählen auch völlig nach Belieben die Partnerwahl und die Partnerzahl. Die Frau dominiert dabei über manche männliche Unfähigkeit. Aber das Gebot Gottes gilt ihr gleichermaßen. Dennoch nutzt sie, was sich anbietet. Beliebigkeit auf beiden Seiten ist die neue Norm. Jeder darf begehren, was und wen er will, einschließlich aller fragwürdigen Experimente. Ob eine Ehe besteht oder nicht. Die Abschaffung von Straftatbeständen in Deutschland förderte diesen Trend. Diese üblich gewordene Vielfalt partnerähnlicher Beziehungen und Schnellbegegnungen scheint dem Wohl des Menschen nicht entgegenzukommen. Viel Ungelöstes und Unerlöstes ist damit verbunden. Oberflächliche Gemeinsamkeiten können bei Mann und Frau keine tiefgreifenden und lebenslangen Erfahrungsund Gefühlswerte aufbauen. Es finden sich ungezählte Beispiele, in denen der Lack bald blätterte, deren Schwarm und Traum schnell welkte. Die Erotisierung des Lebens zahlt sich 34

nicht aus, sondern endet vielfach in Unlust, Missbehagen und Depressionen. Der Wille Gottes hat seine Richtigkeit. Gott möchte dem Menschen einen guten Weg weisen. Alles Wollen und Wünschen des Herzens kann man mit dem eigenen Partner stabilisieren. Der ist nicht der schlechteste. Der gesellschaftlichen Maßlosigkeit sollten wir die persönliche Zurückhaltung entgegensetzen. Das ist eine Form des Respekts und der Distanz vor dem andern. Gleichzeitig ist Disziplin eine Art Vorsicht, weil wir im andern auch Verwundbares vor uns haben, das zu schützen ist. Verantwortung im Blick auf Verletzbarkeit ist ein Teil notwendiger Menschlichkeit. Die partnerschaftliche Intimität ist aufs engste an Liebe gebunden. Sie ist eine Grundenergie, die die Schöpfung den Liebenden zur Verfügung stellt, eine vitale Spannung, die die Ehepartner immer wieder zueinander führt und miteinander vereinigt. Wer eine solche Partnerschaft durch Fremdbegehren aus dieser Schöpfungseinheit herausreißt, reduziert ihr Wesen, juni 2011

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Die Ehe ist auf Treue aufgebaut. Sie ist das Rückgrad der lebenslangen Beziehung. Jemand Drittes hat darin nichts zu suchen.

2. Teil: »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Vieh noch alles was sein ist.« (5.Mose 5,18) Aggressionslust im Alltag

zerstört die eigentliche Bestimmung und geht damit das Risiko seelischer und körperlicher Gefährdung ein. Die Wegweisung der Gebote gewinnt von daher eine neue Dimension. Leitlinien Gottes haben Sinn und Zweck. Zerbricht eine eheliche Lebensgemeinschaft durch den Tod, so ist das wie eine seelische Amputation. Wir singen es in einem anderen Zusammenhang »als wär’s ein Stück von mir«. Da ist etwas weg vom bisherigen gemeinsamen Leben. Zerstört sich aber eine Ehe durch Trennung und Scheidung, dann ist das wie eine Selbstverstümmelung. Die Handlungsfreiheit des Einzelnen hört da auf, wo er den Lebensraum des andern schädigt oder sein eigenes Dasein gefährdet. Die Gebote Gottes schützen den Menschen daher vor vielfachen Klippen – nicht selten vor sich selbst. Sie sind eine Hilfe zur Disziplinierung des Lebens. Der Mensch bedarf der Grenzen, um leben zu können. Das macht frei, tragfähig und lebenstüchtig. Eine Welt voller Verletzungen erhält durch den Willen Gottes Heilkraft und Zukunft. Informationsbrief 266

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Nochmals gehen die Gebote Gottes auf Gier und Begehrlichkeit ein. Es gibt im Menschen einen starken Drang und eine Art Unersättlichkeit nach Dingen, die anderen gehören. Dabei mag die Aufzählung überraschen, in deren Verlauf Menschen, Tiere und Sachwerte in einem Atemzug genannt werden. Das entspringt dem Trachten und Wollen des Herzens, wenn dieses keiner verantwortlichen Disziplin unterliegt. Von der Gegenwart bestimmt würden wir heute die Aufzählung ergänzen und zusätzlich Begriffe und Gebiete nennen wie: Das Berufsfeld mit Büro und Sekretärin, die Eigentumswohnung, das Urlaubsziel, das Super-Auto, die digitale TV-Anlage, das Reitpferd, die Haushaltshilfe. Alles sind durchaus beneidenswerte Dinge. Mit der Missgunst wuchern aber die Habgier und auch die Kriminalität. Die Missetäter selbst verschwinden keineswegs immer in der Versenkung. Übertretungen und Straftaten werden gelegentlich in Talkshows mit Aufmerksamkeit belohnt, Verächter Gottes verkaufen ihre Memoiren. Daher sind die Gebote Leitlinien der Vernunft, die Orientierung und Schutz geben können. Aber gemessen an täglichen Überfällen, Wohnungseinbrüchen, massiven Geschäftsschädigungen, Neid und Brutalität entfernt sich der Mensch mit wachsendem Tempo von dieser Vernunft. Das »Begehren« beschränkt sich nicht auf verborgene Wünsche und gelegentliche Träume, sondern konkretisiert sich auf Überlegungen und Wege, wie man an fremden Besitz jenseits der Legalität herankommt. Die vorhandene Ungleichheit der Güter rechtfertigt keine zweifelhaften und unrechtmäßigen Mittel der Aneignung. Es werden immer Reiche, Arme und Ärmere zu finden sein, auch Reiche, die alles verlieren und noch ärmer dastehen. Die Welt kannte zu allen Zeiten Machthaber und Machtlose, Herren und Knechte, »die da oben« und »die da unten«. Letztlich bleibt Gott der alleinige Eigentümer aller Macht und allen Besitzes. 35


Er teilt es uns zu: das Viele, das Wenige oder auch etwas mehr. Alles ist wie eine Leihgabe, wie ein Lehen. Es lohnt nicht, die Macht zum Gott und den Besitz zum Götzen zu machen. Vorrangig spricht Gott das Verhältnis zu unseren Nächsten an. Da scheint etliches im Argen zu liegen. Wir müssen mit Personen auskommen und mit einigen zusammenarbeiten, die vielschichtige und individuelle, auch schwierige Charaktere haben. Wir sind auf Menschen angewiesen und auf das Vertrauen, das wir miteinander benötigen. Es gibt Konstellationen des Lebens, die ohne die Zuwendung und Treue anderer Menschen gar nicht möglich wären. Aber auch hier gilt: Alle Nähe bedarf der Distanz. »Du sollst nicht begehren …« Ausdrücklich werden Personen sowie Haus und Eigentum geschützt und gleichzeitig unserer Habsucht und Missgunst entrissen. Denn Hab und Gut, Grund und Boden, Haus und Heim sind ehrbar und nicht zu diskriminieren. Gott schenkt Besitz und Gott schützt den Besitz. Man darf sich daran freuen. Aber es gibt ein ungutes Gewinnstreben mit dem verwerflichen Drang nach fremdem Eigentum - damals wie heute. Zu allen Zeiten haben Nationen und Völker, aber auch Freunde und Verwandte nach dem getrachtet, was sie nicht besaßen. Menschen scheuten nicht davor zurück, Arglist und Intrigen, Heimtücke, Manipulation und Gewalt anzuwenden, um Besitz an sich zu bringen. Nur mit den Maßstäben Gottes kann es gelingen, dass wir unseren Nächsten nicht mit List und Tücke um sein Eigentum betrügen, noch mit einem Schein des Rechtes an uns bringen, sondern seinen Besitz schützen, fördern und pflegen. Nur das führt zu friedlichen und guten mitmenschlichen Verhältnissen. Dabei denken wir auch an Abermillionen Menschen, die weder Besitz noch Heim haben, kaum eine Behausung, sie »hausen« höchstens, aber wie. Dass diese Menschen ein Dach begehren, auch ein fremdes, ist verstehbar und notwendig, aber ohne Gewalt. Mit der Bezeichnung »Haus« ist – aber nicht nur – ein »festes Gebäude« gemeint. Der Begriff umfasst mehr, nämlich die Familie, die Hausgemeinschaft, den Haushalt und das sonstige Umfeld, zu dem jemand direkt gehört. Nach allem Weiteren, was nicht sein eigen ist, soll der Mensch nicht gieren. Aber wir leben in einer Gesellschaft der aufgesperrten Schnäbel, wir leben misstrauisch, undankbar und unwirsch. Wir müssen wieder fähig werden, uns an dem, was wir haben – auch wenn es unvollständig und spärlich ist – ehrlich zu freuen. Neid führt zum heimlichen Groll auf Menschen, denen es besser 36

geht. Das ist zum eigenen Schaden. Schon in Sirach 30,24 heißt es: »Neid und Ärger verkürzen das Leben.« Materielle Güter sind keine Garantie für ein glückliches Leben. Reichtum hat Schattenseiten, durch die erst mancherlei Probleme entstehen. Was nützt in vielen Fällen das schöne Haus, wenn die Ehe bröckelt und zerbricht? Was bedeutet es, selbständig einen Betrieb zu führen, wenn der Sohn in der Drogenszene kaputtgeht? Wohin führt es, wenn man gut situiert ist und gesellschaftlich anerkannt wird, wenn man dem Alkohol verfällt und daraus eine unstillbare Sucht wird? Was hilft der Frau brillanter Schmuck, wenn sie unheilbar krank ist? Was bringt ein beträchtliches Vermögen, wenn die Tochter Selbstmord begeht? Hinter der gleißenden Fassade des Wohlstands verbirgt sich nicht selten unendliches Elend. Aber niemand kann sein »Haus« im übertragenen Sinne aussuchen. Wir sind auf unseren Platz gestellt. Gott hat aus gutem Grund dem »Begehren« ein eigenes Gebot gegeben. Im Zeitalter der Habgier wird ständig dagegen verstoßen. Eine Begrenzung unserer Beliebigkeitswünsche ist nötig. Wer nur die Glitzerwelt sieht und zu mehren sucht, verarmt in seiner Seele. Das Anhäufen von Besitz soll beruhigen und die Angst des Menschen mäßigen. Letztlich ist es die Angst vor Krankheit und Sterben, die durch das Speichern von Gütern gemindert werden soll. Wer vor sich selbst und der Ewigkeit flieht, kann nicht unbeschwert dem Ziel entgegensehen. Wer Zukunft will, wer Jesus will, muss Abschied nehmen von dem, was er gerafft und gehortet

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird – nicht nur im weltweiten Vergleich – immer größer. Die vorhandene Ungleichheit der Güter rechtfertigt jedoch keine zweifelhaften und unrechtmäßigen Mittel der Aneignung. juni 2011

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hat. Darum ist das zehnte Gebot auch als das schwerste und härteste bezeichnet worden. Die Leitlinien Gottes gehen weit über den Augenblick hinaus. Sie tragen zum Frieden auf Erden bei und sind der Schlüssel zu einer erfüllenden Zukunft und zur Erneuerung des persönlichen Lebens.

Abschluss: Die Herausforderung der Gebote Die Botschaft Gottes ist keine beruhigende Angelegenheit, sondern fordert in der Regel den Menschen zu Entscheidungen und zum Handeln heraus. Das Evangelium Gottes will sich im praktischen Leben auswirken. Gott ist ein fordernder Gott. Die kirchliche Verkündigung gab sich große Mühe, Gott barmherzig und liebevoll darzustellen, freundlich, mitfühlend und vergebend. Das ist (auch) richtig, denn Gott ist ein Gott der Liebe. Es ist wahr, dass Gott entgegenkommend ist, dass er uns sieht, kennt, annimmt und seine Hand uns führt. Wer aber nur einen süßlichen, lieblichen und schwächlichen Gott erkennt und verkündigt, der irrt. Das wäre ein einseitiges Gottesbild, das weder biblisch noch praktisch belegt werden kann. Gott ist nicht (nur) lieb. Es gibt auch die herbe Seite Gottes. Diese haben wir gegenwärtig unterschlagen, weil sie unangenehm, unbequem und lästig ist. In der Bibel finden wir klare, eindeutige Aussagen, dass es auch den zornigen und richtenden Gott gibt. Er lässt sich nicht spotten. Sein Wort ist ernst zu nehmen. Er steht zu der Forderung seiner Gebote. Sie sind Hilfe, aber auch Mahnung. Gott verschont und vergibt, aber wenn er straft, dann entkommt niemand. Das kann den einzelnen Menschen, aber auch ganze Völker und Länder betreffen. Die Weltgeschichte hat das gezeigt. Ein unerbittlicher, zorniger Gott ist in unserer Gesellschaft und Kirche schwer zu ertragen. Aber es ist Gottes Recht, so zu sein, wobei er keine böse Absicht verfolgt. Von ihm gesetzte Grenzen sollen die Menschheit vor Unrecht und Chaos schützen. Er wird Recht und Gerechtigkeit herstellen – wohl nicht immer sichtbar und greifbar auf dieser Erde. Aber Gott rechnet mit größeren Zeiträumen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sind die beiden Seiten Gottes, die liebende und die richtende, miteinander zu vereinbaren und zu harmonisieren? Wir sollten das gar nicht versuchen. Man kann Gott nicht in ein theoretisches System pressen. Man kann nicht alle Perspektiven und Positionen Gottes entschärfen Informationsbrief 266

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und ausgleichen. Man kann die Vielfalt Gottes nicht auf eine Linie verengen. Seine Herrschaft zeigt sich auf ganz verschiedene Art und mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen, die nicht zusammenpassen müssen. Gott lässt sich nicht festlegen. Die Haltung des Menschen sollte sich in der Beugung unter diesen Gott verdeutlichen. Der Allgegenwart Gottes kann niemand ausweichen. Er sieht hinein in die Bereiche des menschlichen Lebens, die oft schuldgetränkt sind, tiefgreifende Spuren ziehen und der Vergebung bedürfen. Die Interessen und Meinungen der Menschen können sich mischen, mengen und verändern. Gott selbst bleibt konsequent der, der er ist und immer bleiben wird. Bei falscher Lebenshaltung und persönlicher Grenzüberschreitung eigene Schuld zu erkennen und anzuerkennen, liegt nicht im Trend der Zeit. Denn Schuld gibt man heute der Erziehung, der Umwelt, der sozialen Situation. Schuld sind die Gesellschaft und die Umstände, nur nicht wir selbst. Aber im Ursprung ist Schuld im persönlichen Bereich angelegt. Es gibt sie in jedem menschlichen Leben und niemand kann sie verdrängen oder von ihr davonlaufen. Menschen werden schuldig vor Gott und seinen Geboten. Auch vor Menschen, denen wir wehtun. Da das Thema »Schuld und Vergebung« aber systematisch gemieden wird, ist auch häufig das Bewusstsein für Reue nicht vorhanden. Dem Menschen entgeht damit die Bereinigung seines Inneren – er wird rastloser, trostloser und inhumaner, denn nur innere Korrektur kann zur Vergebung und zur Freude führen. Es gibt eine beachtenswerte Bibelstelle in Esra 9,6: »Mein Gott, ich schäme mich und scheue mich, meine Augen aufzuheben zu dir, mein Gott; denn unsere Schuld ist groß bis in den Himmel.« Das ist eine Erkenntnis, die dem Leben zur Klarheit verhilft. Wer es nicht schafft, seiner persönlichen Schuld zu begegnen, sie anzunehmen und sie der Vergebung zuzuführen, der verbaut sich den wichtigsten Zugang zu einem befreiten Leben. Reue ist mehr als Ärger und Verdruss, Erbitterung oder Selbstmitleid, mehr als die Einsicht, versagt zu haben. Reue führt zur Scham über sich selbst, macht klein und demütig vor Gott. Zwar hört man heute das Wort »Schuld« nicht gerne, dennoch kann man diese nicht leugnen. Wir haben Unrecht begangen. Unser Gewissen weiß das. Im Begriff der Reue liegt nun das Vertrauen zur Vergebung. Bedauern kann man auch ohne Vergebung, bereuen nicht. So ist ein Schuldbekenntnis keine unwürdige Haltung, sondern eine Rückkehr zu Gott und zum Nächsten. 37


Reue ist eine von göttlicher Seite dem Menschen ins Herz gegebene Gewissensregung. Wer Reue noch zu empfinden vermag, ist fähig, ein Mensch zu sein. Wenn Menschen zu Sachobjekten degradiert werden, wenn Menschlichkeit durch Kreditwürdigkeit ersetzt wird oder Gottes Gebote eine kirchliche Verniedlichung erfahren, dann zerrinnt, was die biblische Wertigkeit von Reue ausmacht. Reue und Verhaltenskorrektur sollten Grundwerte des Lebens und der Beziehung zwischen Gott und den Menschen sein. Reue weist den Weg zur Hoffnung, zur Erlösung, zur Wandlung – zu einer Energie, die man nicht messen kann, die aber unverzichtbar sein sollte. Abschaffung der Reue bedeutet den geistlichen Tod. Reue ist kein Dienern, kein falscher Bückling, keine kriecherische Demutsgeste. Sie ist noch nicht vorhanden, wenn der Mensch sein Handeln nur verwünscht, weil es töricht war und Folgen sichtbar werden. Reue, echter Sinneswandel, ist wirkliches Leid, das mit Gott in Ordnung kommen möchte. Reue ist der Schmerz der Seele. »Ich scheue mich, meine Augen aufzuheben zu dir, mein Gott.« Wie weit ist doch unsere

Dokumentation:

Entfernung von Gott und wie groß die Entfremdung! Dieser Abgrund wäre nicht zu überbrücken, wenn nicht Jesus Christus sogar denen, die ihn töteten, das Wort zugesprochen hätte: »Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« Dieser Christus starb zur Vergebung aller. Ahnend erfährt es der Reuige, ungläubig eine Menschheit: »Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten.« Die Versöhnung mit Gott, die Vergebung durch unseren Herrn Jesus Christus zerbricht die Kette des Unheils. Die Geschichte der Menschheit steckt voller Schuld. Wer davon nichts weiß, der weiß weder viel vom Leben, noch davon, wie jeder Mensch an jedem schuldig wird. Die Maßstäbe Gottes zeigen eine rettende Heilslinie auf. Denn wenn am Ende der Bibel von »einem neuen Himmel und einer neuen Erde« die Rede ist (Offenbarung 21,1), dann heißt es: »Hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesus« (Offenbarung 14,12). Dort gilt nur noch eins: »Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der alleine Gott ist, ihm sei Ehre und Preis in Ewigkeit« (1.Timotheus 1,17). W

Die Dodoma-Erklärung

Die Haltung der Evangelisch–Lutherischen Kirche Tansanias (ELCT) zur Ehe zwischen Personen eines Geschlechts Vorwort 1.1 Die Evangelisch–Lutherische Kirche Tansanias (ELCT) dankt Gott, dass er in seiner unermesslichen Weisheit und durch seinen Sohn Jesus Christus uns alle seine Gläubigen in der Welt miteinander verbunden hat, ein Leib zu sein und uns so dazu veranlasst, aneinander Anteil zu nehmen. Auf diesem Weg können wir miteinander gehen und in vielen Dingen erfolgreich sein. 1.2 In unserer Beziehung als ein Leib haben wir auf verschiedene Weise in schwierigen und leichten Dingen Anteil aneinander. Was uns bis jetzt durch die Hilfe Gottes befähigt hat, beieinander zu bleiben, ist die Erinnerung und Anerkennung, dass wir uns an jedem Tag des Gottesdienstes im Leben der Kirche dazu bekennen, dass die Kirche Gottes eine ist, heilig, in der ganzen Welt und apostolisch. Dadurch muss 38

jeder Vorfall in einer Teilkirche, der anders ist in Standpunkt und Lehre, als es viele Jahrhunderte in der ganzen Kirche Gottes verstanden worden ist, notwendigerweise auf die eine oder andere Weise Bestürzung und Reaktion in den anderen Kirchen überall auf der Welt hervorrufen. 1.3 Zurzeit ist einer dieser ungewöhnlichen Vorfälle nach Ansicht und dem Verständnis der ELCT, dass einige Kirchen – besonders in Europa und Nordamerika – beschlossen haben, Ehen von Personen einerlei Geschlechts gesetzlich zuzulassen. Bei diesem Vorgehen werden von den betroffenen Kirchen unterschiedliche Gründe vorgetragen, diesen ihren Beschluss zu verteidigen. Hier möchten wir zusammenfassend einige der Gründe nennen, die von diesen Kirchen vorgetragen werden. 1.3.1 Dass nämlich die Lehre der Kirche, wonach die Ehe entsprechend der Heiligen Schrift zwischen Mann und Frau besteht, nicht so geljuni 2011

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Auf ihrer Internetseite www.elct.org ­veröffentlicht die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansanias die Originalfassung der Dodoma-Erklärung in englischer Sprache. te, wie es bisher erklärt worden ist. Auf dem Boden solcher Behauptung haben die Verfechter der Ehe zwischen Personen einerlei Geschlechts begonnen, alles mögliche zu tun, einen Vers nach dem anderen aufzulösen, der zeigt, dass die gesetzmäßige Ehe nach der Bibel zwischen Mann und Frau besteht. Sie tun das, indem sie ihre »neue und womöglich verdorbene« Übersetzung vorbringen – anders als die Position und das Verständnis der Kirche, wie es viele Jahre hinsichtlich der Bedeutung der Ehe nach dem Wort Gottes gegolten hat. Einige der Verse der Bibel, gegen die sie angehen und denen eine andere Übersetzung von den Befürwortern der gleichgeschlechtlichen Ehe gegeben wird, sind die folgenden: 1.Mose 1,27f.; 2,24; Matthäus 19,5–7; Römer 1,26f.; Galater 3,28 u. a. 1.3.2 Dass nämlich das Wesentliche bei der Frage nach der Beziehung zwischen zwei Betroffenen in einer Ehe oder in einer anderen Liebesbeziehung die Liebe sei. Sofern Menschen einander lieben, sei eine solche Beziehung echt und erlaubt – so behaupten es die Vertreter der Ehe zwischen Menschen einerlei Geschlechts. 1.3.3 Dass außerdem ihre Umwelt und die Normen in der Gegenwart anders seien als in den vergangenen Zeiten hinsichtlich der Bedeutung und Ansicht über das, was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist in einer ehelichen – oder Liebesbeziehung. Darüber hinaus behaupten sie, dass die Frage, welches Verhalten Sünde sei und was nicht Sünde sei, sich je nach Zeit, Umwelt und Ort verändert, wo ein Mensch lebt. In ihren Augen hat sich die Einstellung der Gesellschaft über das Verhalten – insbesondere hinsichtlich der Frage von ehelichen- oder Liebesbeziehungen zwischen Menschen eines Geschlechts oder unterschiedlichen Geschlechts geändert, und sie wünschen, dass auch die Kirche mit der Zeit gehe hinsichtlich ihrer Einschätzung und Stellung zu diesen Dingen. Im Übrigen behaupten die Vertreter dieser Position, dass »die Praxis, Informationsbrief 266

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über Angelegenheiten von Ehen von Menschen einerlei Geschlechts zu schelten oder die Stirn zu runzeln, mit der alten Zeit vergangen ist«. Auf diese Weise möchten sie, dass wir anderen alle in der Kirche und in der Gesellschaft der Welt insgesamt der Änderung zustimmen und mit der Zeit gehen – so wie sie in dieser neuen Umgebung! 1.3.4 Dass es Gesetzesänderungen zugunsten solcher Ehen in diesen Ländern gegeben hat, in denen diese Kirchen leben, die Ehen Gleichgeschlechtlicher verteidigen und gesetzlich zulassen. Dadurch würden sich die Kirchen dieser Länder in einer sehr schwierigen Lage für ihre Arbeit und ihr Leben wiederfinden, wenn sie auf ihrem Standpunkt all der zurückliegenden Jahre bezüglich der gleichgeschlechtlichen Ehe und vieler anderer Fragen beharren würden, die die Beziehung zwischen Menschen eines Geschlechts betreffen. Das heißt nach unserer Übersetzung, dass diese Kirchen beschlossen haben, sich mit den Beschlüssen der Regierungen ihrer Länder einverstanden zu erklären – gleichsam sich zufrieden zu geben, damit diese Kirchen nur nicht bestimmte ihrer Privilegien in der gesamten Frage der Ehe verlieren, falls sie an ihrer Haltung all der vergangenen Jahre festhalten wollten – d. h. der gesetzlichen Zulassung von Ehen einerlei Geschlechts zu widerstehen und sie abzulehnen. 1.3.5 Dass auch die Frage der Beziehungen – ehelicher oder anderer geschlechtlicher Art – zwischen Menschen eines Geschlechts Sache der beiden betroffenen Menschen ist; sie haben die Freiheit, zu entscheiden, was sie tun, wie sie es dabei wollen. Daher ist die Grundbehauptung, dass es nicht in Ordnung ist, wenn irgendjemand in diese ihre Dinge eingreift, sondern sie frei sein zu lassen, zu tun, wie sie es möchten. Es gibt viele weitere Gründe wie die oben genannten, die von den Kirchen vorgebracht werden, die gleichgeschlechtliche Ehen erlauben 39


– entweder durch Erklärungen mündlicher oder schriftlicher Art aber auch durch ihr Verhalten.

2. Gegenbehauptung 2.1 Hinsichtlich der Behauptungen, die von den Verteidigern der gleichgeschlechtlichen Ehe vorgetragen werden, hat die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansanias eine andere Einschätzung und Position. Sie lehnt alle Argumente ab, die von den Verteidigern solcher Ehen und ihrer gesetzlichen Zulassung vorgetragen werden. 2.2 Diese Kirche (ELCT) steht auf dem Grund des Wortes Gottes, dass die Bedeutung der Ehe ist, wie es in den Kapiteln der Bibel gelehrt wird, die im Abschnitt 1.3.1 oben genannt sind. Man hat angefangen, diesen Kapiteln eine Bedeutung und Übersetzung zu geben, der wir nicht zustimmen können. Wir und alle anderen überall in der Welt mit der gleichen Einstellung wie wir in der Frage der Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen, wir glauben, dass die Bibel nicht übersetzt werden kann, wie es bestimmte Leute wünschen – oder bestimmte Regierungen oder bestimmte Kulturen, sondern sie erklärt sich selbst in verschiedenen Sprachen mit ihrer unveränderlichen Authentizität. 2.3 Diese Kirche glaubt, dass die Liebe das Wesen einer Liebes- und wahren Beziehung zwischen zwei Menschen ist, die miteinander in einer Ehe leben oder leben wollen. Aber hinsichtlich des Heiratens und Geheiratet Werdens, besteht solche Liebe zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts. Im Übrigen versteht die ELCT die Lehre über die Liebe als sehr weitgehend und dass es bestimmte ethische Normen gibt beim rechten Gebrauch der Gnadengabe der Liebe oder des einander Liebens. Wenn solche ethischen Normen hinsichtlich der wahren Bedeutung von Liebe und ihres Gebrauchs übertreten werden oder man beginnt, sie aus irgendeinem solchen Grund zu verdrehen, wächst die Wahrscheinlichkeit für den Menschen, sich in einem Zustand wiederzufinden, in dem das Benutzen des Wortes Liebe jegliche Art von Beziehung bedeuten oder erlauben kann – auch wenn es von der Bibel oder von der Gesellschaft her nicht toleriert wird. Wenn man einen solchen Zustand erlaubt, da ja Liebe da sei zwischen zwei betroffenen Menschen, dann würde man Ehen jeglicher Art zustimmen. Wenn Kirche oder Gesellschaft einer solchen Forderung zustimmen würden, könnten wir uns in einem Zustand wiederfinden, der sogar Ehen zwischen Geschwistern, Eltern und Kindern, womöglich gar zwischen Mensch und Tieren akzeptiert und verteidigt – ist es doch Liebe, das diese beiden 40

Geschöpfe miteinander verbindet! Ist es (daher) gleichgültig, welche Übersetzung gewählt wird? Was wir hier hervorheben möchten, ist: lasst uns sehr sorgfältig sein, wenn wir über das Wort Liebe reden – sogar dahin kommen, dass es ein wichtiger und einzigartiger Maßstab ist – aber nicht alles zulassen in der Frage der Ehe. 2.4 Die Antwort, die oben gegeben worden ist, betrifft auch die gesetzliche Erlaubnis und Verteidigung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die Behauptung, dass in Kultur und Gesellschaft der Menschen dieser Länder, in denen die Ehe Gleichgeschlechtlicher gesetzlich zugelassen ist, es große Veränderungen im Denken der Menschen gegeben habe. Die Menschen sehen nicht mehr ein, dass es schlecht und ungesetzlich sei, wenn Menschen eines Geschlechts einander heiraten. Ihre gegenwärtige Kultur dränge in Richtung Unterstützung solcher eingeschlechtlicher Ehen. Die ethischen Standards der Gegenwart sind anders als die der vergangenen Zeit. Die ELCT  akzeptiert, dass es wahr ist, dass bestimmte ethische Einstellungen sich ändern können, je nachdem, wo und zu welchen Zeiten Menschen leben. Aber die Gläubigen der ELCT wissen und glauben, dass es Dinge gibt, die sich nicht ändern, wie zum Beispiel, dass eine Nase nicht zum Mund wird und ein Ohr nicht zum Auge. 2.5 Es ist wahr, dass Verhaltensweisen, die von der Gesellschaft gerade in den zurückliegenden Jahren abgelehnt wurden, jetzt mit einer gewährenden und akzeptierenden Haltung angesehen werden. Es ist offensichtlich, dass die Gegenwart anders ist und sich die Gesellschaft in ihrer Haltung und ihrer Einstellung in vielen Dingen geändert hat. Aber es ist in gleicher Weise wahr, dass Ethik und Position von Kirche und Gesellschaft insgesamt nicht auf einem ethischen Grund stehen kann, der jederzeit schwankt. Es ist notwendig, dass Kirche und Gesellschaft nach ethischen Grundregeln leben, die gesellschaftliche, wissenschaftliche, politische, wirtschaftliche und andere Veränderungen aushalten können. Diese Kirche glaubt – auf dem Grund der Lehre des Wortes Gottes – dass es ethische Grundregeln gibt, die nicht geändert werden sollten und nicht verdreht werden sollten durch den Druck von Veränderungen in Zeit, Zustand oder Ort. Eine dieser Grundregeln betrifft die Frage der Ehe und ihre Bedeutung. 2.6 Im Übrigen sollten Veränderungen im ethischen Verhalten einer bestimmten Gesellschaft an einem bestimmten Ort – z. B. Europa oder Nordamerika – nicht als Vorbild für Veränderungen überall sonst auf der Welt genommen werden. Auch sollten solche ethischen, gesellschaftlichen und sonstigen Veränderungen in juni 2011

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Ländern Europas und Nordamerikas nicht Menschen in anderen Ländern oder Kirchen aufgezwungen werden. Denn auch solche Menschen in anderen Teilen der Welt, außerhalb von Europa und Nordamerika, haben ihre gesellschaftlichen Wurzeln, die ihr ethisches Verhalten beschützen. Wir als Tansanier und Afrikaner haben unsere ethischen Normen, die auf den Grund­ lagen unserer Kulturen offen zutage liegen – sie anerkennen eheliche Beziehungen nur zwischen Menschen unterschiedlichen Geschlechts. Deshalb, wenn bestimmte Leute sagen, dass sie gleichgeschlechtliche Ehen gesetzlich zulassen, weil neue Bedingungen von Ort und Zeit gekommen seien und das erlauben, so sei klar, dass unsere gegenwärtigen Lebensbedingungen und unsere Kulturen solche Dinge nicht erlauben. 2.7 Die Behauptung, dass eine Ehe oder Beziehung zwischen Menschen eines Geschlechts Sache der beiden sei, ist die Behauptung einer Seite nur. Bei uns Gläubigen der ELCT auf der zweiten Seite stellen wir klar, dass so etwas nicht nur ein Ereignis zwischen zwei Menschen ist, sondern es ist immer so, dass sie Teil einer Familie und des weiteren einer Gesellschaft sind. Den beiden kann nicht erlaubt werden, für sich selbst etwas zu tun, was von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird – zum Schutz gegen »Lasst uns, mischt euch nicht in unsere Angelegenheiten; das ist unsere eigene Sache, und es ist unser eigener Entschluss, zu tun, wie wir entschieden haben« usw. Nein! Kirche und Gesellschaft insgesamt, so viel wir beteiligt sind an unserer Umwelt und Kultur – es gibt Dinge, die jeder Mensch – gleichgültig wo – anerkennen muss, nämlich, dass er nicht allein ist und dass er nicht in allen Dingen und zu allen Zeiten allein nach eigenem Gutdünken leben kann. So verhält es sich, was die Frage nach der Ehe von Personen des gleichen Geschlechts angeht.

3. Schluss 3.1 Deshalb also: Auf dem Grund des Verständnisses der einen Kirche und in Anerkennung, dass es notwendig ist, die Kirche wie Hirten zu leiten und im Gehorsam gegen das Wort Gottes und seine Bekenntnisse. Die Evangelisch– Lutherische Kirche Tansanias möchte mit prophetischer Stimme ihre Haltung zur Frage der Ehe von Personen eines Geschlechtes öffentlich deutlich machen, dass es ein Dorngestrüpp und scharfer Dorn im Leib des Herrn Jesus Christus ist (2.Korinther 12,12–27), der eine Wunde mit heftigen Schmerzen verursacht – den Mitgliedern der ELCT und vielen anderen überall auf der ganzen Welt mit der gleichen Einstellung Informationsbrief 266

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wie wir in dieser Frage, auf den verschiedenen Ebenen der Partnerschaft und Leitung. 3.2 Die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansanias ist der Meinung, dass jegliche Beschlüsse der einen Seite, die nicht zusammengehen mit dem Verständnis und der gemeinsamen Haltung in der Frage der Ehe Gleichgeschlechtlicher, die Einheit der ganzen Kirche als Leib Christi schwächen. 3.3 Die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansanias verwirft die falsche und verdrehte Übersetzung der Heiligen Schrift, die benutzt wird, um die Ehe Gleichgeschlechtlicher zu rechtfertigen. 3.4 Wir glauben, dass es keinen Teil innerhalb der Kirche Gottes gibt, der erfolgreich seine eigenen Dinge allein lösen könnte – ohne die gemeinsame Kraft des ganzen Leibes Christi. Wie es heißt: »Einheit ist Kraft, Trennung ist Schwachheit.« Diese Angelegenheit bei der gesetzlichen Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen zeigt offen, dass die Kraft unserer Einheit geschwächt ist. 3.5 Zweifellos reicht es nicht und hilft es nicht, wenn wir damit schließen, über einander zu klagen und einander zu verurteilen wegen unserer Unterschiede in dieser Frage. Klugheit und Weisheit des Heiligen Geistes möge uns bewegen, ins Gebet zu gehen, in die Buße, weiter miteinander zu beraten, einander zu warnen und einander zu helfen im Geist der Liebe auf dem Grund des Wortes Gottes (Kolosser 3,5–17). 3.6 Wir möchten all jene ermutigen und ihnen von Herzen die Hand reichen – in allen Kirchen der Welt – es seien viele oder wenige –, die ­gegen den Beschluss sind, die Ehe von Personen einerlei Geschlechts zuzulassen. Wir rufen dazu auf, lasst uns miteinander fortfahren, Salz und Licht in unserer Beziehung zu sein, indem wir unsere Kräfte darauf richten, Einheit und Gemeinschaft unter uns zu vertiefen. Die Einheit wird uns in die Lage versetzen, nicht wieder einen Zustand zuzulassen, der zu weiteren Verletzungen im Leibe Christi, das heißt, der Kirche, führt. 3.7 Wir meinen, dass wir in Zeiten des Bösen leben, das versucht, die Kirche Gottes zu schwächen. Deshalb rufen wir dazu auf, alle Gläubigen der ELCT und vieler anderer Kirchen mit gleicher Haltung wie wir, nicht nachzulassen im Gebet und das persönliche Zeugnis und das der ganzen Kirche Gottes zu wahren. 3.8 Wir rufen alle Gläubigen der ELCT dazu auf, sehr sorgfältig zu sein im Beurteilen und Ablehnen fremder Lehren, die leicht die Gläubigen in dieser globalisierten Welt irreführen können. 3.9 In unserer bestehenden Gemeinschaft zwischen uns und vielen anderen Kirchen Europas 41


und Nordamerikas und an anderen Orten ist die Position dieser Kirche offen gelegt worden in den Antworten auf das Papier, das vorbereitet wurde von der Gemeinschaft der lutherischen Kirchen in der Welt (Lutherischer Weltbund, LWB) bezüglich des Austauschs von Mitarbeitern. Denn das Ziel dieses Papiers und die Beschlüsse, die schließlich vom LWB gefasst werden, resultieren aus den Antworten, die von den Mitgliedskirchen vorgetragen werden. 3.9.1 Wir die ELCT als Mitglied sagen, dass unsere Kirche nicht bereit ist, in einen Austausch mit Mitarbeitern einzutreten, die sich mit jenen verbünden, die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe leben oder jene, die Anhänger solcher gleichgeschlechtlicher Ehe oder ihrer Zulassung sind – sie werden nicht eingeladen, in der ELCT zu arbeiten. Im Übrigen lehnen wir jeglichen Versuch der Überredung, ihr Geld und ihre Hilfe ab. 3.9.2 Auch in der Gemeinschaft mit anderen, in den Gremien der Partnerschaft wie LWF, WCC, LMC und/oder anderen Gesellschaften (kirchlichen und nichtkirchlichen) usw., wird die ELCT keinerlei Versuch unterstützen, für Menschen zu werben oder solche in diese Gesellschaften einzuschleusen, die in gleichge-

schlechtlichen Ehen leben oder die Anhänger gleichgeschlechtlicher Ehen oder irgendeiner Art von Homosexualität sind. 3.10 Die ELCT kann nicht Menschen aus Europa oder Amerika zwingen, die gleiche Meinung zu haben wie wir oder das gleiche zu tun hinsichtlich der Ehe Gleichgeschlechtlicher; aber sie kann ihnen ihren Standpunkt in dieser Frage ausreichend erklären. Sie glaubt, dass die andere Seite ihren Standpunkt beachten und respektieren wird, so wie es in dieser Erklärung dargestellt wurde. Im Übrigen erwartet die ELCT, dass ihre Freunde überall, wo sie sind –, bei allen Unterschieden in dieser Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe – nicht versuchen werden – und sie bittet, sie mögen es nicht versuchen – auf keine Weise, zu keiner Zeit, an keinem Ort, ihren Standpunkt zur Ehe Gleichgeschlechtlicher und zu jeglichen Handlungen homosexuW eller Art in Frage zu stellen. Herausgegeben von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias – ELCT Übersetzung: Pastor em. Ludwig M. Bultmann, 21. Juni 2010 Quelle: www.abc-bayern.de/topaktuell/dodomaerklaerung_2010-01.pdf

Kursänderung der evangelischen Kirche Dr.

med.

Andreas Desing

Nachstehend dokumentierter Brief vom 6. Januar 2011 wurde außer an den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, auch an zwei weitere Bischöfe versandt. Eine Antwort auf den Brief oder eine Stellungnahme zu dem Inhalt ist von keinem der Angeschriebenen erfolgt. An den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Herrn Nikolaus Schneider Sehr geehrter Herr Schneider, ich schreibe Ihnen unter dem Eindruck einer sich über Jahre zunehmend abzeichnenden schrift- und bekenntniswidrigen Kursänderung 42

der evangelischen Kirche, die mich zutiefst beunruhigt und die ich als sehr alarmierend empfinde. Den Weg, den unsere Kirche durch Entscheidungen und öffentliche Verlautbarungen leitender Organe der jeweiligen Landeskirchen wie auch der EKD insgesamt einschlägt, kann ich daher nicht länger schweigend zur Kenntnis nehmen. Insbesondere die jüngsten Entscheidungen in der bayerischen Landeskirche, zu der ich mich über Jahrzehnte zugehörig wusste, und der EKD, haben mich in besonderem Maß wachgerüttelt, so dass ich mich zu diesem Brief genötigt sehe. Sowohl die Entscheidung von Dr. Friedrich, Inhaber des Bischofsamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, als auch der Beschluss der EKD-Synode zu einem einheitlichen Pfarrerdienstgesetz, welches in juni 2011

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Zukunft für alle Landeskirchen gelten soll (und hier speziell Teil 5, Kap. 2, § 39, insbesondere die Begründung II B zu § 39), zielen in die gleiche Richtung. Die Situation in der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, der ich durch Zuzug noch nicht so lange angehöre, ist mir bislang weniger vertraut. Die Veröffentlichungen auf der Website deuten jedoch auch hier eine entsprechende Weichenstellung im oben genannten Sinn an, wenngleich Entscheidungen, wie sie in Bayern und in der EKD diesbezüglich gefällt wurden, offensichtlich noch nicht gewagt wurden. Die Entscheidung in Bayern ist allerdings lediglich eine »konsequente« Weiterführung früherer ganz ähnlicher »Weichenstellungen«. Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich für nicht wenige evangelische Christen die ernsthafte Frage des Kirchenaustritts oder die eines Konfessionswechsels. Viele Christen, unter ihnen auch einige unserer Freunde, haben bereits in den vergangenen Jahren den Landeskirchen den Rücken gekehrt und sind in Freikirchen abgewandert, bzw. ganz ausgetreten. Wirklich erschreckend ist, dass es Pfarrer gibt, die aus Furcht vor disziplinarischen Maßnahmen seitens der Kirchenleitung mit ihrer kritischen Haltung gegenüber den oben genannten Entscheidungen (dies betrifft die Situation in Bayern) lieber schweigen oder sich anonym zu Wort melden (Leserbrief). Ich frage mich, was ist das für eine Kirche, wenn die Furcht vor tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Konsequenzen eine offene Auseinandersetzung um Schrift und Bekenntnis unterbindet! Ich bin in einer evangelisch-lutherischen Landeskirche getauft und konfirmiert worden und über Jahrzehnte Mitglied. Über die Jahre beobachte ich nun schon eine zunehmende Entfremdung und Distanzierung unserer verfassten Kirche von grundlegenden biblischen Aussagen, vom Evangelium und von den reformatorischen Bekenntnissen. Einige Entscheidungen und Wegweisungen Kirchen leitender Organe stehen sogar im krassen Widerspruch zu Schrift und Bekenntnis. Es kommt zu immer neuen, bedenklichen Anpassungen an den aktuellen Zeitgeist. Diese werden oft durch Mehrheitsbeschlüsse ohne fundierte theologisch-biblische Begründungen durchgesetzt. Die Stimme des guten Hirten kann ich hier nicht mehr vernehmen. Die Heilige Schrift, welche doch die alleinige Norm für Lehre und Dienst, sowie die Grundlage der Sendung der Kirche in dieser Welt sein sollte, wird in zunehmendem Maß missachtet. Entweder wird sie in Teilen, die nicht der »zeitgemäßen« Auffassung oder den aktuellen gesellInformationsbrief 266

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Von Nikolaus Schneider, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, kam bisher keine Stellungnahme zum Inhalt dieses Schreibens. schaftlichen Forderungen entsprechen, ausgeblendet, anders lautend interpretiert, mit neuen Inhalten gefüllt, außer Kraft gesetzt oder sogar ins Gegenteil verkehrt, zumindest aber so »entschärft«, dass es sich gut in den jeweils vorherrschenden Zeitgeist einfügen lässt. Notfalls muss hierfür auch eine neue Übersetzung in »gerechter« Sprache herhalten. Selbst in der Liturgie des Gottesdienstes fällt neben einer zunehmenden Verarmung und Verflachung ein schleichender Wandel im Wortgebrauch auf. Als evangelischlutherisch geprägter Christ stelle ich mit Erstaunen fest, dass die Achtung und der Respekt vor dem »Wort des lebendigen Gottes« bei unseren katholischen Geschwistern bisweilen größer zu sein scheint als vielfach bei uns – zumindest im gottesdienstlichen Gebrauch. Luthers Aufruf »Das Wort sie sollen lassen stahn …« (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 362, Strophe 4) gilt offenbar nicht mehr. Jesus selbst nennt in Johannes 10,34f. die Schrift »Gottes Wort« und fügt hinzu, dass dieselbe nicht gebrochen werden kann. Auch setzt Jesus, wie Sie wissen, das »Gesetz und die Propheten« keinesfalls außer Kraft – im Gegensatz zur EKD! Wird hier die eindrückliche Warnung in Offenbarung Kapitel 22, Vers 18 vergessen? Wer oder was ist denn nun eigentlich maßgeblich in der Führung der Kirche: Mehrheitsentscheidungen? Anpassungen an gesellschaftliche Zwänge? »Political correctness«? Moderne Weltanschauungen? Wechselnde theologische Lehrmeinungen? … Sollte es nicht vielmehr Jesu Wort und Weisung sein? Warum wird dieses Wort in Frage gestellt, anstatt dass es uns in Frage stellt? Wohin führt denn diese Relativierung der Schrift – letztlich doch dahin, dass die Kirche ihrem Herrn und ihrem eigentlichen Auftrag gegenüber untreu und damit aber in ihren Worten unglaubwürdig wird? Kirche droht 43


so letztlich zu einer Art »Verein« zu werden zumachen! In meinem Bekanntenkreis gibt es und nicht mehr das zu sein, was sie eigentlich Christen, die u. a. auch deshalb aus der Kirche sein sollte, nämlich Kirche Jesu Christi! ausgetreten sind, weil sie es für unverantwortbar Die Auswirkungen der oben genannten Ent- halten, Kirchensteuern zu zahlen, die im oben wicklungen auf die kirchliche, diakonische und genannten Sinne zweckentfremdet werden. missionarische Praxis sind erschütternd, weit- Dem kann ich nichts entgegensetzen. Sie haben reichend und folgenreich. Eklatant im Zusam- Recht damit! menhang mit der derzeitigen Missbrauchs-DisEs drängt sich mir unweigerlich der Eindruck kussion ist beispielsweise die Propagierung einer auf, dass der Herr selbst, Jesus Christus, als das so genannten »Sexualassistenz« bei Menschen Mensch gewordene Wort Gottes (Johannes 1), mit Behinderung in einer maßgeblichen Zeit- nicht mehr ernst genommen und von dieser Kirschrift des Diakonischen Werks (Orientierung. che mehr und mehr zu einem »christlichen LieVerbandsorgan des Bundesverbandes ev. Behin- besprinzip« degradiert wird, wo Er doch der ledertenhilfe BeB, 2 und 4/2003 sowie 2/2009; bendige Herr ist, dessen sichtbares Erscheinen die Strafbarkeit dieses Handelns [StGB 174 und wir erwarten und mit dessen Wirken im Heili179] wird von den Augen Geist wir rechnen. toren der genannten mm »Als evangelisch-lutherisch geEr als »das Zentrum der Artikel abgetan! Ent- prägter Christ stelle ich mit Erstaunen Schrift«, und als der für sprechende Kommenuns Gekreuzigte und tare in der Tagespres- fest, dass die Achtung und der ResAuferstandene, steht im se). scharfen Widerspruch pekt vor dem ›Wort des lebendigen Stellt man biblische Gottes‹ bei unseren katholischen Ge- zu allen dem Zeitgeist Aussagen und kirchliangepassten »Gottesbilche Verlautbarungen schwistern bisweilen größer zu sein dern«. Das »Solus Chrisbzw. die entsprechend scheint als vielfach bei uns.«  m tus« der Reformation gelebte Praxis nebenwird durch einen blassen einander und betrachtet sie ganz nüchtern, so Humanismus und eine »billige Gnade« (Bonbraucht man kein Theologe zu sein, um die of- hoeffer, Nachfolge, 1. Kapitel) ersetzt, die die fensichtlichen Abweichungen zu erkennen. Von Sünde, statt den Sünder rechtfertigt. Innerhalb Außenstehenden sind sie bereits Gegenstand der kirchlichen Leitungsstrukturen setzt sich des Spotts. Ich möchte in diesem Brief nicht mehr und mehr eine dem humanistischen Zeitweiter auf Einzelheiten eingehen. Sie sind hin- geist verpflichtete Gesinnungsdiktatur durch. reichend bekannt und an anderer Stelle schon Muss es nicht nachdenklich stimmen, dass oft erwähnt und vielfach dokumentiert worden andere Kirchen und christliche Gemeinschaften und dürften Ihnen bekannt sein. diese Entwicklungen in der EKD mit großer Als Arzt möchte ich in diesem Zusammen- Sorge beobachten, mahnend ihre Stimme erhehang lediglich noch den schrift- und bekennt- ben und sogar auch schon deshalb die Kirchenniswidrigen Umgang unserer evangelischen Kir- gemeinschaft aufgekündigt haben? Wie stehen che mit der Schwangerschaftskonfliktberatung Sie als Ratsvorsitzender der EKD zu dem an den erwähnen. Steht es der Gemeinde Jesu Christi Lutherischen Weltbund gerichteten Wort der eigentlich an, sich an der Ausstellung einer Be- sieben Bischöfe aus dem Baltikum vom Novemscheinigung zu beteiligen, welche für tausende ber 2009, oder das der Evangelisch-Lutheriungeborener Kinder tödliche Konsequenzen schen Kirche in Kenia von Erzbischof Dr. Walter hat? Gäbe es nicht auch andere Wege der Be- Obare vom 12. November 2009 an die Kirche ratung und Unterstützung von Schwangeren in Schwedens (welches in der Sache genauso gut Notsituationen? Wie kann ich meiner zehnjäh- auch die EKD betrifft) oder das Schreiben des rigen Tochter im Hinblick auf mein Patenkind Moskauer Patriarchen, Erzbischof Ilarion von mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) die Zehn Volokalamsk an die EKD-Ratsvorsitzende vom Gebote lehren und ihr gleichzeitig erklären, 10. Dezember 2009? Weiter sei z. B. die Dodass beispielsweise gerade jene Kinder heute in doma-Erklärung der Evangelisch-Lutherischen unserem Land geringe Überlebenschancen ha- Kirche in Tansania (ELCT) vom 11. August ben, da mittlerweile viele von ihnen bereits im 2010 genannt oder die Erklärung der EthiopiMutterleib getötet werden dürfen – und dies an Evangelical Church Yesu (EECMY) vom 14. mit Billigung und Unterstützung der EKD? April desselben Jahres. Der »Beratungsschein« ist ohne Zweifel eine Was ist mit der Stimme unserer jüdischen wesentliche Voraussetzung, um den Weg für Geschwister aus den messianischen Gemeinden, eine gezielte Tötung unschuldigen Lebens frei- die sich mit Recht übergangen und ausgegrenzt 44

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fühlen und deren Zeugnis von Jesus Christus als dem Messias ihrem Volk gegenüber von einigen unserer Landeskirchen als verwerflich verurteilt wird? Der Auftrag Jesu lautet dem gegenüber doch ganz anders! In Artikel 28 der Augsburgischen Konfession (CA, die ja auch auf der Website der EKD öffentlich zur Geltung gebracht wird!) heißt es: »… Wo das geistliche Regiment etwas gegen das Evangelium lehrt oder tut, haben wir den Befehl, dass wir ihm nicht gehorchen (Matthäus 7,15; Galater 1,8; 2.Korinther 13,8). Wo es Kirchenordnungen und Zeremonien einführt, dürfen sie nicht wider das Evangelium sein …« In diesem Sinn und im Hinblick auf CA Artikel 7 muss auch die Kirchensteuer dem Evangelium gemäß verwendet werden. Ich habe mittlerweile ernstlich Zweifel daran, dass es sich in der EKD so verhält. Ich bitte Sie daher, mir und anderen Christen, die ähnlich in ihrem Gewissen getroffen sind, die Möglichkeit einzuräumen, die Kirchensteuer zweckgebunden und klar nachvollziehbar (z. B. im Rahmen eines erhöhten Kirchgeldes für die Ortsgemeinde oder gezielt für bestimmte Projekte – hier gäbe es sicher viele Möglichkeiten) entrichten zu dürfen. Die bisherige pauschale Zwangsabgabe kann ich in dieser Form aus oben genanten Gründen nicht mehr guten Gewissens mittragen!

Ich schreibe diesen Brief als Mitglied der evangelischen Kirche, weil mich Gottes Wort und Gebot und meine persönliche Betroffenheit dazu drängen. Auch haben wir eine große Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation. Wir sollten das Wort gerade ihr gegenüber halten und bewahren! Wir sind zweifellos alle fehlbare Sünder! Aber wehe uns, wenn wir anfangen, die Sünde gut und das Gute böse zu nennen, wenn Lüge und Wahrheit vertauscht oder wenn auch nur die Grenzen verwischt werden! Was ist mit unserem »reformatorischen Erbe«? Ich jedenfalls kann es in unserer »evangelischen« Volkskirche immer weniger ausmachen! Könnte es sein, dass nicht vielmehr das Wort aus dem Sendschreiben an die Gemeinde zu Sardes (Offenbarung 3,7ff.) zutrifft? Sie sind Theologe. Ich bitte Sie daher, meine Bedenken im Licht der Heiligen Schrift zu prüfen! Ich wäre Ihnen um eine Erwiderung sehr dankbar, insbesondere auch im Hinblick auf meine dringende Anfrage im Hinblick auf die weitere Verwendung meiner Kirchensteuern. Dieser Brief ist als offener Brief konzipiert, da ich weiß, dass viele Christen in der EKD sich ganz ähnliche Gedanken machen. Es grüßt Sie sehr freundlich Andreas Desing

W

Aus Kirche und Gesellschaft Badische Kirche: Fauler Kompromiss – keine gesetzliche Regelung Synode überlässt die Entscheidung bei schwulen Paaren im Pfarrhaus der Kirchenverwaltung und entzieht sich damit der Verantwortung Einer klaren Entscheidung ist die evangelische Kirche in Baden aus dem Weg gegangen. Diese Landeskirche ist in der Frage, wie mit schwulen Pfarrern umgegangen werden soll, zerstritten, und dies auch nach ihrer Synodaltagung, auf der sie sich Mitte April lediglich auf eine Kompromisslösung geeinigt hat. Zahlreiche Briefe waren im Vorfeld der Synode bei deren Geschäftsstelle in Karlsruhe eingegangen. Viele sprachen sich für eine liberalere Regelung aus. Andere waren streng dagegen und bezogen sich dabei durchaus zu Recht auf grundsätzlich negative Beurteilungen in der Bibel. Sogar mit Kirchenaustritten sei gedroht worden. »Man Informationsbrief 266

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muss kein Prophet sein, um in dieser Frage kontroverse Diskussionen vorherzusehen«, sagte der Vorsitzende des Hauptausschusses, Theo Breisacher. »Aber diesen Grad der Erregung haben wir nicht erwartet.« Irgendwann hätten sie die Stapel aus Stellungnahmen in Zenti45


metern gemessen. »Die zustimmenden Briefe waren drei Zentimeter hoch, die ablehnenden zweieinhalb.« Bei dem Gesetz handelt es sich um ein gemeinsames Pfarrerdienstrecht, das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im vergangenen Herbst auf den Weg gebracht hat in der Hoffnung, dass alle 22 Landessynoden zustimmen werden. Im EKD-Gesetz ist die Wohnrechtsfrage offen formuliert – so offen, dass sie ein Wohnrecht für Homosexuelle im Pfarrhaus erlaubt. Das wollen nicht alle in der Synode hinnehmen. Sie fordern ein ausdrückliches Verbot. Lange diskutierte die Synode der badischen Landeskirche auf ihrer Tagung in Bad Herrenalb (Nordschwarzwald), aber näher gekommen sind sich die beiden Seiten nicht. Am Ende entschied die Synode, dass es keine gesetzliche Regelung geben werde. Damit weicht die badische Landeskirche vom bundesweiten Kurs ab. Weiterhin entscheidet die Kirchenverwaltung, ob sie im Einzelfall am bisherigen Verbot festhält, oder aber Ausnahmen zulässt, wie dies etwa auch in der württembergischen Landeskirche bereits seit Jahren praktiziert wird. Doch eine Lösung ist dies ja gerade nicht. (Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom Montag, 18. April 2011, Südwestumschau, nach Stephanie Geissler, dpa)

Deutschlands wenige Kinder Warum gibt es in Deutschland so wenige ­Kinder? – Auf der Suche nach Gründen Viele Paare in Deutschland bleiben trotz Elterngeld und Elternzeit kinderlos. Die Zeitschrift »Eltern« veröffentlichte die Ergebnisse der Studie »Warum kriegt ihr keine Kinder?« In kaum einem europäischen Land gibt es mehr Frauen, die lebenslang kinderlos bleiben. Das Meinungsforschungsinstitut »forsa« hat im Auftrag von »Eltern« Frauen und Männer ohne Kinder gefragt, warum sie (noch) keine Familie gegründet haben. Befragt wurden in der repräsentativen Umfrage insgesamt 1 012 Männer und Frauen im Alter zwischen 26 und 45 Jahren zu ihrer Lebenssituation und Wünschen rund um die Familienplanung. Dabei fällt auf, dass in der Reihenfolge der Lebensplanung vieler Deutscher mittlerweile zunächst finanzielle Sicherheit steht, dann die berufliche Kariere und eventuell danach die Kinder. Die überwiegende Mehrheit der Befragten wünscht sich zwar eine Familie, doch die Jüngeren, bei denen der Kinderwunsch am größten ist – wollen sich zuerst im Beruf bewähren und finanziell auf sicheren Beinen stehen. Auf die Frage: »Wollen Sie Kinder?« sagen 46

bei den unter 30-Jährigen 58 Prozent: »Ja, auf jeden Fall« und bilden damit die größte Gruppe. Gleichzeitig ist aber bei dieser Gruppe noch ein anderer Wunsch besonders groß: 79 Prozent gaben an, dass sie sich erst eine solide finanzielle Basis aufbauen wollen, bevor sie ein Kind zur Welt bringen. Bei älteren Befragten (ab 35) fehlt häufig der passende Partner oder es hat sich einfach noch kein Nachwuchs eingestellt. Interessanterweise führt der abnehmende berufliche Druck nicht dazu, dass der Kinderwunsch wächst. Im Gegenteil: bei den 35- bis 39-Jährigen möchten nur noch 28 Prozent auf jeden Fall Kinder. Verglichen mit den Jungen ist das weniger als die Hälfte, obwohl der ökonomische Druck immer mehr abnimmt. Es gibt aber auch eine Gruppe, die »eher kein« oder »auf keinen Fall« ein Kind will, die also gar keinen Kinderwunsch hat. Insgesamt sagen das 22 Prozent, bei den unter 30-Jährigen allerdings mit acht Prozent deutlich weniger als bei den 35- bis 39-Jährigen (28 Prozent). Als wichtigsten Grund gegen Kinder gaben 81 Prozent dieser Gruppe an, sie seien auch ohne Kind mit ihrem Leben zufrieden. Familie mit Kindern wird in Deutschland offensichtlich nur als eines von verschiedenen Lebensmodellen angesehen. Während es vor 40 Jahren hier beinahe selbstverständlich war, Kinder zu bekommen, gilt das heute so nicht mehr. Als weiteren Grund für eine Entscheidung gegen Kinder liegt an zweiter Stelle (54 Prozent) die Aussage, man wolle unabhängig und nicht an ein Kind gebunden sein. Dieser Wert ist mit 76 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen deutlich höher als bei den Befragten ab 35 (45 Prozent). Ebenfalls größer ist die Angst der Jüngeren vor wachsendem Stress: 53 Prozent der 25- bis 34-Jährigen sagen, dass andere Eltern auf sie gestresst wirken und sie so nicht leben möchten, aber nur 32 Prozent der über 35-Jährigen sind der gleichen Meinung. (Quelle der Nachricht: Christen für die Wahrheit 1/2011, S. 2, nach: Eltern.de)

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Einziger christlicher Minister im pakistanischen Kabinett ermordet Christen sind geschockt und verunsichert Der pakistanische Minderheitenminister Shabaz Bhatti, einziges christliches Kabinettsmitglied und praktizierender Katholik, der am Morgen des 2. März 2011 von mehreren Attentätern erschossen wurde, als er seine kranke Mutter besucht hatte, ist aller Wahrscheinlichkeit nach Opfer einer systematischen Kampagne zur Einschüchterung liberaler und fortschrittlicher Kräfte geworden. Am Tatort wurden den Taliban zugeschriebene Flugblätter gefunden, die zur Ermordung derjenigen aufrufen, die sich für eine Änderung des Blasphemiegesetzes einsetzen, das für »Beleidigung des Propheten« und »Gotteslästerung« die Todesstrafe vorsieht. Die zur Sicherheit des Ministers abgestellten Kräfte waren zum Zeitpunkt der Ermordung abgezogen worden. Letztes prominentes Opfer war Salaman Taseer, muslimischer Gouverneur der Provinz Punjab, der am 4. Januar 2011 von einem seiner Leibwächter ermordet wurde, weil er sich für die wegen angeblicher Blasphemie zum Tode verurteilten Christin Asiya Bibi eingesetzt hatte. Die Christen in Pakistan sind verunsichert, Bischöfe und viele Gläubige haben sich nach diesem tödlichen Terrorakt zum Gebet in die Kirchen zurückgezogen. Es wird befürchtet, dass es nicht nur Tötungslisten von Bischöfen und Kirchenführern geben könnte, sondern dass auch Menschenrechtler und gemäßigte Politiker in höchstem Maße gefährdet sind. Sorge bereiten auch die in den Gefängnissen wegen angeblicher Blasphemie einsitzenden Christen, darunter die im Herbst 2010 zum Tode verurteilte Familienmutter Asiya Bibi und die jüngst in Faisalabad wegen Blasphemie angeklagte Christin Agnes Bibi. (Quelle der Nachricht: Medieninformation der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, IGFM Deutsche Sektion e. V., Frankfurt/ Main vom 2. März 2011)

Badische Landeskirche fordert in Unternehmen Frauenquote, ohne sich selbst strikt daran zu halten Die evangelische Landeskirche in Baden spricht sich für eine gesetzliche Frauenquote in Unternehmen aus (Frauenanteil mindestens 40 Prozent in Führungsgremien wie Vorstand und Aufsichtsrat, so die Leiterin der Frauenarbeit Annette Branek anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März), obwohl die Landeskirche selbst keine verbindliche Frauenquote hat, Informationsbrief 266

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sich jedoch der Absichtserklärung der EKDSynode von 1989 verpflichtet fühlt, die einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in den Leitungs- und Beratungsgremien anstrebt. In der badischen Landeskirche sind von acht Oberkirchenräten drei Frauen, von 27 Dekanen acht weiblich, während für die Diakonie keine Statistik geführt wird, wie viele Leitungspositionen mit Frauen besetzt sind. (Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom Dienstag, 8. März 2011, Südwestumschau)

Islam: In 20 Jahren weltweit jeder vierte Mensch Muslim In 20 Jahren wird jeder vierte Erdbewohner Muslim sein. Laut einer Studie wird die Zahl der Menschen islamischen Glaubens in dieser Zeit jährlich um 1,5 Prozent zunehmen, während die restliche Weltbevölkerung nur um 0,7 Prozent steigt. Der Prognose zufolge führt das doppelt so schnelle Wachstum der Zahl der Muslime bis 2030 zu einem muslimischen Weltbevölkerungsanteil von 26,4 Prozent. Weltweit wächst dann die Zahl der Moslems in diesem Zeitraum von 1,6 auf 2,2 Milliarden. Zwei Drittel der Muslime werden voraussichtlich in der Region Asien-Pazifik leben, ein Fünftel im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika. Der Studie zufolge wird Pakistan Indonesien als das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung überholen. In Europa werde die Zahl der Muslime von 44,1 Millionen auf 58,2 Millionen wachsen. Besonders großer Zuwachs wird demnach in Schweden (Verdoppelung auf zehn Prozent), in Belgien (von derzeit sechs Prozent auf 10,2 Prozent) und auch in Frankreich (von 7,5 Prozent auf 10,3 Prozent) erwartet. Auch für Österreich wird ein hoher Anstieg von 3,6 auf 9,3 Prozent prognostiziert. In der Schweiz wird der Prognose zufolge bis 2030 ein Zuwachs von derzeit 5,7 auf 8,1 Prozent erfolgen, in Deutschland von fünf auf 7,1 Prozent. Für die Prognose wurden die aktuellen Geburten-, Sterbeund Migrationsraten zugrunde gelegt. (Quelle der Nachricht: ZUKUNFT CH, 2/2011, S. 2)

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Heinrich Bedford-Strohm wird ­neuer Bischof der EvangelischLutherischen Kirche Bayerns Der neue Bischof will »in gesellschaftlich ­strittigen Fragen Orientierung geben« und »durchaus parteiisch, aber nicht parteipolitisch sein« Der Bamberger Theologieprofessor Heinrich Bedford-Strohm wird neuer Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Er folgt auf Johannes Friedrich (62), dessen zwölfjährige Amtszeit Mitte Oktober endet. Der 51-jährige Bedford-Strohm setzte sich bei seiner Wahl am 4. April 2011 gegen den landeskirchlichen Personalchef, Oberkirchenrat Helmut ­Völkel (58) und gegen die Regionalbischöfin von Oberbayern und Ständige Vertreterin des Landesbischofs, Susanne Breit-Keßler (57) durch. Bedford-Strohm war im sechsten Wahlgang mit 63 Stimmen (absolute Mehrheit) gewählt worden (auf Völkel entfielen 37; Breit-Keßler war nach dem fünften Wahlgang ausgeschieden). Der designierte Landesbischof kündigte nach seiner Wahl an, sein Engagement werde »durchaus parteiisch, aber nie parteipolitisch sein«. Bedford-Strohm ist SPD-Mitglied. Außer Bedford-Strohm gehören von den Leitern der 22 EKD-Mitgliedskirchen noch weitere zwei einer politischen Partei an, nämlich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und EKDRatsvorsitzende, Nikolaus Schneider (Düsseldorf) und der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Lieberg (Dessau) – beide ebenfalls der SPD, wobei Schneiders Parteimitgliedschaft allerdings seit 48

Übertragung seiner ersten Pfarrstelle 1977 in Duisburg ruhe. Bedford-Strohm unterrichtet an der Universität Bamberg Systematische Theologie und Theologische Gegenwartsfragen. Bevor er 2004 an die Universität Bamberg berufen wurde, war er einige Jahre Gemeindepfarrer in Coburg. Er versteht sich als überzeugter Lutheraner mit den Schwerpunkten Ökumene und Weltmission. Der Synode gehört er als berufenes Mitglied an und hat sich dem theologisch liberalen und politisch eher linken Gesprächskreis »Offene Kirche« angeschlossen. Nach seinem Theologiestudium war er in Heidelberg Assistent von Professor Wolfgang Huber, der von 2003 bis 2009 Ratsvorsitzender der EKD war. Bedford-Strohm promovierte mit einer Arbeit über »Vorrang für die Armen. Auf dem Weg zu einer theologischen Theorie der Gerechtigkeit«. Eigenen Angaben zufolge will er sich »für eine öffentlich wirksame und geistlich gegründete Kirche ein[setzen], die in gesellschaftlich strittigen Themen Orientierung geben kann«. Statt von einer christlich-abendländischen Kultur will er lieber von einer »menschenrechtlichen Leitkultur« sprechen. Dazu hätten Muslime selbstverständlich etwas beigetragen und beizutragen. Eine gottesdienstliche Segnung homosexueller Partnerschaften will er nicht einführen, ist aber für eine nicht-öffentliche Segnung homosexueller Partnerschaften in einem privaten Kontext. Theologisch konservative Kreise nahmen die Wahl Bedford-Strohms eher verhalten auf, während sich zwei Vertreter aus der Politik, Markus Rinderspacher (Vorsitzender der SPD-Fraktion in Bayern) und Christine Scheel (Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und berufenes Mitglied der bayerischen Landessynode) positiv zur Wahl Bedford-Strohms äußerten. (Quellen der Nachricht: ideaSpektrum 14/2011, 6. April 2011, S. 8 und S. 24, Bayern; ideaSpektrum 15/2011, 13. April 2011, S. 6 und S. 24, Bayern)

Freikirchenverband hat neue Spitze Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) hat seit 1. Juli 2011 für drei Jahre eine neue Leitungsspitze. Präsident ist der Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, Pastor Ansgar Hörsting (Witten), der die Methodistenbischöfin Rosemarie Wenner (Frankfurt/Main) ablöst, die aber als stellvertretende Präsidentin verbleibt. Weiter gehören zum Vorstand: der Vizepräses des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden, Pastor Günter Karcher (Erzhausen bei Darmstadt), Pastor Friedrich Schneider (Oldenburg) von den Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden) juni 2011

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und der Präses des (pfingstkirchlichen) Mülheimer Verbandes Freikirchlich-Evangelischer Ge­meinden, Ekkehard Vetter (Mülheim/Ruhr). Zur VEF gehören zehn Mitglieds- und vier Gastkirchen mit zusammen 285 000 Mitgliedern; in Deutschland gibt es 700 000 bis 800 000 Angehörige von Freikirchen. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 16/2011, 20. April 2011, S. 10)

Zunehmend säkulare Hits bei evangelischen Trauerfeiern »Time To Say Goodbye« auf Platz eins »Time To Say Goodbye« (Andrea Bocelli, Sarah Brightman) führt eine Hitliste der beliebtesten weltlichen Lieder bei evangelischen Trauerfeiern an, gefolgt von »My Way« (Frank Sinatra); an dritter Stelle steht »Tears In Heaven«(Eric Clapton). Das ergab eine Tübinger Doktor-Arbeit in evangelischer Theologie, zu der 680 Aussagen württembergischer Pfarrer ausgewertet wurden. Säkulare Lieder seien dann allerdings problematisch, wenn sie christliche Glaubensüberzeugungen widersprechen, etwa »Highway To Hell« (AC/DC), ebenso der Titel »The Final Countdown« zum Herunterlassen des Sarges. Spätaussiedler wünschten sich gerne Heimatlieder wie das »Siebenbürgerlied«. An der Hochschätzung säkularer Hits mag sich

eine in den letzten Jahrzehnten zunehmende Säkularisation und Entfernung von geistlichem Liedgut sowie der Kirche zeigen. (Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom Donnerstag, 14. April 2011, Blick in die Welt, nach epd)

Luthers Lieder sollen Weltkulturerbe werden Der Weimarer Musikwissenschaftler Siegfried Freitag setzt sich dafür ein, die von Martin Luther (1483–1546) verfassten Kirchenlieder sol­len der Unesco als Weltkulturerbe vorgeschlagen werden, was auch Unterstützung vom Thüringer Landesmusikrat und vom Verband der Deutschen Schulmusiker erfährt. Zur Begründung verweist der Musikwissenschaftler auf die Einmaligkeit kirchlichen Liedgutes wie »Ein feste Burg ist unser Gott«. Erst mit den Chorälen des Reformators habe sich der Gottesdienst mit Gemeindegesang ab dem 16. Jahrhundert in seiner heutigen Form entwickelt. Der Welterbe-Antrag könne ein Thüringer Beitrag zu den Feierlichkeiten des Reformationsjubiläums 2017 sein. Das Nibelungenlied und Beethovens Neunte Sinfonie stehen auch in der UnescoWelterbe-Liste. (Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom Montag, 18. April 2011, Feuilleton, nach KNA)

Buchrezension Hans Lachenmann: Post für Dich Briefe eines Großvaters über Gott und das Leben Freimund Verlag 2009 Neuendettelsau, 176 Seiten, ISBN 978-3-86540-073-4, 17,80 Euro Welch ein Glücksfall! Da haben Eltern, Großeltern und Paten für die zwölf- bis 14-Jährigen in ihrer Familie ein hoch geeignetes Buchgeschenk. Wie sehr brauchen wir treffsichere Unterstützung, um die Glaubenspersönlichkeit unserer Kinder zu fördern! Hier liegt ein bestens gestaltetes Buch vor, das anschaulich in verständlicher Sprache Informationsbrief 266

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die wesentlichen Inhalte unseres Glaubens ausspricht. Unser Glaube an Gott, an Jesus Christus und an das Wirken des Heiligen Geistes wird altersgemäß ausgeführt, biblische Zusammenhänge werden erklärt, so dass sich auch jederzeit eine Brücke zu gegenwärtigen Lebensfragen herstellen lässt. Ein Buch zum Alleinsein, noch besser zum Vorlesen und Impuls gebend zum Gespräch mit einem aufmerksamen Christen. Wenn sich manche besorgt fragen: »Wie geht es in dieser kalten, säkularen Welt mit dem christlichen Glauben weiter?« so findet sich hier ein äußerst konstruktiver Beitrag, um den christlichen Glauben in die Lebenswelt unserer Kinder zu tragen. Sehr empfehlenswert! Sehr schenkenswert! Heinrich Herrmanns, Landesbischof i. R. 49


InfoSpezial

Übersicht lieferbarer Titel in Kurzfassung, ab sofort auch als pdf-Datei per E-Mail

Diese Sonderdrucke bestellen Sie bitte auf Spendenbasis im Sekretariat der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«, Jakob-von-Stein-Straße 5, 88524 Uttenweiler, Telefon (07374) 92 05 42, Fax 92 05 43 E-Mail: Bekenntnisbewegung@t-online.de

Erschienen im Jahr 2000: Nr. 1: Ist Sterben doch ganz anders? (Möckel) Nr. 2: Wie sollen wir das Evangelium ver­kündigen? (Ernst) Nr. 3: Stellungnahme der Bekenntnis­bewegung zur Homosexualität Nr. 5: Am Ende Maria (Hamel) Nr. 6: Keine Übereinstimmung in der Rechtfertigung (Hamel) Nr. 8: Heiliges Abendmahl oder päpstliche Messe? (Volk) Nr. 9: Thesen zur Taufe (Hellenschmidt) Nr. 10: Wider die Psychohäresie in der Seel­sorge 4.–5. Februar 2000, Gießen

Nr. 53: Verkündigung zwischen Auftrag und Flucht, Jona 1–4 (Naujokat)

Nr. 26: Charismatische Seelsorge nach Ignis (Antholzer) Nr. 27: Predigt über 2.Korinther 13,13 (Leiner) Nr. 29: Luthers Auseinandersetzung mit dem Islam (Leiner)

Erschienen im Jahr 2004:

Erschienen im Jahr 2003:

Nr. 56: Im Gegenwind: Über Schwulen- und Lesbenbewegung (Lachenmann)

Nr. 33: Ökumene der Religionen? (Rominger)

Erschienen im Jahr 2005:

Nr. 34: Die islamische Ehe (Eusebia)

Nr. 58: Das Alter: Die Krone des Lebens (Naujokat)

Nr. 35: Wie ist das islamische Recht ent­standen? (Eusebia)

Nr. 59: Mensch von Anfang an: Zur Problematik der Abtreibung (Naujokat)

Nr. 37: Luther und der Papst (Leiner)

Nr. 60: Der Name Gottes (Mayer)

Nr. 38: Vom Geheimnis der Bibel (Bergmann)

Nr. 61: Wir brauchen verbindliche Lehre (Zschuppe)

Nr. 39: Luther und das Heilige Abendmahl (Leiner)

Nr. 62: Kriterien für den rechten Gottesdienst (Kelter)

Nr. 40: Buddhismus und Christentum (Leiner)

Nr. 63: Gemeinsames Abendmahl? (Leiner)

Nr. 41: Luther und die Marienverehrung (Leiner)

Nr. 64: Warum glauben wir an den dreieinigen Gott? (Leiner)

Nr. 42: Mystik als Frömmigkeit (Dienst)

Nr. 65: Was heißt an Gott, den Schöpfer, glauben? (Leiner)

Nr. 15: Seelsorge unter Gesetz und Evangelium (Slenczka)

Nr. 43: Kirche und Judentum (Gesellschaft für Innere und Äußere Mission)

Nr. 66: Das Alter ist keine Auslaufzeit (Naujokat)

Nr. 16: Glauben, Wissen und Seelsorge (Hoffmann)

Nr. 45: Luther – Zölibat, Ehe und Familie (Leiner)

Nr. 17: Euthanasie, Gentechnik und Embryonenforschung (Rominger)

Nr. 46: Luther und die Bibel (Leiner)

Nr. 11: Faszination und Verwirrung heutiger Partnerbeziehungen (Naujokat) Erschienen im Jahr 2001: Nr. 13: Was ist Ökumene? (Leiner) Nr. 14: Gibt es eine abrahamitische Urreligion? (Eusebia)

Nr. 18: Die Unwandelbarkeit der Zehn Gebote im Wandel der Zeit (Rominger)

Nr. 67: Allein ohne Partner (Naujokat) Nr. 69: Luthers Theologie für Nichttheologen (Leiner)

Nr. 48: Ist die evangelische Kirche noch Kirche des Evangeliums? (Hellenschmidt)

Nr. 70: Passahfest Israels und das Abendmahl Jesu (Burchartz) Nr. 71: Frauenordination (Rominger) Nr. 72: Neue Bibelübersetzungen unter der Lupe (Felber, Rothen, Wick)

Nr. 20: Lobpreisgottesdienst (Eisen)

Nr. 49: Erklärungen, ab »Basis der evangelischen Allianz« 1846 bis zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« (Rominger)

Nr. 21: Allah – oder der Vater Jesu Christi (Leiner)

Nr. 50: Weil es Gott gibt, ist nicht alles erlaubt! (Rominger)

Nr. 73: Zuverlässigkeit vor leichter Verständlichkeit (Felber, Hafner, Rothen, Wick)

Nr. 23: Luthers Lehre von der Kirche (Leiner)

Nr. 51: Luther – vom Mönch zum Reformator (Leiner)

Nr. 74: Das Papsttum – dennoch antichristlich? (Leiner)

Nr. 25: Überlegung zum Ver­ hältnis dreier Religionen (Volk)

Nr. 52: Luthers Christusglaube (Leiner)

Nr. 77: Über den Sinn »christlicher Werte« (Mayer)

Erschienen im Jahr 2002:

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Nr. 78: Auseinandersetzung um die Lehre von der Endzeit (Rominger) Nr. 79: Der Buddhismus im Gegenüber zum Christentum (Leiner) Erschienen im Jahr 2006: Nr. 80: Der Weg zum Leben für Juden und Christen (Burchartz) Nr. 82: Christus der verborgene wahre Messias (Leiner) Nr. 84: Die heilige Schrift (Slenczka)

Nr. 85: Soll der Papst Sprecher der evangelischen Christenheit werden? (Hellenschmidt)

Nr. 86: Glaube im Widerstand – Bonhoeffer zum 100. Geburtstag (Leiner) Nr. 87: Der letzte Feind – der Tod (Leiner) Nr. 88: Gewalt im Namen Gottes (Leiner) Nr. 89: Der Beruf der Frau (Slenczka Gisela) Nr. 90: Rechtfertigung gestern und heute (Leiner)

Erschienen im Jahr 2008: Nr. 104: Antiquiert oder modern – der Begriff Keuschheit. Charakterlicher Gewinn oder Verzicht auf Lust? (Naujokat) Nr. 105: Die Kirche und die Religionen (Hartenstein) Nr. 106: Christliche Anfragen an den Islam

Nr. 129: Übersicht über Bibelübersetzungen (Felber)

Nr. 109: Kreuz und Auferste­ hung Jesu Christi (Künneth)          Nr. 110: Welche Bedeutung hat das Gesetz Gottes für uns Christen? (Leiner) Nr. 111: Predigt zum Israel­ sonntag, Römer 11,25–36 (Leiner)            Nr. 113: In Christi Hand, ob wir leben oder sterben (Hellenschmidt)   Erschienen im Jahr 2009:

Nr. 115: Kennzeichen schwärmerischer Frömmigkeit (Mayer)

Nr. 93: Kritische Anmerkung zur »Bibel in gerechter Sprache«. Die Anbetung der Weiblichkeit Gottes und das Bilderverbot (Slenczka)

Nr. 116: Zorn Gottes (Hellenschmidt)

Nr. 99: Wider allen falschen Oekumenismus (Volk) Nr. 101: Paul Gerhardt – Choräle, Liedpredigten (Leiner) Nr. 102: »Benediktinisches«. Vom klugen Irrtum des Papstes (Volk) Informationsbrief 266

Erschienen im Jahr 2010:

Nr. 108: Synkretismus (Hartenstein)

Nr. 92: Das Apostolische Glaubensbekenntnis in Predigten ausgelegt (Buchrucker)

Nr. 96: Was heißt Kirche? (Leiner) Nr. 98: Impulspapier der EKD – Kirche der Freiheit (Mayer)

Nr. 127: Eines Vaters letzte Worte an seinen Sohn (Naujokat)

Nr. 107: Das geistig-ideolgische Umfeld des Christentums (Leiner)

Erschienen im Jahr 2007:

Nr. 95: Kirche wohin? Die Gemeinde Jesu Christi und die Kirche (Hellenschmidt)

Nr. 126: Freiheit, Schuld und biologisches Schicksal (Eibach)

Nr. 128: Abfall von den Grundlagen christlicher Gemeinschaft im Protestantismus (Slenczka)

Nr. 114: Die dramatische Begrenzung: Alles hat seine Zeit (Naujokat)

Nr. 94: Melanchthon als Theologe und Pädagoge (Rominger)

Nr. 125: Christlicher Glaube und Judentum (Leiner)

Nr. 117: Der Glaube an den Auferstandenen (Michel) Nr. 118: Sterben in Würde (Mayer) Nr. 119: Die Gewissensreligion (Heim) Nr. 120: Das politische Testament Dietrich Bonhoeffers (Mayer) Nr. 121: Paul Gerhardt und Anna Maria Gerhardt (Hesemann/Rominger) Nr. 122: Das Gebet (Buchrucker) Nr. 123: Das Hirtenamt und die Frau (Brunner)

Nr. 130: Ein Wort an die Gemeinde Jesu Christi: Orientierung in wirrer Zeit (Mayer) Nr. 131: Neurotheologie – Gott ein »Hirngespinst«? (Eibach) Nr. 132: Rudolf Bultmann (Rominger) Nr. 133: Was ist Wahrheit? (Hellenschmidt) Nr. 134: Wie kann man heute noch Jesu versöhnendes Leiden und Sterben verkündigen? (Mayer) Nr. 135: Predigt über 1.Korinther 2,1–5 (Leiner) Erschienen im Jahr 2011: Nr. 136: Gender-Mainstreaming – Wer oder was ist gerecht? (Mayer) Zwei Aufsätze Nr. 137 Die Rechtfertigung des Sünders im Zeichen biblischer Anthropologie. Zwei Predigten. Römer 3 und Römer 14 (Leiner) Nr. 138 »Gesellschaft« kontra »Gemeinschaft der Heiligen« (Dienst) Nr. 139 Nun freut euch, lieben Christen g'mein (Liedpredigt) (Leiner) NEU Nr. 140: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Pfarrhaus (Mayer, Rominger) NEU Nr. 141: Von Lausanne nach Kapstadt (Rominger)

Nr. 124: Zum 70. Todestag von Pfarrer Paul Schneider (Martin)

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InfoSpezial Nr. 140: Rainer Mayer, Walter Rominger: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Pfarrhaus Bei der Tagung im November 2010 hat die Synode der EKD ein einheitliches Pfarrerdienstgesetz auf den Weg gebracht, welches nur noch, was kaum ausbleiben

wird, von den Synoden der einzelnen Landeskirchen ratifiziert werden muss. Der Stuttgarter Ethiker Professor Rainer Mayer, unterzieht dieses Pfarrerdienstrecht an der besonders verheerend wirkenden Stelle, nämlich, dass es Tür und Tor für homosexuelle Partnerschaften im Pfarrhaus zu öffnen vermag, einer gründlichen Analyse und zeigt auf, weshalb ein solches Ansinnen nur abgelehnt werden kann und inwiefern

zentrale Glaubensartikel berührt werden und in eklatanter Weise angegriffen sind. Eine eingehende und sehr zu empfehlende Studie des Stuttgarter Theologen. Ergänzt wird dieses InfoSpezial durch einen Beitrag von Walter Rominger, in welchem dieser die Zustimmung auch von Evangelikalen in der EKD-Synode aufzeigt und Stellungnahmen zum neuen Pfarrerdienstgesetz der EKD auswertet.

Traktate n Die Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« – Entstehung, Aufgaben und Ziele n Der Islam im Licht der Bibel n Heilsgewissheit n Vom rechten Beten n Homosexualität – Herausforderungen für Christen

n Gemeinsames Abendmahl n Die Gemeinde Jesu Christi und die Kirche n Etikettenschwindel »Einheitsübersetzung« n Gemeinsame Feier des Reformationsjubiläums 2017? (NEU)

»Jesus lebt«-Anstecker Als »Erfinder« dieser Anstecknadel gilt einer der einst führenden Männer der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«, Pfarrer Paul Deitenbeck (1912–2000), zeitweise deren zweiter Vorsitzender, der zusammen mit Pastor Rudolf Bäumer den Informationsbrief verantwortete und über Jahre die Geschäftsstelle in seinem Lüdenscheider Pfarrhaus versah. Die »Jesus lebt«-Anstecker sind beim Sekretariat der Bekenntnisbewegung auf Spendenbasis erhältlich. Adresse siehe Seite 53.

Mitarbeiter an diesem Heft:

Dr. med. Andreas Desing Facharzt für Radiologie Mönchweg 28 36100 Petersberg Landesbischof i. R. Heinrich Herrmanns Vöhlinstraße 9a 87700 Memmingen Studiendirektor Pfarrer Hanns Leiner Mittenwalder Straße 34 86163 Augsburg Telefon (0821) 63731 Pfarrer Gerhard Naujokat An den Rehwiesen 8 34128 Kassel Telefon (0561) 64003 Fax (0561) 6025162

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Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de Professor Dr. Günter R. Schmidt Schinnerstraße 11 91056 Erlangen Telefon und Fax (09131) 41793 Pfarrer Markus Sigloch Marbacher Straße 23 71563 Affalterbach Telefon (07144) 37014 Fax (07144) 881084 E-Mail: markussigloch@web.de

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Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses

Geschäftsführender Ausschuss Vorsitzender der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt Rötlenstraße 26 70794 Filderstadt Telefon (07158) 6 95 69 Fax (0 71 58) 6 99 91 E-Mail: h.hellenschmidt@gmx.net

Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de Pastor Jakob Tscharntke Jakob-von-Stein-Str. 5 88524 Uttenweiler Telefon (0 73 74) 920541 Fax (0 73 74) 920543 E-Mail: JakobTscharntke@t-online.de

Stellvertretender Vorsitzender Wilhelm Hesemann Klockenbrink 17 33829 Borgholzhausen Telefon (0 54 25) 70 42 Fax (0 54 25) 93 04 46 E-Mail: wilhelm.hesemann@web.de

Pfarrer Dietrich Eizenhöfer Kirchweg 4 35713 Eschenburg Telefon und Fax (0 27 70) 27 18 18

Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Pfarrer Johannes Frey Hohentors-Heerstraße 17 28199 Bremen Telefon (04 21) 50 06 89 Fax (04 21) 50 06 90 E-Mail: johannesTAFrey@compuserve.de

Kassenwart Gabriele Reimer Beurhausstraße 31 44137 Dortmund Telefon (0231) 5 84 46 96 Handy (0177) 2 99 77 76 Fax (0231) 5 89 36 37 E-Mail: Gabriele.Reimer@gmx.de

Gottfried Meskemper Voltastraße 26, 28357 Bremen Telefon (04 21) 25 60 40 Fax (04 21) 2 05 34 56 E-Mail: Gottfried.meskemper@t-online.de

Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Gabriele Reimer. Sie erreichen Sie telefonisch unter (02 31) 5 84 46 96 am besten samstags. Ansonsten sprechen Sie bitte auf den Anrufbeantworter der angege­benen Rufnummer. Bankkonten Volksbank Filder e.G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Sekretariat: Jakob-von-Stein-Straße 5 88524 Uttenweiler Telefon (07374) 92 05 42 Fax (07374) 92 05 43 E-Mail: Bekenntnisbewegung @t-online.de Im Büro können Sie anrufen von Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr www.keinanderesevangelium.de Impressum: Herausgeber und Verlag: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« – zweimonatlich, kostenlos – Redaktion: Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt Satz und Layout: Grafisches Atelier Arnold, Dettingen an der Erms Druck: BasseDruck, Hagen ISSN 1618-8306 Fotos/Abb. auf Seite: 2: Universität Bamberg; Novelpreisk­ omitee; 3: Deborah Gyapong, CCN; 5: Jan van der Leydee »Lazarus«, 1533; Rainer Sturm/Pixelio; 7: Jürgen Nießen/Pixelio; 8: Albrecht Arnold; 10: istockphoto; 12: www.bassenge.com; 16: idea; 18: Rainer Oettel; 20: Wikimedia Foundation; 25, 28, 34: MEV; 27: G. P. Poloni; 30: Plagiarius; 36: Welthungerhilfe, Tränkle + Immel; 39: www.elct.org; 46: CC Photoservice; 47: Lars Plougmann; 54: Horst Schröder/ Pixelio; restliche privat.

Nachsendeanträge bei der Post kommen bei der Bekenntnisbewegung nicht als Adressänderung an. Deshalb bitte auch bei Umzügen die Adressänderung durch untenstehenden Abschnitt an das Sekretariat weitergeben. Für Neubestellung, Adressänderung und Abbestellung ausschneiden und einsenden an Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Sekretariat: Jakob-von-Stein-Straße 5, 88524 Uttenweiler

q Neubestellung q Adressänderung q Abbestellung

(Zutreffendes bitte ankreuzen)

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Adresse: ………………………………………………………………………………………………………………………… Name

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…………………………………….………………………………………………………………………………….. Straße/Haus-Nr.

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aus kirche + welt Diakonie Diakonie-Vorsitzender: Verstärkt Muslime ­beschäftigen

Wenn es nach dem Willen des Vorstandsvorsitzenden des Diakonischen Werkes Hessen-Nassau, Wolfgang Gern geht, dann will dieses künftig verstärkt auch Muslime beschäftigen und sich auch für Angehörige anderer Religionen öffnen. Muslimische Mitarbeiter sollen gerade dort arbeiten, wo sie dringend gebraucht werden, vor allem im Kontakt mit anderen Menschen, etwa in Krankenhäusern oder Kindertagesstätten. Nach Gern kann so das christliche Profil einer Einrichtung umso besser erkennbar werden. Gern war auch Kandidat für das Bischofsamt in Hannover nach dem Rücktritt von Margot Käßmann.

Kirche in Deutschland Mecklenburg: In zehn Jahren 20 Prozent weniger Kirchenmitglieder

Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs hat im Laufe von zehn Jahren etwa 20 Prozent ihrer Mitglieder verloren. Besserung ist nicht in Sicht. D. h., dass gerade nach der Wiedervereinigung, als keine Repressalien mehr zu befürchten waren, der Mitgliederschwund beträchtlich war, weil viele weggestorben, aber auch ausgetreten, aber wohl kaum eingetreten sind.

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Kirchen kritisieren türkische Religionspolitik

Vatikan von Türkei brüskiert

Die Forderung des Vatikans, der römisch-katholischen Kirche einen Rechtsstatus zu erteilen, hat die türkische Regierung zurückgewiesen. Kirchen in der Türkei beklagen seit langem, dass ihnen das Fehlen eines gesicherten Rechtsstatus viele Probleme bereite, z. B. beim Bau und Erhalt von Kirchengebäuden.

Um die Zukunft des mehr als 1600 Jahre alten Klosters Mor Gabriel in der Türkei sorgen sich die christlichen Kirchen Deutschlands. Die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der EKD kritisierten in einer Erklärung, türkische Gerichte und Behörden seien dabei, die Existenzgrundlage des bedeutenden syrisch-orthodoxen Klosters zu gefährden.

Ökumene der Religionen Drei Religionen, eine Schule

Kirche weltweit Koptischer Bischof kritisiert Entwicklungsminister

Der koptische Bischof Anba Damian (Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland) hat scharfe Kritik an Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel geübt, weil dieser nach dem Anschlag auf Kopten in Ägypten (etwa zehn Prozent der 80 Millionen Einwohner Ägyptens sind Kopten) die Entwicklungshilfe für Ägypten nicht infrage stelle, wobei die Mittel der ägyptischen Regierung in islamische Institutionen fließe, Christen »von der Entwicklungshilfe so gut wie ausgeschlossen« blieben. Nach dem Anschlag auf eine koptische Kirche am Altjahrsabend in Alexandria mit mindestens 21 Toten hat der Ökumenische Rat der Kirchen die Regierungen im Nahen Osten aufgefordert, Christen besser zu schützen. Der blutige Terror müsse ein Ende finden. Menschen dürften nicht an der Ausübung ihrer Religion gehindert werden.

In Osnabrück soll eine Schule mit drei Religionen in Trägerschaft des katholischen Bistums Osnabrück entstehen, damit christliche, jüdische und muslimische Kinder in der Grundschule die jeweils andere Religion kennen lernen. Nach kontroversen Debatten hat der Stadtrat dem Vorhaben zugestimmt.

Bibel Jahreslosungen

»Ich aber – Gott nahe zu sein ist mein Glück« (Psalm 73,28), heißt die Jahreslosung für 2014, nach der – katholischen – Einheitsübersetzung (vgl. zu Einheitsübersetzung auch Traktat: Etikettenschwindel »Einheitsübersetzung«), so die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen. Die Jahreslosungen lauten für 2012: »Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig« (2.Korinther 12,9) und für 2013: »Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir« (Hebräer 13,14).

juni 2011

Informationsbrief 266


Gesellschaft

Islam

Baden-Württemberg: mehr HIV-Neuinfektionen

Professoren für islamische Theologie gesucht

Im Gegensatz zum Bundestrend ist in BadenWürttemberg die Zahl der HIV-Neuinfektionen 2010 drastisch angestiegen, um über 20 Prozent auf 330 Personen; davon waren 290 Männer und 40 Frauen. Insgesamt leben in Baden-Württemberg nun geschätzte 7800 Menschen mit HIV.

Abtreibungsärzte keine ­»Tötungsspezialisten«

Frauenärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, dürfen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (!) in Straßburg nicht als »Tötungsspezialisten« bezeichnet werden. Damit wiesen die Richter die Beschwerde zweier Abtreibungsgegner zurück, die entsprechende Flugblätter vor einer Nürnberger Abtreibungsklinik verteilt hatten.

Die Universität Tübingen sucht zumindest vier Professoren für den neuen Studiengang in islamischer Theologie, der erstmals im Oktober beginnen soll. Neben »herausragenden« Leistungen der Forschung und Lehre müssen die Bewerber »islamischen Bekenntnisses« sein und »gute Deutschkenntnisse« haben. In einigen Jahren sollen sechs Professoren bis zu 320 Studenten unterrichten.

Großbritannien: 100 000 traten zum Islam über

In den letzten Jahren sind etwa 100 000 Briten Moslems geworden; zwei Drittel davon sind Frauen, deren Mehrheit seitdem Kopftuch trägt. Das Durchschnittsalter beim Übertritt war 27,5 Jahre.

Türkei: Pastor Konutgan unter Polizeischutz

Mazedonischer Erzbischof vergleicht Schwule und Schafe

Mazedoniens Regierung will mit der Durchsetzung einer Verfassungsänderung auch in Zukunft Homo-Ehen unmöglich machen und hat damit die Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite, von der fast zwei Drittel gleichgeschlechtliche Beziehungen für kriminell halten. Als treibende Kraft für die geplante Verfassungsänderung gilt die orthodoxe Kirche. Ihr Oberhaupt, Erzbischof Stefan, fragte öffentlich: »Wenn Schwule heiraten dürfen, wa­ rum nicht auch Schafe?«

Informationsbrief 266

Kerngruppe von Ergenekon noch aktiv ist. Über Konutgan ist bereits 2001 verbreitet worden, er sei für die Verbreitung von acht Millionen Neuen Testamenten in drei Jahren verantwortlich gewesen. Viele Jahre war er leitender Mitarbeiter der türkischen Bibelgesellschaft. Er ist einer der dienstältesten protestantischen Pastoren in der Türkei und leitet seit Jahren die evangelische Immanuel-Gemeinde in Eminönü/Istanbul. Prozess gegen Ergenekon

Im Ergenekonprozess stehen seit 2009 rund 400 Verantwortliche aus Behörden, Justiz, Hochschulwesen, Medien und Militär vor Gericht, weil ihnen vorgeworfen wird, eine Geheimorganisation gegründet zu haben, um die Regierung von Ministerpräsident Erdogan zu stürzen. Einer Gruppe von 196 Militärs wird auch vorgeworfen, ebenfalls einen Putsch gegen die Regierung geplant zu haben. Wahrscheinlich bestehen zwischen den beiden Gruppierungen Kontakte.

Iran: Christen ­verhaftet

Der Präsident der Vereinigten Protestantischen Kirchen in der Türkei, Behnan Konutgan, wurde im Auftrag von Staatsanwalt Öz in Personenschutz genommen, weil gegen ihn ein Anschlag geplant sei, um Chaos zu erzeugen. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass trotz vieler Verhaftungen die

juni 2011

Weniger als eine Woche nach dem blutigen Anschlag gegen koptische Christen in Alexandria (Ägypten) an Silvester 2010 hat der Teheraner Gouverneur Morteza Tammadon, der zugleich Wirtschaftsberater der iranischen Regierung ist, am 4. Januar 2011 die Verhaftung von Leitern missionarisch aktiver Christen bestätigt und gleichzeitig eine Fortsetzung des harten Vorgehens und weitere Verhaftungen für die Zukunft angekündigt. 55


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Wer die Osterbotschaft gehört hat, der kann nicht mehr mit tragischem Gesicht umherlaufen und die humorlose Existenz eines Menschen führen, der keine Hoffnung hat. Karl Barth


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