jubeljahre Yilmaz Dziewior, Direktor, Museum Ludwig, Köln gratuliert der kestnergesellschaft.
Kaum zu glauben, aber die kestnergesellschaft ist 100 Jahre alt! Dagegen erscheint der gleichzeitige 40. Geburtstag des Museum Ludwig geradezu jung. Natürlich ist es aber – wie immer im Leben – komplizierter. Denn die Wurzeln der vermeintlich juvenilen Kölner Institution liegen im frühen 19. Jahrhundert, da das Museum Ludwig aus der Sammlung des 20. Jahrhunderts des Wallraf-Richartz-Museum hervorgegangen ist. Im selben Monat als in der kestnergesellschaft eine viel beachtete Ausstellung von Joseph Beuys endete, unterschrieben im Rheinland die Eheleute Peter und Irene Ludwig und die Stadt Köln einen Schenkungsvertrag, mit dem das Museum Ludwig gegründet wurde. 350 Werke der modernen Kunst wurden von dem Sammlerpaar am 5. Februar 1976 mit der Auflage gestiftet, ein Museum zu gründen, das ihren Namen trägt. Auf den ersten Blick könnten die beiden Institutionen – die kestnergesellschaft und das Museum Ludwig – unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite ein Kunstverein bzw. eine -halle ohne eigene Sammlung und mit Wechselausstellungen der Kunst ihrer Zeit und auf der anderen Seite ein Museum, das in hohem Maße durch seine Sammlung definiert wird. Ein wichtiges Konvolut bildet hierbei die unmittelbar nach Ende des 2. Weltkriegs, im Jahr 1946, von Josef Haubrich an die Stadt Köln übergebene Kunstsammlung deutscher Expressionisten und anderen Vertretern der Klassischen Moderne, die im Krieg verfolgt wurden und als »entartet« galten. Neben Hauptwerken von Marc Chagall, Wilhelm Lehmbruck oder Paula Modersohn-Becker gehören ebenso Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde zu den Eckpfeilern dieser Sammlung. Bei allen Unterschieden zwischen der kestnergesellschaft und dem kölner Museum fällt auf, dass jeder der hier genannten Künstlerinnen und Künstler zu Lebzeiten wichtige Einzelausstellungen in der kestnergesellschaft hatten und beide Institutionen mit Emil Nolde – einmal als bedeutender Bestandteil der Sammlung und einmal als erste Einzelausstellung zur Wiedereröffnung der kestnergesellschaft – Anschluss an eine durch die Nationalsozialisten unterbrochene europäische Kunstgeschichte suchten. Ein weiterer bedeutender Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, den beide Institutionen auf ihre Weise ehrten, ist Max Beckmann. Schon 1931 richtete die kestnergesellschaft ihm eine Überblicksausstellung ein. Das Museum Ludwig verfügt mit der Schenkung von Lilly von Schnitzler über eine der umfangreichsten und herausragendsten Konvolute dieses Künstlers, dessen zweite Einzelausstellung in der kestnergesellschaft
1949 unter anderem das sich heute im kölner Museum befindliche Bild mit dem Titel »Zwei Frauen« von 1940 präsentierte. Und auch die anderen Schwerpunkte unseres Museums angefangen von der Russischen Avantgarde, über Picasso, Pop Art und Vertreter unserer reichen Fotosammlung fanden in Form von Einzel- und Gruppenausstellung eine auffallende Sichtbarkeit in der kestnergesellschaft. Von Picasso gab es hier nach dem Krieg allein drei Einzelausstellungen und – nicht zu vergessen – die spektakulären Schauen von Roy Lichtenstein (1968) und Andy Warhol (1981). In ihrer singulären Formensprache ähneln sich auch die Gebäude beider Institutionen. Während in Köln ein Neubau der Kölner Architekten Peter Busmann und Godfrid Haberer 1986 eingeweiht wurde, besticht die Architektur der kestnergesellschaft durch den Umbau des ehemaligen Goseriedebades, dass zehn Jahre später, 1997 als neue Heimat für die Kunst in Betrieb genommen wurde. Beide Institutionen feiern also 2016 nicht nur ihren jeweils runden Geburtstag, sondern auch einige erfolgreiche Dekaden in ihrem Domizil. Die drei Kölner Ereignisse – 40-jähriger Geburtstag, 30 Jahre im Gebäude zwischen Dom und Rhein sowie 70 Jahre Sammlung Haubrich – sind Grund genug und willkommene Anlässe für das Museum Ludwig, 2016 ein besonderes Ausstellungsprogramm zu präsentieren. Dabei spielt sowohl die Klassische Moderne mit einer Einzelschau von Fernard Léger wie auch zeitgenössische Kunst mit Neuproduktionen für die Gruppenausstellung »Wir nennen es Ludwig« eine wichtige Rolle. Ähnlich wie die kestnergesellschaft mit ihrer Gruppenausstellung »Stellung nehmen« anlässlich ihres 100-jähriges Bestehens auch die eigene Geschichte reflektiert, so nutzt das Museum Ludwig für die Einzelausstellung von Léger ein Werk aus der Sammlung als Ausgangspunkt. Anhand dieses Bildes wird das Verhältnis des berühmten Malers zur Architektur erstmalig besonders ausführlich vorstellt. Denn das Wandgemälde Les Plongeurs (Die Taucher) von 1942, das Léger für das Privathaus des New Yorker Architekten Wallace K. Harrison konzipierte und das Peter und Irene Ludwig vor 30 Jahren speziell für den Museumsneubau in Köln erwarben, verdeutlicht anschauungsvoll, wie der französische Maler auf spezifische architektonische Situationen reagierte. Ein weiterer Höhepunkt des Kölner Programms 2016 stellt die große Gruppenausstellung »Wir nennen es Ludwig. Das Museum Ludwig wird 40« dar. Das Thema dieser breit angelegten Schau ist die Institution selbst.
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Foto: Rudolf Sagmeister
In der gemeinschaftlichen, mit dem Direktor und allen Kuratoren des Hauses konzipierten Ausstellung sind internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, gemeinsam mit der Institution zu reflektieren, was das Museum Ludwig ist. Der Titel »Wir nennen es Ludwig« ist bewusst offen gewählt, da es nicht um eine Festschreibung geht, sondern um eine Ausstellung, die sich der Subjektivität des Ansatzes bewusst ist. Das Museum Ludwig definiert sich in deutlichem Maße durch die eigene Geschichte, seine Sammlung und durch die Menschen, die diese geprägt haben. Hierzu zählen in erster Linie die Produzenten der Kunst. In diesem Sinne versteht sich das Museum Ludwig im besonderen Maße als ein Museum der Künstlerinnen und Künstler. »Wir nennen es Ludwig« trägt dieser Situation Rechnung, indem es gerade diese Akteure des Kunstsystems einlädt, entweder neue Werke in Bezug auf die Geschichte des Hauses, seine Sammlung oder Architektur zu entwickeln oder aber mit der Sammlung des Museum zu arbeiten. In ähnlicher Weise geht die kestnergesellschaft vor, wenn sie für ihre Ausstellung »Stellung nehmen« neue Werke entstehen lässt, die auf die wechselvolle Geschichte der eigenen Institution reagieren. Wie kaum ein anderes Ausstellungshaus hat die kestnergesellschaft in der Zeit der Nationalsozialisten sich einer Vereinnahmung entzogen, bis hin zur Zwangsschließung im Jahr 1936. Sowohl den Verantwortlichen des Museum Ludwig wie auch der kestnergesellschaft ist bewusst, dass die Geschichte des Reflektierens der Kunstinstitution weit ins 20. Jahrhundert zurückgeht. Angefangen von Marcel Duchamp, dessen Pissoire von 1917 die Prämissen des Systems radikal hinterfragte, über Künstler der 1960er und 70er Jahre wie Michael Asher, Marcel Broodthaers, Daniel Buren und Hans Haacke bis hin zur sogenannten
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Kontextkunst der 1990er Jahre lässt sich eine Genealogie der Analyse der Kunst aufzeigen. Dabei geht es weder in »Stellung nehmen« noch in »Wir nennen es Ludwig« um eine Historisierung dieser künstlerischen Strategien, sondern um deren Aktualisierung und Erweiterung. In Köln werden beispielsweise bewusst auch Positionen eingeladen, die gerade für den internationalen Kunstdiskurs im Rheinland eine besondere Rolle spielen beziehungsweise den globalen und postkolonialen Aspekt der Sammlung des Museum Ludwig zum Ausdruck bringen. Es ist also nicht ausschließlich die Geschichte des Museum Ludwig, die mit diesem groß angelegten Projekt verhandelt wird, sondern vielmehr sollen mögliche Wege in die Zukunft aufgezeigt werden. An dieser ambitionierten Ausstellung nehmen sowohl Künstler aus Europa und Nordamerika (z.B. Maria Eichhorn, Hans Haacke) als auch aus Afrika (z. B. Georges Adéagbo, Bodys Isek Kingelez), Asien (Ei Arakawa, Pratchaya Phingthon) und Lateinamerika (Minerva Cuevas, Diango Hernández) teil. Damit unterstreicht das Museum Ludwig einmal mehr seine postkoloniale Ausrichtung, die sich schon in der Sammlungstätigkeit von Peter und Irene Ludwig abzeichnete. Es freut mich besonders, dass mit Christian Philipp Müller im Jubiläumsjahr ein Künstler sowohl in Hannover an »Stellung nehmen« wie auch in Köln an »Wir nennen es Ludwig« teilnimmt. Auch wenn es ein Zufall ist, so wird doch darin wieder einmal mehr deutlich, wie trotz aller Unterschiede zwischen der kestnergesellschaft und dem Museum Ludwig die Gemeinsamkeiten überwiegen. Und so grüße ich von Jubilar zu Jubilar: Herzlichen Glückwunsch! Yilmaz Dziewior, Direktor, Museum Ludwig, Köln
inhalt jubeljahre | 3
»think twice« fotoworkshop | 44
grußwort | 7
ein extra und ein studio | 45
interview mit christina végh | 8
kestnerrätsel | 45
gesellschaftstermine | 11
kestnerreise zur 56. biennale in venedig | 46
ausstellungsprogramm 2016 | 12
der förderkreis der kestnergesellschaft | 47
das gewicht digitaler bilder | 14
jahresgaben | 48
die kestnergesellschaft im internationalen flair | 16
kunstwerke in serie: editionen, unikate | 49
willkommen | 22
die kestnergesellschaft lebt nicht von kunst allein | 50
einblicke in 100 jahre | 23
neues aus dem team | 51
rückblick | 34
ein erfülltes leben ist zu ende gegangen | 52
der kleine pressespiegel 2015 | 38
kestnerlabor: unser geheimrezept | 54
kestnerimpressionen | 40
kestner’s choice | 60
schule:kultur! = igs bothfeld und kestnergesellschaft | 42
impressum | 62
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Freitag ist jetzt FreiTag.* * Wir finden: Es gibt kaum etwas Schöneres, als kindliche Kreativität zu fördern. Deshalb unterstützen wir seit 2010 die kestnerkids. Und damit auch die Großen den Weg zu zeitgenössischer Kunst nicht scheuen, gibt es seit dem letzten Jahr den FreiTag. An diesem Tag bezahlen wir den Eintritt für Sie. Damit steht eines der renommiertesten deutschen Ausstellungshäuser für zeitgenössische Kunst allen Hannoveraner Bürgerinnen und Bürgern – und allen anderen – offen. Dafür haben wir den Deutschen Kulturförderpreis 2015 erhalten. Die PSD Bank Hannover ist stolz, Partner der kestnergesellschaft zu sein. Wir wünschen auch 2016 viel Spaß mit spannenden Ausstellungen!
grußwort Liebe Freundinnen und Freunde der kestnergesellschaft,
… hinter uns liegt ein in vielerlei Hinsicht spannendes Jahr 2015, das nicht nur von interessanten Ausstellungen, sondern insbesondere auch vom »Amtsantritt« der ersten Direktorin unserer Kunsthalle geprägt war. Es ist schön für mich, im Kontakt mit Christina Végh zu spüren, dass sie inzwischen nicht nur mit ihrer Fachkompetenz, sondern auch voll und ganz mit ihrem Herzen bei uns angekommen ist. Dies ist nicht nur erfreulich, sondern auch wichtig, da mit 2016 ein ganz besonderes Jahr für kestnergesellschaft bevorsteht: unser 100. Gründungsjubiläum, aus dessen Anlass wir Ihnen eine Reihe ganz besonderer Aktivitäten bieten wollen. Dieses 100. Jubiläum ist meines Erachtens ein guter Anlass, uns selbst, aber auch der Öffentlichkeit, zu vergegenwärtigen, was eigentlich die kestnergesellschaft ausmacht – was sie von anderen Institutionen unterscheidet, die zeitgenössische Kunst auf internationalem Niveau vermitteln und zeigen. Dass die kestnergesellschaft einer der bedeutendsten Orte Deutschlands ist, an denen Gegenwartskunst gezeigt wird, weil sie, wie Chris Dercon (Tate Modern/ Volksbühne Berlin) es dieses Jahr formulierte »Experimente gewagt hat, die woanders nicht stattgefunden haben«, ist allgemein anerkannt. Die kestnergesellschaft ist aber nicht nur deshalb ein Top-Aushängeschild für Niedersachsen und unsere so facettenreiche und interessante, aber oftmals verkannte Stadt Hannover. Sie ist es insbesondere auch aufgrund ihrer – wahrscheinlich nicht allen bekannten – Geschichte, mit der sie sich als ein starkes Symbol für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus und für Zivilcourage im Einsatz für von Nazis bedrohte Juden einen Namen in aller Welt gemacht hat. 1916 von hoch respektierten Hannoveraner Bürgern, darunter einige jüdischen Glaubens, gegründet, wollte die kestnergesellschaft damals der rückwärtsgerichteten und provinziellen Kulturpolitik der Stadt einen Gegenentwurf liefern, um auch über die Kunst einen Beitrag zum Übergang Hannovers in die Moderne zu leisten. Unser erster Direktor Erich Küppers formulierte die damalige Überzeugung so: »Die Dinge sollen nicht einfach als angenehmer Zeitvertrieb wirken, sondern auch als Anreger und – nötigenfalls – als Erreger.« Mit dieser auch heute noch gültigen Ausrichtung wurde die kestnergesellschaft von 1930 – 1936 höchst erfolgreich vom jüdischen Direktor Justus Bier geleitet, dessen Ablösung die Nationalsozialisten ab 1933 nachdrücklich verlangten. Der Vorstand widersetzte sich
Foto: Patrice Kunte
dieser Forderung beharrlich unter Inkaufnahme persönlicher Risiken. Über drei Jahre – bis zur zwangsweisen Schließung – schützte der Vorstand Justus Bier vor Repressalien, stärkte ihn in seinem Amt und half ihm letztlich bei seiner Emigration in die USA. Dieses von der kestnergesellschaft historisch praktizierte Bekenntnis zu bürgerschaftlichem Engagement, unabhängigem und ggf. unbequemem Denken, zu Zivilcourage und Freiheit ist etwas, auf das wir alle stolz sein können und das auch zukünftig die innere Richtschnur unserer kestnergesellschaft sein soll. Auch im Namen meiner Vorstandskolleginnen und – kollegen bedanke ich mich bei Ihnen herzlich dafür, dass Sie mit Ihrer Mitgliedschaft in der kestnergesellschaft diese, meines Erachtens auch heute gesellschaftlich notwendige und wertvolle, Philosophie unterstützen. Wir werden uns in unserem Jubiläumsjahr 2016 aus verschiedenen Perspektiven mit diesem Thema beschäftigen. Mit herzlichen Grüßen Uwe Reuter 1.Vorsitzender
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interview mit Christina Végh, geführt von Sascha Gustiné
Wie bist du / wie ist deine Familie inzwischen in Hannover angekommen und wie erlebt ihr die Stadt als »Wohnort«? Wir sind auf jeden Fall angekommen – ich selbst ziehe nicht das erst Mal um, die vorherigen Male hat es immer knapp zwei Jahre gedauert, bis ich wirklich angekommen bin, das wird diesmal nicht anders sein. Aber die ersten Alltagsrituale existieren, wir haben uns als Familie gut eingelebt, die Kinder haben in der Schule erste Freundschaften geschlossen, die Stadt hat viel Lebensqualität zu bieten, wir genießen die Nähe zum Maschsee. Natürlich haben wir auch die Eilenriede, den wunderbaren Zoo sowie die 96er in der HDI-Arena gesehen. Da unser Tagesablauf straff geplant ist, haben wir bisher noch nicht sehr viel Zeit gehabt, wirkliche Entdeckungsreisen in und um die Stadt herum zu unternehmen, aber das kommt noch. Das kann ich gut nachvollziehen. Es gibt ja eine Menge Dinge, die man unter einen Hut bekommen muss. Wie bist du inzwischen in der kestnergesellschaft angekommen und wie beurteilst du deinen Einstieg? In der kestnergesellschaft bin ich natürlich auch schon angekommen. Zwar kann ich immer noch nicht alle Gesichter der Mitglieder mit dem richtigen Namen verbinden, aber ich bin auf dem Weg dorthin. Ein wirklich hoch motiviertes und sehr kompetentes Team und ein extrem engagierter Vorstand – das Ankommen haben mir alle sehr leicht gemacht. Der Einstieg war sportlich, im Mai angefangen und für Oktober musste schon das künstlerische Programm stehen. Dass wir es geschafft haben, in relativ kurzer Zeit eine solch große und erste Überblicksschau für Rita McBride zusammen zu stellen, und noch dazu haben wir eine zweiten Ausstellungsort mit der Kunsthalle Düsseldorf gefunden, wohin die Ausstellung im Anschluss reisen wird, hätte ich selbst anfangs nicht für möglich gehalten. Überblicksausstellungen, die einen vertieften Blick in ein Werk erlauben, fordern eigentlich weitaus mehr Vorbereitungszeit. Dass es trotzdem gelungen ist, verdanken wir der Künstlerin und unseren guten Kuratoren – Henri Dietz, Lotte Dinse und Milan Ther waren in unterschiedlichen Phasen damit betraut. Was ich unter beruflichen Gesichtspunkten sehr beglückend empfinde, ist die gute Verständigung mit den netten KollegInnen des tollen Kunstvereins und des nicht minder wunderbaren Sprengel Museum Hannover. Im Blick auf die Kunst der Moderne und Gegenwart hat die Stadt einiges zu bieten. Der sportliche Einstieg hat mich leider davon abgehalten, bis Ende des Jahres meine Liste für Antrittsbesuche
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vollständig abzuarbeiten. Es wird mir ein Anliegen sein, dies in der ersten Jahreshälfte 2016 nachzuholen. Ich bin mir sicher, dass das jeder nachvollziehen kann. Trotzdem die Frage: Was hast du, vielleicht auch hinter den Kulissen, bewegen können? Gibt es etwas, auf das du besonders stolz bist oder Botschaften, die dir wichtig sind? Hinter den Kulissen brodelt es natürlich! Neben dem Jahresprogramm stehen die 100 Jahre kestnergesellschaft im Zentrum unserer Planungen. Es ist immer wichtig, die Geschichte der Institution zu kennen, wenn man neu anfängt – um zu wissen, wohin man gehen soll und kann, ist es unabdingbar zu wissen, woher man kommt. Da mit meinem Einstieg gleich das 100jährige Jubiläum zu begehen ist, befasse ich mich noch intensiver, als ich das ohnehin gemacht hätte, mit der Vergangenheit des Hauses. Wir werden das ganze Jahr hinweg mit unterschiedlichen Programmen und Formaten, von Vorträgen bis hin zu Ausstellungen, von Publikation bis Fest, 100 Jahre Kestner Gesellschaft feiern. Dabei ist es wichtig, dass der Blick in die Vergangenheit immer die Gegenwart und Zukunft zum Ziel hat. Was mich neben der zum Teil in die Geschichte der Kunst eingegangenen Programmatik des Hauses besonders beeindruckt, ist die Widerständigkeit, mit der die Kestner Gesellschaft den Nationalsozialisten begegnet ist. Der damalige Vorstand hat sich gegen eine Gleichschaltung gewehrt – eine absolute Ausnahme damals und hinzu kommt, dass sie den damaligen jüdischen Direktoren Justus Bier trotz Repressalien so lange wie möglich am Haus gehalten haben und zur Flucht in die USA beigetragen haben. Hier liegt eine Vorbildfunktion im Hinblick auf gesellschaftliches Engagement, an das wir uns auch in Zukunft erinnern müssen. Es geht bei unserer Feier deswegen auch nicht um ein nostalgisches Feiern und Ausruhen auf Lorbeeren, sondern um die Frage, was aus der Geschichte zu lernen ist, was uns heute retrospektiv als wichtig und interessant erscheint, was uns für die Gegenwart und Zukunft als Vermächtnis oder Verantwortung bei unserem Auftrag anleitet, die Bildende Kunst zu vermitteln. Stellung zu nehmen, wie es in der Geschichte der Kestner Gesellschaft passiert ist, ist zu jeder Zeit wichtig, wir haben deswegen eine Gruppenausstellung für den kommenden Frühling in Planung, in der eben dieses »Stellung nehmen« zum Thema gemacht wird. Ein Programm zu den unterschiedlichen Aktivitäten im Jubiläumsjahr wird bald aufliegen! Ich stehe nicht für ein Tabula-Rasa-Prinzip ein – ein Haus zu leiten, bedeutet, ein guter Teamplayer zu sein, und nur weil ich neu bin, brauche ich nicht alles auf den Kopf zu stellen und das Rad neu zu erfinden. Schließlich
stellte die Kestner Gesellschaft schon etwas dar, bevor ich hier ankam – genau deshalb bin ich ja auch gekommen. Aber natürlich hat jede Leitung seine eigenen Steckenpferde oder Gewichtungen und vieles ist momentan in der »Pipeline«, aber noch nicht sichtbar. Zum Beispiel im Bereich der Vermittlung, wo die Kestner Gesellschaft schon lange hervorragende Arbeit leistet mit vielen unterschiedlichen Programmen. Es ist mir wichtig, diesen Bereich weiter auszubauen, gezielt auch Kinder und Jugendliche zu erreichen, deren Eltern Kunst und Kultur nicht unbedingt für sich entdeckt haben. Das Gewicht, das ich diesem Bereich beimesse, kann man heute schon daran erkennen, dass die Vermittlung neuerdings über einen eigenen Raum im Haus verfügt. Wie beurteilst du selbst die erste von dir verantwortete Ausstellung hier in Hannover? Würdest du sagen, dass du die selbst gesteckten Ziele angesichts der relativ kurzen Vorbereitungszeit erreichen konntest? Es wird mir auch in Zukunft wichtig sein, umfassende Einzelausstellungen im ganzen Haus zu planen, in denen die Besucher einen wirklichen Einblick in ein künstlerisches Schaffen gewinnen können. Mit der ersten Ausstellung von Rita McBride ist uns das schon mal hervorragend gelungen. In der Kürze der Vorbereitung war es leider nicht möglich, den Katalog zur Eröffnung bereit zu haben, aber er sollte in den nächsten Wochen im Haus sein. Als weiteren wichtigen »Erfolg« für unsere Tätigkeit sehe ich die Tatsache, dass es nicht nur den Besuchern erstmals ermöglicht hat, das Werk von McBride umfassend kennen zu lernen, sondern dass die Ausstellung auch für die Künstlerin selbst neue Entwicklungen geöffnet hat. McBride hat noch nie so viele Werke auf einmal ausgestellt, die Erfahrung, knappe zwanzig Jahre erstmals zusammen zu sehen, war neu und wichtig für sie. Künstlerinnen und Künstlern mit einer Ausstellung hier neue und vor allem wichtige Erfahrungen in ihrem eigenen Werdegang zu ermöglichen, sehe ich als eigentlichen Erfolg an. Wir vermitteln Kunst an eine möglichst breite Öffentlichkeit, sind gleichzeitig auch Katalysator für künstlerische Neuentwicklungen. Darüber hinaus freut es mich, dass wir mit dieser Ausstellung auch in besonderem Maß auf den Ort – Hannover und die Kestner Gesellschaft, ihre Mitglieder – eingehen. Vom Frauenchor, Vortrag zur Kunstsoziologie, Liedernachmittag mit Hanna Kreisel Liebermann von der Marktkirche, bis hin zu Professoren von der Freien Universität Berlin oder der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, die mit ihren Studenten den Ort nutzen, – ich denke, die Ausstellung und insbesondere das Werk Arena »bewegt«: Sie aktiviert und macht unterschiedliche Gemeinschaften sichtbar oder formuliert sie neu. Solche Prozesse in Gang zu setzen, sehe ich als essentielle Aufgabe unserer Institution an. Im übrigen auch der auf McBride folgende junge Schweizer Künstler Tobias Madison wird für die Ausstellung mit einer Kindertheatergruppe arbeiten. Ein fantastisches Kostümgeschäft in Linden, an dem ich mit Tobias zufällig vorbeispazierte, brachte ihn hier in Hannover erst auf die Idee. Das klingt nach einem guten Einstieg und die Reaktionen der Gäste scheinen dies ja zu bestä-
tigen. Ich selbst hatte das Glück, Tobias Madison schon einmal kurz hier im Haus zu begegnen, und bin selbst sehr gespannt, was uns erwartet! Aber von den operativen Themen einmal zum Grundsätzlichen und Strategischen. Wo siehst du hier wesentliche Herausforderungen? Die kestnergesellschaft tut in Hannover programmatisch das, was in anderen deutschen Städten die Kunsthallen tun. Die Kunsthallen in anderen Bundesländern genießen allerdings ganz andere Fördersätze als wir als Kunstverein. Das Land Niedersachsen kann zurecht stolz sein auf seine engagierten BürgerInnen, denn seit nun 100 Jahren wird die Kestner Gesellschaft von den Bürgerinnen und Bürgern auf umwerfend engagierte Art und Weise gestützt – mit anderen Worten: der Zivilgesellschaft vor Ort ist es zu verdanken, dass Hannover mit der Kestner Gesellschaft eine Kunsthalle hat, die international wahrgenommen wurde und wird. Leider existiert sein einigen Jahren nun trotzdem eine finanzielle Lücke, die nicht an schrumpfenden Zahlen von Förderern liegt ganz im Gegenteil, wir schätzen uns sehr glücklich, dass wir so viele fördernde Partner haben wie nie zuvor –, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass es seit Jahrzehnten keinerlei Teuerungsausgleich gab, die Förderung des Landes Niedersachsen vor einigen Jahren leicht reduziert wurde und dass neben den massiv erhöhten Fixkosten auch erste leichte Renovierungskosten in unserem Haus anstehen. Bisher hat die Kestner Gesellschaft die Lücke neben gestiegenen Beiträgen der Mitglieder und Förderer auch über den Verkauf großer Teile seiner Preziosen in Form von Editionen geschlossen; aber diese Reserven versiegen nun: Die Schrauben lassen sich nicht beliebig lang drehen. Es geht also um Hilfe zur Selbsthilfe, und auf dem Spiel steht unser Profil einer internationalen Kunsthalle mit einer heute legendären Geschichte! Es geht nicht um Ansprüche, wie sie Kunsthallen in anderen Bundesländern zu Recht stellen; wir sind und bleiben (gerne) ein Kunstverein, allerdings muss eine auch an den steigenden Kosten sich orientierende Grundsicherung existieren, um gewissermaßen das Drehmoment für das bürgerschaftliche Engagement bestmöglich auszuschöpfen. Um es hier deutlich zu sagen: Es ist unheimlich beschwingend für einen Ort zu arbeiten, der so stark durch bürgerschaftliches Engagement getragen ist. Denn es ist täglich auf vielen Ebenen bemerkbar, dass sich viele verschiedene Menschen für uns engagieren – das ist keine Selbstverständlichkeit und es macht deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Kestner Gesellschaft für sich wollen und brauchen! Natürlich liegt darin auch eine besondere Verpflichtung und Herausforderung an mich – zumindest nehme ich das für mich so wahr – nämlich die Aufgabe, unseren Mitgliedern und Förderern umgekehrt auch mit besonderem Engagement unser Tun und Handeln zu diskutieren und zu vermitteln. Das klingt nach einer Menge Arbeit, aber auch nach einer erfüllenden Aufgabe, lässt sich das so zusammenfassen? Das würde ich so unterschreiben. Es gibt noch viel zu tun – aber alles andere wäre langweilig!
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gesellschaftstermine in der Ausstellung Rita McBride
Fotos: Felix Ahrens, Lennart Holst
Rita McBrides Kunstwerk »Arena« ist ein Ort für Begegnungen, Veranstaltungen und Diskussionen zugleich. Während der Ausstellung »Rita McBride | Gesellschaft« war die »Arena« Schauplatz angeregter Gesprächsrunden, musikalischer Treffen, verschiedener Installationen und Performances. Die Mitglieder der kestnergesellschaft hatten ihrerseits die Möglichkeit die »Arena« mit eigenen Ideen zu füllen und zu bespielen. Zugleich fanden im Rahmen der Ausstellung zwei von Rita McBride initiierte Gesprächsrunden unter dem Titel »Gesellschaft« in der »Arena« statt. Im Zentrum dieser Veranstaltungen standen Debatten rund um die Themen »Kunst« und »Gesellschaft« mit Mitgliedern des Vorstands, des Kuratoriums und des Förderkreises, die dabei kontrovers auch über ihre eigene Position im Zusammenhang mit diesen Themen diskutieren konnten. Die folgenden Zitate stammen von Eckhard Forst, Christiane Rischbieter Gräfin von der Schulenburg und Inga Samii, die am 10. November 2015 bei der Veranstaltung »Arena | Gesellschaft 1« im Anschluss an Prof. Dr. Oliver Marcharts Vortrag zu möglichen Definitionen der Begriffe »Gesellschaft« und »Arena« mit Stephan Lohr über ihre Rolle in der kestnergesellschaft sprachen.
einzulassen, dass es Neugier oder auch Unverständnis gibt. Und dann muss man die Menschen mitnehmen. Und ich glaube das ist unsere Aufgabe heute.« Milan Ther und Rita McBride
Christiane Rischbieter: »[…] man kann alles an die Wand oder auf die Erde oder sonst wohin tun, wenn man bereit ist, sich darauf
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ausstellungsprogramm 2016 2016 feiert die Kestner-Gesellschaft ihr 100-jähriges Bestehen und präsentiert im Rahmen ihres Jubiläumsjahres sowohl vier innovative künstlerische Positionen von internationalem Rang, als auch die Gruppenausstellung »Stellung nehmen«.
merzielle Galerien, Kinos oder Off-Space-Räume und ihre jeweils eigenen Verfahrensweisen in seinen Projekten miteinander verstrickt, provoziert er eine Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen dieser Räume. Für die Ausstellung in der kestnergesellschaft hinterfragt Madison die Verbreitung und Vererbung institutionalisierter Ideologie über Generationen hinweg anhand einer Installation, die sich über die gesamte Ausstellungsfläche der kestnergesellschaft erstreckt und mit dem thematischen Komplex der Pädagogik spielt.
Tobias Madison Ausstellungsansicht Drip Event in The Power Station, Dallas 2013. Foto: Chad Redmon
Stellung nehmen (Arbeitstitel) | 27. Mai Eröffnung, 28. Mai – 21. August 2016 Den Auftakt des Jahresprogramms 2016 macht der junge Schweizer Künstler Tobias Madison (*1985 in Basel), der in seinen installativen Interventionen die Ökonomie von Räumen im Globalisierungsrausch hinterfragt. In den Monaten Mai bis August 2016 folgt die Gruppenausstellung »Stellung nehmen«, die Bezug nehmend auf die Geschichte der kestnergesellschaft im Zusammenspiel mannigfaltiger künstlerischer Positionen den Betrachter und dessen Rolle in der Interaktion mit Kunstwerken fokussiert. Eine Einzelausstellung der Malerin Monika Baer (*1964 in Freiburg, lebt in Berlin) entsteht in Kooperation mit dem Museum Abteiberg in Mönchengladbach und wird vom 03. September bis 13. November 2016 zu sehen sein. Es folgt eine Ausstellung der amerikanischen Künstlerin Rochelle Feinstein (*1947 in New York), gemeinsam organisiert mit dem Centre d’Art Contemporain in Genf und dem Lenbachhaus München. Der für den Turner Prize 2014 nominierte Brite James Richards (*1983, lebt in Berlin und London) bildet im Dezember 2016 den Abschuss des Jubiläumsjahres mit digital komponierten Sound- und Bilderwelten.
Tobias Madison | 05. Februar Eröffnung, 06. Februar – 24. April 2016 Tobias Madison (*1985 in Basel, lebt in Zürich und Los Angeles) bewegt sich in allen Sparten der Kunst: in Video und Film, in Fotografie, Objektkunst oder Performance und Theater. Seine künstlerische Praxis zeichnet sich durch den Hang zur Kollaboration aus; oft tritt er auch als Kurator, Verleger, Cineast oder Autor auf. Das Thema der Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche bildet den Ausgangspunkt seiner künstlerischen Praxis. Indem Madison Orte wie öffentliche Institutionen, kom-
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Mit ihrem künstlerischen Programm hat die kestnergesellschaft seit 100 Jahren Kunstgeschichte geschrieben. Auch politisch und gesellschaftlich kann sie auf eine außergewöhnliche wie einmalige Geschichte zurückblicken. Während der Zeit des Nationalsozialismus hat die kestnergesellschaft weder die Moderne verraten noch ihren damaligen jüdischen Direktor Justus Bier. Über drei Jahre hinweg nahm der Vorstand große persönliche Risiken auf sich, um Justus Bier vor Repressalien zu schützen. Bier gelang es, in die USA zu fliehen. Die kestnergesellschaft wiederum, die programmatisch nicht einlenkte, wurde 1936 zwangsgeschlossen. Vor diesem Hintergrund plant die kestnergesellschaft in ihrem Jubiläumsjahr die Gruppenausstellung »Stellung nehmen«. Es werden Werke von KünstlerInnen gezeigt, welche der Rolle der Betrachter ein besonderes Gewicht verleihen. Jede ästhetische Erfahrung provoziert eine Form der Stellungnahme. Für einige künstlerische Ansätze sind es jedoch explizit die möglichen Reaktionen seitens der Rezipienten, welche den eigentlichen Bestandteil des künstlerischen Impetus darstellen.
Monika Baer | 02. September Eröffnung, 03. September – 13. November 2016 in Kooperation mit dem Museum Abteiberg, Mönchengladbach Monika Baer (*1964 in Freiburg/Breisgau) gehört zu der ersten Generation deutscher Malerinnen, die sich trotz der – insbesondere im Umfeld der Düsseldorfer Akademie – vermehrt männlich geprägten Malerei durchgesetzt haben. In ihren Gemälden nutzt Monika Baer den Bildträger als inszenierte Bühne und testet malerische Grenzen aus: Der Bildträger wird zuweilen zum Objekt,
Rochelle Feinstein | 02. Dezember Eröffnung, 03. Dezember 2016 – 12. Februar 2017 in Kooperation mit dem Centre d´Art Contemporain, Genève / Lenbachhaus München
indem die Leinwand aufgebrochen und der Keilrahmen Teil der Komposition wird oder indem Objekte wie u.a. kleine Flaschen dem Bildträger zugeordnet sind. Bewusst sucht die Künstlerin die Nähe zur Überspitzung und zum Kitsch; Parodie und Theatralik sind ein wichtiger Teil ihrer Praxis. Die Einzelschau in der kestnergesellschaft wird Baers jüngste Werkreihen der Jahre 2013 - 2015 zeigen, in denen Baer das Sujet einer gebrochenen Malergeschichte in großformatigen, gestisch aufgelösten Stillleben thematisiert. Ergänzt durch einzelne Werke früherer Schaffensjahre ermöglicht die Ausstellung in der kestnergesellschaft erstmals in Deutschland einen konzentrierten und umfassenden Einblick in Monika Baers künstlerisches Schaffen.
Rochelle Feinstein hat in den vergangenen 30 Jahren ein außergewöhnliches Œuvre geschaffen, das neben Malereien auch Videos, Skulpturen und Installationen umfasst. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten sind aktuelle gesellschaftliche oder alltägliche Ereignisse und Beobachtungen, die die Künstlerin inhaltlich aufgreift und weiterentwickelt. Mit der Werkserie »The Estate of Rochelle F.« (2010) reagierte Feinstein beispielsweise auf die Finanzkrise, indem sie ihren eigenen posthumen Nachlass schuf. Dabei verwendete die Künstlerin ausschließlich bereits vorhandene Materialien, die sie in ihrem Atelier und dessen Umgebung fand. Feinstein thematisiert nicht nur die Materialität und Möglichkeiten des malerischen Mediums, sondern entwirft die Idee einer Kunst, die kein Publikum hat. Die kestnergesellschaft präsentiert in Kooperation mit dem Lenbachhaus München und dem Centre d’Art Contemporain Genève eine retrospektive Einzelausstellung der amerikanischen Künstlerin, die einen weiten Bogen von ihren frühen Arbeiten der 1990er Jahre bis zu den neuesten Werken der Künstlerin spannt, welche erstmalig in Deutschland präsentiert werden.
Monika Baer Überlieferung verpflichtet, 2014, Öl auf Leinwand 250 x 220 cm Rochelle Feinstein Love Your Work, 1999 Fresco, 24 x 18 x 1,25 inch James Richards Rosebud, 2013 Installationsansicht Frozen Lakes im Artists Space, 2013 Foto: Daniel Pérez Courtesy der Künstler, Artists Space, New York und Rodeo, Istanbul/ London
James Richards | 02. Dezember Eröffnung, 03. Dezember 2016 – 12. Februar 2017 in Kooperation mit der Kunsthalle Bergen und dem ICA London James Richards (*1983 in Cardiff, lebt in London), der 2014 mit seinem Video »Rosebud« (2013) für den Turner-Preis nominiert wurde, ist bekannt für provokante und visuell verführerische Videoarbeiten. Seit mehr als zehn Jahren sammelt Richards für seine Werke Bildmaterial und filmt das alltägliche Leben. In seinen Arbeiten collagiert er Online-Clips, Künstlerfilme, intime Heimvideos, Archivaufnahmen, obskure Fernsehclips, Internet-Streams oder alte VHS-Kassetten aus Gebrauchtwarenläden. Mit diesem Vorrat an Bildmaterial, der von Horror-Filmen aus den 1980er-Jahren bis zu Gebrauchsvideos reicht, entwickelt Richards ein poetisches Vokabular, das zugleich vertraut und fremd erscheint. Seine Bilder wecken Erinnerungen an Momente, die für einen kurzen Augenblick fesseln, derer sich der Betrachter dennoch nie sicher sein kann.
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das gewicht digitaler bilder James Richards stellt im Winter 2016 / 2017 in der kestnergesellschaft aus. In Vorbereitung auf die Ausstellung traf Milan Ther James Richards zu einem Gespräch über seine Kunst und Arbeitsweise. In seinen Videos überschneiden und entgrenzen sich gefundene und selbsterschaffene Bilder, die zwischen Bildfläche und illusorischem Raum wandeln.
Installationsansicht von Raking Light (2014) bei Cabinet Gallery, London.
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In deinen Werken verwendest du eigenes, aber auch gefundenes Filmmaterial. Welche Art von Bildern bevorzugst du in deinen Arbeiten? Wie stehst du zu der heutigen Bildkultur? Ich arbeite jetzt gerade an meinem Rechner an Bildmaterial für die Ausstellung. Die Filme bestehen aus dieser Mischung: Einerseits aus dem Material, das ich generiere. Ich filme, wenn ich selber mit der Kamera arbeite, immer lässig. Ich bin interessiert an anonymer Kameraführung, um alltägliche Bilder aufzunehmen. Danach schaue ich mir das Material an und suche mir Momente aus, die ich interessant oder verwirrend oder schön finde. Den gleichen Prozess durchlaufe ich auch mit gefundenem Filmmaterial. Mein Verhältnis zu beiden ist das Gleiche. Es gibt aber auch Zeiten, in denen ich nur an meinem Laptop sitze und Zeitcodes von Filmsequenzen mit interessanten Aktivitäten aufschreibe. Das habe ich zehn, zwölf Jahre lang gemacht und deswegen habe ich sehr viel Material. Wenn ich dann anfange an einer Ausstellung zu arbeiten, schaue ich mir immer das Restmaterial von dem letzten Film an, den ich gemacht habe. So kann ich Ideen finden, die noch nicht entwickelt sind. Ich sehe mir diese Experimente wieder und wieder an und überarbeite sie. Es ist mehr ein fortschreitender Prozess, als dass ich immer neu beginne.
Welche Momente sind es genau, die dich so interessieren? Es gibt bestimmte Dinge – wenn ich mir meine Arbeiten anschaue, gibt es ganz deutliche Tendenzen. Oft sind es Bilder, die sich widersprechen. Ich bin interessiert an den Oberflächen und Texturen von Gegenständen. Mich interessieren auch Formalismus und Muster, mit denen man fotografisch spielen kann. Man könnte sagen, dass meine Filme sich mit malerischen Angelegenheiten beschäftigen. Es gibt aber von der Stimmung her auch immer einen nostalgischen oder leicht romantischen Ton in meinen Bildern. Ich fühle mich auch von erotischen Motiven angezogen, vielleicht Nähe und die Repräsentation des Körpers generell. Es scheint mir, dass die Verbindung zwischen Körper, Bild, und Film, sich oft stark in Verbindung setzen mit der kulturellen Materialisierung dieser Bilder. Zum Beispiel in deinem Film Rosebud (2013), in dem du Aufnahmen von Robert Mapplethorpe’s Fotografien von nackten Männern zeigst, deren Genitalien von Japanischen Zöllnern mit Sandpapier ausradiert worden sind. Das ist ein Beispiel von einem Bild, das sich nicht nur in der Wahrnehmung, sondern auch physisch verändert – in Abhängigkeit vom kulturellen Kontext. Das ist ein ganz klares Beispiel aus dem westlichen Kunstkanon, wo diese Bilder im Zoll verändert werden. Oft haben Bilder sehr spezifische Gründe, warum sie entstehen, und werden dann durch technologische Verfahren, wie Druck oder Digitalisierung, verändert. Diese geben Bildern oft eine andere Art von emotionaler Wirkung. Die Zirkulation von Bildern ändert also das Bild. Formate und Seitenverhältnisse sind ganz banale Techniken, die einen sehr großen Einfluss auf ein Bild nehmen können. Ein anderes Phänomen sind die laufend größer werdenden Auflösungen von digitalen Kameras. Das gehört sehr stark zur Sprache und Geschichte des digitalen Bildes. Kleine Frames und Fullframe-Videos unterscheiden sich sehr in ihrer Eigenschaft, Bildkompositionen zu beeinflussen. Dort reformiert Technologie die Möglichkeiten der Bildkonstruktion deutlich. Es kann das Gewicht eines gewichtslosen Bildes verändern. Es ist der Moment, in dem das Bild zurück in die Wirklichkeit fällt. Wo die Information zum Inhalt wird. Steve Reinke hat in einem Text über meine Arbeit geschrieben, sie würde den Affekt zwischenzeitig aussetzen, welches auch mit Gewichtlosigkeit zu tun hat. In meinen Clips passiert sehr wenig. Sie sind wie Fo-
tografien. Sie machen nichts, aber durch den Ton und die Bewegung zwischen den Bildern innerhalb der Videos entstehen Spannungen. Es ist das Gefühl eines dramatischen Aussetzens. Kannst du erzählen, was in der Ausstellung in Hannover geschehen wird? Die letzten Videos sind alle mehr und mehr abstrakt geworden und ich arbeite heute auch sehr viel mit Musik ohne Bilder. Unlängst habe ich zum ersten Mal eine Toninstallation gemacht, in der ein stilles Bild an der Wand von fünf Lautsprechern begleitet wird, in denen der Ton sozusagen projiziert wird und sich innerhalb des möglichen akustischen Raumes bewegt. Es ist also eine Arbeit, die keinen Zeitstrahl besitzt. Für Hannover will ich mit diesem Konzept weiter experimentieren, in dem ich die Elemente über mehrere Räume verteile, um eine Arbeit zu schaffen, die nicht in einer Sequenz begreifbar ist, um den Affekt auszusetzen.
Still from Raking Light (2014) Foto: James Richards Installationsansicht von Raking Light (2014) bei Cabinet Gallery, London. Foto: Mark Blower
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die kestnergesellschaft im internationalen flair Martin Clark, Direktor der Kunsthall Bergen, im Gespräch mit Christina Végh
Christina Végh: Lieber Martin, wir haben uns erst vor kurzem persönlich kennen gelernt, denn wir wollen bei einer Ausstellung der Werke von James Richards in unseren Instituten zusammenarbeiten. Bei diesem Treffen ist mir klar geworden, dass die Art, wie Sie als Direktor die Bergen Kunsthall leiten, in vielem meinen eigene Zielen und Interessen für die Kestnergesellschaft entspricht. Lassen Sie uns doch bitte unser Gespräch mit einigen grundsätzlichen Dingen beginnen. Bei unserem ersten Treffen haben Sie erwähnt, dass die Bergen Kunsthall wie ein Kunstverein strukturiert ist. Zugleich haben Sie davon gesprochen, dass sich das Institut seit seiner Gründung aber auch verändert hat. Könnten Sie das ein wenig näher ausführen? Martin Clark: Bergen Kunstforening (Kunstverein) oder der »Freundeskreis der Kunst Bergen« wurde 1838 gegründet. Eine große Anzahl solcher Kunstforenings entstand im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Skandinavien nach dem Vorbild der deutschen Kunstvereine. 2001 änderte der Bergen Kunstforening seinen Namen in Bergen Kunsthall mit dem Ziel, sich neu zu positionieren. Das Institut bekundete damit seinen Ehrgeiz, in seiner Ausrichtung zeitgenössischer, progressiver und internationaler zu werden und mit anderen Kunstinstituten zusammenzuarbeiten. Obwohl wir unseren Namen geändert haben, ist unsere Satzung aber immer noch dieselbe, und wir bleiben ein Kunstforening, ein Freundeskreis der Kunst, ein Verein, der seinen Mitgliedern gehört und von ihnen geleitet wird. Seit 15 Jahren ist die Bergen Kunsthall eine Art Vorreiter und zum Vorbild für andere Kunstforenings in Norwegen und ganz Skandinavien geworden, die sich in ähnlicher Weise wie wir neu aufstellen wollen. C. V.: Es ist einleuchtend, dass jede Institution sich mit der Zeit verändert, um den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen. Am Besten ist es wohl, wenn wir diesen Veränderungen nicht nur hinterherlaufen, sondern sie auch selbst initiieren. Heute, in einer globalisierten Welt, gibt es mehr Künstler und mehr Kunstinstitute als jemals zuvor. Der Kunstmarkt besitzt riesige Macht, Privatunternehmen und kommerzielle Galerien oder private Sammler haben oft mehr Einfluss als viele Institutionen. Ich möchte nicht als jemand missverstanden werden, der nicht sieht, wie wichtig die Arbeit der Galerien in Geschichte und Gegenwart für die Künstler war und ist. Aber die Frage stellt sich doch, wie wir als
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Kunstinstitut uns in diesem Zusammenhang verhalten sollen, um uns von ihnen zu unterscheiden. Was können wir tun, was die anderen Mitbewerber und Mitspieler in diesem System vielleicht nicht so gut tun können? M. C.: Das ist eine sehr wichtige Frage. In Großbritannien beispielsweise, wohin Norwegen, wie es aussieht, seit einiger Zeit als Vorbild für seine eigene Kulturpolitik blickt, hat man seit etwa fünf Jahren staatlich finanzierte Galerien und Kunstinstitute ermutigt, stärker wie private Galerien zu agieren. Man hat sie ermutigt, in Zusammenhang mit ihren Ausstellungen Einkünfte durch Verkäufe zu generieren und ihre Ausstellungen mit Hilfe von Sammlern und Unterstützern aus dem Privatsektor zu finanzieren. Gleichzeitig beginnen Privatgalerien, vor allem die mächtigsten unter ihnen wie Gagosian, Hauser & Wirth oder White Cube, so zu operieren oder wenigstens präsentieren sie sich so, als seien sie staatliche Institutionen. In den letzten Jahren haben sie in ihre Programme Ausstellungen, beispielsweise der Werke von Picasso oder Louise Bourgeois, aufgenommen, die eindeutig Museumsqualität besitzen. Die Räume, die sie dafür nutzen, stehen in Qualität und Größe in nichts staatlichen Häusern nach. Darüber hinaus ist es nicht ungewöhnlich, dass sie auch Bildungsprogramme anbieten und wissenschaftliche Kataloge herausgeben. Insofern gibt es Veränderungen aus beiden Richtungen, und sie führen zum Teil zu irritierenden und verwirrenden Überschneidungen. Mir ist wichtig, dass ein Kunstinstitut wie die Bergen Kunsthall, was ihr künstlerisches Programm und die kuratorischen Entscheidungen angeht, in der Lage ist und auch mutig genug, außerhalb von Marktzwängen zu operieren. Und dass wir im Gegensatz zu anderen Situationen und Szenarien den Künstlern als durchaus kritische Partner jede Hilfe geben, ihr Werk bei uns voranzutreiben, Risiken einzugehen und Ausstellungen ohne kommerzielle Erwartungen und frei von Druck zu realisieren. Das erklärt sich nicht allein durch den Modus unserer Finanzierung und aus unseren Werten heraus, sondern auch dadurch, dass wir geografisch relativ weit entfernt von den so genannten Hotspots des Kunstmarkts liegen. Gleichzeitig glaube ich, dass es wichtig ist, nicht naiv zu sein. Wenn Künstler durch unsere Vermittlung und durch unsere Ausstellungen Werke verkaufen, sollten wir auch finanziell ein wenig davon profitieren, um dieses Geld dann wieder in unsere Arbeit investieren zu können. Ich möchte hinzufügen, dass ich überhaupt keine Prob-
leme mit dem Kunstmarkt per se habe. Häufig sorgen kommerzielle Galerien am Beginn von Künstlerkarrieren für deren notwendige materielle Unterstützung, Jahre bevor die öffentlichen Institutionen diese überhaupt im Visier haben. Um die Wahrheit zu sagen, ich wünschte, wir hätten mehr gute kommerzielle Galerien bei uns in Norwegen und mehr Sammler, die Kunst kaufen, und mehr Künstler, die für ihre Arbeit bezahlt werden. Die Schwierigkeit, die viele Institute im Augenblick haben – und ich fürchte, sie nimmt weiter zu – hat mit der Zahl ihrer Besucher zu tun. Sie betrachtet man (im guten wie im schlechten Sinn) als unsere »Währung«. Viele staatliche Institutionen sind zwar von den Zwängen des Marktes befreit, dafür wird von ihnen aber erwartet – und das ist vielleicht noch lähmender – dass sie Kompromisse eingehen und ein Programm gestalten, das dem Publikum »gefällt«. In einem guten Sinn führt das dazu, dass wir die wichtige Aufgabe ernst nehmen, uns unseren Besuchern zu öffnen und dafür zu sorgen, dass sie Zugang zur oft anspruchsvollen zeitgenössischen Kunst gewinnen, obwohl es sich bei ihnen oft um ganz unterschiedliche Publikumsschichten handelt. Im schlechten Sinn kann es aber auch zu einem Risiko vermeidenden, populistischen Programm führen, das auf Zielgruppen ausgerichtet ist und danach trachtet, der Menge zu gefallen. Die zweite Schwierigkeit, mit der wir zu kämpfen haben, ist die Finanzierung. Wir sind nur in der Lage, Künstlern ebenso kritisch wie hilfreich zur Seite zu stehen, damit sie ihr Werk bei uns vorantreiben, Risiken eingehen und Ausstellungen ohne kommerzielle Erwartungen und frei von Druck realisieren können, wenn wir die entsprechenden finanziellen Mittel dafür haben (und die Unterstützung unserer Geldgeber). Man könnte sagen, dass kommerzielle Galerien auf Grund ihrer finanziellen Stärke und Unabhängigkeit und ohne solche Zwänge, besser dazu in der Lage sind, diese Art von schwieriger, kompromissloser und äußerst experimenteller künstlerischer Arbeit zu ermöglichen. Es ist alles sehr kompliziert. C. V.: Neben der Ähnlichkeit von künstlerischem Programm und institutioneller Struktur, welche die Bergen Kunsthall und die Kestnergesellschaft gemeinsam haben – beide sind darüber hinaus in der Peripherie beheimatet oder jedenfalls nicht in einer Metropole – glaube ich, dass wir auch ähnliche Ideen verfolgen. Vor allen interessiert mich das Konzept für die NO 5 Galerie der Bergen Kunsthall, das ich äußerst attraktiv finde. Können Sie mir mehr darüber sagen? Wir bereiten gerade einen Blick zurück in unsere eigene Geschichte vor, da wir dieses Jahr den hundertsten Geburtstag der Kestnergesellschaft feiern. Doch der historische Rückblick interessiert mich auch generell. Denn ich glaube, dass er bereichernd ist. Dass wir im Blick auf die Vergangenheit auch für die Gegenwart lernen können. M. C.: Seit einiger Zeit schon denke ich über die zunehmende Beschleunigung sowohl der Produktion als auch der Rezeption von Kunst nach. Von Künstlern wird heute erwartet, dass sie in hohem Tempo ihre Werke herstellen und Ausstellungen für Galerien, Museen und Kunstmessen vorbereiten, und in hohem Tempo werden
die Werke in der Folge vom Publikum auch aufgenommen. Alles ist inzwischen sehr zum Event geworden, die Dinge sind schnell wieder vorbei, und es gibt eine unersättliche Begierde nach immer Neuem und dem Nächsten. Daher habe ich darüber nachgedacht, ob wir hier in Bergen neben unserem sehr aktiven Auftragsprogramm nicht eine andere Art von Geschwindigkeit oder Struktur in unser Ausstellungsprogramm einziehen sollten. Ob wir bei uns nicht einen Raum einrichten könnten, wo die Zeit langsamer vergeht. Wo wir über bestimmte Kunstwerke und Kunstausstellungen nachdenken, die im letzten Jahr oder während der letzten 5 oder 50 Jahre irgendwo anders gezeigt wurden. Es geht nicht um den Versuch, unter ihnen eine Liste der besten und wichtigsten zu erstellen, sondern ganz einfach auf Kunstwerke und Ausstellungen zu blicken, die im Zusammenhang mit unserem eigenen Programm wichtig erscheinen. Daher zeigen wir in unserer No 5 Galerie noch einmal ein Kunstwerk, eine Ausstellung oder den Teil einer Ausstellung, die vorher schon anderswo gezeigt wurden. Oft werden sie von mir oder dem Team hier ausgesucht, aber wir sind auch offen für Vorschläge von Künstlern, Schriftstellern oder Menschen, die mit uns zusammenarbeiten. Daher ist das Ganze recht subjektiv, wird aber sehr sorgfältig mit den laufenden Ausstellungen abgestimmt und in Dialog mit ihnen gebracht. Jüngste Wiederaufführungen waren eine Werkschau von Ciara Phillips aus dem Jahr 2014, eine Reihe von Gemälden aus einer Ausstellung von Julia Wachtel im MCA in Chicago und gerade ist ein Videoprogramm des Kunstvereins München zu Ende gegangen, das Steven Cairns und James Richards kuratiert haben, der Künstler, mit dem wir beide in 2016 zusammen arbeiten werden. Schließlich schien es uns ziemlich wichtig zu sein, dass diese Wiederaufführungen von einem kritischen Text begleitet werden. Ausstellungstexte werden notwendigerweise fast immer geschrieben, bevor die Ausstellung fertig eingerichtet ist. Dadurch werden Kuratoren und Künstler gezwungen, über etwas zu schreiben, bevor sie es wirklich gesehen haben, bevor es existiert. So erlaubt unser Projekt es, nach der Eröffnung mit einem gewissen kritischen und reflektierten Abstand einen neuen Text zu schreiben. Dieser Text wird als Datei publiziert und kann von unserer Website gratis herunter geladen werden zusammen mit allen Installationsfotos, Pressematerial, Kritiken, sonstigen Texten usw. Die Datei präsentiert eine Art Archiv der Ausstellung oder der Kunstwerke, das von dem neuen Essay eingeleitet wird. Während das Kunstwerk oder die Ausstellung keine neue Produktion sind, initiieren und ermutigen wir auf diese Weise neues kritisches Schreiben, Denken und Wissen. Übersetzung aus dem Englischen von Michael Stoeber
C. V.: Dear Martin – we only met recently since we will cooperate on the show with James Richards. When we met in person I noticed that a lot of things you talked about regarding how you work at Bergen Kunsthall mirrored my own interests for the Kestner Gesellschaft. Let´s start with some basics:
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You are the director of Bergen Kunsthall, which you mentioned when we met is organized like a Kunstverein, but I understand it has changed somewhat since its foundation, can you explain? M. C.: Bergen Kunstforening or ’friends society’ was established in 1838. A number of Kunstforneing’s sprung up across Scandinavia in the 19th and early 20th century, modeled on the idea of the German Kunstverein. In 2001 Bergen Kunstforening changed its name to Bergen Kunsthall, in order to reposition itself and its ambitions toward a more contemporary, progressive and international network of institutions. Although the name has changed the constitution has not, and we remain a Kunstforening, a friend’s society, owned and run by our members. 15 years on Bergen Kunsthall is now held up as a pioneer, and has become a role model for a number of other Kunstforening’s across Norway and Scandinavia who are adapting their profile and ambitions in a similar way. C. V.: It is clear that any institution changes over time, since we need to follow contemporary societal changes. At its best we do not simply follow, but introduce change ourselves. Nowadays in this globalized world we have more artists and art institutions than ever before, the art market has huge power, private entities such as commercial galleries or collectors have become arguably more influential than many institutions. Without wanting to be mistaken as somebody who both historically and nowadays does not see the important work of galleries for their artists, the question now is how to act as institution within this context in order to make a difference – what can we do that the other stakeholders/ players cannot do so well? M. C.: It’s an important question. In the UK for example, which Norway seems recently to have been looking to in terms of its cultural policy, the last 5 years have seen publicly funded galleries and institutions being actively encouraged by those funders to act more and more like private galleries. They are encouraged to raise revenue through sales from their exhibitions, and to very actively fundraise from collectors and the private sector. At the same time private galleries, particularly the big players like Gagosian, Hauser and Wirth or White Cube, have begun behaving, or at least presenting themselves, more and more like public institutions. In the last few years they have incorporated into their programmes museum-quality shows of artists like Picasso or Louise Bourgeoise, presented in spaces that rival many public institutions in terms of scale and quality. In addition it’s not unusual to find them running education and outreach programmes, or producing scholarly catalogues. So basically this shift is happening from both directions, and it’s producing a very weird, confusing kind of overlap. For me what is important is that a space like Bergen Kunsthall is able to, and indeed encouraged, to operate outside of those market conditions in terms of the curatorial and programming decisions that we make. And that in contrast to some of these other situations or scenarios, we are able to provide a supportive but critical
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space for artists to really push their work, take risks, and make shows without any commercial expectation or pressure. And that’s to do not just with the way that we are funded and our values, but also our relatively ’remote’ location geographically, being physically positioned outside of the market hot spots. At the same time, though, I think its important we are not naïve, and that we make sure that when works do sell through our commissioning and exhibition programmes, we recoup some of that money to go back into our work. And I should add that I have no problem with the market per se, often commercial galleries provide the fundamental support that young artists need at the very start of their career, years before institutions catch up. In fact I would like to see more good commercial galleries in Norway, more collectors buying art here, and more artists getting paid. The difficulty for many institutions, which I fear is increasing at the moment, is firstly around an idea of ’audiences’ – which in a way can be seen (for better or worse) as our ’currency’. Many public institutions are released from the pressures of the market, only to be put under perhaps more debilitating expectations or compromises around an idea of ’appealing’ to audiences. At its best this means that we take seriously our crucial role to open up and make accessible even challenging contemporary art, for genueinly diverse communities and groups (a good thing), but at its worst it can lead a programme into a kind of risk-averse populism, based on visitor targets and crowd pleasers. The second issue is funding – we are only able to provide that ’supportive but critical space for artists to push their work, take risks, and make shows without any commercial expectation or pressure’ if we have the financial resources (and the support of our funders) to do so. It could be argued that because of their financial strength and independence, commercial galleries are better placed to enable just this kind of difficult, uncompromising and highly experimental work, without the constraints of public funding targets and expectations. It’s complicated! C. V.: Besides the similarities in the programmatic scope and the structure of both Bergen Kunsthall and Kestner Gesellschaft – with both also being located in the ’periphery’, or at least not in the metropolis – I think we share some similar ideas, in particular your concept for the NO 5 gallery at Bergen Kunsthall is very intriguing to me – can you tell more about it? We are preparing looks back into our own history because we celebrate 100 years of Kestner Gesellschaft, though looking back in order to learn and enrich our view and vision today is a line of thought that interests me also after our own institutional anniversary on more general terms. M. C.: For some time I have been thinking about the increasing acceleration of both the production and reception of art. The speed with which artists are expected or demanded to produce both work and exhibitions – for galleries, museums, art fairs etc – as well as the speed of the works subsequent reception in the world. It has become so ’event’ based, things are ’over’ so quickly, there’s an insatiable desire for the new or the next. So,
I decided to think about whether we could introduce a different kind of speed or texture into the programme here in Bergen, alongside our own very active commissioning programme. Whether we could produce another kind of space in which to slow down and reflect on particular artworks or exhibitions that have been presented elsewhere over the last year, 5 years or 50 years; not to try and make a definitive list of the ’best’ or most ’important’, but instead to simply look again at artworks and exhibitions that felt relevant, within the context of our own programme. So, in the NO.5 space, we simply re-present either a work, an exhibition or a fragment of an exhibition, previously shown elsewhere in the world. Often these are selected by myself or the team here, but we also open it out to include suggestions by artists, writers or collaborators who we are working with. In this way it becomes very subjective, but very consciously programmed in dialogue with the other exhibitions on display. Recent re-presentations have included a Ciara Phillips show from 2014; a group of paintings that formed part of a Julia Wachtel exhibition at MCA Chicago in 1991, and which have not been shown since; and most recently a video programme, shown at Kunstverein Munich, curated by Steven Cairns and James Richards, the artist who we are working together with, next year. Finally, it seemed really important that this re-presentation be accompanied by a new critical text. Texts for exhibitions are almost always, necessarily produced some time ahead of the show itself. Curators and artists are forced into a position of writing about the thing before they have seen it, before it exists. So part of this project allows for a new text to be written after the event, with a certain critical and reflective distance. The text is published in a new pdf publication, available to download for free from our website, and which also gathers together all of the installation images, press materials, reviews, articles etc. that have accompanied the work or the exhibition in its previous iterations. In this way it forms a kind of archive of the exhibition or artworks life, prefaced by this new essay. So, whilst the work or exhibition itself is necessarily not a new production, we are instead commissioning and encouraging new critical writing, thinking and knowledge.
Bergen Kunsthall
Martin Clark, Direktor der Bergen Kunsthall
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einblicke in 100 jahre
Aus einem Brief des Vorstandes an Sophie Küppers, 27. Januar 1922 (Depot 100, 18)
Katalog Kubismus Ausstellungsraum und Lesezimmer in der Königsstraße
Vorträge | Veranstaltung Wassily Kandinsky Abstrakte Kunst
1916 – 1926
16.12.1924
Katalog Emil Nolde
»Der Vorstand und Beirat hat sodann sehr ernsthaft den Gedanken erwogen, ob […] eine Möglichkeit besteht, Ihre eigene Tätigkeit in irgendeiner Form mit der Arbeit für unsere Gesellschaft zu verknüpfen. Dieser Gedanke ist durch unsern Vorsitzenden sehr befürwortet worden, jedoch sind bei ruhiger Erwägung von verschiedenen Seiten auch die Bedenken nicht unterdrückt worden, die Ihre Stellung als Mutter und Hausfrau einer solchen Idee gegenüberstellt. Grundsätzlich sind Vorstand und Beirat von dem Wunsch beseelt, Ihre Stellung zur Kestner-Gesellschaft so eng und innig zu erhalten wie nur irgend möglich, und es ist eine selbstverständliche Pflicht, daß Ihnen auch weiterhin das Gehalt Ihres Herrn Gemahls bis zum 1. Juli vergütet wird. Darüber hinaus aber konnte trotz eingehender Beratung keine Möglichkeit gefunden werden, unter den bestehenden Verhältnissen Ihren nicht zu bezweifelnden Geschmack und Ihre oftmals erprobte Begabung dauernd mit der Arbeit für unsere Gesellschaft zu verbinden, im Gegenteil, es ist allseitig betont worden, daß heute mehr denn je nur eine männliche Kraft für uns in Frage kommt, die in der Lage ist, ihre ganze Zeit und Arbeit ausschließlich in den Dienst unserer Gesellschaft zu stellen, deren kritische Situation Ihnen ja nach Wertung der besonderen Zeitverhältnisse nicht unbekannt sein kann.«
Sophie und Paul Erich Küppers Emil Nolde an Hanns Krenz, 10. januar 1925 Flugschrift der kestnergesellschaft von 1918
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Bei Vondemberge-Gildewart: Dr. Justus Bier, Kurt Schwitters, Ilse Leda, Friedrich Vondemberge-Gildewart
1926 – 1936 Vorträge | Veranstaltung Dr. Hans Prinzhorn Persönlichkeit - Zur Krisis der Gegenwart 26.01.1928 Dr. Erwin Panofsky Klassische Götter und Helden in der mittelalterlichen Kunst 27.10.1932
Ausstellungskatalog Franz Marc Noch 1936 widmet die kestnergesellschaft Franz Marc anlässlich seines 20. Todestages mit 165 Werken aus öffentlichem und privatem Besitz eine umfangreiche Retrospektive. Die Ausstellung ist mit über 2.800 Besuchern ein großer Erfolg. Zur gleichen Zeit wird der Künstler von den Nationalsozialisten bereits als entarteter Künstler diffamiert, und kurz darauf werden 130 seiner Werke aus deutschen Museen beschlagnahmt. Ein Teil seiner Werke wurde vernichtet, andere wurden ins Ausland verkauft.
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1936 – 1946
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kestner-Signet von Werner Gilles
1946 – 1956 Eröffnung der Ausstellung »Französische Malerei«
Veranstaltung Cocktail-Party mit Calder 17.03.1954
Blick in die Ausstellung Max Beckmann
Einladungskarte
Alfred Hetzen auf Marinis Pferd
Dr. Justus Bier
Blick in die Ausstellung Emil Nolde
Heckel-Büste, Erich Heckel, Anne Hentzen, Margrit Sprengel, Alfred Hentzen
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Cover des Wegbereiters
Marcel Duchamp in seiner Ausstellung
1956 – 1966 Eröffnung der Ausstellung »Französische Malerei«
Blick in die Ausstellung Lynn Chadwick
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Adolf Wölfi, Der Höllen-Oberst, 1908
Neue Presse: 28.05.1973
1966 – 1976
Rudi Fuchs in der Ausstellung »Kunst des XX.Jahrhunderts«
Eröffnung der Ausstellung »Französische Malerei«
Wieland Schmied hält die Eröffnungsrede zu Ausstellung Günther Uecker
Günther Uecker, Raumskizze zur Ausstellung
Carl Haenlein 28
Ausstellung | Veranstaltung Eva Hesse Skulpturen und Zeichnungen 17.8.1979 – 23.09.1979 Bruno Ganz »Ein Gehirn ist ein Staatsgebilde, sagt der Maler, plötzlich herrscht Anarchie« Auszüge aus dem Roman Frost von Thomas Bernhard 08.10.1984 Eduardo und Pili Chillida mit Mairi Kroll
Ausstellungskatalog
1976 – 1986 Ausstellungseröffnung Andy Warhol
Das kestner-Banner über Hannover
Dr. Carl Haenlein als »Sandwichman«
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Veranstaltung up-and-coming European Cinema Film Festival Hannover Wunden & Visionen der Megalopolen 01.11.1995 – 08.11.1995
11. DĂŹner des Beaux-Arts in entkernter Goseriedehalle
1986 – 1996
Ausstellungskatalog
Natascha und Carsten Ahrens mit John Baldessari
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Blick in die Ausstellung Anna und Bernhard Blume
1996 – 2016
Barbara Kruger, Ohne Titel, 2006
Gerhard Schröder, Rebecca Horn und Carl Haelein
Das Kuratorium in Bilbao 2006
Ausstellungseröffnung – Michel Majerus
Blick in die Ausstellung Barbara Kruger 31
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rückblick Das war 2015: heimo zobernig | jochen plogstieg küsse am nachmittag | 19.11.2014 – 14.02.2015 dominik sittig die anwesenden eltern | 05.03. – 25.05.2015 FORT Shift | 28.03. – 25.05.2015 nan goldin | pipilotti rist du wirst sorglos sein | 19.06. – 27.09.2015 rita mcbride gesellschaft | 17.10. 2015 – 10.01.2016
Jochen Plogsties, Küsse am Nachmittag, Installationsansicht kestnergesellschaft 2014/15. Foto: Raimund Zakowski
Nan Goldin, Installationsansicht kestnergesellschaft 2015. Foto: Felix Ahrens. Oben: Nan Goldin, Mona Lisa, 1517, Leonardo da Vinci; unten: Nan Goldin, Kathleen in my flat, New York City, ND
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Versionen Manch aufmerksamem Betrachter ist sicherlich nicht entgangen, dass im Ausstellungsjahr 2014/15 ein weltberühmtes Gesicht der Kunstgeschichte gleich in zwei Ausstellungen zu sehen war: die Mona Lisa. Sie tauchte in Jochen Plogsties’ Ausstellung »Küsse am Nachmittag« auf, und einige Monate später begegneten wir ihr unter den »Saints« von Nan Goldin wieder. Während der Leipziger Maler Jochen Plogsties eine Abbildung des Gemäldes, die er in einem Buch des deutschen Kunsthistorikers Frank Zöllner über Leonardo da Vinci gefunden hatte, im Jahr 2013 abmalte, hat Nan Goldin das Original im Louvre in Paris abfotografiert. Abmalen, abfotografieren. Hier wird klar, dass das Malen und Fotografieren eng mit einer Vorlage verknüpft ist und dass das Ergebnis folglich als Wiederholung, Kopie oder Version verstanden werden kann. Die Beschäftigung mit bereits bestehenden, historischen Werken der Kunstgeschichte lässt sich als gemeinsamer Ausgangspunkt der Ausstellungen von Plogsties und Goldin betrachten. Doch welches Interesse steckt hinter der Auseinandersetzung mit bestimmten Vorbildern? Welche Rolle spielen dabei die jeweiligen Medien – Malerei und Fotografie – mit denen die Künstler arbeiten? Wirft man einen Blick auf die beiden Versionen der Mona Lisa, die in der kestnergesellschaft zu sehen waren, wird klar, dass beide Künstler es nicht auf eine mimetische Nachbildung des Originals abgesehen haben. Weder Plogsties noch Goldin liefern uns exakte Reproduktionen. Vielmehr betrachten sie ihre Vorlagen mit einem äußerst subjektiven Blick. In Verbindung mit ihrem je eigenen künstlerischen Stil, ihrer malerischen
respektive fotografischen Herangehensweise, fließen persönliche Interpretation und Intention in den Prozess der Aneignung ein. Es entstehen markante Abweichungen vom Original in Bezug auf wichtige Parameter wie Bildformat, Farbigkeit, Materialität, Bildausschnitt und – im Fall von Plogsties – auf den Malstil. Die Künstler übersetzen, indem sie ihre Vorlagen genau studieren, in etwas Neues. Plogsties, der ausschließlich mit Reproduktionen arbeitet, genauer gesagt mit technisch reproduzierten Bildern, die er in Katalogen, Büchern, Zeitschriften und Zeitungen findet, interessiert sich primär für den Prozess des Malens. Es geht ihm um das Ausloten eigener malerischer Möglichkeiten, Grenzen und Entscheidungen im Vorgang des Kopierens. Dabei wiederholt er nicht nur bestimmte Bildsujets, sondern zeigt auch, wie die Originale abgebildet sind. So malt er beispielsweise die weißen oder farbigen Flächen einer Buchseite oder Postkarte mit. Außerdem lässt sich auf zahlreichen seiner Bilder eine Rasterstruktur erkennen, die über die technische Vorgehensweise des Künstlers Aufschluss gibt. Damit verweist er nicht nur darauf, dass es sich bei seinen Bildern um Kopien von Kopien handelt, sondern bringt damit sich selbst ins Spiel und suggeriert seine eigene »Anwesenheit«. Während bei Plogsties also die Wiederholung bestimmter Motive mithilfe seiner eigenen künstlerischen Mittel im Vordergrund steht, eignet Nan Goldin sich bestehende Bilder an, um diese gezielt in die Narration ihrer eigenen Sujets zu integrieren. In ihrer neuesten Werkgruppe »Saints« kombinierte sie jeweils Einzelbilder von ihren FreundInnen und LiebhaberInnen mit Fotografien von Gemälden unterschiedlicher Künstler und Epochen. Dabei wählt Goldin jeweils Bildausschnitte, die die Dargestellten weitgehend von anderen Details isolieren. Ihre Freunde hat sie vor neutralen und ruhigen Hintergründen fotografiert. Die gemalten Figuren wiederum werden zumeist ohne die vollständigen Attribute, Kleidungsstücke oder Hintergründe gezeigt, mit denen sie auf den ursprünglichen Gemälden dargestellt sind. Informationen, die Aufschluss über die Taten, konnotierten Werte oder die mythologische Bedeutung einer Figur geben könnten, werden auf diese Weise stark reduziert. Stattdessen rückt der Ausdruck einer Figur in den Mittelpunkt der Betrachtung und damit auch die Frage, wie wir die Mimik oder den Charakter einer porträtierten Person überhaupt deuten können. Durch die dialogische Gegenüberstellung eines fotografischen Porträts mit dem von einer gemalten Figur macht Goldin die verschiedenen Facetten einer Person
sichtbar. Die Stimmung, in der sich die Dargestellten befinden, ihre seelische Befindlichkeit, lässt sich dadurch nicht eindeutig festschreiben. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die historischen Gesichter jeweils einen weiteren Aspekt der Persönlichkeit von Goldins FreundInnen und LiebhaberInnen repräsentieren, der in der Einzelaufnahme nicht festgehalten wurde. Was erzählt der Gesichtsausdruck – der Blick und das Lächeln – der Mona Lisa über die fotografisch porträtierte Kathleen? Und was bedeutet die Tatsache, dass Goldin ihre Freundin mit diesem vieldiskutierten, berühmten Frauenbild zusammenbringt? Gerade die populären, vertrauten Werke der Malereigeschichte sind nicht nur bereits von anderen Künstlern immer wieder zitiert worden, sondern sie zirkulieren in Form von Reproduktionen in unserer alltäglichen Lebenswelt und sind Gegenstand von Kinofilmen und Büchern. Es ranken sich unzählige Legenden und Mythen um diese Werke, sie scheinen ein Geheimnis zu enthalten, das seit ihrer Entstehung auch von Künstlern und Theoretikern nicht gelüftet werden konnte. Was steckt hinter einem Gemälde wie Mona Lisa, das Wissenschaftler bis heute dazu veranlasst, aufwendige Recherchen zu der echten Person zu betreiben, die sich hinter dem Porträt verbirgt? Aufgrund seiner enormen Popularität und der Fragen, die das Bild bis heute aufwirft, ist es vermutlich sehr schwierig, es ohne seinen »mythischen Ballast« zu betrachten. Plogsties und Goldin wagen dieses Unterfangen, um die Rätselhaftigkeit und Besonderheit solcher Bilder nachzuvollziehen. Lotte Dinse
Farbe und Körper Die Ausstellungen »Du wirst sorglos sein« von Pipilotti Rist und »Die anwesenden Eltern« von Dominik Sittig, welche medial, inhaltlich und in der ästhetischen Darstellungsweise unterschiedlicher kaum sein könnten, haben gemeinsam, dass sie sich beide maßgeblich mit Farbe und Körper beschäftigen. Dominik Sittigs abstrakte Malweise bildet plastische Oberflächen aus und besitzt damit bereits eine Körperlichkeit. Schicht für Schicht werden die Farben aufgetragen, bis sie ein fast schon dreidimensionales Farbrelief formen, das sich wulstig von der Leinwand ausgehend nach außen wölbt. Farblandschaften, die innerhalb dieses Prozesses entstehen, erinnern zudem auch bildthematisch an Körperliches, beispielsweise an zertrümmerte Körper, Blut, Skelette, Exkremente und Gedärm. Das liegt neben der Körperlichkeit der Farbmassen auch wesentlich an den verwendeten Farbtönen der Ölbilder. Die Rottöne lassen sich unwillkürlich mit Blut, Innereien und rohem Fleisch assoziieren, die schlammigen Brauntöne mit Kot, Verwesung und Dreck. Auf visuell harmonischere Weise wird das Thema des Körperinneren auch von Pipilotti Rist mit ihrer Videoinstallation »Worry Will Vanish Horizon« (2014) aufgegriffen. Sie lädt den Besucher dazu ein, sich auf dem ausgelegten Teppichboden zu entspannen und in eine sich schichtweise überlagernde Bilderwelt einzutauchen, die ungewöhnliche Perspektiven bietet: Auf zwei Wänden werden farbintensive, fließende, hochauflösende Be-
wegtbilder gezeigt, die rhythmisch ineinander übergehen. Ähnlich einer Reise durch den Körper, die an eine Gastroskopie denken lässt, präsentiert sich das Körperinnere als eine gewaltige Landschaft, die eine Verbindung mit hochauflösenden Nahaufnahmen von Haut- und Pflanzenstrukturen eingeht. Der von dem Musiker Anders Guggisberg eigens für die Videoarbeit konzipierte Sound lässt sich als gleichwertiges Element zum Visuellen verstehen und ist auf das Bildgeschehen abgestimmt. Sowohl Bild als auch Ton sind beeinflusst von den Prinzipien des autogenen Trainings, das ein Körperbewusstsein verstärken und die Imagination aktivieren soll. Die Arbeit »Worry Will Vanish Horizon« bildet so einen bunten und bewegten Erlebnisraum, der die Einheit und wechselseitige Beeinflussung von Körperlichem und Mentalem veranschaulicht und sich dadurch mit dem Körper in seiner Entgrenzung auseinandersetzt. Konträr dazu stellt Sittig das Mentale selbst gänzlich in Frage. Er parodiert die Erwartungen an einen künstlerischen Ausdruck, wie er beispielsweise im Informel oder im abstrakten Expressionismus vorausgesetzt wird, indem er ihn durch die Farbüberfrachtung und seinen übersteigerten malerischen Gestus zitiert. Der Gestus schreibt sich in Sittigs Werke sorgfältig ganz ohne inspirierende Ekstase ein. Damit verhindert er ein Sichversenken und stellt die Wirklichkeit der bloßen Form einer Suche nach subtilen Kunstbotschaften entgegen. Er untergräbt im Sinne Wittgensteins ein grundlegendes philosophisches Bild, wonach mentale Vorgänge wie Empfindungen in einem nur subjektiv gegebenen, inneren Bereich (oder einem Gehirn) zu verorten sind. Stattdessen bildet sich alle Innerlichkeit prozesshaft in einer äußeren Form ab. Die Rückführung zur bloßen Form wird auch in seinen geschriebenen Texten thematisiert. Immer wieder fällt in diesem Kontext der Begriff des »Ektoskeletts«, dessen Gebrauch bei Sittig vor allem metaphorisch stattfindet, um die Form an sich zu bezeichnen.1 In der Biologie bezeichnet das Ektoskelett ein den Körper umhüllendes Außenskelett mit Stützfunktion und ist ein Kennzeichen für Gliederfüßler. Diese Skelettform wird also durch drei Merkmale gekennzeichnet: »Es befindet sich außen, ist nach außen hin abweisend und hat eine formgebende Funktion.«2 Die Künstlichkeit der angelegten Form seiner Arbeiten nimmt in den neueren Arbeiten noch weiter zu, da Sittig, neben der zitierten Expressivität, mit der Materialwahl einen Übergang von
Pipilotti Rist, Worry Will Vanish Horizon, kestnergesellschaft 2015, Foto: Raimund Zakowski Dominik Sittig, Die anwesenden Eltern, Installationsansichten kestnergesellschaft 2015. Fotos: Simon Vogel
Vgl. Heinrich Dietz, »Im Gehrock der Kunst. Eine entomologische Skizze«, in: Dominik Sittig. Die anwesenden Eltern, Berlin 2015, S.8-12.
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2 Heinrich Dietz, »Im Gehrock der Kunst. Eine entomologische Skizze«, in: Dominik Sittig. Die anwesenden Eltern, Berlin 2015, S.13.
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der klassischen Ölfarbe zur synthetischen Acrylfarbe vollzogen hat. Nun in schimmernde Trash-Ästhetik gehüllt, wird sichtbar, wie selbst durch das Abtragen von Farbe formbildende Eindrücke entstehen. Dieses künstliche Prinzip verfolgt Sittig auch in seinen Texten, deren formales Spektrum verschiedenste literarische Gattungen umfasst. Sittig überfrachtet die sprachlichen Formen seiner Texte derart, dass sie bis ins Letzte ausgereizt, in Frage gestellt oder gänzlich aufgehoben werden und damit Vorstellungen einer authentischen Innerlichkeit verwerfen.3 Bei Rist findet die Auseinandersetzung mit dem Körper zwar auf eine ganz andere Weise statt, ist aber deshalb nicht minder künstlich. Das visuelle Eintauchen in den Körper, das dem Besucher ein Sichversenken in den eigenen Körper erleichtern soll, beruht auf hoch artifiziellen und zum Teil digital generierten Bildern. Im Gegensatz zu echten Aufnahmen des körperlichen Innenlebens, werden animierte, geschönte Bilder – voll Wärme und Ruhe – gezeigt. Wahrscheinlich ermöglicht erst diese animierte Choreographie eine Kontemplation und Körpererfahrung. In der Installation verschmelzen vermeintliche Gegensätze wie Technik und Natur, Virtuelles und Körperliches, sodass das eine im Anderen aufgehoben ist. Katharina Ohmer
Dynamische Leere
Heimo Zobernig. Installationsansichten kestnergesellschaft 2015. Fotos: Raimund Zakowski Heimo Zobernig. Installationsansichten kestnergesellschaft 2015. Fotos: Raimund Zakowski FORT, Lonesome Raider, 2015. Installationsansicht kestnergesellschaft 2015. Foto: Raimund Zakowski. FORT, Leck (Detail), 2012. Installationsansicht kestnergesellschaft 2015. Foto: Raimund Zakowski
3 Vgl. Pressemitteilung, kestnergesellschaft, 2015.
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Eine Atmosphäre von Leere prägte die Ausstellungen des Künstlerinnen-Duos FORT (Alberta Niemann und Jenny Kropp) und des österreichischen Künstlers Heimo Zobernig. Während FORT mit der raumgreifenden Installation »Leck« (2012) das vollständige Interieur einer Filiale der ehemaligen Drogeriekette Schlecker in den Ausstellungsraum transferierte, präsentierte Zobernig u.a. eine Reihe von Skulpturen aus den vergangenen 30 Jahren in chronologischer Reihenfolge. Darunter Tische, Sockel, Regale, eine Bank, ein Tresen, Variationen einer Bar – Objekte, die uns ähnlich wie der Schleckerladen vertraut erscheinen. Doch herausgelöst aus seinem ursprünglichen Kontext und Gebrauchswert, entfaltet das Mobiliar einen skulpturalen Charakter. Das gilt auch für FORT’s Arbeit »Lonesome Raider« (2015), ein Snackautomat, der lediglich ein »einsames Raider« in einem der Fächer enthält. Handelt es sich
bei »Leck« und »Lonesome Raider« – eine ausgediente Schleckerfiliale und ein gewöhnlicher Snackautomat, die die Künstlerinnen auf Ebay ersteigert haben – um readymades, sind Zobernigs Skulpturen oft aus billigen Materialien gefertigt, darunter Pressspan, MDF, Dispersionsfarbe, Karton oder Styropor. Während die einfache, geometrische Formensprache und die standardisierten Elemente zu dem meist nüchternen, pragmatischen Eindruck von Zobernigs Arbeiten beitragen, erfährt das profane Ausgangsmaterial von »Leck« durch die Präsentation außerhalb des Alltagskontextes eine auratische Aufladung. In kaltes Neonlicht getaucht erscheinen die Einrichtungsgegenstände wie ein Gerippe, präpariert, um einen letzten Blick darauf zu werfen oder um eine vergangene Ära in Erinnerung zu rufen. Die unheimliche, beinahe apokalyptische Atmosphäre wird durch das mechanische Geräusch des Kassenbands noch untermauert. Seiner ursprünglichen Funktion enthoben transportiert es keine Ware mehr, sondern läuft konstant in der Endlosschleife. Nackte Regale und leere Displayflächen rücken auch bei Zobernigs Skulpturen in den Fokus der Betrachtung. Genau wie »Leck« oder »Lonesome Raider« sind auch Zobernigs Arbeiten wie ein Tresen (»ohne Titel«, 1999) und eine Art Informationsstand (»ohne Titel«, 1997) von Gebrauchsspuren überzogen. Die meisten Objekte hatten vormalig eine Gebrauchsfunktion und sind dem Alltag entlehnt. Die Überschneidung des Ausstellungsund Außenraums und das Verwischen der Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem sowie zwischen Kunst und Alltag spielt bei FORT wie auch bei Zobernig eine zentrale Rolle. Ihre Arbeiten entziehen sich oftmals dem klassischen Werkbegriff, da sie eng mit unserer realen Dingwelt verknüpft sind und den Charakter von readymades besitzen. FORT interessiert sich in diesem Zusammenhang für Doppeldeutigkeiten, die entstehen, wenn die ursprünglichen Bedeutungen von Dingen und Orten, die uns aus dem Alltag vertraut erscheinen, durch sichtbare oder subtile Eingriffe verändert werden. Zobernig, dessen Arbeiten den Grenzbereich von Gebrauchsgegenstand und autonomen Werk ausloten, untersucht die Frage, wie seine Objekte Kunst sein können und als Kunst erfahren werden. Die Entscheidung, die Auswahl der Arbeiten auf bestimmte Aspekte zu fokussieren, spielt sowohl für FORT wie auch für Zobernig eine tragende Rolle bei der
lanung und Konzeption der Ausstellungen. Der Eindruck P von Leere und Reduktion rührt nicht zuletzt daher, dass die Künstlerinnen bewusst auf einen möglichst ausführlichen Überblick über ihr bisheriges Schaffen verzichtet haben. Vielmehr begreifen sie die Ausstellung selbst als Kunstwerk, wobei die Auseinandersetzung mit der bestehenden Raumsituation und die Konzeption einer Ausstellungsdramaturgie ein essentieller Bestandteil der künstlerischen Vorgehensweise ist. Während FORT in einem sehr reduzierten Setting die Vergänglichkeit und das Verschwinden von Dingen, Personen und Orten auf poetisch-narrative Weise inszeniert, befragt Zobernig mit seinen minimalistischen Skulpturen, die er zum Teil in verschiedenen Ausführungen wiederholt, den Status des Kunstwerks und die Bedingungen seiner Zurschaustellung. Lotte Dinse
Der Künstler als Literat Im Jahr 2015 traten sowohl Dominik Sittig in seiner Ausstellung »die anwesenden eltern«, als auch Rita McBride in ihrer Ausstellung »gesellschaft«, nicht nur als Künstler, sondern auch als Literaten auf. Sich als Künstler schriftlich mit Inhalten und Themen der Kunst oder dem Kunst- und Kulturbetrieb auseinanderzusetzten hat Tradition. Bei diesen beiden Ausstellungen kam es jedoch zu einer überraschenden Koinzidenz. Nicht nur die Weise, wie beide Künstler ihre eigenen Texte in die Ausstellung eingebunden haben, indem sie diese direkt neben ihren Kunstwerken in den Ausstellungshallen präsentierten und damit eine unmittelbare Verbindung mit ihren Kunstwerken implizierten, sondern insbesondere die Art, wie bei McBride und Sittig die Inszenierung des Literarischen stattfindet, stellt eine auffallende Parallele dar: In beiden Fällen wurden die selbst verfassten Bücher und Texte jeweils auf einem eigens für die Ausstellung gefertigten Büchertisch präsentiert. Trotz solcher Gemeinsamkeiten unterscheiden sich ihre grundlegenden Konzeptionen erheblich voneinander. Sittig, der bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in
seinen Büchern und Vorträgen die Kunst und seine Rolle als Künstler reflektiert und dessen Texte ein formales Spektrum von zeitkritischen Analysen, Schimpfreden und Proklamationen bis zu psychologischen Bekenntnissen, Traumaufzeichnungen und Gedichten umfassen, schafft mit seinem Arrangement aus Tisch und Stühlen eine Art Leseecke. Er versteht den für die Ausstellung gestalteten Rundtisch als Gebrauchsgegenstand, der die Besucher dazu einlädt, die ausgelegten Texte zu lesen. Bei Rita McBride ist der Büchertisch kein Gebrauchsgegenstand, sondern ein autonomes Kunstwerk, das den Titel »Tulip Pulpit« trägt. »Tulip Pulpit« ist vierseitig und nimmt im ersten Ausstellungsraum eine zentrale Position ein. Von einem sakralen Charakter geprägt, erinnert das Objekt dem Titel entsprechend tatsächlich an ein Stehpult oder an eine Kanzel. Aber auch die ausgelegten Romane selbst stehen mit dem Werktitel »Tulip Pulpit« in Verbindung, denn sie wurden im Stil von »pulp fiction”, also im Stil von Trivial- und Schundliteratur, verfasst. Die Romane wurden von Rita McBride, teilweise auch unter ihrem Pseudonym Gina Ashcraft, selbst geschrieben, häufig in Kooperation mit anderen Künstlern. In ihnen reflektiert Rita McBride humorvoll das Künstlersein und den Kunstbetrieb und erweckt ihre ausgestellten Arbeiten in verschiedensten Formen zum Leben. Durch diese schriftlichen Erzählungen erfahren ihre Werke eine Erweiterung. Die Idee für »Tulip Pulpit« orientierte sich an einem Vorbild, das im privaten Wohnhaus des mexikanischen Architekten Luis Barragán anzutreffen war. Barragán hat einen ähnlichen Tisch genutzt, der ihm und seinen Freunden zum Austausch und zur Inspiration diente, da sich jeder von ihm etwas wegnehmen oder etwas darauf platzieren konnte. Ähnlich wird auch »Tulip Pulpit« von Rita McBride zu einer Art visualisiertem Archiv, das inspiratives Quellenmaterial ihrer künstlerischen Praxis veranschaulicht – darunter Bücher, Schablonen, Schlüssel und Skizzen. Doch auch wenn die Skulptur nicht privat (wie bei Barragán) platziert ist, sondern öffentlich zugänglich ist, findet bei diesem Werk kein Austausch statt, da weder etwas weggenommen, noch etwas dazugelegt werden darf, sondern das offengelegte Display untrennbar mit der Bedeutung der Skulptur verwoben ist – und damit eben auch die Bücher.
Dominik Sittig, Die anwesenden Eltern, Installationsansicht kestnergesellschaft, 2015. Foto: Simon Vogel Rita McBride, Gesellschaft, Installationsansicht kestnergesellschaft, 2015 Foto: Lennart Holst
Katharina Ohmer
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der kleine pressespiegel 2015
rita mcbride | gesellschaft deutschlandfunk, oktober 2015 »Gerade weil man sie wiedererkennt in ihrer angedeuteten Funktionalität, wirken McBrides Objekte so befremdlich, erscheinen sie mehr als Traumgebilde, denn als tatsächliche Dinge. Ein Hauch des Surreal-Unheimlichen durchweht die Hallen der Kestnergesellschaft – auch wenn Christina Végh als Kuratorin alles unternimmt, diese werkschau möglichst nüchtern auszuleuchten und McBrides Werk eher in die Nachfolge der Sozialen Plastik Joseph Beuys zu rücken. Am Ende sind McBrides Arbeiten vieldeutig genug, um auch unterschiedlichen Deutungen standzuhalten.«
süddeutsche, oktober 2015 »Die Arbeiten kommentieren das Gefängnis, das wir uns in unserer Sicherheit bauen.« »Die Schwere und der Ernst der Minimal-Art verfliegt sich durch die Auswahl dieser dienenden Objekte und ihre absurde Verwandlung. Schwer ist hier nur das Material, und zwar besonders dort, wo es um unbedingte Leichtigkeit geht: die Schlüsselriesen aus zehn Zentimeter dickem Stahl, die in zahlreichen Varianten das »Schlüsselwerk« der Hannover Schau mit dem Titel »Gesellschaft« darstellen, stemmen sich zunächst gegen jede Symbolik von Geheimnis oder Sexualität, mit denen sie sonst verknüpft sind. Aber in ihrer Unbrauchbarkeit geben sie einen Kommentar zu dem Gefängnis ab, das wir uns in der Sicherheitsmanie bauen, überall den Zugang versperren zu müssen.« »Der öffentliche Raum wird so mit zahlreichen freundlichen Interventionen auf seine Brauchbarkeit befragt – wenn auch nur im geschlossenen Raum einer Kunsthalle. Aus diesem verschlüsselten Kosmos hinaus trägt der ironische Minimalismus Rita McBrides aber trotzdem.«
artist – das kunstmagazin, oktober 2015 »Die 55-jährige McBride, seit 2013 Rektorin der Düsseldorfer Kunstakademie, interessiert sich für moderne Formen, Bauten und Strukturen, die unseren Alltag prägen und doch selten wahrgenommen werden. Parkhäuser, Rohrsysteme, Autos, Schablonen, Stühle oder eben Stromkästen haben sie schon zu Arbeiten angeregt. Dabei geht es ihr nicht nur darum, unseren Blick für diese »unsichtbaren« Objekte zu schärfen. Die Bildhauerin erkundet vorrangig das Verhältnis von Form und Inhalt, wagt Verschiebungen, kombiniert das Bekannte mit neuen Ideen, spielt mit Materialien: Stühle aus Murano-Glas, ein Auto aus Rattan oder die 52 Meter hohe Skulptur Mae West aus Karbonstangen, die am Münchener Effnerplatz in den Himmel ragt. McBrides Kunst ist von überraschender Vielfalt.«
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nan goldin artist – das kunstmagazin, august 2014 »Die Art, wie Menschen trauern und Schmerz empfinden, wie sie Triumphe feiern und sich lustvoll umarmen, ändert sich über die Zeiten hinweg wenig. […] In ihrer im selben Jahr enstehenden Diasschau »Scopophilia« (2011), im Deutschen für »Die Lust am Schauen«, macht Nan Goldin diese Nähe augenfällig, indem sie ihre alten Fotografien, viele davon aus »Die Ballade von der sexuellen Abhängigkeit«, zusammen mit ihren neuen Aufnahmen aus dem Louvre zeigt. Sie sind gegenwärtig in einer von Lotte Dinse kuratierten, großartigen Einzelausstellung der Künstlerin in der hannoverschen kestnergesellschaft zu sehen. Die Allianzen, die auf diese Weise entstehen, sind atemberaubende Augenöffner. Nicht nur, weil Malerei und Fotografie hier einander sehr nahe kommen, nicht nur weil Goldins Aufnahmen so malerisch und die Gemälde so erzählend sind. Sondern eben auch, weil über die Zeiten hinweg ein heutiger Kuss aus einem früheren, eine Umarmung aus einer früheren zu folgen scheinen. Eine einzige, ewige, sich gleich bleibende Verwandlung.«
monopol, juli 2015 »Auf den rund 400 Dias der Serie stellt die amerikanische Künstlerin ältere Aufnahmen von Freunden neueren Bildern von Gemälden und Skulpturen, die sie im Pariser Louvre fotografierte, gegenüber – es ergeben sich erstaunliche ikonographische Parallelen.«
pipilotti rist | du wirst sorglos sein kunstforum international, august 2015 »Pipilotti Rist öffnet das Tor zur Welt ein Stück weiter als die meisten Künstler. Bei ihr verschwimmen die Grenzen. Alles fließt, verschmilzt, wird Form und löst sich wieder auf«.
neue presse, juni 2015 »Pipilotti Rist macht es den Besuchern ihrer raumgreifenden Videoinstallationen gerne gemütlich. Die Künstlerin aus der Schweiz erschafft aus der Verbindung von Räumen und Projektionen kleine Landschaften, die unmittelbar auf das Raum- und Zeitempfinden der Besucher einwirken.«
stern, juni 2015 »Und tatsächlich, wer sich hineinfallen lässt in ihre Video-Traumbilder, gerät in eine Wunderwelt aus Farben.«
jochen plogsties | Küsse am Nachmittag art das kunstmagazin, dezember 2014 »Fast mutet Plogsties wie ein Heiler an, der diesen abgenutzten Bildern von Bildern ihre Aura zurückermalt.«
hannoversche allgemeine zeitung, november 2014 »Er erhebt sich also nicht zum neuen künstlerischen Subjekt, das anstelle von Leonardo da Vinci alle ästhetischen Entscheidungen autonom trifft. Der Träger des Kunstpreises der »Leipziger Volkszeitung«, [...] bietet in seinen Arbeiten intelligente Reflexionen über das Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit. Und das nicht nur anhand von Motiven aus der Malerei, sondern auch mit der Reproduktion von Fotografien [...].«
FORT | shift hannoversche allgemeine zeitung, mai 2015 »Schnöde Alltagswelt also in der Ausstellungshalle. Ist das Kunst, oder kann das weg? Die künstlerische Strategie scheint bekannt zu sein, seit Marcel Duchamp 1917 ein Urinierbecken auf einen Sockel gelegt und »Fontaine« genannt hat. Alltagsgegenständen lassen sich auch per Deklaration in Kunst überführen. Doch Jenny Kropp und Alberta Niemann legen Wert darauf, nicht einfach in der Tradition von Konzeptkunst und Dada »objets trouvés« sich, vorgefundene Gegenstände also, in Ausstellungshallen zu befördern. Und in der Tat enthalten ihre, tja, Werke stets subtile Elemente der Verfremdung. […] »Shift« heißt die Ausstellung nicht von ungefähr – geboten wird hier nicht nur ein Perspektivwechsel im Blick auf Objekte des Alltags, verändert werden auch diese selbst: […].«
heimo zobernig neue presse, november 2014 »Die Möbelskulpturen behalten in ihrer einfachen, geometrischen Formensprache immer einen faszinierenden Schwebezustand von Nutzbarkeit und Nutzlosigkeit. Das ereignet sich eben in diesem Grenzbereich von Gebrauchsgegenstand und autonomen Werk: Sie sind darum echte Kunstwerke, denn auch die Kunst kommt (meistens) ohne den direkten Nutzen aus.«
art das kunstmagazin, januar 2015 »Interessant sind diese Skulpturen allemal, intelligent, manchmal sogar witzig und immer bringen sie ihr kunstkritisches Anliegen minimalistisch-sinnlich zur Sprache. Das Problem ist nur, dass ihre Ästhetik zutiefst in den neunziger Jahren verwurzelt ist.«
taz, märz 2015 »Forts Räume werden vor allem durch Bewegung und Wärme geprägt. Und durch ihr soziales Moment: Fort gestaltet diese Wahrnehmungen kritisch aber nirgends agitatorisch.«
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1. Preview-Abendessen von Förderkreis + Kunstkomm zur Dominik SittigAusstellung 2. Blind Date mit Tobias Madison 3. Christiane Rischbieter Gräfin von der Schulenburg 4. Betriebsausflug zum Steinhuder Meer 5. Christina Végh eröffnet die Ausstellung von Dominik Sittig
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6. Uwe Reuter, 1. Vorsitzender 7. Joachim Werren, Generalsekretär der Stiftung Niedersachsen a.D. während der Pressekonferenz zu Pipilotti Rist 8. Blick in die Ausstellung Pipilotti Rist
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9. Torte zur Katalog präsentation FORT 10. Ursula Sandmann und Christiane Rischbieter Gräfin von der Schulenburg
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11. Jochen Plogsties im Gespräch mit Kuratorin Lotte Dinse 12. Blick in die Ausstellung »Die Dinge das sind die Anderen«, Marktkirche Hannover 40
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13. Christina VĂŠgh 14. Inga Samii 15. Eckhard Forst und Dr. Friedhelm Haak 16. Pipilotti Rist und Nan Goldin 17. Fassade 18. Christina VĂŠgh und Mairi Kroll 19. Uwe Reuter und Tochter Caroline Foto: Jan Philipp Eberstein 20. Blick in die Ausstellung Rita McBride 21. Blick in die Ausstellung Pipilotti Rist
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schule:kultur! = igs bothfeld und kestnergesellschaft Die kestnergesellschaft und die IGS Bothfeld gehören zu den 40 ausgewählten Kooperationspartnern für das Projekt SCHULE:KULTUR! Ziel des Projekts ist es, Kunst und Kultur fest im schulischen Alltag zu verankern. Das Schuljahr 2015 haben wir mit einem Workshoptag für das Kollegium und drei intensiven Projekttagen für die SchülerInnen gestartet.
Ein fertiges Mobile vor Pipilotti Rists Starschnitt aus der ZEIT Beim Umrunden der Kugel – Das Kollegium der IGS Bothfeld in der Installation von Pipilotti Rist Das Kollegium der IGS Bothfeld in der Ausstellung Nan Goldin Beim Austarieren des Gleichgewichts – Das Kollegium der IGS B othfeld beim Tagesworkshop
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Pipilotti Rist und Nan Goldin ‒ die I GS B othfeld auf künstlerischer Abenteuerreise »Wähle eine Kugel und umkreise sie zwei Minuten lang« war auf meiner Regieanweisung zu lesen. Zusammen mit meinem Kollegium befinde ich mich in einem abgedunkelten Raum mit Installationen und Projektionen von Pipilotti Rist. Ich sehe mich eine sich drehende Spiegelkugel umrunden und achte darauf, dass niemand registriert, was ich da gerade mache. Dabei bemerke ich, dass mein Kollege Sascha denselben Auftrag zu haben scheint. Also beobachte ich ihn, wie er in kleinem Radius immerwährend dieselbe Kugel wie ich umkreist. Er nimmt mich nicht wahr, denn ich habe einen sehr viel größeren Radius gewählt. Zwei Minuten können lang sein. Meine Blicke wandern zu Kolleginnen und Kollegen, die auf dem Boden liegen, starr in der Mitte des Raumes stehen, Schattenspiele machen, in der Ecke stehen, langsam durch den Raum wandern, sich mit geschlossenen Augen führen lassen. Ein absolut skurriles Szenario, das mich nicht nur die Ausstellung noch intensiver wahrnehmen lässt, sondern auch meine Kolleginnen und Kollegen. Versehen mit diesen vielfältigen Erfahrungen und Eindrücken geht es nun einen Schritt weiter: In einem wunderbar vorbereiteten Raum erwarten uns unzählige Gegenstände und Materialien, die wir in zwei Gruppen zu Mobiles zusammenfügen dürfen. Es wird fleißig geknotet, geschraubt, gebastelt, verbunden, aufgehängt. Die Ergebnisse sprechen für sich: Zwei riesige, sehr unterschiedliche Mobiles zieren am Ende dieses Workshops einen Raum in der kestnergesellschaft: filigrane Gerüste, versehen mit Kugeln, Spiralen, Luftballons, die sogar eine spontan einbezogene Getränkekiste zum Schweben bringen. Für mich als Schulleiter ist es besonders schön, eine ganz andere Zusammenarbeit des Kollegiums zu er-
leben: zu sehen, wie Teamarbeit vorgelebt werden kann, wie neue Kolleginnen und Kollegen sich integrieren und aufgenommen werden. Und das alles außerhalb der Schule in einem höchst anregenden Gebäude mit einer großen Portion Kreativität, also genau zugeschnitten auf die IGS Bothfeld als Kulturschule. Julia Wedlich, Mitarbeiterin der kestnergesellschaft im Bereich Vermittlung, hatte diesen Tag mit Unterstützung von Miriam Rausch für uns liebevoll und durchdacht vorbereitet. Von der anfänglichen Erkundung der Nan Goldin Ausstellung anhand spannender Aufträge über das Eintauchen in Pipilotto Rists verzaubernde Installationen bis hin zum Workshop »Mobile«. Als eine von 40 niedersächsischen Projektschulen »Schule:Kultur« werden an der IGS Bothfeld Lehrkräfte mit Unterstützung eines Kulturpartners zu Kulturkoordinatoren ausgebildet. Die IGS Bothfeld hat mit dem Gewinn der kestnergesellschaft als Partnerin eine perfekte Wahl getroffen: Auf diese Weise gemeinsam in ein neues Schuljahr zu starten, ist für alle Kolleginnen und Kollegen der IGS Bothfeld ein Geschenk. Ich bin dankbar, motiviert und freue mich schon riesig auf weitere gemeinsame Aktionen! Rainer Kamphus, Schulleiter der IGS Bothfeld
»Gesellschaft« nennt Rita McBride die Rückschau auf ihre Werke aus zwanzig Jahren. Und so unterschiedlich die einzelnen Kunstwerke, so vielfältig waren auch die Projekttage der IGS Bothfeld, in denen wir den Titel der Ausstellung zum Thema einer fächerübergreifenden Projektwoche gemacht haben. Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 6 und 7 haben sich in 10 Projekten mit dem gesellschaftlichen Miteinander auseinandergesetzt. Eine Gruppe von 15 Schülerinnen und Schülern kam an drei Tagen in die kestnergesellschaft und hat sich auf vielseitige Weise das Kunstwerk »Arena« angeeignet.
Ist ein Kunstwerk nur dazu da, betrachtet zu werden? Rita McBrides »Arena« ganz bestimmt nicht! Wie schön war es doch für die SchülerInnen, das Kunstwerk zu erklimmen, sich auf den obersten Rang zu legen und es auf sich wirken zu lassen. Andächtig davorstehen und nicht anfassen – die Regel, die sonst oft bei der Kunstbegegnung eingehalten werden muss, galt hier nicht: Die SchülerInnen mussten nicht lange von den Kunstvermittlerinnen Katja Krause und Julia Wedlich aufgefordert werden, ausgehend von der Form des Kunstwerks oder hinzugenommener Gegenstände Geschichten und Ideen zu entwickeln, was hier stattfinden könnte. Die »Arena« wurde so für kurze Zeit zum Fußballstadion, zur Pferderennbahn oder ihre ovale Form zu einem riesigen Spiegel und die ProjektteilnehmerInnen avancierten zu Rockstars, Jurymitgliedern und Fans. Zum Vergleich der Atmosphäre und des Baus des Kunstwerkes ging es zu den benachbarten Hochhaus-Lichtspielen. Dabei wich nicht nur die Vogelperspektive auf die Arena der Froschperspektive im Kino, sondern es wurden auch ganz unerwartete Sitzhaltungen eingenommen, die Reaktionen auf einen imaginierten Film nachgestellt und von einem Regisseur die Schauspieler für den nächsten Bondfilm ausgesucht. »Die anderen Kunstwerke wollen wir auch sehen«. Um es dabei schön bequem zu haben, riefen die SchülerInnen in aller Eile am zweiten Tag die »Opa-Gesellschaft« aus, und packten sich für den Ausstellungsrundgang Stühle. Es wurden Skizzen gefertigt, Fragen formuliert und auch Bezüge zum Thema Gesellschaft und Gemeinschaft aufgespürt, die dann in großer Runde diskutiert wurden. So fanden die SchülerInnen bei einer Stahlschablone, dass das trichterförmige Muster aus unterschiedlich großen Teilen der Zusammensetzung einer Gesellschaft gleicht,
in der zwar jedes Mitglied individuell und anders ist und doch zur größeren Form beiträgt. Ganz individuell waren auch Erfahrungen bei theaterpädagogischen Übungen in der »Arena«, als bei den Einzelauftritten die Blicke der Anderen auszuhalten waren.
Schülerinnen und Schüler der IGS Bothfeld bei den Projekttagen in der kestnergesellschaft
Kunst – Anlass zur Diskussion Zum Jugendparlament wurde die »Arena« am dritten Tag, als sie sich in einen Ort der kontroversen Diskussionen zum Thema Kunst wandelte. Aus dem gemeinsamen Rundgang am Vortag wurden die Fragen mitgebracht: Ist die »Arena« ein Kunstwerk? Muss Kunst bunt sein? Dürfen nur Fachleute bestimmen, was Kunst ist? Die jungen Parlamentarier haben für konträre Positionen Argumente gefunden, ihr Expertentum mit selbstentworfenen Krawatten und Mikrophonen unterstrichen, bevor es dann im Plenum mit individuell und kunstvoll gestalteten Schildern zur Abstimmung kam. Von Tag zu Tag wuchs die Vertrautheit der Schülerinnen und Schüler mit allen Bereichen der kestnergesellschaft. Selbst in den Pausen nutzten sie die »Arena« und somit die Kunst - als Rückzugsort oder verwickelten die MitarbeiterInnen vom Empfang ins Gespräch. Und so freuen wir uns, wenn die kestnergesellschaft für unsere Schülerinnen und Schüler durch die verstärkte Kooperation im Rahmen von Schule:Kultur und vielen weiteren gemeinsamen Projekten zum selbstverständlichen und spannenden Ort wird, der immer wieder zu neuen Kunstbegegnungen einlädt. Astrid Ziron, Kulturkoordinatorin der IGS Bothfeld
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»think twice« fotoworkshop
Geflügelschau Foto: Ksenia Gorokhova »Diese Bilder habe ich aus einem Impuls heraus geschossen. Ich wusste selbst nicht, warum. Später war ich sehr froh darüber. Ich finde interessant, wie die scharfen Kanten der Schatten im Gegensatz zu den eher verschwommenen Bildern stehen. Die Taube auf dem mittlerem Bild ist auf dem ersten Bild oben links wieder zu erkennen. Außerdem mag ich die geraden Linien im ersten Bild, die ganz anders sind als verbogenen Linien im letzten Bild.« Die Pentigrafinnen Ksenia Gorokhova und Vivien Boseniuk
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Am 30. August fing der Fotoworkshop »Think Twice« an, basierend auf der Ausstellung »Scopophilia« von Nan Goldin und geleitet von Nils Loof, Hochschule Hannover, und von Julia Wedlich, kestnergesellschaft. Es ging damit los, dass Herr Loof etwas über die Penti-Kamera erzählte, der Kamera, mit der wir im Workshop arbeiten würden. Sie wurde noch zur DDR-Zeit hergestellt (von 1961 bis 1977) und Herr Loof stellte uns großzügigerweise ein paar Original-Pentis aus seiner Sammlung zur Verfügung. Die Pentikamera wurde ursprünglich wegen ihres relativ geringen Gewichts und ihrem hübschem goldenem Gehäuse als Frauenkamera hergestellt. Der wahre Grund aber für den Einsatz der Kamera in diesem Workshop war, dass die Penti eine Halbformatkamera ist. Das bedeutet die Filme sind 18 x 24 mm groß (statt 24 x 36 mm), somit konnten die »grids« von Nan Goldin besser durch Doppel- oder Dreifachbilder nachgeahmt werden. Nach dem Vortrag über die Penti-Kamera gingen wir in die Ausstellung von Nan Goldin, bei der wir uns Inspiration holten. Besonders spannend waren die Bilder, bei denen neben einer Person aus Goldins Leben Gemälde von Personen vergangener Zeit mit auffallender Ähnlichkeit zu sehen waren, als würde sich alles in der Welt wiederholen, egal in welcher Zeit man sich gerade befindet. Die »grids« gefielen mir auch, sie machten für mich klar, wie viele Bezüge und Zusammenhänge man zwischen unterschiedlichen Gegenständen herstellen kann. Nach dem Vortrag über die Penti-Kamera wurden uns noch die Grundlagen von den Einstellungen (beim Fotografieren einer Kamera) erklärt, zum Beispiel, dass man durch die Blende bestimmen kann, wie viel Licht von draußen auf den Bildsensor kommt. Als wir uns nach schüchternem Schweigen zu Zweiergruppen zusammengeschlossen hatten, bekam jede Gruppe eine Penti und zwei Filme und durfte gleich an die Arbeit: rausgehen und Bilder schießen, die auf irgendeine Weise zusammenhingen, egal ob es einen nar-
rativen, thematischen oder formalen Bezug gab. In der Ausstellung würde dann jeweils ein Doppelbild von allen ausgestellt werden. Die Herausforderung an dieser Aufgabe war, dass die Bilder, die in das Doppelbild zusammengefügt werden sollten, auch gleich hintereinander fotografiert werden mussten. Zum Glück herrschte draußen sonniges Wetter, sodass die Gruppen Hannover in Ruhe nach interessanten Zusammenhängen durchsuchen konnten. Mit meiner Gruppe wagten wir uns bis nach Linden! Für die Menschen aus meiner Generation war es beim Fotografieren frustrierend, dass man erstens das Bild nicht löschen konnte, und zweitens, noch wichtiger, dass man das geschossene Bild nicht mal sehen konnte! Aufgrund dieser Sorge bekamen wir alle einen Schock, als Herr Loof eine Woche später beim zweiten Treffen verkündete, dass drei der Filmrollen nicht belichtet wurden! Zum Glück stellte sich später heraus, dass es ein Missverständnis gegeben hatte und dass diese drei Filmrollen nicht benutzt wurden. Auf dieses Treffen empfand ich die meiste Vorfreude, da ich endlich herausfinden würde, ob meine Bilder nun wirklich gut zusammenpassten, ob auf den Bilder überhaupt etwas zu erkennen war und zudem würde ich die Bilder der anderen Gruppen zu sehen bekommen. Letztendlich war es das Schwierigste, eine Auswahl bei so vielen tollen Bildern zu treffen! Bei der Ausstellung, die zwei Wochen später stattfand, herrschte eine gemütliche Atmosphäre. Alle Teilnehmer freuten sich sehr, dass mindestens ein Doppelbild von ihnen ausgestellt wurde und viele Besucher kamen, um diese zu bewundern. Insgesamt war der Workshop »Think Twice« nicht nur toll geeignet, um sich auf seiner künstlerischen Seite auszutoben und mit neuen Mitteln zu experimentieren, sondern auch um neue Bekanntschaften zu machen. Ksenia Gorokhova, 16 Jahre, Schülerin der International School ISHR, Hannover
ein extra und ein studio Die Vermittlungsformate kestnerkids sind regelmäßig ausgebucht. Doch wo findet das eigentlich statt?
Die Vermittlungsformate kestnerkids sind regelmäßig ausgebucht. Doch wo findet das eigentlich statt? Wie ein Wanderzirkus sind wir bisher mit den Programmen der Kunstvermittlung durch die »freien« Räume der kestnergesellschaft gezogen. Kurzfristig wurden für die Workshops Tische und Böden in »herry’s bar« oder auch in Halle V abgeklebt und Material aus den Kellerräumen hervorgeholt. Wie als wäre nichts gewesen, musste all das anschließend wieder verschwinden, damit man das Café besuchen kann, ohne in Farbklekse zu treten. Seit Mitte Oktober 2015 hat die Kunstvermittlung nun zu großer Freude aller MitarbeiterInnen und kestnerkids mit dem »studio« einen eigenen und festen Ort. Hier kann in unmittelbarer Nähe zu den Ausstellungsräumen
konzentriert und ungebremst gearbeitet werden. Endlich können Spuren an den Wänden und Böden auch noch einige Tage später von der Auseinandersetzung und der kreativen Aneignungen erzählen. Und damit noch nicht genug: Zum festen Ort gibt es noch ein handfestes Ding. Die Auseinandersetzung mit der Ausstellung wird in Zukunft verstärkt durch das »Extra« angestoßen. Neben der Ausstellung wird jeder Künstler um Etwas gebeten, das einen spielerischen Zugang zu einem Werk oder zur Ausstellung ermöglicht. Mit zahlreichen Schlüsseln haben wir uns im Herbst 2015 die Ausstellung von Rita McBride eröffnet und erschlossen und mit Spannung erwarten wir, was die KünstlerInnen der kommenden Ausstellungen uns hinterlassen.
Blick in das Studio bei den Projekttagen der IGS Bothfeld
kestnerrätsel Wer stellt was aus?
Wo sind die Künstler?
Dieses Jahr haben vier verschiedene Künstlerinnen und Künstler in der kestnergsellschaft eine Einzelausstellung. Folge den Pfaden von ihren Namen aus, um herauszufinden, was für Kunst sie machen. Schreibe dann den dazugehörigen Namen unter das Bild.
In diesem Buchstabengitter haben sich 6 Künstlerinnen und Künstler versteckt, die in der kestnergesellschaft ausgestellt haben. Findest du sie? Die Namen können waagerecht und senkrecht im Gitter angeordnet sein. Wenn du eine Künstlerin oder einen Künstler gefunden hast, kreise sie mit deinem Stift ein. Diese Wörter sind versteckt: Pablo Picasso, Andy Warhol, Nan Goldin, Jeff Wall, Neo Rauch, Paul Klee.
James Richards
Rochelle Feinstein
Tobias Madison
Monika Baer
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kestnerreise zur 56. Biennale in Venedig Jedes Jahr fahren Mitglieder zusammen an ausgewählte Kunstorte und treffen AkteurInnen der Kunstwelt. Neue Eindrücke und der Austausch über diese, aber auch das gemeinsame Erlebnis sind immer eine kestnerreise wert. In 2015 führte uns die Reise nach Venedig.
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Vom 29. Oktober bis 1. November 2015 besuchten unsere Mitglieder gemeinsam mit Kuratorin Lotte Dinse die 56. Biennale in Venedig. Neben den Hauptschauplätzen, den Giardini und das Arsenale, standen zahlreiche weitere Ausstellungen und Sehenswürdigkeiten auf dem Programm. Unseren Kunst-Marathon starteten wir am ersten Tag mit dem Besuch der Ausstellung »Invisible Beauty«, die im Länderpavillon des Irak zu sehen war. Fünf KünstlerInnen unterschiedlicher Generationen beschäftigten sich in den Medien Fotografie, Zeichnung und Video mit der Geschichte und aktuellen Situation ihres Landes. Von dort schlugen wir einen weiten Bogen zu einer Einzelausstellung des irischen Künstlers Sean Scully, der im Palazzo Falier seine neuen farbstarken abstrakten Gemälde präsentierte. Zum Schluss unseres ersten Rundgangs besuchten wir die Ausstellung »Secret Power« des neuseeländischen Künstlers Simon Denny, die in den imposanten Räumlichkeiten der Renaissance-Bibliothek Biblioteca Nazionale Marciana am Markusplatz zu sehen war.
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Den folgenden Tag verbrachten wir in den Giardini. Dort besuchten wir zunächst ausgewählte Länderpavillons und am Nachmittag ging es weiter mit der von Okwui Enwezor kuratierten Ausstellung »All the World’s Futures« im Zentralen Pavillon. Neben einem ausgiebigen Besuch des Arsenale, gehörte der Besuch der Punta della Dogana, wo wir die von Danh Vo kuratierte Ausstellung »Slip of the Tongue« anschauten, zu einem Highlight unserer Venedigreise. Bei herrlichem Sonnenschein und einem hervorragenden Mittagessen genossen wir den letzten Tag auf der Insel Torcello. Höhepunkt des kurzen Inselaufenthaltes war die Besichtigung der Basilika Santa Maria Assunta mit ihren bedeutenden Mosaiken und der Kirche Santa Fosca.
3. Führung durch die Länderpavillons in den Giardini 4. Gut gelaunt in den Giardini 5. Letzter Tag auf Torcello 6. Mittagessen auf Torcello bei Sonnenschein 7. Verschnaufpause bei Heimo Zobernig im Österreichischen Pavillon 8. Sean Scully. Streifen bilder im Palazzo Falier
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Fotos: Wolfgang Schunck
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der förderkreis der kestnergesellschaft Der Förderkreis der kestnergesellschaft – eine Erfolgsgeschichte von fast 100 Jahren + KUNSTKOMM – der junge Förderkreis der kestnergesellschaft
Die Geschichte der Förderer der kestnergesellschaft ist so alt wie die kestnergesellschaft selbst. 1916 gründeten Stifter und Mitglieder zum Zweck der »Förderung des Kunstlebens in der Stadt Hannover« einen Verein. Bereits die Mittel für das Gebäude und den Ausstellungsbetrieb wurden zum größten Teil durch Spenden erbracht. Offiziell bestand zum ersten Mal im Jahr 1929 Möglichkeit, Förderer der kestnergesellschaft zu werden. Der Förderkreis in seiner heutigen Form wurde 1979 von Dorothea und Jürgen Hansen gegründet und hat sich seitdem stetig weiterentwickelt. Ziel war es schon damals, dass »ein Kunstverein, der sich für eine demokratische Vermittlung zeitgenössischer Kunst einsetzt, von einer breiten und buntgemischten Basis von Kunstfreunden und Förderern getragen werden sollte.« In dieses bunte Bild passte auch die Gründung von KUNSTKOMM 2003, dem jungen Förderkreis der kestnergesellschaft, der es sich besonders zur Aufgabe machte, jungen Menschen einen unkomplizierten Zugang zur Kunst zu ermöglichen. Wie es sich mit der Jugend so verhält, zeichneten sich die Mitglieder besonders durch Neugierde, Begeisterungsfähigkeit und neben einer finanziellen insbesondere durch ideelle Unterstützung aus. Im Laufe der Jahre näherte man sich schließlich immer weiter an. Mitglieder des Förderkreises wussten die etwas unkonventionelleren Veranstaltungen von KUNSTKOMM zu schätzen und so manches KUNSTKOMM Mitglied profitierte vom exklusiveren Zugang des Förderkreises. Es entstand eine Nähe, aus der Freundschaften erwuchsen. Man plante plötzlich vieles auch gemeinsam – und eines Tages stand die Frage im Raum: Ist das alles in dieser Form noch sinnvoll und vermittelbar? Und ist der junge Förderkreis noch jung? Seit Jahrzehnten sichert der Förderkreis den Ausstellungsbetrieb und die Erstellung der begleitenden Publikationen eines der bedeutendsten Kunstvereine. Gemeinsam ist allen Förderern das besondere Interesse an zeitgenössischer Kunst und der Wunsch, die kestnergesellschaft finanziell und ideell zu unterstützen. Trotzdem gibt es unterschiedliche Spendenleistungen, man organisiert manches doppelt – wäre es nicht sinnvoller, diese Aktivitäten unter dem renommierten Dach des Förderkreises zu bündeln! In monatelanger Diskussion, zunächst im kleinen Kreis, später gemeinsam mit den Mitgliedern, wurde ein Weg gefunden, das Beste aus beiden Welten miteinander zu verbinden und mit einer modifizierten fairen Spenden-
gestaltung auch auf die unterschiedichen Lebensphasen der Förderer einzugehen. Unter den Überschriften Casual, Classic und Exclusiv bietet der Förderkreis der kestnergesellschaft seinen Mitgliedern nun Atelierbesuche, Reisen und Feiern, die frei und individuell oder durchorganisiert und komfortabel jedem genau das Richtige bieten! Das Feedback vieler Mitglieder zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Sie möchten diesen Weg mit uns beschreiten oder denken zumindest darüber nach? Mehr Informationen zur Geschichte, dem Anliegen und den verschieden Veranstaltungen des Förderkreises gibt es unter www.foerderkreis-kestnergesellschaft.de Gern beantworten wir Ihre Fragen auch im persönlichen Gespräch oder per Email!
förderkreis +
k u n stkomm
kestnergesellschaft
Foto: Felix Ahrens
Förderkreisleitung: Ursula Sandmann u.sandmann@foerderkreis-kestnergesellschaft.de Christiane Rischbieter | Gräfin von der Schulenburg c.rischbieter@foerderkreis-kestnergesellschaft.de Inga Samii i.samii@foerderkreis-kestnergesellschaft.de Sascha Gustiné s.gustine@foerderkreis-kestnergesellschaft.de
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jahresgaben Auf dieser Seite zeigen wir Ihnen eine Reihe von Jahresgaben, die wir unseren Mitgliedern bereits vor vielen Jahren angeboten hatten. Möglicherweise entdecken Sie hier ein neues Lieblingsstück.
Myriam Bat-Yosef *1931 in Berlin | lebt in Paris In Liebe, 1973 Lithographie in vier Farben Blattgröße 40 × 58 cm Auflage 150 Vorderseitig signiert und nummeriert € 50,00
Winfried Gaul *1928 in Düsseldorf | gest. 2003 in Düsseldorf-Kaiserswerth
Ohne Titel, 1972 Siebdruck Blattgröße 45 × 63 cm Auflage 200 Vorderseitig signiert und nummeriert € 50,00
Jörg Remé *1941 in Danzig | lebt in Amsterdam und Venedig
Ohne Titel, 1967 – 73 Farbiger Siebdruck Motivgröße 45 × 45 cm Blattgröße 55 × 55 cm Auflage 100 Vorderseitig signiert und nummeriert € 210,00
Tochter des Gärtners, 1975 Lithographie von fürnf Steinen Blattgröße 65,5 × 51 cm Auflage 100 Vorderseitig signiert und nummeriert € 50,00
Mathias Goeritz *1915 in Danzig | gest. 1990 in Mexico-Stadt
Sabine Hofkunst Schroer *1946 in Zürich | lebt in MontetCudrefin, Schweiz
Torres, 1973 Farbiger Siebdruck Blattgröße 57,3 × 72,5 cm Auflage 100 Vorderseitig signiert und nummeriert € 120,00
Kohlkopf, 1975 Farbradierung von drei Platten Motivgröße 35,5 × 26 cm Blattgröße 59 × 45 cm Auflage 80 Vorderseitig signiert und nummeriert € 50,00
Vollrad Kutscher *1945 in Braunschweig lebt in Frankfurt am Main rentseK sträwrov remmI, 1998 Serie von zwölf Photogrammen aus der Installation »Leuchtende Vorbilder« Format je (variierend) ca. 55 × 54 und 55 × 65 cm Jede Arbeit ist ein Unikat Vorderseitig signiert € 600,00
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Yves Laloy *1920 in Rennes | gest. 1999 in Cancale/Frankreich
Hans-Albert Walter *1925 in Kolberg, Pommern | gest. 2005 in Diepholz Ohne Titel, 1973 Siebdruck in sechs Farben Motivgröße 39 × 46 cm Blattgröße 50 × 50 cm Auflage 100 Vorderseitig signiert und nummeriert € 100,00
kunstwerke in serie: editionen, unikate Die Editionen entstehen in enger Zusammenarbeit mit den ausstellenden KünstlerInnen. Oftmals handelt es sich um einzigartige, exklusiv für die kestnergesellschaft angefertigte Serien oder Unikate, wie zum Beispiel die ver Werke von Dominik Sittig. Entdecken Sie weitere Editionen in unserem Onlineshop: http://kestnergesellschaft.de/shop/.
FORT Jenny Kropp *1978 in Frankfurt a. M. & Alberta Niemann *1982 in Bremen | leben in Berlin Ohne Titel, 2015 | Fine Art Print | Blattgröße 35 × 30 cm | Auflage 20 + 1 a.p. | Rückseitig gestempelt, signiert und nummeriert | € 300,00 | € 465,00 gerahmt Das Künstlerkollektiv FORT bewegt sich wie ein Seismograf durch unsere Alltagswelt und spürt dabei gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und Ereignissen nach. Die Edition der beiden Künstlerinnen stellt eine Fotografie dar, die in einer Nahaufnahme die Wand eines der Regale des in die Ausstellungsräume verfrachteten Schlecker-Interieurs in ihrer Installation »Leck« zeigt. Schmutz- und Gebrauchsrückstände von Verpackungen wirken durch den Bildausschnitt, losgelöst vom Kontext eines Supermarktregals im Gesamtbild eher wie ein Aquarell oder eine Grafik.
Nan Goldin *1953 in Washington, D.C. | lebt in New York, Berlin und Paris Nadine, 8 1/2 months pregnant. Biesenthal, Germany, 2015 | Fine Art Print | 39 × 48 cm | Kaschiert auf 3 mm Forex | Auflage 15 | Rückseitig signiert und nummeriert | € 3500,00 | € 3670,00 gerahmt Die amerikanische Fotografin Nan Goldin nimmt in der zeitgenössischen Fotografie eine zentrale Stellung ein. Im Zentrum ihrer fotografischen Arbeit, die 2006 mit der französischen Ehrenlegion und 2007 mit dem Hasselblad Foundation Award ausgezeichnet wurde, stehen vor allem persönliche Beziehungen und Momentaufnahmen aus ihrem eigenen Leben, die sie direkt und schonungslos ablichtet. So ist auch »Nadine, 8 ½ months pregnant, Biesnethal, Germany« eine intime Momentaufnahme, dominiert von warmen Hauttönen und weichen Formen, die nicht nur die Intimität dieses Moments zeigt, sondern, wie weitere ihrer Werke, auch ein Verweis auf gesellschaftliche und soziale Zustände ist.
Rita McBride *1960 in in Des Moines, Iowa | lebt in Düsseldorf Service Caller, 2015 | Aluminiumobjekt | Objekt größe 9,5 x 6,5 x 3 cm | Auflage 13 + 2 a.p. | Zertifikat signiert und nummeriert | € 1800,00 Mit ihren skulpturalen Werken analysiert die amerikani-
sche Bildhauerin Rita McBride die unserer Gesellschaft zugrunde liegenden Strukturen, die uns unmerklich in unserem alltäglichen Handeln steuern. Ausgangspunkte ihrer Skulpturen sind dabei häufig alltägliche Gebrauchsgegenstände, mit deren Form, Materialität und Präsentationsform sie in ihren Skulpturen spielt. Mit der Edition »Service Caller« verweist McBride erneut auf die zugleich große und doch absurde Aussagekraft, die ein Gegenstand haben kann, wenn dieser erstmal aus seinem ursprünglichen Kontext isoliert wird.
Pipilotti Rist *1962 in Grabs (Schweiz) | lebt in Zürich Du wirst sorglos sein, 2015 | Videostill, Tintenstrahldruck auf Büttenpapier | Motivgröße 28,2 × 42,7 cm Blattgröße 42 × 59,4 cm | Auflage 25 + 10 a.p. | Rückseitig signiert und nummeriert € 2700,00 | € 2870,00 gerahmt Pipilotti Rist ist eine Pionierin der zeitgenössischen Video kunst. Mit raumgreifenden Videoprojektionen schafft sie faszinierende Erlebnisräume, die unterschiedliche Sinneseindrücke verschmelzen und auf das Körper-, Raum- und Zeitempfinden wirken. Ihre Edition, ein Still aus der Videoinstallation »Du wirst sorglos sein«, vermittelt einen Eindruck der Naturaufnahmen, die Rist in ihrem Video mit visuellen Erforschungen des menschlichen Körpers collagiert.
Dominik Sittig *1975 in Nürnberg | lebt in Berlin Ohne Titel, 2015 | Vier verschiedene Motive | Acryl und Textil auf Leinwand | 50 × 40 cm | Serie von vier Unikaten für die kestnergesellschaft | Rückseitig signiert | je € 3000,00 Im Zentrum der Arbeit des Malers Dominik Sittig steht vor allem das Problem des ästhetischen Ausdrucks. Sittigs Bilder, die in langwierigen Prozessen entstehen, drücken mit ihren durch aufeinander gefrachtete Farb- und Textilschichten plastischen Oberflächen absurde Erwartungen an einen künstlerischen Ausdruck, Zweifel an malerischen Mitteln und bis ins Exzessive übersteigerte formale Klischees aus. So ist auch die vierteilige Serie seiner Edition mit ihrem synthetischen Charakter und der daraus entstehenden übersteigerten Künstlichkeit eine Parodie auf die Malerei selbst.
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FORT, Ohne Titel Nan Goldin, Nadine, 8 1/2 months pregnant. Biesenthal, Germany Rita McBride, Service Caller Pipilotti Rist, Du wirst sorglos sein Dominik Sittig, Ohne Titel
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die kestnergesellschaft lebt nicht von kunst allein Ohne Mitglieder kann kein Kunstverein funktionieren – das gilt seit 100 Jahren.
Und da auch die kestnergesellschaft auf das vielfältige Engagement ihrer Mitglieder angewiesen ist, möchten wir etwas zurück geben an unsere Freunde und Unterstützer: Jedes Mitglied, das ein Familienmitglied, eine Freundin oder einen Freund als Mitglied für die kestnergesellschaft gewinnt, kann sich gratis einen unserer vielen Ausstellungskataloge aussuchen oder eine der
limitierten »bree meets kestner«-Taschen. Diese Taschen werden aus den Ausstellungsbannern produziert, jede Tasche ein Unikat – so nehmen Sie ein Stück der Ausstellung mit in Ihren Alltag. Selbstverständlich genießt auch das neue Mitglied alle Vorteile der Mitgliedschaft in der kestnergesellschaft, dem schönsten Ausstellungshaus Deutschlands.
jetzt mitglied und freund werden
Ich möchte Mitglied der kestnergesellschaft werden und beantrage die Mitgliedschaft als
• ganzjährig freier Eintritt in unsere Ausstellungen und Sie bestimmen den Eintrittspreis für Ihre Begleitung
Die Mitgliedschaft ist jeweils für ein Kalenderjahr gültig und kann spätestens bis 30. September zum Jahresende gekündigt werden.
• freier Eintritt in fast 300 Kunstvereinen deutschlandweit
Name, Vorname
• Einladungen zu Ausstellungseröffnungen und Veranstaltungen wie Künstlergesprächen, Filmabenden und Konzerten • Teilnahme an eintägigen oder mehrtägigen Kunst-Städtereisen • limitierte Künstlereditionen zum Vorzugspreis • Katalogabonnement für nur 80 Euro • Werden Sie Mitglied zu zweit zum »huckepack«-Tarif
junges Mitglied Mitglied, ermäßigt Mitglied ab
bis 20 Jahre 21 bis 30 Jahre 31 Jahre
0 Euro 30 Euro 60 Euro
Straße, Hausnummer
Postleitzahl, Wohnort
Geburtsdatum
Telefon
Datum, Unterschrift Die kestnergesellschaft verarbeitet Daten gemäß den gesetzlichen Bestimmungen.
editionsverlosung 2015 | lewis baltz » Anechoic Chamber, France Telecom L aboratories« Warum in der kestnergesellschaft Mitglied werden? Ein wesentlicher Punkt auf der Liste der Vorteile einer Mitgliedschaft ist natürlich das Privileg, unsere Künstlereditionen erwerben zu können. Jedes Jahr wird ein ausgewähltes Exemplar unter teilnehmenden Mitgliedern verlost wird. Dieses Jahr konnte sich Peter Knüppel, Lehrer an einer kaufmännischen Berufsschule, über »Anechoic Chamber, France Telecom Laboratories« von Lewis Baltz freuen. Seit 2002, als die großartige Maria Lassnig in der kestnergesellschaft ausstellte, ist er Mitglied und kann nun mit seinem Gewinn die erste kestneredition in seiner Sammlung verzeichnen. »Auf-gut-Glück« nahm Peter Knüppel, dem Lewis Baltz bis dato unbekannt war, an der Verlosung teil und kann nun das Werk eines der bedeutendsten amerikanischen Fotographen sein Eigen nennen. Foto: Felix Ahrens
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Lennart Holst
neues aus dem team Auch in diesem Jahr hat sich einiges im Team der kestnergesellschaft getan: So dürfen wir neue Mitarbeiter herzlich begrüßen und müssen von anderen Abschied nehmen.
Charlotte Schüling war zwei Jahre als Pressesprecherin in der kestnergesellschaft tätig. Zusätzlich hat sie die digitale Kommunikation in spannenden Projekten weiter voran gebracht. Im Anschluss übernahm sie die Pressestelle im Sprengel Museum Hannover als Elternzeitvertretung. Wir wünschen viel Erfolg für ihren neuen, aufregenden Lebensweg.
Charlotte Schüling, Nina Kuntz, Lara Schuh, Heinrich Dietz, Milan Ther
Nina Kuntz war im Bereich Kommunikation für den Schwerpunkt Marketing verantwortlich. Sie übernahm unter anderem die Redaktionsleitung der Ausgaben 6 und 7 des »kestnermagazins«. In ihrer Zeit baute sie vor allem das Online Marketing und die digitale Kommunikation mit einer neuen Homepage und dem Webshop erfolgreich aus. Die Mitglieder besuchten mit ihr die Berlin Biennale 2014. Wir danken für die gute Zusammenarbeit in diesen zwei Jahren! Sie bleibt uns in Hannover erhalten und ist nun Social Media & Web Specialist bei Cochlear Deutschland. Als neue Leitung für Kommunikation verstärkte Lara Schuh von August bis Dezember 2015 das Team der kestnergesellschaft. Lara führte die Bereiche Presse und Marketing zusammen in einer neuen Abteilung. Sie hat einen Background als Kulturmanagerin und war zuvor zwei Jahre lang als Presse und PR Volontärin in der Schirn Kunsthalle Frankfurt tätig. Außerdem konnte sie sich im Projektmanagement für das 200-jährige Jubiläum des Städel Museums bereits einen guten Einblick verschaffen, wie man runde Geburtstage feiert. Wir danken ihr sehr für die hervorragende Zusammenarbeit und wünschen ihr alles Gute für die Zukunft. Anfang September haben wir unseren Kurator einrich Dietz nach drei wunderbaren gemeinsamen H Jahren verabschiedet. Henri hat u.a. Einzelausstellungen mit Heimo Zobernig, Dominik Sittig, Pipilotti Rist und Linder Sterling sowie die Gruppenausstellungen »Pool«, »Gursky, Rauch, Wall« und »Der Schein« kuratiert. Wir vermissen dich. Milan Ther ist seit Oktober als kuratorische Assistenz in der kestnergesellschaft tätig. Milan, ein gebürtiger Däne, bringt u.a. Erfahrungen von kommerziellen Galerien in New York und der 13. Istanbul Biennale mit sich. Vor kurzem hat er sein Masterstudium Curatorial & Critical Studies an der Städelschule in Frankfurt am Main abgeschlossen.
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ein erfülltes leben ist zu ende gegangen Liebe Sterni, eine Textabgabe zum 11.11. womöglich um 11 Uhr 11. Und dann über Dich. Das war doch immer genau die Zeit, in der Du uns mit Krapfen versorgt hast ;-)
Christel Sternhagens 80. Geburtstag Foto: Rainer Surrey
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Wie gern denke ich an diese Zeit zurück. Es war zauberhaft, Dich im Team zu haben. Deine Freude an Ausstellungen, die gut besucht waren; wenn wir 99 Besucher hatten, fiebertest Du dem 100sten schon entgegen … Hardselling, wie Carstens Ahrens immer gerne betonte. Nie konnten wir diese besondere Eigenschaft auf neue KollegInnen übertragen. Niemand durfte das Haus verlassen, ohne vorher bei Dir einen Katalog gekauft zu haben. Und wenn Dir der Verkauf an dem einen oder anderen Tag zu wenig erschien, hast Du Dich für den schlechten Umsatz geschämt und eben einen Katalog für Dich selbst gekauft. Damit Du am Ende etwas »in der Kasse« vorweisen konntest. Jedem, der eine Eintrittskarte kaufte, wurde von Dir eine Mitgliedschaft angeboten. Niemals hat Deine Energie nachgelassen. Im hohen Alter hast Du noch Sprachkurse belegt, damit Du unsere ausländischen Besucher begrüßen konntest; dank Spickzettel auf Italienisch, Französisch, Spanisch oder Englisch. Unzählige Male hast Du Hände geschüttelt, Eintrittskarten überreicht, »die Garderobe ist dort, haben Sie einen Euro und bitte nehmen Sie unseren Saalzettel mit, er enthält wichtige Erläuterungen. Und der Eingang zur Ausstellung ist dieses Mal hier, bitte.« Unzählige Künstler hast Du bei ihren Besuchen mit Kaffee oder Mineralwasser versorgt, vielen hast Du Kataloge für andere zur Signatur vorgelegt. Dein Lieblingskünstler war eindeutig Georg Baselitz, seine Besuche in der Warmbüchenstraße waren immer ein Highlight für Dich. Du hast ihm von Deinen Katzen berichtet, er Dir von seinen Hunden. Wie viele Tausend Einladungskarten hast Du eingetütet? Wie viele Tausend Rechnungen den Mitgliedsausweisen zugeordnet, gefalzt, kuvertiert? Und früher, in der Warmbüchenstraße, als das bei uns im Team manuell zuging, hattest Du immer frische Brötchen, Erdbeeroder Zwetschenkuchen dabei. Immer hast Du uns über Deine Katzen berichtet. Natürlich hast Du auch Königshäuser geliebt, insbesondere das Britische. So war es ganz selbstverständlich dass Du kurzerhand Dein Fernsehgerät von zu Hause mit an den Empfangstresen brachtest, als Prince Charles Lady Diana Spencer heiratete. Mit Carl Haenlein, Carsten Ahrens und mir hast Du Dich wahnsinnig auf die neuen Räume gefreut. Auch nach dem Umzug in die Goseriede, als viel mehr Menschen regelmäßig zu uns kamen, ließ Deine Energie nicht nach. Unglaublich viele Mitglieder kanntest Du, namentlich konntest Du sie begrüßen, nach ihren Kindern, nach ihren Katzen fragen und dann, so ganz en passant, auf die neue Jahresgabe, auf die neue Edition hinweisen: »Sie
möchten doch nicht ohne nach Hause gehen?« Natürlich hattest Du auch immer einen kleinen Spickzettel in Deiner Blazer-Tasche, konntest schnell noch mal nach dem Namen lugen. Ich bin sicher, dass niemand Dich beim spicken erwischte. Du bist bis zum Schluss immer mit Deinem kleinen Auto in die kestnergesellschaft gekommen, wir machten uns natürlich reichlich Sorgen, als Du immer älter wurdest. Großzügig hast Du auch KollegInnen von A nach B mitgenommen, wann immer es sich ergab. Ob sie Angst neben Dir am Steuer hatten, bleibt offen. Ich erinnere mich an Dein liebevolles Frau von Rauch unterhaken, wenn sie zum Neujahrskonzert kam. Zu Deinem 80sten Geburtstag, kurz nach dem Direktionswechsel von Carl Haenlein auf Veit Görner richteten wir Dir ein kleines Überraschungsfest in der kestnergesellschaft aus. »Ich liebe Euch alle«, hast Du gesagt. Jetzt ist der 11.11. Was bleibt? Eine herrliche Erinnerung an eine ganz wunderbare Mitarbeiterin. Im September 2015 ist Christel Sternhagen friedlich eingeschlafen. Mairi Kroll, Geschäftsführerin
muthmarken
danke für ein jahrhundert inspiration Seit einem Jahrhundert gelingt es der kestnergesellschaft Jahr für Jahr, Hannover zu einer der wichtigsten Bühnen für zeitgenössische Kunst in Deutschland zu machen. Wir schätzen das sehr und
sagen ganz herzlich Danke dafür! Auch im Jubiläumsjahr wird es wieder aufregend und spannend – mit Einzelausstellungen zu Tobias Madison, Monika Baer, James Richards und Rochelle Feinstein.
Versicherungen. Finanzen.
kestnerlabor: unser geheimrezept Das kestnerlabor ist kein gewöhnliches Menü – sondern ein kreativer Mix von Zutaten. Genauso unterschiedlich sind ihre Geschmäcker und Eigenschaften, aber eins verbindet sie alle: Die Freude an der Kunst!
Material: Kunstwerke Hammer & Nagel Pinsel Poster, Flyer, Sticker Martin Luther Marktkirche Küchenschürze
Geheimrezept – für eine gelungene 4. kestnerschau in der Marktkirche Schwierigkeitsgrad: kreativ Zubereitungszeit: 2 Monate Backzeit: 03.09.2015 bis 30.09.2015 Anmerkung: Dieses Rezept sollte man stets in der Gruppe kochen.
Empfohlen von Sterne-Köchen/innen: Nadine Grieser, Freya Schwachenwald, Christine Göken, Florian Hoffmann, Raphaela Djalili, Viktoria von Pidoll, Felix Ahrens, Nora Herdegen
Zutaten: räumliches Denken, Verständnis für Kunst, Gespür für Ästhetik, Kommunikationstalent, Teamgeist, Offenheit, Selbstständigkeit, Tatendrang, Neugierde , Motivation, Eigeninitiative, Spaß, eine Prise Mut, unter Zeitdruck einen kühlen Kopf bewahren
Zubereitung: 1. Die Schichten der gesellschaftlichen Konventionen abschälen, so dass sich ein Themenkomplex herauskristallisiert. Dieser Kern ändert sich alle zwei Jahre, dieses Jahr hat sich das Thema »Leiden« gebildet. 2. Verfeinern Sie den Kern mit allerlei Geschmackskomponenten: Suchen Sie sich elf Künstler mit unterschiedlichen Aromen, Noten und Gewürzen der Feinkosthochschule der bildenden Künste Braunschweig aus. 3. Lassen Sie alles für ein paar Tage garen, schauen Sie sich mal andere Rezepte an, inspirieren Sie sich und überlegen Sie sich ein Ausstellungskonzept. Denken Sie daran, dass alle Komponenten und Aromen in Harmonie zueinander stehen, dennoch jedem genug Entfaltungsmöglichkeiten geboten werden müssen. 4. Welche Beilage könnte passen? Sollten Sie sich für einen Katalog als Beilage entscheiden: Vorsicht, hierbei könnten Sie etwas in Zeitdruck geraten und sollten deswegen beim Abschmecken mehr Zeit einplanen. 5. Kurz vor dem Servieren, sollten Sie die Ruhe bewaren und alles weitere auf sich zukommen lassen, so wird ihr Gericht ein großer Erfolg. 6. Freuen Sie sich auf die Gespräche und Meinungen der Gäste und lassen Sie das Gericht für sich sprechen!
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Erfahrungsberichte Wer hätte gedacht, dass der Name das Schwierigste ist? Die Idee zur Marktkirchenschau war da, die Künstlerauswahl stand fest – und plötzlich sollten wir bestimmen, wie all das, was wir sagen und zeigen wollten, in einige wenige Worte komprimiert werden könnte. Wir saßen in dem Dschungel aus Mindmapkraken und Post-it- Gewirr, in den wir das kestnerlabor verwandelt hatten, und wussten nicht mehr weiter. Dabei hatte alles so gut angefangen. Drei Mal fuhren Nadine, meine zu der Zeit einzige Mitlaborantin, Kurator Heinrich Dietz und ich nach Braunschweig an die Hochschule für Bildende Künste und jedes Mal kamen wir inspiriert und begeistert zurück. In Gesprächen mit den jungen Künstlern erfuhren wir so einiges über ihre Arbeiten, über ihr Denken und ihr Schaffen. Langsam begannen sich in unseren Köpfen Fäden zu spannen zwischen unterschiedlichen Künstlern und Projekten. Während der Bahnfahrten diskutierten wir über alles, was wir an dem Tag gesehen und gehört hatten. Schließlich war es für uns beide das erste Mal, eine Ausstellung zu konzipieren. Zurück im Labor trafen Nadine und ich recht schnell eine Auswahl an Künstlern, die wir gerne einladen wollten, an der Marktkirchenschau teilzunehmen. Es war wie ein Puzzle spiel ohne Vorlage, bei dem wir versuchten, die unterschiedlichsten Teile zusammenzusetzen. Wir wussten ein wenig, wie das Puzzle am Ende aussehen sollte, aber um dahin zu kommen, waren uns fast keine Grenzen gesetzt. Es sollte um den Menschen gehen, um den Weg, den er geht, um die Art, wie er sein Leben bestreitet oder bestreiten lässt. Vermarktet sich der Mensch? Verdinglicht er, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne? Diese Fragen brachten uns in die wildesten Diskussionen. Aber genau das wollten wir auch: nachdenken und zum Nachdenken anregen, das alltägliche in Frage stellen. Die Dinge, das sind die Anderen. Der Titel der Ausstellung fiel mir nach vielen, vielen verworfenen Namen ein. Wir trugen ihn eine Weile mit uns herum, und es fühlte sich gut an. Und damit, ganz plötzlich, wurde dieses zuvor namenlose Projekt ganz konkret. Und damit auch unsere Aufgaben: Nun hieß es Texte, Texte, Texte schreiben, ein Plakatmotiv bestimmen, den Ausstellungsdisplay entwerfen, mit den Künstlern den Aufbau planen und viele weitere Kleinigkeiten, die mit einem Male nach Aufmerksamkeit schrien. Nadine und ich hätten das kaum zu zweit geschafft, aber zum Glück kam in dieser Zeit Verstärkung ins kestnerlabor: Florian, der sich als Kommunikationsdesigner um die Printprodukte kümmerte, und ein wenig später Christine und Raphaela, die ebenfalls sehr schnell Aufgaben übernahmen. Und dann, mit gleicher Plötzlichkeit, rückte bei mir das Ende meiner Zeit in der kestnergesellschaft immer näher. Aus Wochen wurden Tage, und obwohl ich von Anfang an gewusst hatte, dass ich bei der Ausstellungseröffnung wieder an meiner Universität in Frankreich sein würde, fühlte sich das furchtbar seltsam an. So übergab ich stückchenweise immer mehr Aufgaben an Christine und Raphaela, arbeitete ab, was unser Zeitplan mir erlaubte. Am 02. September um 17 Uhr, dem Augenblick, in dem in der Marktkirche die Ausstellung eröffnet, dachte ich an meine lieben Mitlaboranten und alle anderen aus der kestnergesellschaft, die da sein würden.
Ich erinnere mich sehr gerne an meinen ersten Praktikumstag in der kestnergesellschaft zurück. Mein Praktikumsbeginn war ganz und gar kein gewöhnlicher erster Tag, doch dies konnte ich vor dem Beginn noch nicht ahnen. Nach einem Einführungsrundgang durch das Haus, wurde mir das kestnerlabor vorgestellt. Oben angekommen wuselten schon fleißig die anderen Praktikanten herum. Nach dem herzlichen und offenen Empfang der Laboranten/innen, wurde mir erzählt, dass heute die 4. kestnerschau in der Marktkirche eröffnet wird, welche von den Praktikanten geplant und organisiert worden ist. Alle Laboranten waren sehr aufgeregt und steckten noch in einzelnen kleinen Vorbereitungen, da in der Markt kirche noch einiges organisiert werden musste. Zum Beispiel musste noch ein Bild richtig aufgehängt werden, die Kataloge, die frisch aus dem Druck kamen, ausgelegt werden und das Catering war ebenfalls noch nicht aufgebaut. Inspiriert von der Atmosphäre der Marktkirche, wollten Künstler/innen spontan ihre Werke nochmal im Raum umstellen, um sie bestmöglich zu präsentieren. Man bemerke das wilde Chaos vor dem Begin, doch rechtzeitig zur Vernissage haben wir alles vorbereitet bekommen und die Anspannung und Aufregung des Tages löste sich. Die Vernissage war ein voller Erfolg – am Ende des Tages habe ich so viel erlebt und Eindrücke gesammelt, die ich mir zu Beginn meines Praktikums nicht hätte vorstellen können, vielen Dank für diesen unbeschreiblich aufregenden Tag.
Blick in die Ausstellung Fotos: Felix Ahrens
Felix Ahrens
Es kommt einer Mammutaufgabe gleich, welcher sich das kestnerlabor vor meinem Praktikumsantritt gestellt hat. Als ich nämlich erfuhr, dass meine Vorpraktikanten eigenständig die 4. kestnerschau in der Marktkirche auf die Beine gestellt hatten, kam in mir sofort der Gedanke auf: Wie knüpfe ich, der sein Praktikum antrat, als der ganze Trubel um die Marktkirchenschau bereits vorbei war, an so etwas an? Wie macht man als Neuer in einem Team weiter, das die wahrscheinlich größte und aufwendigste Aufgabe ihrer Praktikumszeit in der kestnergesellschaft bereits hinter sich hat? Doch diese Sorge verflüchtigte sich umso schneller, da ich feststellte, dass niemand dort dergleichen von mir erwartete. Ganz im Gegenteil, gleich zu Beginn konnte ich, der als frischer Abiturient sofort als der Jüngling unter den Praktikanten galt, daraus eine Lehre fürs spätere Leben ziehen: Achte auf deinem Weg, nicht darauf, was die anderen Leute machen. Denn diese Dinge, das sind die Anderen. Lennart Holst
Freya Schwachenwald
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Die Marktkirchenschauen sind etwas ganz Besonderes. Sowohl für die ausgewählten freien Künstler der HBK, denen man eine Ausstellungsfläche bietet, als auch für die Praktikanten, die im Team ihre wahrscheinlich erste eigene Ausstellung konzipieren dürfen. Als ehemalige Studentin der HBK begeistert mich dieses Konzept aus beiden Perspektiven. Über die Jahre haben Freunde und Bekannte dort ausgestellt oder sich kuratorisch beteiligt. Die schönen Schauen und Empfehlungen sind mir sehr positiv in Erinnerung geblieben und wurden, neben den imposanten Ausstellungen der kestnergesellschaft, für mich zu einem maßgeblichen Beweggrund, mich für ein Praktikum im Labor zu bewerben, das ich gleich im Anschluss an »die dinge, das sind die anderen« beginnen konnte. Katharina Ohmer
Blick in die Ausstellung Fotos: Felix Ahrens
Vorstellungsgespräch in der kestnergesellschaft: Das hieß für mich zu Beginn vor allem Nervosität, Aufregung und Neugier. Doch je mehr ich über die kestnergesellschaft und die Projekte des kestnerlabors erfuhr, desto mehr drängte meine Neugierde die Nervosität in den Hintergrund. Der Besuch der 4. kestnerschau in der Marktkirche im Anschluss an mein Gespräch war eine Selbstverständlichkeit – schließlich wollte ich unbedingt die Ausstellung sehen, die im Alleingang von Praktikantinnen und Praktikanten der kestnergesellschaft kuratiert, betreut und durchgeführt wurde. Ich war begeistert. Ein bisschen schade, dachte ich, nicht bei der Planung der Ausstellung dabei gewesen zu sein. Doch als ich zwei Wochen später mein Praktikum begann, merkte ich schnell, dass die Betreuung einer Ausstellung nicht mit deren Eröffnung endet. Die ersten Wochen meines Praktikums waren von der Marktkirchenschau bestimmt – Schon am dritten Tag fand ein Künstlergespräch statt; die Kunstwerke mussten fotografiert und ein Poster als Geschenk an die Künstlerinnen und Künstler für die Finissage entworfen werden. Am Ende standen die Finissage selbst und die Nachbereitung der Ausstellung. Jede Aufgabe hatte ihre eigenen spannenden Herausforderungen und ich bin froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, die 4. kestnerschau in der Marktkirche zusammen mit meinen Mitlaborantinnen und -laboranten begleitet zu haben und ein Teil dieser geworden zu sein. Nora Herdegen
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Basisanlagen Eine Klasse für sich – bei Sicherheit und Ertrag Publikumsfonds für sicherheitsbewusste institutionelle und private Anleger
MEIN GENUSS
rossmann.de
kestner’s choice Das kestnerteam ist ein bunter Mix von Persönlichkeiten. Einige arbeiten schon seit Jahrzehnten im Dienst der kestnergesellschaft, andere erst seit wenigen Monaten. Genauso unterschiedlich sind die Aufgaben und die Arbeitsbereiche. Aber eins verbindet sie alle: Die Freude an der Kunst. Hier einige ihrer Highlights.
Petra Lücke | Rechnungswesen
Drei Arbeiten von UMBO Tony Cragg, Ohne Titel, 2013, Platin-Variante, Porzellan, Objekthöhe 45 cm, signiert und nummeriert, Auflage 25
Uwe Meyer | Leiter Rechnungswesen Ich habe mich dieses Jahr sehr darüber gefreut, dass unsere Mitglieder und Fördermitglieder fast vollzählig ihre Beiträge und Spenden gezahlt haben. Auch wenn wir bei einigen durch sanftes, auch mehrmaliges Erinnern etwas nachhelfen mussten. So gerne man sich an etwas erinnert, so ungern mag doch oft von anderen an Dinge erinnert werden. Und dem kann man abhelfen – zumindest als Mitglied der kestnergesellschaft, denn wir bieten unseren Mitglieder einen einfachen Lastschrift-Einzug an. Vielleicht gibt es ja im kommenden Jahr erneut einen Grund zur Freude für die kestnerkasse. Ich werde berichten ...
Dr. Brigitte Kirch | Editionen Die Edition Cragg haben wir 2013 zum Subskriptions-Preis von 3.800 Euro angeboten. Bei zwei Auktionen in diesem Jahr wurden für diese Edition Preise von 50.000 Pfund (fast 70.000 Euro) erzielt - eine unglaubliche Wertsteigerung! Nach einer dieser Auktionen sprach mich ein Mitglied an, das damals unsere Cragg-Stele nach langem Überlegen nicht gekauft hat, sondern sich für eine andere Edition entschieden hat. Meine erste Reaktion: »Oje, der wird sich ja bestimmt furchtbar ärgern!«. Aber nein! Dieses treue Mitglied erklärte mir: »Ich kaufe ja Ihre Editionen nicht, um sie danach mit möglichst viel Gewinn wieder zu verkaufen. Ich kaufe sie doch, um mich daran zu erfreuen. Und jedes Mal, wenn ich die Edition in meinem Wohnzimmer sehe, dann freue ich mich darüber.« Ich finde es wunderbar, wenn unsere Editionen einen Platz im Zuhause und im Herzen unserer Mitglieder finden und ihr Leben bereichern. Das ist ein Wert, den man nicht in Pfund oder Euro ausdrücken kann, aber der mindestens ebenso wichtig ist.
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Als eine Legende die Kestner-Besucher begrüßte: In meiner Anfangszeit in der kestnergesellschaft Ende der 70er-Jahre, damals noch in der Warmbüchenstraße, saß ein freundlicher, älterer Herr an der Kasse. Die jüngeren Besucher verwöhnte er oft mit einem Griff in seine mit Gummibärchen gefüllte Blechdose, nicht ganz so ’flüssige´ Studentinnen und Studenten ließ er auch schon mal mit einem Augenzwinkern ohne Entgelt passieren. Dieser auf den ersten Blick unscheinbare, ältere Herr, der die Besucher mit den für ihn traditionellen Worten ’Grüß, Grüß´ empfing, war der berühmte hannoversche Fotograf Otto Umbehr (UMBO), der insbesondere in den 1920er-Jahren (Bauhaus) die Fotografie als einer der Protagonisten revolutioniert hat. In den 1970er-Jahren in Vergessenheit geraten, legte die kestnergesellschaft drei Jahresgaben von UMBO auf, die großen Anklang fanden. Schon bald und über seinen Tod 1980 hinaus setzte eine große Renaissance seines Werkes ein, die ihren bisherigen Höhepunkt in den Einzelausstellungen 1995/96 in Düsseldorf, Berlin, Frankfurt, München und Paris fand. Der Anblick der drei UMBO-kestnereditionen, die unsere Wohnung schmücken und die ich glücklicherweise zu seinen Lebzeiten erworben habe, erinnert mich stets an die freundliche Kunstlegende mit den Gummibärchen am Empfang der kestnergesellschaft.
Mairi Kroll | Geschäftsführerin Sehr schöne Ausstellungseröffnung zur Rita McBride- Ausstellung. Viele Gäste aus dem In- und Ausland, sowie zahlreiche ehemalige VolontärInnen, mit denen wir lange und gemütlich in herry’s bar zusammensaßen. Wie angenehm, dass unsere Alumni immer wieder gerne in ihre »Kaderschmiede« zurückkehren und das, obgleich wir sie so sehr gefordert (auch gefördert ;-) haben.
Jörg-Maria Brügger, Ausstellungs- und Betriebstechnik Rainer Walter | Ausstellungs- und Betriebstechnik »Pixelmapping« Bei Pipilotti Rist gab es eine »übereck Videoprojektion« mit dem Titel »worry will vanish«. Diese Projektion bestand aus vier Einzelbildern die ineinander übergingen. Um das gewünschte Ergebnis zu erzielen war das Pixelmapping erforderlich. Vier Testbilder mit den entsprechenden Pixelangaben und grafischen Darstellungen der Rahmen und Überschneidungen wurden tatsächlich 5 Tage lang an die Wände projiziert und neu berechnet, den Wandverhältnissen angepasst und noch mal gerechnet und angepasst usw. ... Für Außenstehende ein recht trockener und wenig spektakulärer Vorgang, allerdings mit einem mehr als spektakulären Ergebnis.
Wenn jemand oder etwas hundert wird, kann man schon davon ausgehen, dass es Geschichte/n darüber zu erzählen gibt: Zu meiner Geschichte mit der Kestnergesellschaft fällt mir meine erste Ausstellung ein, an der ich als Techniker beteiligt gewesen bin: Jon Kesslers »Asia« 1994 in der Warmbüchenstraße. Als Jon in Hannover war und wir am Aufbau arbeiteten verschwand er häufig zum Telefonieren – so ging es mir auch. Irgendwann sprachen wir darüber und es kam heraus, dass sowohl er als auch ich Vater werden sollten und es war für uns beide wohl gerade die »Heiße Phase«. Schließlich ging alles gut – mit dem Aufbau und den Töchtern. Er bedankte sich für die Zusammenarbeit mit einer überschwänglichen Widmung in meinem Exemplar vom Ausstellungskatalog mit »maybe our daughters can be friends«! Später, nach dem Umzug in die Goseriede hatten wir nach der Eröffnungsausstellung mit Rebecca Horn endlich den Platz und auch die Zeit, die hunderte von Umzugskartons aus der Warmbüchenstraße und diversen Außenlagern zu sichten. Aktenordner wurden durchstöbert, um auszusortieren und gegebenenfalls Wichtiges zu archivieren. Das zog sich über Wochen hin und dabei fiel zwischen Buchhaltungsdokumenten – ja alles noch mit Schreibmaschine und Kohlepapier dupliziert – hin und wieder Handschriftliches auf. Hier galt es nun genauer zu schauen. Zum erstenmal überhaupt hatte ich ein echtes Telegramm in den Händen: =einverstanden Lissitzky= Nun war der Forschergeist geweckt und es kamen die unglaublichsten Sachen zum Vorschein, vieles in feinster Handschrift: Thomas Mann, Kurt Schwitters, Ringelnatz, George Grosz, um nur einige Freunde und Wegbereiter der Kestnergesellschaft zu nennen, aber auch äußerst Unerfreuliches aus der »Dunklen Zeit«: Abmahnungen und Drohungen der sogenannten Reichskulturkammer.
Anne Prenzler, Caroline Käding mit ihrem Mann und Max Engelmann Das Team der kestnergesellschaft Foto: Raimund Zakowoski Katalog von Kessler’s Asia Widmung von Jon Kessler
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Das Magazin der kestnergesellschaft erscheint
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einmal im Jahr.
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(2. Vorsitzender), Dr. Michael Kunst (Schatzmeister),
kestnerlabor
satz und gestaltung
Dr. Thomas Noth (Schriftführer), Thomas Düffert,
Felix Ahrens, Niclas Becker, Nico Brockmann,
Felix Ahrens (Cover, S. 23– 31, 40 – 41, 54 – 56)
Eckhard Forst, Dr. Immanuel Hermreck, Dr. Sandra
Nora Hardegen, Lennart Holst, Katharina Ohmer
Goseriede 11
Fon +49 511 70120 0
www.kestnergesellschaft.de vorstand Uwe H. Reuter (1. Vorsitzender), Herbert K. Haas
druck
Reich, Inga Samii, Dr. Peter Thormann erweitertes team
Druckhaus Göttingen
kuratorium
Sigrid Didjurgis, Martin Grobecker, Jenny Heine,
Herbert K. Haas (Vorsitzender), Dr. Carl Haenlein
Friederike Jäger, Robert Knoke, Katja Krause, Lucie
auflage
(Ehrenmitglied), Dr. Max-Georg Büchner, Norbert H.
Mercadal, Thomas Neveling, Miriam Rausch, Caterina
6.000
Essing, Dipl.-Ing. Michael G. Feist, Herbert Flecken,
Stibitzky, Michael Stoeber, Alex Teske, Dörte Wiegand dank
Dr. Friedhelm Haak, Holger Hammer, Sepp D. Heckmann, Dr. Immanuel Hermreck, Albrecht
ehrenamt
Ein herzlicher Dank geht an unsere großzügigen
Hertz-Eichenrode, Michael Hocks, Dr. Hinrich Holm,
Matthias Forst, Empfang
Unterstützer, die durch ihre Anzeigen dieses
Dr. Heinrich Jagau, Hermann Kasten, Dr. Oliver
Friederike Haeußler, Aufsicht
Magazin ermöglicht haben. Ebenfalls herzlichen
Kiaman, Martin Kind, Dr. Hans Künzle, Klaus Lami-
Alice Man, Archiv, kestnerkids
Dank allen FreundInnnen und KollegInnen, die
net, Sylvia von Metzler, Dr. Volker Müller, Günter
Eberhard Meier, Führungen
mit ihren Texten einen wortvollen Beitrag zum
Papenburg, Prof. Dr. Hannes Rehm, Alice Rossmann,
Ulrich Prigge, Fotografien
Magazin leisteten. Und last but not least gilt
Dirk Rossmann, Dr. Yorck Schmidt, Dr. Andreas
Maria-Isabel Rössel, Unterstützung Förderkreise
besonderer Dank unserem Team von Praktikant
Schneider-Neureither, Andreas Schober, Stefan
Dorothee Schniewind, Recherche Editionen
Innen im kestnerlabor für Ihr unermüdliches
Schostok, Gerhard Schröder, Jörg Schubert, Elke
und Geschichte
Engagement. Ohne sie, Nora Herdegen, Katharina
Strathmann, Dr. Peter Thormann, Dr. Oliver Thum,
Michael Schöpf, Datenschutzbeauftragter
Ohmer, Felix Ahrens und Lennart Holst, hätten wir
Marc Ufer, Stephan Weil, Wilhelm Zeller
die Produktion dieses Heftes nicht so realisieren kestnerfirmenpartner| kestnerfirmenförderer
direktor
Architekten BKSP, ars mundi, Bahlsen GmbH & Co.
Christina Végh
KG, Bankhaus Metzler seel. Sohn und Co., Bantleon
können. Mairi Kroll, Redaktion
AG, Bertelsmann SE & Co. KG aA, Bethmann Bank geschäftsführerin
AG, Continental AG, Deloitte, Deutsche Messe AG,
Mairi Kroll
Elvaston Capital Management GmbH, HANNOVER Finanz GmbH, HANNOVER Rückversicherung AG,
kuratorin / curator
HAUS & GRUNDEIGENTUM Service GmbH, Institut
Lotte Dinse
der Norddeutschen Wirtschaft e.V., Investa Pro-
Das Land Niedersachsen fördert die kestnergesellschaft
jektentwicklungs- und Verwaltungsgesellschaft kuratorische assistenz / curatorial assistance M
mbH, KIND, KPMG AG, Nationale Suisse, Nobert
Milan Ther
Essing Kommunikation GmbH, NORD/LB, PSD Bank Hannover eG, Dr. Yorck Schmidt, Schneider-
vermittlung
Neureither & Partner AG, Gerhard Schröder
Julia Wedlich
Bundeskanzler a.D., Sparkasse Hannover, Stadtwerke
Kulturpartner
Hannover AG, Verlagsges. Madsack GmbH & Co rechnungswesen
KG, VGH Versicherungen, VHV Gruppe, Gerhard D.
Malte Fröhlich, Dr. Brigitte Kirch, Petra Lücke,
Wempe KG, Witte Projektmanagement GmbH
Uwe Meyer
Stand: Dezember 2015 partner
ausstellungstechnik | betriebstechnik
Aserto, Blumen am Aegi, BREE in der Galerie Luise,
Jörg-Maria Brügger, Rainer Walter, Eddie Lange
Finanz Informatik, klartxt, Neuwaerts, Sektkellerei Duprès-Kollmeyer, 20steps
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Tradition und Zukunft kommen auch bei uns zusammen: Gruß und Glückwunsch aus dem jungen Kunstmuseum Ahrenshoop an die verehrte Jubilarin in Hannover! 100 Jahre bürgerliches Engagement für eine Kunst am Puls der Zeit: Wir ziehen unseren Hut davor! Das erst 2013 eröffnete Kunstmuseum Ahrenshoop, Schwerpunkt-Förderprojekt der FAMAKunststiftung, ist eine bundesweit aufgestellte Gemeinschaftsstiftung mit einer einzigartigen Sammlung moderner Kunst in der Ostseeregion um Ahrenshoop vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute. Der spektakuläre Neubau des Berliner Büros Staab Architekten hat schon mehr als 80.000 Gäste angezogen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Kontakt: Jens Heidenblut, Vorstand FAMAKunststiftung, heidenblut@fama-kunststiftung.de