Nachruf für Wolle Kriwanek zu seiner Beisetzung am 25. April 2003 in Backnang von Klaus Haasis Geschäftsführer der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH
Liebe Irmi, lieber Benny, liebe Angehörigen und Freunde von Wolle, Wolle war einer, der mir schon etwas bedeutet hat, bevor ich ihn persönlich kannte. Ich begann gerade in Stuttgart mit meinem Studium, als Wolle 1980 zum ersten Mal hinter seiner Straßaboh her hetzte: „Ich muss die Straßaboh noch kriega, denn laufe will i net“. Als er dann eines Abends bei der Geburtstagsfeier eines Freundes neben mir saß, war er so ohne Allüren, so warmherzig und geradlinig, dass ich ihm spontan meine finanzielle Unterstützung für einige Programme der Rockstiftung zusagte. Das war eines der vielen Projekte, für die er sich engagierte und über die ich hier sprechen möchte: sein Engagement für die Rockstiftung, für die Nachwuchsförderung, für den Musik- und Medienstandort und insbesondere für alle damit verbundenen Menschen. Gerold Hug und Frank Bischoff hatten ihn 1996 beim Bier im alten Bahnhof von Baden-Baden am Rande des New Pop Festivals überredet, den Vorsitz der Rockstiftung zu übernehmen. Viele Musikakteure, Medienleute, Konzertveranstalter waren zusammengekommen und es war klar, ohne Wolle würde es wohl nicht gehen. Als erster Vorsitzender der Rockstiftung hat er seit 1997 den Musikstandort Baden-Württemberg zusammengeführt. 19 Initiativen und unzählige Einzelpersönlichkeiten waren zu integrieren. Er hat alle über seine Person vereinigt und zusammengebracht. „Einen menschlicheren Menschen kann man fast nicht kennen lernen“, sagt Dirk Metzger der Geschäftsführer der Rockstiftung. Wolle konnte keiner bösen sein, er hatte soviel Herz und Engagement. Menschen zusammenbringen, Brücken schlagen, Türen öffnen: das war Wolle live. Er war Moderator und Motor gleichzeitig, diese Ambivalenz hat ihn ausgezeichnet.
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Und Wolle kannte alle. „I fahr Daimler“ hatte er in den 80ern gesungen, und dann bei der Rockstiftung auch gleich bei Mercedes Nutzfahrzeuge in Köngen einen 6 m Sprinter für den Band-Pool besorgt, mit dem die Bands ihr Equipment auf Tour mitnehmen konnten. Auch er selbst war immer auf Achse und ist immer Terminen und Straßabohne hinterher gehetzt – auch wenn man es ihm oft nicht anmerkte. Nach der Arbeit in der Schule in Winnenden auf die A 8 nach Baden-Baden zu den Sitzungen den Rockstiftung und dort immer seine ersten Worte: „Habt ihr ne Butterbretzel für mich?“ Bescheiden wie der Schwabe eben ist. Für die Rockstiftung war er wie ein Vater. Und nicht nur die Rockstiftung war sein Baby. Auch jede einzelne Band war eines seiner Kinder. Am liebsten hätte er alle in den Bandpool der Rockstiftung aufgenommen. „Dirk“, sagte er dann zum Geschäftsführer der Rockstiftung, „können wir nicht alle nehmen, die machen doch alle geile Mucke hier“. Wolle hatte viele Träume. Einen hat er gemeinsam mit auf den Weg gebracht: eine Ausbildungseinrichtung für Musiker, nachdem er sich jahrelang für den Nachwuchs und erfolgversprechende Bands eingesetzt hat. Er war Wegbereiter der neuen Popkakademie in Mannheim. Ich konnte das Entstehen und seine Arbeit dafür eine Wegstrecke mit begleiten. Und ab Herbst diesen Jahres beginnen dort die ersten 55 Studenten an der Popakademie Baden-Württemberg mit einem Studium. Hier lebt ein Stück Wolle Kriwanek weiter. Das ist ein Teil seines Lebenswerks. Er sollte so eine Art schwäbischer Ehrenspielführer für Rock und Pop werden. Wolle war auch ein echter Regionaut. Nicht nur für Stuttgart, sondern besonders auch für Backnang, und auch sonst für jeden Ort, in dem er auftrat. Einen Eindruck von der tiefen Verwurzlung in der schwäbischen Seele gibt das Gästebuch unter wollekriwanekband.de. Beginnend am letzten Montag um 13:13 Uhr zeigt sich hier in unzähligen Eintragungen, wie groß die Reichweite und die Ausstrahlung von Wolle war. Vom Backnanger Sängerwettstreit 1971 zur Straßaboh, übers Ufo, bis zum kalte Wend, von der VfB-Hymne, über den Song zur Nordischen Ski-WM der Behinderten bis zum Song für die Olympia-Bewerbung von Stuttgart und seinen Traum. Alle
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Songs immer mit dieser kehligen Stimme, diese plötzliche Explosion und Veränderung zu einem wilden Tier, und kurz danach im persönlichen Gespräch fast schon wieder ein Kavalier alter Schule, insbesondere nachdem die Haare jetzt auch wieder kürzer waren. Sein größter aktueller Traum aber war die Aufführung des von ihm mit geschriebenen Musicals „der Zwölftonkavalier“. Da hat er von einer Aufführung auf einer großen Bühne geträumt. Mit glitzernden Augen hat er es mir noch einmal wenige Tage vor seinem Tod ans Herz gelegt, bei der Suche nach einem Produzenten mitzuhelfen. Vielleicht ist das sein letztes Vermächtnis, das es noch einzulösen gilt. Ich glaube nur wenige Mensche konnten und können das ganze Spektrum seiner Persönlichkeit erfassen: Moderator und Motor, Motion and Emotion, Kavalier und wildes Tier – diese Ambivalenz hat Wolle Kriwanek so faszinierend gemacht. Diese starke Verankerung im sozialen Engagement in der Bodenwaldschule in Winnenden, Auftritte mit einer Gruppe behinderter Musiker auf dem Kirchentag in Stuttgart mit „Marmor, Stein und Eisen bricht“, das Engagement für die Rockstiftung, für die Region Stuttgart, die Auftritte auf dem Backnanger Straßenfest, seine Band, der Zwölftonkavalier und der schwäbische Blues, den er im Blut hatte. Wolle, auch wir haben den Blues, weil du nicht mehr da bist. Du hattest so viele Freunde, für die du dich eingesetzt hast. Danke im Namen aller, bei denen du gute und große Gefühle ausgelöst hast. In Anlehnung an das Ende des legendären Straßaboh-Songs möchte ich sagen: Wolle, bisch viel zu früh hoim gange!
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