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RÜCKBLICK
17. Februar 1962 Am Strandweg beim Knüll: Die Menschen wollen mit eigenen Augen sehen, was „ihre” Elbe angerichtet hat
Die Flut von 1962 – 60 Jahre danach Impfen gegen Typhus
Am 16. Februar jährt sich die große Flut von 1962. Auch 60 Jahre später schaut Hamburg mit Bestürzung zurück auf die größte Katastrophe seiner Geschichte. Der KLÖNSCHNACK sprach mit Zeitzeugen.
Der 16. Februar 1962. Gegen 20 Uhr veröffentlicht das Deutsche Hydrographische Institut in Hamburg eine Sturmflutwarnung. Doch eine Reaktion darauf bleibt aus. 22 Uhr: In Cuxhaven bricht der erste Deich. Die Flutwelle bewegt sich in Richtung Hamburg. Es ist klar, dass die elbnahen Gebiete hart getroffen werden. Bis 2 Uhr morgens steigen die Wasserstände in St. Pauli auf 5,70 Meter. Es ist der höchste Pegel bis zu diesem Tag. Frau Schmidt sitzt mit ihrem Freund in einem Lokal in der Innenstadt, als plötzlich die Lichter ausgehen. Keinem der Anwesenden wäre es in den Sinn gekommen, dass eine Flut über weite Teile der Stadt einbricht. „Auf dem Heimweg kamen dann Durchsagen in der S-Bahn“, wie sich Marlis Schmidt erinnert. Sie war damals 20 Jahre alt. Am Morgen des 17. Februars ging sie an die Elbe, wie so viele, um sich ein Bild zu machen.
Hartmut Körner war einer der vielen Helfer: „Am Abend vor der Flut bin ich gegen 22.30 Uhr mit meinem PKW die Blankeneser Hauptstraße runter gefahren. Circa 50 Meter vor dem Strandweg war die Straße durch Hochwasser unbefahrbar. Dann bin ich über die Elbchaussee nach Teufelsbrück gefahren. Auch dort kam ich wegen des Hochwassers nicht an mein Ziel. Wieder zu Hause in Blankenese hörte ich vom Unheil.“
Sein Bruder, Hans-Henning Körner, betrieb eine Bäckerei auf Finkenwerder, das besonders hart vom Hochwasser getroffen wurde. In weiser Voraussicht hatte er mithilfe der Nachbarschaft und Passanten von der Straße die Elektromotoren aus den Maschinen ausgebaut und im 2. Stock des Hauses gelagert. „Da sein Betrieb Außendeichs gelegen war, dauerte es nicht lange, bis seine Bäckerei bis zur Decke geflutet war”, fügt Hartmut Körner hinzu. In der elterlichen Bäckerei in Blankenese war schon früh in der Nacht mit dem Backen begonnen worden. Man versuchte zu schaffen, was möglich war, um zu helfen. „Mein ältester Bruder, Dittmer, fuhr mit dem vollgeladenen Transporter durch den Hamburger Hafen nach Finkenwerder zu unserem Bruder, um damit die Nahversorgung zu sichern. Zu diesem Zeitpunkt hörten wir auch von dem ungeahnten Ausmaß der Katastrophe”, so Hartmut Körner.
Die Tragödie erreichte auf Wilhelmsburg, das damals noch nicht eingedeicht war, seinen traurigen Höhepunkt mit 315 Toten, die im Schlaf überrascht wurden. Auch andere Teile Hamburgs wurden schwer getroffen, so etwa Altenwerder. Die Überlebenden bangten nicht nur um ihr eigenes Leben und die Vermissten, sie waren abgeschnitten. Es fehlte an Decken, sauberem Wasser, Essen und medizinischer Versorgung.
Es blieb keine Zeit für lange Genehmigungswege. Unmittelbares Handeln war erforderlich. Polizeisenator Helmut Schmidt bezog die Bundeswehr ein. Später würde man es ihm hoch anrechen und sagen, es sei die einzig richtige Entscheidung in dieser Lage gewesen. Mithilfe der Bundeswehr und dem Deutschen Roten Kreuz war es nun möglich, Menschen zu evakuieren und Hilfsgüter ins Katastrophengebiet zu bringen. Die Zivilbevölkerung griff ebenfalls ins Geschehen ein. „Ich fuhr am Vormittag des 17. mit dem Auto durch den 5. Bezirk der Bäcker-Innung Hamburg zu den Bäckereien und holte bei den Kollegen gespendete Brote ab. In den Kellern des Jenisch-Hauses hatte das Rote Kreuz eine Hilfsstation errichtet. Ich konnte direkt zum Hubschrauber fahren, der im Jenisch-Park wartete. Per Hubschrauber wurde so die Bevölkerung im Überschwemmungsgebiet versorgt”, beendet Hartmut Körner seine Erinnerung. Noch Tage nach der Flut fuhr er per Fähre mit Broten nach Finkenwerder. Es ist nur ein Beispiel dafür, wie sich damals Hilfe organisiert und Einfallsreichtum Leben rettete.
Viele Menschen halfen, um ihre Stadt aufzuräumen und die Betroffenen zu unterstützen. Sie ließen sich gegen Typhus impfen, packten an. Was die Menschen an der Ahr durchmachen, können die Hamburgerinnen und Hamburger von damals nur zu gut nachempfinden.
Heute erinnern vielerorts Flutmarken und Denkmäler an das Hochwasser, seine Opfer und die Helfer. 1976 war die Flut noch höher. Doch die neuen Deiche hielten. Nun spricht man über weitere Schutzwälle, um uns gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen.