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GASTKOLUMNE
Stellungnahme
Der Kronzeuge der deutschen Justiz ist genauso wie im Fall Dreyfus einer der Haupttäter
Franz Wauschkuhn. Die Cum-Ex-Story Dreyfus-Affäre in Hamburg
So sieht und hört man es ja seit sechs Jahren tagein tagaus in den Medien. Die Cum-Ex-Story hätte „Sudel Ede“ von Schnitzler im „Schwarzen Kanal“ des DDR-Fernsehens nicht besser erdichten können: In der Hauptrolle die blonde Jeanne d’Arc der Kölner Justiz, dazu zwei Schurken, also alte, von Geldgier besessene Bankiers. Und in den Nebenrollen Bundesfinanzminister und Aufsichtsbeamte, die sich gebetsmühlenartig entschuldigen: „Opa hatte von nix keine Ahnung.“
So wenig sich die Hamburger Verleger Gerd Bucerius, Rudolf Augstein und Axel Springer haben leiden mögen, so einig hätten sie gesagt: „Der Plot ist idiotisch.“ Nach Lektüre von drei Containern voller „Cum -Ex“-Akten weiß ich: Dies ist die deutsche Ver sion der Pariser Dreyfus-Affäre. Muster und Vorurteile sind gleich: Der Spionage konnte sich im Frankreich von 1890 vermeintlich nur ein jüdisch gläubiger Offizier schuldig machen – im heutigen Deutschland kam für den gigantischen Steuerbetrug nicht etwa eine der beteiligten Landes- oder Großbanken, geschweige denn eine Sparkasse, sondern ausschließlich die einzige Bank in jüdischer Familientradition infrage. Und der Kronzeuge der deutschen Justiz ist genauso wie im Fall Dreyfus einer der Haupttäter. Nicht zu vergessen ist die Durchstecherei von Akten und Tagebüchern an die Pariser und die deutsche Presse, um die Bevölkerung im Vorurteil zu bestärken. Hanna Arendt identifizierte im Fall Dreyfus das Pariser Jesuitenkolleg als Drahtzieher. Im Fall „Warburg-Cum-Ex“ wird er unschwer in Frankfurt zu finden sein.
Fest steht: Ausländische Eigentümer deutscher Aktien wurden über Jahrzehnte steuerrechtlich diskriminiert. Für diese Kunden hat die Warburg Bank als Dienstleister sogenanntes „Dividendenstripping“, also Kreislaufgeschäfte, mit deutschen Aktien getätigt. Die waren legal. Fest steht auch, dass das mickrige Volumen dieser Geschäfte ab 2007 geradezu explodierte, nachdem der Frankfurter Anwalt Hanno Berger M.M.Warburg mit Londoner Maklern in Kontakt gebracht hatte. Bis 2011 wurde aber nur recht übersichtlicher Reingewinn erzielt. Dass es die Frankfurter Depotbank des ausländischen Aktienverkäufers aber unterließ, die von Warburg beim Aktienkauf gezahlte Kapitalertragssteuer gemäß Steuergesetz an den Fiskus abzuführen, erGAST KOLUMNE fuhren die Hamburger erst 2016 bei der Hausdurchsuchung. Von Stund an hatte Warburg den schwarzen Peter. Aus den Medien tönte es: Die gierigen Banker hätten nie Kapitalertragssteuer entrichtet, aber doppelt und dreifach vom Staat Aber-Millionen abkassiert. Mit dem Vorurteil sind wir alle schneller als beim Winterschlussverkauf. Ebenso wie in der Dreyfus-Affäre trat Engagierte Lehrer, Pastorinnen, grüne Muttis aus Hamburg-West, ja selbst nun der falsche Kronzeuge auf die Bühne. CDU-Abgeordnete sind sich ganz gewiss, dass Kreislaufgeschäfte mit Ak- Der sagte: Alle wussten alles. Dass er in eitien per se kriminell sind und die Warburg Bank mit Cum-Ex Milliarden vom Staat erschwindelt hat. Wen wundert’s. nem Münchner Cum-Ex-Prozess das krasse Gegenteil behauptete, stört weder in Bonn noch Karlsruhe. Dass weder Finanzminister noch Bonner Aufsicht eine Ahnung von der kriminellen Cum-Ex-Variante hatten – also Leerverkäufe deutscher Aktien rund um den Dividendenstichtag – ist schlichte Lüge. Die Variante war seit 1978 aktenkundig. Aber Leerverkäufe sind ein heißes EU-Thema. Frankreich, Spanien und Belgien kämpfen seit der Finanzkrise von 2008 für ein Totalverbot von Aktien-Leerverkäufen, weil diese Milliarden-Wetten schwere Finanzkrisen auslösen. Einem EUVerbot aber haben sich seit Helmut Kohl alle Bundesregierungen widersetzt. Denn mit Trumps Hausbank und mit deren grandiosen Vorständen mochte es sich niemand verderben. Übrigens: Wie hieß doch noch der Finanzstaatssekretär, dem bis 2006 die Bankenaufsicht unterstand und der von einem Tag auf den anderen in den Vorstand der Deutschen Bank wechselte? Egal. Der vorFranz Wauschkuhn, verurteilte Alfred Dreyfus musste über Wirtschaftsjournalist und zehn Jahre zäh auf Wiedergutmachung Autor („Max & Consorten”): „... die deutsche Version der Pariser Dreyfus-Affäre!” hoffen. Die beiden alten Bankiers tun es auch. Franz Wauschkuhn