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Interview mit Jost Deitmar, Hotelier
„… ich hatte erwartet: Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber das Gegenteil ist der Fall ...!”
Sagen Sie mal …
... Jost Deitmar, der Hamburger Hoteldirektor in Bayern „… am Jungfernstieg von Bad Aibling”
Wer in Hamburg lebt, kennt das Hotel Louis C. Jacob. Eine kleine Luxusherberge mit Blick auf die Elbe, kurz vor Blankenese. Vermutlich kennt er auch Jost Deitmar. 20 Jahre war er dort geschäftsführender Direktor, Gastgeber für alle, die im Jacob einkehrten. Solange, bis es zum Bruch kam mit dem Unternehmer Horst Rahe und er das Haus verließ. Es folgte eine Zeit, in der Deitmar sich neu sortieren und orientieren wollte.
Jetzt, vier Jahre später, ist er glücklich über einen gelungenen Neustart. Vieles hat sich geändert in seinem Leben, beruflich und privat. Er hat Hamburg verlassen, lebt mit seinem neuen Lebensgefährten Christopher Ofenstein in Bayern und leitet das Hotel „Das Lindner” in Bad Aibling südlich von München.
Barbara Herles hat ihn getroffen.
Fehlt Ihnen nicht die Großstadt?
Ab und zu fehlt mir das pulsierende, abwechslungsreiche und bunte Leben einer großen Stadt. Seit eineinhalb Jahren habe ich eine zauberhafte kleine Wochenendwohnung im Glockenbachviertel in München, das vergleichbar ist mit Ottensen oder St. Georg. Dort bin ich umgeben von Bars, Clubs, Restaurants, Cafés und Kneipen, bin in wenigen Minuten am Viktualienmarkt und an der Isar.
Hilft es beim Heimweh?
Seitdem ich dort ein zweites Zuhause gefunden habe, fällt mir der Abschied von Hamburg zunehmend leichter.
Herr Deitmar, wie geht es Ihnen heute, nachdem Sie Ihre Zelte in Hamburg abgebrochen und den Lebensmittelpunkt ganz nach Bayern verlegt haben?
Alles in allem war es die richtige Entscheidung. Ich fühle mich pudelwohl, wenngleich ich die vielen Freunde und Bekannte dort immer noch vermisse. Ich habe festgestellt, dass ich eine echte Großstadtpflanze bin, was ich selbst nicht für möglich gehalten hätte. Blankenese hat die Annehmlichkeiten einer großen Stadt direkt vor der Tür, Bad Aibling ist eben doch ein bisschen weiter weg von der Großstadt. Es ist ein wunderbares Kleinod mit liebenswürdigen, sehr netten Menschen, die keine Vorbehalte gegen hochgewachsene Nordlichter haben.
Was ist für Sie als Hotelier der größte Unterschied zwischen Hamburg und Bad Aibling, von der Größe mal abgesehen?
Zunächst einmal war’s für mich völlig ungewohnt, ein Hotel zu führen, das zentral mitten in der Stadt liegt, gegenüber vom Rathaus, umgeben von pittoresken Häusern, kleinen netten Geschäften und Restaurants. Etwas augenzwinkernd behaupte ich gern, dass wir uns hier am Jungfernstieg von Bad Aibling befinden. Im Übrigen ist auch „Das Lindner” ein Haus mit langer Geschichte und großer Tradition.
Die Eignerfamilie Greither-Lindner war immer bestrebt, das Hotel am Puls der Zeit zu halten, stilistisch, architektonisch und in der technischen Ausstattung. Über die Jahrzehnte hat sich „Das Lindner” für die Aiblinger und Rosenheimer zum gesellschaftlichen Treffpunkt entwickelt ...
... mit Gemeinsamkeiten zum Jacob?
Auch das Jacob war ja lange Zeit der gesellschaftliche Mittelpunkt für die Elbvororte. So gesehen gibt es ein paar Gemeinsamkeiten der beiden Hotels.
Große Umbrüche im Leben – neue Liebe, neuer Arbeitsplatz, neue Wohnsituation – gehen in der Regel nicht spurlos an einem vorüber. Was haben die letzten Jahre mit Ihnen gemacht?
Die Zeit war reif für einen Neuanfang. Der Umbruch war dann in jeder Hinsicht radikal und ging zudem extrem schnell. Die Jahre 2017: Abschied vom Jacob, 2018: Neuanfang als Unternehmer in Bad Aibling, 2019: privates Outing, neue Liebe, werden mir wohl immer in Erinnerung bleiben.
Es gab und gibt aber auch Konstanten. Besonders im persönlichen Bereich. Als ich vor zweieinhalb Jahren von Hamburg wegging, um 900 km entfernt ein 4-Sterne-Hotel zu betreiben, habe ich erwartet, ganz schnell in Vergessenheit zu geraten. Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Kommen alte Bekannte zu Besuch?
Noch immer kommen fast jede Woche zwei bis drei Gäste aus meinem bisherigen Leben zu Besuch. Ehemalige Jacob-Gäste oder -Mitarbeiter, die hier ein paar Tage die Schönheit der Gegend erkunden wollen oder die auf der Durchreise sind nach Österreich oder Italien. Das macht mich wirklich glücklich, zumal ich damit nicht gerechnet habe.
Sie hatten eine enge Bindung zu Gästen und Mitarbeitern?
Ja genau, das ist Teil meiner Vorstellung von einem gut geführten Hotel, dafür bin ich Hotelier geworden. Bei aller gebotenen Professionalität und Distanz ist die sehr persönliche, individuelle und authentische Ansprache der Gäste und Mitarbeiter neben der Küchen- und Servicequalität für den Unternehmenserfolg von größter Bedeutung. Das war auch im Jacob so und erforderte ungemeinen Einsatz, häufig zu Lasten von Familie, Freunden und Freizeit.
In meinem „neuen Leben” habe ich mir vorgenommen, mich vom alltäglichen Hotelgeschehen ein bisschen freier zu machen und meinem Privatleben ein wenig mehr Raum zu geben. So sind zumindest die Vorsätze.
Hat sich Ihr Freizeitverhalten verändert – Berge statt Meer?
Wann immer es möglich ist, holen wir den Rucksack und sind unterwegs. Insbesondere während der Corona-Zeit waren wir ständig auf Achse, haben auf dem Rad oder bei Wanderungen die Schönheit Oberbayerns oder Tirols kennengelernt. Wir waren unter anderem in Salzburg, im Schloss Herrenchiemsee, auf der Fraueninsel, am Wilden Kaiser und an den vielen Bergseen in der Umgebung.
Sind Sie leidenschaftlicher Reiseleiter?
Als Reiseleiter reichen meine Kenntnisse noch nicht, aber einen Tipp, wo die schönsten Flecken zu finden sind, kann ich geben. Und wenn jemand ans Meer will, empfehle ich den Chiemsee, der ja auch „Bayerisches Meer” genannt wird.
Wie haben Sie und das Hotel die Corona-Zeit bisher überstanden?
Mit Augenmaß und „auf Sicht” habe ich mein kleines Unternehmen ganz gut durch die schwere Zeit manövriert. Mein Verpächter hat auf die Pacht verzichtet, wofür ich sehr dankbar bin. Auch die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen haben mir sehr geholfen, das Hotel über Wasser zu halten.
Konnten Sie die Zeit nutzen?
Persönlich habe ich die Zeit genutzt, mir Gedanken über die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu machen. Welche Konsequenzen haben die Auswirkungen der Pandemie auf unsere Branche und auf mein Hotel im Besonderen? Wie kompensieren wir zukünftig den fehlenden Umsatz von Tagungs- und Geschäftskunden? Was ist dafür notwendig?
Eine Antwort ist unsere zunehmende Fokussierung auf Urlaubs- und Freizeitreisende. Seit fast einem Jahr feilen wir an einem Konzept, „Das Lindner” zu einem modernen Lifestyle-Hotel zu entwickeln und damit in die nächste Generation zu führen.
Jost Deitmar: Mit dem Fahrrad durch München
Was heißt das konkret?
Wir wollen den Gästen einen Ort geben, an dem sie Kraft tanken können, connecten, Neues entdecken und Spaß haben können. Being happy und healthy ist uns wichtig. Neben einer tollen „gesunden” Gastronomie, die wir gerade entwickeln, geben wir dem Gast die Möglichkeit, sich in der renommierten Klinik „St. Georg”, direkt gegenüber, durchchecken zu lassen oder Yoga-Stunden bei uns zu buchen. Außerdem lädt das Voralpenland zum Aktivurlaub mit Wandern, Biken und Entspannen am Bergsee ein.
Einen Vorgeschmack auf das urbane Lebensgefühl bekommt man seit sechs Wochen in unserem neuen Restaurant „Street Kitchen”. Hier gibt es in lässiger Atmosphäre Gerichte vom offenen Holzkohlengrill aus Tel Aviv, New York oder den Metropolen Südamerikas. Im Januar beginnt ein großer Umbau der anderen Restaurants. Eine ganz große Herausforderung wird darin bestehen, unsere Gäste, aber auch die Mitarbeiter auf diese Reise mitzunehmen und gleichzeitig für die nächste, jüngere Generation interessant und reizvoll genug zu sein.
Das wird auch viel Geld kosten.
Große Investitionen sind dafür erforderlich, aber ich weiß, es wird sich lohnen – und am Ende auch für den Eigner und Betreiber rechnen.
Jedes Jahr haben Sie mit Klaus Schümann den legendären Blankeneser Neujahrsempfang im Hotel Louis C. Jacob ausgerichtet. Planen Sie ähnliches in Bad Aibling?
Tatsächlich ja und wir waren in der Planung schon ganz weit. Prominente Bundes- und Landespolitiker hatten als Redner beim Bad Aiblinger Neujahrsempfang bereits zugesagt.
Und als Erfinder des Empfangs und Deligierter der Elbvororte wäre Klaus Schümann selbstverständlich dabei gewesen. Doch dann kam Corona. Für 2023 halte ich an dem Vorhaben fest.
Herr Deitmar, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Fragen: Barbara Herles Infos: www.das-lindner.com
ZUR PERSON: Jost Deitmar,
gebürtiger Münsterländer, erlernte das Hotelhandwerk in Celle (Fürstenhof), CH-Les Diablerets (Eurotel), GB-London (Savoy), Hamburg (Vier Jahreszeiten), New York (Cornell University). Er leitete von 1997 bis 2017 als geschäftsführender Direktor das „Louis C. Jacob” in Nienstedten. 2018 übernahm er als Pächter „Das Lindner” in Bad Aibling in der Nähe von München.